Prüfung vom Sofa aus: Klicken, Tippen und erfolgreich bestehen? - B.I.T. online
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Holländer NACHRICHTENBEITRÄGE 535 Prüfung vom Sofa aus: Klicken, Tippen und erfolgreich bestehen? Stephan Holländer Das Semester geht zu Ende, es ist wieder Prüfungszeit. Die Corona-Krise zwingt Hochschulen zu Fernprüfungen, Lernen und Prüfen mit digitalen Medien. Dabei gerechte Voraussetzungen zu garantieren, ist kompliziert. Einige Hochschulen haben damit bereits seit einigen Jahren Erfahrungen gesammelt. ❱ Mit der Bologna-Reform begann die Anzahl der Prü- Aussprache in die Prüfung einbezogen werden. fungen an den Hochschulen stark zuzunehmen. Seit Die verschiedenen Prüfungsformen können in konver- einigen Jahren haben Hochschulen sich der Frage zu gente und divergente Prüfungsformen unterschieden stellen begonnen, wie der wachsenden Anzahl von werden. Prüfungen bei steigenden Studierendenzahlen zu begegnen sei. Einige Hochschulen in Deutschland, Konvergente Prüfungsformen Österreich und der Schweiz haben in den vergange- Multiple-Choice-Prüfungen nen Jahren bereits Erfahrungen mit Fernprüfungen Die bekanntesten schriftlichen Prüfungsformen, auch gesammelt. Mit der Corona-Krise mussten Hochschu- als konvergente Aufgaben bekannt, sind Multiple- len geschlossen und der Unterricht eilends auf Fern- Choice-Prüfungen und Lückentexte, bei denen in Tex- lehre umgestellt werden, damit die Studierenden kein ten zutreffende Begriffe ergänzt werden müssen. Der Semester verlieren. Mit fortschreitendem Semester Vorteil dieser Prüfungsform ist zweifelsfrei, dass die stellte sich die Frage, wie die in den Studienplänen Auswertung durch entsprechende Prüfungssoftware vorgesehenen Prüfungen zu organisieren seien. Et- erfolgen kann. Die Investitionen in die Aufrüstung von was war allen Beteiligten klar: Diesmal wird alles an- Hard- und Software und eventuell in die Einrichtung ders sein, denn Klausuren werden nicht mehr mit Pa- eines Prüfungszentrums sowie der Aufwand zur Er- pier und Stift, sondern vor dem Bildschirm absolviert. stellung eines entsprechenden Fundus an Prüfungs- fragen in einer Datenbank bringen viele Vorteile mit Verschiedene Arten digitaler Prüfungsformen sich: Die E-Klausur • Die Fragenpools in der Datenbank sind beliebig Das E-Assessment, so der englischsprachige Ober- wieder verwendbar. begriff, unterliegt anderen Gesetzmäßigkeiten als • Die Fragenreihenfolge und Antwortoptionen kön- die klassische bisherige Prüfungsform. Eine E-Klau- nen nach dem Zufallsprinzip abgerufen werden, so- sur muss anders konzipiert sein als etwa eine Multi- dass jeder Prüfling eine individuelle Prüfung erhält. ple-Choice-Prüfung auf Papier, denn Prüfungsfragen • Für alle Prüfungsformen können zu den Lehrinhal- können mit kleinen Videosequenzen oder Audiose- ten passende Aufgabentypen erstellt werden. quenzen unterlegt sein, die auch eine Antwort per • Bei maschinenunterstützter Korrektur kann eine Mikrofon erfordern können, wenn es um Fremdspra- gute Zeitersparnis erreicht werden. chenprüfungen geht. Digitale Fragestellungen bieten • Die Prüfungsresultate stehen den Studierenden die Möglichkeit, verschiedene Medienformen einzu- schneller zur Verfügung. beziehen. Beispielsweise können von animierten In- • Mit statistischen Verfahren ist auch eine bessere fografiken begleitete Fragen nur digital gestellt wer- Qualitätskontrolle möglich. den. Konnten Fotos auch analog als Bestandteile der Fragestellungen verwendet werden, so können kurze Bildmarkierungsaufgaben Video- und Audiosequenzen oder interaktive Grafiken Zu den konvergenten Prüfungsformen mit geschlos- und Karten nur digital in die Fragestellungen einge- senen Fragestellungen zählen auch die Bildmarkie- bunden werden. Bei Sprachprüfungen beispielsweise rungsaufgaben. Dabei werden den Kandidatinnen und können unter Einsatz eines Kopfhörers und Mikrofons Kandidaten ein Bild oder mehrere Bilder präsentiert, auch das Hörverständnis getestet und Fragen zur auf dem oder denen sie eine bestimmte Struktur oder www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. Information. Technologie.
536 NACHRICHTENBEITRÄGE Holländer ein Objekt finden und markieren sollen. In einer Me- Projektaufgaben dizinprüfung könnte beispielsweise gefragt werden, Eine weitere Form der virtuellen Prüfungsform ist die eine auffällige Struktur in einem Röntgenbild zu iden- Möglichkeit einer Projektaufgabe, die innerhalb einer tifizieren. Die möglichen Bildpunkte können durch vorgesehenen Frist gelöst und deren Lösung münd- Markierungen (Hot Spots) gekennzeichnet werden, lich in einer Videokonferenz unter Zuhilfenahme von die über das Bild gelegt werden. PowerPoint-Präsentationen oder mittels Smartpho- Zuordnungsaufgaben ne-Videos präsentiert werden soll und anschließend Bei Zuordnungsaufgaben werden in der Prüfung ver- bewertet wird. Dieses Vorgehen wurde bereits mit Er- schiedene Begriffe präsentiert, die einander zugeord- folg in der Schweiz getestet und in den Regelbetrieb net werden sollen. Dabei können bewegliche Begrif- übernommen. fe auf dem Bildschirm per „Drag & Drop“ auf andere Prüfungsportfolio Begriffe geschoben oder an einen bestimmten Zielort Eine weitere geeignete Prüfungsform je nach Fach und verschoben werden. Die Zuordnungen können auch Lehrveranstaltung kann das Prüfungsportfolio sein. Ei- per „Matching“ erfolgen, wobei die Elemente zweier ne Portfolioprüfung beinhaltet stets eine Sammlung einander gegenübergestellter Listen durch Anklicken von Produkten/Werken, die zusammen als ein Portfo- mit Linien verbunden werden. lio eingereicht werden. Solche Produkte/Werke kön- Sortieraufgaben nen Präsentationen, Zusammenfassungen und Litera- Eine Sonderform der Zuordnungsaufgaben sind Sor- turrecherchen, eventuell ein Lerntagebuch mit Refle- tieraufgaben. Dabei muss eine Reihe von Begriffen xionen über das Gelernte sein, die die Studierenden oder Sätzen in eine bestimmte Reihenfolge gebracht in eigener Verantwortung erstellen. Der Vorteil dieser werden. Prüfungsform ist, dass die Bewertung der Leistung der Studierenden nicht an einem Produkt wie z. B. einer Divergente Prüfungsformen Klausur festgemacht, sondern an vielen verschiede- Zur Lösung divergenter Aufgaben ist ein schöpferi- nen. Da diese Produkte/Werke über den gesamten sches Einsetzen von Wissen nötig. Die Lösung diver- Verlauf der Lehrveranstaltung hinweg erstellt werden, genter Aufgaben soll zu grundlegenden methodischen wird durch den Einsatz eines Portfolios auch das konti- Überlegungen anregen, eine inhaltliche, qualitative nuierliche Arbeiten der Studierenden gefördert. Argumentation fördern und damit die vertiefte Aus- Take-Home-Prüfungen einandersetzung mit dem Lehrstoff bewirken. Diver- Dieser Prüfungstyp beinhaltet eine schriftliche Prü- gente Aufgabenformate zielen darauf ab, Eigenstän- fung, die ohne Aufsicht und standardisierte Fragen digkeit, Selbstvertrauen, Problembewusstsein, Krea- als Open-Book-Prüfung durchgeführt wird. (https:// tivität und Flexibilität der zu Prüfenden zu fördern. lehre.uni-mainz.de/digital/take-home-pruefungen/). Freitextaufgaben Bei diesen Prüfungen stehen individuelle Transfer- Ein vorherrschendes divergentes Aufgabenformat bzw. Syntheseleistungen im Vordergrund, daher er- ist die Freitextaufgabe. Die bereits bekannten, her- höht sich hier auch der Korrekturaufwand um ein kömmlichen Formen wie Klausuren mit zu lösenden Mehrfaches. Anwendungsfällen, Referaten und Hausarbeiten kön- Mündliche Prüfungsformen nen auch digital erstellt und eingereicht werden. Vor- Auch bei Bachelor- und Masterarbeitsgesprächen teile sind dabei, dass die Prüfenden das Hintergrund- kann das mündliche Prüfungsgespräch, gerade in der wissen, die Lösungswege und Begründungen der heutigen Corona-Krisensituation, als Videokonferenz Prüflinge besser erkennen und in die Bewertung mit durchgeführt werden. Dabei hat sich das Setting be- einbeziehen können. währt, für das Gespräch vorgängig die Einreichung Bei vielen E-Assessment-Systemen kommen bis jetzt von drei Thesen, die sich aus der abgegebenen Arbeit nur Stichwortlisten zum Einsatz. Hierzu wird von den ergeben, zu verlangen. Im ersten Teil des Gesprächs Dozierenden eine Liste obligatorischer Stichworte erläutern die Prüflinge ihre drei Thesen. In einem und ihrer Synonyme vorgegeben, auf deren Vorkom- zweiten Teil der Prüfung können dann der Betreuer men der zu bewertende Text untersucht wird. und der Beisitzer Verständnisfragen zur abgegebenen Es wird allerdings bereits an umfassenden semanti- Arbeit stellen. Idealerweise sollten für die Dauer des schen Analysen der eingereichten E-Prüfungen gear- Gesprächs zwischen 30-45 Minuten anberaumt wer- beitet. Dabei konnten auch schon gute Ergebnisse bei den. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass meist ei- der Bewertung von kurzen Freitextantworten erreicht ne Verlängerung von 15 Minuten eingeräumt werden werden. muss, bis sich alle eingeloggt haben, beziehungswei- se Ton und Bild stabil sind. online 23 (2020) Nr. 5 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Holländer NACHRICHTENBEITRÄGE 537 Didaktische Ziele bei Prüfungen Vorgängig zu einem E-Assessment sollten Prüfende sich Klarheit darüber verschaffen, was eigentlich zu prüfen ist. Dazu ist ein Blick auf die Lernziele des je- weiligen Faches oder der Lehrveranstaltung notwen- dig. Die dort genannten Ziele benennen, was auch Gegenstand der E-Klausur sein sollte. John Robert Anderson entwickelte in seiner ACT-Theorie1 (Adap- tive Control of Thoughts) verschiedene Arten von Lernzielen, die auch die Art von Wissen beinhalten können. Er unterscheidet zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen. Lernzieltaxonomien dienen der Ordnung von Lernzielen. Sie helfen, die Verschie- Mit freundlicher Genehmigung durch U. Hanke, Hochschuldidaktik denartigkeit von Lernzielen nach logischen Kriterien hierarchisch zu gliedern. Sie sind für die Lernzielkon- trolle sehr nützlich. Technische Voraussetzungen für Lernzieltaxonomie: Deklaratives und alle Prüfungsformen prozedurales Wissen Einige technische Voraussetzungen müssen gege- Das deklarative Wissen umfasst Inhalte wie das „Wis- ben sein, um schriftliche Online-Prüfungen möglich sen, dass Fische im Wasser lebende Wirbeltiere sind“. zu machen. Die meisten Online-Prüfungsprogramme Es beschreibt ein hierarchisch aufgebautes Netzwerk sind browserbasiert. Kommerzielle Prüfungssysteme von Konstrukten. Im deklarativen Gedächtnis sind die enthalten sogenannte Kioskmodi oder sichere Brow- theoretischen Konstrukte, Grundannahmen oder Axi- sersysteme. Im Open-Source-Bereich bietet sich der ome eines Wissensgebietes gespeichert. sogenannte Safe-Exam-Browser (SEB) an, eine Ent- Das prozedurale Wissen beschreibt Inhalte wie das wicklung der Eidgenössisch Technischen Hochschule „Wissen, wie man Fische fängt“. Das prozedurale Zürich (ETHZ), der von Systemen wie Moodle, ILIAS Wissen ist aus Ketten von „Wenn – Dann“-Regeln, al- und OLAT unterstützt wird. Mit diesem Browser ist so Prozeduren, aufgebaut. Diese Prozeduren werden auch die Freigabe gewisser Anwendungssoftware wie meist aus dem deklarativen Gedächtnis generiert, etwa Office-Programmen oder eines Rechners mög- können aber auch rein psychomotorischer Art sein. lich, unterbindet aber beispielsweise den Zugang zu Bei Prüfungen wird in der Regel deklaratives Wissen Google und anderen nicht zugelassenen Internetan- abgefragt, beispielsweise die Zuordnung von Rechts- geboten. begriffen zu einem Rechtsgebiet und den entspre- An einzelnen Universitäten wie beispielsweise in Bre- chenden Gesetzen. men und Mainz wurden spezifische Testzentren ein- Eine Überprüfung von prozeduralem Wissen ist zu- gerichtet, wo die Studierenden ihre Online-Prüfungen sätzlich mittels einer Demonstration der Abläufe und absolvieren. Die Medizinische Hochschule Hannover Zusammenhänge oder einer praktischen Probe der und die Fachhochschule Zürich setzen ein mobiles geforderten Handlungen möglich. Deklaratives Wis- elektronisches Prüfungssystem ein, das mit stationä- sen abzufragen ist daher einfacher. ren Servern, einem gekapselten WLAN und mobilen Lerntaxonomie nach Bloom Endgeräten wie Laptops oder Tablet-PCs ausgerüstet Eine feinere Einteilung nimmt die Lerntaxonomie ist. In jüngster Zeit lässt die Universität Mainz auch nach Bloom2 vor. Um in der Lehre vom Einfachen sogenannte „Take-Home-Prüfungen“ zu, die ohne Auf- zum Schwierigen, vom Überschaubaren zum Komple- sicht als Open-Book-Prüfungen absolviert werden xen voranzuschreiten, ist eine Einordnung kognitiver können. Lernziele hilfreich. Die Taxonomie kognitiver Lernziele Wichtig für die Akzeptanz dieser technischen Lösun- nach Bloom ermöglicht diese Einordnung anhand ver- gen bei den Studierenden ist, dass eine stabile Inter- schiedener, aufeinander aufbauender Lernstufen, wie netverbindung vorhanden ist und ihre Antworten im die nachstehende Illustration zeigt. Minutentakt gespeichert werden, so dass keine gege- benen Antworten verloren gehen. 1 J. R. Anderson: ACT, A Simple Theory of Complex Cognition. American Psychologist, 51(4), 1996, S. 355-365. 2 Benjamin S. Bloom (Hrsg.); Max D. Engelhart ... [et al.]; übers. von Eugen Füner ... [et al.]; mit einem Nachwort von Rudolf Messner, Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich, Weinheim, Basel: Beltz, 1976. www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. Information. Technologie.
538 NACHRICHTENBEITRÄGE Holländer Organisatorische Voraussetzungen Don’ts Erfahrungsgemäß ist es wichtig, gleich zu Beginn des • Die mögliche richtige Antwort ist bereits aus den Unterrichtsmoduls bekannt zu geben, ob und wann Antwortoptionen ableitbar, etwa aus der Nutzung eine Online-Prüfung stattfinden wird. Für viele Stu- von gleichen Begriffen aus dem Aufgabenteil in den dierende ist dies meist ihre erste Erfahrung mit die- Antworten. ser Art des Prüfungsverfahrens. Es hat sich gezeigt, • Die richtige Antwort meist an der gleichen Stelle dass es viel zur Akzeptanz bei Studierenden beiträgt, der Antwortoptionen einfügen. wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, eine Probeprü- • Zu viele Informationen im Aufgabenteil geben, mehr fung abzulegen. Nachstehend einige konkrete Tipps als für die Beantwortung der Frage notwendig ist. zur Organisation von schriftlichen Online-Prüfungen, • Schachtelsätze sind zu vermeiden. die auf gemachten Erfahrungen beruhen: • Keine doppelten Negationen verwenden. Straffe Zeitplanung • Keine Verwendung von Begriffen wie „nie“, „nim- Planen Sie die Prüfungszeit so, dass die Zeit zur Be- mer“, „alle“, „nur“, da solche Antworten kaum rich- antwortung aller Prüfungsfragen so knapp bemessen tig sind. ist, dass den Prüflingen zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um das Internet nach Antworten abzusuchen. Rechtliches Einsatz von Zufallsfragen Hochschulen steht es grundsätzlich frei, die Prüfungs- Dort wo es die Prüfungsform zulässt, sollten die Fra- art frei zu wählen. Es muss aber sichergestellt sein, gen den Studierenden per Zufall aus einem Fragen- dass den Prüflingen durch die digitale gegenüber der pool zugewiesen werden. Jeder Studierende schreibt analogen Prüfungsform keine Nachteile entstehen. so eine Klausur, die sich von den anderen Klausuren E-Prüfungen sind in der Prüfungsordnung geregelt unterscheidet. Damit dies möglich ist, muss vorgän- und unterliegen dem Datenschutzgesetz und dem Ur- gig eine genügend große Datenbank mit Fragen mit heberrecht. Im Zweifelsfalle ist vor dem Prüfungster- gleichem Schwierigkeitsgrad aufgebaut werden. min der Rechtsdienst der jeweiligen Hochschule zu Hilfe-Funktion sicherstellen konsultieren. Aufgrund der Krise haben inzwischen Während des gesamten Prüfungsverlaufs sollen die einige Hochschulen nachgezogen und ihre Prüfungs- Studierenden die Möglichkeit erhalten, technische ordnungen entsprechend angepasst und sogar die bzw. inhaltliche Fragen über eine Chatfunktion oder digitalen Prüfungsmöglichkeiten erweitert, wie bei- direkt mündlich an die Dozierenden stellen zu kön- spielsweise die Universität Mainz mit den bereits er- nen. Gemäß meiner Erfahrung gibt es nur sehr wenige wähnten sog. Take-Home-Prüfungen. Fragen technischer Natur, wie etwa Schwierigkeiten Prüfungsordnung beim Einloggen oder beim Verlassen des Prüfungs- Wichtig ist, dass das E-Assessment in der Prüfungs- programms. ordnung explizit erwähnt ist. Fehlt eine derartige Bestimmung, ist von einer elektronischen Prüfungs- Do’s & Don’ts durchführung abzuraten. Wird in einer Prüfungsord- Do’s nung die schriftliche Durchführung der Prüfung ver- • Die Fragen sollten verständlich sein. langt, ist die Durchführung einer E-Klausur unzuläs- • Eine Aufgabe sollte alle Informationen zu ihrer Lö- sig, da die Autoren der Prüfungsordnung von einer sung beinhalten, so dass die Frage sich möglichst klassischen Prüfung auf Papier ausgegangen sind. ohne Antwortoptionen beantworten lässt. Einige Hochschulen haben bereits einschlägige Be- • Die Schwierigkeit der Aufgabenstellung und der stimmungen erlassen oder hatten diese in der Coro- Antwortoptionen sind aufeinander abgestimmt. na-Krise entsprechend angepasst, wie beispielswei- • Die Antwortoptionen sind betreffs Thematik, Fach- se die Prüfungsordnung der Universität Mainz, die in sprache, Abkürzungen und Detailierungsgrad klar § 13 bei den schriftlichen Prüfungen auch E-Klausu- und gut verständlich formuliert. ren zulässt.3 • Die Antwortoptionen sind alle so kurz wie möglich Datenschutz und weisen in etwa die gleiche Länge auf. Datenschutzrechtliche Belange gelten auch bei Jede mögliche Antwort besteht aus einer einzigen kla- E-Assessments. Insbesondere gelten dabei diesel- ren inhaltlichen Aussage. ben Bestimmungen wie bei analogen Klausuren. Der Datensicherheit ist besondere Beachtung zu schen- ken, sodass Dritte keinen unbefugten Zugriff auf die 3 https://download.uni-mainz.de/verwaltung-sl/ordnungen/PO_BA_Zwei_Faecher_aktuell.pdf. online 23 (2020) Nr. 5 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Holländer NACHRICHTENBEITRÄGE 539 mit der E-Prüfung verbundenen Daten erhalten kön- führt hatten. Aufgrund der Krise haben inzwischen nen. Es sind Sicherheitsvorkehrungen gegen Hacking weitere Hochschulen nachgezogen und ihre Prü- erforderlich. fungsordnungen entsprechend angepasst und sogar Zusätzlich braucht es eine Einwilligung der Prüflinge die digitalen Prüfungsmöglichkeiten erweitert, wie zu einer elektronischen Prüfungsdurchführung, ge- beispielsweise die Universität Mainz mit den sog. stützt auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO, was auch ei- Take-Home-Prüfungen als Prüfungen, die ohne Auf- ne allfällige Videoüberwachung während der Prüfung sicht und ohne standardisierte Fragen als Open-Book- betrifft. Eine Opt-Out-Klausel und das Nachholen der Prüfungen durchgeführt werden.6 Die Investitionen in E-Klausur in den Räumlichkeiten der Hochschule soll- die Aufrüstung von Hard- und Software und eventu- ten vorgesehen sein. ell in die Einrichtung eines Prüfungszentrums sowie Des Weiteren sollte aus datenschutzrechtlicher Sicht der Aufwand zur Erstellung eines entsprechenden die Bewertung teilweise durch Menschen geschehen, Fundus an Prüfungsfragen in einer Datenbank lohnt da eine ausschließlich automatisierte Korrektur und sich, wenn viele Studierende etwa mit einer Multiple Entscheidung über Bestehen bzw. Nichtbestehen der Choice geprüft werden sollen und sofern: Prüfung nicht zulässig sind, siehe beispielsweise § 4 • die Fragenpools in der Datenbank beliebig wieder Abs. 4 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen.4 verwendbar sind, Urheberrecht • die Fragenreihenfolge und Antwortoptionen nach Bei Prüfungen kann die einzelne erbrachte Prüfungs- dem Zufallsprinzip abgerufen werden können, so- leistung dank ihrer Individualität durchaus den ge- dass jeder Prüfling eine individuelle Prüfung erhält, setzlichen Schutz des Urheberrechts erreichen. Es sei • für alle Prüfungsformen zu den Lehrinhalten pas- hier insbesondere an die mündliche Projektpräsenta- sende Aufgabentypen erstellt werden können, tion mittels PowerPoint-Präsentation oder durch die • bei maschinenunterstützter Korrektur eine gute Herstellung eines Videos oder an ein Prüfungsportfo- Zeitersparnis erreicht werden kann, lio erinnert. Soll nun zu Archivzwecken eine Kopie auf • die Prüfungsresultate den Studierenden schneller einen Datenträger der Hochschule übertragen wer- mitgeteilt werden können und den, sind die diesbezüglichen Gesetzesbestimmun- • mit statistischen Verfahren auch eine bessere Qua- gen zu beachten. litätskontrolle möglich ist. Manipulation bei E-Assessments Ein immer wieder vorgebrachtes Argument gegen Mit der Einführung von E-Prüfungen ist ein erster Online-Tests im Rahmen von Online-Assessment- Schritt im Hinblick auf die Individualisierung von Prü- Verfahren ist, dass es in unbeobachteten Momenten fungsformen und das Bestreben vollzogen, mehr auf vielfältige Manipulationsmöglichkeiten gäbe. Als Al- die Perspektive der Studierenden einzugehen. Bisher lerweltsheilmittel wird die Videoüberwachung geprie- hatten Prüfungen vor allem Selektionscharakter. Als sen, die aber aus datenschutzrechtlichen Gründen formative Assessments könnten diese weiteren Prü- nicht unproblematisch ist.5 Grundsätzlich gilt für On- fungsformen von den Studierenden auch als wichtige line-Assessments, dass es keine 100%ige Sicherheit Lernchancen gesehen werden. Der Verzicht auf aus- gibt, dass das, was die Studierenden wiedergeben, in schließlich summatives Prüfen könnte somit einen Wirklichkeit auch ihrem eigenen Wissen entspricht. Schritt in Richtung einer fehlertoleranten Lernkultur Es gibt aber einige technische Vorkehrungen, die die- bedeuten und wäre dann die nächste große Heraus- ses Risiko maßgeblich verringern, beispielsweise: forderung für Lehrende wie Studierende. ❙ • Ein vorgängiges Registrieren der zu Prüfenden. • Die Verwendung von Einmal-Logins. • Variationen bei den Prüfungsanordnungen von Jahr zu Jahr. • Permutierende Fragen bei den E-Klausuren. Stephan Holländer Lehrbeauftragter, Basel Fazit stephan@stephan-hollaender.ch Es ist überraschend zu sehen, dass einige Hochschu- len E-Prüfungen bereits vor der Corona-Krise einge- 4 http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=166853,5. 5 siehe Abschnitt Rechtliches. 6 https://lehre.uni-mainz.de/digital/take-home-pruefungen/. www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. Information. Technologie.
Sie können auch lesen