Pupillometrische Diagnostik dementieller Erkrankungen // Pupillometry in diagnosing dementia - Krause und ...
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Pupillometrische Diagnostik Homepage: dementieller Erkrankungen // www.kup.at/ Pupillometry in diagnosing dementia JNeurolNeurochirPsychiatr Grünberger J, Rainer M, Ücelehan S Online-Datenbank mit Autoren- Mulaoglu A, Reigbert K und Stichwortsuche Otzelberger B, Grünberger M Stöhr H, Kasper S Journal für Neurologie Neurochirurgie und Psychiatrie 2017; 18 (3), 99-102 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH. Pupillometrische Diagnostik dementieller Erkrankungen J. Grünberger1, M. Rainer2, S. Ücelehan1, A. Mulaoglu1, K. Reigbert1, B. Otzelberger1, M. Grünberger3, H. Stöhr4, S. Kasper1 Kurzfassung: Mittels Pupillometrie wurden zwi- scheiden. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Pu- cally, the potential of this non-invasive method in schen 2006 und 2013 394 Patienten der Psychia- pille ist bei dementen Personen herabgesetzt. diagnosing dementia was empirically confirmed trischen Abteilung des Sozialmedizinischen Zen- by comparing pupillometric variables of dement- trums Ost (Memory Clinic) in Wien untersucht. Schlüsselwörter: Demenz, Pupillometrie, Dia ed and non-demented patients. It was shown that Im Allgemeinen sollten bestehende Befunde zur gnostik, non-invasive Verfahren. the pupillary diameter and pupillary reaction rate Validität der pupillometrischen Methode ergänzt of demented patients differ significantly from werden. Im Speziellen wurden die Potenziale der those of an age-matched control group. In de- nicht-invasiven Demenzdiagnostik empirisch ver- Abstract: Pupillometry in diagnosing de- mented patients, the pupillary reaction rate is de- deutlicht. Es wurden demente und nicht-demente mentia. Between 2006 and 2013, 394 patients of creased. J Neurol Neurochir Psychiatr 2017; Patienten anhand pupillometrischer Variablen ge- the Psychiatric Department of the Social Medical 18 (3): 99–102. genübergestellt. Es konnte gezeigt werden, dass Center East (Memory Clinic) in Vienna were sub- sich die Pupillen dementiell erkrankter Patienten jected to a pupillometric investigation. Generally, von einer Altersstichprobe signifikant in Durch- the aim of the study was to supplement existing Keywords: Dementia, pupillometry, diagnostics, messer und Veränderungsgeschwindigkeit unter- findings on the validity of pupillometry. Specifi- non-invasive method Einleitung richtigen Diagnose näher zu kommen (siehe auch S3-Leitlinie Demenzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [DGN] Nach der Beschreibung der WHO ist die Demenz ein Syn- und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psycho- drom, bei welchem eine verminderte Gedächtnisleistung, ein- therapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde [ DGPPN], geschränkte Denkmöglichkeiten und Störungen im Verhalten Stand 01/2016). auftreten. Die Bewältigung des Alltags wird zunehmend er- schwert. Im Vergleich zur gesunden Alterung sind die kogniti- Neben der Krankengeschichte werden psychometrische Test- ven Funktionen herabgesetzt. Weltweit leiden 47,5 Millionen verfahren wie Mini-Mental-State-Test [5] und Uhrentest [6], Menschen an einer Form der Demenz und jährlich gibt es 7,7 sowie neuropsychologische und neuropsychiatrische Untersu- Millionen Neuerkrankte. Nach der Österreichischen Alzhei- chungen [7] durchgeführt. Dabei gelangen bildgebende Ver- mergesellschaft weisen etwa 100.000 Österreicher eine De- fahren, wie die kraniale Computertomographie und die Kern- menz auf [1]. spintomographie, zum Einsatz. Außerdem liefern PET, so- wie die Lumbalpunktion diagnostisch relevante Informatio- Zusätzlich verleihen demographische Veränderungen diesen nen. Biomarker, wie z. B. FDG-PET und Amyloid-PET sowie deskriptiven Befunden Gewicht. Die Prävalenz dementieller die liquorbasierte kombinierte Bestimmung von Amyloid und Erkrankungen nimmt mit steigendem Alter weiter zu. Es wird Phospho-Tau haben sich als informativ erwiesen. Zusätzlich von einer Verdoppelung der Fälle alle zwanzig Jahre ausge- kann in Einzelfällen auch eine genetische Untersuchung auf- gangen [2]. Es werden nach ICD-10 (Codes F00–F03) vier schlussreich sein. Nicht zu vernachlässigen sind Laborpara- Gruppen dementieller Erkrankungen unterschieden, nament- meter, die zum Ausschluss reversibler organischer Ursachen lich Demenz bei Alzheimerkrankheit (F00), vaskuläre De- analysiert werden [8]. menz (F01), Demenz bei andernorts klassifizierten Erkran- kungen (F02; u.a. Parkinson) und sonstige Demenzen (F03) Hintergrund [3]. Es existieren Befunde zur Relevanz pupillometrischer Varia Auch durch den chronischen Verlauf kommt der diagnos- blen in der Demenzdiagnostik. Der Pupillenreflex und die Ak- tischen Abklärung bei der Zukunftsplanung eine wichtige komodation des Auges werden von dem cholinergen Edinger- Funktion zu. Leider ist die Diagnosestellung derzeit noch ei- Westphal-Kern im Mittelhirn beeinflusst, wobei Acetylcho- nigen Schwierigkeiten ausgesetzt – auch hinsichtlich der Ab- lin als Neurotransmitter eine zentrale Funktion zukommt [9]. grenzung zu anderen Erkrankungen. Dabei werden derzeit Die Iris besitzt zwei Muskeln zur Adaptation: Musculus dila- mehrere diagnostische Verfahren [4] eingesetzt, um einer tator pupillae zur Erweiterung und Musculus sphincter pupil- lae zur Verengung der Pupille. Letzterer wird von parasympa- Eingelangt am 25.11.2016, angenommen nach Review am 10.03.2017, Pre-Publishing thischen Nerven aus dem Edinger-Westphal-Kern innerviert. Online am 17.07.2017 Folgendes ist anzunehmen: Je mehr der Edinger-Westphal- Aus der 1Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Univer- Kern durch Acetylcholin gehemmt wird, desto größer wird der sität Wien, 2Memory Clinic und Karl-Landsteiner-Institut für Gedächtnis- und Alzhei- Pupillendurchmesser. Bei dementiellen Erkrankungen werden merforschung, SMZ Ost Wien, 3Forschungsgruppe Industrielle Software, Technische cholinerge Defizite – ein Mangel an Acetylcholin – berichtet Universität Wien, 4Institut für Biomedizinische Forschung, Medizinische Universität [10]. Vorliegend wird davon ausgegangen, dass die vermin- Wien Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. Josef Grünberger, Universitätsklinik für derte Hemmung des Edinger-Westphal-Kerns bei Demenz- Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien, A-1090 Wien, patienten zu einem kleineren Pupillendurchmesser und einer Währinger Gürtel 18-20, E-mail: bernd.saletu@meduniwien.ac.at verspäteten Antwort auf den Lichtstimulus führt. J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (3) 99
Pupillometrische Diagnostik dementieller Erkrankungen Außerdem wurde gezeigt, dass die retinalen Veränderungen ND.männl. = 30, ND.weibl. = 96; Alter in Jahren: 50–97; MW ein Hinweis auf die malfunktionalen zerebralen Aktivitäten = 79,6; SD = 9,2) und die, die keine Demenz haben (Nkeine- bei dementiellen Erkrankungen sind. Im Hintergrund dieser Demenz = 162, Nk.D.männl. = 62, Nk.D.weibl. = 100; Alter Aussage liegt die Verminderung von „Retinal Ganglion Cell in Jahren: 52–89; MW = 71,5; SD = 8,1). Die Patienten ohne Layer“ (RGCL) und „Inner Nuclear Layer“ (INL) durch die Demenz befanden sich aufgrund anderer Beschwerden, wie β-Amyloid-Peptid-Akkumulation und die Vermehrung apop- Depression, Substanzabhängigkeit, Schizophrenie oder Mor- totischer Zellen in diesen Schichten [11]. Diese Beobachtung bus Parkinson, stationär im Donauspital. Sämtliche Personen wird vorliegend über die Reflexkette mit der pupillometrisch wurden an der Memory Clinic der Psychiatrischen Abteilung erfassbaren Pupillenreaktion in Verbindung gebracht. Über des Donauspital SMZ Ost Wien betreut. die Retina werden Afferenzen zu den Nuclei praetectales ge- leitet. Die Efferenzen dieser Kerne innervieren den bereits be- Die Diagnosestellung erfolgte auf der Basis etablierter Verfah- nannten Edinger-Westphal-Kern. Die photosensitiven Gangli- ren wie dem Mini-Mental-Status-Test (MMST), dem Uhren- onzellen in RGCL stehen im Kontakt mit dem Edinger-West- test sowie den Parametern aus bildgebenden Verfahren (crani- phal-Kern und spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang ale Computertomogrophie und Kernspintomographie) und kli- mit dem pupillometrischen Lichtreflex. Wird die Dicke der nischer Anamnese sowie psychopathologischem Gesamtstatus. RGCL vermindert, zeigt sich die Verminderung der Zellen in der verlängerten Zeit der Lichtstimulusantwort [12]. Methodik der Pupillometrie Die pupillometrischen Messungen erfolgten vormittags an Schließlich wird vorliegend davon ausgegangen, dass die Ver- der psychiatrischen Abteilung des Sozialmedizinischen Zen- änderungen der Irisreaktion auf die pathologische Veränderung trums Ost. Nachdem der Kopf der Patienten auf einer Kinn- der neurophysiologischen Effektoren eines Lichtreflexes zu- und Stirnstütze des Pupillometers positioniert wurde, wurden rückzuführen sind. Dieser Zusammenhang verspricht Erkennt- die Patienten gebeten, einen schwarzen Punkt zu fixieren, der nisse zur Differentialdiagnose. Mit Hilfe eines Pupillometers ist 1,6 m vom Auge entfernt zu sehen war, um eine Akkommo- die Erfassung unterschiedlicher Merkmale der Pupille möglich. dation zu vermeiden. Dann mussten die Patienten an eine Be- leuchtung von 160 Lux für 3 Minuten adaptieren. Die Mes- Diese Studie verfolgt das Ziel, zwei Hypothesen bezüglich der sung der Pupille des linken Auges dauerte 25,6 Sekunden. Da- pupillometrischen Variablen beizubehalten. Nach unserer ers- bei wurden der Mittelwert des Pupillendurchmessers, der Aus- ten Hypothese spielt der Mittelwert der Pupille, nach unserer gangswert (letzter gemessener Pupillendurchmesser vor dem zweiten Hypothese die Latenzzeit eine entscheidende Rolle Stimulus), die Standardabweichung, die Erholungszeit (Zeit- für die Differenzierung der Demenz. dauer vom Einsetzen der Pupillenreaktion bis zum Erreichen des Minimums), die Latenzzeit (Zeit vom Einsetzen des Stimu- Hypothese 1: Der Mittelwert des Pupillendurchmessers in Re- lus bis zum Einsetzen der Reaktion), die Halbwertszeit (halbe aktion auf einen Lichtstimulus ist bei dementen Personen si Erholungszeit), der Extremwert (kleinster Pupillendurchmes- gnifikant geringer als bei nicht-dementen Personen. ser nach erfolgter Reaktion), die relative Änderung (prozentu- elle Veränderung bezogen auf den Ausgangswert) und die ab- Hypothese 2: Die Latenzzeit zwischen Einsetzen des Stimu- solute Änderung (Differenz zwischen Ausgangswert und Mi- lus und Erreichen des Minimums im Pupillendurchmesser ist nimum in Millimeter) erfasst. Die Messungen wurden dreimal bei dementen Personen signifikant länger als bei nicht-demen- in zwanzigminütigen Intervallen (Messzeitpunkte 0-20-40-60) ten Personen. wiederholt. Die Datengrundlage dieser Arbeit stammt vom ersten Messzeitpunkt 0 (Baseline). Die Ergebnisse zu den übri- Studiendesign gen Messzeitpunkten, wurden an anderer Stelle berichtet [13]. Mittels pupillometrischer Variablen sollte zwischen demen- Statistische Analyse ten und nicht-dementen Patienten unterschieden werden. Zu Für den Gruppenvergleich wurden Mann-Whitney-U-Tests diesem Zweck wurden die Patienten nach ihren Diagnosen in durchgeführt. Ein Verfahren höherer Testmacht konnte man- zwei Gruppen geteilt. Die Diagnosestellung erfolgte durch ap- gels Normalverteilung und durch nicht eindeutig auszuschlie- probierte klinisch tätige Fachärzte mit mindestens sechsjähri- ßende Ausreißer nicht durchgeführt werden. Vorliegend wer- ger klinischer Erfahrung. den p-Werte unter 0,05 als signifikant betrachtet. Stichprobenbeschreibung: Ergebnisse Insgesamt wurden 394 Patienten pupillometrisch untersucht; hiervon wurden 288 (73,1 %) Patienten in die statistischen Wie in Tabelle 1 dargestellt, wurden in deskriptiver Hinsicht Analysen eingeschlossen. Die Reduktion kam einerseits durch Mittelwerte, Standardabweichungen und Mediane der acht fehlende Werte zustande, woraufhin ein fallweiser Ausschluss Untersuchungsvariablen je Gruppe ermittelt. Die inferenz- erfolgte. Außerdem wurden die Messergebnisse von zwei un- statistischen Analysen zeigten, dass sich demente Patien- abhängigen Ratern (Studierende) artefaktcodiert. Eindeutig ten hinsichtlich ihres Pupillen-Mittelwertes hoch signifikant als Messfehler identifizierte Werte führten zu einem fallwei- von nicht-dementen Patienten unterscheiden (U = 7973,0; sen Ausschluss. p < 0,001). Der Mittelwert dementer Patienten ist geringer. Hypothese 1 kann daher beibehalten werden. Hinsichtlich der Die Patienten wurden nach den Diagnosen in zwei Grup- Latenzzeit zeigte sich kein signifikanter Unterschied, sodass pen geteilt: Die, die eine Demenz haben (NDemenz = 126, Hypothese 2 verworfen wird. 100 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (3)
Pupillometrische Diagnostik dementieller Erkrankungen Bezüglich der übrigen Variablen, wel- Tabelle 1: Deskriptive Statistik: Mittelwerte (MW), Standardabweichungen (SD) che allerdings nur explorativ in die Ana- und Mediane (MD); getrennt nach Gruppen (Demenz, keine Demenz) lysen einbezogen wurden, zeigte sich ein signifikanter Unterschied der Grup- Pupillometrische Demenz Keine Demenz Variable MW SD MD MW SD MD pen im Ausgangswert (U = 8400,0; p < 0,01) und bezüglich der absoluten Mittelwert 3,09 0,87 2,90 3,38 0,81 3,30 Änderung (U = 8345,5; p < 0,05). Bei- Ausgangswert 3,19 0,93 3,10 3,41 0,85 3,30 de Werte fallen bei dementen Personen Latenzzeit 0,74 1,26 0,46 0,70 1,14 0,44 geringer aus. Erholungszeit 0,31 0,18 0,30 0,33 0,21 0,32 Extremwert 2,65 0,82 2,50 2,72 0,79 2,70 Die beiden Gruppen unterschieden sich Relative Änderung 16,14 8,99 15,00 19,51 12,86 17,50 signifikant hinsichtlich ihres Alters. Absolute Änderung 0,56 0,48 0,50 0,69 0,51 0,60 Halbwertzeit 1,04 1,27 0,63 0,97 1,29 0,59 Diskussion Anmerkungen: 1Die Variablen Mittelwert, Ausgangswert, Extremwert beziehen sich auf den Pupillendurchmesser in Millimeter, 2entspricht der Zeit vom Einsetzen des Stimulus Hypothese 1 bis zum Einsetzen der Reaktion, 3entspricht der Zeitdauer vom Einsetzen der Pupillenreak- Hinsichtlich des Mittelwertes des Pupil- tion bis zum Erreichen des Minimums, 4entspricht der prozentuellen Veränderung bezogen lendurchmessers liegt ein Gruppenun- auf den Ausgangswert; 5entspricht der Differenz zwischen Ausgangswert und Minimum in Millimeter; 6entspricht der halben Erholungszeit. terschied vor. Der bei dementen Patien ten vergleichsweise reduzierte Durch- messer wird auf die zusätzlich reduzierte zentralnervöse Hem- auffälligen Population zu einer Begrenzung der Aussagekraft mung zurückgeführt. Einen diagnostischen Mehrwert in Form der vorliegenden Studie. Dies gilt insbesondere hinsichtlich z. B. einer Grenzwertbestimmung zu erbringen, ist Aufgabe der sich nicht signifikant unterscheidenden Ergebnisse. Wün- zukünftiger empirischer Überlegungen. Eine vollständige Ba- schenswert wäre daher der Vergleich mit einer gleichaltrigen sierung auf dieser Variable erscheint aufgrund der zu berück- gesunden Population. Dies gilt auch mit Blick auf die poten sichtigenden Varianz der Variable keinesfalls zielführend. Es ziell konfundierende Wirkung psychopharmakologischer ist ein multimethodischer Ansatz zu verfolgen. Therapien. Hypothese 2 Eine entsprechende Beeinflussung der Ergebnisse durch die Anders als nach den Befunden zur abweichenden Latenz- psychopharmakologische Behandlung ist bei der vorliegen- zeit im Vergleich mit einer Gesundenpopulation [14] erwar- den psychiatrischen Kontrollgruppe nicht auszuschließen. tet, konnte kein Unterschied hinsichtlich der Latenzzeit ge- Schließlich ist auf den signifikanten Altersunterschied zwi- zeigt werden, womit Hypothese 2 verworfen wird. Damit eig- schen den Gruppen hinzuweisen, dessen möglicher Beitrag zu net sich die Zeit, die die Pupille nach Einsetzen des Stimu- den differenziellen Ergebnissen weiterer Überprüfung bedarf. lus bis zum Erreichen des Minimums benötigt, nicht zum Zukünftige Untersuchungen der pupillometrischen Methode diagnostischen Einsatz. Setzt man diesen Befund allerdings sollten auch potenzielle Geschlechtsunterschiede in den Ana- in einen Zusammenhang mit dem signifikanten Ergebnis hin- lysen berücksichtigen. Schließlich sollte weitere Forschung sichtlich des Ausgangswertes, ist folgende Überlegung anzu- die Differenzierung unterschiedlicher Demenzformen [13] um stellen: Die Veränderung der Pupille in Reaktion auf den Sti- Einsichten ergänzen. mulus, in anderen Worten die Strecke, die sie zurücklegt, ist bei Patienten mit Demenz geringer. Schließlich liegt ein signi Über das statistische Abstandsmaß der euklidischen Distanz fikanter Unterschied hinsichtlich des Ausgangswerts sowie konnte auf der Basis pupillometrischer Untersuchungen ein hinsichtlich der absoluten Änderung vor. Aus diesem Grund erster Beitrag zur Differenzialdiagnostik geleistet werden. wurde die zusätzliche Variable „Änderungsgeschwindig- Den Autoren gelang die pupillometrische Differenzierung de- keit“ aus dem Quotienten der Differenz zwischen Ausgangs- menzieller Erkrankungen, namentlich Vaskulärer Demenz, wert und Minimum (= absolute Änderung) sowie der Latenz- Alzheimer-Demenz mit spätem Beginn und Alzheimer-De- zeit errechnet und einem Gruppenvergleich unterzogen. Hier menz (gemischte Form). zeigt sich ein signifikanter Unterschied (t-Test, nach K-S-Test n.s.; p < 0,05). Die absolute Änderung erscheint daher besser Ausblick zur Differenzierung geeignet zu sein als die Latenzzeit. Die- se Überlegung ist in zukünftigen Untersuchungen weiter zu Hinsichtlich der Differenzierung dementer und nicht-demen- verfolgen. ter Personen konnte die Evidenz zur Validität der Pupillome- trie erweitert werden. Trotz Limitationen bestätigen die be- Limitationen richteten Befunde das diagnostische Potenzial der pupillome- trischen Methode. Das objektive und nicht-invasive Verfahren Auch wenn die Fragestellung einer dementiellen Erkran- sollte im Rahmen zukünftiger Forschungstätigkeit zur De- kung sich im klinischen Alltag häufig im Kontext komorbi- menzdiagnostik berücksichtigt werden. der Krankheitsbilder zeigt und die Unterscheidung typischer- weise nicht zu asymptomatischen Personen erforderlich ist, Interessenkonflikt sondern vielmehr zu anderen alterstypischen Erkrankungen, führt der Vergleich der Demenzpopulation mit einer klinisch Es besteht kein Interessenkonflikt. J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (3) 101
Pupillometrische Diagnostik dementieller Erkrankungen Danksagung ciency in Alzheimer‘s and Parkinson’s dis- ease: evaluation with pupillometry. Int J mans lacking an outer retina. Curr Biol 2007; 17: 2122–8. Psychophysiol 2009; 73: 143–9. 13. Grünberger J, Fischer P, Rainer M, Schar Wir danken Mag. Elisabeth Grätzhofer für ihre wertvolle Mit- 11. Ning A, Cui J, To E, Ashe KH, Matsubara fetter J, Frottier P, Heilmann J Kasper S. Pu arbeit und tatkräftige Unterstützung. J. Amyloid-β deposits lead to retinal de pillometrischer Tropicamid-Test zur Differen generation in a mouse model of Alzheimer zierung des demenziellen Syndroms mittels disease. Invest Ophthalmol Vis Sci 2008; 49: euklidischer Distanz. J Neurol, Neurochir 5136–43. Psych 2010; 15 (1): 24–31. 5. Folstein MF, Folstein SE, McHugh PR. Mini- 12. Zaidi FH, Hull JT, Peirson SN, Wulff K, et 14. Grünberger J. Kognitive Pupillenoszilla Literatur: al. Short-wavelength light sensitivity of circa- tion. Pupillometrie in der klinisch-psycho mental state. A practical method for grading 1. Schmidt R. Stellungnahme der Österreichi the cognitive state of patients for the clini- dian, pupillary, and visual awareness in hu- physiologischen Diagnostik. 2003; 163–72. schen Alzheimer Gesellschaft zu den vorläufi- cian. J Psychiatr Res 1975; 12: 189–98. gen „National Institute for Health and Clinical 6. Shulman K, Shedletsky R, Silver I. The chal- Excellence (NICE)“-Empfehlungen zur Verwen lenge of time. Clock drawing and cognitive Univ.-Prof. Dr. Josef Grünberger dung von Medikamenten bei Alzheimer- Krankheit. Psychiatrie und Psychotherapie function in the elderly. Int J Geriatr Psychiatry Geboren 1930. Studium der Psychologie und 2006; 2: 69–71. 1986; 1: 135–40. Geschichte an der Universität Wien, Promo 7. Blennow K, de Leon MJ, Zetterberg H. Alz tion 1955. Ausbildung zum Klinischen Psy 2. Prince M, Bryce R, Albanese E, Wimo A, heimer’s disease. Lancet 2006; 368: 387– Ribeiro W, Ferri CP. The global prevalence of 403. chologen an der psychiatrisch-neurologi dementia: a systematic review and metaanal- 8. Walstra GJ, Teunisse S, van Gool WA, van schen Universitätsklinik Wien. 1975–1995 ysis. Alzheimer‘s & Dementia 2013; 9: 63–75. Leiter der Abteilung für klinische Psychodia Crevel H. Reversible dementia in elderly pa- 3. World Health Organization. The ICD-10 tients referred to a memory clinic. J Neurol gnostik. Classification of Mental and Behavioural 1997; 244: 17–22. Disorders: Clinical Descriptions and Dia Seit 1962 wissenschaftlicher Mitarbeiter am 9. Hall JE. Guyton and Hall. Textbook of Me gnostic Guidelines. World Health Organiza dical Physiology (9th Ed.), WB Saunders Anton-Proksch-Institut sowie am Ludwig- tion, Geneva, 1992. Company Publications, Philadelphia, 1996; Boltzmann-Institut für Suchtforschung. 1979 4. Jellinger KA, Rösler N. Neuropathologie 95–103. Habilitation an der Universität Wien zum Thema „Psychodiagnostik des und biologische Marker degenerativer De 10. Fotiou DF, Stergiou V, Tsiptsios D, Lithari Alkoholkranken“. 1985 Universitätsprofessor. menzen. Der Internist 2000; 41: 524–37. C, Nakou M, Karlovasitou A. Cholinergic defi- 102 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2017; 18 (3)
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