QUANTENMECHANIK: EINFACH - JKU ePUB

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QUANTENMECHANIK: EINFACH - JKU ePUB
QUANTENMECHANIK: Eingereicht von
 Christoph Painer

EINFACH Angefertigt am
 Institut für Theoretische

VERWIRREND ODER Physik

VERWIRREND
 Beurteiler / Beurteilerin
 Ass. Profin. Drin. Helga

EINFACH?
 Böhm

 Mai 2022

EINE EINFÜHRUNG FÜR
LEHRAMTSSTUDIERENDE UND
UNTERRICHTSPLANUNG FÜR
SEKUNDARSTUFE 2

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Naturwissenschaften
im Diplomstudium
Lehramt Physik / Mathematik

 JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ

 Altenberger Straße 69

 4040 Linz, Österreich

 jku.at
QUANTENMECHANIK: EINFACH - JKU ePUB
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht
benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.

Ort, Datum

Unterschrift
QUANTENMECHANIK: EINFACH - JKU ePUB
A BSTRACT

Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es das Thema Quantenmechanik so aufzubereiten,

dass dieses in der Sekundarstufe II nicht nur von experimentalphysikalischer Seite,

sondern auch aus Sicht der Theoretischen Physik unterrichtet werden kann. Dafür

wird im ersten Teil der Istzustand erhoben: In welchen Lehrveranstaltungen kommen

zukünftige Lehrende mit diesem Thema in Berührung? Welche Inhalte stehen im

Lehrplan für die AHS? Wie wird dieses Thema in Schulbüchern aktuell aufbereitet

(Sexl, 2018)? Der zweite Teil fasst die wichtigsten theoretischen Kenntnissen für

Lehramtsstudierende und Physiklehrer*innen zum Dirac-Formalismus zusammen

(zum größten Teil aus Pade 2012), welcher im Finalen Teil auch für die Lernenden

eingeführt wird. Im dritten Teil wird ein selbst erstelltes GeoGebra-Buch mit einer

digitalen Unterrichtsplanung zum Thema Mach-Zehnder-Interferometer vorgestellt.

Im Gegensatz zum wohl berühmtesten Experiment der Quantenmechanik, dem

Doppelspaltexperiment, kann hier wirklich etwas berechnet werden und nicht nur

konzeptionell argumentiert werden. Um die Schüler*innen langsam an den

mathematischen Formalismus der Quantenmechanik heranzuführen, wird bei der

mathematischen Beschreibung eines Würfelexperiments gestartet und sukzessive

der Dirac-Formalismus eingeführt. Ziel dieser Unterrichtsplanung ist es das für uns

eigentümliche Quantenverhalten des Welle-Teilchen-Dualismus zu erklären, ohne

diesen oft missverstanden Effekt wirklich zu erwähnen.
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0 I NHALT

0 Inhalt ........................................................................................................................4

Einleitung.........................................................................................................................1

1 Lehrpläne und Curricula ..........................................................................................2

 1.1 Lehrplanalyse ....................................................................................................2

 1.2 Studienplananalyse ...........................................................................................4

 1.2.1 Diplomstudium ............................................................................................4

 1.2.2 Bachelor-/Masterstudium ...........................................................................5

2 Theorieteil für Lehrende und Studierende ..............................................................7

 2.1 Beschreibung der Polarisation durch den Jones-Formalismus .......................7

 2.1.1 Elektromagnetische Wellen im Vakuum ....................................................7

 2.1.2 Jones-Vektoren...........................................................................................9

 2.1.3 Polarisationsfilter ......................................................................................12

 2.2 Dirac-Notation..................................................................................................12

 2.2.1 Von Jones- zu Zustandsvektoren ............................................................13

 2.2.2 Berechnung der Wahrscheinlichkeiten ....................................................17

 2.2.3 Komplexe Zahlen und die Quantenmechanik..........................................19

 2.2.4 Operatoren ................................................................................................20

 2.3 Mach-Zehnder-Interferometer .........................................................................27

 2.3.1 Herleitung der Bauteile (Strahlteiler, Spiegel) .........................................29

 2.4 Interpretationen ...............................................................................................35

 2.4.1 Kopenhagener Interpretation ...................................................................36
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2.4.2 Ensemble-Interpretation ...........................................................................36

 2.4.3 Viele-Welten-Interpretation.......................................................................37

3 Quantenmechanik: einfach verwirrend oder verwirrend einfach?........................38

 3.1 Einführung .......................................................................................................39

 3.1.1 „dice-in-a-box“...........................................................................................39

 3.1.2 Was haben Würfel mit diesen „Quanten“ zu tun? ...................................41

 3.2 Mathematische Beschreibung.........................................................................42

 3.2.1 Zustandsvektoren: „ket´s“.........................................................................42

 3.2.2 Superposition ............................................................................................45

 3.2.3 Wiederholung: Begriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung......................46

 3.2.4 Wiederholung: Skalarprodukt ...................................................................48

 3.2.5 Fragen an das System: „bra´s“ ................................................................49

 3.2.6 Matrizenmultiplikation ...............................................................................51

 3.2.7 Operatoren ................................................................................................55

 3.3 Von Würfel zu Photonen .................................................................................56

 3.3.1 Einführung Mach-Zehnder-Interferometer ...............................................56

 3.3.2 Mach-Zehnder-Interferometer mathematisch I ........................................59

 3.3.3 Mach-Zehnder-Interferometer mathematisch II .......................................61

 3.3.4 Mach-Zehnder-Interferometer mathematisch III ......................................63

 3.3.5 Mach-Zehnder-Interferometer IV..............................................................66

 3.3.6 Wo „entscheidet“ sich das Photon jetzt? .................................................67

 3.4 Finde deine Interpretation ...............................................................................69
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3.4.1 Finde deine Interpretation ........................................................................69

 3.4.2 Interpretationen.........................................................................................71

4 Conclusio ...............................................................................................................74

5 Literaturverzeichnis ...............................................................................................76

6 Abbildungsverzeichnis...........................................................................................78
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E INLEITUNG

Immer öfter kommt es vor, dass das Wort „Quantencomputer“ oder
„Quantenkryptografie“ in den Medien erwähnt wird und dadurch natürlich auch
Schüler*innen erreicht. Aber wie können diese für uns nicht intuitiven Effekte, die
dieser Technologie zugrunde liegen, den Lernenden näher gebracht werden, wenn
die Quantenmechanik im Lehramtsstudium immer weniger relevant wird?

In dieser Arbeit wird zunächst der AHS-Lehrplan und das Curriculum des
Physiklehramtsstudiums auf die zu vermittelnden Inhalte analysiert, anschließend
Physiklehramtsstudierenden bzw. Physiklehrenden ein schneller Einstieg zur
Quantenmechanik vermittelt und abschließend ein Unterrichtskonzept vorgestellt
werden, welches einen möglichst korrekten aber dennoch nicht zu aufwändigen
Zugang bietet.

Für mich war die Entscheidung „Physik auf Lehramt“ zu studieren durch den Mangel
an Optionen im Diplomstudium an der Johannes Kepler Universität zurückzuführen:
es war mir zwar klar, dass ich Mathematik belegen werde, aber das zweite Fach,
welches auch benötigt wird, wurde eher durch Zufall als durch Motivation gewählt.
Auch wenn ich am Anfang des Studiums sehr mit den Inhalten aus den
Grundlagenvorlesungen und –übungen zu kämpfen hatte, wurde mein Interesse an
den Inhalten der Physik immer größer. Vor allem die Lehrveranstaltungen zur
theoretischen Physik haben in mir etwas entfacht, das bis jetzt noch immer
vorhanden und stetig gewachsen ist: Begeisterung und Motivation für die „moderne“
Physik und im Speziellen die Quantenmechanik. Dadurch entstand in mir die Frage,
wie diese Themen mathematisch korrekt aber trotzdem anschaulich unterrichtet
werden können. Durch Gespräche mit Lehrer*innen stellte sich heraus, dass
Quantenmechanik zwar relativ umfangreich im Lehrplan zu finden ist, aber fast nur
konzeptionell unterrichtet werden „kann“, da den Schüler*innen die mathematischen
Fertigkeiten für Berechnungen in diesem Bereich fehlen. In dieser Arbeit wird aber
nun gezeigt werden, dass sehr wohl die nötige Mathematik im Unterricht eingesetzt
werden kann. Bevor dies anhand einer Unterrichtsplanung im dritten Teil gezeigt
wird, wird im ersten Teil der Lehrplan für AHS, ein Physikschulbuch und das

 1
QUANTENMECHANIK: EINFACH - JKU ePUB
Physikstudium auf diese Inhalte analysiert und im zweiten Teil die nötige Theorie für
 Physikstudierende bzw. Lehrende vermittelt.

1 L EHRPLÄNE UND C URRICULA

 Um einen Überblick der aktuellen Situation zu bekommen wird in diesem Abschnitt
 ein Blick auf den Lehrplan der allgemeinbildenden höheren Schulen (und einem
 Schulbuch) und auch den Studienplan des Physiklehramtsstudiums an der Johannes
 Kepler Universität Linz geworfen.

1.1 L EHRPL ANAL YSE

 In der AHS sind die Phänomene der Quantenmechanik in der 7. Klasse im zweiten
 Semester angesiedelt. Im Lehrplan steht Folgendes: „Quantenphysik: Besonder–
 heiten der Quantenwelt, Doppelspaltexperiment, Heisenberg’sche Unschärferelation,
 statistische Deutung, Einblicke in die Theorieentwicklung und das Weltbild der
 modernen Physik“ 1. Auf den ersten Blick wirkt der Umfang dieser Themen relativ
 überschaubar, aber bei genauerer Betrachtung ergibt sich ein umfangreicher
 Lernstoff. Um diesen detaillierter zu analysieren wird hier das Schulbuch für die AHS
 „Physik 7“ von Sexl et al. zu Hilfe gezogen. Dort werden folgende Punkte zur
 Quantenmechanik behandelt:

 • „Licht besteht aus Teilchen – Photonen2“
 • „Lichtteilchen und Lichtwellen3“
 • „Materiewellen4“
 • „Die Heisenberg’sche Unschärferelation“ und Beispiele dazu5“
 • „Eigenschaften von Quantenobjekten: Polarisiertes Licht6“
 • „Erkenntnisprobleme der Quantenphysik7“

 1 Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschafsstandort, Bundesrecht konsolidiert: Gesamte
 Rechtsvorschrift für Lerhpläne – allgemeinbildende höhere Schulen, 19.10.2020,
 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=100085
 68
 2 (Sexl, 2018, S. 89-92)
 3 (Sexl, 2018, S. 93-94)
 4 (Sexl, 2018, S. 94-97)
 5 (Sexl, 2018, S. 97-99)
 6 (Sexl, 2018, S. 101)
 7 (Sexl, 2018, S. 102)

 2
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• „Verschränkung – Das EPR-Experiment8“
 • „Optik mit Elektronen: Elektronenmikroskopie9“

Wie hier zu sehen ist, ist der zu vermittelnde Inhalt sehr weitläufig und stellt eine
große Herausforderung für die Lehrenden dar, denn diese Physik verstößt gegen
unsere Alltagswahrnehmung. In obigem Lehrbuch stehen zwar ein paar wichtige
Formeln für die quantenmechanische Beschreibung (die Schrödingergleichung wird
nicht gezeigt), aber die Verwendung dieser Formeln bleibt unklar, denn an
Berechnungen ist leider nichts vorhanden. Dies liegt sicherlich daran, dass den
Schüler*innen das mathematische Werkzeug hierfür fehlt. Dass stattdessen auf die
konzeptionelle Vermittlung der Quantenmechanik gesetzt wird, ist durchaus
berechtigt und ist auch schon jahrelang erprobt. Aber es stellen sich die Fragen, ob
den Lernenden erstens die Eigenartigkeit der Quantenmechanik wirklich bewusst
wird und zweitens ein nachhaltiger Lerneffekt stattfindet. In einem anderen Bereich
der Physik könnte ein solches Vorgehen wie folgt aussehen: die Schüler:innen lernen
zwar, dass die Geschwindigkeit eines Objekts mit „Weg pro Zeit“ bestimmt werden
 
kann und ihnen wird die Formel = gezeigt, aber nichts damit berechnet.

Gerade beim Verständnis der Quantenphysik sollte jedoch ein mathematisches
Vorgehen zu einem besseren Nachvollziehen ergänzend zum konzeptionellen
Unterricht der Lehrinhalte beitragen. Mittels des Mach-Zehnder-Interferometers
(Abschnitt 3.2) kann dies auf Schüler*innenniveau sehr gut erfolgen.

Es gibt hierzu schon einige Veröffentlichungen: die LMU München hat hierzu ein
Unterrichtskonzept, welches an dieses Thema von experimenteller Seite
herangeht 10 . Bei weitern Recherchen wurden auch zwei Abschlussarbeiten zu
diesem Thema gefunden: die Masterarbeit von Jan Eggemann an der Universität von
Bremen beschäftigt sich und unter anderem damit, wie ein möglicher experimenteller
Zugang für die Schule aussehen könnte11. An der Universität Wie beschäftigte sich
Christian Desbalmes damit, wie man Quantenphysik konzeptionell korrekt und mit

8 (Sexl, 2018, S. 103)
9 (Sexl, 2018, S. 104)
10 Lehrstuhl für Didaktik der Physik, Ludwig-Maximilians-Universität München, 07.02.2021,

https://www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/archiv/inhalt_materialien/milq/
11 Physikalische Praktika der Universität Bremen, Universität Bremen, https://www.uni-

bremen.de/fileadmin/user_upload/fachbereiche/fb1/fb1/Physika/Publikationen/Bachelor-
_Masterarbeiten/Masterarbeit_Jan_Eggemann.pdf

 3
QUANTENMECHANIK: EINFACH - JKU ePUB
12
 wenig mathematischem Formalismus unterrichten kann .Auch die
 Begabtenförderung in Oberösterreich bietet im Rahmen von Pull-Out-Kursen
 Experimente mit dem Mach-Zehnder-Interferometer an, wobei auch moderne
 Technologien wie der Quanten-Radierer behandelt werden13. Des Weiteren gibt es
 auch Applets von der University of St. Andrews14. Hier kann nicht nur das Mach-
 Zehnder-Interferometer als virtueller Aufbau, sondern auch andere Aspekte der
 Quantenmechanik betrachtet werden (Blochkugel, Potentialtopf, Stern-Gerlach
 Aufbau,…). Es soll hier auch noch die Universität Wien erwähnt werden: es wird zwar
 dort nicht das Mach-Zehnder-Interferometer behandelt, sondern das
 Doppelspaltexperiment, aber es kann ein Labor zu Quantenexperimenten auf
 spielerische Weise kennengelernt werden15.

 Es gibt also schon einige Bestrebungen die Quantenmechanik an der Schule
 anschaulich zu unterrichten, mittels einer experimentellen Herangehensweise über
 das Mach-Zehnder-Interferometer. Meine Arbeit ergänzt dies durch den Zugang über
 die theoretische Physik, also der mathematischen Beschreibung dieses
 Experimentaufbaus. Es stellt sich aber die Frage, ob die Lehrenden diesbezüglich im
 Studium genug Vorbildung erhalten haben.

1.2 S TUDIENPL ANANAL YSE

 Hier soll ein kurzer Einblick in die Studienpläne des Diplom- und des Bachelor-
 /Masterstudiums „Lehramt Physik“, in Bezug auf das Lernen quantenmechanischer
 Inhalte, an der Johannes Kepler Universität Linz gegeben werden.

1.2.1 D I PL O M STUDI UM

 Im Diplomstudium (Auslaufdatum: 30.09.2022) kamen die Studierenden in folgenden
 Lehrveranstaltungen mit der Quantenmechanik in Kontakt:

 12 Fakultät für Physik, Universität Wien, 18.03.2022, 18.03.2022,
 https://phaidra.univie.ac.at/download/o:1327599
 13 Talente OÖ, 23.02.2021, https://www.talente-ooe.at/kurse/spezielle-kursprogramme/schloss-

 traunsee-akademie/
 14 School of Physics and Astronomy, University of St. Andrews, 07.02.2021, https://www.st-

 andrews.ac.uk/physics/quvis/
 15 Universität Wien, quantum interactive, 07.02.2021, https://interactive.quantumnano.at/los/

 4
Lehrveranstaltung Semesterwochenstunden
 Vorlesung „Grundlagen der Physik IV“ 4
 Übung dazu (optional) 1
 Vorlesung „Festkörperphysik“ 2
 Vorlesung „Subatomare Physik“ 2
 Vorlesung „Theoretische Physik II“ 4
 Übung dazu 1

 Somit sollten Diplomlehramtsstudierende durch den Zugang der Experimental- und
 der theoretischen Physik eine solide Ausbildung im Bereich der Quantenmechanik
 bekommen haben und auch mit einigen Anwendungen vertraut gemacht worden
 sein. Dieses Studium existiert in dieser Form nicht mehr und wurde durch das
 Bachelor-/Masterstudium ersetzt.

1.2.2 B ACH EL O R -/M A STE RST UDI UM

 In diesem Studium sieht die Situation etwas anders aus. In folgenden
 Lehrveranstaltungen lernen die Student*innen Effekte der Quantenmechanik kennen
 und müssen auch Berechnungen dazu durchführen:

 Bachelorstudium:

 Lehrveranstaltung Semesterwochenstunden
 Vorlesung „Grundlagen der Physik IV“ 4
 Übung dazu 1
 Vorlesung „Festkörperphysik“ 2

 Masterstudium:

 Lehrveranstaltung Semesterwochenstunden
 Vorlesung mit Übung „Ausgewählte 3
 Kapitel aus Theoretischer Physik“

 Insgesamt wurde die Gesamtzahl der Semesterwochenstunden in der theoretischen
 Physik im Studium von 16 auf 9 Stunden reduziert. Es wird zwar versucht die
 Quantenmechanik aus theoretischer Sicht in „Ausgewählte Kapitel aus Theoretischer
 5
Physik für Lehramt“ zu behandeln, aber in dieser Lehrveranstaltung sollten auch die
wichtigsten Themen aus Thermodynamik und statistischer Physik (insbesondere
die Entropie) unterrichtet und auf aktuelle Sachverhalte der modernen Physik
eingegangen werden, die jeweils tagesaktuell in den Medien diskutiert werden
(Gravitationswellen, Quantencomputer, dunkle Materie,…).

Wenn die zuvor genannten Inhalte des Lehrplans bzw. eines Schulbuchs (1.1)
betrachtet werden, stellt sich unweigerlich die Frage, ob zukünftige Lehrer*innen
genügend Expertise gesammelt haben um diese möglichst korrekt vermitteln zu
können.

Alleine für die Doppelspaltexperimente können sich für die Schüler*innen
möglicherweise schwierige Fragen wie diese ergeben: „Sind Objekte der
Quantenwelt Wellen, Teilchen, beides oder etwas anderes?“, „Da es eine
,Wellenfunktion‘ gibt bedeutet dies das Objekt ist eine Welle?“, „Warum ändert sich
das Intensitätsmuster beim Doppelspaltexperiment, wenn gemessen wird durch
welchen Spalt das Objekt passiert?“,… . Daher müssen Lehrer*innen mit großer
Sorgfalt auf die Begriffe der Quantenmechanik eingehen. Die Quantenebene entzieht
sich unserer Vorstellung und wir haben deswegen auch nicht das passende
Vokabular entwickelt, welches für die Beschreibung dieser Phänomene des
Mikrokosmos benötigt wird16. Die Physik ist eine Naturwissenschaft, welche in der
Sprache der Mathematik geschrieben ist und diese Tatsache sollte Schüler*innen
auch im Bereich der Quantenmechanik näher gebracht werden 17 . Hierzu wird in
dieser Arbeit in Kapitel 3 „Quantenmechanik: einfach verwirrend oder verwirrend
einfach?“ eine Unterrichtsplanung vorgestellt, welche ausgehend von einem
makroskopischen Versuchsaufbau den relevanten mathematischen Formalismus
einführt und dadurch ein Experiment der Quantenphysik beschrieben und
nachvollzogen werden kann. Beim Lehrplan kann dieses Unterrichtskonzept bei
„Besonderheiten der Quantenwelt“, „statistische Deutung“ und zum wesentlich
besseren Verständnis des „Doppelspaltexperiments“ eingeordnet werden.

16 (Sexl, 2018, S. 39)
17 Galileo Galilei: il Saggiatore Opere die Galileo Galilei, Bd. 2, Bettoni 1832, S.13

 6
2 T HEORIETEIL FÜR L EHRENDE UND S TUDIERENDE

 In diesem Kapitel soll speziell für Physik-Lehramtsstudierende bzw. für
 Physiklehrer*innen die Quantenmechanik möglichst einfach eingeführt werden. Dafür
 wird von der Polarisation von elektromagnetischen Wellen gestartet, um diese
 Eigenschaft dann auf einzelne Photonen zu übertragen um schließlich das Mach-
 Zehnder-Interferometer mittels Dirac-Formalismus zu beschreiben. Als Abschluss
 werden noch drei Interpretationen dieser nicht intuitiv vorstellbaren Physik anhand
 des Messprozesses verglichen.

2.1 B ESCHREIBUNG DER P OL ARIS ATI ON DURCH DEN J ONES -
 F ORMAL ISMUS

2.1.1 E L EKTRO M AG NE TI SCH E W EL L EN IM V AKUUM

 In der Optik werden viele Phänomene untersucht, bei
 welchen Licht als Welle betrachtet wird. Auch die
 Polarisation von elektromagnetischen Wellen ist ein
 Thema, welche nichts Anderes ist als die
 Schwingungsrichtung von ⃗ (dies ist durch Konvention
 ⃗
 so geregelt, die Polarisation könnte genauso über 
 18
 definiert werden) . Ein Vektor für eine solche
 A BBILDUNG 1:
 Beschreibung sieht im Allgemeinen wie folgt aus:
 ELEKT ROMAGNET ISCHE W ELLE

 0 
 ⃗ − ) ⃗
 ⃗ = ⃗⃗⃗⃗
 0 ( 
 = ( 0 ) ( − )
 0 (2.1)

 Durch geeignete Wahl des Koordinatensystems kann diese Beschreibung etwas
 vereinfacht werden: die Ausbreitung des elektrischen Feldes wird so gelegt, dass
 sich dieses entlang der -Achse ausbreitet, sprich bei ⃗ ist nur mehr die -

 18 (Kirkby, 2012, S. 206)

 7
Komponente ungleich Null und die Komponente 0 wird Null weil die transversale
Welle nur mehr entlang der - und -Komponente schwingt (siehe Abbildung 1) 19:

 0 0 
 ⃗ = (0) ; ⃗ = ( 0 ) ( ⃗ − ) ⇒ ( 0 ) ( − )
 0 
 (2.2)
 0
Somit ist zur Beschreibung von ⃗ nur mehr ein zweidimensionaler Vektor
erforderlich. 0 und 0 beschreiben die jeweiligen Amplituden dieses Vektors und
können folgendermaßen definiert werden20:

 (2.3)
 0 = | 0 | ; 0 = | 0 | ; , ∈ ℝ

Zur Erinnerung:

 = cos( ) + sin( ) ; ∈ ℝ (2.4)

Dadurch ist zu erkennen, dass die einzelnen Komponenten von ⃗ komplexe Zahlen
sind21. Damit folgt:

 | 0 | | 0 |
 ⃗ = ( 
 ) ( − )
 = ( ( − )
 ) ( − + ) (2.5)
 | 0 | | 0 | 

Durch geeignete Wahl des Zeitnullpunkts kann = 0 gesetzt werden und es ergibt
sich22:

 | 0 |
 ⃗ = ( 
 ) ( − ) (2.6)
 | 0 | 

Mit diesem Vektor können verschiedene Polarisationsarten (linear, zirkular, elliptisch)
dargestellt werden. Im weiteren Verlauf werden nur lineare- und zirkulare Polarisation
benötigt, deshalb werden hier auch nur diese zwei näher betrachtet.

19 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 12)
20 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 12)
21 Natürlich treten in der Realität nur reelle elektrische Felder auf, aber wegen (2.4) ist es rechnerisch

wesentlich handlicher diese durch Exponential- statt mit den trigonometrischen Funktionen zu
beschreiben.
22 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 12)

 8
2.1.2 J O NES -V EK TO REN

 Der Vektor in

 (2.6) ist schon einfacher zu handhaben als jener in (2.1). Als Nächstes werden die
 Eigenschaften „linear- und zirkular polarisiert“ in Verbindung mit dieser
 Simplifizierung gebracht.

 Für lineare Polarisation ist = 0 oder = und dadurch folgt:

 | 0 | | 0 | 
 ⃗ = ( ) ( − ) = ( ) (cos( − ) + sin( − )) = ( )
 ± | 0 | ± | 0 | 

 0 
 ⁄
 | 0 |
 1
 ⇔ ( ) (cos( − ) + sin( − )) = 0
 1 ± ⁄
 | 0 |
 ( ) (2.7)

 | 0 |
 ⇒ cos( − ) + sin( − ) = =± ⇔ = ± 
 | 0 | | 0 | | 0 |

 Die letzte Umformung liefert eine lineare Funktion, welche eine Strecke beschreibt,
 die auf der ⃗ hin- und herschwingt23.

 A BBILDUNG 2: LINEAR POLARISIERTES L ICHT IN 45°-A USRICHT UNG

 Bei der zirkularen Polarisation ist = ± 2 . Um keinen zu großen Ausdruck zu

 erhalten wird in der folgenden Herleitung nur der Realteil betrachtet (für den
 Imaginärteil ist die Vorgehensweise analog) und es folgt:

 23 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 13)

 9
| 0 | | 0 | cos( − )
 ⃗ = [( ) ( − ) ] = ( )=
 | 0 | (±2 ) | 0 | cos ( − ± )
 2
 | 0 | cos( − ) (2.8)
 ( ) = ( )
 ∓ | 0 | sin( − ) 

Um mehr aus der letzten Zeile erkennen zu können werden die Beträge der
Amplituden von der linken Seite auf die rechte Seite gebracht. Anschließend werden
beide Seiten quadriert und miteinander addiert:

 2
 
 ( 0 ⁄ )
 cos 2 ( − ) | 0 |
 ( )= 2
 sin2 ( − ) 0
 ( ⁄ )
 ( | 0 | )
 (2.9)
 2 2
 
 ⇒ cos 2 ( − ) + sin2 ( − ) = 1 = ( ) +( )
 | 0 | | 0 |

Anhand der letzten Umformung ist zu erkennen, dass diese Gleichung eine Ellipse,
also elliptisch polarisiertes Licht, beschreibt. Um ausgehend von dieser Gleichung

zirkulare Polarisation zu erhalten wird | 0 | = | 0 | gesetzt24.

 A BBILDUNG 3: ZIRKULAR POLARISIERT ES LICHT

Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, breitet sich das elektrische Feld spiralförmig durch
den Raum aus. Betrachtet man dies aus der -Richtung, sieht diese Bewegung wie

24 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 14-15)

 10
ein „Kreis“ aus. Eigentlich ist das kein „Kreis“ sondern ein Vektor, welcher eine fixe
Länge hat und sich in einer gewissen Zeit einmal im Kreis dreht25.

Diese Vektoren sind einfacher in der Handhabung als der Ausdruck in (2.1). Es gibt
aber noch ein paar Vereinfachungen, die vorgenommen werden können26:

 • ( − ) kommt überall vor und wird weggelassen

 • | 0 | , | 0 | werden so gewählt, dass der jeweilige ⃗ -Vektor die Länge 1 hat

 (=Einheitsvektor)

Mit diesen Anpassungen ergeben sich also folgende Vektoren:

 • horizontal polarisiertes Licht:

 | | | | 1 (2.10)
 ( 0 ) ( − ) ⇒ ( 0 ) ⇒ ℎ⃗ = ( )
 0 0 0
 • vertikal polaristiertes Licht:

 0 0 0 (2.11)
 (| |) ( − ) ⇒ (| |) ⇒ = ( )
 0 0 1

 • rechtszirkular polarisiertes Licht gilt, wie oben erwähnt wurde, | 0 | = | 0 |:

 | 0 | (2.12)
 ( − )
 | 0 | 1 1
 ( ) ⇒( )⇒ = ( )
 + 2 | 0 | | 0 | √2 

 • linkszirkular polarisiertes Licht, auch hier gilt | 0 | = | 0 |:

 | 0 | (2.13)
 ( − )
 | 0 | 1 1
 ( − ) ⇒( )⇒ = ( )
 2 | 0 | − | 0 | √2 − 
In dieser vereinfachten Schreibweise werden die Polarisationszustände „Jones-
Vektoren“ genannt.

25 Weitere Visualisierungen sind recht einfach im Internet zu finden z.B. auf
https://cddemo.szialab.org/
26 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 15)

 11
2.1.3 P O L ARI SATI O NSFI L TE R

 Auch die dazugehörigen Polarisationsfilter können im Jones-Formalismus dargestellt
 werden. Um ein anschauliches Anwendungsbeispiel zu geben wird angenommen,
 dass rechtszirkular polarisiertes Licht auf einen horizontalen Polarisator trifft. Dieser
 wird durch eine 2x2-Matrix beschrieben und die Berechnung des durchgelassenen
 Anteils erfolgt über das Produkt dieser Matrix mit dem zuvor genannten Vektor:

 1 0 1 1 1 1
 ℎ ⋅ = ( ) ( )= ( )
 0 0 √2 √2 0 (2.14)

 Um daraus die zu messende Intensität hinter dem Polarisator zu erhalten wird von
 diesem Vektor noch das Betragsquadrat genommen:

 1 1 2 1 1 2 1 2
 1 2
 1
 | ( )| = ( ) = ( ⋅ 1) + ( ⋅ 0) = (2.15)
 √2 0 √2 0 √2 √2 2
 Dieses mathematische Werkzeug führt direkt zu einer Methode,
 quantenmechanische Zustände zu beschreiben. Der daraus folgende Dirac-
 Formalismus wird im nächsten Abschnitt über die hier behandelte Polarisation von
 elektromagnetischen Wellen eingeführt.

2.2 D IRAC -N OTATION

 Allen, die ein Physikstudium absolviert haben oder gerade dabei sind, ist die
 Schrödingergleichung ein Begriff. Die meisten haben sie als partielle
 Differentialgleichung kennengelernt, welche gelöst wird um quantenmechanische
 Wellenfunktionen zu erhalten und damit etwas über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
 von Quanten-Objekten aussagen zu können. Dieser Zugang hat natürlich seine
 Berechtigung und Physikstudierende sollten diesen unbedingt gelehrt bekommen,
 aber Quantenmechanik wird nicht nur an den Hochschulen unterrichtet sondern auch
 in der Schule (z.B. 7. bzw. 8. Klasse AHS). Wenn nur dieser Formalismus von den
 (zukünftigen) Lehrenden kennengelernt wird, kann eigentlich nur konzeptionelles
 Wissen an die Schüler*innen weitergegeben werden, da in den wenigsten Schulen
 das Lösen von Differentialgleichungen unterrichtet wird. Es gibt aber noch einen
 anderen Zugang zur Quantenmechanik, welcher keine aufwändigen mathematischen
 Fertigkeiten benötigt. Dieser wird in diesem Abschnitt eingeführt und ausführlich
 behandelt.

 12
2.2.1 V O N J O NES - ZU Z UST AN DSV EKTO R EN

 Wie schon zuvor zu sehen war, ist die Polarisation eine Eigenschaft von
 elektromagnetischen Wellen und somit auch von Licht. Was bedeutet dies nun für
 den Zugang, bei welchem Licht aus Teilchen, also Photonen, besteht? Um diese
 Frage zu beantworten, wird bei der klassischen Sichtweise der Physik gestartet und
 versucht das erhaltene Wissen so zu verarbeiten um bei der quantenmechanische
 Beschreibung zu landen. Hierfür wird zunächst der Fall betrachtet, wo eine
 Lichtquelle (z.B. ein Laser) linear polarisiertes Licht in einem Winkel von 45° emittiert:

 1 1
 45° = cos(45°) ℎ⃗ + sin(45°) =
 ⃗⃗⃗⃗⃗⃗⃗ ( )
 √2 1 (2.16)

 Passiert dieses Licht einen Polarisator, welcher horizontal bzw. vertikal ausgerichtet
 ist, wird dahinter eine Intensität von 50% gemessen, da jeweils nur der horizontale
 oder vertikale Anteil dieser Welle durchgelassen wird. Verringert man nun sukzessive
 die Intensität dieser Lichtquelle, gelangt man irgendwann zu dem Bereich, in dem nur
 mehr einzelne Photonen emittiert werden27 28. Eine Interpretation der Intensität des
 eben behandelten Experiments übertragen auf die Quantenmechanik bedeutet, dass
 die Hälfte der Photonen den Polarisator passieren kann und die andere nicht.
 Insbesondere gibt es keine „halben Photonen“, es können also nicht alle Photonen
 den Polarisator „halb“ passieren: jedes Photon passiert den Polarisator entweder als
 Ganzes oder es wird als Ganzes absorbiert.

 Das führt nun dazu, dass auch ein einzelnes 45°-Photon, also ein Objekt im
 „Teilchenbild“, die Eigenschaft besitzt horizontal- und vertikal polarisiert zu sein 29 .
 Quantenmechanisch betrachtet ergibt dies, dass sich das Photon beim Verlassen der
 Lichtquelle in einem Überlagerungszustand aus beiden Möglichkeiten (horizontal-
 und vertikal polarisiert) befindet. Nach Passieren des Polarisators, welcher entweder
 horizontal oder vertikal eingestellt ist, können nur mehr passend polarisierte
 Photonen am Detektor ankommen. Für ein einzelnes Lichtteilchen bedeutet das,
 dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% hinter dem Polarisator beim Detektor
 ankommt und zu 50% absorbiert wird. Zur Beschreibung solcher Eigenschaften
 werden Zustandsvektoren (sogenannte „Ket`s“) verwendet. Für das gerade
 27 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 18-19)
 28 Genaugenommen liefert ein schwacher Laser keine Einzelphotonen. Für das Argument hier ist nur
 wichtig, dass einzelne Photonen erzeugt werden können
 29 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 20)

 13
behandelte Experiment sind diese gleich den zuvor verwendeten Jones-Vektoren
(vgl. (2.16)), nur dass die einzelnen Komponenten nun nicht mit der
Polarisationsintensität sondern mit der Polarisations-Wahrscheinlichkeit
zusammenhängen:

 1 1 (2.17)
 |ψ45° ⟩ = ( )
 √2 1
Im Allgemeinen werden sämtliche Vektoren eines Vektorraums (wie schon aus der
linearen Algebra bekannt) durch Basisvektoren dargestellt. Angewendet auf den
Vektor, der in 45° linear polarisiert ist, führt dies zu folgender Erkenntnis:

 1 1 1 1 1 0 1 1 (2.18)
 |ψ45° ⟩ = ( )= ( )+ ( )= |ℎ⟩ + | ⟩
 √2 1 √2 0 √2 1 √2 √2
 Hierbei sind |ℎ⟩ und | ⟩ die Basisvektoren (in Abbildung 4 zu
 sehen). Es gibt natürlich weitere Basen (z.B. wenn |ℎ⟩ und | ⟩
 um einen bestimmten Winkel gedreht sind, also wären |ψ45° ⟩
 und |ψ135° ⟩ eine weitere mögliche Wahl) aber im weiteren

 A BBILDUNG 4: | ° ⟩ Verlauf wird hier meistens die Basis = {|ℎ⟩, | ⟩} verwendet.
 Diese Basis im Speziellen hat für die verschiedenen
Polarisationseigenschaften von Photonen eine wichtige Bedeutung: wie schon im
Abschnitt 2.1.1 über elektromagnetischen Wellen zu sehen war, kann Licht durch
Phasenverschiebung auch so präpariert werden, dass es elliptisch bzw. zirkular
polarisiert ist. Auch einzelne Photonen können diese Eigenschaft besitzen und die
Zustandsvektoren sind wiederum gleich den zuvor behandelten Jones-Vektoren:

 1 1 |ℎ⟩+ | ⟩ 1 1 |ℎ⟩− | ⟩ (2.19)
 | ⟩ = ( )= und | ⟩ = ( )=
 √2 √2 √2 − √2

Das bedeutet jedoch nicht, dass ein rechts- bzw. links polarisiertes Photon bei einer
Messung nach |ℎ⟩ oder | ⟩ sich in zwei linear polarisierte Photonen aufteilt, sondern
die Wahrscheinlichkeit |ℎ⟩ bzw. | ⟩ zu messen beträgt wiederum jeweils 50%. Vor
einer Messung besteht eine Superposition (=Überlagerung bzw. Linearkombination)
aus beiden Möglichkeiten und nach der Messung befindet sich das Photon in einem
eindeutig bekannten Zustand30. Dies führt dazu, dass die Basis {|ℎ⟩, | ⟩} nicht nur für
die eindeutige Beschreibung der Zustandsvektoren für linear- und zirkular

30 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 19-20)

 14
polarisiertes Licht dient, sondern diese gibt auch gleichzeitig Information über die
möglichen Messwerte bezüglich einer Messung nach |ℎ⟩ und | ⟩ an. Die
Zustandsvektoren von linear polarisierten Photonen hängen mit den
Zustandsvektoren für zirkular polarisierten Photonen wie folgt zusammen31:

 | ⟩+| ⟩ | ⟩−| ⟩ (2.20)
|ℎ⟩ = und | ⟩ =
 √2 √2

Dieses Wissen wird nun auf |Ψ45° ⟩ angewendet:

 1 1 1 | ⟩ + | ⟩ 1 | ⟩ − | ⟩
 |ψ45° ⟩ = |ℎ⟩ + | ⟩ = + =
 √2 √2 √2 √2 √2 √2
 1 1 1 1 1 1 1 1
 ( )+ ( ) ( )− ( ) (2.21)
 √2 √2 − + √2 √2 − 
 2 2 
 1 2 1 0
 ( ) ( )
 √2 0 √2 2 1 1
 ) + = ( )
 =
 2 2 √2 1
 1− 1+ 
 ( ) ( ) 1− 1+ 
 ) 1 + + 1 − = | ⟩ + | ⟩
 { 2√2 2√2 2 2
Durch b) ist offensichtlich, dass auch | ⟩ und | ⟩ ein Basissystem darstellt. Solche
Umrechnungen zwischen verschiedenen Basen werden Basistransformationen
genannt.

Die bisher verwendeten Ket-Vektoren beschreiben quantenmechanische Zustände.
Solche Zustandsvektoren besitzen bestimmte Eigenschaften:

 1. Ein quantenmechanischer Zustand ist normiert und hat eine Länge
 (=Gesamtwahrscheinlichkeit des beschriebenen Systems) von genau „1“, weil
 die Wahrscheinlichkeit von 100% nicht überschritten und nicht unterschritten
 werden darf und diese wird wie folgt berechnet32:

 , ∈ ℂ ∗ , ∗ ℎ .
 
 ( ) |ψ⟩. (2.22)
 
 ä |ψ⟩. :
 2
 2 ∶= [( )] = | |2 + | |2 = ∗ + ∗ 
 
31 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 18)
32 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 38)

 15
2. Die Koeffizienten dieser Vektoren sind mit der Messwahrscheinlichkeit
 folgendermaßen verknüpft:

 |ℎ⟩ | ⟩ 
 
 , ∈ ℂ. ü |ψ⟩ = ( ) :
 
 (2.23)
 | |2 = ∗ … ℎ ℎ ℎ |ℎ⟩ 
 | |2 = ∗ … ℎ ℎ ℎ | ⟩ 

 3. Hier wird im weiteren Verlauf nur der zweidimensionale Fall betrachtet, dies
 gilt aber analog auch für höherdimensionale Zustände
 4. Aus der Berechnung in 1. kann mit Hilfe der Regeln der Matrizenmultiplikation
 erkannt werden, dass es sich hierbei um eine Multiplikation von einem Zeilen-
 mit einem Spaltenvektor handelt33:

 (2.24)
 2 = ( ∗ ∗ ) ( )

 5. Um so einen Zeilenvektor zu erhalten wird der Spaltenvektor transponiert und
 die einzelnen Komponenten komplex konjugiert. Dieses Vorgehen wird
 „adjungieren“ genannt und wie folgt mathematisch angeschrieben34:

 † ∗ ∗ 
 ( ) = ( ) = ( ∗ ) = ( ∗ ∗ ) = ⟨ψ|
 (2.25)

 Diese Zeilenvektoren werden „Bra’s“ genannt und können durch das
 Skalarprodukt mit einem „Ket“ als Frage an das System verstanden werden
 (siehe Abschnitt 2.2.2). Ein paar Beispiele für solche Skalarprodukte sind:

33 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 39)
34 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 39)

 16
1 1 1
 a. ⟨ℎ|ψ45°⟩ = (1 0) √2 ( ) = √2
 1
 
 b. ⟨ |ψ⟩ = (0 1) ( ) = 
 
 ⟨ℎ|ψ135°⟩ = (1 0) (−1) = −
 1 1 (2.26)
 c.
 √2 1 √2

 ⟨ | ⟩ = (1 ) (0) =
 1 
 d.
 √2 1 √2

 ⟨ψ45°|ψ45°⟩ = (1 1) (1) = 1
 1 1
 e.
 √2 √2 1

 Es ist hier zu erkennen, dass alle Ergebnisse eine Zahl aus ℂ sind.

2.2.2 B ERE CHN UNG DE R W AH RS CHEI N L I CHK EI TEN

 Bisher wurden Bra’s und Ket’s eingeführt. Weiters wurde auch schon erwähnt, dass
 die Koeffizienten der Ket’s mit der Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Zustand zu
 messen, zusammenhängen und die Bra’s über das Skalarprodukt eine Frage an den
 Zustand darstellen. In der Geometrie ist ein Skalarprodukt aus zwei Vektoren eine
 Projektion vom Einen auf den Anderen und es stellt den Anteil eines Vektors in die
 Richtung des anderen dar35. Wie anhand der Beispiele (2.26) zu sehen ist, können
 solche Berechnungen nun auch negative bzw. komplexe Ergebnisse liefern.
 Wahrscheinlichkeiten sind jedoch stets zwischen Null und Eins, also reell und positiv.
 Max Born führte folgende Verknüpfung ein: durch das Betragsquadrat werden die
 Ergebnisse aus den Skalarprodukten von Bra’s und Ket’s zu Wahrscheinlichkeiten.
 Eine bestimmte Messung entspricht also einer konkreten Frage (= ⟨ |) an einen
 bestimmten Zustand ( = | ⟩ ), die Antwort ( = ⟨ | ⟩ ) liefert die komplexe
 Wahrscheinlichkeitsamplitude, das Betragsquadrat (= |⟨ | ⟩|2 ) ergibt dann die reelle
 Wahrscheinlichkeit | ⟩ im Zustand | ⟩ zu messen36.

 Bevor dies an Beispielen veranschaulicht wird, muss der Begriff „Messung“ genauer
 untersucht werden. Aus Sichtweise der klassischen Physik detektiert ein
 Messprozess eine schon zuvor vorhandene physikalische Größe. In der
 Quantenmechanik kann dies auch vorkommen, aber nur wenn das System vor der
 Messung so präpariert wurde, dass es sich schon im entsprechenden Zustand

 35 (Kirkby, 2012, S. 294)Vgl. Kirkby 1, 2012, S. 294
 36 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 188)Vgl. Pade 1, 2012, S. 188

 17
befindet 37 . Im Allgemeinen existiert kein eindeutiger Messwert vor einer Messung
sondern nur eine Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Eigenschaft zu messen, welche
im Zustand vor der Messung enthalten ist 38 . Durch die Messung wird der zuvor
superponierte Zustand in einen eindeutigen gezwungen (dies wird in Abschnitt 2.4
weiter ausgeführt). Kurz gesagt: eine Messung beeinflusst das Quantensystem
drastisch.

Da nun der Begriff „Messung“ im quantenmechanischen Sinn eingeführt wurde, kann
weiter auf die Wahrscheinlichkeitsberechnung eingegangen werden. Um diese zu
veranschaulichen wird wieder das Beispiel |ψ45° ⟩ betrachtet. Die betrachtete Frage
ist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, bei Vorliegen dieses Zustands |ℎ⟩ bzw. | ⟩ zu
messen:

 1 1 2 1 2 1
 (ℎ) = |⟨ℎ|ψ45° ⟩|2 = [(1 0) ( )] = [ ] = (2.27)
 √2 1 √2 2

 2
 11 1 2 1
 ( ) = |⟨ |ψ45° ⟩|2 = [(0 1) ( )] = [ ] = (2.28)
 √2 1 √2 2
Weiters kann z.B. auch die Frage gestellt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist
bei rechtszirkulierendem Licht |Ψ45° ⟩ zu messen, also wie hoch die
Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Photon im Zustand | ⟩ eine Polarisationsfilter für
linear polarisiertes Licht in 45° Richtung passiert:

 2
 1 1 1 2
 )
 (Ψ45° = |⟨Ψ45° | ⟩| =[ ( 1 1 ) ( )] = ( . (2.22))
 √2 √2 
 1 2 1 1 1 (2.29)
 [ + ] = ( − )( + ) =
 2 2 2 2 2 2 2
Um noch einen weiteren Einblick zu solchen Wahrscheinlichkeitsabfragen zu
bekommen werden noch zwei weitere Beispiele betrachtet. Diese Berechnungen
hängen mit den Koeffizienten der Basisvektoren der Zustände zusammen:

 1 1
 1. Ein Photon befinde sich in einem Superpositionszustand |ψ1 ⟩ = ( ). Mit
 √3 √2

 welcher Wahrscheinlichkeit passiert es einen vertikalen Polarisationsfilter?

37 Das System muss so präpariert sein, dass es sich in einem sogenannten Eigenzustand er
gemessenen Größe befindet. Für weiterführende Information siehe z.B. Kirkby, 2012, S. 295
38 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 371)

 18
2 2
 1 1 √2 2
 |⟨ |ψ1 ⟩|2 = [(0 1 ) ( )] =[ ] = (2.30)
 √3 √2 √3 3
 2. Ein Photon mit nur einer vertikalen Komponente und einer
 3
 Phasenverschiebung von = 2 (beschrieben durch |ψ2 ⟩ ) wird nach dem

 Anteil von linear polarisiertem Licht in 45° Richtung gefragt (=⟨ψ45° |):

 2
 1 0 − 2 1
 |⟨ψ45°|Ψ2 ⟩|2 = [ (1 1) ( )] = ( ) = (2.31)
 √2 − √2 2
 Es kann nun ein Merksatz für eine solche Berechnung formuliert werden:
 Über das Skalarprodukt von Bra und Ket wird die Frage gestellt, ob sich das
 System im Bra-Zustand befindet. Durch das Quadrieren des Ergebnisses wird
 die Wahrscheinlichkeit erhalten den Bra-Zustand zu messen.

2.2.3 K O M PL EXE Z AH L EN U ND DI E Q U ANT ENM E CH ANI K

 Die bisher verwendeten Vektoren (|ℎ⟩, | ⟩, | ⟩, | ⟩ und |Ψ45° ⟩) sind allesamt Elemente
 eines zweidimensionalen, komplexen Vektorraums. Dies gilt nicht nur für die hier
 verwendete Polarisation, sondern für jedes Quantensystem mit zwei zu messenden
 Möglichkeiten wie z.B. auch für den Elektronenspin und für die Ausrichtung des
 Ammoniakmoleküls39. Wenn es mehrere Basisvektoren (=mögliche Messwerte) gibt,
 dann hat ein solcher Vektorraum (oder Zustandsraum) so viel Dimensionen wie es
 unterschiedliche Messwerte gibt. Das präzise mathematische Konstrukt zur
 Beschreibung wird Hilbertraum genannt. Seine genaue Definition wird hier nicht
 weiter beschrieben, sie findet sich z.B. in Quantenmechanik zu Fuß: Band 1 (2012,
 Jochen Pade) ab Seite S. 268 und kann dort nachgelesen werden. Als Beispiel für
 einen komplexen Vektorraum mit mehreren Dimensionen kann der Bahndrehimpuls
 40 41
 angeführt werden . Wie schon erwähnt, verwenden viele Bücher über
 Quantenmechanik den Schrödinger-Formalismus. Dabei wird der Impulsoperator als
 = − ℏ∇ dargestellt. Der Drehimpulsoperator ist demnach:

 39 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 37)
 40 (Kirkby, 2012, S. 310)
 41 (Nolting, 2014, S. 21)

 19
 
 − 
 
 ⃗ = − ℏ × ∇= − ℏ ( ) × = − ℏ − 
 
 (2.32)
 − 
 ( ) ( )
 Im Experiment findet man für den Betrag von ⃗ die Messwerte:

 ℏ√2
 | ⃗ | = ℏ√6 = ℏ√ ( + 1), ∈ℕ (2.33)
 ℏ√12
 { …
 Und für sind die möglichen Messwerte gleich ℏ mit = − , … , + . Offensichtlich
 gibt es für ⃗ unendlich viele Messwerte (und ebenfalls abzählbar unendlich viele für
 ). Der dazugehörige Vektorraum ist also unendlich dimensional. Ist aber | ⃗ |
 bekannt, hat man für nur 2 + 1 Möglichkeiten. Für den Fall = 1 ist der
 entsprechende Vektorraum dreidimensional, für = 2 fünfdimensional, usw.

 Da nun die wichtigsten Attribute für Zustände geklärt sind, werden im nächsten
 Abschnitt Eigenschaften der Bauteile behandelt, welche bei optischen
 quantenmechanischen Experimenten eingesetzt werden.

2.2.4 O PER ATO RE N

 Neben den bereits behandelten Polarisationsfiltern, verändert man Photonen
 insbesondere mit Strahlteilern, Spiegeln, Phasenschiebern, … . Diese Bauteile
 werden in der Quantenmechanik mittels Operatoren beschrieben und manipulieren
 den quantenmechanischen Zustand42. Ein Operator transformiert ein gegebenes | ⟩
 in einen anderen Zustand | ̃⟩ 43. Um diese neuen Bestandteile der Quantenmechanik
 einzuführen wird hier folgendes Beispiel gewählt: ein Photon, welches in einem
 Winkel von 45° linear polarisiert ist, passiert einen Polarisator ℎ , welcher nur
 horizontal polarisierte Photonen durchlässt. Wir betrachten nocheinmal (2.14):
 Formal wird ℎ durch eine 2x2-Matrix beschrieben:

 42 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 29-30)
 43 (Kirkby, 2012, S. 295)

 20
1 0 1 1 1 1
 ̃ ⟩
 ℎ | ⟩ = ( ) ( )= ( ) = |ψ
 0 0 √2 √2 0 ℎ (2.34)

Um diesen Aspekt noch allgemein zu betrachten wird dieser Operator auch auf den
allgemeinen Zustand |ψ⟩ mit , ∈ ℂ angewendet:

 1 0 ̃⟩
 ℎ |ψ⟩ = ( ) ( ) = ( ) = |ψ
 0 0 0 (2.35)

Wie hier zu sehen ist, wird der Anfangszustand |ψ⟩ durch den Operator so verändert,
 ̃ ⟩ nur mehr eine horizontale Komponente besitzt. Allerdings ist
dass das neue Ket |ψ
dieser Vektor offensichtlich nicht normiert. Wie in (2.23) postuliert wurde, ist das
 1 1
Quadrat des Vorfaktors in (2.34) bzw. von in (2.35) die Wahrscheinlichkeit (2
 √2

bzw. | |2 ), dass das Photon den Polarisator passiert. Aber sobald ein Photon diesen
passiert hat befindet es sich definitiv im Zustand |ℎ⟩. Dieser wird durch Normierung
erhalten:
 1
 √2 
 1 |ℎ⟩ = |ℎ⟩ bzw. |ℎ⟩ = |ℎ⟩ (2.36)
 | | | |
 √2

Dies gilt natürlich analog für anders ausgerichtete Polarisatoren und den
Messergebnissen | ⟩, | ⟩ , | ⟩…44.

Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts werden nun der Reihe nach wichtige
Eigenschaften von Operatoren besprochen: ihre formale Darstellung, Projektions-,
selbstadjungierte- und unitäre Operatoren. Bevor aber nun diese Aspekte behandelt
werden, wird noch Folgendes benötigt: zuvor war schon bei (2.25) zu sehen, dass
über das Adjungieren eines Ket-Vektors ein Bra-Vektor erhalten wird. Hier wird nun
eine Matrix adjungiert:

 , , , ∈ ℂ ∗ , ∗ , ∗ , ∗ ℎ .
 ü 2 × 2 :
 ∗ ∗ ∗ ∗ ∗ (2.37)
 † = ∗ = ( ) =( ∗ ) = ( )
 ∗ ∗ ∗
 † wird die adjungierte Matrix zu genannt. Im weiteren Verlauf (Abschnitt 2.2.4.3)
wird dies noch benötigt.

44 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 44-45)

 21
2.2.4.1 DYA DI SCH ES P RO D UKT U ND O P ERA TO REN

 Das dyadische Produkt verknüpft einen Spalten- mit einem Zeilenvektor, sodass eine
 Matrix entsteht:

 , , , ∈ ℂ. ∈ ℂ2 × ℂ2 . :
 ⋅ ⋅ 
 ( ) ⨂( ) = ( ) (2.38)
 ⋅ ⋅ 

 Für die Erstellung einer solchen Matrix gilt also das gewohnte Rezept „Zeile mal
 Spalte“. Operatoren, welche nur horizontal- bzw. vertikal polarisierte Photonen
 1 0 0 0
 durchlassen, sehen folgendermaßen aus: ℎ = ( ) bzw. so = ( ). Diese
 0 0 0 1
 können mittels des dyadischen Produkts wie folgt dargestellt werden:

 1 1∙1 1∙0 1 0 (2.39)
 ℎ = |ℎ⟩⟨ℎ| = ( ) (1 0) = ( )=( )
 0 0∙1 0∙0 0 0

 0 0∙0 0∙1 0 0 (2.40)
 = | ⟩⟨ | = ( ) (0 1) = ( )=( )
 1 1∙0 1∙1 0 1

 In weiterführender Literatur wird oft diese Schreibweise | ⟩⟨ | verwendet, weswegen
 sie auch hier kurz behandelt ist. Sie hat den Vorteil, dass sie unabhängig von der
 gewählten Basis ist.

 Da (per Definition) ein Operator einen Zustand | ⟩ = ( ) in einen anderen, | ̃⟩ =
 
 ̃
 ( ) , überführt, muss jeder Operator in unserem zweidimensionalen Vektorraum
 ̃
 folgende Form haben:

 1 0 0 1 0 0 0 0
 ( ) = ( )+ ( )+ ( )+ ( ) , , , ∈ ℂ
 0 0 0 0 1 0 0 1 (2.41)

 Dies kann an Beispielen veranschaulicht werden:

 • Einheitsmatrix (∶= ): hierfür ist = = 1 und = = 0
 • Spiegel in 45° Orientierung zum horizontal bzw. vertikal eintreffenden Vektor:
 ein solcher Spiegel vertauscht x- und y-Komponente, daher ist = = 0 und
 = = 1 (dies wird in 2.3.1.2 noch ausführlicher behandelt werden)
 • Ein solcher Spiegel mit Phasensprung: = = 0 und = = −1 (auch dies
 wird später in 2.3.1.1 noch genauer behandelt werden)

 22
2.2.4.2 P RO J EKTI O NSO PE RATO RE N

 Diese Art von Operatoren beschreiben Filter und haben folgende Eigenschaft45:

 2 = (2.42)

 In Worte gefasst bedeutet (2.42), dass wenn ein bestimmter Bauteil passiert wurde,
 ein gleich ausgerichteter zweiter Bauteil auch passiert wird. Beispiele hierfür sind
 wieder die horizontal bzw. vertikal ausgerichteten Polarisatoren (2.39) und (2.40),
 denn es gilt46:

 ℎ2 = (|ℎ⟩⟨ℎ|)2 = |ℎ⟩⟨ℎ|ℎ⟩⟨ℎ| = |ℎ⟩ ⋅ 1 ⋅ ⟨ℎ| = |ℎ⟩⟨ℎ| = ℎ
 (2.43)
 2 = (| ⟩⟨ |)2 = | ⟩⟨ | ⟩⟨ | = | ⟩ ⋅ 1 ⋅ ⟨ | = | ⟩⟨ | = 

 Als weiteres Beispiel betrachten wir:

 2 = (| ⟩⟨ |)2 = | ⟩⟨ | ⟩⟨ | = | ⟩ ⋅ 1 ⋅⟨ | = (2.44)

 Um dies noch anschaulicher zu verdeutlichen wird dies auch noch
 komponentenweise durchgeführt:

 1 0 2 1⋅1+0⋅0 0⋅0+0⋅0 1 0 (2.45)
 ℎ2 = (|ℎ⟩⟨ℎ|)2 = ( ) =( )=( ) = ℎ
 0 0 0⋅0+0⋅0 0⋅0+0⋅0 0 0
 und

 2 = (| ⟩⟨ |)2 = (2.46)

 Um dies zu zeigen muss noch | ⟩⟨ | erstellt werden:

 1 
 1 1 −
 1
 | ⟩⟨ | = ( )⨂ (1 − ) = (2 2)
 √2 √2 1 (2.47)
 2 2
 Und damit folgt:

 1 1 1 
 − − −
 (| ⟩⟨ |)2 = (2 2) ⋅ (2 2) = (2 2) = 
 
 1 1 1 (2.48)
 2 2 2 2 2 2
 45 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 44)
 46 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 44)

 23
Allgemein hat jeder Projektionsoperator die Form = | ⟩⟨ |. Angewandt auf einen
 Zustand |ψ⟩ wird ein neuer Vektor erhalten mit einem Faktor ∈ ℂ:

 | ⟩ = | ⟩⟨ | ⟩ = | ⟩ (2.49)

 gibt die Wahrscheinlichkeitsamplitude von bezüglich an, wie schon in Abschnitt
 2.2.2 zu erkennen war 47 , und hinter diesem Projektionsoperator kann sich das
 Photon nur im Zustand | ⟩ befinden48. Daher kommen solche Projektionsoperatoren
 bei der Modellierung des Messprozesses zum Einsatz. Wie schon in 2.2.4 erwähnt
 wurde, muss ein solcher Zustand für die weitere Verwendung noch normiert werden
 und dadurch wird | ⟩ erhalten.

 Zusammenfassend betrachten wir noch einmal folgendes Beispiel: „Berechne die
 Wahrscheinlichkeit, mit der a) ein rechts- und b) ein links-zirkularpolarisiertes Photon
 einen Filter passiert, der nur rechts-zirkularpolarisiertes Licht passieren lässt.“

 Diese Aufgabe kann, mit dem bisher erarbeiteten Wissen, auf zwei Wegen gelöst
 werden:

 1. Über explizites Ausmultiplizieren:

 1 2
 1 1 − 1 1 − 2√2 1 1
 2√2
 | ⟩ = 2 ( ) ( )=( )= ( )
 1 √2 
 +
 √2 
 2√2 2√2
 (2.50)
 1 2
 1 1 − 1 1 + 2√2 0
 | ⟩ = 2 ( ) ( ) = (2√2 )=( )
 1 √2 − 
 −
 0
 2√2 2√2

 2. Oder über Multiplikation in dyadischer Schreibweise:

 11
 | ⟩ =| ⟩⟨ | ⟩ = | ⟩ ⋅ 1 = ( )
 
 √2

 0 (2.51)
 | ⟩ =| ⟩⟨ | ⟩ = | ⟩ ⋅ 0 = ( )
 0

2.2.4.3 S EL BST ADJ UNG I ERT E O PE RATO RE N

 Ein Operator heißt selbstadjungiert, wenn dieser gleich seinem Adjungierten
 (=transponiert und komplex konjugiert) ist. Für einen solchen Operator „ “ gilt also:

 47 Dort wurde auch die geometrische Interpretation diskutiert, aus welcher der Name dieser
 Operatoren resultiert.
 48 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 176)

 24
 = ∗ = † vgl. (2.37) (2.52)

Ein Exemplar für einen solchen Operator ist die im weiteren Verlauf noch
vorkommende Hadamard-Matrix:

 1 1 1 (2.53)
 = ( )
 √2 1 −1
Weitere Beispiele hierfür sind die Paulimatrizen 49, welche bei der Beschreibung des
Spins eine wichtige Rolle spielen:

 0 1 0 − 1 0
 = ( ) ; = ( ) ; = ( )
 1 0 + 0 0 −1 (2.54)

Um die Selbstadjungiertheit rechnerisch zu verdeutlichen wird hier überprüft:

 0 − † 0 + 0 − 
 † = ( ) =( ) =( ) = (2.55)
 + 0 − 0 + 0

In Komponentenschreibweise bedeutet die Forderung (2.52)

 ∗ ∗ (2.56)
 =( )=( ∗ ) = † vgl. (2.37)
 ∗
Die Diagonalelemente müssen also reell sein und die Nebendiagonalelemente
zueinander komplex konjugiert:

 + 
 =( ) mit , , , ∈ ℝ
 − (2.57)

Allgemein folgt daraus mit (2.54):

 + − (2.58)
 = + ⋅ − ⋅ + 
 2 2
Die Bedeutung der Paulimatrizen liegt darin, dass sich JEDE selbstadjungierte Matrix
durch die Identität und diese 3 Matrizen ausdrücken lässt, so z.B.

 1
 = ( + ) (2.59)
 √2
Selbstadjugierte Operatoren besitzen reelle Eigenwerte. Dies wird in der linearen
Algebra in beliebigen Dimensionen bewiesen. Im hier betrachteten

49 (Kirkby, 2012, S. 319)

 25
zweidimensionalen Fall ist die Vorgehensweise wie folgt: die Eigenwerte werden
 aus den Nullstellen des charakteristischen Polynoms berechnet:

 | − ⋅ | = |( −∗ 
 )| = ( − )( − ) − ∗ = 0
 − 
 ⇔ 2 − ( + ) + − | |2 = 0
 2
 −( + ) −( + )
 ⇒ 1/2 = − ± √( ) − + | |2
 2 2
 (2.60)

 + 2 − 2 + 2 + ( − )2
 = ±√ + | |2 = ±√ + | |2
 2 4 2 4

 Der Ausdruck unter der Wurzel ist positiv definit und somit ist ein reeller Wert.

 Daher werden mit selbstadjungierten Operatoren physikalische Messgrößen
 dargestellt: die möglichen (postulierten, diskreten!) Messwerte dieser Größen
 50
 entsprechen den Eigenwerten der Matrizen . Diese Formulierung ist eine
 Vereinfachung von einem Postulat der Quantenmechanik bezüglich des
 Zusammenhangs von physikalischen Größen und selbstadjungierten (hermiteschen)
 Operatoren. Genauer formuliert lautet dies: „Jede messbare physikalische Größe
 wird durch einen in (=Hilbertraum) wirkenden hermiteschen 51 Operator A
 beschrieben; dieser Operator ist eine Observable (=beobachtbare Messgröße).
 Wird eine physikalische Größe gemessen, kann das Ergebnis nur einer der
 Eigenwerte der zugehörigen Observablen A sein52“

2.2.4.4 U NI TÄRE O P ERA TO REN

 Ein unitärer Operator „U“ besitzt folgende Eigenschaft53:

 † = † = ⇔ † = −1 (2.61)

 Wird ein solcher auf einen Zustand angewendet, bleibt die Länge
 (=Gesamtwahrscheinlichkeit) des Vektors erhalten 54. Auch hierfür ist die Hadamard-
 Matrix ein Beispiel:

 50 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 101)
 51 Selbstadjungierte Operatoren in endlich dimensionalen Vektorräumen heißen auch „hermitsch“.
 52 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 189)
 53 (Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 78)

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1 1 1 1 1 1 1 1+1 1−1 1 0
 † = † = ( ) ( )= ( )=( )
 √2 1 −1 √2 1 −1 2 1−1 1+1 0 1 (2.62)

 Für diese folgt nun, dass sie selbstadjungiert und unitär ist. Weitere Bespiele hierfür
 sind wiederum die Paulimatrizen und es wird erneut anhand von gezeigt, dass die
 Unitarität erfüllt ist:

 0 − 0 − 2
 † = ( )( ) = (0 − 0 + 0 ) = (1 0)
 + 0 + 0 0+0 − 2 + 0 0 1 (2.63)

 Diese Eigenschaft wird im weiteren Verlauf bei der Herleitung von Bauteilen noch
 verwendet werden.

 Hiermit haben wir den benötigten Formalismus zur Beschreibung eines wichtigen
 Experiments behandelt und können den eigentlichen Kern dieser Arbeit in Angriff
 nehmen.

2.3 M ACH -Z EHNDER -I NTERFEROMETER

 Bis jetzt wurden hier
 Experimente fast ausschließlich
 als Beispiele für theoretische
 Überlegungen und
 mathematische Eigenschaften
 verwendet. In diesem Abschnitt
 soll nun ein wichtiger
 experimenteller Aufbau
 thematisiert werden, welcher
 sowohl in der Wellenoptik als
 auch in der Quantenmechanik
 von Bedeutung ist: das Mach-
 55 A BBILDUNG 5: M ACH -Z EHNDER -I NT ERFEROMET ER
 Zehnder-Interferometer
 (=∶MZ-IF). Dieses besteht aus zwei baugleichen Strahlteilern und zwei Spiegeln. Die
 Anordnung der Bauteile ist in Abbildung 5 zu sehen. Klassisch betrachtet trifft eine

 54(Pade, Quantenmechanik zu Fuß: Band 1, 2012, S. 172)
 55Wie der Name „Interferometer“ vermuten lässt, bezeichnet dies ein Messinstrument (also wie z.B.
 ein Thermo-„meter“), in dem die Interfenz ausgenutzt wird um Abweichungen im Strahlengang zu
 messen (Längenveränderung, Phasenverschiebung,…)

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