Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart

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Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
Das Monatsmagazin der Staatstheater Stuttgart
Staatsoper Stuttgart, Stuttgarter Ballett, Schauspiel Stuttgart   April 2021

  Reihe 1
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
Reihe 1   ⁄  April 2021                                           Editorial                   3

                                                                                                                                                                  Titelmotiv                Liebe Leserinnen und Leser,
                                                                                                                                                                  Spitzenmäßig!
                                                                                                                                                                  Im Schuhflur des
                                                                                                                                                                  Stuttgarter               der April macht, was er will! Im zweiten Coronajahr gilt das
                                                                                                                                                                  Balletts probiert
                                                                                                                                                                  die Halbsolistin          ­besonders. Bei Redaktionsschluss wussten wir nicht, ob und in
                                                                                                                                                                  Veronika Verterich
                                                                                                                                                                                             welchem Umfang wir für Sie spielen dürfen – aber wir haben
                                                                                                                                                                  ihre neuen
                                                                                                                                                                  Spitzenschuhe              uns auf alles vorbereitet. Fest zusagen können wir unser Online­
                                                                                                                                                                                             programm und das Lyriktelefon (Seite 32).

                                                                                                                                                                                            Im Heft zeigen wir einen Ort, den das Publikum sonst nicht sieht:
                                                                                                                                                                                            Auf den Seiten 5 bis 7 erfahren Sie, warum der Ballettschuhflur
                                                                                                                                                                                            so wichtig ist und welche Ordnung dort herrscht. Außerdem geht
                                                                                                                                                                                            es im Heft um Chöre. Anlässlich einer I­ nszenierung von Johann
                                                                                                                                                                                            Sebastian Bachs Johannes-Passion ­denken wir über die Faszina­
                                                                                                                                                                                            tion des gemeinsamen Singens nach, der Chordirektor des
                                                                                                                                                                                            Staatsopernchors Stuttgart erklärt, wie der Chor den Lockdown
                                                                                                                                                                                            gemeistert hat (ab Seite 16). Zwei neue Stücke beim Schauspiel
                                                                                                                                                                                            Stuttgart untersuchen, wie Männer ihre Macht ausnutzen – und
                                                                                                                                                                                            was passiert, wenn Frauen es tun. Was ist toxische Weiblichkeit?
                                                                                                                                                                                            Das fragt unser Essay ab Seite 8. Das Stuttgarter Ballett befasst

       DER KESSLER GRANDE
                                                                                                                                                                                            sich mit Beethoven, dessen Musik eher selten im Ballett verwen­
                                                                                                                                                                                            det wird. Aber zwei Meister ihres Fachs haben geniale Choreo­
                                                                                                                                                                                            graphien geschaffen – erfahren Sie ab Seite 24, wie der Untanz­

       RÉSERVE »GEORGES«.
                                                                                                                                                                                            bare vertanzt wird.

                                                                                                                                                                                            Wussten Sie übrigens, dass der Komponist Richard Strauss im Jahr
                                                                                                                                                                                            1912 in Stuttgart ein Harmonium bauen ließ, das heute noch
                                                                                                                                                                                            bei der Staatsoper im Einsatz ist? Mehr darüber steht auf Seite 34.

                                                                                                                                                                                            Bleiben Sie optimistisch – und in Kontakt mit uns!
                                                                                                                                                                                            Ihre Staatstheater Stuttgart

                                                                                                            Titel: Manuel Wagner   Illustration: Nadine Redlich

Das Meisterwerk aus Deutschlands ältester Sektkelle-   Neckar. Geschaffen nach der »méthode tradition-
rei in wenigen Worten: Gekeltert aus Chardonnay        nelle«. Gelagert über 60 Monate. Und voller Stolz
und Pinot-Noir-Trauben des Jahres 2013. Gereift in     getauft auf den Namen, den unser Gründer in seinen
mittelalterlichen Gewölbekellern in Esslingen am       zwanzig Jahren in Frankreich hatte: »GEORGES«.
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
4           Reihe 1   ⁄  April 2021                        Umsehen        5

3 Editorial
5 Umsehen:

Theater von innen

Was ist
                               Was kommt
8 Reflektieren Macht­          24Tanzen Beethoven galt
fragen: Wie dominant ist       lange als untanzbar. Zwei
der Mann? Wann                 Meisterchoreographen
ist die Frau toxisch?          zeigen, wie grandios es
16 Singen Im Rausch            doch geht
der Gemeinschaft.
Wie Menschen im Chor           Was bleibt
Grenzen überwinden              Fördern Freude am Tanz,
                               30
22 Feiern Miteinander an
                               Freunde fürs Leben:
der Oper: Außergewöhn­         Tamas Detrich und Ariane
liche Begegnungen im           Piëch im Gespräch
digitalen Raum – rund um
Ariadne auf Naxos              32 Spielplan
                               34 Ausgraben

                               Das Ding: Harmonium
                               34 Impressum

                                                                     Hier lagern sie,
                                                                     die wichtigsten
                                                                     Instrumente der
                                                                     Tänzerinnen:
                                                                     maßgefertigte
                                                                     Spitzenschuhe
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
6            Reihe 1   ⁄  April 2021                                                                                                                     Umsehen                        7

                                                                                                                                                                                 Ob da was klemmt?
                                                                                                                                                                                 Magdalena
                                                                                                                                                                                 Dziegielewska (r.),
                                                                                                                                                                                 Herrin über die
                                                                                                                                                                                 Spitzenschuhe,
                                                                                                                                                                                 spricht mit der
                                                                                                                                                                                 Tänzerin Mizuki
                                                                                                                                                                                 Amemiya

                                                                      Die Ballettschuhverwaltung im Opernhaus                        Tänzerinnen bleiben immer einem Modell treu. ­Dziegielewska
                                                                      Im dritten Stock des Opernhauses stehen in einem schmalen      sorgt dafür, dass passende Schuhe vorrätig sind, je nach Stück
Die passen, selbst                                                    Flur sechs metallene Schränke voller Spitzenschuhe. »Das ist   und Tänzeranzahl können das bis zu 600 Paare für eine Vor­
                                               Fotos: Manuel Wagner

ohne Bänder! Die                                                      unser Schuhflur«, sagt Magdalena Dziegielewska, Leiterin der   stellungsreihe samt Proben sein, etwa bei Dornröschen. Sie be­
Halbsolistin                                                          Ballettschuhverwaltung. Nur ein enger Korridor: Überall im     spricht regel­mäßig mit den Tänzerinnen, wo der Schuh drückt,
Veronika Verterich                                                    altehrwürdigen Opernhaus wird mit enormem Raummangel           und findet die passende Lösung. Und nach der Sanierung
probiert ihre                                                         gearbeitet. Auch hier, bei diesen Kostbarkeiten: Die meisten   ­können die Spitzen­schuhe hoffentlich aus dem Provisorium in
Spitzenschuhe                                                         Schuhe sind maßgefertigt, sitzen wie eine zweite Haut, viele    ein anständiges Zuhause ziehen.
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
8      Reihe 1   ⁄  April 2021                          Was ist   ⁄  Reflektieren                                                             9

Macht,
Männer,
Frauen                                                  Als Jessie das Zimmer betritt, versucht
                                                        sie zunächst einmal, das Ausmaß der
                                                        ­Zerstörung aufzunehmen. Verstreute Erd­
                                                         nüsse, Chips auf dem Boden, Zigaret­ten­
                                                         stummel, eingebrannt in den Industrie­
                                                         teppich, der grau, blau oder nichtfar­ben
                                                         ist, jedenfalls weniger grell als das Blut
                                                         auf der weißen Bettwäsche. Das Zim­
                                                         mermädchen starrt auf die abgerissenen
                                                                                                      zeitgemäße Berufe, die Struktur des Rei­
                                                                                                      gens aber bleibt. Erneut dreht er sich um
                                                                                                      Macht und Ohnmacht. Um Männer, die
                                                                                                      sich nehmen, was sie wollen, und Frauen,
                                                                                                      die sich nehmen lassen, was sie wollen.
                                                                                                      Und selbst wenn Schimmelpfennig bei
                                                                                                      manchen Figuren den Spieß umdreht
                                                                                                      und Frauen einführt, die ihrerseits Ge­
                                                                                                      walt ausüben, so dreht sich auf der Bühne
                                                         Gardinen, auf Essensreste, die an Fenster­   doch das gleiche alte Schicksalsrad, viel
                                                         scheiben kleben, auf Perücken und High       älter als nur ein paar Hundert Jahre, wir
                                                         Heels, Requisiten einer Orgie, so viel ka­   schauen zu, blicken auf Täter und Opfer,
                                                         piert Jessie jetzt.                          Verlieben und Verletzung, auf Lust und
                                                             Sie hört das Stöhnen von Frauen, im      Frust – und immer auch auf eine gewisse
                                                        Fernsehen läuft ein Pornofilm. Dann           Art von Männlichkeit, die toxisch ist.
                                                         entdeckt sie Karim, den Stricher, der aus        Was passiert hier? Hundert Jahre nach
                                                         dem Bad kommt, ein Auge blau geschla­        Schnitzlers Reigen, und nichts hat sich
                                                         gen – und ahnt nicht, dass auch sie dieses   geändert? Die Welt wird weiblicher, Poli­
                                                         Zimmer beschädigt verlassen wird, weil       tikerinnen, Forscherinnen, Managerinnen
                                                         ihr Vorgesetzter sie zum Sex zwingt.         erobern (langsam, aber stetig) alle öffent­
                                                             Es ist eine von Siebzehn Skizzen aus     lichen und wirtschaftlichen Sphären, aber
                                                         der Dunkelheit von Roland Schimmel­          wenn es um Liebe geht, sind wir noch im­
                                                         pfennig, das Stück ist eine Überschrei­      mer gefangen in uralten Rollen?
                                                         bung von Arthur Schnitzlers Reigen.              Ein anderes Stück erzählt eine andere
                                                         Skizzen erzählt von Sex und Gewalt, von      Geschichte. Und doch lässt es sich neben
                                                         Sehnsucht und Enttäuschung und greift        das von Schimmelpfennig stellen, als
                                                         auf, was Schnitzler vor mehr als hundert     Komplement zu dem Thema, das im Rei-
                                                         Jahren beschäftigte: die Deformation von     gen steckt. Leuchtfeuer, geschrieben hat
                                                         Geschlechterrollen in einer Gesellschaft,    es die irische Dramatikerin Nancy Harris,
                                                         die immer freier zu werden scheint, deren    erzählt die Geschichte einer Familie, die
Trotz zahlreicher Fortschritte ist Macht noch immer      Menschen aber trotzdem nicht zueinan­        ein dunkles Geheimnis beschäftigt. Im
                                                         derfinden. Tabus, Kälte und Verachtung       Zentrum der Handlung steht Beiv, eine
männlich konnotiert. Kalt und immer ein bisschen kurz    verhindern jede Form von Nähe.               Frau Anfang sechzig. Als Irlands große

vor Gewalt. Warum ist das so? Und wie sähe eine              Während Schnitzlers Figuren bloß »Die
                                                         Dirne« oder »Der Soldat« heißen, gibt Ro­
                                                                                                      feministische Künstlerin wird sie gefei­
                                                                                                      ert, die offen ihre Sexualität auslebt und
andere Art von Macht aus, eine, die empathisch wäre?     land Schimmelpfennig ihnen Namen und         Beziehungen mit Männern und Frauen
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
10   Reihe 1   ⁄  April 2021                                      Was ist   ⁄  Reflektieren                                                              11
                                                                  pflegt. Beiv schert sich nicht um die Irrita­   seiner Mutter, auf ihre Unbestechlichkeit.
                                                                  tionen, die sie in ihrem Umfeld auslöst als     Darauf, dass sie ein Vorbild ist für viele
                                                                  Geschiedene, als scheinbar egoistische          junge Frauen, eine von ihnen, Bonnie, hat
                                                                  Mutter, die des Mordes an ihrem Ex-Mann         er eben geheiratet. Stattdessen steht er
                                                                  verdächtigt wird.                               verständnislos und peinlich berührt vor
                                                                     Angstfrei lebt sie in ihrem Haus aus         ihren Werken und wirft ihr vor, die Fa­
                                                                  Glas, in das jede*r hineinschauen kann:         milie mit ihrer Ichbezogenheit zerstört
                                                                  Beiv hat sich entschieden, dass sie nichts      zu haben. Reaktionär wirkt er mit seiner
                                                                  zu verbergen hat. Nichts und niemand            Anklage als vernachlässigtes, längst er­
                                                                  könne sie von ihrer Arbeit abhalten, die        wachsenes Kind.
                                                                  sie nicht mehr liebe als ihren Sohn Colm,           Nachts fliegt ein Stein gegen Beivs
                                                                  sondern die sie bloß mehr befriedige; ihre      Scheibe. Er kommt aus der Dunkelheit,
                                                                  Worte. Wäre Beiv ein Mann, niemand              aus der auch Schimmelpfennigs Figuren
                                                                  störte sich an ihrer Selbstverwirklichung.      auftauchen. Ihre emanzipierte Haltung
                                                                  Als Frau aber wird sie für ihre Autonomie       provoziert die Bewohner auf der Insel vor
                                                                  angefeindet von der katholischen Insel­         West Cork in Irland, auf der sie lebt. Was
                                                                  gemeinde, in der sie lebt. Und von ihrem        ist so verstörend an dieser Frau, dass ihre
                                                                  Sohn. Er könnte stolz sein auf den Erfolg       Selbstermächtigung Gewalt provoziert?

                                			 »Ich kann dir sagen, was ich wollte. Ich wollte
                               mich mit einem Unbekannten treffen, mit dem ich
                               mir im Internet ein paar Mal hin und her geschrieben
                               habe, das normale Prozedere wäre gewesen, dass
                               wir uns in irgendeiner Bar treffen, am besten gleich
                               in einer Hotelbar, und dann, je nach Chemie, hätten
                               wir gefickt, in der Hoffnung auf i­rgendeine kontrol­
                               lierte Entgleisung. Ganz einfach, schnell und hoffent­
                               lich gut gemacht.«
                               Nina zu Frank in Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
12              Reihe 1   ⁄  April 2021                                                                 Was ist   ⁄  Reflektieren   13

Die Rollen mögen alt erscheinen, in denen             Solidarität mit anderen Frauen bleibt für
Männer und Frauen westlicher Gesellschaf­             jene, die sich hochgekämpft haben, eine
ten sich heute bewegen, tatsächlich sind              Herausforderung. Die alte weiße Frau als
sie kaum mehr als 200 Jahre alt. Im neuen             Pendant zum viel zitierten weißen Mann
Bürgertum der Städte und Stände wurde al­             zeigt sich ihm, nicht ihr gegenüber loyal.
les Öffentliche, Merkantile, Politische zum           Ihre Macht ist hart erarbeitet, sie ist indivi­
generellen Entfaltungsraum des Mannes                 duell, nicht strukturell. Eine genuin weibliche
erklärt – und die private Sphäre der Familie,         Macht innerhalb eines patriarchalen Sys­
Kinder, Schule, Pflege, Hege zum Domizil der          tems kann es nicht geben. Sie ist eine Macht
Frau. Er ist öffentlich, sie privat. Daran hat sich   in Hosenanzügen, eine Macht der männ­
so viel nicht geändert, und die Vorstellung in        lichen Gebärden, der männlichen Rhetorik,
unseren Köpfen hielt am wenigsten Schritt.            schreibt Mary Beard, Althistorikerin und
    Selbst wenn wir heute im Feminismus               Frauenrechtlerin. Bis heute gelten Frauen
eine der größten Revolutionen des 21. Jahr­           wie Beiv, auch viele Politikerinnen als Ein­
hunderts feiern – wer die Sphären übertritt,          dringlinge in eine männerdominierte Welt,
schürt Konflikte. Männer, die Familie an erste        so Beard: Frauen müssen nach der Macht
Stelle setzen, tatsächlich und nicht nur am           greifen, sie fällt ihnen nicht zu.
Wochenende, werden ausgelacht. Frauen, die                Dabei scheint Gleichberechtigung so
in Männerdomänen eindringen, müssen sich              selbstverständlich und mehrheitsfähig wie
warm anziehen. Weil sich das aber mehr und            Umweltschutz. Sie findet ihren Weg in Ge­
mehr Frauen rausnehmen, hat gerade eine               setze, sie verändert die Sprache in Form von
neue Suche begonnen, nach toxischer Weib­             Gendersternchen und Binnen-I, sie nimmt
lichkeit, als gälte es, nicht Teilhabe, sondern       Gestalt an, wird sichtbar. Noch ist es mehr
Schuld aufzuteilen. So lange aber, wie wir alle       ein Tasten, ein Ringen um eine neue Freiheit,
uns mehr in Kulturen bewegen, die Dominanz            die für alle Geschlechter gelten kann. Was
feiern (im Gegensatz zu Empathie), wird               zum Beispiel kann Treue bedeuten, wenn wir
diese Schuld immer wieder neu entstehen.              Monogamie zur Freiwilligkeit erklären? Wenn
Egal wer wen unterdrückt. Es ist die Unter­           wir Sexualität nicht mehr tabuisieren? Nina,
drückung, die deformiert. Davon erzählen die          auch sie eine der skizzenhaften Figuren von
Skizzen, und davon erzählt die Figur der Beiv         Schimmelpfennig, verabredet sich mit einem
in Leuchtfeuer. Solange die Vorbilder männ­           fremden Mann zum anonymen Sex. Ihr ei­
lich sind, wird sich daran nicht viel ändern.         gentlicher Mann Johannes weiß davon, er
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
14                              Reihe 1   ⁄  April 2021                                                         Was ist   ⁄  Reflektieren                                                    15
fühlt sich in seiner Würde verletzt. »Wür­
de«, sagt er, nicht Stolz, und fügt hinzu:
                                             digung, Missbrauch. Wie also lieben in
                                             einem System, das uns in Rollen zwingt,
                                                                                              			 »Es hat sich herausgestellt, dass Gemeinschaft
»Im Paradies gab es nur zwei.«
    In der Krise jedoch ist keine Zeit für
                                             das uns dazu zwingt, stark oder schwach
                                             zu sein? Einander auf diese oder jene
                                                                                             viel Arbeit bedeutet. Und einige von ihnen (den
zartes Suchen, es sind die patriarchalen
Strukturen, die Orientierung bieten. Aktu­
                                             Weise oder gar nicht zu begehren? Muss
                                             Macht früher oder später zu Unterdrü­
                                                                                             Frauen) waren sehr bedürftig. Und mit bedürftigen
ell zwingt die Pandemie Frauen massen­
weise in alte Rollenmuster. Die Soziolo­
                                             ckung führen? Wie sähe eine Macht aus,
                                             die nicht zwingend zu Missbrauch führte?
                                                                                             Leuten kann ich nicht so gut.«
                                                                                             Beiv zu Bonnie in Leuchtfeuer
gin Jutta Allmendinger sprach bei Anne            In ihrem Essay Ja heißt ja und … fragt
Will von einer »Retraditiona­lisierung der    Carolin Emcke: »Aus welchem Stoff, wel­
Geschlechterordnung, die uns um drei         cher Materie ist diese Macht, die miss­
Jahrzehnte zurückwirft«. Wie hartnäckig      braucht, die Macht, die keine Grenzen
am alten Machtverhältnis festgehalten        kennt, die ausufert, eingreift in die Rechte,
wird, zeigt auch der Frauenhass, der         die Scham, die Körper derer ohne Macht?
sich vor allem im Netz verbreitet. Als       Ist das ein anderer Stoff als jene Macht,
»Mannosphäre« werden die Subkulturen         die sich gütig zu benehmen weiß?«
gekränkter Männer bezeichnet, die das        ­Emcke kann darauf keine endgültige Ant­
Gefühl haben, der Feminismus nehme            wort finden, die Materie der Macht ist so
ihnen etwas weg, Macht nämlich. Selbst        vielschichtig wie die Identitäten derer, die
wenn es nur die Macht ihrer erfolgreichen     sie unterdrückt. Sensibilisieren will die
Geschlechtsgenossen ist und sie selbst        Autorin für das »unübersichtliche Gelände
als »lonely loser« vor sich hinvegetieren,    des Neinsagens«, auf dem sich Frauen zu­
ihre verletzte Männlichkeit entlädt sich      rechtfinden müssen. Damit eine wie Jes­
als Hass gegen alle, die sie als anders,      sie entschieden das Hotelzimmer verlässt
fremd, schwächer empfinden.                   und eine nicht mehr junge Schauspielerin
    Macht verfälscht das Verlangen. Un­       wie Vivian eben nicht mit dem Produzen­
gleiche Machtverhältnisse provozieren         ten schläft, um besetzt zu werden.
Gewalt. Keine der Figuren in Siebzehn             Macht ist nicht statisch, sie ist verän­
Skizzen aus der Dunkelheit liebt. Sex         derbar, das ist die Chance, die wir als Ge­
ist Mittel zum Zweck, Geschäft, Befrie­       sellschaft haben. Man müsse sie, schreibt
                                                                                                                             Mary Beard in ihrem Manifest Frauen             darum gehen, Gerechtigkeit herzustellen.
                                                                                                                             und Macht, vom Prestige abkoppeln. Sie          Das Problem ist nur, dass bereits alle Sei­
                                                                                                                             als etwas Gemeinschaftliches betrachten,        ten damit argumentieren, ihr Empfinden
                                                                                                                             nicht als etwas, das einzelnen Personen         von Gerechtigkeit sei verletzt.
                                                                                                                             zustehe. Bisher ist das den Frauen nicht            Weil Gerechtigkeit aber kein Zustand
                                                                                                                             wirklich gelungen, wurde ihnen doch             ist, sondern eine Sache, die zwischen
                                                                                                                             beigebracht, dass es immer nur Platz für        Menschen und auch Gruppen existiert,
                                                                                                                             eine kluge, begehrenswerte Frau gibt.           fortlaufend neu verhandelt wird, sollte
                                                                                                                                Die Künstlerin Beiv duldet nieman­           es erst mal darum gehen zuzuhören.
                                                                                                                             den in ihrer Nähe, Macht zu teilen käme         Neugier hilft, Interesse zeigen, hingu­
                                                                                                                             ihr nicht in den Sinn. Auch das Zimmer­         cken, beobachten, zuhören, Empathie
                                                                                                                             mädchen Jessie zeigt sich nur solidarisch       entwickeln – für das Leben der anderen.

 			 »Mein Mann ist auf Geschäftsreise und fickt                                                                             mit sich selbst. Wie aber Auswege fin­
                                                                                                                             den, neue Sichtweisen, aus denen neues           Text: Frieda Cossham
                                                                                                                             Verhalten entsteht? Am Ende wird es ja           Illustrationen: Virginie Calvet
seine Sekretärin. Er fickt sie, weil sie blutjung ist,
und sie fickt ihn, weil sie glaubt, dass ihr das                                                                             Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit Eine Überschreibung des Reigens von Arthur

irgendwas nutzt. Wie in einem schlechten Film.«                                                                              Schnitzler, über Begehren, Sex und Macht. Regie: Roland Schimmelpfennig
                                                                                                                             Leuchtfeuer von Nancy Harris, über eine Künstlerin, die Normen der Weiblichkeit verletzt.
Vivian zu Nick in Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit                                                                        Regie: Sophia Bodamer. Beide in der Digitalen Matinee im April   3 im Spielplan
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
16    Reihe 1   ⁄  April 2021                                            Was ist   ⁄  Singen                                         17

Im Bann der
Gemeinschaft:                                                                          Die Einheit
                                                                                       der vielen
Wenn die Fans
des VfB Stuttgart
ihre Mannschaft
zum Sieg singen,
verschmelzen sie
zur machtvollen
Masse

                                                                                       Seit 2500 Jahren zeigen Chöre, wie
                                                                                       Gesellschaften funktionieren.
                                                                                       Im Bösen wie im Guten – bald auch
                                                                                       in der Johannes-Passion

                                                                                                    Am Tag vor Heiligabend erlebt die Alte Försterei
                                                                                                    in Berlin-Köpenick seit 2003 jedes Jahr eine
                                                                                                    seltsame Metamorphose: Das Fußball­stadion
                                                                                                    des 1. FC Union Berlin wird zu einer der größten
                                                                                                    Chorbühnen der Welt. Mehr als 28 000 Men­
                                                                                                    schen strömen an diesem Tag in die Ränge und
                                                                                                    auf den Rasen, um gemeinsam zu singen. Glü­
                                                                                                    hende Fußballfans treffen auf Menschen, denen
                                                                                                    die Kickerei schnurzegal ist. Der eine mag den
                                                                                                    Ton nicht sauber treffen, die andere summt aus
                                                                                                    Textunsicherheit nur mit, doch das scheint
                                                                                                    niemanden zu stören.
                                                                                                           Vereine in ganz Deutschland veranstalten in­
                                                                                                    zwischen solche Weihnachtschöre. Sie machen
                                                                                                    die Stadien zu Kathedralen unserer Zeit, in die
                                                                                                    Menschen unterschiedlichster Herkunft pilgern,
                                                                                                    um sich stimmlich zu vereinen.
                                                                                                           In den Kirchen des Mittelalters bezeichnete
                                                                                                    der Chor vor allem jenen Raum, der den
                                                                                                    ­Hauptaltar umgab und von den Sängern der
                                                                                                     ­Liturgie genutzt wird. Und noch vor zehn,
                                                                                                      ­zwanzig Jahren hatte Chorsingen den Ruf eines
                                                                                                       leicht verstaubten Rituals der Kirchgänger.

                                              Foto: Michael Weber / Alamy Stock Foto
                                                                                                       Heute erheben nach Schätzungen von Experten
                                                                                                       rund vier Millionen Menschen in Deutschland
                                                                                                       regelmäßig im Konzert mit anderen ihre Stimme.
                                                                                                       Chorsingen ist nicht nur im Trend – es ist ein
                                                                                                       gesellschaftliches Massenphänomen.
                                                                                                           Ulrich Rasche, der Regisseur und Bühnen­
                                                                                                       bildner, verknüpft beides: die sakrale und
                                                                                                       die soziale Dimension. Für die Staatsoper
Reihe 1 - April 2021 - Die Staatstheater Stuttgart
18                                                                                                                                                                                       Reihe 1   ⁄  April 2021                              Was ist   ⁄  Singen                            19

                                                                                                                                                                                                     kommt, der verkümmert«, sagt Henning Scherf,         im gemeinsamen, aufeinander achtgebenden
                                                                                                                                                                                                     ehemaliger Bürgermeister von Bremen                  und reagierenden Tun. Dann bilden sie einen Ge­
                                                                                                                                                                                                     und Präsident des Deutschen ­Chorverban­des.         genentwurf zur individualistischen Gesellschaft.
                                                                                                                                                                                                     Dieser »gemeinsame Klang« bedarf freilich            Im Kleinen zeigt der Chor, wie Gesellschaft funk­
                                                                                                                                                                                                     gründlicher Vorbereitung und regelmäßigen            tionieren könnte: als Vielklang von Individuen,
                                                                                                                                                                                                     Übens – dann aber kann er zu großen Glücksge­        die durch ihr solidarisches Tun ein Ziel erreichen,
                                                                                                                                                                                                     fühlen und fast rauschhaften Zuständen führen,       das jedem Einzelnen unerreichbar bliebe.
                                                                                                                                                                                                     wie Chorsängerinnen und Chorsänger immer                 Doch Vorsicht: Der Rausch der Gemeinschaft
                                                                                                                                                                                                     wieder zu berichten wissen. Die physiologi­          kann gefährlich werden. Der Grat zwischen hei­
                                                                                                                                                                                                     schen Ursachen sind erforscht: Die Atmung wird       terem Zusammenspiel und manipulierter Masse
                                                                                                                                                                                                     tiefer und entspannter, der Kreislauf springt        ist schmal. Im Nationalsozialismus wurde der
                                                                                                                                                                                                     an, das Hormon Oxytocin wird vom Gehirn aus­         Chor zum Taktgeber eines tumben Gleich­
                                                                                                                                                                                                     geschüttet – all das trägt zum Hochgefühl bei.       schritts. Filme wie Leni Riefenstahls Triumph
Fast rauschhafte Zustände: Chöre können
                                                                                                                                                                                                         Ihre eigentümliche Kraft und Energie entwi­      des Willens zeigen, wie die Gemeinschafts­
­kollektive Entrückung bieten.                                                                                                                                                                       ckeln Choristen aber erst im Zusammen­wirken,        dröhnung das Einzelwesen auslöschen sollte.
 Wie hier auf einem Festival in London                                                                                                                                                                                                                        Dies ist ein Extremfall, doch stellt sich die
                                                                                                                                                                                                                                                          Frage nach dem Verhältnis zwischen Kollektiv
                                                                                                                                                                                                                                                          und Individuum in jedem Chor immer wieder
                                                                                                                                                                                                     Wenn die Herzen höherschlagen: Schon Kinder          neu: Wie viel Eigenverantwortung trägt der
                                                                                                                                                                                                     spüren die spirituelle Kraft der Gemeinde, etwa in   Einzelne? Ist Individualismus der kollektiven
                                                                                                                                                                                                     einem Kirchenchor                                    Aufgabe zuträglich, oder behindert er das ge­
Stuttgart inszeniert er die Johannes-Passion        schaft und repräsentieren sie im Theater.                                                                                                                                                             meinsame Singen? Auch hier spiegelt der
von Johann Sebastian Bach. Bach erzählt die         Erst Ende des 18. Jahrhunderts gründen sich in                                                                                                                                                        Chor die Gesellschaft im Kleinen: Beim vielstim­
Leidensgeschichte Jesu Christi anhand des           Europa die ersten »freien« Chöre, wie wir sie                                                                                                                                                         migen Singen gilt es, die Interessen zwischen
Bibeltextes, damals bekannter Gemeindelieder        ­heute kennen: als weltliche Vereine, die sowohl                                                                                                                                                      Individuum und Kollektiv auszutarieren.
sowie Arien als eine Gleichzeitigkeit von Viel­      Frauen als auch Männern offen­stehen. Wie                                                                                                                                                                Die kommentierende Funktion des Chors, wie
stimmigkeit und Einheit. Dabei treffen zwei          die Sing-Akademie zu Berlin, die als ältester ge­­                                                                                                                                                   wir sie aus dem antiken Theater kennen, ist
gegnerische Gruppen aufeinander: eine, deren         mischter Chor der Welt gilt. »Jeder Fremde und                                                                                                                                                       übrigens keineswegs tot, das zeigt ein Beispiel
Zweifel an der göttlichen Abstammung Jesu den        jedes hinzutretende Mitglied findet darin etwas,                                                                                                                                                     aus dem November 2015. Um eine Demonstra­
Konflikt in der Gemeinschaft anheizen, und jene,     wo die Tugend gern verweilt«, schwärmt da­                                                                                                                                                           tion der AfD vor dem Staatstheater Mainz zu
die sich mit dem Schicksal Jesu identifiziert.       mals der Leiter der Sing-Akademie, Carl Friedrich                                                                                                                                                    stören, sangen mehr als hundert Mitarbeiter

                                                                                                          Fotos: Barry Lewis / Alamy Stock Foto (links), Dave Bartruff / Alamy Stock Foto (rechts)
Doch obwohl diese zwei Parteien gegeneinander        Zelter. »Aufmerksamkeit ohne sichtbare                                                                                                                                                               des Hauses bei geöffneten Fenstern aus voller
ansingen, bilden sie auch eine Gemeinschaft,         Anstrengung, Schönheit ohne Vorzug, Mannig­                                                                                                                                                          Kehle Beethovens Ode an die Freude. Ob der
ein Ganzes. Rasche nimmt dem Publikum die            faltigkeit aller Stände, Alter und Gewerbe, ohne                                                                                                                                                     Gesang künstlerischen Ansprüchen genügte, sei
Entscheidung nicht ab, sondern stellt beide          affektierte Wahl; Ergötzung an einer schönen                                                                                                                                                         dahingestellt. Jedenfalls war er laut genug,
Positionen zur Debatte, weil beide etwas sehr        Kunst, ohne Ermüdung; jede Vermischung von                                                                                                                                                           um die Partei zur Unterbre­chung ihrer Reden zu
Menschliches haben.                                  Geschlechtern, gleich einem Blumengarten.«                                                                                                                                                           zwingen. Die Polizei k­ annte allerdings keinen
   Die Idee des Chors reicht weit zurück in die          Das klingt fast nach einer Utopie. Und                                                                                                                                                           Spaß: Nach mehrmaliger Ermahnung stellte sie
Vergangenheit – und ist so vielstimmig wie           tatsächlich fanden sich bei der Gründung 1791                                                                                                                                                        eine Strafanzeige gegen die Choristen. Dabei
das, was sie benennt. In der griechischen Antike     längst nicht alle Vertreter der Gesellschaft im                                                                                                                                                      taten die Theatermitarbeiter nur, was die alten
steht der Chor zum einen für einen Tanzplatz,        Chor wieder. Doch Zelter umriss die Möglichkeit,                                                                                                                                                     griechischen Dichter sich von einem Chor
später für den Tanz selbst, die »choreia«, deren     die jedem Chor bis heute innewohnt: eine Grup­                                                                                                                                                       gewünscht hatten: Sie mischten sich ein und
Ablauf die Choreographie beschreibt. Zum an­         pe, die Alters-, Klassen- und Geschlechtergren­                                                                                                                                                      kommentierten das Geschehen auf der Bühne.
deren wird der Begriff für eine Gruppe verwendet,    zen transzendiert, zusammengehalten von dem                                                                                                                                                          Nur stand diese nicht im Theater, sondern
die vom Tanzplatz aus das Bühnengeschehen            brennenden Wunsch, gemeinsam zu singen.                                                                                                                                                              mitten in der Stadt. Der Chor als gesellschaft­
kommentiert. Der antike Chor bestand aus Bür­            »Wer nicht mehr bemerkt, wie die eigene                                                                                                                                                          licher Ort von Sinnlichkeit und Sinnstiftung.
gern der griechischen Stadtstaaten – diese Men­      Stimme funktioniert und wie man zusammen
schen kommen also aus der Mitte der Gesell­          mit anderen einen gemeinsamen Klang hinbe­                                                                                                                                                           Text: Martin Reischke
20                                             Reihe 1   ⁄  April 2021                    21                                         Was ist   ⁄  Singen

                                               Singen im Schichtbetrieb                   »Der erste Lockdown kam mitten im
                                                                                          Probenprozess für eine Opernproduk­
                                                                                                                                     Die großen Abstände sind für den Chor
                                                                                                                                     ein Problem. Die Leute hören nur
                                                                                          tion. Wir saßen in unserem großen          sich selbst und vielleicht noch einen
                                               Nah beieinander stehen und singen?         Chorsaal und mussten die 74 Choristen      Kollegen, so wird das gemeinsame

                                               Kaum etwas hat Corona so über den Haufen   nach Hause schicken. Zunächst haben
                                                                                          sie im Heimstudium am Repertoire
                                                                                                                                     Singen unheimlich schwer.
                                                                                                                                         Im vorigen Sommer waren wir einer
                                               geworfen wie den Chorgesang.               ­weitergearbeitet, dann habe ich mit       der ersten Opernchöre, die wieder ein
                                                                                           jedem besprochen, wie eine Rück­          Konzert im Opernhaus gegeben haben,
                                               Doch die Staatsoper Stuttgart ist findig    kehr zum Probenbetrieb im Opernhaus       und dann natürlich weitere draußen
                                                                                           aussehen könnte.                          ­unter freiem Himmel. Es war schön,
                                                                                              Später haben wir ein Hygiene­           dass wir das machen konnten, aber als
                                                                                           konzept entwickelt, das wir bis heute      Chordirektor habe ich auch eine Verant­
                                                                                           beibehalten: Wir können nur proben,        wortung für die ganze Gruppe. Manche
                                                                                           wenn wir links und rechts mindestens       Kollegen sind gesundheitlich besonders
                                                                                           drei Meter Abstand voneinander haben       gefährdet und haben Angst vor dem
                                                                                           und sechs Meter nach vorn, in die          Virus, andere gehen mit der Situation
                                                                                           Richtung, in die wir singen. In unserem    gelassener um. Da immer die richtige
                                                                                           Chorsaal, in dem wir sonst mit bis zu      Balance zu finden, also zu musizieren,
                                                                                           120 Choristen üben, konnten wir dann       aber auch die Sicherheit der Choris­
                                                                                           noch mit maximal neun Sängern pro­         ten nicht zu gefährden – das ist eine
                                                                                           ben. Das war sehr ernüchternd. Später      große Herausforderung. Ich bin sehr
                                                                                           haben wir einen größeren Raum be­          glücklich darüber, dass uns das bisher
                                                                                           kommen, in dem wir mit 36 Choristen        gemeinsam so gut gelungen ist.«
                                                                                           proben dürfen. Den nutzen wir jetzt im
                                                                                           Schichtsystem mit einzelnen Gruppen.      Protokoll: Martin Reischke
 Wir waren einer
der ersten Chöre,
die wieder ein
Konzert gegeben
haben

Manuel Pujol,
Leiter des
Staatsopern­
chors Stuttgart

Spektakuläre
­Massenaufgebote
 des Staats­
 opernchors wie hier
 in Boris sind
 hoffentlich bald
 wieder möglich
                        Fotos: Matthias Baus

Johannes-Passion
Premiere am 24. April
   4 im Spielplan
22   Reihe 1   ⁄  April 2021                               Was ist   ⁄  Feiern                                             23

                                                           Digital macht’s möglich:
                                                           Musik und Theater mit dem Trubel
                                                           im Foyer kurz vor der
                                                           Vorstellung zu verbinden

                                                            Es wurde              »Das Ganze hätte auch glorios scheitern
                                                           getanzt, flaniert,     können. Oder, schlimmer, es hätte wahnsin­
                                                           gelacht und sogar
                                                           geflirtet – digital!   nig langweilig werden können. Das analogs­
                                                                                  te aller Formate, einen Opernball, ins Netz
                                                           Johannes
                                                           Lachermeier,           zu holen – diese Idee lag zunächst nicht
                               Garderobe
                                                           Direktor Kom­          nah. Aber es geschah am Faschingsdienstag
                                                           munikation der         und wurde eine rauschende Ballnacht. Da
                                                           Staatsoper
                                                                                  wurde getanzt, gelacht, flaniert, geplaudert
                                                           Stuttgart
                                                                                  und, so hört man hie und da, sogar geflir­
                                                                                  tet – digital! Eine Teilnehmerin schrieb: ›Ich
                                                                                  bin mit so vielen Leuten zwanglos in Kon­
                                                                                  takt gekommen, wie ich es bisher in einer
                                                                                  Theaterpause noch nie erlebt habe.‹
                                                                                      Nun wollen wir diesen Weg mit Ihnen
                                           Zuschauerraum                          noch ein Stück weitergehen: Am 11. April
                                                                                  möchten wir einen Tag rund um Richard
                                                                                  Strauss’ Ariadne auf Naxos zelebrieren. Es
                                                                                  wird am Abend einen Livestream der kon­
                                                                                  zertanten Aufführung aus dem Forum am
          Hinterbühne                                                             Schlosspark in Ludwigsburg geben, mit dem
                                                                                  Ensemble der Staatsoper und dem Staats­
                                                                                  orchester Stuttgart unter Cornelius Meister.
                                                                                      Aber da wird noch mehr sein: Treffen
                                                                                  Sie die Mitwirkenden im Vorfeld im digita­
                                                                                  len Foyer, kommen Sie mit anderen Zu­
                                                                                  schauern ins Gespräch, erleben Sie Molières
                                                                                  ­Bürger als Edelmann, das ›Vorspiel‹ der
                                                                                   Ariadne-­Uraufführung von 1912 in Stuttgart,
                                                                                   und kommen Sie mit hinter die Kulissen.
                                                                                   So sehr wir das hautnahe Liveerlebnis mit
                                                                                   Ihnen vermissen: Der digitale Raum birgt
                                                                                   Möglichkeiten, von denen auch wir bisher
                                                           Im Grundriss            noch nicht wussten, wie bereichernd sie sein
                                                           des Opernhauses         können. Wir freuen uns auf viele außerge­
                                                           treffen sich            wöhnliche Begegnungen mit Ihnen!«
                                                           Menschen virtuell
                                                           – und können
                                                           miteinander ins        Der Bürger als Edelmann/Ariadne auf Naxos
                                                           Gespräch kommen        11. April 2 im Spielplan
24                             Reihe 1   ⁄  April 2021   Was kommt   ⁄  Tanzen                        25

                                                         Ta
Ludwig van Beethoven
gilt als Universalgenie der
klassischen Musik.
­Dennoch schrieb er nur eine
 Komposition für Ballett

                                                         Ta
                                                         Ta
                                                         Taaaanz!

                                                         Beethoven und Ballett, das geht nicht zusammen,
                                                         hieß es lange. Die Choreographen Mauro Bigonzetti
                                                         und Hans van Manen beweisen das Gegenteil
26                     Reihe 1   
                              ⁄  							 April2021                                                         Was kommt   ⁄  Tanzen                                                                                                       27

Italiens re­
nommiertester                                                                                              »Beethovens Musik ist so stark, tief,
Choreograph,
Mauro                                                                                                      expressiv. Sie spricht regelrecht zu uns.
­Bigonzetti (61),
 in Rom geboren                                                                                            Das ist wunderbar für den Tanz!«
 und aufge­                                                                                                Mauro Bigonzetti
 wachsen, liebt
 das Extreme in
 der Musik

                                                                                                                              zu einem Satz der Sonate op. 106, und Mauro             ein sehr schlechter Tänzer gewesen sein. All das
                                                                                                                              Bigonzetti, der Meister der Sinnlichkeit, der für       ist das Gegenteil von Anmut. Vielleicht schrieb
                                                                                                                              diesen Abend eine Uraufführung zu drei Klavier­         ­Beethoven deswegen mit Die Geschöpfe des
                                                                                                                              sonaten Beethovens beisteuert.                           Prome­theus nur eine einzige Ballettmusik?
                                                                                                                                                                                           Es gibt auch rein musikalische Gründe, die Ba­
                                                                                                                              Verdikt mit großer Wirkung                               lanchine zu seinem Urteil verleitet haben könnten.
                                                                                                                              Offenbar kann man also doch sehr gut zu Beet­            Beethoven arbeitete wie kein Zweiter an der Ver­
                                                                                                                              hoven choreographieren. Was aber, wenn wir               dichtung der Musik, lotet sie in ihre Extreme aus.
                                                                                                                              ­Balanchines Satz, der zur »urban legend« wur­           Das Fortepiano oder Hammerklavier, die Urform
                                                                                                                               de, für einen Moment ernst nehmen? Welche               des heutigen Klaviers, setzte sich erst um 1800
                                                                                                                               Argumente sprechen dagegen, dass Beethovens             durch. Der 1770 geborene Beethoven war von
                                                                                                                               Werk vertanzt werden kann? Wenn man sich an             der neuen Musiktechnologie begeistert. Erstmals
                                                                                                                               Klischees hält (an denen ja immer etwas dran ist),      konnte man sehr dynamisch spielen – kraftvoll
                                                                                                                               leuchtet es sofort ein: Beethoven ist in der Musik­     laut, aber auch lyrisch und sanft. Beethovens Mu­
                                                                                                                               geschichte der Unbändige, einer, der sich – anders      sik brüskiert Erwartungen, sie lebt von den Extre­
                                                                                                                               als seine Vorgänger auf dem Olymp der Wiener            men, von dynamischen Wechseln, schroffen Erup­
                                                                                                                               Klassik, Haydn und Mozart – frei gemacht hat von        tionen, dann wieder verspielten, leisen Passagen.
                                                                                                                               den Anstellungen an Fürstenhöfen, um seiner
                                                                                                                               Subjektivität künstlerischen Ausdruck zu verlei­       Ein Italiener liebt das Expressive
                                                                                                                               hen. Der absolute Künstler, dem nichts hinzuzu­        Der Choreograph Mauro Bigonzetti freut sich über
                                                                                                                               fügen ist – auch kein Tanz. Das Ta ta ta taaaa         die unbändige Kraft und die Extreme, die in Beet­
                                                                                                                               seiner Fünften Sinfonie oder der Anfang seines         hoven stecken. »Ich weiß, viele sagen, man kann
                                                                                                                               Klavierstücks Für Elise sind Teil unseres akusti­      Beethoven nicht gut tanzen«, erklärt er. »Aber das
                                                                                                                               schen Weltwissens.                                     stimmt für mich nicht. Beethovens Musik ist so
                                                                                                                                  Genau darauf bezog sich George Balanchine:          stark, tief, expressiv. Sie spricht regelrecht zu uns.
                                                                                                                               »Beim Hören von Komponisten wie Beethoven              Das ist wunderbar für den Tanz!« Schon in einem
                                                                                                                               und Brahms hat jeder Zuhörer seine eigenen Vor­        seiner ersten Werke choreographierte Bigonzetti
                                                                                                                               stellungen, malt sich selbst ein Bild davon, was       Beethovens letztes Streichquartett. Heute nimmt
Es gibt Sätze, die ein Eigenleben entwickeln. So   John Neumeier brachte erst fünfzig Jahren nach                              die Musik darstellt … Wie kann ich als Choreo­         er sich drei Sonatensätze vor: »Diese Musik passt
ist es mit diesem Satz des großen Choreographen    seinem Debüt sein erstes abendfüllendes Beet­                               graph versuchen, einen tanzenden Körper in ein         zur Einsamkeit«, sagt Bigonzetti, »gerade in dieser
George Balanchine: »Der Tanz sollte den Beetho­    hoven-Ballett auf die Bühne. Uwe Scholz’ Choreo­                            Bild zu pressen, das bereits im Kopf des Zuschau­      weltweiten Situa­tion. Wir müssen heute alle un­
ven in Ruhe lassen, zu seiner Musik kann man       graphie zur Siebten Sinfonie blieb eine Ausnahme.                           ers existiert? Es wird einfach nicht funktionieren.«   sere Intimität neu entdecken – und diese Musik
nicht choreographieren.« Es scheint, als würden       Nun stellt sich ein Ballettabend dem Verdikt                                Beethoven gilt als sperrig, ungestalt, dazu         macht das fühlbar. Für Beethoven sollte man neu
diese Worte seit Jahrzehnten zwischen Bühnen       Balanchines entgegen. Für Beethoven-Ballette                               passen auch die Details aus seinem Leben: le­           hören lernen, dann hört man etwas sehr Beson­
und Ballettsälen widerhallen, denn tatsächlich:    treffen sich drei K
                                                                     ­ ünstler, Beethoven selbst, Grand­                       benslang unverheiratet, kinderlos, Schwärmer           deres, etwas Ur-Menschliches.«
Zu Beethoven wird weniger getanzt als zur Musik    seigneur Hans van ­Manen, der 1971 die Große                                und Salonlöwe, isoliert in Taubheit, vorgedrun­           Die Sonatensätze, die Bigonzetti für den Stutt­
anderer Komponisten. John Cranko etwa hat kein     Fuge choreographierte auf den Streichquartett-                              gen in bislang unbekannte Klangwelten, schwie­         garter Abend ausgewählt hat, stehen geradezu
einziges Ballett zu Beethoven choreographiert.     Satz op. 133 und 1973 Adagio Hammerklavier                                  rig im Umgang. Der Überlieferung nach soll er          exemplarisch für den Charakter Beethovens – als
28             Reihe 1   ⁄  April 2021                                                                     Was kommt   ⁄  Tanzen   29
»Meine Große Fuge ist fünfzig Jahre alt.
­Damals fand man Beethoven völlig                                                                          Der 88-jährige

 ­un­interessant. Ich natürlich nicht. Und heute                                                           ­Niederländer
                                                                                                            Hans van ­Manen

  wird sie immer noch überall getanzt«                                                                      gilt als einer
                                                                                                            der ­wichtigsten
Hans van Manen                                                                                              ­Er­neuerer des
                                                                                                             modernen Balletts

wollte der Choreograph genau das umarmen, was         entschlossenen Schritte der Tänzer scheinen zu
anderen als untanzbar gilt. Das Andante aus der       verschmelzen, es ist, als hätte Beethoven eigens
vorletzten Klaviersonate op. 109 etwa ist mit »Ge­    für van Manens Bewegungen komponiert.
sangvoll, mit innigster Empfindung« überschrie­          Auch für sein Adagio Hammerklavier kam van
ben, zieht aber immer wieder urplötzlich das          Manen der Zufall zu Hilfe: Er hörte das Stück bei
Tempo an – auf einmal ändert sich die Stimmung        einem Freund in der Interpretation des Pia­nisten
des Stücks in »allegro vivace«, also: jagend. Eine    Christoph Eschenbach. Ihm gefiel die ungewöhn­
große Herausforderung für Pianisten, und für Tän­     lich langsame Auslegung, bis heute muss sich
zer umso mehr. Doch Bigonzetti versteht es, Ge­       jede Ballettaufführung an das Zeitmaß Eschen­
gensätze zu vereinen, in seinen Choreogra­phien       bachs halten, der für diesen Sonatensatz volle
wechselt er rasch von verspielten, fast revuearti­    24 Minuten braucht – während andere Pianisten
gen Passagen hin zu tiefen, leidenschaftlichen.       ihn in einer Viertelstunde einspielen.
                                                         In diesen beiden Stücken zeigt sich wieder die
Der große van Manen denkt eigenwillig                 Bandbreite von Beethovens Musik: Zur Großen
Der Choreograph Hans van Manen gehört zu den          Fuge mit ihren attackierenden Rhythmen spielt
wenigen, die zu Beethoven choreographiert ha­         van Manen nah am Modern Dance – das zarte
ben, gleich zwei seiner kanonischen Werke sind        Adagio der Hammerklavier-Sonate übersetzt er
zu dessen Musik entstanden: Große Fuge und            tänzerisch in Ruhe und Balance.
Adagio Hammerklavier. Er hat von Balanchines             Van Manens Begeisterung für Beethovens
Satz erst gehört, als diese Stücke fertig waren:      Musik ist noch immer spürbar. »Stellen Sie sich
»Hätte ich ihn vorher gekannt, hätte ich vielleicht   vor«, sagt er, »meine Große Fuge ist fünfzig Jahre
einen Moment gezögert – und es dann trotzdem          alt. Damals fand man Beethoven völlig uninte­
getan«, erzählt er.                                   ressant. Ich natürlich nicht. Und heute wird sie
   Als er 1968 zum ersten Mal die Große Fuge bei      immer noch überall getanzt.« Wer weiß, vielleicht
Freunden in Köln hörte, war er sofort fasziniert –    hätte George Balanchine nach ein paar Stunden
und keineswegs eingeschüchtert von der immer          mit van Manen und Bigonzetti im Ballettsaal sei­
wieder vermittelten Größe und Bedeutsamkeit           ne Meinung geändert und uns doch mit einem
dieser Musik: »Ich fand so fantastisch, was ich       Beethoven-Ballett beschenkt.
hörte. So abstrakt! Ich habe sie viermal an dem
Tag gehört und die Platte direkt mit nach Ams­        Text: Jana Petersen und Thomas Lindemann
                                                      Illustrationen: Xaviera Altena
terdam genommen.« Er wusste: Diese Musik will
Tanz werden. Schon in den ersten Schritten sei­       Beethoven-Ballette
ner Choreographie widerlegt van Manen Balan­          Hans + Mauro + Ludwig
chine: Die satten, aggressiven Streicher und die      im Monat April  1 im Spielplan
Gute Freunde                                                                              30        31                     Reihe 1   ⁄  April 2021                                               Was bleibt  ⁄  Fördern

Kunst braucht Freundschaft, damit sie sich entfalten                                                                                                                          Intendant Tamas
                                                                                                                                                                              Detrich und

kann. Ariane Piëch, Leiterin des Freundeskreises                                                                                                                              Ariane Piëch bei
                                                                                                                                                                              der Benefizgala

des Stuttgarter Balletts, und Intendant Tamas Detrich                                                                                                                         zugunsten des
                                                                                                                                                                              Neubaus der John

leben es vor                                                                                                                                                                  Cranko Schule
                                                                                                                                                                              2015, im Hinter­
                                                                                                                                                                              grund der Direktor
                                                                                                                                                                              der Schule,
                                                                                                                                                                              Tadeusz Matacz

Frau Piëch, Herr Detrich, wie lange kennen Sie sich eigentlich?                                                            duktionen, um Gastcompagnien nach Stuttgart einzuladen
Tamas Detrich: Gefühlt ein Leben lang.                                                                                     und für unsere Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Ich bin
Ariane Piëch: Seit ungefähr dreißig Jahren.                                                                                wirk­lich glücklich, in einer Stadt und einem Bundesland zu
Haben Sie sich übers Stuttgarter Ballett kennengelernt?                                                                    ­arbeiten, die uns unterstützen. Aber unser Budget reicht nicht
Piëch: Nein, gar nicht. Ich habe Tamas und seine Frau Marion                                                                für alles.
­Jäger in der Stadt gesehen und zu meinem Mann gesagt, die                                                                 Was bekommt man als Unterstützer*in zurück?
 beiden bewegen sich so elegant, sie müssen Tänzer sein. Ich                                                               Detrich:Blicke hinter die Kulissen, Probenbesuche, Begegnun­
 hab’ sie einfach angesprochen, wir hatten sofort eine Verbindung.                                                         gen. Ich möchte die Menschen einbeziehen, ihnen Einblicke
Jetzt vertreten Sie den Freundeskreis des Stuttgarter Balletts. Welche Ziele haben Sie?                                    gewähren, sie mitreißen.
Piëch:  Wir wollen Mitglieder dazugewinnen, vor allem Junge                                                                Piëch: Diese Nähe zur Compagnie ist eine starke Motivation. Mitt­
Freunde – die nächste Generation des Publikums – und Mäze­                                                                 lerweile erkenne ich fast alle Tänzerinnen und Tänzer sofort auf
ne. Und natürlich wollen wir bald wieder Zusammenkünfte mit                                                                der Bühne. Da übertragen sich die Emotionen eines Stücks viel
Tänzerinnen und Tänzern sowie eine Führung für die Menschen,                                                               stärker. Außerdem setzt man sich für die Kultur der Stadt ein.
die den Bau der John Cranko Schule unterstützt haben. Eine                                                                 Engagierte Bürgerinnen und Bürger sind extrem wichtig. Sie
­Benefizgala war nämlich eines meiner ersten Projekte: im Jahr                                                             ­zeigen, was eine Gesellschaft braucht und will. Interview: Hiltrud Bontrup
                                                                                               Foto: Stuttgarter Ballett

 2015 zugunsten des Neubaus der John Cranko Schule.
 Detrich: 500 Mitglieder zählt der gesamte Förderverein, 5000                                                              Interessieren Sie sich für Tanz und Spitzenkunst? Werden Sie Mitglied
                                                                                                                           im Freundeskreis des Stuttgarter Balletts! Alle Infos zum Förderverein finden Sie hier:
 wären ein Traum! Wir brauchen Unterstützung für große Pro­                                                                www.foerderverein-staatstheater-stgt.de/freundeskreisballett
32                                                                                 33        Onlinespielplan April 2021
                                                                                                     Onlineangebote
Liebes Publikum,                                                                                                                                      11              Der Bürger als Edelmann /
                                                                                                                                                                      Ariadne auf Naxos
                                                                                                                                                      So
                                                                                                                                                                Konzertante Aufführung der Suite zu Molières
                                                                                           1                   Lunchkonzert                                     Schauspiel und Richard Strauss’ Oper aus
wir planen in bewegten Zeiten: Als dieses Heft                                             Do            Musikalisches Überraschungsprogramm                    dem Forum am Schlosspark sowie weitere
                                                                                                                                                                Aktionen rund um das Thema Ariadne
in Druck ging, bestand die Möglichkeit, dass                                                             mit Musiker*innen des Staatsorchesters
                                                                                                         Stuttgart während der Mittagspause               2
                                                                                                                                                      S. 22
                                                                                                                                                                Musikalische Leitung Cornelius Meister
                                                                                                                                                                14–21 Uhr
wir im April unter neuen Auflagen vor                                                                    13.15–13.45 Uhr
                                                                                                         Weitere Termine: 8., 15., 22., 29. April
                                                                                                                                                                      Digitale Matinee
Publikum singen, tanzen und spielen dürfen.                                                              Das Lyriktelefon                                       zu Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit
                                                                                                         Schauspieler*innen rufen an und lesen            3     und Leuchtfeuer
                                                                                                         Gedichte vor. Eine Kooperation mit dem       S. 8      11 Uhr
Sollte das wirklich möglich werden, finden Sie                                                           Deutschen Literaturarchiv Marbach
                                                                                                         täglich ab 17 Uhr, Buchung im Online-Shop    12              Wer ist wir?
alle Termine auf unseren Websites.                                                                             Die Liebe zu drei Orangen
                                                                                                                                                      Mo        Gesprächsreihe über gemeinsame Identität
                                                                                                                                                                mit Expert*innen aus Kunst und Wissenschaft
                                                                                                         Sergej Prokofjews Oper, inszeniert von                 20–21.30 Uhr

Unser Onlineprogramm finden Sie auf                                                                      Axel Ranisch als großes Pixelspektakel für
                                                                                                         die ganze Familie
                                                                                                                                                      Di, 13.
                                                                                                                                                      Mi, 14.
der Seite rechts, es ist für Sie vorbereitet und                                                               Glaube, Liebe, Hoffnung                Do, 15.

wird in jedem Fall stattfinden.                                                                          8 Stationen vom Himmel durch die
                                                                                                         Welt zur Hölle
                                                                                                                                                      16              Le nozze di Figaro
                                                                                                                                                      Fr        W. A. Mozarts Meisterwerk und tiefsinnige
                                                                                                         Alles was schweigt,                                    Opernkomödie, inszeniert von Christiane Pohle
Aktuelle Informationen finden Sie zusätzlich                                                             geht irgendwann kaputt                                 Stream, Watchparty (16. April)
                                                                                                                                                                und Nachgespräch (28. April)
                                                                                                         Videoinstallation am Opernhaus
auf unseren Websites.                                                                                    19–20.30 Uhr, täglich                        Sa, 17.

                                                                                                               Beethoven-Ballette                    18              Noverre: Junge Choreographen
                                                                                                               Hans + Mauro + Ludwig                  So        Premiere
                                                                                                         Premiere                                               Uraufführungen von Tänzer*innen
                                                                                                         Hans van Manens Adagio Hammerklavier                   des Stuttgarter Balletts
                                                                                                         und Große Fuge sowie eine Uraufführung                 18–19.15 Uhr als Livestream
                                                                                                         von Mauro Bigonzetti
                                                                                                                                                      Mo, 19.
                                                                                               1         zu Musik von Ludwig van Beethoven
                                                                                           S. 24         19–21.15 Uhr als Livestream                  Di, 20.
                                                                                                                                                      Mi, 21.
                                              Karten & Information
                                              Telefonischer Kartenservice
                                                                                           2                   Parsifal                               Do, 22.
                                                                                           Fr            Richard Wagners Bühnenweihfestspiel          Fr, 23.
                                              0711.20 20 90
                                                                                                         in der aufsehenerregenden Inszenierung
                                              Montag bis Mittwoch 10 bis 14 Uhr
                                              Donnerstag 14 bis 18 Uhr                                   von Calixto Bieito                           24              Johannes-Passion
                                              Freitag 10 bis 14 Uhr                                      Stream, Watchparty (2. April),               Sa        Premiere
                                                                                                         Nachgespräch (14. April)                               J. S. Bachs Oratorium als Reflexion über
                                              www.staatstheater-stuttgart.de
                                                                                           Sa, 3.                                                               die ­Verstrickung der Einzelnen mit der Welt
                                                                                                                                                          4     von Ulrich Rasche
                                                                                           So, 4.                                                     S. 16     19 Uhr
                                                                                           Mo, 5.
                                              Die Newsletter der Staatstheater Stuttgart                                                              So, 25.
                                              Halten Sie sich auf dem Laufenden
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                                                                                                                                                      26              Konzert im Wizemann
                                                                                           Di            Schauspieler*innen rufen an und lesen
                                              www.staatstheater-stuttgart.de                             Gedichte vor. Eine Kooperation mit dem       Mo        mit dem Staatsorchester Stuttgart
                                                                                                         Deutschen Literaturarchiv Marbach                      Musikalische Leitung: Gábor Káli
                                                                                                         Di–Do, ab 16 Uhr                                       20-21.15 Uhr
                                              Folgen Sie uns in den sozialen Netzwerken    Mi, 7.                                                     Di, 27.
                                                                                           Do, 8.                                                     Mi, 28.
                                              Oper                                         Fr, 9.                                                     Do, 29.
                                              Ballett
                                                                                           Sa, 10.                                                    Fr, 30.
                                              Schauspiel
34                  Reihe 1   ⁄  April 2021                                                                                           Ausgraben                                                      Deine Ausbildung bei den Staatstheatern –
                                                                                                                                                                                                     alles andere ist nur Show.
Das Ding: Harmonium
Bei uns steht das Original, das 1912 für die
Uraufführung der Oper Ariadne auf Naxos gebaut
wurde. Jetzt kommt es wieder zum Einsatz

                                                                             willigkeit des Instruments. Es verhält sich etwas
                                                                             tückisch. Beim Spielen tritt man mit zwei Pedalen
                                                                             durchgehend einen Blasebalg, der Luftstrom er­
                                                                             zeugt die Töne. Trete ich nur ein wenig schneller,
                                                                             werden die lauter – das kann man wunderbar ge­
                                                                             zielt einsetzen, oder man verdirbt aus Versehen
                                                                             den Sound. Außerdem verwirrt das Harmonium
                                                                             die Kollegen im Orchester, es ist tiefer gestimmt
                                                                             als heute üblich. Vor 109 Jahren spielten Orches­
                                                                             ter eben etwas tiefer.
                                                                                 Die Oper Ariadne auf Naxos wurde 1912 am
                                                                             Stuttgarter Hoftheater uraufgeführt. Unser Har­
                                                                             monium ließ der Komponist Richard Strauss ei­
                                                                             gens dafür anfertigen, von einem Stuttgarter In­
                                                                             strumentenbauer. Harmonien waren damals in
                                                                             Mode, um 1900 wurden mehr verkauft als Klavie­
Christopher Schumann, Solo-Repetitor: »Manch­                                re. Kaum vorstellbar, heute gibt es fast keine mehr.

                                                                                                                                                               Illustration: Jan Robert Dünnweller
mal sage ich zu meinen Kollegen, ich muss wieder                                 Bei Richard Strauss passt das gute alte
auf den heißen Stuhl, das bedeutet, ich darf Har­                           ­Harmonium. Es bietet eine weiche, zurückhal­
monium spielen. Meist spiele ich an der Staats­                              tende Klanggrundierung, und das war Strauss
oper Klavier, aber oft werde ich zum Tastendienst                            wichtig, damit die Singstimmen gut zu verstehen
eingeteilt und bediene Celesta, Cembalo oder das                             sind. Bei dieser Oper ist meine Klangfarbe sogar
Harmonium. Das mit dem heißen Stuhl liegt nicht                              besonders präsent – sie kommt immer dann,
an der Sitztemperatur, sondern an der Eigen­                                 wenn Ariadne singt.«

Impressum                         Konzept Bureau Johannes Erler
                                  & Grauel Publishing GmbH
                                                                         Gestaltung Virginie Calvet,
                                                                         Lina Stahnke
                                  Beratung der Herausgeber               Anzeigen Sandra Lackinger
                                  Johannes Erler, Ralf Grauel            anzeigen@staatstheater-stuttgart.de
Herausgeber                       Redaktion Thomas Lindemann (Ltg.),     Druck westermann DRUCK | pva,         Hauptsponsor des         Partner der
Die Staatstheater Stuttgart       Hiltrud Bontrup, Carsten Jasner,       Braunschweig                          Stuttgarter Balletts     Staatsoper Stuttgart
Geschäftsführender Intendant      Jana Petersen, Martin Reischke;        Erscheinungsweise 1× monatlich
Marc-Oliver Hendriks             ­Christoph Kolossa
Intendant Staatsoper Stuttgart    Redaktion für Die Staatstheater        Hausanschrift
Viktor Schoner
Intendant Stuttgarter Ballett
                                  Stuttgart ­Johannes Lachermeier,
                                  Ingo Gerlach, Claudia Eich-Parkin
                                                                         Die Staatstheater Stuttgart
                                                                         Oberer Schlossgarten 6
                                                                                                                                                                                                                           Wir suchen Auszubildende in den Bereichen Kostüm,
Tamas Detrich
Intendant Schauspiel Stuttgart
                                  (Oper); Vivien Arnold, Pia Boekhorst
                                  (Ballett); Carolina G
                                                      ­ leichauf,
                                                                         70173 Stuttgart                                                                                                                                   Technik, Verwaltung und Werkstätten – jetzt bewerben!
Burkhard C. Kosminski             Ingoh Brux (Schauspiel)                www.staatstheater-stuttgart.de                                                                                                                    www.staatstheater-stuttgart.de/karriere
Karten 0711.20 20 90
Abonnements 0711.20 32 220

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