Rationale für die Praxis - Deutsches Ärzteblatt

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Rationale für die Praxis - Deutsches Ärzteblatt
ANTIBIOTIKATHERAPIE (1)

Rationale für die Praxis
Im ambulanten Bereich können viele Infektionen mit Aminopenicillinen erfolgreich behandelt
werden. Die Verordnung von Antibiotika erfolgt zunehmend restriktiv.

                    ede antibiotische Therapie hat erhebliche und           Auch Pilzinfektionen nach einer antibiotischen The-
              J     auch lang anhaltende Auswirkungen auf die
              Zusammensetzung unseres individuellen Mikrobioms.
                                                                         rapie bedürfen häufig keiner zielgerichteten Therapie.
                                                                            Obwohl der trivalente Influenzaimpfstoff
              Dieses bietet als „gatekeeper“ Schutz vor der Koloni-      2017/2018 nicht optimal war, gehört die Grippe-
              sation von Haut und Schleimhäuten mit Pathogenen           schutzimpfung neben der Pneumokokkenimpfung
              und vermindert damit auch das Infektionsrisiko.            und der Pertussisimpfung – auch bei Erwachsenen –
                 Daher steht am Anfang des Entscheidungsprozesses        zu den wichtigsten Maßnahmen, um die Zahl von
              für die Auswahl eines Antibiotikums immer die Frage,       Antibiotikaverordnungen zu verringern.
              ob eine antibiotische Therapie                                In Tabelle 1 werden unzureichende Gründe für ei-
                 ● überhaupt notwendig ist,                              ne antibiotische Therapie zusammengefasst.
                 ● einen verlängerten Krankheitsverlauf abkürzen            Werden Antibiotika verordnet, geht der Trend heu-
                    kann oder gegebenenfalls sogar                       te zu kürzeren Behandlungszeiten als früher. Ta-
                 ● einen fatalen Verlauf zu verhindern vermag.           belle 2 zeigt Beispiele für Infektionen, bei denen ran-
                 Viele Daten weisen darauf hin, dass bei einer ganzen    domisierte Studien mindestens gleichwertige Ergeb-
              Reihe von Erkrankungen eine antibiotische Therapie         nisse trotz Therapieverkürzung gezeigt haben. Die
              keinen wesentlichen Einfluss auf den Krankheits-           meisten dieser Studien sind schon einige Jahre alt.
              verlauf hat: Hier sind an erster Stelle Atemwegsinfekte    Die Herausforderung besteht darin, die Ergebnisse
              zu nennen, die in der Regel viral ausgelöst sind (Aus-     flächendeckend in die Praxis umzusetzen. Auf diese
              nahme: Pneumonie). Aber auch bei akuter Otitis media,      Weise kann der Selektionsdruck auf das intestinale
              bei der akuten unkomplizierten Zystitis der Frau oder      Mikrobiom deutlich vermindert werden.
              bei den allermeisten Durchfallerkrankungen verkürzen          In Tabelle 2 und 3 werden gesicherte Indikationen
              Antibiotika die Erkrankung kaum oder verschlimmern         dargestellt und die Auswahl eines Antibiotikums unter-
              sie sogar durch die Kollateralschäden der Therapie.        stützt. Im Text werden die zur Verfügung stehenden
                 So lässt die Leitlinie zu den unkomplizierten Harn-     oralen Antibiotika steckbriefartig dargestellt. Die Do-
              wegsinfektionen aufgrund der Studienlage inzwischen        sisempfehlungen beziehen sich dabei auf normalge-
              eine symptomatische Therapie als Alternative zur An-       wichtige Patienten mit normaler Nieren- und Leber-
              tibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis zu (1).     funktion. CAVE: Antibiotika sind keine Antipyreti-
              Eine Antibiotikagabe bei asymptomatischer Bakteri-         ka oder Mukolytika!
              urie sollte von seltenen Ausnahmen abgesehen ohne-
              hin der Vergangenheit angehören. Lediglich die akute       Oral einsetzbare Antibiotika
              Pyelonephritis gilt weiter als klare Indikation für eine   Penicillin V: Mittel der Wahl bei Tonsillitis (sofern
              Antibiotikatherapie.                                       eine antibiotische Therapie indiziert ist, Tabelle 2)

8                                                    Perspektiven der Infektiologie & Immunologie 2019 | Deutsches Ärzteblatt
Tagesdosis: 3- bis 4-mal 1,5 g Penicillin V, in der
                                                                                   Regel nicht länger als 5–7 Tage.
                                                                                      Aminopenicilline: Aminopenicilline sind die An-
                                                                                   tibiotika der ersten Wahl für die meisten ambulant zu
                                                                                   behandelnden Infektionen mit Ausnahme von Darm-
                                                                                   und Harnwegsinfekten. Amoxicillin bleibt bei unver-
                                                                                   ändert guter Empfindlichkeit der Pneumokokken (4)
                                                                                   Mittel der Wahl bei der ambulant erworbenen Pneu-
                                                                                   monie und – bei vorhandener Indikation – anderen
                                                                                   Atemwegsinfektionen. Große Tabletten können
                                                                                   schwer zu schlucken sein (ggf. Saft verwenden).
                                      Foto: Fhroni iStock                          Tagesdosis von Amoxicillin ist 3-mal 1 g/d.
                                                                                      Kombinationspräparate mit Betalaktamaseinhibi-
                                                                                   toren wie Ampicillin/Sulbactam (Sultamicillin) oder
                                                                                   Amoxicillin/Clavulansäure (Coamoxiclav) sind nur
                                                                                   dann sinnvoll, wenn Betalaktamase bildende Erreger
und bei Erysipel. Die wichtigste Kontraindikation ist                              wie Staphylokokken oder gramnegative Enterobak-
die Allergie. Hierbei muss beachtet werden, dass nur                               terien eine Rolle spielen: Hierzu gehören Haut/
circa 1 % der Patienten, die eine Penicillinallergie                               Weichteilinfektionen und nosokomiale Infektionen –
angeben, tatsächlich auf eine Reexposition aller-                                  zum Beispiel eine Pneumonie in den ersten 3 Mona-
gisch reagieren würden (2).                                                        ten nach Krankenhausaufenthalt.
   Viele Hautausschläge unter Penicillin sind entwe-                                  Dosierung von Coamoxiclav: 2- bis 3-mal
der toxisch bedingt (z. B. Aminopenicillin nach mehr                               (> 70 kg) 1 g täglich über 5 bis maximal 7 Tage. Das
als 7 Tagen Therapie) oder auf die Grunderkrankung                                 erhöhte Hepatotoxizitätsrisiko der Clavulansäure ist
zurückzuführen (z. B. Hautauschlag im Rahmen ei-                                   zu beachten.
ner Penicillingabe bei Mononukleose). Von daher ist                                   Makrolide: Makrolide sind in der Regel gut ver-
eine genaue Anamnese vor Gabe, aber auch bei ei-                                   träglich. Durch den Einsatz insbesondere bei der Era-
nem Verzicht auf eine Gabe und Ausweichen auf ein                                  dikation von Helicobacter pylori ist die Resistenzla-
Reserveantibiotikum notwendig.                                                     ge zunehmend schwierig. Makrolide verlängern oft
   In den meisten Fällen dürfte ein Einsatz von Peni-                              die QT-Zeit, sodass der Einsatz bei kardialer Begleit-
cillin auch dann möglich sein, wenn der Patient eine                               erkrankung oder bei Einsatz von weiteren Medika-
Allergie gegen diese Medikamentengruppe angibt.                                    menten mit dieser Nebenwirkung sorgsam kontrol-
Ausnahmen von dieser Regel sind selbstverständlich                                 liert oder vermieden werden muss. Daten aus großen
Anaphylaxien und ein schweres Hautexanthem wie                                     Registern zeigten eine erhöhte Sterblichkeit unter
z. B. ein Lyell-Syndrom.                                                           Azithromycin im Vergleich zu Amoxicillin (5). Aus
   Wichtig ist auch der Hinweis, dass eine Kreuzal-                                der CLARICOR-Studie gibt es Langzeitergebnisse
lergie zwischen Penicillinen und Cephalosporinen                                   zu Clarithromycin mit einer über Jahre nach Anwen-
sehr unwahrscheinlich ist (3).                                                     dung nachweisbar erhöhten Sterblichkeit (6).

  TABELLE 1

  Unzureichende Gründe für eine antibiotische Therapie

   Unzureichende Gründe                                     Gegenargumente und alternative Lösungen
   Irgendetwas muss man ja tun                              Viele Patienten lassen sich im Gespräch davon überzeugen, dass weniger manchmal
                                                            mehr ist
   Meine Patienten fordern und erwarten                     Viele Patienten erwarten auch eine Krankschreibung oder die Verordnung von
   ein Rezept über ein Antibiotikum                         Cannabis, was wir oft mit guten Gründen verweigern
   „Zur Sicherheit“, um keinen                              Das Risiko für eine bakterielle Infektion wird ganz wesentlich von der Grundkrankheit
   bakteriellen Infekt zu übersehen                         beeinflusst; es gibt keine Hinweise, dass ein initialer Verzicht auf eine antibiotische
                                                            Therapie beim ansonsten jungen und gesunden Patienten das Risiko eines schweren
                                                            Verlaufes erhöht. Hilfreich ist im Zweifelsfall die Vereinbarung einer umgehenden Wie-
                                                            dervorstellung/Telefonkontakt bei Verschlechterung und/oder die Abnahme eines Bio-
                                                            markers (CRP oder PCT) und Mitgabe eines On-demand-Rezeptes zur Einlösung,
                                                            falls das Laborergebnis einen bakteriellen Infekt wahrscheinlich macht
   „Da müssen wir Sie breit                                 Mal davon abgesehen, dass „Abdecker“ im Mittelalter Scharfrichter waren, ist dieser
   antibiotisch abdecken“                                   Ansatz bei einem Keimbesatz von circa 1013 Bakterien pro Milliliter in den meisten
                                                            Körperregionen eine Illusion
   „Das Nasensekret ist eitrig“                             Eine gelbe oder grünliche Verfärbung von Sekreten ist auf die in neutrophilen Granulo-
                                                            zyten enthaltene Myeloperoxidase zurückzuführen und damit keinesfalls spezifisch für
                                                            eine bakterielle Infektion

Perspektiven der Infektiologie & Immunologie 2019 | Deutsches Ärzteblatt                                                                              9
TABELLE 2

  Therapiedauer bei ambulant erworbenen Infektionen mit mildem bis moderatem Verlauf in der Praxis

     Indikation           Therapie heute                  Therapie klassisch                   Literatur
     CAP                  5–7 Tage                        7–10 Tage                            Ewig 2016 (10)
     Pyelonephritis       7 Tage                          10–14 Tage                           Sandberg 2012 (11)
     IAI                  5 Tage                          7–14 Tage                            Sawyer 2015 (12)
     Osteomyelitis        6 Wochen                        12 Wochen                            Bernard 2015 (13)

                                                             CAP: „community acquired pneumonia“, IAI: „acute intraabdominal infection“

   Die Tagesdosis von Clarithromycin beträgt 2-mal              Aktuelle Daten geben zudem Hinweise auf eine
500 mg, die Therapiedauer üblicherweise 5 Tage.              Assoziation zu Aortendissektionen, die möglicher-
   Azithromycin ist aufgrund seiner langen Halbwert-         weise ebenfalls auf Interaktionen der Substanzgrup-
zeit (verbunden mit einer langen Phase von subinhibi-        pe mit dem Bindegewebsstoffwechsel beruht; diese
torischen Spiegeln, die eine Resistenzentwicklung ver-       Beobachtungen haben zu erneuten Informationen
stärken könnte) nicht unumstritten. Roxithromycin ist        seitens der FDA geführt (7).
gegen Hämophilus influenzae nicht wirksam.                      Fosfomycin-Trometamol: Fosfomycin wirkt bak-
   Azithromycin wird mit 1-mal 500 mg täglich über           terizid und verhindert den enzymatischen Aufbau der
3 Tage dosiert.                                              Bakterienzellwand auf einer frühen Stufe der Biosyn-
   Orale Cephalosporine: Durch die gute Verträg-             these im Vergleich zu Betalaktamantibiotika. Fosfo-
lichkeit und Wirksamkeit der i.v.-Gabe haben Cepha-          mycin hat ein breites Wirkspektrum, das grampositi-
losporine ungerechtfertigterweise auch im ambulan-           ve Aerobier (z. B. Staphylococcus aureus, Strepto-
ten Bereich einen guten Ruf.                                 coccus pneumoniae), gramnegative Aerobier (z. B.
   Bei oraler Gabe ist allerdings die Bioverfügbarkeit       Escherichia coli, Haemophilus influenzae, Klebsiella
häufig eingeschränkt (bei Cefuroxim-Axetil z. B. nur         oxytoca) und Anaerobier umfasst.
ca. 20 %), der nicht resorbierte Anteil sorgt für eine          Die Bioverfügbarkeit von Fosfomycin-Trometa-
erhebliche Beeinträchtigung der Darmflora. Cepha-            mol beträgt etwa 30–50 %. Die Substanz hat ein sehr
losporine gelten als Treiber für Clostridium-difficile-      kleines Molekulargewicht. Im Urin werden hohe
Infektionen und eine MRSA-Kolonisation.                      Spiegel erzielt.
   Orale Cephalosporine sind aus unserer Sicht weit-            Fosfomycin-Trometamol als Einzeittherapie gilt
gehend verzichtbar, ihr Einsatz sollte nur in Ausnah-        als ein Mittel der Wahl bei unkomplizierten Harn-
mefällen erfolgen.                                           wegsinfektionen (1). Aufgrund des breiten Spek-
   Fluorchinolone: Diese Substanzgruppe ist ein gu-          trums ist der orale Einsatz bei „banalen“ Infektionen
tes Beispiel, wie Antibiotika durch einen unselektier-       umstritten, zumal Rezidive wohl aufgrund der Ein-
ten und häufig nicht indizierten Einsatz „verbrannt“         malgabe nicht selten sind. Allerdings sind die in den
werden können. Zunehmende Resistenzen im Bereich             Leitlinien empfohlenen Alternativen Nitrofurantoin
von 20–30 % machen den Einsatz bei Harnwegsin-               und Trimetoprim als Monosubstanz auch mit jeweils
fekten im Krankenhaus zum Lotteriespiel.                     eigenen Problemen behaftet.
   Bei Atemwegsinfektionen sind insbesondere Chi-
nolone der 1. und 2. Generation wie Ciprofloxacin            „Alte“ Antibiotika
aufgrund der ausgeprägten Pneumokokkenschwäche               Tetrazykline haben in den letzten Jahren aufgrund
nur bei besonderer Indikation (z. B. bei nachgewiese-        der stabilen Resistenzlage im ambulanten Bereich
ner Pseudomonasinfektion) einzusetzen.                       zu Recht eine Renaissance erlebt. Neue Vertreter
   Chinolone der 3. und 4. Generation weisen ein für         der Substanzgruppe mit verbessertem Schutz ge-
die meisten ambulanten Infektionen zu breites Spek-          gen Resistenzen im grampositiven Bereich befin-
trum auf und gelten zu Recht als Reserveantibiotika.         den sich in Entwicklung beziehungsweise vor der
   Unerwünschte Wirkungen sind ein wichtiges Thema           Zulassung.
bei der Verordnung von Chinolonen: Warnungen der                Omadacyclin wurde kürzlich in einer randomisier-
Arzneimittelbehörden vor dem Einsatz bei unkompli-           ten Studie bei ambulant erworbener Pneumonie als
zierten Atemwegsinfektionen wurden wegen der Hepa-           gleichwertig mit Moxifloxacin getestet (8). Die Pho-
totoxizität schon früher herausgegeben. QT-Verlänge-         totoxizität ist abhängig von der Jahreszeit und auf-
rungen sind in ähnlichem Umfang wie bei den Makroli-         klärungspflichtig, häufiger sind Leberschäden.
den bekannt. Ein weiteres Problem ist das Risiko einer          Die Dosis von Doxycyclin beträgt 100 mg (bei
Tendopathie bis hin zum Achillessehnenriss: Diese „ty-       > 70 kg 200 mg) 1-mal täglich, eine Höherdosierung
pische“ Nebenwirkung ist aufklärungspflichtig, nach          am ersten Behandlungstag ist sinnvoll.
Aufklärung werden viele Patienten eine Einnahme ver-            Cotrimoxazol wirkt ausgezeichnet gegen Sta-
weigern oder nach Alternativen fragen.                       phylokokken inklusive MRSA.

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TABELLE 3

  Auswahl gesicherter Indikationen für einen Antibiotikaeinsatz im ambulanten Bereich (Substanzauswahl)

     Indikation                           Substanzauswahl
     Lungenentzündung                     Mittel der ersten Wahl sind Aminopenicilline. Alternativ können Tetrazykline bei mittlerwei-
                                          le wieder guter Resistenzlage eingesetzt werden, die sich in der gleichen Größenordnung
                                          wie bei den Makroliden bewegt. Nicht verwendet werden sollten orale Cephalosporine
                                          (unzureichende Bioverfügbarkeit) und Chinolone der 1. und 2. Generation (Pneumokok-
                                          kenschwäche)

     Infektexazerbation einer chronisch   Aminopenicilline, alternative Tetrazykline, Chinolone
     obstruktiven Lungenerkrankung
     (COPD, nur bei purulentem Spu-
     tum oder erhöhten Biomarkern)

     Harnwegsinfekt                       Mittel der Wahl sind Fosfomycin-Trometamol als Einzeittherapie beim unkomplizierten Harn-
                                          wegsinfekt, Nitrofurantoin über 5 Tage. Trimethoprim wird bei lokaler Resistenz < 20 % empfoh-
                                          len. Chinolone sollten als Reservepräparate und aufgrund des Nebenwirkungsspektrums nur bei
                                          Pyelonephritis oder komplizierten Harnwegsinfektionen eingesetzt werden

     Postoperative Prophylaxe             Für viele Eingriffe gesicherte Indikation, jedoch in aller Regel als Einzelgabe („single-shot“)
                                          und nicht als fortgesetzte Prophylaxe
     Postoperative Wundinfektionen        In der Regel durch Staphylokokken ausgelöst. Mittel der Wahl sind Aminopenicilline mit
                                          Betalaktamaseinhibitor wie Ampicillin/Sulbactam oder Coamoxiclav. Cotrimoxazol hat sich
                                          als ausgezeichnetes Staphylokokkenmittel erwiesen. Nicht verwendet werden sollten orale
                                          Cephalosporine

     Erysipel                             Mittel der Wahl ist Penicillin V oder ein Aminopenicillin in jeweils ausreichend hoher Dosie-
                                          rung, nur bei gesicherter Allergie Clindamycin oder Makrolid
     Tonsillitis                          Nur bei gesicherter Infektion durch Streptokokken der Gruppe A, bei Scharlach, bei rheuma-
                                          tischem Fieber in der Vorgeschichte und bei schwerer Erkrankung. Mittel der Wahl ist Peni-
                                          cillin V, bei Allergie z. B. Makrolid
     Bakterielle Sinusitis                Mittel der Wahl ist ein Aminopenicillin, alternativ Makrolid oder Clindamycin
     Akute Otitis media                   Nur bei Kindern < 2 Jahren mit ausgeprägten Krankheitszeichen oder Progress unter Beob-
                                          achtung: Aminopenicillin

   Der Einsatz bei Harnwegsinfektionen ist durch                        Fazit
die Resistenzlage limitiert; allerdings sind die Daten                  ● Die    Verordnung von Antibiotika erfolgt zuneh-
im ambulanten Bereich nicht einheitlich und weisen                          mend restriktiv.
auf niedrigere Resistenzraten hin (9).                                  ●   Im ambulanten Bereich können viele Infektionen mit
   Nitrofurantoin ist ein effektives Hohlraumantibio-                       Aminopenicillinen erfolgreich behandelt werden.
tikum für die Harnwege. Die Standarddosis beträgt                       ●   Penicillinallergien sind viel seltener als von den
2-mal 100 mg täglich über 5 Tage.                                           Patienten angegeben.
   Ernste unerwünschte Wirkungen wie Pneumonitis,                       ●   Neben dem verantwortungsvollen und bedachten
cholestatische Hepatitis und Überempfindlichkeits-                          Einsatz dieser potenziell lebensrettenden Medika-
reaktionen sind zu beachten.                                                mente beim Menschen bedarf auch der Einsatz
                                                                            von Antibiotika in der Tiermedizin einer strengen
Einsatz von „Schein-Antibiotika“                                            Kontrolle und einer drastischen Reduktion.       ▄
In dem Dilemma, von einer nichtbakteriellen Genese                      DOI: 10.3238/PersInfek.2019.07.22.02
eines Infektes auszugehen und damit kein „richtiges“
Antibiotikum verordnen zu wollen, gleichzeitig aber                                                                     Prof. Dr. med. Jörg Braun
dem Leidensdruck des Patienten durch eine Medika-                                           Ärztlicher Direktor der Klinik Manhagen, Großhansdorf
mentenverordnung gerecht werden zu wollen, wer-                                                                      Prof. Dr. med. Klaus Dalhoff
den Arzneimittel eingesetzt, deren antibiotische Wir-                          Ehem. stellv. Direktor Medizinische Klinik III, UKSH Campus Lübeck
kung überwiegend auf In-vitro-Daten beruht.
   Ein Beispiel hierfür ist Umckaloabo-Saft®. Dieser
dürfte in den bei Menschen einsetzbaren Konzentratio-                   Interessenkonflikt: Prof. Braun erklärt, dass kein Interessenkonflikt be-
                                                                        steht. Prof. Dalhoff erhielt Vortragshonorare und Reisekostenerstattungen
nen keinen wesentlichen antibiotischen Effekt haben,                    von der Firma Bayer Vital.
besitzt aber durchaus das Potenzial für schwere Neben-
wirkungen (enthält Cumarine und Alkohol, Nebenwir-
kungen: z. B. Hautausschlag, Leberversagen). Solche                     Literatur im Internet:
Medikamente sollten daher nicht verordnet werden.                       www.aerzteblatt.de/lit2919

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ANTIBIOTIKATHERAPIE (1)

Rationale für die Praxis
Im ambulanten Bereich können viele Infektionen mit Aminopenicillinen erfolgreich behandelt
werden. Die Verordnung von Antibiotika erfolgt zunehmend restriktiv.

              LITERATUR
               1. Deutsche Gesellschaft für Urologie: Interdisziplinäre S3 Leitlinie:
                  Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Manage-
                  ment unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harn-
                  wegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Aktualisierung
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                  women with acute pyelonephritis: a randomized, open-label and
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              12. Sawyer RG, Claridge JA, Nathens AB, et al.: Trial of short-course
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5                                                                Perspektiven der Infektiologie & Immunologie 2019 | Deutsches Ärzteblatt
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