Rechte weltweit Reproduktive - Heinrich-Böll-Stiftung

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Rechte weltweit Reproduktive - Heinrich-Böll-Stiftung
Reproduktive
Rechte weltweit
Fokus
Schwangerschaftsabbruch weltweit: Zwischen
Kriminalisierung und dem Recht auf Selbstbestimmung

C
      irca die Hälfte der Menschen weltweit besitzt die        Schwangerschaftsabbrüchen haben auch rechtliche Regelun-
      Fähigkeit schwanger werden zu können. Bisher gibt        gen. Während in einigen Ländern Schwangerschaftsabbrüche
      es kein Verhütungsmittel, das zu 100% sicher ist.        unter Strafe stehen oder nur unter bestimmten Bedingungen
Potenziell kann also die Hälfte aller Menschen ungewollt       straffrei sind, sind in anderen Ländern Schwangerschaftsab-
schwanger werden. Der Schwangerschaftsabbruch ist einer        brüche nach Fristenregelungen oder ohne diese legal möglich.
der häufigsten gynäkologischen Eingriffe und das effektivste   Kriminalisierung und Stigmatisierung von Betroffenen und
Mittel eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Der         Ärzt*innen gefährden die Versorgungssicherheit und können
Zugang zu dieser essentiellen Gesundheitsleistung ist in-      zu unsicheren Abbruchmethoden führen. Tabuisierung und
ternational betrachtet sehr unterschiedlich und wird durch     Stigmatisierung führen auch zu einer sehr schlechten Daten-
ökonomische und soziale Faktoren beeinflusst. Großen Ein-      lage, weshalb bei Erhebungen zum Schwangerschaftsabbruch
fluss auf den Zugang zu sicheren, legalen und kostenfreien     von hohen Dunkelziffern auszugehen ist.

                                                                                                                              World Health Organization: Safe abortion: technical and policy guidance for health systems. Second edition, Genf, 2012, S. 1.
                                                                                                                              https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/preventing-unsafe-abortion
                                                                                                                               Quelle:
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GLOBALE KÄMPFE FÜR SELBSTBESTIMMUNG

G
       lobale Kämpfe für Selbstbestimmung von
       Menschen, die schwanger werden können,
       finden vielerorts statt. Seien es Kämpfe
wie in Lateinamerika gegen die restriktive Ge-                                                   IRLAND
setzgebung, wie in Polen gegen Verschärfungen                                                    In kürzester Zeit hat sich Irland von einer der restrik-
durch rechte Parteien, in Deutschland gegen die                                                  tivsten hin zu einer der progressivsten Gesetzgebungen
                                                                                                 zum Schwangerschaftsabbruch innerhalb der europäischen
Kriminalisierung von Ärzt*innen und Versorgungs­
                                                                                                 Union entwickelt, dank globaler und lokaler feministischer
lücken oder wie etwa in Südafrika, wo sichere
                                                                                                 Kämpfe. Feministische Aktivist*innen haben gemeinsam
Schwangerschaftsabbrüche zwar legalisiert – aber
                                                                                                 mit Menschenrechtsinitiativen und anderen Organisa-
gesellschaftlich und medizinisch – stigmatisiert                                                 tionen in großen Bündnissen das Recht auf sichere und von
sind.                                                                                            den Krankenkassen übernommene Schwangerschaftsab-
Sie richten sich gegen komplexe Strukturen aus                                                   brüche per Volksentscheid im Jahr 2018 erkämpft. Neben
Rechten und Konservativen, Kirchen, koloniales                                                   der Forderung nach Selbstbestimmung aller Körper war
Erbe sowie gesellschaftliche Stigmatisierung und                                                 die Forderung nach dem Recht auf Gesundheit zentral.
heteronormative Familienideale.

                                                                                                                                                             NAMIBIA
    ARGENTINIEN                                                                                          In Namibia wurde seit der dreißigjährigen Unabhän-
    In Argentinien hat sich im Laufe der letzten 15                                                      gigkeit die aus der Apartheid stammende Krimi-
    Jahre eine landesweite Kampagne mit bildungs­                                                        nalisierung von Schwangerschaftsab­   brüchen nicht
    politischen, medizinischen, journalistischen und                                                     verändert. Nur etwa 2% aller Schwangerschaftsab-
    juristischen Untergruppen gebildet. Aufgrund                                                         brüche werden legal in Krankenhäusern durchgeführt,
    der dortigen Verfassung können soziale Bewe-                                                         da beispielsweise das zukünftige Leben des Kindes
    gungen Gesetze ins Parlament zur Abstimmung                                                          oder der schwan­geren Person gefährdet ist. Alle an-
    einreichen. Auf nationalen Versammlungen mit                                                         deren Ab­brüche finden klandestin statt und bergen
    bis zu hunderttausend Frauen1 und gebärfähigen                                                       große Gefahren für die Gesundheit der schwangeren
    Menschen hat die Kampagne für das Recht auf                                                          Menschen. Rund 500 sterben jedes Jahr an den
    sichere, kostenlose und legale Schwangerschafts-                                                     Folgen einer unsicheren Abtreibung. Über 60.000
    abbrüche ihre Stärke entfaltet und im Dezember                                                       Menschen unterzeichneten in 2020 eine Petition
    2020 die Legalisierung von Schwangerschafts-                                                         zur Legalisierung von Schwangerschaftsab­brüchen.
    abbrüchen bis zur 14. Woche erkämpft.                                                                Tausende gingen landesweit auf die Straßen oder
                                                                                                         forderten online unter #LegaliseAbortionNa Selbst-
                                                                                                         bestimmung und reproduktive Gerechtigkeit. Schon
                                                                                                         jetzt unterstützen feministische Aktivist*innen viele
1    Die Problematik betrifft nicht nur Frauen, sondern alle
                                                                                                         Frauen und gebärfähige Menschen bei klandestinen
     Menschen, die schwanger werden können, wie z.B. trans*                                              Schwangerschaftsabbrüchen.
     Personen, inter* Personen und nicht binäre Personen.

METHODEN
Auf Grundlage evidenz-basierter Praxis empfiehlt die WHO zur Beendigung von Schwangerschaften entweder den medika-
mentösen Abbruch oder den operativen Eingriff der Vakuumaspiration. Im Optimalfall hat die ungewollt schwangere Person
die Wahl zwischen beiden Methoden und kann sich informiert entscheiden. Der operative Schwangerschaftsabbruch mittels
Kürettage (Ausschabung) ist laut WHO aufgrund erhöhter Komplikationsraten für Abbrüche bis zur 14. Woche nicht mehr zu
empfehlen. In Deutschland werden trotzdem nach wie vor ca. 12% der Abbrüche mit der sogenannten Kürette durchgeführt.
                          Medikamentöser Abbruch: Einnahme von zwei Medika-                                                            Chirurgischer Abbruch:
                          menten entweder unter ambulanter Aufsicht oder im sog.                                                       Ambulanter operativer
                          Home-Use bzw. unter telemedizinischer Begleitung. Das                                                        Abbruch mittels Vakuum­
                          erste Medikament mit dem Wirkstoff Mifepriston (Han-                                                         aspiration (Absaugung),
                          delsname des Präparats: Mifegyne®) hebt die Wirkung                                                          der sowohl unter örtlicher
                          des Gelbkörperhormons auf und bewirkt die Ablösung der                                                       Betäubung als auch unter
                          Gebärmutterschleimhaut und des Fruchtsacks sowie die                                                         Vollnarkose statt­finden
                          Öffnung des Gebärmuttermundes. Das zweite Medikament                                                         kann. Dabei wird ein
                          mit dem Wirkstoff Prostaglandin (bekannt unter dem                                                           schmales, steriles Röhr­chen
                          Handelsnamen Cytotec®) wird ca. 36-48 Stunden danach                                                         in den Gebärmutterhals
                          eingenommen und bewirkt, dass sich der Uterus zusam-                                                         eingeführt und die Frucht-
                          menzieht und es zu einer Abbruchblutung kommt, mit der                                                       blase mitsamt Embryo
                          die Gebärmutterschleimhaut und die Fruchtblase mit dem                                                       abgesaugt. Der Eingriff
                          Embryo ausgestoßen werden.                                                                                   dauert ca. 15 Minuten.
Quelle:
WHO: Safe abortion: technical and policy guidance for health systems. Second edition, 2012
Doctors for Choice Germany e.V.: Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, Link: https://doctorsforchoice.de/unsere-arbeit/information/schwangerschaftsabbruch/methoden/
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POLEN
Nach geplanter (und schließlich umgesetzter) Verschärfung der ohnehin restriktiven Gesetzgebung zu
Schwangerschaftsabbrüchen formierten sich ab Herbst 2020 in Polen massive feministische Proteste, bekannt
als Allpolnischer Frauenstreik. Die beispiellose Intensität des Widerstands ist darauf zurückzuführen, dass
die katholische Kirche, fundamentalistische Akteure und die national-konservative Regierungspartei mit der
Brechstange gegen den langsam voranschreitenden gesellschaftlichen Wandel und besonders die Aspirationen
der Jugend vorgehen. Die weltweit bekanntgewordenen Kämpfe der polnischen Feminist*innen und LGBTIQ*
sind ein Beispiel dafür, wie globale Kämpfe sich vernetzen und so Motivation und Inspiration schaffen können.

                                                                         SÜDKOREA
                                                                         Die seit 2010 kämpfenden Grup-
                                                                         pen haben 2019 einen ihrer größten
        LIBANON
                                                                         Erfolge erzielt, als das Verfassungs-
        Im Libanon stehen Abbrüche unter Strafe laut dem
                                                                         gericht das aktuell gültige Verbot
        Strafgesetz von 1943. Allerdings werden sie in der
                                                                         von     Schwangerschaftsabbrüchen
        Praxis in illegalisierten Kliniken durchgeführt. Die             für ein Indiz eines möglichen Ver-
        Strafen laut Gesetz sind klar: Personen, die ein-                lustes der Menschenwürde ansah.
        en Abbruch machen lassen, drohen sechs Mona-                     Trotz der evangelisch-christlichen
        te bis drei Jahre Haft. Auch Ärzt*innen machen                   Gegenproteste und der Entschei-
        sich strafbar. Diese patriarchale Auslegung von                  dung für den Fortbestand der
        Frauenrechten ist Teil einer diskriminierenden                   Kriminalisierung von Schwanger-
        Gesetzeslage im Land. Trotz wenig Hoffnung auf                   schaftsabbrüchen seitens weiterer
        Gesetzesänderungen auf Grund der Machtstellung                   Verfassungsrichter Südkoreas hält
        religiöser Eliten, die dicht mit der Politik verwoben            der feministische Kampf an und ge-
        sind, haben die Proteste seit Oktober 2019 Bewe-                 winnt an Zuspruch. Dies zeigt sich
        gung in die Diskussion gebracht. Feminist*innen                  beispielweise in einer nahezu kom-
        spielten eine wichtige Rolle bei den Protesten und               pletten Straffreiheit bei Schwanger-
        die Rufe nach Veränderung wurden lauter denn je.                 schaftsabbrüchen. Dank Gruppen
        Es geht bei den Forderungen auch um die Unter-                   wie Joint Action for Reproductive
        drückung von Gastarbeiter*innen, die Tatsache,                   Justice muss die Regierung nun das
        dass Libanes*innen ihre Nationalität nicht an ihre               noch gültige Verbot von Schwanger-
                                                                         schaftsabbrüchen aufheben und sie
        Kinder weitergeben können und andere unzurei­
                                                                         bis zur 14. Woche ohne Angabe von
        chende Rechte für Frauen im Libanon.
                                                                         Gründen legalisieren.
                                                                                                            Quelle: https://www.who.int/news-room/fact-
                                                                                                            sheets/detail/preventing-unsafe-abortion
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SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH
IN INTERNATIONALEN ABKOMMEN
Schwangerschaftsabbrüche sind international heftig umstritten. Nur sehr wenige Städte, Regionen oder
Länder wie Kanada haben Abbrüche vollständig legalisiert. Die verschiedenen Positionen spiegeln sich
auch in internationalen Abkommen, der Positionierung internationaler Organisationen oder Staatenver-
bünde.

UNO (CEDAW)                              WHO                                      UNFPA
Die       UN-Frauenrechtskonvention      Die Weltgesundheitsorganisation WHO      Der Bevölkerungsfonds der Vereinten
CED­AW­­­von 1979 geht nicht explizit    hält den Zugang zu legalen und si-       Nationen UNFPA verurteilt „jeden er-
auf Schwangerschaftsabbrüche ein.        cheren Schwangerschaftsabbrüchen         zwungenen Schwangerschaftsabbruch
Der zuständige Ausschuss betonte aber    für essentiell, „um das höchste mögli-   und die diskriminierende Praxis vorge-
mehrfach, dass die Kriminalisierung      che Level sexueller und reproduktiver    burtlicher Geschlechtsselektion“. Er
von Abbrüchen oder die Verzögerung       Gesundheit“ zu erreichen. Restrik-       spricht sich nicht grundsätzlich für die
sicherer Abbrüche eine Verletzung von    tive Gesetze führen laut WHO nicht       Legalisierung von Schwangerschafts-
Frauenrechten darstellen kann. Re-       zu weniger Abbrüchen oder höheren        abbrüchen aus, sondern setzt auf
gelmäßig rügt der Ausschuss Länder       Geburtenraten – sondern dazu, dass       Methoden der Familienplanung, um
für restriktive Gesetze, auch Deutsch-   unsichere Abbrüche vorgenommen           Abbrüche zu verhindern. Wo Abbrüche
land.                                    werden. Die Organisation spricht sich    legal sind, sollen sie sicher sein – wo
                                         gegen hohe Kosten und gesellschaft-      sie illegal sind, sollen Frauen dabei un-
                                         liche Stigmatisierung von Abbrüchen,     terstützt werden, gute Nachsorge zu
                                         zudem gegen verpflichtende Warte-        bekommen, um ihre Leben zu retten.
                                         zeiten oder verpflichtende Beratungen
                                         aus.

EUROPARAT
Die Istanbulkonvention, das Überein-
kommen des Europarats zur Bekämp-                                                 AFRIKANISCHE UNION
fung von Gewalt gegen Mädchen und        EUROPÄISCHE UNION                        Artikel 14 des Maputo-Protokolls
Frauen, nennt erzwungene Schwanger-      2013 lehnte die EU-Kommission die        für die Rechte von Frauen in Afrika
schaftsabbrüche als Form der Ge-         Annahme des sogenannten Estre-           von 2005 sichert Frauen das Recht
walt, der nur Frauen ausgesetzt sein     la-Berichts ab. In diesem Bericht über   auf Gesundheit inklusive reprodukti-
können. Ein Recht auf den Zugang zu      sexuelle und reproduktive Gesundheit     ver Rechte zu. Der Artikel garantiert
Schwangerschaftsabbrüchen erwähnt        und die damit verbundenen Rechte         das „Recht auf sicheren Schwanger-
die Konvention nicht. 2017 zeigte        hatte die Berichterstatterin Edite Es-   schaftsabbruch im Fall von sexuellen
sich der Europarat „erschüttert“         trela unter anderem das Recht auf „si-   Übergriffen, Vergewaltigung, Inzest
über die zunehmenden Restriktionen       chere und legale Schwangerschaftsun-     und wenn die Schwangerschaft die
beim Zugang zu Schwangerschafts-         terbrechungen“ gefordert.                mentale oder psychische Gesundheit
abbrüchen in Europa, 2021 forder-                                                 der Mutter oder das Leben der Mut-
te er Polen auf, „effektive und legale                                            ter oder des Fötus gefährdet“. Längst
Verfahren“ zu schaffen, um Frauen                                                 nicht alle Staaten haben das Protokoll
„Zugang zu einer legalen Abtreibung“                                              ratifiziert und umgesetzt.
zu ermöglichen.
Rechte weltweit Reproduktive - Heinrich-Böll-Stiftung
SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH
HALTUNG INTERNATIONALER AGIERENDER STIFTUNGEN UND NGOS

Verschiedene trans- und internationale Stiftungen und NGOs arbei­
ten auf dem Gebiet sexueller und reproduktiver Rechte und Gesund-
heit, sammeln Daten, vernetzen sich politisch, setzen sich juristisch
für sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche ein und unterstüt-                International Planned Parenthood
zen ungewollt Schwangere zum Teil selbst.                                         Foundation
                                                                                  Die IPPF ist ein Dachverband von
                                                                                  131 Mitgliedsorganisationen in
                                                                                  143 Ländern, darunter Pro Familia
                                           Amnesty International
                                                                                  in Deutschland. Der Verband setzt
                                           Der Zugang zu sicheren Schwanger-
                                                                                  sich für den weltweiten Zugang zu
                                           schaftsabbrüchen ist für Amnesty
                                                                                  sicheren und legalen Schwanger-
                                           „essentiell, um die volle Bandbreite
                                                                                  schaftsabbrüchen ein.
                                           von Menschenrechten zu realisieren
                                           und Gender-, soziale, reproduktive
                                           und ökonomische Gerechtigkeit
 Ford Foundation                           herzustellen.“ Sichere, würdevolle
 Die Ford Foundation betrachtet            Abbrüche nach den Bedürfnissen
 Ge­schlechtergerechtigkeit und            der Betroffenen seien „das Recht
 reproduktive Gerechtigkeit als            jeder Person, die schwanger werden
 grundlegend, um Gleichheit für alle       kann.“ Die Organisation setzt sich
 Menschen zu erreichen. Die Möglich-       entsprechend für die vollständige
 keit, selbst zu entscheiden, wann und                                            Women Help Women
                                           Entkriminalisierung und den vollen
 wie viele Kinder eine Person haben                                               Die feministische NGO Women help
                                           Zugang zu Abbrüchen ein. Sie
 möchte, diese sicher zu gebären und                                              Women unterstützt „self-man-
                                           fordert, dass sich Regierungen mit
 in einem gesunden Umfeld aufzuzie-                                               aged abortion“ wie die Einnahme
                                           sozialen und ökonomischen Gründen
 hen, sei zen­tral für die Freiheit und                                           von Tabletten für medikamentöse
                                           auseinandersetzen, die die Entschei-
 Gleichheit von Frauen und gen-                                                   Abbrüche zu Hause: „Der Schlüssel
                                           dung einer Person für oder gegen
 der-nicht-konformen Personen. Die                                                zu reproduktiver Freiheit und Ge-
                                           einen Abbruch beeinflussen können.
 Stiftung setzt sich für den Zugang zu                                            rechtigkeit ist es, Abtreibungspillen
 qualitativer reproduktiver Versorgung                                            direkt in die Hände derer zu legen,
 ein, um sicherzustellen, dass schwan-                                            die sie brauchen.“ Dabei geht es vor
 gere Personen unterstützt werden                                                 allem um Länder mit restriktiven Ge-
 – unabhängig davon, ob sie gebären                                               setzen, Stigmatisierung und mangeln-
 wollen oder einen Schwangerschafts-                                              dem Zugang zu Abbrüchen. Die NGO
 abbruch möchten.                                                                 bietet telemedizinische Begleitung
                                                                                  und Partnerschaften mit lokalen fem-
                                                                                  inistischen Initiativen vor Ort.
 Women on Waves und Women on Web
 Women on Waves holen ungewollt Schwangere in Ländern ohne legalen Zugang
 zu Schwangerschaftsabbrüchen per Schiff ab und führen in internationalen
 Gewässern unter niederländischer Flagge sichere Abbrüche durch. Sie unterstüt-
 zen zudem „self-managed abortion“ und bieten telemedizinische Begleitung bei
 Abbrüchen. Women on Web bietet Hilfe und Informationen zu sicheren Schwanger-
 schaftsabbrüchen und Verhütung in 16 Sprachen. Ihr Ziel: Online sicheren und
 erschwinglichen Zugang zu „abortion care“ weltweit zu schaffen.

 Center for Reproductive Rights                                                   Mama Network
 Die US-amerikanische NGO will                                                    Das Mama Network vernetzt 35
 reproduktive Rechte als Menschen-                                                Organisationen in Subsahara-Afrika
 rechte voranbringen. Sie ist eigenen                                             zum Thema „self-managed abortion“.
 Angaben zufolge die einzige juris-                                               Die Mitglieder unterhalten Hilfetele-
 tische Interessenvertretung dieser                                               fone zum Thema sexuelle und repro-
 Art weltweit und setzt sich etwa in                                              duktive Gesundheit. Ihr Ziel: Wissen
 Gerichtsprozessen für die Erweite­                                               über und Zugang zu medikamentösen
 rung des Zugangs zu reproduktiver                                                Abbrüche zu erhöhen. Abtreibungs­
 Gesundheitsversorgung ein. Dazu                                                  pillen, so heißt es im Manifest des
 zählen Geburtenkontrolle, sichere                                                Netzwerks, „schaffen eine universale
 Schwangerschaftsabbrüche, Geb-                                                   Möglichkeit für sichere Abbrüche
                                                                                  – unabhängig davon, wie Schwanger-
 urtshilfe und unvoreingenommene
                                                                                  schaftsabbrüche durch nationale
 Informationen zu Abbrüchen.
                                                                                  Gesetze geregelt sind“.
Rechte weltweit Reproduktive - Heinrich-Böll-Stiftung
Narrative und Netzwerke der globalen
Anti Choice-Bewegung
I
    n Opposition zur Position „Pro Choice“, die Selbstbestim-                         Frauen also abgelehnt. Die AfD fordert entsprechend eine
    mung und Wahlfreiheit von gebärfähigen Menschen in den                            „Willkommenskultur“ für Kinder – deutsche, versteht sich.
    Vordergrund stellt, steht die Anti-Choice Bewegung der Ab-                        International ist unter anderem am Beispiel Polen zu se­hen,
treibungsgegner*innen. Die Anhänger*innen sind oft christli-                          wie rechte Regierungen Frauenrechte einschränken: Dort
che Fundamentalist*innen, darunter Evangelikale in den USA,                           wurden Schwangerschaftsabbrüche im Oktober 2020 faktisch
die international vernetzt sind und entsprechend lobbyieren.                          verboten. Im selben Monat schlossen sich innerhalb der „Ge-
Ungeachtet dessen, dass jährlich bis zu 47.000 Frauen an                              neva Consensus Declaration“ zudem 34 Staaten zusammen,
unsicheren Abbrüchen sterben, nennen sich Abtreibungsgeg-                             um sich gegen Abbrüche auszusprechen. Vorangetrieben noch
ner*innen selbst gern „Lebensschützer“. Ihr Argument, mit                             von der Trump-Administration, unterzeichneten in der über-
dem sie Schwangerschaftsabbrüche offensiv bekämpfen: Ab                               wiegenden Mehrheit autoritäre oder autokratisch regierte
dem Moment der Verschmelzung von Eizelle und Spermium sei                             Regime, darunter Ungarn, Brasilien, Ägypten, Indonesien und
menschliches Leben entstanden. Ein Zweizeller habe entspre-                           Uganda.
chend dieselben Rechte wie eine erwachsene Frau. Abbrüche                             Der Name der Erklärung ist an die „Geneva Consensus Foun-
seien deshalb zu jedem Zeitpunkt als Mord zu betrachten.                              dation“ der Vereinten Nationen angelehnt, hat damit aber
Behauptet wird zudem, dass Abbrüche auch der Schwangeren                              nichts zu tun. US-Präsident Joe Biden zog die Unterschrift
selbst schaden. Diese leide unter dem „Post Abortion Syn-                             der USA zurück.
drom“ – ein wissenschaftlich widerlegter Mythos der Abtrei-                           In den USA selbst ist seit Jahrzehnten zu beobachten, wie
bungsgegner*innen. Mehrere Untersuchungen, die auf Daten                              erbittert um das Thema Schwangerschaftsabbruch gestritten
der „Turnaway-Studie“ aufbauen, zeigen, dass nicht nur kein                           wird: Je nach Regierungspartei kommt und geht die sogenann­
erhöhtes Risiko für psychische Probleme durch einen Abbruch                           te Mexico City Police, benannt nach dem Ort, an dem der
bestehen. Im Gegenteil: Frauen, denen ein Abbruch verweigert                          damals amtierende republikanische US-Präsident Ronald
wurde, zeigten mehr Angstsymptome, weniger Selbstbewusst-                             Reagan sie zum ersten Mal verkündete. Sie verbietet es den
sein und weniger Zufriedenheit mit dem Leben als die Gruppe                           USA, internationale NGOs zu fördern, wenn diese in ihrer Ar-
der Frauen, die einen Abbruch vornehmen ließen. Diese bewer-                          beit auch zu Schwangerschaftsabbrüchen beraten oder diese
ten zu 95% ihre Entscheidung als positiv.                                             durchführen und wird deshalb auch Global Gag Rule ge­nannt,
Inhaltlich überschneiden sich Positionen der Abtreibungsgeg-                          zu Deutsch etwa „Knebeldekret“. Bill Clinton hob sie auf,
ner*innen mit denen der Neuen und extremen Rechten, für                               George W. Bush führte sie wieder ein, Barack Obama hob sie
deren Politik die Kontrolle über Frauenköper zentral ist. Im                          auf, Donald Trump führte sie wieder ein – Biden hob sie auf.
Hintergrund steht dabei der „große Austausch“, Kampfbegriff                           Das Selbstbestimmungsrecht von Menschen, die schwanger
und rechtsextreme Verschwörungsideologie zugleich: Durch                              werden können, wird so zur politischen Verhandlungsmasse
hohe Geburtenraten unter People of Colour und niedrigen                               und die Reglementierung und Ächtung von Abbrüchen bleibt
unter weißen Frauen drohe ein Genozid der „europäischen“                              auch im 21. Jahrhundert Instrument von patriarchal geprägter
Gesellschaften. Schwangerschaftsabbrüche werden bei weißen                            Bevölkerungspolitik und religiös geprägter Sexualmoral.

QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR
            •   Amnesty International releases updated policy on abortion, September 2020. Abgerufen am 14.4.2021: www.amnesty.org/en/latest/news/2020/09/
                amnesty-releases-updated-policy-on-abortion/
            •   Erica Millar: Happy Abortions. Mein Bauch gehört mir – noch lange nicht. Aus dem australischen Englisch von Stephanie Singh. Verlag Klaus
                Wagenbach 2018, 224 Seiten
            •   Joe Biden axes ‘global gag rule’ but health groups call on him to go further. The Guardian, 28.1.2021, abgerufen am 14.4.2021: www.theguardian.
                com/global-development/2021/jan/28/joe-biden-global-gag-rule-health-groups
            •   Statistisches Bundesamt (2021): https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_029_233.html
            •   Turnaway Study: https://www.ansirh.org/research/ongoing/turnaway-study
            •   U.S. Department of Health and Human Services: Geneva Consensus Declaration. Promoting Women’s Health and Strengthening the Family, abge-
                rufen am 14.4.2021: www.hhs.gov/sites/default/files/geneva-consensus-declaration-english.pdf
            •   United Nations Population Fund UNFPA: Frequentyl asked questions. Does UNFPA promote abortion? Abgerufen am 14.4.2021, www.unfpa.org/
                frequently-asked-questions
            •   United Nations: Protocol to the African Charter on Human and Peoples’ Rights on the Right of Women in Africa, abgerufen am 14.4.2021: www.
                un.org/en/africa/osaa/pdf/au/protocol_rights_women_africa_2003.pdf
            •   Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags 2019: Studien zu psychischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen. Abgerufen am
                14.4.2021: www.bundestag.de/resource/blob/648844/8b9810db6aecd81f7e62d2adb0366a64/WD-9-012-19-pdf-data.pdf
            •   Women help Women: Connecting the personal experience of swallowing a pill to global political activism. Abgerufen am 14.4.2021: https://wom-
                enhelp.org/
            •   World Health Organisation: Health Topics/ Abortion, abgerufen am 14.4.2021: www.who.int/health-topics/abortion#tab=tab_1
            •   World Health Organization: Safe abortion: technical and policy guidance for health systems. Second edition, Genf, 2012, Seite 1

                Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Gunda Werner Institut, Mai 2021
IMPRESSUM

                Recherche und Text: Patricia Hecht, Derya Binışık, Jana Prosinger, Kai Münch
                Konzept: Derya Binışık und Jana Prosinger
                Gestaltung: Maja Ilić
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