SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester

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SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
SIEBZEHN Das Magazin des Stuttgarter Kammerorchesters

     Der Drang, miteinander zu spielen
4
     – Katia und Marielle Labèque

     Passion
6
     – Dr. Joel Berger und Jan Bjøranger

     Ein Jahr im Zeichen Beethovens
8
     – Gottlieb Wallisch

     Musik ist die unfassbarste
10
     Kunst überhaupt
     – Manuel Hidalgo

     Eine neue Messe mit
12
     Gesualdo: Bruckner
     wäre begeistert!
     – Thomas Zehetmair

                                           März 2020
SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
Im September 2020 feiert das Stuttgarter Kammerorchester sein 75-jähriges Bestehen.
1945 von Karl Münchinger gegründet, begeistert das SKO seitdem mit zahllosen Konzerten
rund um die Welt. Das Jubiläumsjahr hält einige Highlights für Sie bereit. Neugierig?

        DIE WELT DES SKO
        Im Jubiläumsjahr erscheint ein umfangreicher Bildband mit Fotos von Reiner Pfisterer,
        der das Stuttgarter Kammerorchester seit zehn Jahren begleitet.

        JUBILÄUMSWOCHENENDE IM SEPTEMBER
        Am 18.09.2020 spielt das Stuttgarter Kammerorchester im StadtPalais - Museum für Stuttgart
        erneut das Programm seines Gründungskonzerts vom 18.09.1945. Umrahmt wird der musikalische
        Abend von Zeitzeugenberichten und der Vorstellung des Bildbands von Reiner Pfisterer.

        Am 19.09.2020 findet unter der Leitung von Chefdirigent Thomas Zehetmair das große
        Jubiläumskonzert im Beethoven-Saal der Liederhalle statt.

        UND NOCH VIELES MEHR ...
        Freuen Sie sich darüber hinaus auf weitere Jubiläumsaktionen wie Uraufführungen,
        Education-Projekte, Konzerte an besonderen Orten, etc. ...

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SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
Liebes Publikum,
auch wenn die eigentlichen Feierlichkeiten erst im Herbst stattfinden,   goldene Schallplatte, verliehen 1969 für über eine Million verkaufte
erlauben Sie mir bitte einen kleinen Vorgriff. 75 Jahre können je nach   Exemplare. Außerdem ein paar hundert Aufnahmen, darunter die Ge-
Betrachtungsweise „alt“ oder „jung“ bedeuten. Der Eishai erreicht ein    samtaufnahme der Haydn-Sinfonien.
Alter von 400 Jahren, Beethoven feiert seinen 250. Geburtstag und
das Stuttgarter Kammerorchester sein 75-jähriges Bestehen. Das SKO       Diesem Pioniergeist und dem Anspruch, höchste Qualität anzustre-
ist mit seinen 75 Jahren das älteste Kammerorchester weltweit, aber      ben, fühlen wir uns verpflichtet, sie gehören zur DNS des Orchesters.
gleichzeitig noch ein echter Jungspund (siehe Eishai).                   Altes Repertoire wiederentdecken, einen neuen Blick auf Bekanntes
                                                                         werfen, Neues in Auftrag geben und die Digitalisierung mit KI, VR,
Kammerorchester sind, anders als Eishaie, einem oft kurzfristigen        Hologramm­-Konzerten vorantreiben: Es bleibt viel zu entdecken!
Entstehungs- und Verfallsprozess ausgesetzt. Dass es in Stuttgart zu
dieser langen ununterbrochenen Tradition kommen konnte, hat mit          Lassen Sie uns gemeinsam die 75 Jahre feiern, auf das SKO und Beet-
der einzigartigen Geschichte des Orchesters zu tun.                      hoven anstoßen und auch den Eishaien alles Gute wünschen.

Bald nach dem ersten Konzert am 18. September 1945 war der unerhört      Bis bald im Konzert
neue Klang des Orchesters unter Gründungsdirigent Karl Münchinger
international gefragt. Die radikale Verschlankung der Besetzung sorg-    Ihr Markus Korselt
te für einen transparenten und gleichzeitig energiegeladenen Klang.      Geschäftsführender Intendant
17 Solisten vereint durch die Begeisterung zur Kammermusik.

Konzerte auf allen Kontinenten wurden gespielt. Nicht selten war das
SKO das erste klassische Orchester in diesen Ländern. Auf unseren
Asien-­Reisen werde ich heute noch von Menschen angesprochen, die
seit den 50er Jahren dort kein Konzert verpasst haben. Viele Program-
me sind auf Tonträgern dokumentiert: In meinem Büro steht eine

      SCHON GEHÖRT?
      INTERNATIONALE KONZERTREISEN

        Im Mai tourt das Stuttgarter Kammerorchester mit
        dem Pianisten Gottlieb Wallisch durch China und gibt
        u. a. Konzerte in Peking und Shanghai.

      MUSIC GAMES

        In Kooperation mit dem Internationalen Trickfilmfesti-
        val veranstaltet das Stuttgarter Kammerorchester die-
        ses Jahr seinen zweiten Music Game Jam zum Thema
        „Klangfarben“.

      SKOHR-LABOR

        Mit Beginn des Jubiläumsjahres startet unser Tanz-
        projekt „Beethoven-Lab“ in drei Stuttgarter Schulen.
        Zusammen mit dem erfahrenen Choreografen Adrian
        Turner, Musikern des SKO und dem Education-Team des
        SKOhr-Labors entwickeln junge Menschen unterschied-
        lichster kultureller Prägung eigene Stücke, die im Juli im
        Wizemann gemeinsam aufgeführt werden.

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DER DRANG,
             MITEINANDER ZU SPIELEN

Katia und Marielle Labèque spielen Glass            verständnis der Schwestern sind legendär.       mit dem Klavier-Duo gearbeitet. Philip Glass
und Saint-Saëns unter der Leitung von               Die beiden Pianistinnen sind seit mehreren      kannte sie schon länger als ideale Interpre-
Nabil­­­Shehata.                                    Jahrzehnten nicht nur auf allen großen Büh-     tinnen seiner Klavierwerke. Sein Doppelkon-
                                                    nen der Welt zuhause, sondern leben auch        zert für zwei Klaviere und großes Orchester
„Wir schaffen es, auch nach so langer Zeit,         zusammen, in einem barocken Palazzo bei         hat er den Schwestern gewidmet, die Ur-
eine Art innere Freiheit zu finden und anders                                                       aufführung fand 2015 mit dem Los Angeles
zu fühlen, als wir es am Anfang unserer Kar-                                                        Philharmonic unter Gustavo Dudamel statt.
riere taten, anders als es bei so vielen Klavier-                                                   Zu seinem großbesetzten Werk hat der Kom-
Duos der Fall ist. Diese werden häufig irgend-            „Ich habe gelernt,                        ponist ein paar Hinweise gegeben: Der erste
wann fade, weil sie zu sehr damit beschäftigt                                                       und zweite Satz sind fröhlich, der dritte eher
sind, ‚zusammen‘ zu spielen. Und so sind sie
                                                     die Tür offen zu halten und                    nostalgisch und langsam. Im Gegensatz zu
bei Konzerten oft rhythmisch sehr starr, wie         die Musik hineinzulassen.                      einem traditionellen Solokonzert ist das Or-
Metronome“, erklärte Marielle Labèque ein-                                                          chester nicht als komplementärer Gegenpart
mal. Ihre ältere Schwester Katia nickte zu-
                                                     Ich gehe nicht hinaus, um                      der Solisten, sondern als „Verlängerung“ der
stimmend. Das perfekte Zusammenspiel, die                nach ihr zu suchen.“                       beiden Klaviere zu verstehen. Dabei sollen
Bühnenpräsenz und Energie, das blinde Ein-                          Philip Glass                    die Klaviere nicht dominieren, son-

                                                    Rom. „Das ist die größte Überraschung in un-
                  LÖWINNEN                          serem Leben: dass unser Drang, miteinander
                Abo-Konzert                         zu spielen, immer noch so stark ist, nach all
       Dienstag, 3. März 2020, 20 Uhr               den Jahren.“
         Theaterhaus Stuttgart, T1
          Einführung um 19.15 Uhr                   Viele Komponisten, darunter Luciano
                                                    Berio, Pierre Boulez, Olivier Messi-
                       —                            aen und György Ligeti, haben

       KATIA UND MARIELLE LABÈQUE
                    Klavier

               NABIL SHEHATA
                    Leitung

            DAVID DIAMOND
        „Rounds“ für Streichorchester

                PHILIP GLASS
          Konzert für zwei Klaviere,
       Streichorchester und Percussion

            GUILLAUME LEKEU
       Adagio für Streichquartett op. 3

           CAMILLE SAINT-SAËNS
           „Der Karneval der Tiere“

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SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
dern mit dem Orchester verschmelzen. Teil-        Sinfonien, preisgekrönte Filmmusiken (z. B.       So lebensfroh und beschwingt die „Rounds“
weise wandern die Themen auf der Bühne            „Kundun“, „Truman Show“, „The Hours“),            von David Diamond, so traurig und ergrei-
von einer Hand zur anderen.                       Tanz-, Klavier- und Kammermusik und viele         fend das Adagio op. 3 des Belgiers Guillau-
                                                  genreübergreifende Kunstprojekte. Für das         me Lekeu. Traurig, weil er es 1891 für seinen
Den Begriff „Minimal Music“ findet Philip         Stuttgarter Kammerorchester schrieb Glass         Freund und Lehrer César Franck schrieb, der
Glass für seinen meditativen Stil aus wieder-     seine Sinfonie Nr. 3 und das Tirol Concerto für   kurz zuvor den Folgen eines Zusammensto-
kehrenden kleinen tonalen Motiven unpas-          Klavier und Orchester. Nach der Weltpremie-       ßes mit einem Pferdeomnibus erlegen war.
send. Eher spricht er von einer „Musik mit re-    re des Doppelkonzertes mit den Labèques           Traurig, weil Lekeu selbst gerade eine vielver-
petitiven Strukturen“. Nach einem Studium         resümierte Glass: „Ich habe im Laufe der Zeit     sprechende Karriere als Komponist begon-
an der New Yorker Juilliard School und Unter-     viel Musik geschrieben und ich habe gelernt,      nen hatte, jedoch drei Jahre später mit nur
richt bei Darius Milhaud in Aspen/USA und         die Tür offen zu halten und die Musik hinein-     24 Jahren an Typhus starb. Und noch trauri-
Nadia Boulanger in Paris ist der 1937 in Balti-   zulassen. Ich gehe nicht hinaus, um nach ihr      ger ist der Gedanke, dass dieses Adagio zu
more geborene Amerikaner zum populärsten          zu suchen.“                                       seinem eigenen, von Vincent d’Indy gestifte-
und einflussreichsten klassischen Komponis-                                                         ten Gedächtniskonzert gespielt wurde. Nicht
ten unserer Zeit geworden. Und zu einem                       Bei der gestrengen Nadia Bou-         umsonst vergleicht man ihn mit Guillaume
der produktivsten. Sein Werkverzeich-                          langer in Paris haben viele ame-     Lekeu, einem jungen Genie der französischen
nis enthält u. a. 25 Opern, zwölf                              rikanische Komponisten ihre          Lyrik, der auch "Rimbaud der Musik" genannt
                                                               Grundlagen gelernt, auch David       wird.
                                                             Diamond. Als er 2005 hoch betagt
                                                        starb und ein imposantes Œuvre mit          Wenn die Labèque-Schwestern dann zum
                                                     mehreren Sinfonien, Solokonzerten und          Abschluss noch einmal virtuos in die Tasten
                                                  Kammermusikwerken hinterließ, ehrte ihn           greifen und mit mächtigen Trillern den „Kar-
                                                  die New York Times im Nachruf als „wichti-        neval der Tiere“ eröffnen, ist auch der letzte
                                                  gen amerikanischen Komponisten, dessen            Hauch von Melancholie verduftet. Ursprüng-
                                                  früher Ruhm in den 1940ern von der Domi-          lich hatte Camille Saint-Saëns gar nicht vor-
                                                  nanz der atonalen Musik verdrängt wurde. Er       gehabt, die 1886 für ein Faschingskonzert
                                                  zählt zur quasi vergessenen Generation von
                                                  Amerikas großen Sinfonikern wie Howard
                                                  Hanson, Roy Harris, William Schuman …“ Die
                                                  dreisätzigen „Rounds“ für Streichorchester,                     „Write me
                                                    sein berühmtestes Werk, schrieb Diamond                    a happy work!“
                                                      für den Dirigenten­­­ Dimitri Mitropoulos.
                                                                                                         D. Mitropoulos zu David Diamond
                                                        „Write me a happy work!“, bat er ihn im
                                                           Sommer 1944, denn die vielen zwölf-
                                                             tönigen Werke, die Mitropoulos in
                                                                dieser dramatischen Zeit auf-       komponierte „große zoologische Phantasie“
                                                                  führte, schlugen ihm und den      – genial-witzige Portraits von verkleideten
                                                                    Zuhörern zu sehr aufs Ge-       Tieren als Parodie auf das damalige Musikle-
                                                                      müt. Und Diamond hat          ben – im Druck zu veröffentlichen. Zum Glück
                                                                        ihm den Wunsch erfüllt.     für die ihm ewig zu Dank verpflichtete Nach-
                                                                                                    welt hat er es doch getan.

                                                                                                    Geleitet wird das Abo-Konzert von einem
                                                                                                    charismatischen deutsch-ägyptischen Diri-
                                                                                                    genten, dem ehemaligen Ersten Solokontra-
                                                                                                    bassisten der Berliner Philharmoniker und
                                                                                                    jetzigen Chefdirigenten der Philharmonie
                                                                                                    Südwestfalen und musikalischen Leiter der
                                                                                                    Kammeroper München: Nabil Shehata. Seit
                                                                                                    seinem herausragenden Debüt in Cottbus
                                                                                                    2007 dirigierte der lebhafte Hamburger, um
                                                                                                    nur einige zu nennen, das Simon-Bolivar-
                                                                                                    Orchester in Venezuela, das RSB Berlin, die
                                                                                                    Düsseldorfer Symphoniker, das Orchestre
                                                                                                    National du Capitole, das Bilbao Symphony
                                                                                                    Orchestra, das Evermay Chamber Orchester
                                                                                                    in Washington, das Osaka Philharmonic Or-
                                                                                                    chestra, das Kyoto Symphony Orchestra, das
                                                                                                    New Japan Philharmonic Orchestra und das
                                                                                                    Macao Philharmonic Orchestra.

                                                                                                                         – Text: Anne Sophie Meine –

                                                                       –5–
SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
PASSION
Im Gespräch mit Konzertmeister Jan               mit rein musikalischer Rhetorik, durch das         len mit dem Klang im Raum und das Erlebnis
Bjøranger über Haydn und Gubaidulina             Material den Kern der sieben Worte auch            einer Verständigung durch die Musik. Unver-
                                                 ohne den Text auszudrücken. Und sie für die        stellt und ehrlich.
SIEBZEHN: Herr Bjøranger, Joseph Haydn be-       Musiker und für das Publikum erfahrbar zu
kannte, dass das Komponieren von sieben          machen. Ich finde seine Art, die Situationen       SIEBZEHN: Welcher Solist – Cello oder Bajan, also
langsamen Sätzen zu Jesu letzten Worten am       musikalisch zu umschreiben, dieses eher In-        ein chromatisches Knopfakkordeon – „spricht“
Kreuz keine leichte Aufgabe gewesen war. Spä-    direkte, sehr berührend.                           hier Jesu letzte Worte? Oder hat Gubaidulina
ter hielt er sie für eines seiner gelungensten                                                      gar nicht an eine Personifizierung gedacht?
Werke – ganz zu Recht, oder?                     SIEBZEHN: So verschieden Joseph Haydn
                                                 (kath.) im Jahre 1787 und Sofia Gubaidulina        JB: Eher nicht, sonst hätte sie wohl noch Ge-
                                                 (russ.-orth.) 1982 an das Thema herangehen,        sangsstimmen dazu komponiert. Musik ist
                                                 so sind sie sich in einem doch sehr ähnlich: in    eine Kunst jenseits der Sprache. Gubaidulinas
         „Was ich suche,                         der Suche nach dem aufrichtigen Ausdruck ih-       wortlose Musik mit dem programmatischen
                                                 res eigenen Glaubens. Sie selbst haben als Diri-   Hintergrund bringt eine Art Mystik ins Spiel,
     ist der direkte Kontakt                     gent Ihres innovativen norwegischen Orches-        die ich sehr schätze. Ich denke, dass hier Cello
        von uns allen mit                        ters 1B1 mit dem estnischen Komponisten Arvo       und Bajan das Symbol des Kreuzes formen.
                                                 Pärt gearbeitet. Gibt es zwischen Gubaidulina      Die verstreichende Zeit wird zu einem Aus-
     dem Klang im Raum.“                         und Pärts mystischer Musik eine Parallele?         drucksmittel. Beide Soloinstrumente setzt
                Jan Bjøranger                                                                       die Komponistin daher nicht perkussiv ein,
                                                 JB: Ja, bei Gubaidulina und Pärt ist es das        sondern der Klang wird, wie sie selbst sagt,
                                                 starke kontemplative Element. Und die um-          als ein Luftstrom, ein „Atmen“ produziert.
                                                 gebende Stille, die ist entscheidend. Gubaidu-     Das Konzept der Musik von Haydn und Gu-
JAN BJØRANGER: Ja, allein das Thema ist in       linas Stück ist für mich eine allmähliche emo-     baidulina, in Verbindung mit der Stimme von
menschlicher Hinsicht wirklich aufwühlend.       tionale Steigerung, die assoziativ ganz eng an     Rabbiner Berger, ist ein essenziell menschli-
Der Gedanke, für den Frieden das äußerste        den Text geknüpft ist. Mir geht es beim Kon-       ches. Und die Religion als Inspiration für die
Opfer zu bringen, ist auch heute, global ge-     zert aber weniger darum, dem Publikum eine         Kunst hat einen universalen Wert, den alle
sehen, sehr aktuell. Die Musik erhält dadurch    konkrete Wahrnehmung aufzudrängen. Was             Menschen erkennen können, auch wenn sie
eine noch höhere Relevanz. Haydn schafft es      ich suche, ist der direkte Kontakt von uns al-     selbst nicht religiös sind.

                                                                      –6–
SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
Interview mit dem Landesrabbiner a. D. Dr.           In der Zeit, in der Jesus lebte, war das Land Ju-
Joel Berger zu seinen religionsphilosophi-           däa, in dem er lebte und wo er zuhause war,
schen Gedanken                                       unter römischer Besatzung. Die Besatzer wa-                SIEBEN LETZTE WORTE
                                                     ren grausam und strebten nach Auslöschung                      Sternstunden
SIEBZEHN: Herr Dr. Berger, diese Sternstunde         der jüdischen nationalen und religiösen               Donnerstag, 26. März 2020, 20 Uhr
um Jesu sieben letzte Worte am Kreuz werden          Eigenheiten. In dieser Zeit sehnten sich unse-               StadtPalais, Foyer
Sie als vielfach geehrter ehemaliger Landes-         re Ahnen nach einem Befreier, einem Erlöser,             Einführung um 19.30 Uhr
rabbiner von Baden-Württemberg und For-              nach einem Messias. (Das hebräische Wort
scher im Haus der Geschichte mit religions-          „Maschiach“ ist zutiefst jüdisch.) Doch dies                         —
philosophischen Betrachtungen bereichern.            sahen die Juden dieser Zeit mit Jesus nicht
Wohin werden Sie dabei weisen?                       erfüllt, weil die Römer dort blieben, und es                  DR. JOEL BERGER
                                                     erfolgte keine Befreiung, im Gegenteil.                   Landesrabbiner a. D. und
JOEL BERGER: Ich möchte vorausschicken,                                                                          Religionsphilosoph
dass meine Zuhörer von rein christlich-theo-         SIEBZEHN: Werden Sie auch näher auf Befrei-
logischen Einstellungen Abschied nehmen              ung und Erlösung, Passion und Auferstehung,                   JAN BJØRANGER
müssen, denn dies sind keine jüdischen               also zentrale Begriffe des Christentums einge-                    Leitung
Begriffe. Für uns ist der jüdische Jesus der         hen?
historische Jesus, der nicht als Erlöser wahr-                                                                  NIKOLAUS VON BÜLOW
                                                     JB: Ja, auf jeden Fall. Weil das alles zutiefst jü-             Violoncello
                                                     dische Begriffe sind, die die Kirchen von uns
                                                     übernommen haben. Es gibt eine jüdische                       ELSBETH MOSER
       „Erlösung, Passion,                           religionsphilosophische Einstellung, dass die                      Bajan

        Auferstehung …                               Arbeit der Befreiung allein dem Menschen
                                                     obliegt: durch sein Wesen, seine Berufe, sei-
      das sind alles zutiefst                        ne Begriffe. Aber die Erlösung liegt allein bei
       jüdische Begriffe.“                           Gott. Mensch und Gott bleiben in diesem
                                                                                                                   JOSEPH HAYDN
                                                     Sinne geschieden. Die Idee der Auferstehung
                  Joel Berger                                                                                  „Die sieben letzten Worte
                                                     ist ein fester jüdischer Glaubenssatz, schon
                                                     in den frühen rabbinischen Schriften. Auch               unseres Erlösers am Kreuze“
                                                     im täglichen Gebet bekennen wir, dass Gott
genommen wird, sondern als ein in der Früh-          allein die Toten auferstehen lassen kann. Und               SOFIA GUBAIDULINA
geschichte unseres Volkes leidender Mensch,          zur Passion: die Christen kennen sie als Pas-           „Seven Words“ für Violoncello,
wie so viele unserer Märtyrer und Ermor-             sion Jesu. Die jüdische Welt kennt die Passion            Bajan und Streichorchester
deter. Denken Sie z. B. an den Maler Marc            unabhängig von Jesus. So wurde z. B. im zwei-
Chagall. Er schildert in seinen Bildern öfters       ten Jahrhundert ein großer Gelehrter unseres
Jesus, den Gekreuzigten, aber stets mit jüdi-        Volkes, Akiba ben Josef, von den römischen Be-
schem Symbol, z. B. mit den vier Schaufäden,         satzern auf dem Scheiterhaufen ermordet. Im
die gläubige Juden tragen.                           Unterschied zu den Jüngern Jesu sind
                                                     die Schüler von Rabbi Akiba nicht
SIEBZEHN: Die christliche Theologie ist ohne         weggelaufen, sondern haben
das Judentum nicht denkbar. Es gibt vieles, was      bis zum Schluss einen Dialog
sie verbindet, und auch vieles, was sie trennt.      mit dem Meister geführt,
Lässt sich das an Jesus selbst erläutern, der nach   was im Talmud festgehalten
christlichem Verständnis als Erlöser mit seinem      wurde. Das ist vielleicht auch
Tod die Sünden der Welt auf sich nimmt?              etwas, was religionsphiloso-
                                                     phische Ansätze birgt.
JB: Als Erlöser unseres Volkes kann Jesus nicht
gedeutet werden, weil er unserer Meinung             – Interview: Anne Sophie Meine –
nach uns und auch die Welt nicht erlöst hat.

            Mit Unterstützung von

               In Kooperation mit

                                                                            –7–
SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
EIN JAHR IM
                     ZEICHEN BEETHOVENS

Gottlieb Wallisch zu Gast beim SKO.               SIEBZEHN: Im Konzert mit dem SKO treten Sie       einem Hammerflügel gespielt. Diese Fas-
                                                  auch mit einem Solostück auf, der Fantasie        sung, ebenfalls von Vinzenz Lachner, war un-
Der aus einer Wiener Musikerfamilie stam-         op. 77. Was ist das Besondere an diesem Stück?    glaublich überzeugend und hat die Zuhörer
mende Gottlieb Wallisch begann mit sechs                                                            die Bläser-Farben vergessen lassen.
Jahren, Klavier zu spielen, hat bereits mit       GW: Dieses Werk gibt Einblick in Beethovens
zwölf Jahren im Goldenen Saal des Wiener          Kunst des Improvisierens. Wir vergessen           SIEBZEHN: Welche Kadenzen werden Sie spie-
Musikvereins debütiert und ist seit damals        heute gerne, dass die konzertierenden Kom-        len?
in den großen Konzertsälen und bei den be-        ponisten der damaligen Zeit in ihren Aka-
deutenden Festspielen der Welt erfolgreich        demien für das Publikum auch improvisiert         GW: Ich halte mich an Beethovens Original-
unterwegs. Seit 2016 leitet er eine Klavier-      haben und dass daraus zahlreiche Werke ent-       kadenzen und spiele ausschließlich diese. Im
klasse an der Universität der Künste in Berlin.   standen sind, die die Komponisten erst spä-       Fall des 4. Klavierkonzerts ist der stilistische
Beim Stuttgarter Kammerorchester gastiert         ter niedergeschrieben haben. Die freie Form       Bruch zwischen Konzert und der etwas spä-
er am 13. Mai als Solist des 4. Klavierkonzerts   der Fantasie op. 77 ist sehr spannend, der ers-   ter entstandenen Kadenz nicht spürbar, an-
mit dem „Jahresregenten 2020“, Ludwig van         te Teil des Werks hängt ganz assoziativ mu-       ders als bei den beiden frühen Konzerten Nr.
Beethoven, in einer besonderen Version.           sikalische Abschnitte bzw. Ideen aneinander,      1 und 2. Da liegen ja fast 15 Jahre zwischen der
                                                  der zweite Teil dann besteht aus streng ge-       Komposition des Konzerts und der Kadenzen,
SIEBZEHN: Herr Wallisch, Beethoven steht im       formten Variationen über ein sehr schlichtes      die erst um 1809 erfolgte.
Zentrum der Klavierliteratur. Welche Bedeu-       Thema in H-Dur.
tung hat er für Sie?                                                                                SIEBZEHN: Im Beethoven-Jahr steht wahr-
                                                  SIEBZEHN: Wissen Sie Näheres über die Fas-        scheinlich oft Musik des „Jahresregenten“ auf
GOTTLIEB WALLISCH: Beethovens Musik hat           sung für Streichorchester des 4. Klavierkon-      ihren Programmen?
für mich in den letzten zehn Jahren immer         zerts? Sie stammt ja aus Beethovens Zeit?
mehr an Bedeutung gewonnen. Ich spüre                                                               GW: Ja, ich freue mich, über das Jahr 2020
eine tiefe Kraft und Faszination, die von ihr     GW: Mir sind nur die Fassungen der Klavier-       verteilt alle sechs Klavierkonzerte spielen zu
ausgeht. Ich denke, dass seine Klaviermusik       konzerte von Vinzenz Lachner, die im späten       können, Es sind nämlich sechs, Beethovens
zurzeit fast die Hälfte meiner Programme be-      19. Jahrhundert erschienen sind, ein Begriff.     Transkription seines Violinkonzerts op. 61 für
herrscht. Bei Beethoven bewundere ich die         Ich habe aber gehört, dass es im Wiener Ar-       Klavier mit eingerechnet. Tourneen durch
                                                  chiv der Gesellschaft der Musikfreunde eine       China, Polen, Österreich und Slowenien ste-
                                                  gibt, die tatsächlich aus Beethovens Zeit         hen unter anderem auf dem Programm. Des
                                                  stammt.                                           Weiteren Kammermusikprojekte mit Werken
            „Ich spüre                                                                              Beethovens, zum Beispiel ein Abend, an dem
                                                  SIEBZEHN: Vinzenz Lachner, der Bruder des et-     nur Werke erklingen, die Beethoven seinem
         eine tiefe Kraft                         was bekannteren Franz Lachner, der noch zum       Schüler und Freund, dem Erzherzog Rudolph
        und Faszination,                          Schubertkreis gehört hatte, verfügte offenbar     von Österreich, gewidmet hat. Außerdem die
                                                  über gute Beziehungen nach Wien. Er beruft        2. und 3. Sinfonie in Klaviertrio- bzw. Klavier-
       die von Beethovens                         sich nämlich in seiner 1881 veröffentlichten      quartettbesetzung, von Beethoven und sei-
        Musik ausgeht.“                           Version auf eine Bearbeitung, die tatsächlich     nem Schüler Ferdinand Ries bearbeitet. Auch
              Gottlieb Wallisch                   in Beethovens Zeit für dessen Gönner Fürst        freue ich mich, an der Universität für Musik
                                                  Lobkowitz entstanden ist. Wie groß sind die       und Darstellende Kunst in Wien einen Meis-
                                                  Unterschiede zur Originalfassung, vor allem       terkurs zu Beethovens Klavierwerk halten zu
                                                  für Sie als Interpreten?                          können.
Energie, die in seiner Musik steckt. Faszinie-
rend finde ich auch den großen Bogen seines       GW: Für mich als Solisten ändert sich in der                 – Interview: Gottfried Franz Kasparek –
Schaffens, vom frühen, jugendlichen Stürmer       Bearbeitung nichts, nur der Orchesterpart
und Dränger über die souveräne mittlere           wird auf ein reines Streichorchester umge-
Phase hin zum teilweise rätselhaften und vi-      legt. Vor einigen Wochen habe ich das erste
sionären Spätstil.                                Konzert Beethovens mit Streichquintett auf

                                                                       –8–
SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
MIT ALLER KRAFT
           Abo-Konzert
  Mittwoch, 13. Mai 2020, 20 Uhr
     Liederhalle, Mozart-Saal
     Einführung um 19.15 Uhr

                —

       GOTTLIEB WALLISCH
              Klavier

         JAN BJØRANGER
             Leitung

          QIGANG CHEN
„L'Éloignement“ für Streichorchester

   LUDWIG VAN BEETHOVEN
 Konzert für Klavier und Orchester
        Nr. 4 G-Dur op. 58

   LUDWIG VAN BEETHOVEN
   „Fantasie“ für Klavier op. 77

   LUDWIG VAN BEETHOVEN
      Streichquartett in
         f-Moll op. 95

                                       –9–
SIEBZEHN - Stuttgarter Kammerorchester
MUSIK IST DIE UNFASSBARSTE
    KUNST ÜBERHAUPT

                     Manuel Hidalgo und Beethoven

                     Über die Musik des spanischen Komponisten
                     Manuel Hidalgo schrieb Frank Kämpfer 1999:
                     „ ... sinnlich-archaisch, respektlos und von
                     fesselnden Dogmen befreit. Was bei Hidalgo
                     erklingt, ist stets gestisch beredt und weckt –
                     entgegen dem kompositorischen Selbstbild –
                     eine Reihe von Assoziationen.“ Dies gilt auch
                     noch zwei Jahrzehnte später. Hidalgo, gebo-
                     ren 1956 in Andalusien, begann seine Kom­

            – 10 –
positionsstudien bei Juan-Alfonso Garcia, dem     Und weiter: „Komponieren hat für mich sehr        Musik findet in der Zeit statt, und obwohl
Organisten der Kathedrale von Granada, und        viel mit ‚innerem Erleben’ zu tun. Sehnsüch-      man heute jede Aufnahme beliebig oft ab-
setzte sie bei Hans Ulrich Lehmann in Zürich      ten, Wünschen, Erfahrungen, die man nicht         spielen könnte – was wir wahrnehmen, fin-
und bei Helmut Lachenmann in Stuttgart fort.      in anderer Form vermitteln kann.“ Wenn            det wiederum in der Zeit statt. Der Wirkung,
Seit 1981 lebt er als freischaffender Komponist   man so will, ist dies eine durchaus romanti-
und Lehrer in Stuttgart.                          sche Einstellung. Und auch Beethoven dach-
                                                  te ähnlich: „Von Herzen, möge es wieder zu
Hidalgos Œuvre reicht vom Musiktheater bis        Herzen gehen“, schrieb er über die „Missa so-           „Komponieren hat
zum Solostück. In der Werkliste fallen immer      lemnis“, und auf das Titelblatt der Pastorale-­
wieder Bearbeitungen älterer Musik auf,           Sinfonie: „Mehr Ausdruck der Empfindung
                                                                                                         für mich sehr viel mit
von J. S. Bach und Anton Webern, vor allem        als Mahlerey“. Auch die Herkunft spielt eine        ‚innerem Erleben’ zu tun.“
jedoch von Ludwig van Beethoven. 1883 war         Rolle für Hidalgo: „Bei mir gibt es wohl im-                    Manuel Hidalgo
Hidalgo Beethoven-Preisträger der Stadt           mer eine gewisse Kargheit oder Einfachheit
Bonn. Schon im Jahr 1992 entstand seine Ver-      der Textur und der Ideen. In allen meinen Stü-
sion der „Großen Fuge“ für Orchester, 2005        cken spürt man etwas Andalusisches im Hin-
eine Kammermusikfassung der Variationen           tergrund. Das Einfache entsteht bei mir aus       die Musik in uns hinterlässt, nachzufühlen
op. 109/3, 2008 eine Chorfassung des Scher-       meinem Untalent, aus meiner Ignoranz, aus         und sie dann mit Worten, also starren Kon-
zos aus der 9. Sinfonie. 2009 arrangierte er      meiner Unfähigkeit, sehr komplexe Aspekte         zepten festzuschreiben, finde ich brutal und
die 6 Bagatellen op. 126 für das Ensemble Re-     zu steuern oder zu gestalten. Ich schreibe die    riskant. Es entstehen eine Menge Missver-
sonanz. Nun folgt eine Fassung der 8. Sinfonie    Musik, die ich mir vorstellen kann. Eine ein-     ständnisse.“
für Kammerorchester, welche das Stuttgarter       fache Musik ist für mich kein Ziel. Sie ist ein
Kammerorchester im Abo-Konzert am 20. Juni        unausweichliches Resultat.“                       Also, liebes Publikum, hingehen, hinhören!
zur Uraufführung bringen wird. Es ist ja Beet-
hoven-Jahr, Beethovens 250. Geburtstag.           Es wird spannend, wie „einfach“ die Musik                        – Text: Gottfried Franz Kasparek –
                                                  wird, die Hidalgo für das „Werk für Streichor-
„Da jede bewusste Wahrnehmung Erkenntnis          chester und Jugendorchester“ entwirft, das
ist, wäre es [...] die Aufgabe des Komponisten,   ebenfalls am 20. Juni gemeinsam mit dem
Musik [...] als Erkenntnismittel zu schaffen“,    Patenorchester aus Weil im Schönbuch unter
so Manuel Hidalgo in einem Gespräch mit Pa-       der Leitung von Chefdirigent Thomas Zehet-                      GÖTTERFUNKEN
trick Hahn für das Booklet einer CD, die unter    mair uraufgeführt wird. Nach „Beethoven                           Abo-Konzert
                                                  pur“, der von Yu Zhuang gespielten ersten                  Samstag, 20. Juni, 20 Uhr
                                                  Violinromanze, folgt dann die Bearbeitung              Liederhalle Stuttgart, Mozart-Saal
                                                  von Beethovens heiterster Symphonie, der                    Einführung um 19.15 Uhr
   „Musik dient dazu, unser                       „Achten“ mit ihrem grimmigen Humor und
                                                  ihren parodistischen Zügen. Manuel Hidalgo                             —
    Wahrnehmungssystem                            zählt Beethoven, neben Mozart, Webern und
        zu schärfen.“                             dem großen Beethoven-Verehrer Lachen-                             YZ ZHUANG
                                                  mann, zu seinen großen Vorbildern. Wie geht                         Violine
               Manuel Hidalgo
                                                  er an eine Bearbeitung heran? „Bearbeiten ist
                                                  aus meiner Sicht keine Kunst“, relativiert er                THOMAS ZEHETMAIR
                                                  den eigenen Anspruch. „Es ist Kunstgewer-                           Leitung
anderem die Bearbeitung der „Großen Fuge“         be. Der Reiz lag für mich immer darin, etwas
enthält. „Musik dient dazu, unser Wahrneh-        handwerklich Schwieriges umzusetzen. Doch                 JUNGES STREICHORCHESTER
mungssystem zu schärfen. Gute Musik setzt         letztendlich muss aus der neuen Besetzung                    WEIL IM SCHÖNBUCH
die Maschinerie auf eine Weise in Bewegung,       auch neue Musik entstehen, eine neue Pers-                 (Patenorchester des SKO)
dass ich mich eventuell besser kennen lerne.“     pektive auf das Original – das macht die Sa-
                                                  che erst interessant. Man hört am Ende mei-
                                                  ne Manien, auch mein technisches Können,
                                                  meine Erfahrung beim Instrumentieren im
                                                  Umgang mit fremder Musik. Aber die Musik                     M ANUEL HIDALGO
                                                  ist nicht von mir. Sie stammt zu 99,9 % von              Werk für Streichorchester und
                                                  Beethoven.“                                             Jugendorchester (Uraufführung)

                                                  Wollen wir noch weiter Musik beschreiben?                 LUDWIG VAN BEETHOVEN
                                                  Schon Felix Mendelssohn Bartholdy meinte:               Violinromanze Nr. 1 G-Dur op. 40
                                                  „Es wird so viel über Musik gesprochen und
                                                  so wenig gesagt. Ich glaube überhaupt, die                LUDWIG VAN BEETHOVEN
                                                  Worte reichen nicht hin dazu, und fände ich,               Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 83
                                                  dass sie hinreichten, würde ich am Ende gar           in der Kammerorchesterfassung von
                                                  keine Musik mehr machen.“ Verblüffend, wie               Manuel Hidalgo (Uraufführung)
                                                  im Grunde ähnlich dies Hidalgo formuliert:
                                                  „Musik ist die unfassbarste Kunst überhaupt.

                                                                      – 11 –
EINE NEUE MESSE
         MIT GESUALDO: BRUCKNER
             WÄRE BEGEISTERT!

Im Gespräch mit Chefdirigent Thomas            bei den beiden natürlich viel Besinnliches     TZ: Wir werden im Foyer des StadtPalais den
Zehetmair über die Sternstunde mit dem         dazu, was den Begriff „Messe“ rechtfertigt.    besten Platz für beide Ensembles finden, so-
Ensemble Officium.                             Bruckner meinte selber, Gott habe ihm jeden    wohl für den akustischen als auch den opti-
                                               Ton diktiert.                                  schen Dialog.
SIEBZEHN: Herr Zehetmair, eine „Missa nova“
aus Anton Bruckners Streichquintett von 1879   SIEBZEHN: Wissen Sie schon, welche Kompo-      SIEBZEHN: Verschiedener könnten sie ja kaum
für Streichorchester und der Vokalpolyphonie   sitionen von Gesualdo für das Konzert ausge-   sein, die beiden Komponisten: hier der ewige
von Carlo Gesualdo aus dem späten 16. Jahr-    wählt werden?                                  Junggeselle Anton Bruckner aus Oberöster-
hundert. Man kann wohl sagen, das ist ein                                                     reich, der so gar nicht in die bürgerliche Wie-
buchstäblich unerhörtes Konzertprojekt. Wie    TZ: Wilfried Rombach vom Ensemble Offi-        ner Welt passte, und dort der heißblütige Ge-
passt beides zusammen?                         cium ist dabei, das Programm der Gesangs-      sualdo, Fürst von Venosa, der 1590 seine erste
                                               stücke zusammenzustellen. Das werden wir       Frau und deren Liebhaber in flagranti ermor-
TZ: Das wird ein Traum! Die Kombination der    dann gemeinsam abstimmen. Diese „Missa         dete, um dann ein Viertel Jahrhundert lang in
Klangwelten Bruckners und Gesualdos ist        nova“ ist ja tatsächlich etwas völlig Neues.   seiner Musik Buße zu tun. Bruckners Messen
voller Sinnlichkeit. Zur Sinnlichkeit kommt                                                   sind genauso berühmt wie seine Sinfonien,
                                               SIEBZEHN: Spielt die Architektur des
                                               StadtPalais mit seiner Galerie hier
                                               eine Rolle? Werden Sie die Akus-
                                               tik hier auf eine besondere
               MISSA NOVA
                                               Weise nutzen?
               Sternstunden
       Sonntag, 28. Juni 2020, 20 Uhr
             StadtPalais, Foyer
         Einführung um 19.30 Uhr

                    —

           ENSEMBLE OFFICIUM
                  Gesang

          unter der Leitung von
            WILFRIED ROMBACH

           THOMAS ZEHETMAIR
                  Leitung

            ANTON BRUCKNER
       Streichquintett F-Dur WAB 112
       (Fassung für Streichorchester)

            C ARLO GESUALDO
                Madrigale

                                                                  – 12 –
Gesualdos Responsorien und Motetten stehen        TZ: Ja, Bruckner hat fast nie „geliefert“, was
                                                                                                                Mit Unterstützung von
in ihrer Kunstfertigkeit seinen Madrigalen in     man von ihm erwartet hatte. Auch der Diri-
nichts nach. Die Kirchenmusik war beiden bis      gent und Geiger Josef Hellmesberger, der das
zuletzt eine wichtige Inspirationsquelle. Wel-    Quintett angeregt hatte, zögerte die Urauf-
che weiteren Gemeinsamkeiten würden Sie           führung immer wieder hinaus, ließ sich noch
nennen?                                           das Intermezzo anstelle des Scherzos kom­
                                                  ponieren. Schließlich besorgte das erweiter-
                                                  te Winkler Quartett in privatem Rahmen die
                                                                                                                  In Kooperation mit
                                                  erste Aufführung, und nicht einmal vollstän-
        „Diese ‚Missa nova‘                       dig. Bruckner hat durch seine Individualität
                                                  erst einmal befremdet, bevor man zum Glück
       ist tatsächlich etwas                      noch zu Lebzeiten Bruckners sein überbor-
           völlig Neues.“                         dendes Genie und seine Größe anerkannt
             Thomas Zehetmair                     hat.

                                                  SIEBZEHN: Kalbeck meinte mit seiner Kritik das    TZ: Ich verrate nur soviel: genau die Arbeit,
                                                  ganze Quintett – ausgenommen das Adagio,          die dahintersteckt, so ein Programm vorzu-
TZ: Bruckner und Gesualdo haben vieles ge-        denn das käme „direct aus dem Paradiese“.         bereiten, das Mühsame, das alles muss von
mein. Die Kirchenmusik haben Sie schon            Der Kritiker gesteht hier nur widerwillig seine   der Aufführung transzendiert werden – etwa
genannt. Dann die Meisterschaft des Kont-         Bewunderung ein.                                  im Sinne von Kafkas berühmter Kunstreiterin
rapunktes. Und vor allem die Kühnheit und         TZ: Kalbecks Kritik zeigt uns, dass Bruckners     in der Erzählung „Auf der Galerie“.
Einzigartigkeit der Harmonien und harmo-          unglaublich neue Musiksprache nur durch
nischen Wendungen, die beide Komponisten          extreme Vergleiche – Untiefen der Hölle bzw.      SIEBZEHN: Bruckner schöpfte viel aus der
zu Monolithen ihrer Zeit machten. Das ist                                                           Strenge und Pracht der Vokalpolyphonie auf
einfach nur berauschend.                                                                            der Schwelle des Barocks. Was, glauben Sie,
                                                                                                    hätte er wohl zu diesem Konzertprogramm
SIEBZEHN: Über die Heftigkeit der damali-              „Bruckner hat fast nie                       gesagt, bei dem eins seiner von ihm am meis-
gen Musikkritik kann man jedes Mal wie-                                                             ten geschätzten Werke mit Gesualdos Musik
der staunen: „Bruckners Musik duftet nach
                                                      ‚geliefert‘, was man von                      zu einem vollkommen neuen Konzertpro-
himmlischen Rosen und stinkt nach hölli-                ihm erwartet hatte.“                        gramm zusammengefügt wird?
schem Schwefel – noch ein wenig verbinden-                     Thomas Zehetmair
der Weihrauch dazwischen, und der Mystiker                                                          TZ: Ich hoffe, er wäre begeistert!
wäre fertig“, schrieb der Bruckner-feindliche
Brahms-Anhänger Max Kalbeck nach dem                                                                                – Interview: Anne Sophie Meine –
außerordentlichen Erfolg des Streichquintetts,    höchstes Paradies – überhaupt
das er in seiner Kritik als „Apokalypse in vier   erfasst und beschrieben wer-
Capiteln“ bezeichnete.                            den konnte.

                                                  SIEBZEHN: In Gesualdos
                                                  Spiel mit der Chromatik
                                                  kann es für die Musiker
                                                  einen feinen klanglichen
                                                  Unterschied ausmachen,
                                                  ob er ein Des oder ein Cis
                                                  notiert hat. Und Bruck-
                                                  ner konstruierte in seinem
                                                  Streichquintett eine satzüber-
                                                  greifende Tonartendisposition.
                                                  Subtilste Kammermusik auf
                                                  höchstem Niveau also.
                                                  Wie ist das mit der
                                                  Arbeit am Klang,
                                                  an den Nuancen?

                                                                      – 13 –
UNSERE KONZERTE
                SAISON 2019/2020

                         Wilhelmshaven

                Leer

                            Quakenbrück

                          Hamm

                                                                                                                             Dresden

                                           Wiesbaden

                       Eltville am Rhein                                    D

           Homburg
                                                                                        Ansbach
                                                  Stuttgart
                                                                                       Oettingen
                         Maulbronn                              Fellbach

                                Rutesheim
                                                                          Schwäbisch Gmünd
            F                                           Esslingen
                                Gernsbach
                                                                                             Augsburg

Epinal                                                                                                  Wasserburg
                                 Rottenburg am Neckar                                         Dachau

         Colmar                                          Weingarten             Memmingen
                            Alpirsbach
                                           Tuttlingen

                                                               Blaibach
                                                                                 Sonthofen
                                  Zürich

                       CH
                                                                                 Konzerte September 2019 – Februar 2020   Konzerte März – Juli 2020

                                                                    – 14 –
Konzertvorschau (Februar bis Juli)

                                                              Solisten, Ensembles                 Ort                                        Termin
                                                              Leitung

                                                              Katia und Marielle                  Leer                                       28.02.2020
                                                              Labèque – Klavier                   Wilhelmshaven                              29.02.2020
                                                              Nabil Shehata – Leitung             Hamm                                       01.03.2020
                                                                                                  Stuttgart                                  03.03.2020
                                                                                                  Abo-Konzert „Löwinnen“

                                                              Thomas Zehetmair                    Stuttgart                                  10.03.2020
                                                              – Violine und Leitung               Abo-Konzert „Phänomen Mozart“

                                                              Dr. Joel Berger – (Landesrabbiner   Stuttgart                                  26.03.2020
                                                              a. D. und Religionsphilosph         Sternstunde „Sieben letzte Worte“
              SKO on Tour                                     Jan Bjøranger – Leitung

                                                              Knabenchor Collegium                Stuttgart                                  29.03.2020
   Seit 75 Jahren ist das Stuttgarter Kammer-                 Iuvenum Stuttgart
                                                              Michael Čulo – Leitung
   orchester nicht nur in seiner Heimatstadt
   und Baden-Württemberg unterwegs, son-                      Yu Zhuang – Violine und Leitung     Ansbach                                    02.04.2020
   dern tourt als musikalischer Botschafter
                                                              Lev Sivkov – Violoncello            Colmar                                     18.04.2020
   durch die ganze Welt. In dieser Saison                     Muriel Cantoreggi – Leitung                                                    19.04.2020
   waren wir bereits in Hong Kong, Malaysia
                                                              Marko Milenković – Viola           Dachau                                     25.04.2020
   und Thailand, im Mai geht es dann nach                                                         Stuttgart                                  26.04.2020
   China.                                                                                         Abo-Konzert „Himmelwärts“

                                                                                                  Stuttgart                                  02.05.2020 –
                                                                                                  Music Game Jam                             03.05.2020
                                                                                                  (Internationales Trickfilmfestival)

                                                              Thomas Zehetmair – Leitung          Augsburg                                   08.05.2020

                                                              Johannes Klumpp – Leitung           Fellbach                                   10.05.2020
                                                                                                  SKOhr-Labor: „TONALI“-Wettbewerb

                                                              Gottlieb Wallisch – Klavier         Stuttgart                                  13.05.2020
                                                              Jan Bjøranger – Leitung             Abo-Konzert „Mit aller Kraft“

                                                              Gottlieb Wallisch – Klavier         Peking, Shanghai, u. a.                    14.05.2020 –
                                                              Jan Bjøranger – Leitung             Auslandstournee                            02.06.2020

                                                              Meesun Hong Colemann –              Oettingen                                  14.06.2020
                                                              Leitung

                                                              Yu Zhuang – Violine                 Stuttgart                                  20.06.2020
                                                              Junges Streich­orchester Weil       Abo-Konzert „Götterfunken“
                                        Peking
                                                              im Schönbuch
                                                              Thomas Zehetmair – Leitung

                        Zhengzhou          Changzhou          Georg Kallweit – Leitung            Stuttgart                                  23.06.2020
                                                                                                  Konzert beim Musikfest Stuttgart

                                                  Shanghai    Yu Zhuang – Violine                 Memmingen                                  24.06.2020
ASIEN                                                         Thomas Zehetmair – Leitung

                         Changsha                             Ensemble Officium – Gesang          Stuttgart                                  28.06.2020
                             Zhuzhou               Fuzhou     Thomas Zehetmair – Leitung          Sternstunde „Missa nova“

               CHN                               Xiamen       Nikolaus von Bülow – Violoncello    Dresden                                    04.07.2020
                                                              Jan Bjøranger – Leitung             Schwäbisch Gmünd                           22.07.2020
                             Shenzhen        Hong Kong
                                                              Yu Zhuang – Violine und Leitung     Maulbronn                                  10.07.2020
                     Nanning
                                                              Marko Milenković – Viola           Alpirsbach                                 11.07.2020

                                                              Jan Bjøranger – Leitung             Im Wizemann                                24.07.2020
                                                                                                  SKOhr-Labor: Tanzprojekt „Beethoven-Lab“   25.07.2020

                                                              Asya Fateyeva – Saxofon             Eltville am Rhein                          30.07.2020
                                                              Johannes Klumpp – Leitung           Konzert beim Rheingau Musik Festival

                     Bangkok

        THA                                                  Karten für die Konzerte des Stuttgarter Kammer­orchesters
                                                             in Stuttgart

                                                             Abo-Konzerte der Kulturgemeinschaft / Kulturgemeinschaft Stuttgart e. V. /
          Penang               MYS                           www.kulturgemeinschaft.de / Tel.: 0711 /22 477 20

              Kuala Lumpur                                   Sternstunden / reservix / www.reservix.de / Tel.: 01806 / 700 733 / und an allen
                                                             bekannten reservix-Vorverkaufsstellen oder beim Stuttgarter Kammerorchester

                                                                 – 15 –
WARUM ICH BEIM SKO SPIELE ...

Heute, in meinem 61. Lebensjahr, blicke ich zurück auf 36 Spielzeiten
als Bratschist im Stuttgarter Kammerorchester. Alle sechs Chefdiri-
genten seit Bestehen des Orchesters habe ich erlebt, auch zwölf der
16 Geschäftsführenden Intendanten des Orchesters. Selbst in meiner
frühen Kindheit gab es eine Prägung durch Karl Münchinger und das                          Emanuel Wieck
SKO. Als ich mit meiner Familie in den 60er Jahren in Neuseeland leb-
te, wurden zu Hause immer wieder LPs mit dem SKO aufgelegt. Mein                spielt seit 1984 als Bratschist beim Stuttgarter
Vater, Michael Wieck, kommentierte den Klang und Geist der Musik                 Kammerorchester. Was ihm beim SKO beson-
als vorbildlich. So wurde im hintersten Winkel des Pazifiks das SKO             ders gefällt, verrät er in seinem Selbstporträt.
zum Sehnsuchtsort für meinen Vater. Unvergesslich die familiäre Sze-
ne, als mein Vater barfüßig und in Shorts sich ein weißes Hemd und
eine Frackjacke überzog und sich von meiner Mutter fotografieren
ließ. Mit diesem Foto bewarb er sich bei Münchinger und wurde 1969
erster Konzertmeister des SKO. So erlebte ich schon als 10-jähriger
Bub die „Aura“ des SKO, damals noch mit sechs aktiven Gründungs-
mitgliedern.

15 Jahre später wurde ich selbst Mitglied im Stuttgarter Kammeror-
chester und erlebte von 1984 bis 1987 die bewegte letzte Phase von
Karl Münchinger als Chefdirigenten. Die kammermusikalische Ar-
beitsweise, aber vor allem der enorme Zusammenhalt innerhalb des
Orchesters, begeisterten mich. Es galt schließlich allen zu beweisen,
dass das SKO nach der Ära Münchinger weiter bestehen müsse, was
damals von einigen Stuttgarter „Größen“ öffentlich bezweifelt wur-
de. Als Orchester hatten wir das Gefühl eine Gemeinschaft, ja sogar
eine Familie zu sein. 16 der 17 Mitglieder waren männlich und durch
die unregelmäßigen Arbeitszeiten und die vielen Tourneen waren die
Ehefrauen und Familien ebenfalls stark beansprucht, aber man rückte
eben zusammen und half sich untereinander.

Die Arbeit seitdem im Orchester mit den unterschiedlichsten Chef-
und Gastdirigenten und den vielen Solisten empfand ich immer als
herausfordernd, vielseitig und persönlich bereichernd. Neben den un-
vergesslichen Tourneen denke ich u. a. gerne an Projekte mit Dennis
Russell Davies zurück, z. B. die zwölf Titel, die wir für das Label ECM
eingespielt haben, oder auch an den elf Jahre währenden Konzert-
und Aufnahmezyklus „Haydn Spass“.

Gegenwärtig genieße ich die Zusammenarbeit mit unserem neuen
Chefdirigenten Thomas Zehetmair. An ihm schätze ich besonders,
dass er ab der ersten Minute der Probe am Kern des aufzuführenden
Werks ist. Kein Wort wird zu viel gesprochen und doch ist er stets of-
fen für Impulse aus dem Orchester. Einfach souverän.

Inzwischen bin ich das älteste Orchestermitglied und der einzige, der
noch unter Karl Münchinger gespielt hat. Spannend bleibt für uns alle
(MitarbeiterInnen, Intendanz und Vereinsvorstand) immer die Her-
ausforderung, im Wandel der Zeiten als unverzichtbarer Klangkörper
in der Musikstadt Stuttgart und im Konzertgeschehen weltweit wahr-
genommen zu werden.

                                                 – Text: Emanuel Wieck –

                                                                       – 16 –
WAS IST EIGENTLICH …?
                    Musikalische Fachbegriffe von SKO-Musikern erklärt

                                                       Die berühmteste Taktart in der Musik generell ist sicherlich der 3/4-
                                                       Takt. Schon im 16. Jahrhundert notiert, finden wir ihn in der Chaconne
                                                       und in vielen anderen Tanzformen, im 17. Jahrhundert im Menuett,
                                                       im 18. Jahrhundert im Ländler und später natürlich im Walzer und im
Wenn man im Duden nachschlägt, bekommt
                                                       19. Jahrhundert im Vals Crusado, oder auch Tango-Vals genannt. Und
      man folgende Informationen:
                                                       auch heutzutage in der Pop- und Unterhaltungsmusik bestimmt der
                                                       3/4-Takt häufig immer noch den Markt.
                    Takt
             (Substantiv, maskulin)
                                                       Für uns klassische Musiker hat die Taktart grundsätzlich aber auch
Einteilung eines musikalischen, besonders eines
                                                       sehr viel mit der Frage des Charakters eines Stückes zu tun. Handelt
rhythmischen Ablaufs in gleiche Einheiten mit
                                                       es sich – wie oben beschrieben – um einen Dreiertakt, deutet das auf
  jeweils einem Hauptakzent am Anfang und
                                                       einen tänzerischen Charakter hin. Ist es ein sogenannter gerader Takt
         festliegender Untergliederung
                                                       (2/4 oder 4/4), kann das auf einen marschartigen oder auch kämp-
                                                       ferischen Charakter wie in Tschaikowskis Ouvertüre 1812, in anderen
 Herkunft: eigentlich = Taktschlag, (stoßende)
                                                       Fällen aber auch auf einen festlichen Charakter, wie in der Ouvertüre
 Berührung < lateinisch tactus = Berührung;
                                                       zu „Figaros Hochzeit“ oder natürlich der „Kleinen Nachtmusik“ von
       Gefühl, zu: tactum, 2. Partizip
                                                       Mozart hindeuten.
            von: tangere, tangieren

                                                       Mitunter verschlägt es uns auch in andere Musikwelten, wie den Jazz
           Grammatik: ohne Plural
                                                       oder auch in folkloristische Musik aus Ländern wie beispielsweise
                                                       Ungarn und Gegenden wie dem Balkan, in deren Musik Taktwechsel,
                                                       Betonungsverschiebungen oder rhythmisch komplizierte Formen wie
                                                       der schnelle 7/8-Takt an der Tagesordnung sind. Und in der zeitgenös-
                                                       sischen Musik gibt es gelegentlich improvisatative Passagen, in denen
                                                       es gar keine Taktstruktur oder Ordnung mehr gibt, wo jeder ein oder
                                                       mehrere Motive in unterschiedlich schnellen Tempo zeitgleich indivi-
                                                       duell spielt.

                                                       In einem alten Kinderbuch von Ida Bohatta mit dem Titel „Heinz Triller,
                                                       Musiklehrer“ heißt es:

                                                       „Das erste, was ihr lernen müsst, ist das Taktgefühl.
                                                       Das zweite da, das merkt euch gut, ist das Zusammenspiel.
                                                       Wir fangen gemeinsam an und sind gemeinsam still,
                                                       nur allerdings dann zwischendurch spielt jeder, was er will.“

                                                                                                     – Text: Nikolaus von Bülow –

                                                  – 17 –
FÖRDERN MACHT FREU(N)DE!
                                               Förderer des SKO stellen sich vor

Das Stuttgarter Kammerorchester wird von einem treuen Freundeskreis gefördert, der mit großem Engagement die Konzerte, Urauf-
führungen, sozialen Projekte und die Nachwuchsförderung des Ensembles unterstützt. Grund genug, die Mitglieder der SKO-Familie
einmal vorzustellen …

                                                                                                      Gaby & Jürgen Kiehne
                                                                                                                   (Mäzene)

                                                                                                              unterstützen das
                                                                                                        Stuttgarter Kammerorchester
                                                                                                             mit großer Freude.

Was hat Sie dazu bewogen, sich für das SKO zu engagieren?                  samen Konzert des SKO und Eminem – ganz unter dem Motto: „SKO
Seit unserem Aufenthalt in den USA unterstützen wir unterschied-           goes Classic & Rap“?
lichste Organisationen. Für das Stuttgarter Kammerorchester enga-
gieren wir uns, weil hier (musikalische) Erstklassigkeit und soziales      Welches Konzert des SKOs ist Ihnen besonders in Erinnerung ge-
Engagement gelebt werden. Zudem ist das SKO ein Botschafter für            blieben?
großartige Musik und wird dadurch auch als Botschafter für den An-         Nur eins? Uns haben viele begeistert. Zum Beispiel die Sternstunde
spruch der Produkte aus Stuttgart, der Region, Baden-Württemberg           „Jazz meets Klassik“ mit Isabelle van Keulen, das Dreikönigskonzert
und Deutschland wahrgenommen.                                              „Schöpfung 2.0“ mit Walter Sittler und das Konzert „Die Farben der
                                                                           Marimba“ mit Katarzyna Myćka.
Wann haben Sie das SKO zum ersten Mal spielen gehört und wo
würden Sie das Orchester gerne mal erleben?                                Was bedeutet das SKO für Sie ganz persönlich?
Zum ersten Mal haben wir das Orchester in den Jahren 2005 bis 2008         Begegnungen mit gleichgesinnten Musikfreunden und mit den hoch
im Rahmen von Stuttgarter Ballett-, Schauspiel- und Musik-Abos ge-         motivierten Musikern.
hört.                                                                      Erleben, hören, genießen der erstklassig interpretierten und gespiel-
                                                                           ten Musikstücke in unterschiedlichen Umgebungen.
Wo wir das SKO gerne mal erleben möchten? Da fallen uns einige Orte        Das SKOhr-Labor mit all seinen neuen Ideen und Projekten mitverfol-
ein, z. B. auf einer Freilichtbühne, auf einer Burg oder einem Schloss     gen und unterstützen.
am Neckar, am Rhein oder an der Mosel; am Bodensee oder auf der
Burg Hohenzollern.                                                         Bitte beenden Sie den Satz: Ohne das SKO …
                                                                           ... fehlt uns ein wesentliches Stück Klangkultur in der Region, der Mut,
Ist Klassik Ihr Lieblingsgenre oder hören Sie auch gerne andere            Musik neu zu interpretieren und mit immer neuen Medien zu kombi-
Musikrichtungen?                                                           nieren.
Auch wenn wir uns mehr für das klassische Repertoire begeistern, ist
uns das Experimentelle sehr wichtig. Dabei gilt es offen zu sein, unge-    Möchten Sie sonst noch was loswerden?
wöhnliche Musikrichtungen zu kombinieren und den Mut zu fördern,           Wir fühlen uns sehr geehrt, Mitglied der SKO-Familie zu sein!
neue Klangwelten zu entdecken. Wie wäre es mal mit einem gemein-

                                                                      – 18 –
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       Wir danken unseren Förderern und Sponsoren

                                                    – 19 –
Stuttgarter Kammerorchester e. V. / Hasenbergsteige 3, 70178 Stuttgart / Tel.: 0711 / 619 21 21 / E-Mail: office@sko-stuttgart.com / Website:
www.stuttgarter-kammerorchester.com / Für den Inhalt verantwortlich: Markus Korselt / Redaktion: Susann Elsner & Virginia Müller / Foto-
nachweis: Umberto Nicoletti (Katia und Marielle Labèque Vorder- und Rückseite, S. 4 – 5), Reiner Pfisterer (Liederhalle Beethoven-Saal S. 2 – 3,
Thomas Zehetmair S. 10 & 12, SKO S. 14 – 15, Emanuel Wieck S. 16, Nikolaus von Bülow S. 17, Gaby und Jürgen Kiehne S. 18), Burkhard Riegels
(Dr. Joel Berger S. 7), Stephan Polzer (Gottlieb Wallisch S. 9), Martin Schniz (StadtPalais S. 6 & 19) / Gestaltung: Citygrafic Designoffice, 6020
Innsbruck / Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, 71522 Backnang / Stand: Februar 2020 / Rechte, Druck- und Satzfehler sowie Besetzungs- und
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