Psychoterror im Namen der Liebe
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BEHARRLICHE VERFOLGUNG Stalking: In manchen Fällen standen Täter und Opfer in einer vermutlich intimen Beziehung und sind nun getrennt. Psychoterror im Namen der Liebe Stalking ist ein Phänomen, das ein wiederholtes, widerrechtliches Nachstellen, Belästigen oder Terrorisieren einer Person beschreibt. Eine Beleuchtung aus polizeilichem, psychologischem und juristischem Blickwinkel. nrufe, Kurznachrichten, E-Mails, häufig, aber nicht zwingend, mit ande- und versuchte, mit mir in Kontakt zu A Geschenke – und das unzählige Male pro Tag: Stalker bombardie- ren ihre Opfer mit Nachrichten oder ren strafrechtlich relevanten Delikten auf“, sagt Warisch, „etwa Körperverlet- zung, Nötigung, gefährliche Drohung, treten. Sie stalkte meine Familie, be- schimpfte mich, suchte Kontakt zu mei- ner Frau, wollte unbedingt an meinem vermeintlichen Liebesbotschaften, lau- Cybermobbing, Üble Nachrede, Belei- Leben teilhaben. Mein Alltag wurde ern ihnen auf, beobachten sie, wollen digung, Sachbeschädigung oder Urkun- enorm beeinträchtigt. Man fängt an, unbedingt Kontakt herstellen. Viele denunterdrückung“. Frauen sind häufi- sich buchstäblich vor jeder SMS zu Opfer reagieren auf diese Kontaktver- ger betroffen als Männer, zumindest er- fürchten, man geht beim Hintereingang suche, zumindest anfangs, denken, die statten sie häufiger Anzeige. aus dem Haus, um dieser Person nicht Situation so beenden zu können. Doch Über die Dunkelziffer lässt sich nur in die Arme zu laufen, man versucht ist das erst das Salz in der Suppe der spekulieren. Haben etwa Männer Orte zu meiden, an denen man sie zu- Täter. Nicht jedes Nachstellen ist gleich größere Probleme damit, sich in einer fällig treffen könnte. Eine Situation, die als Stalking zu werten. Polizeilich gese- Opferrolle zu sehen? Sind ihnen die belastet. Auch das Privatleben.“ hen versteht man darunter „die wider- Vorfälle peinlich und sie schweigen Das kennt Petra Warisch vom Op- rechtliche beharrliche Verfolgung einer darüber? Für die Psyche der Männer ist ferschutz aus ihrer täglichen Arbeit: Person“, sagt Petra Warisch, BA, Ex- das eine ebenso schwere Belastung, wie „Die Auswirkungen für Opfer auf phy- pertin im Bundeskriminalamt für Kri- der Fall Thomas E. (Name von der Re- sischer, psychischer wie sozialer Ebene minalprävention und Opferschutz. daktion geändert) verdeutlicht. sind ähnlich wie jene bei traumatischen Erlebnissen. Sie können sich in post- Die Grundlagen. Beharrlich wird ei- Ein Betroffener erzählt. „Anfangs traumatischen Belastungsstörungen ne Person verfolgt, wenn die Lebens- war mir der Stalking-Charakter der oder Stress-Symptomen zeigen. Die führung unzumutbar beeinträchtigt und Handlungen dieser Person gar nicht als psychischen Folgen können dazu dieses Verhalten über längere Zeit hin- solches bewusst. Es war eine nette Kol- führen, dass Opfer sich isolieren und durch fortgesetzt wird. Dies kann durch legin, mit der ich viel zusammengear- immer mehr den Kontakt zur Umwelt Aufsuchen von räumlicher Nähe, im beitet habe. Irgendwann nahm sie viel verlieren. Durch die Dauer und Häufig- Wege eines Kommunikationsmittels Raum in meinem Leben ein. Ein Ge- keit der Tathandlungen entsteht eine oder über dritte Personen erfolgen. spräch darüber machte sie wütend, also Beeinträchtigung der Lebensgestaltung Weiters erfüllt das Bestellen von Waren brach ich den Kontakt ab. Ein Schritt, – auch wenn sie keine (lebens-)gefähr- FOTO: PHOTOGRAPHEE.EU/STOCK.ADOBE.COM oder Dienstleistungen unter Verwen- den sie nie verstehen wollte. Der Terror lichen Auswirkungen für die Opfer ha- dung personenbezogener Daten der ge- begann: Oft mehr als 10 SMS pro Stun- ben, führen sie zu Angst, Schlafstörun- schädigten Person den Tatbestand ge- de – Belanglosigkeiten, Beschimpfun- gen, Albträumen, Magenbeschwerden nauso, wenn man andere Personen ver- gen, Entschuldigungen. Manchmal und sonstigen körperlichen Schmer- anlasst, mit dem Opfer Kontakt aufzu- stand sie vor der Haustüre, einige Male zen.“ Stalking, ein Psychoterror im Na- nehmen. war sie in meiner Wohngegend unter- men der Liebe, hinterlässt seine Spuren 1.726 Stalking-Straftaten wurden wegs und schickte mir Fotos davon, an der Psyche des Opfers. 2019 laut Bundeskriminalamt verzeich- dann erschien sie an meinem Arbeits- Die klinische Psychologin Dr. Astrid net, 1.716 waren es 2018. „Stalking tritt platz. Sie forschte mein Umfeld aus Bartolot-Zips erkennt „desaströse Fol- ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/21 57
S TA L K I N G gen. Schwerwiegende psychische Fol- geschäden können entstehen. Betroffe- ne können durch die fortwährend erleb- te Stress-Situation Belastungsreaktio- nen entwickeln. Der psychologische Blickwinkel. Was steckt hinter Stalking-Verhalten? Was geht im Kopf der Täter vor? Für die Psychologinnen Mag. Stephanie Stab- bauer und Mag. Christina Weger vom 24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien hat es u. a. mit fehlendem Selbst- wert zu tun: „Grundsätzlich geht es dar- um, den Kontakt zum Opfer in irgend- einer Form zu erzwingen und die be- troffene Person damit zu quälen oder ängstigen. Dazu neigen vor allem Per- sonen, die in ihrer Kindheit nicht ge- lernt haben, mit Zurückweisung, Tren- Anrufe, Kurznachrichten, E-Mails, Geschenke – mehrmals pro Tag: Stalker nung und Kränkung umzugehen und bombardieren ihre Opfer mit Nachrichten oder vermeintlichen Liebesbotschaften. daher versuchen, über Stalking-Verhal- ten die Beziehung aufrechtzuerhalten. schen Besitzdenken bezüglich einer an- Kein eigenständiges Krankheitsbild. Entwicklungspsychologisch kann man deren Person. Auslösend ist meist eine Medizinisch gibt es keine eindeutige das als Bindungsverhalten mit dem Ziel narzisstische Kränkung. Der Stalker Zuordnung zu einem Krankheitsbild. der Selbstwertstabilisierung verstehen.“ fühlt sich durch die Zurückweisung ge- „Es sind unterschiedliche dahinterlie- Gemäß Bartolot-Zips unterscheidet kränkt, möchte das Opfer zermürben gende Diagnosen denkbar: Störungen man grob zwei Stalking-Kategorien. und in die Erfüllung seiner Ansprüche aus dem Schizophrenen-Spektrum, „Erstens: Täter und Opfer standen in ei- zwingen.“ Störungen des Sozialverhaltens und ner, vermutlich intimen, Beziehung und Dies geschieht laut dem Team des Persönlichkeitsstörungen oder Depres- sind nunmehr getrennt. Das Opfer ak- 24-Stunden-Frauennotrufs Wien auf sionen. Prinzipiell kann jemand auch zeptiert die Trennung nicht, oder nicht sehr unterschiedliche Weise: Stalking rechtlich gesehen ein Stalker sein und so, wie sie vollzogen wurde. Zweitens: zeigt sich in Form von Kontaktversu- medizinisch keine Diagnose erhalten.“ Der Täter kennt das Opfer nicht oder chen über Kommunikationsmedien, Das lässt sich auch von klinischer Seite kaum, überträgt aber bestimmte Eigen- über Dritte wie Freunde, Kollegen oder bestätigen: „Es handelt sich nicht um schaften auf dieses, z. B. aus früheren Familienmitglieder sowie persönlich eine einzeln umschriebene Diagnose, Erlebnissen mit anderen Personen. Hier durch Auflauern vor der Wohnung oder sondern um ein Phänomen, das ein wie- existieren dann etwa Rachegedanken Auftauchen am Arbeitsplatz, oder mit- derholtes widerrechtliches Nachstellen, oder die Idee, sich das Opfer besitzhaft tels Bestellungen, die im Namen der Belästigen oder Terrorisieren einer Per- einzuverleiben.“ Zudem lassen sich gestalkten Person getätigt werden. Häu- son beschreibt, das psychische, manch- fünf Stalking-Typen unterscheiden (sie- fig kommt es zu einer Kombination der mal auch physische, Gewalt inkludiert“, he Kasten). „Die Ursache liegt immer Stalking-Formen mit unterschiedlicher sagt Bartolot-Zips. „Einige Täter wei- in einem realitätsfernen bis pathologi- Ausprägung. sen eine erhebliche psychische Erkran- BEHARRLICHE VERFOLGUNG Die fünf Stalking-Typen winnen wollen. Diese Hauptgruppe das Opfer verantwortlich macht. umfasst etwa die Hälfte aller Fälle. • Der psychopathische/sadistische Stal- Neben der Tatsache, dass manche • Der beziehungssuchende Stalker: ker: mit krankhafter Persönlichkeits- Opfer ihre Stalker – etwa aus früheren meist aus dem Bekannten- oder Kolle- struktur, der sich am Leid des Opfers Beziehungen – kennen, und andere genkreis, der unter so etwas wie Lie- ergötzt. wiederum keinen Schimmer haben, um beswahn leidet. In den drei letzten Kategorien fehlt wen es sich eigentlich handeln könnte, • Der intellektuell zurückgebliebene es an Empathie. Der Täter ist nicht in was oft etwa bei Stars, Politikern oder Stalker: geistig minderbegabt, aber der Lage, zu erfassen, was er beim Op- Ärzten der Fall ist, lassen sich die Täter meist ohne böse Ansicht. Aufgrund fer auslöst, oder es ist ihm egal, oder es FOTO: SAMUEL/STOCK.ADOBE.COM nach Astrid Bartolot-Zips, klinische von ungenügender Sozialkompetenz bereitet ihm sogar Lust. Viele Opfer Psychologin, Psychotherapeutin und werden Grenzen überschritten. von emotionalem Missbrauch sind dies Paartherapeutin in fünf Gruppen klassi- • Der rachsüchtige Stalker: der sein seit ihrer Kindheit oder frühem Er- fizieren: Opfer meist im weiteren Kreis sucht wachsenenleben. Die resultierenden • Der zurückgewiesene Stalker: meist und sich selbst in der Opferrolle und Folgen oder eine Ko-Abhängigkeit ist Ex-Partner, die ihren Partner zurückge- im Unrecht sieht, wofür er wiederum psychotherapeutisch behandelbar. ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/21 59
BEHARRLICHE VERFOLGUNG kung auf, die etwa wahnhaft ist oder im Verhalten ins Spiel kommt. Ein poli- Zusammenhang mit einer narzisstischen zeiliches Einschreiten wird hier Persönlichkeitsstörung steht.“ schwieriger.“ Gibt es den typischen Stalker? „We- Die gesetzliche Situation in Öster- sentlich ist, dass die Autonomie und reich. Erleichtert hat ein strafrechtliches Eigenständigkeit des anderen Men- Vorgehen gegen Stalker die Veranke- schen nicht akzeptiert werden kann. rung des Anti-Stalking-Gesetzes im Welchen Teil von ‚Nein‘ kannst du StGB im Jahr 2006. Damit sollte einer- nicht verstehen? Subjektiv steckt der seits dem gestiegenen Respekt vor der Täter bezüglich des Opfers in den ‚ro- Persönlichkeit eines Menschen und sei- ten Zahlen‘, es scheint ihm etwas zu nem Recht auf Selbstbestimmung schulden. Diese ,Schuld‘ kann einen Rechnung getragen werden. Anderer- nachvollziehbaren Hintergrund haben, seits sollte der Opferschutz auch im zi- etwa bei einer bösen Trennung im Vor- vilrechtlichen Bereich gestärkt werden, feld. Trotzdem ist sie eine Illusion, indem ein Einschreiten der Sicherheits- weil eine Beziehung immer auf beider- behörden bei der Vollziehung einstwei- seitiger Freiwilligkeit beruht“, sagt liger Verfügungen ermöglicht wird, um Bartolot-Zips. eine effektive Durchsetzung des Ver- bots der persönlichen Kontaktaufnah- Eine Gefährlichkeitseinschätzung me, der Verfolgung und des Aufent- muss durch die Zusammenschau der halts an bestimmten Orten sicherzustel- Stalking: Männer sehen sich zunächst individuellen Faktoren vorgenommen oft nicht als Opfer. len. „Seither stellt § 107a Absatz 1 werden. Wichtige Kriterien hierfür sind StGB das „widerrechtliche beharrliche laut den Mitarbeiterinnen des 24-Stun- Verfolgen“ einer Person unter Strafe“, den-Frauennotrufs Wien das Vorliegen S TA L K I N G - B E R AT U N G erklärt MMag. Alexander Rösch, einer psychischen Erkrankung, auch 24-Stunden Frauennotruf L.L.M. vom Bundesministerium für Suchterkrankungen, die Vorgeschichte der Stadt Wien 01/71719 Justiz. „Was darunter zu verstehen ist, mit Gewalttätigkeit, konkrete Drohun- frauennotruf@wien.at wird in Absatz 2 definiert“ – und wurde gen und die aktuelle Fixierung auf das zuvor schon ausgeführt. Allesamt Opfer, aber auch die Entfernung zwi- Frauenhelpline Österreich Handlungen, die vielleicht per se noch schen Täter und Opfer. Das Umfeld Tel.: 0800222555 nicht als strafbar wahrgenommen wer- wird als weitere Möglichkeit gesehen, www.frauenhelpline.at den. Wichtig ist das große Gesamtbild mit dem Opfer über Umwege in Kon- der Situation. Gemeinsame Vorausset- takt zu treten oder dazu verwendet, ein Verein Frauen beraten Frauen zungen aller Fälle sind dabei die Fort- Opfer unter Druck zu setzen, wenn ein Beratungstelefon 01/5876750 setzung des Verhaltens über längere naher Angehöriger bedroht wird. www.frauenberatenfrauen.at Zeit und dessen Eignung, die betroffene Aus der Fachliteratur geht hervor, Person in ihrer Lebensführung unzu- dass Stalking-Opfer zu über 85 Prozent Gewaltschutzzentren und Interventi- mutbar zu beeinträchtigen. (vgl. Frauen und die Stalkenden zu 80 Pro- onsstellen in Österreich Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK [2. zent Männer sind. Dennoch sind auch Bundesweit gesetzlich anerkannte Aufl.] StGB § 107a, Stand 27.4.2020, männliche und gleichgeschlechtliche Opferschutzeinrichtungen (anonym) rdb.at.) Opfer bekannt. „In der Therapie be- www.gewaltschutzzentrum.at Das Verhalten muss demnach die merke ich, dass speziell Männer mit Lebensgestaltung des Opfers nicht hohem gesellschaftlichem Status gele- Männerberatung – psychologische, tatsächlich beeinträchtigen; es genügt gentlich in einen weiblichen Aufmerk- psychotherapeutische, soziale und vielmehr, dass es dazu geeignet ist – et- samkeitsfokus geraten, der an Stalking juristische Hilfe unter 01 603 28 28, wa, wenn sich das Opfer nicht mehr www.maenner.at grenzt“, sagt Bartolot-Zips. „Zumeist traut, das Telefon abzuheben, sich nicht genügen klare Worte der Verweige- mehr anders zu helfen weiß, als die Te- WEISSER RING – Verbrechensopfer- rung und die Einstellung jeglichen lefonnummer oder E-Mail-Adresse zu hilfe. Opfer-Notruf 0800 112 112 Kontakts. Gelegentlich erleben Männer (kostenlos und rund um die Uhr), ändern, soziale Kontakte abbricht, wenn dies dennoch grundsätzlich als schmei- www.weisser-ring.at es die Wohnung nicht mehr ohne Be- chelhaft. Manche Männer werden zu gleitung verlässt oder gar seinen Wohn- Stalking-Opfern, indem sie sich auf sitz verlegt oder seine Arbeitsstelle auf- FOTO: HIGHWAYSTARZ/STOCK.ADOBE.COM Österreichischer Bundesverbund für Affären eingelassen haben und mögli- Psychotherapie gibt. „Die Judikatur verlangt geradezu, cherweise falsche Versprechungen www.psychotherapie.at/landesver- dass Stalking-Opfer Abwehrmaßnah- machten, was bei den späteren Täterin- baende men treffen“, ergänzt Mag. Karin Dietz, nen einen Rachegedanken auslöst. Juristin beim 24-Stunden-Frauennotruf Frauen agieren beim Stalking aller- ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassis- Wien. „Das heißt, damit der Tatbestand dings selten mit Gewalt. Dennoch müs- mus-Arbeit erfüllt wird, muss eine Telefonnummer sen auch Männer sich als Opfer defi- https://zara.or.at geändert worden sein oder eine E-Mail- nieren, etwa, wenn rufschädigendes Adresse. Denn nur dann ist die Lebens- ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/21 61
S TA L K I N G on erstattet werden“, erklärt Petra Wa- risch vom Bundeskriminalamt. „Zudem bietet die Kriminalprävention zahlrei- che Präventionstipps und persönliche Beratungsgespräche an. Auch die Ge- waltschutzzentren/Interventionsstellen in Österreich unterstützen die Opfer von beharrlicher Verfolgung bei der Antragstellung auf Einstweilige Verfü- gung und bieten professionelle Hilfe an.“ Verhalten der Opfer. Wesentlich ist, da sind sich alle befragten Experten ei- nig, Beweise zu sichern, ein Stalking- Tagebuch zu führen und das Umfeld zu benachrichtigen. Dazu konnte sich schließlich auch das Opfer Thomas E. durchringen: „Meine Frau ermutigte mich, ein stückweit mein Umfeld zu in- Stalking: Betroffene können durch die fortwährend erlebte Stresssituation formieren. Ich ignorierte jeden Kon- Belastungsreaktionen entwickeln. taktversuch von dieser Person konse- quent, versuchte, ihr keinerlei Informa- führung beeinträchtigt. Und ganz wich- Gesetzes (2006–2020, Stand: tionen, auch nicht digital, zugänglich zu tig ist auch: sobald das Opfer mit dem 1.11.2020). Im Fall von „Cybermob- machen. Der Schritt zu einer strafrecht- Täter wieder kommuniziert ‚stellt sich bing“ gab es 2.133 Verfahren, davon 53 lichen Verfolgung des Ganzen ist für die Stalking-Uhr wieder auf 0‘.“ Verurteilungen (2016–2020, Stand: mich nur im äußersten Fall denkbar. Ich 1.11.2020). ‚Zu bedenken ist, dass ne- will das Thema keinesfalls zu publik Spezialfall „Cybermobbing“. Seit ben einem Freispruch und einer Verur- machen, weil es mir unangenehm ist. 2016 gibt es weiters den § 107c StGB, teilung auch die Erledigung mit Diver- Die Kontaktaufnahmen wurden zwar der „Cybermobbing“ unter Strafe stellt. sion, also einer außergerichtlichen Eini- inzwischen weniger, der Grad an Ag- Darunter versteht man das bewusste gung, möglich ist.“ (vgl. Schwaighofer gressivität darin schwankt sehr, je nach Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder in Höpfel/Ratz, WK [2. Aufl.] StGB § meinen Handlungen, die sie doch im- Belästigen einer Person mit elektroni- 107a, RZ 5, Stand 27.4.2020, rdb.at). mer mal wieder erfährt, aber ein Ende schen Kommunikationsmitteln wie dem Die relativ niedrige Verurteilungsra- fand dieser Terror bis heute nicht. Viel- Handy oder im Internet. Oft werden Fo- te könnte auf diesen Umstand zurück- leicht wird er das auch nie ...“ to- und Videoplattformen sowie soziale geführt werden sowie darauf, dass in Netzwerke dafür missbraucht. Bei die- vielen Fällen die gesetzlich verlangte Täterarbeit. Würde man den Tätern sem Tatbestand wird das Opfer eben- Beharrlichkeit fehlt. Dennoch kann die helfen, ließe sich auch den Opfern hel- falls unzumutbar in der Lebensführung Tatsache, dass Stalking-Verhalten in- fen, ist die Juristin Mag. Karin Dietz beeinträchtigt. 40.063 Verfahren, da- zwischen strafbar ist, eine abschreck- vom 24-Stunden-Frauennotruf Wien von 2.920 Verurteilungen, gab es seit ende Wirkung auf einige haben. „Die überzeugt: „Opferzentrierte Täterarbeit dem Inkrafttreten des Anti-Stalking- Anzeige kann bei jeder Polizeiinspekti- wäre ein ganz wichtiger Ansatz. Präventiv wird dies beim Delikt des BEHARRLICHE VERFOLGUNG Stalkings kaum praktiziert. Das hat ei- Tipps der Polizei rufliches Umfeld, dass Sie „gestalkt“ nerseits mit den Tätern zu tun, denen es werden, damit die Kontaktaufnahme typischerweise an Einsichtsfähigkeit • Machen Sie der Stalkerin oder dem der Stalkerin oder des Stalkers über mangelt. Und andererseits würde Stalker wenn möglich in Anwesenheit Ihren Bekanntenkreis (neue Telefon- präventive Sozialarbeit Geld brauchen. eines Zeugen unmissverständlich und nummer, Adresse) nicht zum Erfolg Ein wichtiges Instrument bietet § 50 nur einmal klar, dass Sie keinen weite- führt. StGB, nämlich die Erteilung von Wei- ren Kontakt mehr zu ihr oder ihm wol- • Nehmen Sie keine Pakete oder Ge- sungen und Anordnung der Be- len. Ignorieren Sie die Person dann schenke der Täterin oder des Täters währungshilfe. Davon müssten die Ge- konsequent. entgegen. Dies gilt auch bei unbekann- richte, meiner Meinung nach, mehr Ge- • Dokumentieren Sie alles, was die ten Absendern. brauch machen.“ FOTO: PAOLESE/STOCK.ADOBE.COM Stalkerin oder der Stalker unternimmt. • Werden Sie mit dem Auto verfolgt, Sichern Sie jede Kontaktaufnahme, fahren Sie direkt zur nächsten Polizei- Präventive Rechtsaufklärung. Aus Mitteilung und sonstige Beweise wie dienststelle. kriminalpolizeilicher Sicht gibt es die Briefe, SMS, E-Mail etc. Diese sind • Alarmieren Sie in konkreten Bedro- Möglichkeit der präventiven Rechtsauf- bei rechtlichen Schritten wichtig. hungssituationen unbedingt die Polizei klärung der Täter, erklärt Petra Wa- • Informieren Sie Ihr privates und be- über den Notruf 133. risch: „Dieses Gespräch wird nur von besonders geschulten Exekutivbediens- 62 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/21
teten durchgeführt, setzt aber die Frei- willigkeit der Täter voraus. Daneben gibt es noch die Möglichkeit der An- tragstellung auf Einstweilige Verfü- gung, bei deren Genehmigung durch das örtlich zuständige Bezirksgericht den Tätern ein Kontaktverbot auferlegt werden kann.“ Über die Hemmschwellen, überhaupt strafrechtlich gegen den Stalker vorzu- gehen, wissen die psychologischen Mitarbeiter des 24-Stunden-Frauennot- ruf Wien nur zu gut Bescheid: Schwie- rig ist es oft zu verstehen, dass es kei- nen Sinn macht immer wieder in die Kommunikation mit dem Täter einzu- steigen, um ihn vom Aufhören oder der Sinnlosigkeit seiner Kontaktversuche zu überzeugen. Umso wichtiger ist es, konsequent aufzutreten: den Kontakt einmalig abzubrechen und dann beim gewählten Weg zu bleiben. Das be- stätigt auch die Polizei: Ist ein klarer Verhaltensstopp gesetzt, sollte es kein- erlei Reaktion auf etwaige Kontaktver- suche geben. „Sehr oft neigen Opfer dazu, mit den Tätern eine letzte Aus- sprache zu führen“, sagt Warisch. „Das Zustimmen signalisiert, dass das Opfer den Kontakt doch nicht unterbinden möchte.“ Es kann zu vielen „letzten Aussprachen“ kommen. „Auf keinen Fall sollte man, zum Schutz der Ehre des Täters, die eigenen Angehörigen uninformiert lassen“, rät die klinische Psychologin Astrid Bartolot-Zips. „Melden Sie einer Vertrauensperson, wo Sie hingehen, wo Sie sind. Verpfei- fen Sie den Täter, anstatt ihn zu schüt- zen. Leiten Sie E-Mails weiter, sodass auch andere informiert sind, die auf Ih- rer Seite stehen. Totstellen. Der beste Weg, um einen Stalker wieder los zu werden, ist Tot- stellen – nicht reagieren, keine Anrufe entgegennehmen, keine persönlichen Aussprachen, den Kontakt blockieren, nicht bei der Tür hereinlassen, bei der Polizei melden – manchmal genügt die diesbezügliche Androhung – und sich Hilfe suchen.“ Laut psychologischem Dienst des 24-Stunden-Frauennotrufs Wien hat niemand hat ein Recht, je- manden zu einem Kontakt zu zwingen. „Egal, welche dahinterliegende Motiva- tion sich dafür darstellt, sei es aus Ra- che, Eifersucht oder Verliebtheit. Sie allein bestimmen, mit wem Sie Kontakt haben möchten und in welcher Form.“ Julia Brunhofer/Herbert Zwickl ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/21
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