Rauchen kostet Zähne Tabakentwöhnung in der zahnärztlichen Praxis

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Wissenschaft und Fortbildung                BZB Juli/August 12           61

              Rauchen kostet Zähne
              Tabakentwöhnung in der zahnärztlichen Praxis
              E i n B e i t r a g v o n D r. m e d . d e n t . H o l g e r G e h r i g M . S c . , K a n d e l , u n d D r. m e d . A n d r e a s J ä h n e , F r e i b u r g

              Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungs-
              zentrums aus dem Jahr 2009 waren im Jahr 2006
              30 Prozent der erwachsenen Deutschen Raucher.
              Gerade in der Mundhöhle sind die Auswirkungen
              des Rauchens – von Zahnverfärbungen und
              Mundschleimhauterkrankungen bis zu Parodon-
              titis und Periimplantitis – deutlich sichtbar und
              die Behandlungskonsequenzen unmittelbar. Der
              Zahnarzt sieht seine Patienten regelmäßig und
              ist daher prädestiniert, eine Tabakberatung und
              -entwöhnung durchzuführen. Mithilfe einer struk-
              turierten Therapie und konkreten Anleitungen zur
              Gesprächsführung kann dies einfach und zeiteffek-
              tiv gelingen.

              Tabakinduzierte Erkrankungen
              Tabakrauch gilt als wichtigster ätiologischer Fak-
              tor für die Entwicklung der chronisch-obstruktiven                       Abb. 2a und b: Tiefe Zahnfleischtaschen bei Parodontitis
              Lungenerkrankung und von Lungenkrebs sowie
              als wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung der                     allem bei Rauchern auf und gilt als Krebsvorstufe.
              koronaren Herzkrankheit, von Schlaganfall und                            Die Abbildung 1 zeigt eine histologisch gesicherte
              von verschiedenen Krebsarten (Fagerström 2002,                           Leukoplakie am weichen Gaumen eines starken
              U.S. Department of Health and Human Services                             Rauchers.
              2004). Tabakkonsum schädigt auch die Mund- und
              Zahngesundheit auf vielfältige Weise. Weitläufig                         Rauchen und Parodontalerkrankungen
              bekannt sind die direkten Folgen des Tabakrauchs                         Tabakkonsum gilt aber auch als signifikanter Risiko-
              auf die Mundschleimhaut, wie Krebs in der Mund-                          faktor für die Entstehung und das Fortschreiten ei-
              höhle und im Rachen. Typische Veränderungen der                          ner Parodontitis (Laxman und Annaji 2008, Rivera-
              Mundschleimhaut sind auch Pigmentierungen, ent-                          Hidalgo 2003) (Abb. 2a und b). Die Odds Ratio für
              zündliche Veränderungen und Keratinisierungs-                            die Entwicklung einer chronischen Parodontitis be-
              störungen (Bengel 2003). Die Leukoplakie tritt vor                       trägt dabei nach einer Metaanalyse von Papapa-
                                                                                       nou (1996) 2,82. Dies bedeutet, dass die Chance,
                                                                                       eine chronische Parodontitis zu entwickeln, bei Rau-
                                                                                       chern fast dreimal so hoch ist wie bei Nichtrau-
                                                                                       chern (Abb. 3a). Stärkere Raucher (> 10 Zigaretten
                                                                                       pro Tag) tragen ein noch höheres Risiko (Tonetti
                                                                                       1998). Aber auch das Passivrauchen birgt ein er-
                                                                                       höhtes Risiko für die Etablierung einer chronischen
                                                                                       Parodontitis (Nishida et al. 2006). Raucher mit ei-
                                                                                       nem Il-1 Polymorphismus weisen deutlich größere
                                                                                       Attachmentverluste und Sulkussondierungstiefen auf
                                                                                       (McGuire und Nunn 1999). Im Vergleich zu Nicht-
                                                                                       rauchern findet man bei Rauchern mit Parodonti-
                                                                                       tis reduzierte klinische Entzündungszeichen (Haffa-
Abb. 1: Leukoplakie am weichen Gaumen eines starken Rauchers                           jee und Socransky 2001). Daher sind bei Rauchern
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          die Alarmzeichen einer beginnenden Parodonti-
          tis, wie Zahnfleischbluten, geringer ausgeprägt
          als bei Nichtrauchern. Dieses Phänomen wird von
          rauchenden Patienten häufig fehlinterpretiert.

          Rauchen und Periimplantitis
          Auch an einem Implantat kann es wie bei einem
          natürlichen Zahn zu einer Entzündung der umge-
          benden Gewebe kommen. Bei der Periimplantitis
          ist auch der ortsständige Knochen betroffen, was        Abb. 3a und b: Knochenabbau bei Parodontitis und Periimplantitis
          zu einem kompletten Verlust des für den Patien-
          ten kostenintensiven Implantates führen kann. Ta-       Tabakentwöhnung – eine Aufgabe des zahn-
          bakkonsum gilt als signifikanter Risikofaktor für       ärztlichen Teams
          die Entstehung einer Periimplantitis (Heitz-May-        Um das Problem der tabakassoziierten Erkrankun-
          field 2008). Die Abbildung 3b zeigt zwei schon ge-      gen mit all ihren Folgen zu bekämpfen, beschlossen
          lockerte Implantate bei einem starken Raucher mit       die Mitgliedsstaaten der WHO im Jahr 2003 ein-
          einem für eine Periimplantitis typischen Knochen-       stimmig eine Rahmenkonvention zur Tabakkon-
          abbau.                                                  trolle (Framework Convention on Tobacco Control,
                                                                  WHO 2004). Im Jahr 2004 ratifizierte Deutschland
          Negativer Einfluss des Rauchens auf die Therapie        diese Konvention, sie trat 2005 in Kraft (Bätzing
          Auch Raucher profitieren von einer nicht chirurgi-      2009). Für den zahnmedizinischen Bereich ist der
          schen oder chirurgischen Therapie der Parodon-          Artikel 14 der Konvention von Bedeutung (Ayo-Yu-
          titis. Nach Johnson und Guthmiller (2007) sind al-      suf 2005). Danach sollten von den Vertragsparteien
          lerdings die Verbesserungen der klinischen Para-        Angebote zur Tabakentwöhnung in die nationalen
          meter um 25 bis 50 Prozent schlechter als bei           Gesundheitsprogramme aufgenommen werden.
          Nichtrauchern. Es gibt deutliche Hinweise, dass         Auf europäischer Ebene gab es bereits im Jahr 1997
          bei Rauchern signifikant mehr Frühverluste bei          eine Konsensuskonferenz der „EU-Working Group
          Implantaten auftreten. Grund hierfür scheint die        on Tobacco and Oral Health“ in Kopenhagen (Le-
          mangelhafte oder fehlende Osseointegration zu           garth und Reibel 1998). Ein Ziel war, dass europäi-
          sein (Palma-Carrio et al. 2011). Zudem kann es bei      schen Zahnärzten ihre Rolle in der Prävention und
          Rauchern nach Zahnextraktionen und zahnärztli-          Therapie tabakinduzierter Erkrankungen bewusst
          chen chirurgischen Routineeingriffen zu einer ver-      gemacht werden sollte. Dabei wurde auch auf die
          zögerten Wundheilung kommen (Balaji 2008).              Bedeutung der Rauchstoppberatung durch Zahn-
                                                                  ärzte hingewiesen.
          Nutzen eines Rauchstopps                                In Deutschland gab der Drogen- und Suchtrat im
          In einer prospektiven Studie untersuchten Preshaw       Jahr 2008 Empfehlungen an die Drogenbeauftragte
          et al. (2005) den Effekt eines Rauchstopps auf die      der Bundesregierung für ein „Nationales Aktions-
          nicht chirurgische Parodontitistherapie über einen      programm zur Tabakprävention“. Darin enthalten
          Zeitraum von zwölf Monaten. Im Vergleich zu Pa-         war die Strategieempfehlung, dass die Ärzteschaft
          tienten mit chronischer Parodontitis, die rauchten      zur „systematischen Beratung und (Kurz-)Interven-
          oder intermittierende „Aufhörer“ waren, wurde bei       tion zur Raucherberatung“ qualifiziert werden sollte.
          Patienten nach einem Rauchstopp ein statistisch         Die Bundeszahnärztekammer formulierte im Jahr
          signifikant größerer Rückgang der Taschentiefen         2004 „Mundgesundheitsziele für Deutschland –
          festgestellt. Es gibt somit hinreichend Evidenz, dass   2020“, die auf den „Global Goals for Oral Health“
          Rauchen mit Parodontalerkrankungen assoziiert           der FDI aus dem Jahr 2003 basierten (Hobdell et al.
          ist. Ein Rauchstopp führt nach Hilgers und Kinane       2003). Zahnärzte sollten dabei die Patienten auch
          (2004) zu einer Verbesserung der allgemeinen und        über die Folgen des Rauchens aufklären und eine
          der parodontalen Gesundheit. Zahnärzte sollten          Beratung zur Raucherentwöhnung anbieten.
          daher ihre Patienten über die Folgen des Rauchens       Im Jahr 2008 wurde ein erneutes „Konsensusdoku-
          und den Nutzen eines Rauchstopps aufklären und,         ment des 2. Europäischen Workshops über die Prä-
          wenn möglich, eine Beratung zur Rauchentwöh-            vention und den Ausstieg aus dem Tabakkonsum
          nung anbieten.                                          für das zahnmedizinische Praxisteam“ verabschie-
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det (Ramseier et al. 2010). Dabei wurde festgestellt,   als fünf Prozent der Fälle für die nächsten zwölf Mo-
dass das zahnärztliche Team bei der Hilfe zur Tabak-    nate erfolgreich (Andreas et al. 2006). Schon der
entwöhnung gegenüber rauchenden Patienten in            ärztliche Rat, mit dem Rauchen aufzuhören, be-
der Verantwortung steht. Gleichzeitig wurde gefor-      sitzt nach neueren Studienergebnissen eine wich-
dert, dass Kenntnisse in der Tabakentwöhnung in         tige Initialwirkung für die Rauchstoppmotivation
die Ausbildung der zahnärztlichen Fachkräfte inte-      und die tatsächliche Rauchabstinenz der Patienten
griert werden sollen. Im Jahr 2009 wurde auf dem        (Mäkinen und Alenius 2010, Stead et al. 2007).
„1st European workshop on periodontal education“
in zwei Konsensuspapieren gefordert, dass Raucher-      Der Zahnarzt als Therapeut?
entwöhnung sowohl im klinischen (Sanz und Meyle         Obwohl 84 Prozent der deutschen Zahnärzte Rau-
2010) als auch im postgraduiertem Studium (Van          cherberatung für „sehr wichtig oder wichtig“ halten,
der Velden und Sanz 2010) gelehrt werden soll.          gibt es bisher verschiedene Hindernisse wie Zeit-
                                                        mangel und fehlende Kenntnisse, um eine Raucher-
Verantwortung der Zahnärzte                             entwöhnungstherapie anzubieten (Gehrig 2010).
Die Patienten gehen überwiegend regelmäßig zum          Um diese Barrieren für die Durchführung von Rau-
Zahnarzt. Aus diesem Grund ist das zahnärztliche        cherentwöhnungen zu beseitigen, haben wir eine
Team prädestiniert, eine Beratung zum Tabakkon-         einfache und effektive Basistherapie zur Tabakent-
sum und zur Tabakentwöhnung durchzuführen               wöhnung entwickelt. Sie ermöglicht es Zahnärzten,
(Micheelis und Reiter 2006, Casals Peidró et al.        mit einem relativ geringen Zeitaufwand aufhörwil-
2008, Tomar 2001, Gehrig 2010). In einer bundes-        ligen Rauchern den Ausstieg aus der Sucht zu er-
weiten Umfrage unter 1127 niedergelassenen Zahn-        leichtern.
ärzten wurde festgestellt, dass die Zahnärzte sich      Eine genaue Anleitung zu dieser Therapie mit Bei-
zu einem großen Teil ihrer Verantwortung bei der        spielen zur Gesprächsführung und Arbeitsmate-
Tabakberatung und -entwöhnung ihrer Patienten           rialien für Arzt und Patient findet sich in „Einfach
bewusst sind (Gehrig 2010). Bisher wird aber rou-       Erfolgreich Rauchfrei – Ein Leitfaden für die zahn-
tinemäßig in deutschen Zahnarztpraxen weder ei-         ärztliche Praxis. Tabakentwöhnung in einfachen
ne Raucheranamnese noch eine Raucherberatung            Schritten“. Im Folgenden wird die Therapie im
oder -entwöhnung durchgeführt. Die Umfrage ergab        Detail vorgestellt.
aber eine große Bereitschaft für eine entsprechende
Weiterbildung. Die Universität Freiburg setzte ent-     Das Konzept: Einfach, erfolgreich, rauchfrei
sprechende Forderungen bereits um und hat im            Unser Therapieansatz beruht auf einer einfachen,
Masterstudiengang „Parodontologie und Periim-           strukturierten Beratung durch den Zahnarzt in
plantäre Therapie“ einen Kurs mit dem im Folgen-        Kombination mit medikamentöser Unterstützung.
den beschriebenen Konzept zur strukturierten Ta-        Diese Kombination bekämpft die psychische und
bakentwöhnung integriert. Eine Vorlesung zu die-        körperliche Abhängigkeit gleichermaßen und wird
sem Thema gibt es für die Freiburger Studierenden       derzeit als die effektivste Therapie in der Tabak-
der Zahnheilkunde im zweiten klinischen Semester.       entwöhnung angesehen (Fiore et al. 2008).
                                                        Die Therapiedauer beträgt etwa drei Monate. In
Tabakabhängige Patienten benötigen Hilfe                diesem Zeitraum, der die kritischen Phasen der
Etwa die Hälfte der Raucher ist anhand klinischer       Vorbereitung, Entwöhnung und Stabilisierung ab-
Kriterien tabakabhängig (Hughes et al. 2006), die       deckt, werden bis zu fünf kurze Beratungstermine
Abhängigkeit ist körperlich und psychisch. Ob-          durchgeführt. Diese enthalten ein vorbereitendes
wohl die überwältigende Mehrheit der Raucher (80        Gespräch, drei feste Kontrolltermine sowie ein Ab-
bis 90 %) prinzipiell das Rauchen aufgeben oder         schlussgespräch (Abb. 4). Bei Problemen oder Rück-
zumindest ihren Zigarettenkonsum reduzieren will        fallgefahr wird der Patient aufgefordert, von sich
(Andreas et al. 2006), ist aufgrund der Abhängig-       aus den Arzt zu kontaktieren. Gemäß einer Meta-
keitsentwicklung nur eine Minderheit der Raucher        analyse zur Effektivität von Beratungsintensität
in der Lage, das Rauchen langfristig aufzugeben         und -frequenz, erhöhen bereits zwei bis drei kurze
(Breitling et al. 2009). Etwa 30 Prozent der Raucher    Gespräche mit dem Patienten die Abstinenzrate
unternehmen innerhalb eines Jahres mindestens ei-       deutlich (Fiore 2008).
nen ernsthaften Versuch, das Rauchen einzustellen.      Die medikamentöse Unterstützung erfolgt durch the-
Dieser ist ohne Unterstützung allerdings in weniger     rapeutisches Nikotin. Durch die ausreichend hoch
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                                                                                    in Angriff genommen werden. Durch drei einfache
                                                                                    Screening-Fragen können unter allen rauchenden
                                                                                    Patienten diejenigen mit hoher Aufhörmotivation
                                                                                    identifiziert werden. Die Fragen und mögliche Re-
                                                                                    aktionen der Patienten sind in Abbildung 5 darge-
                                                                                    stellt.

                                                                                    Die Beratung: Mitarbeiter einbeziehen
                                                                                    Ziel der Beratung ist es, den Patienten durch kurze
                                                                                    Interventionen auf den Rauchstopp vorzubereiten,
Abb. 4: Therapieschema „Einfach erfolgreich rauchfrei“: Die kritische Zeit in der   den Entwöhnungsprozess zu unterstützen und die
Tabakentwöhnung wird durch bis zu fünf kurze Termine abgedeckt.                     erreichte Rauchfreiheit dauerhaft zu stabilisieren
                                                                                    (Tab. 1). Die einzelnen Therapieschritte sind in
                dosierte Nikotinsubstitution während der etwa drei-                 unserem Leitfaden strukturiert aufbereitet und mit
                monatigen Entwöhnungsphase werden nach dem                          konkreten Gesprächsempfehlungen hinterlegt. Die
                Rauchstopp Entzugssymptome und Rauchverlan-                         Gespräche führt der Zahnarzt oder ins Programm
                gen wirksam reduziert. Die Nikotinersatztherapie                    eingewiesene Mitarbeiter. Die Kontrollen können
                gilt als effizient und sicher (Andreas et al. 2009,                 auch telefonisch erfolgen.
                AWMF 2004, Fiore et al. 2008, Stead et al. 2008). Als               Das erste Therapiegespräch dient der Planung des
                Basismedikation dient das Nikotinpflaster, das ge-                  Rauchstopps. Wir arbeiten mit der Schlusspunkt-
                mäß bisherigem Rauchkonsum dosiert wird. Bei                        methode. Das heißt, dass der erste rauchfreie Tag
                hohem Rauchkonsum oder starken Entzugssymp-                         innerhalb der nächsten zwei Wochen festgesetzt
                tomen beim letzten Rauchstoppversuch können                         wird. Um dem Patienten die Angst vor Entzugs-
                zusätzlich zum Nikotinpflaster auch schneller wir-                  erscheinungen zu nehmen, ist neben der Verstär-
                kende Nikotinpräparate (Kaugummi, Lutschtab-                        kung der Motivation zum Rauchstopp die Verord-
                lette oder Inhaler) eingesetzt werden. Alle Nikotin-                nung und Anwendung der begleitenden Medika-
                präparate sind rezeptfrei erhältlich. Trotzdem emp-                 tion ein wichtiges Ziel für dieses wenige Minuten
                fehlen wir dringend eine Verordnung auf zum Bei-                    dauernde Gespräch.
                spiel privatärztlichem Rezept, was die Compliance                   Nach dem Rauchstopp sind in der einmonatigen
                wesentlich erhöht.                                                  Entwöhnungsphase drei begleitende Kontrollter-
                Einfache Entscheidungshilfen im Leitfaden ermög-                    mine (3, 14 und 28 Tage nach Rauchstopp) vorge-
                lichen es dem Zahnarzt, schnell die individuelle                    sehen, die auch durch Mitarbeiter oder telefonisch
                medikamentöse Therapie für seinen Patienten zu                      durchgeführt werden können. In dieser Phase ist
                finden. Die Höhe des Rauchkonsums und der Grad                      es wichtig, dem Patienten Gelegenheit zum Erfah-
                der Tabakabhängigkeit sind die beiden wichtigsten                   rungsbericht zu geben und ihm Mut zu machen.
                Kriterien.

                Vor dem Start: Motivierte Patienten erkennen
                Wir empfehlen allen Praxen, grundsätzlich bei al-
                len Patienten den Rauchstatus zu erfassen. Bereits in
                den Anamnesebogen können zum Beispiel Fragen
                zum Rauchen und zur Höhe des Konsums integriert
                werden. Nur so kann vor Behandlungsbeginn das
                Rauchen als Risikofaktor erkannt und entsprechend
                eingeschätzt werden (Gehrig 2010). In die Therapie
                sollten jedoch zunächst nur aufhörbereite Patien-
                ten eingeschlossen werden, bei denen mit begrenz-
                tem Aufwand gute Therapieerfolge erzielt werden
                können. So lässt sich die neu in der Praxis einge-
                führte Raucherentwöhnungsbehandlung erproben.
                Mit zunehmender Sicherheit in der Therapie bei                      Abb. 5: Durch drei einfache Screening-Fragen können unter allen rauchenden
                Arzt und Team können später auch „härtere Fälle“                    Patienten diejenigen mit hoher Aufhörmotivation identifiziert werden.
Wissenschaft und Fortbildung             BZB Juli/August 12   65

Die Beratung – Schritt für Schritt                                         Abrechnungstipps zur Tabakentwöhnung
Planen des               Entwöhnen und            Abschließen der          Eine strukturierte Tabakentwöhnung findet sich als
Rauchstopps              Stabilisieren            Therapie                 Leistungsbeschreibung weder im BEMA noch in
Termin 1                 Termine 2–4              Termin 5
                                                                           der GOZ oder in der GOÄ. Sie ist zurzeit eine reine
Raucheranamnese          Rauchfreiheit erfragen   Rauchfreiheit erfragen
(Konsum,                 Loben!!!                 Loben!!!                 Privatleistung. Ist der Patient an einer strukturier-
Abhängigkeit)                                     Neustart?                ten Tabakentwöhnung interessiert, so wird er über
Medikation auswählen Medikation prüfen            Medikation anpassen      den Programmablauf und die Kosten der Behand-
(gemäß Rauchkonsum) und ggf. anpassen             bzw. beenden
                     Tipp: Hoch genug,            Nicht zu früh beenden!   lung aufgeklärt. Für die fünf Termine können als
                     lange genug!                                          Honorar, je nach tatsächlichem Zeitaufwand, ins-
Rauchstopptag fest-      Therapieverlauf be-     Therapierückschau:        gesamt 150 bis 200 Euro angesetzt werden. Hier
legen: Ruhigen Zeit-     sprechen: positive Ver- Was war gut?
punkt wählen!            änderungen, Probleme Wie geht es weiter?
                                                                           empfehlen wir eine analoge Berechnung nach § 6
Bewältigungsstrategien   Umgang mit Aus-
                                                                           (1) der aktuellen GOZ. Selbstverständlich muss mit
für den rauchfreien      rutschern oder Rück-                              dem Patienten vor Beginn der Therapie eine ent-
Alltag besprechen:       fällen besprechen:                                sprechende schriftliche Vereinbarung getroffen wer-
Der „Rauchfrei-Pass“     Entkatastrophisieren,
für den Patienten        Mut machen!                                       den. Die weiteren Kosten für die notwendige, drei-
hilft dabei!                                                               monatige Medikation mit Nikotinpräparaten be-
Beratung durch den       Beratung durch Zahn- Beratung durch den           tragen knapp 200 Euro und müssen ebenfalls vom
Zahnarzt                 arzt oder Mitarbeiter Zahnarzt
                         (auch telefonisch)    (auch telefonisch)          Patienten übernommen werden. Doch das lohnt
Dauer 15 Minuten         Dauer ca.                Dauer ca. 10 Minuten     sich – ein Durchschnittsraucher mit 20 Zigaretten
                         5–10 Minuten                                      täglich verraucht in drei Monaten bereits 450 Euro.
Tab. 1: Ablaufschema der Tabakentwöhnung
                                                                           Erste Ergebnisse einer Praxisstudie
              Wichtige Themen sind die Rückfallprophylaxe,                 In einer bundesweiten, nicht interventionellen Stu-
              zum Beispiel der Umgang mit kritischen Situa-                die wurde das Konzept zunächst für die hausärzt-
              tionen (Bewältigungsstrategien, Alternativen) so-            liche Praxis evaluiert. Die aktuell vorliegenden Zwi-
              wie die medikamentöse Unterstützung, die je nach             schenergebnisse, die vor Kurzem auf dem 13. Kon-
              Bedarf angepasst werden sollte. Ein vorgefertig-             gress für Suchtmedizin in München vorgestellt wur-
              ter (Telefon-)Leitfaden hilft, keine wichtigen The-          den, zeigen, dass das Konzept eine hohe Akzeptanz
              men zu vergessen. Bei einem Rückfall liegt der               bei Ärzten und Patienten hat und leicht in den Pra-
              Fokus auf dem „Entkatastrophisieren“ der Situa-              xisalltag zu integrieren ist. Durch das sorgfältige
              tion. Die Tabakabhängigkeit ist eine chronische              Screening der aufhörwilligen Raucher ist die Abs-
              Erkrankung und viele Patienten benötigen daher               tinenzrate hoch (Jähne et al. 2012).
              mehr als einen Anlauf, um dauerhaft rauchfrei zu
              werden.                                                      Der kostenfreie Leitfaden mit Gesprächsempfeh-
              Am Ende der Stabilisierungsphase nach zwölf                  lungen und Patientenmaterialien („Rauchfrei-Pass“)
              Wochen wird die erzielte Rauchfreiheit „gefeiert“            kann per Fax unter 09134 7073214 oder online
              (Loben! Loben! Loben!) und weitere Tipps zur Auf-            unter www.einfach-erfolgreich-rauchfrei.de bestellt
              rechterhaltung derselben besprochen. Bei kleine-             werden.
              ren oder auch größeren Rückschlägen wird zu-
                                                                                                                     Korrespondenzadresse:
              sammen mit dem Patienten die Bereitschaft für
                                                                                                          Dr. med. dent. Holger Gehrig M.Sc.
              einen neuen Versuch erörtert. Jeder Rauchstopp-                                              Bismarckstraße 26, 76870 Kandel
              versuch eines Patienten, auch ein zunächst erfolg-                                                 info@zahnarzt-dr-gehrig.de
              loser, sollte gewürdigt werden.
                                                                           Literatur bei den Verfassern

              Welche Erfolge können erzielt werden?
              Wie bei jeder anderen Therapie ist es auch bei ei-             Die Autoren bieten Tagesseminare für die Umsetzung
              ner Suchterkrankung unrealistisch, eine hundert-               des Konzepts in der eigenen Praxis an. Entsprechend den
              prozentige Erfolgsquote zu erwarten. Mit ärztli-               Richtlinien der BZÄK werden die Veranstaltungen mit bis
              cher und medikamentöser Unterstützung ist eine                 zu 9 Fortbildungspunkten akkreditiert. Weitere Infor-
              dauerhafte Rauchfreiheit etwa bei 30 Prozent der               mationen und Termine unter www.einfach-erfolgreich-
              tabakabhängigen Patienten möglich (Fiore et al.                rauchfrei.de
              2008).
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