Schloßberg Hessische Naturwaldreservate im Portrait - NW-FVA
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Hessische Naturwaldreservate im Portrait Schloßberg NW-FVA Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt
Einführung Nachdem im Jahr 1987 für das hessische „Laubwald- und Sukzessionsfor- schungsprogramm“ elf Buchenwaldgebiete ausgewählt und ab 1988 auch als Naturwaldreservate ausgewiesen worden waren, bestand die Absicht, zusätzlich Nadelwälder (Fichte und Wald-Kiefer) in die Untersuchungen ein zubeziehen. In diesem Zusammenhang fiel die Wahl unter anderem auf das Waldgebiet Schloßberg bei Wildeck-Raßdorf. 70- bis 140-jährige Wald- Kiefern bildeten zum Zeitpunkt seiner Ausweisung als fünfzehntes hessisches Naturwaldreservat den Hauptbestand dieses Gebietes. Mit der Auswahl des Schloßbergs war die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts unter Fachleuten kontrovers diskutierte Frage verbunden, ob die Wald-Kiefer („Wildecker Kie- fer“) ein natürliches Vorkommen in dem Gebiet um Wildeck besitzt. Neben der Eibe (Taxus baccata) ist die Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) die einzi- ge Nadelbaumart, die nach heutigem Kenntnisstand in Hessen einheimisch ist. Pollenanalysen, Großrest- und Nadelfunde belegen, dass sie bereits im Spätglazial, vor etwa 12.000 Jahren, nach Mitteleuropa einwanderte oder hier vielleicht sogar während der Kaltzeit Refugien besaß. Aufgrund ihrer ökologischen Ansprüche sind die möglicherweise erhalten gebliebenen Refugialstandorte der Wald-Kiefer am ehesten auf trockenen oder nassen Extremstandorten zu vermuten, auf denen sie der Konkurrenz von Laubbäu- men gewachsen ist. So sind in der Rhein-Main-Ebene, wo die Wald-Kiefer heute innerhalb Hessens die größten Anteile am Baumartenspektrum er- reicht, natürliche Kiefern-Wuchsorte kleinräumig auf nährstoffarmen Dünen- sanden denkbar. Allerdings ist eine Trennung in natürliche und künstlich be- gründete Kiefern-Standorte für dieses Gebiet nicht möglich, da die Anfänge des Kiefern-Anbaus hier mindestens bis in den Beginn des 15. Jahrhunderts zurückreichen. Bereits ab 1423 wurden die ältesten aus Hessen urkundlich belegten Nadelholz-Saaten (Kiefer, Tanne und Fichte) im Frankfurter Stadt- wald durchgeführt. Das dafür notwendige Saatgut wurde aber nicht aus der direkten Umgebung, sondern aus Nürnberg bezogen, wo bereits seit dem 14. Jahrhundert im Reichswald Kiefernsaaten üblich waren. Bemerkenswert ist, dass die Wald-Kiefer auch im nördlichen Hessen nach- eiszeitlich in einzelnen Pollenspektren mit durchgehend vergleichsweise ho- hen Anteilen von mindestens 10 % der Baumpollen nachgewiesen ist. Hier sind natürliche Kiefernvorkommen im Bereich von Fels- oder Moorstand- orten denkbar. Im Naturwaldreservat „Schloßberg“ und in seiner näheren Umgebung kommen solche Extremstandorte nicht vor. Insbesondere die Naturwaldreservateforschung kann zur Klärung der Frage beitragen, wel- che Konkurrenzkraft die Wald-Kiefer gegenüber den vorkommenden Laub- baumarten, vor allem der Rotbuche, auf Buntsandstein-Standorten besitzt. Zugleich lässt sich in der bewirtschafteten Vergleichsfläche beobachten, wie eine forstliche Bewirtschaftung diese Konkurrenzsituation beeinflusst. 2
Inhaltsverzeichnis Seite Einführung 2 Schloßberg 5 Übersichtskarte 16/17 Waldstruktur 18 Bodenvegetation 25 Ausblick 30 Literaturhinweise, Impressum 31 4
Schloßberg 410 m ü. NN. Der Jahresniederschlag be- trägt hier etwa 755 mm, von denen etwas Das 13 Hektar große Naturwaldreservat weniger als die Hälfte (350 mm) in der Schloßberg liegt etwa einen Kilometer Vegetationsperiode fallen. Die Jahresmit- nordwestlich von Wildeck-Raßdorf (Land- teltemperatur beträgt 7,7 °C, die Jahres- kreis Hersfeld-Rotenburg) und wurde temperaturschwankung liegt bei 17,2 °C. 1989 eingerichtet. Seine beiden bewirt- Das geologische Ausgangsgestein ist im schafteten Vergleichsflächen umfassen Totalreservat und größeren Teilen der Ver- zusammengenommen 28 Hektar. Dabei gleichsfläche der Mittlere Buntsandstein. existiert die nördliche Vergleichsfläche erst Im Süd- und Westteil der Vergleichsfläche seit 2004. Sie wurde eingerichtet, nach- bildet auch der Untere Buntsandstein den dem die Südspitze der bestehenden Ver- geologischen Untergrund. An Bodenty- gleichsfläche aufgrund eines Ausbaus der pen sind vor allem Braunerden zu finden. Bundesautobahn 4 aufgegeben werden Sie weisen teilweise Podsolierungserschei- musste. Das Naturwaldreservat gehört nungen auf. Die Bodenart ist meist schluf zur Forstabteilung „Schloßberg“, die Ver- figer Sand über lehmigem Sand oder san- gleichsfläche zur Abteilung „Katzenhäus- digem Lehm. chen“; die Betreuung erfolgt durch das Am Osthang des Naturwaldreservats Forstamt Rotenburg. Das Gebiet erstreckt und der Vergleichsfläche sind zahlrei- sich über eine Höhenlage von 260 bis che, meist schräg am Hang verlaufende Blick von Westen auf den Schloßberg und seine Umgebung. Im Bereich des Naturwaldreservates und der Vergleichsflächen sind Laub-Nadel-Mischbestände mit Wald-Kiefer, Rotbuche und Eiche erkennbar. Am rechten Bildrand verläuft die Autobahn A4. 5
Ein Ausschnitt aus einer 1580 entstandenen Grenzkarte von Joist Moers (um 1540-1625) zeigt die Ruine Wildeck, eingerahmt von den Orten Großensee (links) und Bosserode. längliche Hangverebnungen oder Vertie- zu datieren ist, zeichnet sie sich durch eine fungen von wenigen Metern Ausdehnung wechselvolle und schwer überschaubare zu erkennen, neben denen sich kleine Besitzgeschichte aus. So kam sie zunächst Halden befinden. Dabei handelt es sich 1301 zur Abtei Fulda und war um 1337 um sogenannte Pingen, in denen Eisenerz ein geteiltes fuldisches Lehen der hessi- abgebaut wurde. Dieses Pingenfeld ist in schen Adelsfamilien von Trott und von das Spätmittelalter oder die Frühneuzeit Boyneburgk. 1406 wurde sie von Land- zu datieren. Wo das gewonnene Eisenerz graf Hermann II. von Hessen eingelöst, weiterverarbeitet wurde, ist derzeit noch der die Herren von Trott mit der Burg be- unbekannt. Die Abbaufläche, die sich lehnte. 1413 wurde sie von der Abtei Ful- auch auf eine benachbarte Forstabteilung da dem Landgrafen Hermann II. verkauft, erstreckt, ist als geschütztes Bodendenk- nachdem das Amt Wildeck schon 1412 mal eingestuft. an Hessen gefallen war. Anfangs mit Seinen Namen erhielt der Schloßberg von Burgmannen besetzt, war sie von 1445 der Burg Wildeck, die im 13. Jahrhundert bis 1544 wieder verpfändet. durch die Landgrafen von Thüringen er- In der Folgezeit wurde die Ruine zunächst baut und 1289 erstmals genannt wurde, zum Unterschlupf einer Räuberbande. Der als Landgraf Albrecht der Entartete von Dichter Hans Wilhelm Kirchhof (1525- Thüringen sie seinem unehelichen Sohn 1605) berichtet in seinem 1563 erstmals Apitz übertrug. In den folgenden Jahrhun- erschienenen Werk „Wendunmuth“, der derten bis zu ihrer Zerstörung, die wahr- umfangreichsten Schwank-, Anekdoten- scheinlich auf den Bauernkrieg um 1525 und Geschichtensammlung des 16. Jahr- 6
Das heutige Naturwaldreservat und seine Umgebung 1763 auf einer Karte des Hönebacher Forstes von Johann Henrich Weber und Johann Daniel Wolff. Laub- und Nadelbäume werden auf der Karte nicht unterschieden. 7
hunderts, von dem Räuber „Wilde Sau“, des Harzes in einer Mühle gefangen ge- der um 1540 in einem Keller der Burg nommen, verurteilt und, nachdem er mit Wildeck gehaust habe. Er war ein Schä- „glühenden Zangen gezwackt“ worden fer- oder Bauernknecht aus dem nahe war, auf das Rad geflochten wurde. Zu gelegenen Dorf Kleinensee oder Säu- den Taten des Räubers „Wilde Sau“ ist lingssee, der sich nach einer Schlägerei eine Reihe von Sagen überliefert. einer drohenden Turmstrafe entzogen hat- 1627 kam die Burgruine mit den sie te und gemeinsam mit seiner „Rotte“ gro- umgebenden Ländereien an das neu er- ßen Schaden mit „Morden, Rauben und richtete und teilselbstständige Fürstentum Brennen“ anrichtete, bis er in der Nähe Hessen-Rotenburg. Genau hundert Jahre später ließ Landgraf Ernst II. Leopold von Hessen-Rotenburg (1684-1749) auf ihren Grundmauern das Jagdschloss „Blumen- stein“ erbauen, einen rechteckigen Stein- bau mit Fachwerkobergeschoss. Schon 1770 wurde im Wildecker Tal neben dem bereits bestehenden Lustgarten auf Veranlassung des Landgrafen Constan- tin (1716-1778) ein bequemer zugäng- liches neues Schloss errichtet, das nun wieder den Namen „Wildeck“ trug. Das alte Jagdschloss „Blumenstein“ auf dem Schloßberg verlor an Bedeutung, diente aber noch als Wohnsitz für einen Hof-Re- vierförster, einen Forstläufer sowie einen Köhler. 1874 wurde das Gebäude dann schließlich auf Abbruch verkauft. Interessant ist, dass sich der heutige Flur- name „Schloßberg“ nicht erst auf das Jagdschloss des 18. Jahrhunderts bezieht, sondern sich schon auf der Mercator-Kar- te von 1592 in der Schreibweise „Schlos- berg“ findet. Auch der Name „Blumen- stein“ muss älter als das gleichnamige Jagdschloss sein, denn die Chronisten Am Ostrand des Naturwaldreservats ist ein ver- Martin Zeiller (1589-1661) und Johann mutlich 1540 auf Anweisung Landgraf Philipps des Großmütigen (Abkürzung P. L. = Philipp Just Winkelmann (1620-1699) sprechen Landgraf) gesetzter Grenzstein erhalten ge- bereits 1655 bzw. 1697 von dem Schloss blieben, der den Wildecker Forst vom Besitz „Wildeck oder Blumenstein“. der Familie von Trott zu Solz („Trottenwald“) Das im Tal gelegene Jagdschloss Wildeck abgrenzte, deren Wappen auf der Rückseite war die Sommerresidenz der Hessen- abgebildet ist. Ein weiterer Grenzstein aus der gleichen Zeit trägt auf der Rückseite das Wap- Rotenburger Landgrafen Constantin, Carl pen der Familie von Boyneburg. Emmanuel (1746-1812) und Victor Ama- 8
Das heutige Naturwaldreservat und seine Umgebung 1858 auf der Niveaukarte des Kurfürsten thums Hessen. Das Gebiet wird zu dieser Zeit großflächig von Nadelholzbeständen dominiert. 9
Die Anlagen im Wildecker Tal auf einem 1810 entstandenen Aquarell. Rechts oben ist das Jagd- schloss Blumenstein zu sehen, in der Bildmitte das Talschloss Wildeck. deus (1779-1834), die im Wildecker Tal teresse an der Weiternutzung der Anlagen einen weitläufigen Landschaftspark anleg- im Wildecker Tal bestand. Nach einer Nut- ten. Ein größerer Teil des angrenzenden zung für landwirtschaftliche Zwecke über- Hönebacher Forstes war zudem zeitweise nahm ab 1878 die Forstverwaltung das in einen eingezäunten Tiergarten umge- Gelände. Das Jagdschloss Wildeck wurde wandelt, in dem Rot- und Damhirsche, daraufhin bis auf die Grundmauern abge- Wildschweine sowie auch Hasen gehal- rissen, auf denen 1880 ein Forstamtsge- ten wurden. Heute sind von den ehemals bäude errichtet wurde. Das Forstamt Wil- im Wildecker Tal und seiner Umgebung deck wurde 1967 aufgelöst und das heute vorhandenen Alleen, dem Inselsteich, Ru noch erhaltene Gebäude verkauft. heplätzen, Steinbänken, Pavillons, Lust- Für Mittel- und Nordhessen gibt es aus häuschen und anderen gestalterischen der Zeit vor 1700 nur wenige Nachwei- Elementen nur noch sehr wenige Reste se von Beständen der Wald-Kiefer. Hier- erhalten. Der Forstortsname „Katzenhäus- zu gehören insbesondere Vorkommen chen“ für die Vergleichsfläche des Natur- aus den heutigen Landkreisen Marburg- waldreservats weist aber auf ein solches Biedenkopf (Rauschenberg, Neustadt) ehemals vorhandenes Bauwerk hin, das Waldeck-Frankenberg (Rosenthal) sowie vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts er- Hersfeld-Rotenburg (Wildeck). Zu Beginn richtet worden war und von dem im Wald des 20. Jahrhunderts begann ein Disput noch Spuren erkennbar sind. über die Frage, ob diese Vorkommen als Nach dem Ende der Landgrafschaft Hes- natürlich („urwüchsig“) einzustufen seien. sen-Rotenburg 1834 fiel das Gebiet an Unter Bezugnahme auf im Jahre 1900 das Kurfürstentum Hessen, in dem kein In- veröffentlichte Vorarbeiten des Kasseler 10
Regierungs- und Forstrats Eduard Eberts (1853-1920) zum Anbau der Kiefer in Hes- sen kam Dr. Alfred Dengler (1874-1944), später Waldbau-Professor in Eberswalde, in seiner 1904 erschienenen Dissertation „Die Horizontalverbreitung der Kiefer (Pi- nus silvestris L.)“ zu dem Schluss, dass das hessische Bergland zwar im Allgemeinen ein ausgesprochenes Laubholzgebiet sei, dass sich jedoch ein natürliches Verbrei- tungsgebiet der Wald-Kiefer zwischen der hessisch-thüringischen Grenze bei Wildeck und den Vorkommen im Raum Marburg erstrecke, in dem die Kiefer aber nur an zerstreuten Stellen vorkäme. Dem widersprach Forstmeister a. D. Dr. Adolf Der Forstwissenschaftler Alfred Dengler hat sich in den ersten vier Jahrzehnten des 20. Jahr Rörig (1832-1911) in dem 1905 erschie- hunderts immer wieder intensiv mit der Frage nenen „Forstbotanischen Merkbuch“ für der natürlichen Verbreitung der Wald-Kiefer in die preußische Provinz Hessen-Nassau Hessen beschäftigt. Ein 22 Meter hoher Obelisk wurde unter Landgraf Carl Emmanuel errichtet, vermutlich zu Ehren seiner Ehefrau Maria Leopoldina. Er ist heute ein Wahrzeichen des Wildecker Tales. 11
ausdrücklich. Alfred Dengler bekräftigte von Baumbach] gegen dem Ambt Sontra und präzisierte dann nochmals 1910 und hat es ziembliche Thannenwälde unnd 1938 seine Ansichten und versuchte, sie sonst an keinem einzigen Orth im ganzen durch weitere Belege zu untermauern. Fürstenthumb als wo sie absonderlich ge- Für den Bereich des Wildecker Forstes säet und gepflanzet werden“) finden sich bezogen sich die genannten Autoren fast wortgleich auch schon in dem 1655 vornehmlich auf die 1697 erschienene veröffentlichten „Anhang zu der Anno „Gründliche Beschreibung der Fürsten 1646 außgegangenen Topographia Has- thümer Hessen und Hersfeld“ von Johann siae et vicinarum Regionum“ von Martin Just Winkelmann (1620-1699). Die darin Zeiller (1589-1661). Wie bereits Dengler enthaltenen Formulierungen („am Wilde- 1910 darlegt, stammen diese Aussagen cker Forst wie auch auf der Trotten unnd ursprünglich von Landgraf Hermann IV. Baumbächer Gehölz [benachbarte Wal- von Hessen-Rotenburg (1607-1658), der dungen der Familien von Trott zu Solz und sie 1641 in seiner Arbeit „Beiläufige Cos- Der 1765 angefertigte Kupferstich „Der Teerbrenner“ von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) zeigt einen typischen Teerofen, wie er wahrscheinlich auch im Raum Wildeck üblich war. Die gemauerten, doppelwandigen Öfen wurden meist mit harzreichem Nadelholz (z. B. Kiefernstub- ben) befüllt. Der Teer, der in Hessen auch Pech oder Schmer genannt wurde, floss in ein vor dem Ofen stehendes Auffanggefäß. Teer kann durch Verkochen in einem weiteren Arbeitsgang zu wirklichem Pech verarbeitet werden. 12
mographische Beschreibung des Niederfürstentums Hessen“ veröf- fentlicht hatte. Adolf Rörig sah in den frühen Belegen der Kiefernvorkommen jedoch keinen Beweis für deren Natürlichkeit, sondern ging davon aus, dass „unpflegliche Waldbe- handlung, insbesondere lästige Weide- und Streuservituten … schon frühzeitig dem Nadelholz in diesem Wald Eingang verschafft“ hätten. Dass die zu dieser Zeit oft als „Danne“ oder „Tanne“ be- zeichnete Wald-Kiefer schon im 16. Jahrhundert im Raum Wildeck eine nennenswerte Rolle gespielt haben muss, beweist ein Verzeich- nis der von Baumbachischen Fors- ten aus dem Jahr 1582, in dem drei Forstortsnamen mit „Dannen“ erwähnt werden, nämlich „hinder der Dann“, „der Dann bis ans ge- hege“ und „das köpfflin mit dem Dannenwäldtlein“. Ob der bereits Verbreitungskarte der Pech- und Teerproduktionsstätten 1348 als „Thannberg“ belegte in Hessen, erstellt auf der Grundlage von Flurnamen Name der sechs Kilometer nördlich mit Pech-, Bech-, Teer-, Theer-, Schmer-, Schmeer-, des Naturwaldreservats Schloß- Schmier-, Harz-, kombiniert mit -ofen oder -hütte auf berg liegenden Burg Tannenberg der Grundlage verschiedener Quellen. Im Nordosten bei Nentershausen – Stammsitz ist das Produktionsgebiet um Wildeck gut erkennbar, das nach Osten hin Anbindung an das Teergewerbe im der Familie von Baumbach – tat- Thüringer Wald hatte. sächlich von einem frühen Kie- fernvorkommen abgeleitet werden kann, Forsten im Jahr 1582 erstmals schriftlich für ist hingegen umstritten. Nach Johann Just Hessen erwähnt wird, die es aber vermutlich Winkelmann soll die Burg jedenfalls „ihren schon seit dem 14. Jahrhundert im Gebiet Namen von denen daselbst gestandenen des heutigen Bundeslandes gab. Teer aus Dannenbäumen empfangen haben und dem Holz und der Rinde der Wald-Kiefer, im Jahr 1300 von Ludewigen dem Elteren seltener auch der Birke, wurde unter an- von Baumbach erbauet seyn“. derem als Schmier-, Abdicht-, Klebe- und Eng mit dem Kiefernvorkommen des Wil- Heilmittel verwendet. Nebenprodukt war decker Forsts verbunden ist die Teer- und Holzkohle. In Teeröfen produzierter Teer Pechproduktion, die mit der Nennung ei- konnte in Pechöfen oder -hütten zu Pech nes Pechofens in den von Baumbachischen weiterverarbeitet werden (Pechsiederei). 13
Teer- und Pechproduktion waren somit Naturwaldreservat, dass davon ausgegan- eng aneinandergekoppelt und wurden gen werden muss, dass sie ihr Holz daraus umgangssprachlich oft nicht klar vonein- bezogen. Beide werden bereits auf einer ander getrennt. So wurde gerade in Hes- Karte aus dem Jahr 1763 mit der Bezeich- sen die Bezeichnung „Pechofen“ häufig nung „Bechoffen“ dargestellt. Für einen synonym für Teeröfen verwendet, sodass der beiden Teeröfen ist sogar belegt, dass nicht immer klar ist, welches Endprodukt er von etwa 1830 bis nach 1871 durch wirklich hergestellt wurde. Über Flurnamen den in Raßdorf tätigen Tagelöhner und und Geländebefunde sind mindestens elf Häusler George Ringleb betrieben wurde, historische Pech- oder Teeröfen im Raum der das Gewerbe von seinem Schwieger- Wildeck nachweisbar, von denen neun im vater übernommen hatte und die zur Teer- Umfeld von zwei Kilometern um das heu- gewinnung nötigen Stöcke (Stubben) auf tige Naturwaldreservat liegen. Zwei von einer Schubkarre aus der heutigen Forst- ihnen befanden sich so dicht am heutigen abteilung Katzenhäuschen holte. Kurzcharakteristik des Naturwaldreservats Größe Totalreservat: 13 ha, Vergleichsflächen: 28 ha geographische Lage ein Kilometer nordwestlich von Wildeck-Raßdorf Höhenlage 260 bis 410 Meter über Meereshöhe Naturraum Fulda-Werra-Bergland, Teilnaturraum Solztrottenwald Geologie Mittlerer und Unterer Buntsandstein Böden Braunerde, Podsol Klima schwach subatlantisch, submontan Waldbestand Buchen-Kiefern-Mischbestand Vegetationstyp Gabelzahnmoos-Kiefernwald, Hainsimsen-Buchenwald Im Rahmen der Erstaufnahme des Naturwaldreservats Schloßberg wurden auch Panoramafotos erstellt. Das 1991 im Nordteil der südlichen Vergleichsfläche entstandene Foto zeigt, dass hier zu dieser Zeit die Wald-Kiefer noch dominierte. 14
Der Wildecker Forst ist noch immer stark durch die Wald-Kiefer geprägt, die hier in Rein- und Mischbeständen vorkommt. 15
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Vergleichsfläche Totalreservat Vergleichsfläche 17
Waldstruktur die Buchen werden Alter bis zu 182 Jah- ren im Totalreservat und zwischen 88-155 Auf den mesotrophen, überwiegend mä- Jahren in der Vergleichsfläche angegeben. ßig frischen bis mäßig trockenen Stand- Die Eiche erreicht in beiden Teilflächen ein orten des Naturwaldreservates Schloß- Alter von bis zu etwas mehr als 200 Jah- berg wächst ein arten- und strukturreicher ren. Waldbestand aus dominierender Wald- Die erste Stichprobeninventur des leben- Kiefer und Rotbuche mit zahlreichen bei- den und toten Baumbestandes im To- gemischten Neben- und Begleitbaumarten talreservat erfolgte im Jahr 1989 auf 13 wie Trauben-Eiche, Sand-Birke, Eberesche, Probekreisen. In der südlichen Vergleichs- Fichte, Europäische Lärche und Hainbu- fläche wurden im gleichen Jahr 23 Stich- che. Im Totalreservat ist die Wald-Kiefer im proben erfasst. Die Wiederholung dieser Jahr 2020 zwischen 106 und 162 Jahre Inventuren erfolgte im Jahr 2018. Der erst alt, während sie in der Vergleichsfläche ein 2004 ausgewiesene nördliche Teil der Ver- Alter von bis zu 175 Jahren erreicht. Für gleichsfläche wurde nicht mit untersucht. Auch wenn die Rotbuche weit verbreitet ist, hat sich im Totalreservat der Charakter eines Kie- fernwaldes in vielen Bereichen stärker erhalten als in den Vergleichsflächen. 18
Mischungsanteile der Baumartengruppen in den Probekreisen nach Stammzahl im Jahr 2018 19
Kennzahlen der Waldstruktur für das Totalreservat des Naturwaldreservates Schloßberg. Dar- gestellt sind Mittelwerte aus 13 Probekreisen für die Aufnahme 2018 sowie die Differenz zur Aufnahme 1989. stehend Aufnahme liegend Totholz lebend tot tot gesamt jahr und Baumart Differenz Stammzahl Grundfläche Volumen Stammzahl Volumen Volumen [N/ha] [m2/ha] [m3/ha] [N/ha] [m3/ha] [m3/ha] 2018 278 32,3 390 10 11 17 Kiefer Differenz –37 +9,1 +150 +2 +11 +13 2018 179 8,4 94 0 0 0 Rotbuche Differenz +64 +3,9 +49 0 0 0 2018 25 2,8 47 0 1 1 Lärche Differenz +1 +1,2 +26 0 +1 +1 2018 40 2,8 35 6 0 1 Eiche Differenz –12 +0,7 +15 +2 0 +1 2018 16 0,9 10 0 0 0 Birke Differenz –2 +0,3 +4 0 0 0 2018 48 1,1 9 1 0 0 Fichte Differenz +21 +0,6 +6 0 0 0 2018 2 0 0 2 0 0 Sonstige Differenz –2 0 0 +2 0 0 2018 588 48,3 585 18 12 19 Summe Differenz +32 +15,8 +251 +5 +12 +15 250 1989 2018 Sonstige Lärche 200 Fichte Anzahl Bäume je Hektar Kiefer Birke 150 Eiche Rotbuche 100 50 0 -20 -30 -40 -50 -60 -70 >70 -20 -30 -40 -50 -60 -70 >70 Durchmesserklasse [cm] Durchmesserklasse [cm] Anzahl der Bäume je Hektar in den Durchmesserklassen im Totalreservat in den Jahren 1989 und 2018 getrennt nach Baumartengruppen 20
Auf den ersten Blick ein Buchenwald: Kiefern-Buchen-Mischbestand in der Vergleichsfläche Die Inventurergebnisse zeigen, dass sich ihr Anteil an der Baumzahl von 21 % auf der Holzvorrat im Totalreservat von 1989 30 %. Das Totholzvolumen hat sich von bis 2018 um gut 250 m³ auf knapp 1989 bis 2018 auf knapp 20 m³ je Hektar 585 m³ je Hektar nahezu verdoppelt hat. fast vervierfacht. Die wesentliche Ursache Der durchschnittliche jährliche Zuwachs für diesen Aufbau des Totholzvorrates ist lag bei 9,8 m³ pro Jahr und Hektar. Die das Absterben von Wald-Kiefern. Anhand Wald-Kiefer erreichte 1989 noch einen der Durchmesserverteilungen aus den Jah- Vorratsanteil von 72 %, der bis 2018 ren 1988 und 2018 werden die Zunahme auf 67 % gesunken ist. Bezogen auf die des Buchen- und die Abnahme des Kie- Baumzahl geht ihr Anteil noch deutlicher fernanteils deutlich. Neben der Buche sind von 58 % auf 49 % zurück. Eine gegentei- auch Fichten in den Baumbestand ≥7 cm lige Entwicklung ist bei der Buche zu be- Brusthöhendurchmesser eingewachsen. obachten. Ihr Vorratsanteil stieg im Beob- Der Holzvorrat der Vergleichsfläche lag achtungszeitraum von 13 % auf 16 % und zum Zeitpunkt der Ausweisung des Natur- 21
Kennzahlen der Waldstruktur für die Vergleichsfläche des Naturwaldreservates Schloßberg. Dar- gestellt sind Mittelwerte aus 23 Probekreisen für die Aufnahme 2018 sowie die Differenz zur Aufnahme 1989. stehend Aufnahme liegend Totholz lebend tot tot gesamt jahr und Baumart Differenz Stammzahl Grundfläche Volumen Stammzahl Volumen Volumen [N/ha] [m2/ha] [m3/ha] [N/ha] [m3/ha] [m3/ha] 2018 113 18,4 249 3 19 21 Kiefer Differenz –138 –7,1 –40 +1 +19 +20 2018 215 16,8 221 0 6 6 Rotbuche Differenz –35 +4,4 +79 –3 +6 +6 2018 27 2,5 30 2 1 2 Eiche Differenz –22 +0,2 +8 –2 +1 0 2018 3 0,6 8 0 0 0 Fichte Differenz –1 +0,2 +3 –1 0 0 2018 4 0,5 8 0 0 0 Lärche Differenz –3 –0,3 –4 0 0 0 2018 0 0 0 1 0 0 Birke Differenz –1 0 0 +1 0 0 2018 2 0 0 0 0 0 Sonstige Differenz 0 0 0 0 0 0 2018 365 38,9 516 6 27 30 Summe Differenz –201 –2,7 +45 –5 +27 +27 250 1989 2018 Sonstige Lärche 200 Fichte Anzahl Bäume je Hektar Kiefer Birke 150 Eiche Rotbuche 100 50 0 -20 -30 -40 -50 -60 -70 >70 -20 -30 -40 -50 -60 -70 >70 Durchmesserklasse [cm] Durchmesserklasse [cm] Anzahl der Bäume je Hektar in den Durchmesserklassen in der Vergleichsfläche in den Jahren 1989 und 2018 getrennt nach Baumartengruppen 22
Anzahl Gehölzpflanzen
Anzahl Gehölzpflanzen
Bodenvegetation sich dabei um eine Übergangsgesellschaft zwischen dem Gabelzahnmoos-Kiefern- Die Waldvegetation im Naturwaldreservat wald und dem Hainsimsen-Buchenwald. Schloßberg und in seiner südlichen Ver- Reinbestände des Gabelzahnmoos-Kie- gleichsfläche wurde erstmals 2019 nach fernwaldes sind im Gebiet kaum vorhan- dem in Hessen üblichen Verfahren erfasst. den, lediglich an einer Aufnahmefläche Die Aufnahmeflächen hatten jeweils eine wurde dieser Waldtyp im Naturwaldre- Größe von 100 m² und waren in einem servat angetroffen. An den übrigen 33 100 x 100-m-Raster gleichmäßig über Aufnahmeflächen kamen sowohl Wald- das Gebiet verteilt. 13 Aufnahmeflächen Kiefer (Pinus sylvestris), als auch Rotbuche lagen im unbewirtschafteten, 21 im be- (Fagus sylvatica) in wechselnden Anteilen wirtschafteten Teil des Gebietes. vor. Dabei tritt die Rotbuche entweder in Auf den bodensauren Standorten beider der ersten oder zweiten Baumschicht auf, Teilflächen überwiegen Kiefern-Buchen- teilweise auch in beiden. Sie kann in der Mischbestände, die sich aus ehemaligen ersten Baumschicht Deckungsgrade von Kiefern-Reinbeständen entwickelt haben. bis zu 95 % erreichen. Tendenziell ist die Aus vegetationskundlicher Sicht handelt es Buche in der bewirtschafteten Vergleichs- Während das Kronendach der Wald-Kiefer viel Licht durchlässt und damit eine dichte Kraut- schicht ermöglicht, die hier von der Heidelbeere gebildet wird, sind unter dem geschlossenen Kronendach der Rotbuche (Bildhintergrund) auf bodensauren Standorten allenfalls wenige schattentolerante Pflanzenarten mit geringem Deckungsgrad zu finden. 25
fläche in beiden Baumschichten sowie in dig. Nur in der Krautschicht konnte sie der Strauchschicht häufiger als im Natur- sehr vereinzelt und mit sehr geringem waldreservat und weist dabei auch meist Deckungsgrad gefunden werden. Dass höhere Deckungsgrade auf. Dieser Be- dieser Nachwuchs der Wald-Kiefer sich fund steht im Einklang mit den Erkenntnis- etablieren wird, ist angesichts der Konkur- sen der Waldstrukturaufnahme und zeigt, renzverhältnisse jedoch als unwahrschein- dass die Entwicklung vom Kiefern- zum lich anzusehen. Buchen-Bestand in der Vergleichsfläche Der Blick auf die einzelnen Vegetations- – bedingt durch die Entnahme der Wald- schichten – erste (obere) Baumschicht, Kiefer im Rahmen der Holzernte – bereits zweite (untere) Baumschicht, Strauch- stärker vorangeschritten ist als in dem seit schicht und Krautschicht – zeigt, dass über 30 Jahren unbewirtschafteten Total- deren Deckungsgrade auf der Vergleichs- reservat. Die Wald-Kiefer fehlt in beiden fläche im Durchschnitt höher sind als im Teilflächen in der zweiten Baumschicht Totalreservat. Kennzeichnend ist dabei für wie auch in der Strauchschicht vollstän- alle genannten Schichten, dass auf der Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) in einer durch Windwurf und anschließende Holzentnahme entstandenen Lücke in der südlichen Vergleichsfläche. In den bodensauren Laub-Nadel-Misch- wäldern am Schloßberg sind solche auffällig blühenden Pflanzenarten sehr selten. 26
Größere Bestände des Gemeinen Weißmooses (Leucobryum glaucum) kommen vor allem im Totalreservat am Schloßberg vor. Vergleichsfläche die einzelnen Aufnahme- Die höheren Deckungsgrade der Baum- flächen deutlich breitere Wertespannen schicht in der Vergleichsfläche sind zu- aufweisen als im Totalreservat. In Bezug nächst überraschend, da die Holzernte zu auf die zweite (untere) Baumschicht sowie zeitweiligen Lücken im Kronendach führt, die durchweg relativ niedrige Moosschicht- während das Kronendach eines Totalre- Deckung besteht kein nennenswerter Un- servats in den ersten Jahrzehnten nach der terschied zwischen beiden Teilflächen. Einstellung der Nutzung in der Regel zu- Insgesamt zeigt sich sowohl im Totalre- nächst dichter wird. Beigetragen hat dazu servat als auch auf der Vergleichsfläche, aber offenbar, dass im Zuge der Holzernte dass die Gesamtdeckung der Baum- auf der Vergleichsfläche der Kiefernanteil schicht und die der oberen Baumschicht sukzessive gesenkt wurde und die Baum hoch sind. Lücken sind bisher also in artenverschiebung zugunsten der Buche größerem Umfang weder durch forstliche somit deutlich weiter vorangeschritten Bewirtschaftung noch durch natürliche ist. Eine überwiegend aus Buchen beste- Dynamik entstanden. Die Waldbestände hende obere Baumschicht bildet in aller sind im bewirtschafteten wie im unbewirt- Regel ein dichteres Kronendach als eine schafteten Teil des Gebietes nach wie vor überwiegend aus Kiefern bestehende. weitgehend durch diejenigen Altbestände Dennoch treten auf der Vergleichsfläche geprägt, die zum Zeitpunkt seiner Aus- an zahlreichen Aufnahmepunkten be- weisung als Naturwaldreservat 1989 die dingt durch die Holzernte auch niedri- Fläche bedeckten. gere Deckungsgrade der Baumschichten 27
Mischbestand aus Wald-Kiefer, Trauben-Eiche und Rotbuche im Totalreservat. auf, was die Ausbreitung einer dichten Heterogenität der Werte zeigt, konnten Kraut- und Strauchschicht begünstigt. Deckungsgrade bis zu 50 % gefunden Daher ist die Strauchschicht-Deckung auf werden. der Vergleichsfläche mit einem mittleren Sowohl im Totalreservat als auch auf der Deckungsgrad von 11 % deutlich höher Vergleichsfläche wurden im Mittel sieben als im Totalreservat, wo sie im Mittel nur Höhere Pflanzenarten je Aufnahmefläche ein Prozent der Fläche bedeckt. An ei- gefunden. Die Maximalwerte liegen bei nem Aufnahmepunkt der Vergleichsfläche 16 Arten im Totalreservat und 26 Arten auf werden sogar 70 % Deckung erreicht, der Vergleichsfläche. Kaum Unterschiede während es im Totalreservat an keinem sind bei den Moosen festzustellen: Im To- Aufnahmepunkt mehr als 4 % Deckung talreservat wurden im Mittel drei, auf der gibt. In der Krautschicht liegt die De- Vergleichsfläche im Mittel zwei Arten je ckung auf der Vergleichsfläche im Mittel Aufnahmefläche gefunden. Die Maxima bei 5 % gegenüber 3 % im Totalreservat. liegen bei sieben bzw. acht Arten. Unter Kiefern, die im Totalreservat noch Laub- und Nadelwälder auf bodensau- stärker vertreten sind, werden insgesamt ren Standorten zeichnen sich allgemein höhere Deckungsgrade erreicht, was zum durch einen gemeinsamen Grundstock Großteil auf Vorkommen der Heidelbee- von Arten aus, zu dem in den Wäldern re zurückzuführen ist. Dennoch gibt es am Schloßberg weit verbreitete Gefäß- im Totalreservat keinen Aufnahmepunkt pflanzen wie Draht-Schmiele (Deschamp- mit mehr als 10 % Deckung. Auf der Ver- sia flexuosa), Weißliche Hainsimse (Luzula gleichsfläche, die auch im Hinblick auf luzuloides) und Heidelbeere (Vaccinium die Krautschicht-Deckung eine größere myrtillus) gehören. Auch viele Moosarten 28
sind in beiden Waldtypen verbreitet. Hier- achten, die vor allem vom Lichtangebot zu zählen im Gebiet das Besenförmige auf dem Waldboden abhängig sind. So Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium), treten weiter verbreitete Arten wie Draht- Seligers Stumpenmoos (Herzogiella seli- Schmiele oder Heidelbeere nur unter dem geri), Heide-Schlafmoos (Hypnum jutlan- vergleichsweise lichten Kronendach der dicum), Gemeines Weißmoos (Leucobry- Wald-Kiefer mit höheren Deckungsgra- um glaucum), Krummblättriges Plattmoos den auf. An Hangstandorten, an denen (Plagiothecium curvifolium), Wald-Frau- Laub- und Nadelstreu stellenweise durch enhaarmoos (Polytrichum formosum) und Wind oder Regen regelmäßig abgetragen Durchsichtiges Georgsmoos (Tetraphis werden, sind Waldbodenmoose häufiger pellucida). als auf Flächen, auf denen sich Streu ak- Eine floristische Differenzierung zwischen kumulieren kann. Offener Waldboden ist Hainsimsen-Buchenwäldern einerseits für die meisten Waldbodenmoose eine und Gabelzahlmoos-Kiefernwäldern an- Voraussetzung zur Ansiedlung. Alle ge- dererseits kann am Schlossberg nicht nannten Moosarten sind Säurezeiger im vorgenommen werden, da es sich um weiteren Sinne. Das Gemeine Weißmoos Übergangsgesellschaften handelt und ein und das Durchsichtige Georgsmoos gel- typisch ausgeprägter Gabelzahnmoos- ten gar als Starksäurezeiger. Im Gebiet Kiefernwald nur an einem Aufnahmepunkt des Schloßbergs bildet das Gemeine aufgenommen werden konnte. Es sind le- Weißmoos im Bereich oberflächlich stark diglich variierende Dominanzverhältnisse versauerter, teilweise posolierter Hang- in der Kraut- und Moosschicht zu beob- standorte stellenweise dichte Polster. Blühende Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) 29
Ausblick ter meist stark aufgelichtet und unterlag, nachdem die Burgen ihre ursprüngliche Die Beobachtung der Entwicklung von Funktion verloren hatten, einer natürlichen Beständen der Wald-Kiefer in Konkurrenz Wiederbewaldung oder wurde aufgefors- mit Rotbuche, Trauben-Eiche und anderen tet. Möglicherweise wurden dabei bereits Laubbaumarten ist ein wichtiger Baustein im 16. Jahrhundert lokal Wald-Kiefern innerhalb des hessischen Naturwaldre- eingesetzt. servateprogramms. Rund um diesen The- Allerdings würde die Einbringung der menkomplex ergeben sich viele Fragen, Wald-Kiefer an Burgbergen alleine nicht die nur über langfristige Untersuchungen die offenbar schon im 17. Jahrhundert geklärt werden können. große Ausdehnung von Kiefernbeständen Die Frage, ob im Wildecker Forst natürli- im Wildecker Forst erklären. Hierfür könn- che Kiefernvorkommen zu erwarten sind, te am ehesten eine frühe nutzungsbeding- muss aus heutiger Sicht mit „nein“ beant- te stärkere Auflichtung der ursprünglichen wortet werden. Nur auf trockenen oder bodensauren Laubwälder verantwortlich nassen Extremstandorten, beispielsweise sein, in deren Folge die Nadelbaumart auf in Fels- oder Moorlebensräumen, wäre die größerer Fläche eingebracht wurde. Die Wald-Kiefer nach heutigem Kenntnisstand bei einigen Böden am Schloßberg erkenn- der Konkurrenz von Laubbaumarten, vor baren Podsolierungserscheinungen deuten allem der Rotbuche, dauerhaft gewach- auf eine lange andauernde Streunutzung sen. Solche Standorte sind aber weder im der ohnehin nährstoffarmen Buntsand- Naturwaldreservat noch in anderen Teilen stein-Böden hin, könnten aber auch erst des Naturraumes zu finden. durch die Bestockung mit Wald-Kiefern Es bleibt aber die Frage offen, warum entstanden sein, deren Nadelstreu schwer die Wald-Kiefer im Raum Wildeck schon zersetzbar ist. Da keine genaueren Infor- im 16. Jahrhundert – und damit viel frü- mationen zur Nutzungsgeschichte vorlie- her als in den meisten anderen Waldge- gen, muss dieser Fragenkomplex noch bieten Nordhessens – eine nennenswerte offen bleiben. Rolle gespielt hat. Eine Erklärungsmög- Für die Zukunft wird es interessant sein, zu lichkeit wäre tatsächlich die sehr frühe beobachten, ob sich die Konkurrenzver- Einbringung der Kiefer durch die Familie hältnisse zwischen Wald-Kiefer und Rotbu- von Baumbach im Bereich der Burg Tan- che durch den Klimawandel verschieben. nenberg, wie sie bereits Johann Just Win- Bisher deutet jedoch auch nach mehre- kelmann 1697 annahm. Aber auch die ren aufeinanderfolgenden Trockenjahren Nähe zu Thüringen, wo der Kiefernanbau noch nichts darauf hin. ebenfalls früh belegt ist, könnte hier eine Rolle gespielt haben. So wird für den etwa 25 km entfernten Schloßberg bei Eisenach bereits 1557 „Kiefernholz mit Laubholz“ beschrieben. Bemerkenswert ist, dass die Nadelbaumart auch hier an einem Schloss- bzw. Burgberg vorkam. Das di- rekte Umfeld von Burgen war im Mittelal- 30
Weiterführende Literatur Bartholmai, G. (1981): Wildeck. Ein historischer Garten. Schriftenreihe OE Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung 01.034: 1-89. Wetterau, F. (1989): Der Teerofen von Blankenbach bei Sontra aus dem frühen 17. Jahr- hundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Teer- und Pechproduktion in Hessen. Z. Vereins hess. Geschichte Landesk. 94: 227-270. Impressum Seit 2007 stellt die Reihe „Hessische Naturwaldreservate im Portrait“ Ergebnisse des hessischen Naturwaldreservate-Programms vor. Alle Hefte können kostenlos über Naturwald@nw-fva.de bestellt werden und sind auch als PDF verfügbar. Herausgeber: Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA), Professor-Oelkers-Str. 6, 34346 Hann. Münden http://www.nw-fva.de Landesbetrieb HessenForst, Henschelplatz 1, 34127 Kassel http://www.hessen-forst.de Gesamtredaktion: Dr. Marcus Schmidt, Dr. Peter Meyer (NW-FVA) Text: Tobias Hoppmann, Katja Lorenz, Dr. Peter Meyer, Dr. Marcus Schmidt (NW-FVA) Karten: Katja Lorenz, Dr. Marcus Schmidt (NW-FVA) Layout: Etta Paar (NW-FVA) Druck: Printec Offset, Kassel Bildnachweis: Althoff: S. 14, 15u; Bedarff: S. 26; Bogon: S. 2, 3, 4, 5, 15o; Evers: S. 30; Hessisches Staatsarchiv Marburg: S. 6, 7; Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig: S. 12; HNA online: S. 10; LAGIS: S. 9; Schmidt: S. 1, 8, 11u, 18, 21, 25, 27, 28, 29, 36; Waldbau-Institut Universität Göttingen: S. 11o ISSN 2191-107X Kartengrundlage: Top. Karte 1:25.000 Nr. 5025 © HLBG Hann. Münden, November 2020 Umschlagvorderseite: Alte Wald-Kiefer am Südrand des Naturwaldreservats Umschlagrückseite (von oben nach unten): Krause Glucke (Sparassis crispa), Besenförmi- ges Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium), Besenheide (Calluna vulgaris), Jungwuchs der Wald-Kiefer, Gemeines Weißmoos (Leucobryum glaucum) 31
www.hessen-forst.de www.nw-fva.de
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