Rundbrief 2021 BUND Region Hannover

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Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
Rundbrief 2021
BUND Region Hannover
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
Editorial                                              03            Contra Industriehuhn Wedemark                     20

Begrüntes Hannover                               04-05               Volksbegehren Artenvielfalt                       21

in memorian Klaus Hennemann                       06-07              Gewässerrandstreifen                       22-24

Südschnellweg                                          08            Insektenbündnis Hannover                          25

Universum Kleingarten                             09-10              Weißstörche                                26-28

Gartenkosmonauten                                 10-11              Rettet die Straßenbäume                           29

Acker Pella                                            12            AG Naturfotografie                                30

Wanderbäume                                            13            AG Stadtentwicklung                               31

OG Pattensen                                           14            AG Fledermäuse                             32-33

Ackergruppe                                            15            Naturschutzgebiet Stadt                           34

Buchrezensionen                                  16-17               Einladung zur                                     35
                                                                     Mitgliederversammlung 2021
Rebhühner                                              18
                                                                     Veranstaltungskalender                     36-42
OG Wunstorf                                      19-20
                                                                     BUND aktiv                                 43-45

Impressum
Rundbrief Nr. 60
Herausgeber: BUND Region Hannover, Goebenstraße 3a, 30161 Hannover
Redaktion: Sabine Littkemann (verantw.), Kristina Bastian, Sibylle Maurer-Wohlatz
Titelbild: Mäusebussard, fotografiert von Anne Walter
Rückseite: Kronsberg Hannover, fotografiert von Antje Kohlstedde
Satz und Layout: Baensch Plus GmbH, Eike-Christian Bänsch
Druck: dieUmweltDruckerei GmbH | Auflage: 4.000 Exemplare
Stand: Juli 2021 | Erscheinungsweise: Einmal pro Jahr

Ein Nachdruck der Artikel ist mit Quellenangabe und Information der Redaktion ausdrücklich erwünscht. Die Beiträge
einschließlich der Fotos liegen in der Verantwortlichkeit der Verfasser.

Der BUND Region Hannover dankt dem Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover für die
jährliche institutionelle Förderung.

Die im Rundbrief oftmals genannte männliche Form bezieht sich gleichermaßen auf Personen jeden Geschlechts. Auf eine
Mehrfachbezeichnung wurde zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
03
                                                                                                         3

                                                                                                        Editorial
Corona-Pandemie und
Umweltschutz

Was haben die miteinander zu tun? Sehr viel!        Eine Besserung dürfen wir nicht allein durch
                                                    technologischen Fortschritt erwarten, denn
Erstens: Durch die noch immer aktive Pandemie       neue Technologie hat schon immer auch neue
fallen weniger Umweltgifte an, und die CO2-         Probleme geschaffen, wie unter vielem Ande-
Emissionen sinken weltweit. Das ist gut so, und     ren das Beispiel der Batterien für E-Autos zeigt.
durch die weltweit reduzierte Produktion und        Aber es gibt Hoffnung:
Mobilität hilft es hoffentlich, den Klimawandel
zu bremsen, der schon jetzt für manche Regio-       Menschen können denken, erkennen und aus
nen unseres Planeten schreckliche Folgen hat.       Erkenntnis lernen – zum Beispiel dass es an der
                                                    Zeit ist, eigenes Verhalten zu ändern, Konsu-
Zweitens hat die Pandemie sehr deutlich ge-         merwartungen und Bequemlichkeiten zurück
zeigt, wovon sie profitiert hat: Massentouris-      zu schrauben, Wohlstand nicht als schranken-
mus über alle Grenzen hinweg und ein ausge-         losen Besitz und Konsum misszuverstehen.
uferter globaler Handel und Warenkonsum, der        Man kann zu diesen Themen viel Information
rücksichtslos und nur einem ökonomischen            finden, z. B. im Internet auch auf Futurzwei
Credo folgend gegen jede ökologische Vernunft       (einfach dieses Wort in die Suchmaske einge-
verstößt. Beides hat (neben dem Wachstum der        ben), wo es unter anderem ein ganz interessan-
Weltbevölkerung) der rasanten Verbreitung des       tes „Zukunftsarchiv“ gibt. Wir raten zum neuen
Virus Vorschub geleistet. Beides – Tourismus        Jahr allen Menschen: Informieren, nachdenken,
und Handel – hat letztlich mit uns zu tun: Mit      mit anderen darüber reden, sich selbst prüfen.
unserer Lebensweise, unserem Konsumverhal-          Sind Sie dabei?
ten (viel und „günstig“ soll es sein) und unseren
Erwartungen (keine Einschränkungen bei Spaß,
Handlungsfreiheit und materiellem Wohlstand)
sind wir die Verursacher des Dilemmas. Gleich-                                     Dr. Bernd Alt
zeitig verursachen wir mit diesem unserem Ver-                 Vorstand BUND Region Hannover
halten Umweltschäden bei uns in Deutschland                         Facharzt für Innere Medizin
und Europa und fatale Umweltkatastrophen in                                     und Kardiologie
meist recht fernen Ländern.
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
04
Begrüntes Hannover

                                                                                                                                  Foto: Jana Lübbert
                                                                                          BEGRÜNTES HANNOVER
                                                                                          Förderprogramm für Gebäudebegrünung
                                                                                          und Entsiegelung

                     Die Begrünung von Häusern –
                     jetzt von der Region Hannover gefördert
                     Die steigende Nachfrage für einen finanziellen Zu-    träge überwiegend für Dachbegrünungen konzen-
                     schuss besonders für Dachbegrünungen hatte die        trieren. Der BUND wird weiterhin sein kostenloses
                     Landeshauptstadt Hannover veranlasst, auch 2020       Beratungsangebot für Fassadenbegrünungen anbie-
                     weitere Fördermittel zur Verfügung zu stellen.        ten. Denn auch wenn diese bisher wenig nachgefragt
                     „Denn 2019 wurden im Rahmen des Projektes Be-         wurden, besteht hier ein großer Vermittlungsbedarf,
                     grüntes Hannover mehr Anträge eingereicht, mehr       da sie künftig in der verdichteten Stadt als Eckpunkt
                     Fördermittel ausgezahlt und mehr Flächen begrünt      eines notwendigen Klimafolgenmanagements eine
                     als im Zeitraum vorher!“ freute sich Jana Lübbert     immer größere Rolle spielen werden.
                     vom BUND-Projektteam. Ein Umdenken zu mehr
                     Grün in der Stadt ist überall spürbar und so wollen   Da auch für dieses Jahr Regionsmittel zur Förderung
                     Hauseigentümern*innen jetzt nicht nur ihr Wohn-       von Dach- und Fassadenbegrünung in Aussicht ge-
                     umfeld aufwerten, sondern auch einen Beitrag zum      stellt wurden, will die Landeshauptstadt Hannover
                     Arten- und Klimaschutz leisten.                       zusammen mit den BUND in Zukunft den Fokus
                                                                           stärker auf die Flächenentsiegelung legen, da hier
                     Die steigende Nachfrage blieb auch der Region Han-    seit der erfolgreichen Einführung 2017 noch Steige-
                     nover nicht verborgen. Sie stellte im vergangenen     rungsbedarf besteht. Dies soll unter anderem durch
                     Jahr (2020) zusätzlich 200.000 Euro Fördermittel      die Förderung von Teilentsiegelungen erreicht wer-
                     für Gebäudebegrünungen bereit, wovon auch die         den, bei denen sowohl der Aspekt der Versickerung
                     Landeshauptstadt Hannover - als eine Kommune der      wie auch der Bepflanzung Berücksichtigung findet.
                     Region Hannover - profitierte. Damit wurde nach       Dazu bedarf es weiterer Anpassungen bezüglich der
                     acht Jahren das zusammen mit dem BUND entwi-          Förderung von wasserdurchlässigen „grünen Belä-
                     ckelte erfolgreiche städtische Förderprogramm für     gen“. Damit soll das Angebot noch attraktiver wer-
                     Dach- und Fassadenbegrünungen von der Region          den, denn der Wunsch nach Erholung und nutzbaren
                     übernommen und das Fördergebiet erweitert. Fu-        Raum im eigenen Wohnumfeld, besonders in Zeiten
                     ßend auf der jahrelangen umfangreichen Öffent-        der Pandemie und der zunehmenden sommerlichen
                     lichkeitsarbeit des BUND im Rahmen des Projektes      Hitzewellen, ist größer denn je.
                     „Begrüntes Hannover“ kann die Region sich nun auf
                     die Abwicklung der stetig eingehenden Förderan-                                                   Jana Lübbert
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
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                                                                                                                                  Begrüntes Hannover
Foto: Gerd Wach

                  Jedes Grün zählt - BUND und Landeshauptstadt fördern
                  mit dem Projekt „Begrüntes Hannover“ Hofentsiegelungen
                  Hannover soll grüner werden, gleichzeitig wird im-     So sieht die Förderung jetzt aus: Wird eine beto-
                  mer mehr Fläche für Wohnungen und Gewerbe be-          nierte Hoffläche entsiegelt, sollte eine entstehende
                  nötigt und bebaut. Um dem Leitbild einer „doppelten    Vegetationsfläche mit Rasen oder Sträuchern min-
                  Innenentwicklung“ des Bundesamtes für Natur-           desten zehn Quadratmeter groß sein, damit die Kos-
                  schutz (BfN) zu entsprechen, versuchte die Stadt mit   ten für Aufbruch, Entsorgung und die anschließende
                  Hilfe des Projektes „Begrüntes Hannover“ schon seit    Begrünung bezuschusst werden. Sollen auf dem Hof
                  2017 unnötig versiegelte Flächen aufzuspüren und       weitere Flächen mit zum Beispiel Rasengitterstei-
                  ihre Entsiegelung und anschließende Begrünung fi-      nen versickerungsfähig befestigt werden, so sind
                  nanziell zu fördern. „Das Leitbild der doppelten In-   auch dafür erstmals alle Entsiegelungskosten anre-
                  nenentwicklung verfolgt das Ziel, Flächenreserven      chenbar. Die Kosten für die anschließend verlegten
                  im Bestand baulich sinnvoll zu nutzen, gleichzeitig    Rasengittersteine werden hier entsprechend ihres
                  aber auch urbanes Grün zu entwickeln, zu vernet-       Grünanteils (40 Prozent) hinzugerechnet, bei Schot-
                  zen und qualitativ aufzuwerten“ (BfN). Aus diesen      terrasen wären es sogar 90 Prozent.
                  Gedanken ergab sich jetzt die Idee, alle Arten von
                  Entsiegelungen zu fördern, die sowohl befestig-        Nach wie liegt der Fördersatz bei einem Drittel der
                  te und tragfähige Flächen darstellen aber dennoch      förderfähigen Kosten. Das BUND-Projektteam un-
                  versickerungsfähig sind und Vegetation (Begrünun-      terstützt die Stadt, wirbt für das Programm, berät die
                  gen) zulassen. So werden jetzt versickerungsfähige     Grundstückseigentümer*innen, nimmt die Anträge
                  und teilweise begrünte Beläge für Einfahrten, Wege,    entgegen und zahlt die Förderung aus. Die genauen
                  Stellplätze und Hofflächen in das Förderprogramm       Förderbedingungen sind unter www.begruentes-
                  für Entsiegelungen aufgenommen. Damit werden           hannover.de nachzulesen.
                  zum Beispiel Rasengittersteine, Rasenfugenpflas-
                  ter und Schotterrasen (nicht zu verwechseln mit                                                Gerd Wach
                  Schottergärten) hinsichtlich ihres Grünanteils bezu-
                  schusst.
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
06
Klaus Hennemann

                  in memoriam Klaus Hennemann (1937 – 2020)

                  Am 12. Dezember 2020 hat uns unser langjähriges        seinen stetig blühenden Staudengarten zu einem
                  Vorstandsmitglied Klaus Hennemann für immer            bewunderten Anziehungspunkt, entsprechend der
                  verlassen. Erst im Mai 2019 war Klaus freiwillig von   Aussage Foersters: „Das kleine Stück Kosmos vor
                  seinem Vorstandsposten zurückgetreten, den er bald     der eigenen Tür wird allmählich eine Zauberwerk-
                  nach seinem Beitritt zum BUND am 1. Februar 1998       statt unerschöpflicher Möglichkeiten“. Diese Mög-
                  für über zwanzig Jahre innehatte. Auch danach          lichkeiten schließen den ökologischen Gedanken
                  blieb er unserer Kreisgruppe verbunden, zeigte im      ein, so dass nicht nur ein bunter Garten entsteht,
                  Rahmen der „Offenen Pforte“ seinen wunderschö-         sondern zugleich ein Lebensraum für die vielen In-
                  nen und inspirierenden Staudengarten und mach-         sekten und die auf sie angewiesene große Zahl an
                  te sich mit seinen lecker geschmierten Broten und      Singvögeln. Für die sorgte Klaus Hennemann wie
                  veganen Köstlichkeiten wie jedes Jahr viele Freun-     selbstverständlich zusätzlich mit selbstgetöpferten,
                  de bei unserem letzten wegen Corona bisher noch        stets sauber gehaltenen Tränken.
                  möglichen Jahresfest im Dezember 2019.
                                                                         Seine wahre Passion galt dennoch den vielen Blü-
                  Der Garten, sein Kleingarten, gelegen am Mitteland-    tenbesuchern, vor allem den Wildbienen und ande-
                  kanal in Hannover, war Quelle und Anker seiner         ren Stechimmen. Auf Veranstaltungen warb er für
                  Aktivitäten für den BUND. Nach den Ideen des be-       die richtigen Nisthilfen und verurteilte die meisten
                  kannten Gartenphilosophen und -architekten Karl        zu kaufenden „Insektenhotels“ wegen ihrer vielen
                  Foerster (1874-1970) entwickelte Klaus Hennemann       Konstruktionsfehler. Als Wespenberater des BUND
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
07
erhielt er während der Saisonmonate Juli und Au-        Klaus Hennemanns Garten – getreu Karl Foerster

                                                                                                                         Klaus Hennemann
gust Hunderte von Anrufen von verunsicherten            eine „Wunderkiste Blütenstauden“ – gedeiht weiter
Menschen aus der ganzen Republik – und oft konnte       mit den Händen seiner Frau Margrit – mit ihr zu-
der Wespenexperte allein mit seiner Telefonbera-        sammen hat er diesen wundervollen Garten geschaf-
tung erreichen, dass Wespennester nicht beseitigt       fen und gepflegt. Das Titelbild des Rundbrief 2018
wurden. Seine Gartenvorstellungen brachte Klaus         zeigte eine Impression seiner geliebten Gartenoase,
Hennemann in den städtischen Wettbewerb „Gar-           die Jahr für Jahr viele Besucher zur Offenen Pforte
tenLust“ ein – hier vertrat der leidenschaftliche Na-   anlockt. Wir wünschen uns, dass sein Garten auch
turliebhaber über viele Jahre den BUND in der Jury,     weiterhin kurz nach Klaus Geburtstag am 6. Juli
die die teilnehmenden Gärten bewertete und prä-         wieder eine „Offene Pforte“ haben wird – damit viele
mierte. Dabei war es ihm wichtig, einen Sonderpreis     Menschen lernen, dass „zur tiefsten Freude an dem,
des BUND auszuloben, der für seine Vorstellungen        was ist, auch die Freude, an dem was wird, gehört“
eines naturnahen und tierfreundlichen Gartens warb      (Karl Foerster).
– das Buch von Reinhard Witt: „Natur für jeden Gar-
ten“.                                                                                          Gerd Wach

                                                                                                               Foto:s: Sabine Littkemann

Der naturnahe und blütenreiche Garten von Klaus und Margrit Hennemann zierte das Titel-
bild des Rundbriefs 2018.
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
08
                Keine Autobahn durch die
Südschnellweg

                Leinemasch!
                Bündnis gegen den Ausbau des

                                                                                                                         Foto: WeAct Campact
                Südschnellwegs mit Rückenwind

                Zusammen mit zahlreichen hannoverschen
                Verbänden und Initiativen engagiert sich der
                BUND gegen den geplanten autobahnmäßigen
                Ausbau des Südschnellwegs durch die Leine-
                masch. Auf 25 Meter Fahrbahnbreite, so die         rastruktur (BMVI) in Berlin. Nur hier können
                Planung, soll der Schnellweg ausgebaut und         auf politischem Wege die Rahmenbedingungen
                damit für mehr und schnelleren Autoverkehr         geändert werden.
                ertüchtigt werden. Das zentrale Ziel des Bünd-
                nisses: Keine Verbreiterung des Südschnellwe-      Ob der Widerstand in der Landeshauptstadt
                ges um 13 Meter und keine damit verbundenen        ausreicht, um die in Gang gesetzten Mühlen
                Eingriffe in einen der schönsten Landschafts-      zu stoppen, erscheint also fraglich. Dennoch
                räume Hannovers!                                   heißt es nun: dranbleiben. Denn der zivilge-
                                                                   sellschaftliche Protest lohnt sich in jedem Fall.
                Nicht zuletzt angesichts der fortschreitenden      Nicht zuletzt, um weitere Ausbauvorhaben
                Klimakrise darf es in der Verkehrspolitik kein     in der Region – auch für den Westschnellweg
                „Weiter So“ geben. Der im Rahmen von – erfor-      steht in Kürze eine Erneuerung an – frühzei-
                derlichen – Brückensanierungen geplante Aus-       tig zurück zu weisen. Sollte es sogar gelingen,
                bau des Südschnellweges wird unweigerlich ein      das Landschaftsschutz- und Erholungsgebiet
                noch größeres Verkehrsaufkommen induzieren.        Leinemasch gegen den Ausbau zu verteidigen,
                Stattdessen gilt es, den Autoverkehr überall zü-   wäre ein Präzedenzfall mit Ausstrahlungskraft
                gig zu reduzieren, um den Zielen des Pariser       geschaffen. Dafür werden wir weiter kämpfen:
                Klimaschutzabkommen überhaupt noch gerecht         Die nächsten Aktionen des Bündnisses sind be-
                werden zu können. Die Infrastruktur, die wir       reits in Planung!
                heute bauen, hält die nächsten 70 Jahre – sie
                muss zukunftsfähig sein!                                           für das Bündnis: Arne Käthner

                Auch wenn die Planung scheinbar unbeirrt
                voranschreit, verspüren die Initiatoren doch       Wir freuen uns über weitere Unterzeichner für unsere
                erheblichen Rückenwind. Die Ende Dezember          Petition. Auf der Website könnt ihr euch auch eintragen,
                gestartete Online-Petition gegen das Ausbau-       um über weitere Aktionen des Bündnisses informiert zu
                vorhaben haben mittlerweile Tausende un-           werden: https://weact.campact.de/petitions/keine-
                terzeichnet. Zu einer ersten Mahnwache Ende        autobahn-durch-die-leinemasch
                Februar auf dem Opernplatz kamen 250 Men-
                schen. Und nicht zuletzt sprach sich auch der      Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs:
                hannoversche Oberbürgermeister Belit Onay in       ADFC Region Hannover, ADFC Stadt Hannover,
                einem Brief an den Bundesverkehrsminister öf-      BUND Region Hannover, Extinction Rebellion Hanno-
                fentlich gegen das Ausbauvorhaben aus. Denn        ver, FridaysForFuture Hannover, HannovAIR Connec-
                Planungsträger sind nicht die Stadt Hannover       tion, Hannover summt!, NABU Hannover, ParentsFor-
                oder das Land Niedersachsen, sondern das Bun-      Future Hannover und Region, PlatzDa!, Transition Town
                desministerium für Verkehr und digitale Inf-       Hannover, VCD Hannover, VeloCityNight
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
09

                                                                                                                                              Universum Kleingarten
                     Das Team UNIVERSUM KLEINGARTEN: (v.l.) Sibylle Maurer-Wohl-
                     atz, Andrea Preißler-Abou El Fadil, Jan Heeren, Anke Bischoff

                               UNIVERSUM KLEINGARTEN
                               Nach vier intensiven Jahren der Zusammenarbeit         unerkannte ökologisch motivierte Gärtner*innen
                               mit hannoverschen Kleingartenervereinen endete         miteinander zu vernetzen und somit ihre Position im
                               2020 die Förderung der Niedersächsischen Bingo         Verein zu stärken. Mit einer offenen Gemeinschaft
                               Umweltstiftung für das erfolgreiche Projekt UNI-       von Kleingärtner*innen, die vereinsübergreifend für
                               VERSUM KLEINGARTEN, das über die Stadt und             verantwortungsvolles Handeln auch in Hinblick auf
                               Region Hannover hinaus bekannt geworden ist. Idee      zukünftige Generationen und ein wertschätzendes
                               und Name und stehen für die Fülle und Vielfalt öko-    Miteinander einstehen, ist dies auch gelungen. Sie
                               logischer kleingärtnerischer Praxis, die während der   werden die vom BUND-Projektteam angeschobenen
                               Laufzeit in Form eines Leitbildes formuliert und in    Impulse fortsetzen.
                               unzähligen Workshops und Aktionen in den koope-
                               rierenden Vereinen umgesetzt wurde. Ein wichtiges      Das BUND-Team hat hierfür ein Handbuch als Leit-
                               Ziel des Projektes war auch, gleichgesinnte, bisher    faden für die eigenständige Weiterarbeit erstellt und
                                                                                      bleibt ehrenamtlich punktuell als Ansprechpart-
                                                                                      ner erhalten. Als weiterer Erfolg zu verbuchen ist
                                                                                      eine Veranstaltungsreihe, die 2021 erstmals über-
                                                                                      wiegend von Referent*innen aus den Reihen der
                                                                                      Kleingärtner*innen bestritten wird. Der Bezirksver-
                                                                                      band der Kleingärtner unterstützt diese Initiative
                                                                                      durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit.

                                                                                                      Andrea Preißler-Abou El Fadil
Fotos: UNIVERSUM KLEINGARTEN

                                                                                      Naturnaher Kleingarten: Nektar für Wildbienen und
                                                                                      Hummeln ab Februar durch Winterlinge, wilde Kro-
                                                                                      kusse, Buschwindröschen; vielfältige Stauden, Buchs-
                                                                                      baum, Eiben und Buchenhecken; Pergolen mit Lonice-
                                                                                      ra, Clematis, Kletterrose; intensive Mulchwirtschaft
Rundbrief 2021 BUND Region Hannover
10
Universum Kleingarten

                        Handbuch UNIVERSUM KLEINGARTEN zum                                        Pfortenschild der offenen Gemeinschaft der
                        Downloaden: www.universum-kleingarten.de                                  Kleingärtner*innen

                        1
                          Die UNIVERSUM KLEINGARTEN-Gemeinschaft ist aus dem BUND-Projekt UNIVERSUM KLEINGARTEN
                        hervorgegangen – einem Projekt der Initiatoren der Gartenkosmonauten Kleingartenpatenschaft im KGV Her-
                        renhausen-Burg. Mit ihrem Pfortenschild am Garteneingangstor „Mein Kleingarten für Vielfalt – UNIVERSUM
                        KLEIGARTEN – ich bin dabei“ zeigen sich die Gartenkosmonauten als ein lebendiger Teil der Gemeinschaft.

                        Bingo Umweltstiftung fördert die
Gartenkosmonauten

                        Gartenkosmonauten als eigenes Projekt
                                                                                                  Erfolg der 1. Kleingarten-Patenschaft im KGV
                                                                                                  Herrenhausen-Burg geht in die nächste Runde

                                                                                                  Im Hochsommer 2020 lieferten gleich zwei groß-
                                                                                                  artige Nachrichten die Gartenkosmonauten im
                                                                                                  Kleingärtnerverein Herrenhausen-Burg Grund zur
                                                                   Foto: BUND Gartenkosmonauten

                                                                                                  Freude. Nach Monaten starker Einschränkungen
                                                                                                  durch die Pandemie durften die KiTa-Kinder end-
                                                                                                  lich wieder Ausflüge in ihren Kosmonautengarten
                                                                                                  machen. Darüber hinaus sagte die Niedersächsische
                                                                                                  Bingo-Umweltstiftung (NBU) zu, die Gartenkos-
                                                                                                  monauten mit einem Budget von 29.900 € an die
                                                                                                  BUND-Kreisgruppe als ein eigenes Projekt in 2021
                                                                                                  zu unterstützen. Nach einem Jahr der doppelten Be-
                                                                                                  währungsprobe, sind sich das BUND Projektteam
                                                                                                  und die Zachäus KiTas sicher: die Gartensaison kann
                                                                                                  kommen.
                        Gartenkosmonautin bei der Stangenbohnenernte
11
Ein kleiner Rückblick: Die Rolle als Paten eines ei-                           Gartenpatenschaften weiter zu ebnen. Die Vision ist,

                                                                                                                                       Gartenkosmonauten
genen Kleingartens war für die Zachäus-KiTas noch                              auf diese Art den immensen Schatz, den die hanno-
frisch, als die Pandemieregelungen griffen. Maximal                            verschen Kleingärten für eine Vielzahl von Stadt-
zwei Personen durften den Garten betreten. Aus-                                kindern bergen, nach und nach zu heben. Die Vision
flüge waren den KiTas grundsätzlich untersagt. Für                             ist auch, dass sich Kosmonautengärten mittel- und
die kleinen Gartenkosmonauten begann eine Zeit                                 langfristig über Hannovers Stadtgebiet so etablie-
des „Gärtnerns ohne Garten“ bzw. der „Raumfahrt                                ren, dass sie zu einem Aushängeschild werden für
ohne Raumschiff“. In der Zwischenzeit stemmten                                 ein zukunftsweisendes Kleingartenwesen.
vor allem einige KiTa-Pädagogen und einige Eltern
die Pflege des Gartens – an Stelle gemeinschaftli-                             Das Potenzial zur Verwirklichung dieser Visionen
cher Arbeitseinsätze traten Aktionen mit wenigen                               ist groß, denn in Hannover mit seinen 20000 Klein-
anpackenden Händen. Im August nach der Schließ-                                gärten auf 5% der Stadtfläche bieten sich viele Ge-
zeit war es dann endlich soweit – die KiTas durften                            legenheiten für Kooperationen zwischen KiTas und
wieder in ihren Garten. Viele Beeren warteten be-                              Kleingärtnervereinen. Kosmonautengärten werden
reits darauf, vernascht zu werden, die ersten Pap-                             von den Kindern und allen weiteren Beteiligten
rikas wurden reif. Die ersten Stangenbohnen auch.                              kinderfreundlich und ökologisch gestaltet. Als Vor-
Die ersten Äpfel folgten bald. In kleinen Gruppen                              bild für das Projekt „Gartenkosmonauten“ dient das
konnten die KiTas die Fülle des Kleingartens wie-                              Lerngarten-Netzwerk Bremen, in dem jedes Jahr
der mit allen Sinnen erleben, auch die neue – von                              rund tausend Kinder zum Gärtnern finden. „Wir
KiTa-Eltern – gebaute Matschküche. Dank des groß-                              wollen mit unserem Projekt die Basis für ein ver-
artigen Einsatzes all derer, die sich dieses Jahr trotz                        gleichbares Netzwerk in Hannover schaffen,“ nennt
Widrigkeiten aktiv und unterstützend eingebracht                               Anke Bischoff vom BUND das Ziel.
haben, erwies sich der Kosmonautengarten in den
Sommermonaten einmal mehr als großer Glücksfall                                Wer sich unter diese ersten neuen Gartenkos-
für die Kinder der beiden Zachäus-KiTas.                                       monauten reihen wird, steht noch in den Ster-
                                                                               nen. Vier Interessensbekundungen aus hanno-
                                                                               verschen Kindertageseinrichtungen an solch
                                                                               einer eigenen Kleingartenpatenschaft gibt es bereits.
                                                Foto: BUND Gartenkosmonauten

                                                                               Weitere sind willkommen und werden von
                                                                               Anke Bischoff, die die Projektleitung über-
                                                                               nommen hat, unter 0177 - 21 09 080 oder
                                                                               anke.bischoff@gartenkosmonauten.de         entgegen
                                                                               genommen.

                                                                                                                   Anke Bischoff

Wohlverdiente Pause mit selbst geernteter Goldparmä-
ne, einer alten Apfelsorte, die im Kosmonautengarten
wächst

Ein kleiner Ausblick: Mit der Projektförderung der
NBU bekommt der gemeinsame Wunsch vom BUND
Region Hannover, dem Bezirksverband Hannover
der Kleingärtner (BZV) und der UNIVERSUM KLEIN-
GARTEN Gemeinschaft nun kräftig Rückenwind,
den Weg für die bestehende und weitere (Klein-)
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             Acker Pella

                                                                                                                                    Foto: Sibylle Maurer-Wohlatz
                                         Gemeinschaftsgärtnerei Acker Pella e.V.
                                         Der 2013 gegründete Verein Gemeinschafts-       Neben der Anzucht von Tomaten für die
                                         gärtnerei Acker Pella hat sich dem Anbau        BUND-Pflanzenbörsen, bietet die Gärtnerei
                                         samenfester Gemüsesorten, Kräuter und           seit 2017 in mehreren Kleingärtnervereinen
                                         Blühpflanzen verschrieben. Schwerpunkt          im Frühjahr Jungpflanzen für Begeisterte der
                                         der Vereinsaktivitäten sind neben dem An-       Kulturpflanzenvielfalt an.
                                         bau und Erhalt vielfältiger Kulturen auch die
                                         Erprobung ökologischer, klimagerechter und      Bei der Anzucht ihrer Gemüsejungpflanzen
                                         sozialer Landbewirtschaftungsformen sowie       verwendet Acker Pella torffreie Substrate,
                                         die Verbreitung von Kenntnissen hierüber.       angebaut wird ohne Pestizid- und Mineral-
                                                                                         düngereinsatz. Bei der Bewirtschaftung des
                                         Seit der Betrieb Nötel die Anzucht von Toma-    Vereinsgeländes in Langenhagen achten die
                                         tenpflanzen aufgegeben hat, zieht Acker Pel-    Gemeinschaftsgärtner und -gärtnerinnen
                                         la auch die von BUND und Verband Entwick-       darauf, vielfältige Lebensräume und ein Blü-
                                         lungspolitik Niedersachsen e.V. (VEN) seit 20   tenangebot über die ganze Gartensaison für
                                         Jahren erhaltenen Tomatensorten an, sodass      Wildbienen, Schmetterlinge, Käfer, Schweb-
                                         die BUND-Pflanzenbörsen in Zukunft wei-         fliegen und Co. anzubieten.
                                         terhin mit diesem Schatz historischer Sorten
                                         versorgt werden können.

                                                                                         Gemeinschaftsgärtnerei Acker Pella e.V.
Foto: © Adobe Stock // lena_zajchikova

                                                                                         Email:  acker_pella@t-online.de
                                                                                         Web:    www.ackerpella.de
                                                                                         FB:     https://fb.com/VereinAckerPella
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                                                                                                                          Wanderbäume
Foto: Kristina Bastian

                         „Wanderbäume“ begrünen graue Straßen und Plätze
                         Auf tristen Straßen und Plätzen stehen plötz-   stützt, die sich auf vielfältige Weise für die
                         lich grüne Bäume. Die Wanderbaumallee           Umsetzung einer ökologisch ausgerichteten
                         Hannover, eine Aktion von umweltbewegten        Entwicklung Hannovers einsetzen. Weitere
                         Menschen, macht’s möglich! Ab 17. Juli ver-     Unterstützer*innen, Mitmacher*innen und
                         schönern acht heimische Bäume den Bereich       Baumpat*innen sind herzlich willkommen.
                         an der Goseriede. In einem Punkt unterschei-
                         den sich diese Bäume jedoch von normalen        Insgesamt sind in diesem Jahr drei Wan-
                         Straßenbäumen: Sie stehen in fahrbaren          derbaum-Aktionen     vorgesehen,    weite-
                         Trögen mit Sitzgelegenheit und ziehen nach      re sind für das nächste Jahr geplant. Die
                         einigen Wochen an einen anderen Standort        Orte und Termine werden rechtzeitig unter
                         um.                                             www.bund-region-hannover.de/wanderbaeume/
                                                                         sowie auf Instagram bekannt gegeben. Alle,
                         Die Idee der Wanderbaumallee ist es, ver-       die Lust haben, sind herzlich eingeladen,
                         schiedene Straßen und Plätze in Hannover        den fröhlichen Umzug der Wanderbäume zu
                         temporär zu begrünen und Verweilorte zu         begleiten.
                         schaffen, an denen die Bürger*innen ganz
                         direkt erleben können, wie sich ihr Leben in                                     Ute Pommel
                         der Stadt durch mehr Grün nachhaltig ver-
                         bessert – optisch, akustisch, klimatisch und
                         sozial. Getragen wird die Aktion vom BUND
                         Region Hannover. Darüber hinaus wird sie
                         von einer Reihe von Organisationen unter-
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OG Pattensen

                                                                                                                            Foto: Sibylle Maurer-Wohlatz
               Wildblumen am Ackerrand: So könnte es in Zukunft überall aussehen.

               Trotz Corona einiges auf den Weg gebracht
               So verheißend, wie die BUND Ortsgruppe Patten-         Blütenvielfalt auf Ackerrandstreifen und Stra-
               sen sich vor Beginn des letzten Jahres voller Elan     ßenbegleitgrün durch eine gestaffelte Mahd zu
               getroffen hatte, so schnell hatte uns die Corona-      ermöglichen. Die bisherige Praxis ist fatal: alle
               Pandemie bei der Umsetzung gestoppt. Allerdings        Seitenstreifen werden auf einmal gemäht, sodass
               konnte die Pflanzen- und Tomatenbörse in Reden         keine einzige Blüte mehr übrig bleibt. Auch die
               stattfinden und waren sehr gut besucht: über 14        Frage, wie es möglich ist, die Mahd abzufahren,
               Tage gestreckt und mit klaren Abständen und            um die Seitenstreifen stetig abzumagern und da-
               Maskenpflicht. Und wir konnten zumindest im            mit mehr Blüten eine Chance zu geben, wurde dis-
               kleinen Familienteam im zeitigen Frühjahr Müll         kutiert, auch gemeinsam mit der AG Feldhamster.
               an der Alten Leine sammeln, was sich (leider) ge-      Wir können unsere Planungen hoffentlich bald
               lohnt hatten.                                          fortsetzen.

               Trotz aller Probleme konnten wir einen „Runden         Ein erstes Highlight ist, dass die UNB einen Biodi-
               Tisch im Freien“ zum Thema Ackerrandstreifen in        versitäts-Antrag des BUND bewilligt hat. Die von
               der Feldmark organisieren. Wir haben uns zwei-         der Ortsgruppe vor 10 Jahren angelegte Streuobst-
               mal „mit Abstand“ mit allen Vertreter*innen der        reihe am Hüpeder Bach soll aufgewertet werden:
               landwirtschaftlichen Realgemeinden, der Stadt          Auf einem breiten Streifen davor wird eine Regio-
               Pattensen, Landwirtschaftskammer, Unteren Na-          Wildblumenmischung von Rieger-Hofmann neu
               turschutzbehörde (UNB) und Straßenmeisterei            ausgesät.
               getroffen. Ziel der Gespräche ist, Insekten mehr
                                                                                             Sibylle Maurer-Wohlatz
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                                                                                                                        Ackergruppe
                                                                                                            Foto: Sibylle Maurer-Wohlatz
Mit Leidenschaft dabei: Dietrich Wohlatz bearbeitet die neue Ackerfläche

Auf neuem Acker
2020 sind wir von unserer alten Fläche in Jeinsen       fläche blühten fast ausschließlich viele ein- und
auf eine neue in Pattensen auf dem Acker von Tina       mehrjährige Blumen, und sie war ein wichtiges
und Christian Redeker umgezogen gegenüber der           Rückzugsgebiet für Rebhühner, die hier Deckung
Kläranlage. Hier betreibt das Landwirtschaftsehe-       und unendlich viel Nahrung gefunden haben.
paar ein tolles Projekt „DASgemüseBEET“, wo sich
Interessierte für eine Saison ein Beet von 25 qm               Dietrich Wohlatz - BUND Ackergruppe
pachten können mit bereits vorgepflanztem und
gesätem Gemüse und dann pflegen, ernten und
nachsäen. Die Nachfrage war so groß, dass die
Fläche dieses Jahr vergrößert wird.

„Unser“ neuer Pachtacker befindet sich dahin-
ter, und unsere Ackergruppe besteht aktuell aus
fünf Personen. Wir werden auch dieses Jahr wie-
der viele rare alte Gemüsesorten erhalten wie die
Gurke „Berliner Aal“, die Tomate „Onkel Gustav“
oder interessante alte Bohnensorten wie die „Hil-
desheimer“. Umsäumt wird alles mit einjährigen
Blühpflanzen, die wie ein Magnet auf viele Insek-
ten wirken. Auf der aufgelassenen, alten Acker-
16                 Regenerative Landwirtschaft
                   von Dietmar Näser, Ulmer Verlag.
Buchrezensionen

                                               Auf dieses Buch ha-    Schritten, die hier nicht alle aufgezählt werden,
                                               ben wir gewartet:      wird das System erläutert: Es fängt an, die Basen-
                                               Der Agraringeni-       sättigung von Böden nach der Albrecht-Methode
                                               eur Dietmar Näser      zu Beginn zu untersuchen: Nicht allein der pH-
                                               (www.gruenebrue-       Wert der Böden, sondern der ausgewogene Anteil
                                               cke.de),    bekannt    aller Basen zueinander, also Calcium (ca. 74%),
                                               für seine prakti-      Magnesium (ca.10,5 %), Kalium (ca. 2,8 %) ist
                                               schen Bodenkurse       wichtig, denn zu wenig oder zu viel eines Minerals
                                               zu Regenerativer       verklebt entweder den Boden oder verhindert sta-
                                               Landwirtschaft,        bile Ton-Humus-Komplexe und Humusbildung.
                                               hat nunmehr sein       Die Planung und Aussaat einer ausgewogenen,
                                               Wissen sehr gut        vielfältigen Frucht- und Kulturfolge, aber auch
                                               verständlich      in   Untersaaten (!) sowie das Prinzip des immer be-
                  Buchform veröffentlicht. Sein Leitspruch ist ins-   deckten Bodens mit lebendigen Pflanzen ist ein
                  pirierend: „Man schafft niemals Veränderung, in-    nächster Schritt.
                  dem man das Bestehende bekämpft. Um etwas zu
                  verändern, baut man neue Modelle, die das Alte      Auch eine schrittweise reduzierte Bodenbearbei-
                  überflüssig machen.“ Und dies wurde entspre-        tung und Förderung des Humusaufbaus sind wich-
                  chend den Prinzipien der sogenannten Regenera-      tige Pfeiler in der RL. Dietmar Näser empfiehlt,
                  tiven Landwirtschaft (RL) auch bereits oft in der   erst einmal behutsam mit einer Fläche Erfahrun-
                  Praxis umgesetzt. Doch leider noch nicht bei uns    gen zu sammeln und sich vor Ort mit Gleichge-
                  in der Region Hannover, aber das kann sich ja än-   sinnten zu vernetzen und auszutauschen. Viel-
                  dern! Dabei wirken Maßnahmen der RL sofort und      leicht bietet sich auch ein Stammtisch an, wenn
                  spürbar, egal ob im konventionellen oder biologi-   das wieder möglich ist. Da können dann konven-
                  schen Land- oder Gartenbau.                         tionelle und Bio-Bäuer*innen und Gärtner*innen
                                                                      zusammensitzen! Wir haben dieses Buch auch den
                  Doch was ist Regenerative Landwirtschaft? Sie       Vertreter*innen des Niedersächsischen Weges in
                  baut darauf auf, dass wir das Bodenleben als        der Region Hannover sehr ans Herz gelegt!
                  Schlüssel für fruchtbare Böden und den Pflan-
                  zenstoffwechsel erst einmal verstehen. In sieben                           Sibylle Maurer-Wohlatz

                  Gärtnern mit Mikroben
                  von Jeff Lowenfels und Wayne Lewis, Verlag Dr. Friedrich Pfeil
                  Ich erinnere mich an einen Zeitschriftenartikel     funktioniert. Sie fangen an bei der Rhizosphäre,
                  aus den 1960er Jahren, da hieß es: „Der Acker ist   also dem Bereich um die Pflanzenwurzeln, wo sie
                  dafür da, dass der Halm nicht umfällt, den Rest     die Herde unter der Erde mit zuckerhaltigen Exu-
                  macht die Chemieindustrie.“ Welch ein Irrtum!       daten anlocken.
                  Das Buch „Gärtnern mit Mikroben“ der Amerika-
                  ner Jeff Lowenfels und Wayne Lewis beweist uns      Und schon nimmt das Drama im Garten seinen
                  das Gegenteil.                                      Lauf: Abermillionen Bakterien fressen sich durch
                                                                      die Erde und halten den Stickstoff gefangen. Erst
                  Die Autoren erklären das „Bodennahrungsnetz“,       dadurch wird er für die Pflanzen verfügbar; aber
                  die Zusammenhänge, wie das Leben im Boden           auch die Amöben und Wimperntierchen ruft das
rer Suche nach Nahrung Bakterien und Amöben             17
                                                        verspeisen. Schließlich kommen die Regenwürmer

                                                                                                                Buchrezensionen
                                                        angekrochen, die alles verzehren, den Boden be-
                                                        lüften, Regen gut versickern lassen und den Pflan-
                                                        zenwurzeln Gänge graben, wenn sie nicht Opfer
                                                        von Maulwürfen oder Vögeln werden. Das ganze
                                                        Theater dreht sich um den Stickstoff, von dem sich
                                                        die Pflanzen im Bodennahrungsnetzwerk ernäh-
                                                        ren.

                                                        Das Buch ist in einem unterhaltsamen, aber der
                                                        Wissenschaft verpflichteten Stil geschrieben, mit
                                                        vielen praktischen Vorschlägen. Wir sollen mit
                                                        den Mikroben arbeiten und nicht gegen sie. Die
auf den Plan. Sie verspeisen die Mikroben samt          Autoren wollen aus uns „denkende Gärtner ma-
Stickstoff und werden ihrerseits Nahrung für Ne-        chen, keine gedankenlosen Konsumenten“, des-
matoden, die in dem Gartendrama die Rolle der           halb raten sie „dringend davon ab“, den wissen-
Bösewichter übernehmen. Diese Fadenwürmer,              schaftlichen Teil zu überspringen.
die wir zum Teil schon mit bloßem Auge erken-
nen, werden ihrerseits Opfer von Pilzen, die sie er-    Wenn wir als Leser eine Vorstellung vom Boden-
barmungslos aussaugen und den Inhalt Pflanzen           nahrungsnetz entwickelt haben, dann sind die
zum Tausch gegen Kohlenhydrate anbieten. Und            Ratschläge des zweiten Teils gut nachvollziehbar.
weiter geht die unterirdische Schlacht mit Milben
und Springschwänzen (Arthropoden), die auf ih-                                          Dietrich Wohlatz

Der Holzweg
von H. D. Knapp, S. Klaus, Lutz Fähser (Hrsg.), Oekom Verlag

                                 Drei Trockenjah-       der Forstbetriebe haben sich als falsche, für die Zu-
                                 re in Folge haben      kunft unserer Wälder schädliche Messlatte erwiesen.
                                 in Deutschland
                                 Wa l d s c h ä d e n   Mit diesem Buch wird besorgten und kritischen
                                 bislang       nicht    Stimmen zur Situation des Waldes in Deutschland
                                 bekannten Aus-         Raum gegeben. 36 fachlich ausgewiesene Autorin-
                                 maßes sichtbar         nen und Autoren legen ihre Einsichten und prakti-
                                 werden lassen.         schen Erfahrungen in aller Klarheit dar – als Kritik
                                 Davon sind be-         an verfehlten Forstpraktiken, als Weckruf an die
                                 sonders       Fich-    Zivilgesellschaft und als dringender Appell an die
                                 ten, Kiefern und       Politik, die längst überfällige Waldwende einzulei-
                                 nichtheimische         ten. Vor allem der öffentliche Wald muss mit der ihm
                                 Baumarten,             gesetzlich auferlegten Vorbildfunktion der Daseins-
                                 vereinzelt auch        vorsorge von Natur und Mensch dienen.
                                 Eichen und Bu-
chen betroffen. Die Ursachen liegen nicht nur im
Klimawandel, sondern auch im Umgang mit den                                     Klappentext des Buches
Wäldern in den letzten 200 Jahren. Die bisher vor-
wiegend vom Holzerlös abhängigen Erfolgsbilanzen
18
Rebhühner

                                                                                                                                  Foto: J. Hoffmann
            Rebhühner in einem Garten am Stadtrand

            BUND kartiert Rebhühner
            Rebhühner gehören zu den Feldvögeln, die in den                  in den letzten Monaten Rebhuhnketten mit über
            letzten Jahren in Deutschland sehr stark im Be-                  10 Vögeln gesehen. Im Normalfall sind sie auf den
            stand zurückgegangen sind. Sie sind inzwischen                   Feldern nur schwer zu sehen, es sei denn, dass sie
            in der Roten Liste von Niedersachsen in die Ge-                  gerade irgendwo auffliegen. Bei den schneebe-
            fährdungsstufe 2 (stark gefährdet) eingestuft. Auf               deckten Feldern im Februar 2021 sind sie sehr viel
            den landwirtschaftlichen Flächen um Wunstorf                     besser zu sehen. Die Fotos zeigen Rebhühner im
            herum werden die Rebhühner seit drei Jahren                      Privatgarten von einem BUND-Mitglied am Stadt-
            systematisch kartiert. Dabei hat sich einerseits                 rand von Wunstorf.
            gezeigt, dass es – gemessen an der Gesamtsitua-
            tion - noch einen relativ guten Brutbestand gibt                 Die BUND-Ortsgruppe Wunstorf bittet die Wun-
            und anderseits das Brutergebnis im letzten Jahr                  storfer, die in den Feldern spazieren gehen und
            ganz gut war. So wurden durch Zufallsbeobach-                    dabei Rebhühner sehen, ihre Beobachtungen un-
            tungen an verschiedenen Stellen in der Feldmark                  ter Angabe der Anzahl und einer möglichst ge-
                                                                             nauen Ortsangabe an Frank Hessing (Tel. 05031 /
                                                                             959003) zu melden. Die Rebhühner sollten jedoch
                                                                             nicht gestört werden. Die systematischen Kartie-
                                                         Foto: J. Hoffmann

                                                                             rungen rufender Rebhühner wurden im Frühjahr
                                                                             fortgesetzt, sodass in einigen Monaten Ergebnisse
                                                                             für die ganzen landwirtschaftlichen Flächen von
                                                                             Wunstorf vorliegen.

                                                                                                              Frank Hessing

            Rebhühner in einem Garten am Stadtrand
19

                                                                                                                               OG Wunstorf
Foto: Sabine Littkemann

     Sie sind die neuen BUND-Stimmen in Wunstorf: Frank Hessing und Imme Schrader wurden
     einstimmig zu den Sprecher*innen der BUND-Ortsgruppe gewählt.

    Neue BUND Ortsgruppe Wunstorf
    Bereits im letzten Rundbrief trommelte das lang-                          Naturschutzbehörde, den Landwirten und
    jährige BUND-Mitglied Frank Hessing für einen                             Jägern sollen auf dieser Grundlage Maßnah-
    Neustart der BUND-Ortsgruppe Wunstorf. Die Reso-                          men durchgeführt werden, um den Rebhuhn-
    nanz auf diesen Aufruf und auf eine nachfolgende                          bestand zu erhalten bzw. möglichst wieder zu
    persönliche Einladung aller BUND-Mitglieder aus                           verbessern, etwa in derzeit nicht besiedelten
    Wunstorf war so gut, dass sich am 22. September                           Bereichen.
    2020 zehn BUND-Mitglieder im Bauhof in Wunstorf                       •   Im engen Zusammenhang mit den Rebhüh-
    zu einer Gründungsversammlung trafen. Es waren                            nern sollen Blühflächen angelegt werden, da
    altbekannte Gesichter darunter, aber auch einige                          sie zur Stützung des Bestandes beitragen kön-
    neue – das freute auch den ebenfalls anwesenden                           nen.
    langjährigen Leiter der Ortsgruppe Wunstorf, Dr.                      •   Ebenso sollen innerstädtische Grünflächen er-
    Alfred Schröcker, der dieses Amt aus Altersgründen                        fasst werden und in insektenfreundliche Blüh-
    bereits 2018 aufgegeben hatte.                                            wiesen verwandelt werden. Eine Initiative soll
    Erste Projekte und Aktionen, der neuen Ortsgruppe:                        die weitere Ausbreitung von Schottergärten
                                                                              verhindern.
        •                 Das Volksbegehren Artenvielfalt wurde bis       •   Die Planung für die Nordumgehung Wunstorf
                          zur Beendigung der ersten Phase des Volksbe-        ist zwar abgeschlossen und der Bau damit
                          gehrens und dem Abbruch der Aktion mit der          wohl nicht mehr zu verhindern. Trotzdem soll
                          Unterschriftensammlung in der Wunstorfer            noch versucht werden, Verbesserungen in der
                          Innenstadt unterstützt.                             Planung zu erreichen.
        •                 Bereits seit drei Jahren werden auf den land-   •   Die Gebäudebrüter wie Mauersegler und
                          wirtschaftlichen Flächen um Wunstorf und            Mehlschwalbe sollen durch Nisthilfen im in-
                          seiner Ortsteile herum die Rebhühner als            nerstädtischen Bereich gefördert werden.
                          Grundlage für ein Artenschutzprogramm
                          kartiert. Diese Kartierung soll 2021 fortge-
                          setzt werden. In Kooperation mit der Unteren
20
                        Zum Erreichen der Ziele will die Ortgruppe kon-      Zum Sprecher der Ortsgruppe, die sich zukünftig
OG Wunstorf

                        struktiv mit der Stadt Wunstorf, den Landwirten      alle zwei Monate treffen will, wurde Frank Hessing
                        und mit allen andern Akteuren zusammenarbeiten.      gewählt, seine Stellvertreterin ist Imme Schaper. Die
                        Außerdem sollen Vorträge und Exkursionen zu          Ortsgruppentreffen finden monatlich statt. Durch
                        Umwelt- und Naturschutzthemen durchgeführt wer-      die anhaltende Corona-Situation bislang als Video-
                        den. Ein weiteres Thema für die Ortsgruppe werden    Konferenz. Die Termine für die OG-Treffen können
                        in den nächsten Jahren die Planungen der Bahn zum    bei Frank Hessing (Tel. 05031 / 959003) erfragt
                        Ausbau bzw. Neubau der Bahnstrecken Hannover         werden.
                        – Verden und Hannover – Bielefeld. Von beiden
                        Planungen ist Wunstorf direkt betroffen.                                           Sabine Littkemann

                        Hähnchenmast in Elze: OVG Niedersachsen fällt
CIW

                        mästerfreundlichen Beschluss

                                                                             Wir gingen davon aus, dass die Aussichten gut sei-
                                                                             en, u.a. weil die Flächen des Landwirts zunächst
 Foto: Hubert Rieting

                                                                             nicht ausreichten. Aber das OVG akzeptierte die
                                                                             zahlreichen Pachtvertragsverlängerungen und
                                                                             neuen Pachtverträge, die der Landwirt nach dem
                                                                             erstinstanzlichen Beschluss im Dezember 2019
                                                                             und Januar 2020 abschloss.

                                                                             Wir sind davon überzeugt, dass trotz der Nieder-
                        Mitglieder der Bürgerinitiative CIW demonstrierten   lage beim OVG das Engagement des Vereins Con-
                        im September 2020 gegen die geplante Staller-        tra Industriehuhn Wedemark nicht umsonst war.
                        weiterung in Elze.                                   Durch unsere Öffentlichkeitsarbeit, auch durch
                                                                             die CIW-Homepage, trugen wir auf regionaler
                                                                             Ebene dazu bei, die Bürger über die Umweltschä-
                        Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts       den der industriellen Hühnerhaltung, die immen-
                        Niedersachsen (OVG) im September 2020, den           sen Tierschutzprobleme und die großen Gesund-
                        Eilantrag des NABU abzuweisen und dem Hüh-           heitsgefahren für uns Menschen aufzuklären.
                        nermäster die Aufnahme des Betriebs zu erlau-        Ein Schwerpunkt war dabei die Information über
                        ben, hat der Vorstand von Contra Industriehuhn       die Schäden, die von antibiotikaresistenten Kei-
                        Wedemark (CIW) sich an die Bewertung der Ge-         men ausgehen.
                        richtsentscheidung gemacht und beschlossen, die
                        Arbeit vorerst ruhen zu lassen.                      Die Höhe der Spenden, die wir bekamen, beweist,
                                                                             dass wir viele Menschen erreicht haben und der
                        Der OVG-Beschluss war sehr enttäuschend für die      Widerstand gegen Mega-Mastställe groß ist.
                        Bürgerinitiative, denn es hatte nach dem positiven
                        erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsge-       Allen Spenderinnen und Spendern sei an dieser
                        richts Hannover im Dezember 2019 und einigen         Stelle noch einmal herzlich gedankt.
                        anderen für Gegner der industriellen Tierhaltung
                        günstigen Gerichtsentscheidungen Grund zur                                        Christiane Hussels
                        Hoffnung gegeben.                                                              Für den Vorstand CIW
!
                                                                                                                                                21
                                         ICH BIN

                                                                                                                                              Volksbegehren Artenvielfalt
                                            DANN MAL
                                               WEG
Foto: Naturgucker, Hubert Gerweck

                                                                                                            VIELFALT SCHÜTZEN,
                                    Volksbegehren Artenvielfalt macht WegZUKUNFT
                                                                          frei   RETTEN
                                    für den „Niedersächsischen Weg“
                                    Nachdem im Frühjahr 2020 die Initiative „Volks-     rung, den sogenannten „Niedersächsischen Weg“,
                                    begehren Artenvielfalt“ in Niedersachsen gestar-    zu unterzeichnen. Die entsprechenden Änderun-
                                    tet wurde, hofften viele Naturschützer*innen auf    gen im Naturschutz-, Wald- und Wassergesetz
                                    weitreichende Verbesserungen im Natur- und          wurden am 10.11.2020 vom Landtag einstimmig
                                    Artenschutz. Viele Ehrenamtliche sammelten ab       verabschiedet. Das Volksbegehren Artenvielfalt
                                    Juni 2020 fleißig Unterschriften, um die benötig-   wurde deshalb mit bis dahin 162.530 gesammel-
                                    te Anzahl von 610.000 Stimmen für das Volksbe-      ten Unterschriften auf Eis gelegt.
                                    gehren zu erreichen. Auch wir als BUND Region
                                    Hannover unterstützten das von Bündnis 90/Die       Der BUND Region Hannover hat diesen Prozess
                                    Grünen, dem Beruf- und Erwerbs-Imker-Bund           kritisch begleitet. Leider erfolgte die aktive Ein-
                                    e.V. und dem NABU Niedersachsen e.V. initiierte     bindung der BUND-Basis in die Gespräche mit der
                                    Bündnis.                                            Landesregierung nur sehr eingeschränkt, so dass
                                                                                        die Skepsis gegenüber dem „Niedersächsischen
                                    Doch fast zeitgleich machte sich die Landesre-      Weg“ hoch ist. Ob er den erhofften Erfolg bringt
                                    gierung auf den „Niedersächsischen Weg“, wohl       und der dramatische Artenschwund in unserer
                                    auch aufgrund des Volksbegehrens und dessen         Kulturlandschaft damit zumindest gestoppt wer-
                                    breiter Unterstützung in der Bevölkerung. Dabei     den kann, bleibt noch abzuwarten. Wir werden
                                    ging es darum, die Forderungen des Volksbegeh-      den „Niedersächsischen Weg“ in jedem Fall wei-
                                    rens aufzugreifen und einen gemeinsamen Weg         terhin kritisch begleiten und mithelfen, dass seine
                                    mit Landwirtschaft und Naturschutz zu finden.       Vereinbarungen auch wirklich zielführend umge-
                                    In Zusammenarbeit mit dem Landvolk, der Land-       setzt werden.
                                    wirtschaftskammer, dem NABU und dem BUND
                                    gelang es nach vielen Gesprächen, eine Vereinba-                                       René Hertwig
22
Gewässerrandstreifen

                                                                                                                                     Foto: Gerd Wach
                       Gewässerrandstreifen am Emmerbach, LK Gifhorn, 2. Platz beim Gewässerwettbewerb 2020
                       „Bach im Fluss“ mit Schwarzerlen und Totholz.

                       Die vergessene Aufgabe des Niedersächsischen Weges*:
                       Bäche und Flüsse brauchen gehölzreiche Randstreifen
                       Gewässerrandstreifen erlangten im letzten Jahr eini-   Hochwässern und Aufnahme von Wasser aus den
                       ge Bekanntheit, als es in den Auseinandersetzungen     anliegenden drainierten Flächen – standen und ste-
                       um den „Niedersächsischen Weg“ darum ging, ihre        hen massive Nachteile für das Landschaftsbild, der
                       Qualitäten und ihre Bedeutung für die Bäche und        Artenvielfalt in und an den Gewässern und die Eu-
                       Flüsse in Niedersachsen zu bestimmen.                  trophierung gegenüber. Eine lange Auseinanderset-
                                                                              zung um jeden Meter links und rechts der Bäche und
                       Was sind Gewässerrandstreifen eigentlich und wo        Gräben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz
                       begegnet man ihnen? In Wäldern und nicht land-         war die Folge, um einen räumlichen Puffer zwischen
                       wirtschaftlich genutzten Naturschutzgebieten wird      den Agrarflächen und dem Fließgewässer zu schaf-
                       kaum von ihnen gesprochen, obwohl sie rechtlich        fen. Die landwirtschaftliche Nutzung und ihre Stoff-
                       auch dort vorkommen. Man spricht von Auen mit          einträge sollten möglichst wenig das Fließgewässer
                       ihren typischen Überschwemmungs- und Vegetati-         beeinträchtigen. Nach den großen Flurbereinigun-
                       onszonen. Diese machen die Vielfalt und Schönheit      gen der 50er bis 70er Jahre des letzten Jahrhunderts
                       eines Bach- und Flusslaufes aus.                       entstanden so in den folgenden Jahrzehnten mehr
                                                                              oder weniger breite Gewässerrandstreifen, die dann
                       Tritt der Bach in die Agrarlandschaft ein, so steht    2010 anlässlich der Grundgesetzreform mit fünf Me-
                       ihm seine ursprüngliche Aue meistens nicht mehr        tern im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes
                       zur Verfügung, obwohl diese in der Landschaft noch     festgelegt wurden. Es war das erste bundesweit be-
                       erkennbar ist. Die jährlichen Überflutungen der Au-    nannte Recht, dass Flächen an den Rändern zu den
                       enflächen wurden durch einen Ausbau des meist neu      Fließgewässern zu zählen sind.
                       geschaffenen Fließgewässerverlaufs durch Verbeite-
                       rung und Tieferlegung verhindert. Nur sehr extreme     Da nun Umwelt Länderhoheit ist, beließ es Nieder-
                       Hochwässer führen da noch zu großflächigen Über-       sachsen nur für Gewässer zweiter Ordnung bei den
                       schwemmungen. Den Vorteilen der Landwirtschaft         fünf Metern. Der Ordnungsbegriff beschreibt übri-
                       – Nutzung der fruchtbaren Aue, Verhindern von          gens die Zuständigkeit für die Gewässerunterhal-
23
   tung (= Pflege): bei der ersten Ordnung ist es die     werden. Als Erfolg wurde erzielt: Für die 130.000 km

                                                                                                                  Gewässerrandstreifen
   Bundeswasserstraßenverwaltung, bei der zweiten         Fließgewässer der III. Ordnung gilt mit Einschrän-
   Ordnung sind es dafür gegründete Unterhaltungs-        kungen ab 2022 jetzt ein drei Meter Randstreifen
   verbände, und bei der dritten Ordnung sind es die      zusätzlich zu den fünf Metern bei den 28.500 km
   Anlieger selbst. Die Gewässerordnungen spiegeln        Gewässern II. Ordnung. Als wichtigstes Verhand-
   auch ungefähr die Mächtigkeit der Gewässer wider.      lungsergebnis wurde jedoch erreicht, dass auf die-
   Bei der großen Masse aller kleinen Fließgewässer (in   sen Gewässerrandstreifen weder gedüngt noch ge-
   der Regel III. Ordnung) blieb es - je nach Region –    spritzt werden darf. So kann erwartet werden, dass
   zwischen null und einem Meter Randstreifen. Mit        weniger Stickstoff über die vielen kleinen Gräben
   der Festlegung eines gesetzlichen Randstreifens än-    und Bäche, gesammelt von Weser, Ems und Elbe,
   dert sich übrigens qualitativ auf dem Randstreifen     der Nordsee zufließt und sich die Überdüngung des
   und im Gewässer fast nichts. Der Status quo wird       Meeres hoffentlich langfristig reduziert. Damit wird
   nur festgeschrieben, eine Grünlandfläche am Ge-        Deutschland seiner Verpflichtung näher kommen,
   wässer hatte eine Grünfläche zu bleiben, und wenn      dass im Mittel nicht mehr als 2,8 mg/l Stickstoff aus
   es ein Acker war, konnte weiter geackert werden.       seinen Zuflüssen in die Nordsee gelangt, 2016 waren
                                                          es noch 3,8 mg/l mit abnehmender Tendenz.

                                                          Und was wurde zur Qualität der Randstreifen selbst,
                                                          die eine wichtige Rolle für den nach dem Wasserge-
                                                          setz geforderten guten ökologischen Zustand spie-
                                                          len, erreicht? Dieses Gütemerkmal muss spätestens
                                                          2027 vorliegen – augenblicklich weisen jedoch nur
                                                          zwei Prozent (!) diesen guten Zustand auf. Also eine
                                                          Sisyphosaufgabe. Haben wir jetzt bessere Bedingun-
                                                          gen, sie zu stemmen? Die Verringerung der Stick-
                                                          stoff – und Phosphateinleitungen sind zu begrüßen,
                                                          werden aber allein nur wenig zum Erreichen des gu-
Foto: Gerd Wach

                                                          ten ökologischen Zustands beitragen. Ein wichtiges
                                                          Qualitätsmerkmal dafür wäre die Gewässerstruktur,
                                                          dass heißt wie verschieden sind Breite, Tiefe, Strö-
                                                          mungsgeschwindigkeiten und Uferausprägungen
                                                          über den Gewässerverlauf verteilt. Würden Bäume
                                                          und Büsche die Gewässer begleiten, kämen wir dem
   So nicht: Ein im übergroßen Trapezprofil ausge-        guten Zustand ein ganz großes Stück näher, weil
   bauter Bach, fast gehölzfrei, mit einem Gewässer-      sie auf die Struktur in gewünschter Weise Einfluss
   randstreifen, der aus Maisacker und asphaltiertem      nähmen.
   Fahrweg besteht (Dahlumer Moorbeeke in Geste,
   September 2020).                                       Leider gibt es dazu keine Aussagen im Verhand-
                                                          lungsergebnis, wahrscheinlich wurde das auch gar
   Vor diesem rechtlichen Hintergrund gingen die          nicht thematisiert. Damit bleibt es bei den schlech-
   Umweltverbände in die Verhandlungen beim ‚Nie-         ten Aussichten für die Zielerreichung, und es bleibt
   dersächsischen Weg‘ - mit Landwirtschaft und Mi-       auch bei einer Kann-Bestimmung im niedersäch-
   nisterien - mit dem Ziel, dass der fünf Meter breite   sischen Wassergesetz, die besagt, dass die Unteren
   Randstreifen entsprechend WHG für alle Fließge-        Wasserbehörden das Pflanzen von Gehölzen fordern
   wässer gelten müsse. Mit einem breiteren Puffer        können. Das haben sie in den letzten fünfzig Jahren
   sollte der Eintrag aus der Fläche in die Gewässer      jedoch nicht „gekonnt“. Ein weiteres herausragen-
   weiter minimiert, die Nährstoff- und Pestizidfracht    des Element zur Verbesserung der Diversität und der
   gesenkt und damit die Gewässerqualität verbessert      Artenvielfalt unserer Bäche und Flüsse ist das Tot-
24
Gewässerrandstreifen

                                                                                                                                      Foto: Sabine Littkemann
                       Selbst zwei einsame Bäume bringen Struktur in das Gewässer, hier der Mühlengraben bei Bissendorf (Wedemark).

                       holz. Darunter versteht man abgestorbene Äste oder
                       sogar Baumstämme, die ins Wasser fallen und so das
                       Habitat für viele Mikroorganismen und wirbellose
                       Tiere wie z. B. Eintagsfliegenlarven bilden. Gleichzei-
                       tig verändert es die Struktur und die Strömungsver-
                       hältnisse und verbessert allein dadurch die ökologi-
                       schen Bedingungen. Ohne Bäume an den Gewässern
                       fehlt dieses Plus und müsste künstlich eingebracht
                       werden. Schwarzerlen, als typische Begleiter unserer
                       Fließgewässer, befestigen und beschatten das Ge-
                       wässerbett und verhindern so übermäßigen Pflan-
                       zenwuchs (das „Verkrauten“) und damit auch ein

                                                                                                                                                Foto: Gerd Wach
                       zu starkes Erwärmen unserer sommerkühlen Bäche.
                       Mit dem Erlenlaub im Wasser startet eine klassische
                       Nahrungskette über Bachflohkrebs und Bachforelle
                       mit den Spitzenprädatoren Schwarzstorch und
                       Fischotter. Alles Charakteristika, die den guten öko-
                       logischen Zustand beschreiben

                       Dieser war wohl noch nicht im Fokus, als man über         *)Der „Niedersächsische Weg“ ist eine Verein-
                       den Zustand und die Aufgaben von Gewässerrand-            barung zwischen BUND, Landvolk, Landwirt-
                       streifen beim „Niedersächsischen Weg“ verhandel-          schaftskammer, NABU und den niedersächsi-
                       te. Man freut sich jetzt, dass auf den Randstreifen       schen Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt,
                       – gegen Entschädigung – bald nicht mehr gespritzt         um gemeinsam Verbesserungen im Naturschutz
                       und gedüngt werden darf. Aber erst wenn Esche,            und bei Gewässerrandstreifen zu erreichen.
                       Schwarzerle, Bergahorn, Haselnuss, Bruchweide             Um einem Volksbegehren für mehr Artenviel-
                       u.a. auf den Flächen Mais und Zuckerrübe abgelöst         falt, gestartet von den Grünen und dem NABU,
                       haben, werden unsere Bäche und Flüsse wieder zu           entgegenzusteuern, wurde im Mai 2020 obige
                       Lebensadern in der Landschaft, deren Funktion sie         Vereinbarung geschlossen und zügig mit Ver-
                       mal innehatten.                                           handlungen begonnen. Das Ergebnis war das
                                                                                 Artikelgesetz ‚Niedersächsischer Weg‘, das am
                                                                Gerd Wach        10. November 2020 mit sehr großer Mehrheit
                                                                                 vom niedersächsischen Landtag angenommen
                                                                                 wurde. Das Volksbegehren wurde eingestellt.
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