SCHULE und - Bayerisches ...

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SCHULE und - Bayerisches ...
Bayerisches Staatsministerium für
                    Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

11-12/2018
                              SCHULE
Fachinformationen aus der
Landwirt­schafts­verwaltung
in Bayern                     und
                              BERATUNG

                              → Artenreiche Kulturlandschaft – Landwirte sind unverzichtbare Partner
                              →→ Projekt contra Standardaufgabe?
                              →→ Zwischenfrucht auf Herbstdämmen gegen Erosion bei Kartoffeln
                              →→ GartenAELFen – Eine neue Spezies bloggender Studierender der
                                 Hauswirtschaft
SCHULE und - Bayerisches ...
INHALT

               BIODIVERSITÄT

                    FÜHRUNG

            GEWÄSSERSCHUTZ

                      MARKT

         WEIN- UND GARTENBAU

                      RINDER

             HAUSWIRTSCHAFT

                KLIMAWANDEL
SCHULE und - Bayerisches ...
INHALT

 5   Vorwort

 6   Artenreiche Kulturlandschaft – Landwirte sind unverzichtbare Partner

                                                                                                             BIODIVERSITÄT
 9   Produktion gestalten – Artenvielfalt erhalten – Jahre der Biodiversität 2019 und 2020
13   Artenverlust in der Agrarlandschaft – Fakten und Gegenmaßnahmen

17   Operative Rahmenziele jährlich analysieren und einordnen – Führung der Ämter
22   Motivation 3.0 – Auf dem Weg zu selbstbestimmtem Handeln?

                                                                                                             FÜHRUNG
27   Projekt contra Standardaufgabe? – Sinnvolles Verzahnen schafft Mehrwert für die Verwaltung
30   Methodenbrevier: Die Job-Map
32   Gewusst wie: PDF-Dateien zusammenfügen

33 In Kooperation Wasserschutzgebiete beraten – Erfolg im Landkreis Starnberg seit über 22 Jahren

                                                                                                             GEWÄSSERSCHUTZ
35 Zwischenfrucht auf Herbstdämmen gegen Erosion bei Kartoffeln
38 Wasserberater im Einsatz auf der Landesgartenschau –
		Gewässerschutz mit Regenwürmern und Regensimulator demonstriert

40 Regionale Futtermittelherkunft lohnt sich –
		Ergebnisse einer deutschlandweiten Verbraucherstudie der Universität Kassel

                                                                                                             MARKT
42 Leguminosenanbau weiterhin attraktiv
46 Umsatzrekord für das bayerische Ernährungshandwerk –
		Entwicklung des Lebensmittelgewerbes 2009 bis 2017

49 Ins rechte Licht gerückt –

                                                                                                             GARTENBAU
		LED-Einsatz für nachhaltige Qualitäts- und Wachstumssteuerung von Zierpflanzen

                                                                                                             WEIN- UND
53 Lust auf Gemüse in der Stadt? –
		Erfahrungen aus dem Urban-Gardening-Demonstrationsgarten in Erlangen
56 Bocksbeutel legt wieder zu – Vermarktungssituation der Weinwirtschaft in Franken 2017

59 Mechanisch Grünland verbessern –
		LKP und LfL informieren an fünf Praxistagen 400 Landwirte                                                  RINDER
62 Milchviehställe werden immer teurer

66   GartenAELFen – Eine neue Spezies bloggender Studierender der Hauswirtschaft
                                                                                                             HAUSWIRTSCHAFT

70   „Hauswirtschaft ist vielseitig und macht Spaß“ – Ein Projekt des einsemestrigen Studiengangs
		   Hauswirtschaft in Uffenheim gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Hauswirtschaft
73   „Nicht für uns, sondern für die Bewohner“ – Eine Führungskraft der Hauswirtschaft im Profil
75   Kurzinfo: Das who is who der hauswirtschaftlichen Abschlüsse

76 Feinstaubminderung bei Agrarbrennstoffen –
                                                                                                             KLIMAWANDEL

		Reduzierung von Emissionen und Schlacke durch Zugabe von Kaolin
80 Kurzinfo: Die Edelkastanie – Eine klimatolerante Baumart mit kulturhistorischer Bedeutung
81 Live-Botschafterin des Klima-Wandels – Winterlinde „twittert“ ihre Befindlichkeiten
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(Foto: Dehner, StMELF)

                       Alle Ehre gehört Gott im Himmel!
              Sein Frieden kommt auf die Erde zu den Menschen,
                                weil er sie liebt!
                                             Lukas-Evangelium, Kap. 2, 14
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Vorwort                                                                       VORWORT

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

ein äußerst spannendes und herausforderndes Jahr geht ­seinem
Ende zu. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihren groß­
artigen Einsatz und Ihre tatkräftige Unterstützung. Wir ­können
mehr als stolz darauf sein, was wir erreicht haben. Und ich bin
überzeugt, dass wir auch in der neuen Amtsperiode gemein-
sam Antworten und ­Lösungen für die drängenden Fragen und Herausforderungen
finden.

Ganz oben steht für mich auf der Agenda, die Gesellschaft und Landwirtschaft wie-
der näher zusammenzubringen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Verständigung
­darüber, welche Landwirtschaft wir wollen und wie wir das umsetzen und finanzieren
 können. Und wir brauchen vielleicht auch neue Formate, um die Bürgerinnen und Bür-
 ger noch stärker in unsere Entscheidungen einzubinden. Erst auf dieser Basis können
 wir unsere Anstrengungen beim Tierwohl noch zielgerichteter intensivieren und auch
 die überfällige Ackerbaustrategie anpacken.

Eng verknüpft mit dem Ackerbau der Zukunft ist die Frage, an welchen Stellschrauben
müssen und können wir drehen, damit die Landwirtschaft deutlich zur Verbesserung
der Biodiversität und zum Schutz von Bienen und Insekten beitragen kann. Unser
Motto muss hier sein: Lebensmittel erzeugen, Arten erhalten.

Lösungen brauchen wir auch für den voranschreitenden Klimawandel. Angefangen
von der Züchtung neuer, resilienter Sorten über die Entwicklung neuer Bewässerungs-
systeme bis hin zur Forcierung des Waldumbaus.

Eine weitere Herausforderung ist der sorgsamere Umgang mit unseren Flächen. Im
engen Schulterschluss mit den Kommunen gilt es hier wirkungsvolle Steuerungs­
instrumente zu entwickeln. Mit einer Entsiegelungsprämie und der Ausweitung der
Dorf­erneuerung um die Initiativen „Innen statt außen“ und „Heimatunternehmen“
­können wir wichtige Impulse setzen, um den Ländlichen Raum lebenswert zu g
                                                                          ­ estalten.

Zu einem vitalen Ländlichen Raum zählt auch, dass unsere Landwirte ein verträg­
liches finanzielles Auskommen haben. Um hier vorwärts zu kommen, müssen wir bei-
spielsweise die Beratung für den Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten forcieren,
angepasste Strukturen fördern oder die Neueinsteiger bei der Diversifizierung noch
stärker unterstützen.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich freue mich sehr, gemeinsam mit Ihnen im
kommenden Jahr wieder für eine positive Zukunft unserer Landwirte, unserer Waldbe-
sitzer und aller Menschen im Ländlichen Raum anpacken zu können. Für die kommen-
den Feiertage wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen erholsame Stunden im Kreise
Ihrer Lieben und für das Neue Jahr viel Glück, Gesundheit und Gottes reichen Segen.

   MICHAELA KANIBER
   BAYERISCHE STAATSMINISTERIN FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
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Biodiversität
                 BIODIVERSITÄT

                                       Artenreiche Kulturlandschaft
                                       Landwirte sind unverzichtbare Partner

                                       von JOHANNA EGERER: Agrarlandschaften sind wichtige Lebensräume für viele Tier- und
                                       Pflanzenarten in Mitteleuropa. Art und Weise der Landbewirtschaftung und Landnutzung
Biodiversität

                                       haben damit einen großen Einfluss auf die biologische Vielfalt. Doch gerade in den Agrarräu-
                                       men sind die zu verzeichnenden Artenverluste schon über Jahrzehnte hinweg am stärksten.
                                       Genau deshalb sind Agrarlandschaften der Bereich, in dem wir die größten Anstrengungen
                                       für wieder mehr Artenvielfalt brauchen. Die Akteure im ländlichen Raum tragen Verant-
                                       wortung zur Bewahrung der Biodiversität. Sie sind aufgefordert, sich den Erhalt der wildle-
                                       benden Arten, ihrer Populationen und Lebensräume sowie der Kulturpflanzensorten und
                                       Nutztierrassen zur Aufgabe zu machen. Um das Bewusstsein für den Erhalt der biologischen
                                       Vielfalt zu wecken und Handlungsfelder in der Landwirtschaft aufzuzeigen, initiiert das baye-
                                       rische Landwirtschaftsressort die Biodiversitätsjahre 2019 bis 2020.

                 Die biologische Vielfalt hat sich im Laufe der Erdgeschichte
                 entwickelt. Sie hat Artenreichtum und eine Vielzahl an hoch-
                 komplexen Ökosystemen entstehen lassen. Für alles Leben
                 auf dieser Erde ist sie eine der wichtigsten Überlebensgrund-
                 lagen. Auch wir Menschen sind Teil der Biodiversität und le-
                 ben letztendlich von ihr: Sie trägt die Genressourcen für zu-
                 künftige Anpassungen und steht mit ihren Funktionen in
                 stofflichen Austauschprozessen und Energieströmen, wie den
                 Ökosystemdienstleistungen, für den Erhalt einer intakten Um-
                 welt und damit für Lebensqualität und Wohlergehen. Welt-
                 weit ist ein kontinuierlicher Verlust an biologischer Vielfalt zu
                 verzeichnen. Schätzungen zufolge sterben täglich 130 Arten
                 aus [1]. Mit Veröffentlichung der Langzeituntersuchungen der
                 Krefelder Entomologen über 27 Jahre hinweg wurden 2017              → Bild: Die Bläulinge sind eine Familie der Schmetterlinge. Zahlreiche Arten
                 erstmalig für Deutschland Biomasseverluste von Fluginsekten            sind hoch spezialisiert, deshalb reagieren sie besonders empfindlich auf
                 in Höhe von 76 Prozent wissenschaftlich bestätigt [2].                 Änderungen im Lebensraum. Viele Arten gelten als gefährdet. In intensiv
                     Verlust und Gefährdung an biologischer Vielfalt sind               bewirtschafteten und strukturarmen Agrarlandschaften sind sie kaum
                 auch in Bayern zu verzeichnen [3]. Dabei gehört heute der              mehr anzutreffen, so ist auch das Vorkommen des noch eher häufigeren
                 Verlust des Lebensraums zu den größten Gefährdungen von                Hauhechel-Bläulings rückläufig (Foto: Johanna Egerer)
                 Arten. Verluste biologischer Vielfalt sind irreversibel [4]. Ihr
                 wirtschaftlicher Nutzen ist daher von unermesslicher Größe.         Die drei Ebenen sind über die vierte Ebene, die Wechsel-
                                                                                     beziehungen, miteinander vernetzt (Abbildung). Diese so-
                    Was ist Biodiversität und wofür brauchen wir sie?                genannte funktionelle Biodiversität beschreibt die Interaktion
                 Der von der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt             von Lebewesen und Abiotischem (z. B. Nahrungsketten, Räu-
                 und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro definierte           ber-Beute-Beziehungen, Stoffströme oder Abbauprozesse) in-
                 Fachterminus „Biodiversität“ steht für die Vielfalt des Lebens      nerhalb und zwischen Ökosystemen.
                 auf unserer Erde [5].                                                    Jeder lebende Organismus einschließlich des Menschen
                                                                                     ist Teil dieses komplexen Ökosystems gegenseitiger Wech-
                                                                                     selbeziehungen und Abhängigkeiten. Die natürliche Vielfalt
                      Biodiversität umfasst die genetische                           ist eine der wichtigsten Lebensgrundlagen und existentiell
                      Variabilität, die Vielfalt aller lebenden                      für das Leben.
                      Organismen, deren Lebensräume sowie die                             Zahlreiche Lebewesen, also Pflanzen, Tiere und – nicht
                      Wechselbeziehungen dieser drei Ebenen.                         zu vergessen – Pilze und Mikroorganismen, erfüllen zum
                                                                                     einen Funktionen in stofflichen Austauschprozessen und

                 6                                                                                                                           SUB 11-12/2018
SCHULE und - Bayerisches ...
Biodiversität

Energieströmen für den Erhalt einer intakten Umwelt, die so-              rungsgrundlage zu sichern. Vermehrt werden natürliche Sys-
genannten Ökosystemdienstleistungen. Sie bauen Gift- und                  teme als Vorbilder in der Bionik für Innovationen genutzt.
Abfallstoffe ab und reinigen damit Boden, Wasser und Luft,                Ohne Erhalt reichhaltiger Vielfalt wird auch Lebensqualität
bilden fruchtbaren, gesunden Boden oder erbringen wich-                   verloren gehen.
tige funktionale Leistungen wie die Bestäubung von (Nutz-)
Pflanzen oder biologischen Pflanzenschutz. Darüber hinaus                            Landwirte – unverzichtbare Partner

                                                                                                                                                   Biodiversität
dienen sie dem Menschen als Nahrung und als Heilmittel.                          Bayern weist aufgrund der unterschiedlichen naturräum-
Zum anderen stellt die natürliche genetische Vielfalt zwi-                       lichen Ausstattung sehr vielfältige Landschaften mit einer
schen und innerhalb von Arten eine der wichtigsten Überle-                       großen Anzahl ökologisch wertvoller Lebensräume auf.
bensstrategien dar: Durch die aufgrund unterschiedlichsten                       Ein Großteil dieser Lebensräume und vor allem unsere
genetischen Informationen festgelegten Eigenschaften von                         Kulturlandschaft entstanden durch jahrhundertelange
Organismen können sich Individuen und Arten an verän-                            landwirtschaftliche Nutzung. So wurde eine Vielfalt an
derte Umweltbedingungen anpassen und überleben. Dieses                           Lebensräumen neu geschaffen und Biodiversität ermög-
Naturkapital ist auch für die Landwirtschaft wichtig, indem                      licht.
sie tier- und pflanzengenetische Ressourcen als Züchtungs-                           Doch die Kulturlandschaft wird seit etwa 150 Jahren
potenzial für zukünftige Herausforderungen (wie z. B. den                        durch die Intensivierung der Landwirtschaft zunehmend von
Klimawandel oder Krankheiten) nutzt, um auch weiterhin                           intensiv agrarisch genutzten Landflächen mit wenig Struktur
mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und -tieren die Nah-                       geprägt. In der Folge haben Qualität, Quantität und die Ver-
                                                                                                                  netzung von Lebensräumen
                                                                                                                  massiv abgenommen. Die
                                                                                                                  Artenvielfalt und die Vielfalt
                                                                                                                  der Ökosysteme sind in der
                                                                                                                  Agrarlandschaft stark rück-
                                                                                                                  läufig. Besonders nachdenk-
                                                                                                                  lich stimmt, „dass die meisten
                                                                                                                  der für den Landwirtschafts-
                                                                                                                  bereich und die Agrarland-
                                                                                                                  schaft formulierten Ziele
                                                                                                                  (der von der Bundesregie-
                                                                                                                  rung am 7. November 2007
                                                                                                                  verabschiedeten Nationalen
                                                                                                                  Strategie zur biologischen
                                                                                                                  Vielfalt, Anmerkung der Ver-
                                                                                                                  fasserin) bislang nicht nur
                                                                                                                  verfehlt werden, sondern
                                                                                                                  dass die Entwicklungen, auf
                                                                                                                  die sie Bezug nehmen, ins-
                                                                                                                  besondere bei Arten und
                                                                                                                  Lebensräumen, regelmäßig
                                                                                                                  sogar einen negativen Trend
                                                                                                                  aufweisen“ [6]. Das hat auch
                                                                                                                  negative Auswirkungen auf
                                                                                                                  die Landwirtschaft selbst,
                                                                                                                  wie beispielsweise auf die
                                                                                                                  Leistung von Blütenbestäu-
                                                                                                                  bern, natürliche Gegenspie-
                                                                                                                  ler bei der Schädlingsbe-
                                                                                                                  kämpfung oder den Erhalt
                                                                                                                  der Bodenfruchtbarkeit. Da-
                                                                                                                  mit ist die Landwirtschaft Be-
→   Abbildung: Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens (Fotos: Johanna Egerer, Fisch: Institut für Fischerei in wahrerin, Verursacherin und
    Starnberg, LfL, Regenwurm: Roswitha Walter, LfL)                                                              Betroffene zugleich[6].

SUB 11-12/2018                                                                                                                                7
SCHULE und - Bayerisches ...
Biodiversität

                     Agrarlandschaften sind essentielle Lebensräume für             die Ansprüche an die vermeintlichen Verursacher sind groß
                 viele wildlebende Tier- und Pflanzenarten. Aber genauso            – aber jeder selbst trägt eine ebenso große Verantwortung
                 hat die Landwirtschaft die Aufgabe, qualitativ hochwertige         für das Leben auf unserer Erde. Landschaftspflege, Arten-
                 Lebensmittel für unsere Ernährung zu produzieren, in einem         vielfalt und der Schutz der Naturgüter verlangen auch ihren
                 harten Wettbewerb stehend und mit oft unvorhersehbaren             Preis und müssen honoriert werden. Ohne den gesellschaft-
                 Störfaktoren konfrontiert (wie z. B. Trockenperioden, Stark-       lichen Rückhalt wird demnach auch eine naturverträgliche
Biodiversität

                 regen, Krankheitsdruck).                                           Landwirtschaft nicht möglich sein.
                     46,9 Prozent der Bodenfläche Bayerns, das entspricht
                 33 063 km², werden als landwirtschaftliche Fläche genutzt              Literatur
                 [7]. Unweigerlich hat sie damit Auswirkungen auf die Na-           [1] DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR DIE VEREINTEN NATIO-
                 turgüter sowie Konstitution und Entwicklung der biologi-                   NEN E. V. (2018): https://www.dgvn.de/inhaltsarchiv/
                 schen Vielfalt.                                                            themenschwerpunkte/biodiversitaet/. Abgerufen am
                                                                                            8. Oktober 2018. Link funktioniert derzeit nicht. Be-
                                                                                            richt liegt der Verfasserin vor.
                      Landwirte sind daher unverzichtbare Partner,                  [2] HALLMANN CA., SORG M., JONGEJANS E., SIEPEL H.,
                      wenn es darum geht, kulturlandschaftlich                              HOFLAND N., SCHWAN H., ET AL. (2017): More
                      geprägte Lebensräume durch eine                                       than 75 percent decline over 27 years in total flying
                      pflegerische Nutzung zu erhalten.                                     insect biomass in protected areas. PLOS ONE. https://
                                                                                            journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/jour-
                                                                                            nal.pone.0185809. Abgerufen am 8. Oktober 2018.
                 Es muss uns bewusst sein: Ohne eine naturverträgliche              [3] BAYERISCHE STAATSREGIERUNG (2008): Strategie zum
                 Landwirtschaft wird eine Trendwende der Situation nicht                    Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern (bayeri-
                 erreicht werden können.                                                    sche Biodiversitätsstrategie). 1. April 2018. https://
                                                                                            www.stmuv.bayern.de/themen/naturschutz/biodi-
                      Gesamtgesellschaftliches Problem                                      versitaet/index.htm. Abgerufen am 8. Oktober 2018.
                 Doch die Ursachen für den Rückgang von Biodiversität lie-          [4] INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFÖRDE-
                 gen, wie die obigen Schilderungen schon ansatzweise auf-                   RUNG GGMBH (2004): Agrobiodiversität. https://
                 zeigen, nicht allein im Strukturwandel der Landwirtschaft,                 www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_
                 also Intensivierung, Stickstoffeinträgen aus der Düngung,                  Downloaddateien/Publikationen/2004/Agrobio-
                 der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln oder den ver-                     diversitaet_Broschuere.pdf. Berlin. Abgerufen am
                 änderten Wertschöpfungsketten, Vermarktungs- und Han-                      8. Oktober 2018.
                 delsbedingungen. Sie sind multifaktoriell. Ein großes Pro-         [5] UNITED NATIONS (1992): Convention on biological di-
                 blem des Landschafts- und Artenschutzes ist der nach wie                   versity. https://www.cbd.int/convention/articles/de-
                 vor hohe Flächenverbrauch durch Siedlung, Industrie und                    fault.shtml?a=cbd-02. Abgerufen am 8. Oktober 2018
                 Verkehr. „Für die Artenvielfalt hat die Überbauung weitrei-        [6] BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (HRSG) (2017): Ag-
                 chende Auswirkungen: zum einen der unmittelbare Verlust                    rar-Report 2017. Biologische Vielfalt in der Ag-
                 von Lebensräumen, egal ob Ackerland, Wald oder Biotopflä-                  rarlandschaft. Bonn – Bad Godesberg. 1. Auflage.
                 chen, und damit auch ein Verlust an Individuen und Bio-                    https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/landwirtschaft/
                 masse; zum anderen bewirken die Fragmentierung und die                     Dokumente/BfN-Agrar-Report_2017.pdf. Abgerufen
                 Isolation von Lebensräumen indirekt eine Verschlechterung                  am 30. Oktober 2018.
                 der Lebensbedingungen und tragen dadurch zum Arten-                [7] LANDESAMT FÜR STATISTIK (2016): https://www.statis-
                 und Individuenrückgang bei“ [8]. Darüber hinaus nehmen                     tik.bayern.de/statistik/gebiet/. Abgerufen am 29. Ok-
                 auch Stickstoffeinträge aus der Luft aus Industrie­anlagen                 tober 2018
                 und Verkehr, der Einsatz von Bioziden oder mit menschli-           [8] StMUV (2018): Bericht an den Bayerischen Landtag. Rück-
                 chem Wirtschaften verbundene Verschmutzungen (z. B.                        gang der Insekten- und Vogelfauna in Bayern und Ge-
                 Rückstände von Chemikalien aus der Produktion, Mikroplas-                  genmaßnahmen der Staatsregierung. Liegt der Ver-
                 tik) starken Einfluss auf die Biodiversität. Insbesondere Insek-           fasserin vor.
                 ten sind auch von der Lichtverschmutzung durch künstliche
                 Beleuchtung negativ betroffen. Nicht zuletzt hat der Klima-           JOHANNA EGERER
                 wandel Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Damit ist Bio­             BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR
                 diversität und der Erhalt unserer Lebensgrundlagen eine ge-           ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
                 samtgesellschaftliche Aufgabe. Unsere Entrüstung über und             johanna.egerer@stmelf.bayern.de

                 8                                                                                                               SUB 11-12/2018
SCHULE und - Bayerisches ...
BIODIVERSITÄT
                                                                                                                                                                                                 B iodiversität

                                                                    Produktion gestalten –
                                                                    Artenvielfalt erhalten
                                                                    Jahre der Biodiversität 2019 und 2020

                                                                                                                                                                                                                   Biodiversität
                                                                    von LUDWIG WANNER und JOHANNA EGERER: Gerade im Hinblick auf die öffentlich kriti-
                                                                    sierte Landwirtschaft ist es eine wichtige Aufgabe, die bereits bestehenden Leistungen der
                                                                    Landwirtschaft für mehr Artenvielfalt aufzuzeigen. Gleichzeitig müssen wir uns aber bewusst
                                                                    sein, dass zukünftig noch mehr Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt und der Natur-
                                                                    güter von der Landwirtschaft erwartet werden. So sehen wir es als Aufgabe, über Förderung,
                                                                    Bildung sowie Beratung und nicht zuletzt im Einklang mit und auch in Mitverantwortung der
                                                                    Öffentlichkeit die Landwirtschaft zu weiteren positiven Entwicklungen anzuregen.

   „Naturoffensive Bayern“: Landwirtschaft                                                                                                         der landwirtschaftlichen Flur hat die Bayerische Staatsre-
Bayern nimmt die Funktionen der Biodiversität und damit                                                                                            gierung 2018 mit der „Naturoffensive Bayern“ wegweisende
die Herausforderungen, um Biodiversität zu erhalten und                                                                                            Beschlüsse gefasst, um in ganz Bayern Lebensräume, Arten-
zu fördern, ernst. Aufgrund des Biodiversitätsverlustes in                                                                                         reichtum und das Naturerlebnis im Einklang mit den Men-
                                                                                                                                                   schen in der Region zu fördern. Dazu zählt u. a. ein ressort­
                                                                                                                                                   übergreifendes „Bayerisches Aktionsprogramm für die
                                    Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten                                                                  Insektenvielfalt“ [1].
                                                                             xxx                                                                       Mit dem Schwerpunktthema „Biodiversität“ in den
                                                                                                                                                   Jahren 2019 und 2020 wird sich das bayerische Staats-
                                                                                                                                                   ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
                                                                                                                                                   verstärkt diesem Thema widmen (Kernbotschaften siehe
                                                                                                                                                   Infobox 1).

                 © Johanna Egerer
                                                                                                                                                       Ziele der Kampagne
                                    Biodiversität – Vielfalt des Lebens                                                                            Unser Ziel ist eine gesellschaftlich akzeptierte, nachhaltige
                                                                                                                                                   Landnutzung, die eine tragfähige wirtschaftliche Grundlage
                                                                 Landwirte – unverzichtbare Partner
                                                                                                                                                   der Landwirte sichert. Dabei haben wir die gesamte Kultur-
                                                                    Artenreiche Kulturlandschaft erhalten                                          landschaft im Blick. Unseren Einsatz rechtfertigen folgende
                                                                                                                                                   Alleinstellungsmerkmale:
                                                                    Unsere artenreiche Kulturlandschaft mit ihren unterschiedlichen Strukturen
                                                                    und Lebensräumen für Pflanzen und Tiere entstand im Laufe der Jahrhun-
                                                                    derte durch extensive Bewirtschaftung. Die Streuwiese (oben) oder die
                                                                    Salbei-Glatthaferwiese (links), aber auch Windschutzhecken und Trocken-
                                                                                                                                                       →→ Wir beraten die Landwirte.
            © Dr. Sabine Heinz

                                                                    mauern bieten Schutz und Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten.

                                                                                                                                                       →→ Wir richten die Förderprogramme stärker auf die
                                                                    Die Landwirte sind gefragt
                                                                    Die Akteure im ländlichen Raum, unsere Landwirte, sind unverzichtbare                 Biodiversität aus.
                                                                    Partner, um diese landwirtschaftlich geprägten Lebensräume für Pflanzen
                                                                    und Tiere zu erhalten und den Artenverlusten entgegen zu arbeiten. Die
                                                                    extensive Haltung von Weidetieren ist eine der Möglichkeiten, Bayerns
                                                                                                                                                       →→ Wir unterstützen den Trend zur Regionalität.
                                                                                                                                                       →→ Wir unterstützen die bayerischen Landwirte dabei,
                                                                    pflanzen- und tierartenreiche Wiesen zu bewahren.
             © Nicolas Armer

                                                                                                                                                          ihre Einzigartigkeit zu betonen, um mehr Wert-
   © „WeltGenussErbe Bayern“

                                     © „WeltGenussErbe Bayern“

                                                                    Produkte aus nachhaltiger Bewirtschaftung wählen

                                                                                                                                                          schätzung und damit Wertschöpfung zu erreichen
                                                                    In nachhaltiger Weidehaltung werden zum Beispiel Streuobstwiesen gepflegt
                                                                    und Gras in Milch, Fleisch oder Wolle verwandelt. Jeder Verbraucher, der
                                                                    so erzeugte Produkte kauft, unterstützt indirekt den Erhalt der biologischen
                                                                    Vielfalt in unserer Kulturlandschaft.
                                                                                                                                                          (Genussorte, GQ Bayern, Premiumstrategie, BioRe-
                                     © Johanna Egerer

                                                                                                                                                          gio).
   © LfL

                                                                                                                                                       →→ Wir bringen Produktivität und Biodiversität un-
                                                                                                                                                          ter dem Slogan „Schützen und Nützen“ zusam-
                                                                                             www.aelf-xxx.bayern.de                                       men.
                                                                                                                                                       →→ Wir haben eine fachkompetente Personalausstat-
→ Bild: Plakate für die Öffentlichkeitsarbeit der Ämter: Biologische und                                                                                  tung in Forschung und Beratung.
   kulturelle Vielfalt stehen in enger Verbindung, denn die Produkte aus                                                                               →→ Wir haben eine gute Finanzausstattung in der
   der Landschaftspflege sollen auch Absatz und Verwendung finden                                                                                         2. Säule der GAP.

SUB 11-12/2018                                                                                                                                                                                                9
SCHULE und - Bayerisches ...
B iodiversität

                      Infobox 1: Kernbotschaften der Kampagne Biodiversität 2019 und 2020

                      •   Unsere artenreiche Kulturlandschaft entstand durch jahrhundertelange extensive Bewirtschaftung. So wurde eine Vielfalt
                          an Lebensräumen neu geschaffen und Biodiversität ermöglicht. Landwirte sind unverzichtbare Partner, wenn es darum
                          geht, kulturlandschaftlich geprägte Lebensräume durch eine pflegerische Nutzung zu erhalten. Natur und Mensch
Biodiversität

                          brauchen diese Vielfalt.
                      •   Biodiversität ist eine Gesellschaftsaufgabe: Landwirte, Kommunen, Wald- und Gartenbesitzer sowie wir alle als Verbrau-
                          cher können einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten.
                      •   Bäuerliche Landbewirtschaftung und Gartenbau sind auf Biodiversität und intakte Ökosysteme angewiesen.
                      •   Ziel ist das Verstehen und Umsetzen einer nachhaltigen Landbewirtschaftung, die Biodiversität ermöglicht und zu einem
                          flächendeckenden Biotopverbundnetz beiträgt. An erster Stelle stehen Bildung und Beratung. Danach können durch
                          gezielte Förderung die Landbewirtschafter unterstützt werden.
                      •   Landbewirtschafter stehen im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie.
                      •   Handlungsfelder in der Landwirtschaft sind Kulturarten (genetische Vielfalt bei Tier und Pflanze), Intensität der Nutzung,
                          Fruchtfolge und Pflanzenschutz.

                 Mit unseren Mitteln setzen wir darauf, zum einen insbeson-            der Biodiversität aufzuzeigen und zu weiteren Verbesserun-
                 dere im Bildungswesen und der Öffentlichkeitsarbeit das               gen anzuregen.
                 Thema „Biodiversität“ fachlich zu etablieren und zum ande-               Nicht nur unsere ureigenste Klientel wie Fachleute (Land-
                 ren konkret Maßnahmen auf der Fläche umzusetzen. Das                  wirte, Gärtner etc.) sollen durch die Kampagne sensibilisiert
                 wollen wir erreichen:                                                 werden, sondern auch
                    →→ Steigerung des Flächenanteils in den betreffen-                    →→ Kommunen,
                       den KULAP-Maßnahmen B40, B41, B47 und B48                          →→ Verbände (Nutzer und Schützer),
                       um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum                      →→ Lehrer, Schüler und
                       (2018/19 operatives Rahmenziel 8);                                 →→ die Öffentlichkeit.
                    →→ Steigerung der ökologisch bewirtschafteten Fläche
                       z. B. durch BioRegio;                                           In der Kommunikation mit den Zielgruppen stehen dabei
                    →→ Enge Verzahnung regionaler Produktion und Ver-                  folgende zentralen Lösungsansätze im Mittelpunkt:
                       arbeitung z. B. Dinkel, Streuobst, Wolle, Gemüse,                   →→ Den Mehraufwand für die Vereinbarung von Pro-
                       Wein;                                                                  duktion und Biodiversität auf einer Fläche honorie-
                    →→ Erhöhung der Anzahl von Individuen gefährde-                           ren (KULAP und VNP).
                       ter und seltener Nutztierrassen und Erhöhung der                    →→ Wertschätzung für regionale Produkte erhöhen, die
                       Flächen für alte Nutzpflanzensorten und seltenem                       mit diesem Aufwand erzeugt werden.
                       Saatgut (Erhaltungsprogramme);                                      →→ Verbraucher über Mehraufwand aufklären.
                    →→ Lehrer-Fortbildung an den eigenen Fachschulen so-                   →→ Vorbilder und Best-Practice-Beispiele stärker be-
                       wie Neukonzeption der Unterrichtsmaterialien;                          kannt machen: Landwirte als Biodiversitäts-Bot-
                    →→ Bildungsangebote zum Themenschwerpunkt „Bio-                           schafter zu Wort kommen lassen.
                       diversität“ an den Ämtern für Ernährung, Landwirt-                  →→ Bildungsoffensiven an den Schulen der Landwirt-
                       schaft und Forsten (ÄELF) etablieren;                                  schaftsverwaltung durchführen.
                    →→ Sensibilisierung einer nichtlandwirtschaftlichen                    →→ Beratung für Landwirte ausweiten.
                       Öffentlichkeit mit Aktionen der ÄELF zum The-
                       menschwerpunkt „Biodiversität“.                                    Handlungsfelder in der Landwirtschaft
                                                                                       Nach wie vor ist ein erheblicher Artenrückgang zu verzeich-
                     Zielgruppen der Kampagne und Lösungsansätze                       nen, besonders der Arten des Offenlandes. Die bisherigen
                 Gerade im Hinblick auf die wertvollen Leistungen der biolo-           Bemühungen zum Erhalt der Biodiversität haben noch
                 gischen Vielfalt hinsichtlich unserer Lebensgrundlagen und            nicht die gewünschte Trendwende erreicht bzw. den Ar-
                 aufgrund der zunehmenden öffentlichen Kritik an der Land-             tenrückgang stoppen können. Daher müssen die Anstren-
                 wirtschaft zum Thema „Biodiversität“ ist es eine drängende            gungen zum Bewahren der Biodiversität erhöht werden,
                 Aufgabe, die Leistungen der Landwirtschaft zur Erhaltung              um Produktion und Vielfalt in der Agrarlandschaft für alle

                 10                                                                                                                    SUB 11-12/2018
B iodiversität

   Infobox 2: Medien für die Kampagne Biodiversität

                        Amt für Ernährung,
                                              Mit den Saatguttütchen, die die QBB-Blühmischung „Lebendiger Gewässerrand“ enthal-
                                              ten, stehen den ÄELF Give-aways für Aktionen zur Verfügung, die nicht nur Landwirte,
                 Landwirtschaft und Forsten

                                              sondern alle Akteure im ländlichen Raum, von der Kommune bis zum Bürger, nutzen

                                                                                                                                          Biodiversität
                                              können, um mehr Blüten und damit Nahrungsangebot für Insekten in die Agrarland-
                                              schaft zu bringen.

                                              Um einen einheitlichen Kampagnenauftritt der ÄELF zu unterstützen, sind folgende
        Lassen Sie es blühen!                 Medien in Vorbereitung:
                                              • Roll up für die Kampagne,
                                              • Plakatserien zu verschiedenen Themen, z. B. Hecken, Wildlebensraumberatung,
                                                 naturnaher Garten, ökologischer Lanbau, seltene Tierrassen, etc. und
                                              • Informationsfaltblätter.

gewinnbringend zu vereinen. Biodiversität in der Landwirt-            Unterthemen in den Jahren 2019 und 2020 öffentlichkeits-
schaft betrifft ein breites Themenfeld. Genetische Vielfalt           wirksam zu präsentieren. Eine bunte Vielfalt an Veranstal-
erstreckt sich nicht nur auf Rassen von Nutztierarten oder            tungen im Jahresverlauf, z. B. an einem Tag der offenen Tür,
Sorten von Nutzpflanzenarten, sondern auch auf in der Ag-             auf Hofbesichtigungen, auf Regionalmessen oder bei ande-
rarlandschaft wildlebende Arten. Die Vielfalt der Ökosys-             ren geeigneten Terminen, soll das Thema „Biodiversität“ in
teme umfasst die gesamte Kulturlandschaft mit ihren un-               der Öffentlichkeit und auch bei Landwirten präsent halten.
terschiedlichen (Wild-)Lebensräumen, sowohl oberhalb als              Dazu sollen die ÄELF nicht nur bürgernahe Aktionen, son-
auch unterhalb der Bodenoberfläche. Nicht zuletzt neh-                dern auch Gemeinschaftsaktionen mit Landbewirtschaftern,
men die Bewirtschaftungsformen und -intensitäten einen                Bürgern, Kommunen, Berufs-, Imker- und Umweltverbänden
enormen Einfluss auf die Biodiversität. Dies macht deutlich,          durchführen. Das soll die Leistungen der Landwirtschaft für
dass es sehr vielfältige Potenziale in der Landwirtschaft gibt,       die Biodiversität noch stärker bei einer breiten Öffentlichkeit
„Biodiversität“ zu ermöglichen.                                       ins Licht rücken. Geeignete Medien werden dafür zur Verfü-
    Unter Berücksichtigung des enorm breiten Berührungs-              gung stehen (Infobox 2).
feldes zwischen Biodiversität und Landwirtschaft zeigt das
Landwirtschaftsressort zahlreiche Ansatzpunkte zur Erhal-                 Beratung für Landwirte intensivieren
tung der Biodiversität und sieht Handlungsfelder hauptsäch-           Um Landbewirtschafter bei der Frage zu unterstützen, wie
lich bei Maßnahmen in folgenden Themenschwerpunkten:                  diese die Biodiversität und den Schutz der Naturgüter in
    →→ Acker,                                                         ihren Betrieben und auf ihren Flächen weiter fördern und
    →→ Grünland,                                                      gleichzeitig aber ihre Betriebe wettbewerbsfähig gestal-
    →→ Bienen und Wildtiere,                                          ten können, bietet das bayerische Landwirtschaftsressort
    →→ Wein- und Gartenbau,                                           neben den üblichen produktionstechnischen Ansprech-
    →→ Strukturen in der Kulturlandschaft,                            partnern an den Behörden speziell die fachpraktische
    →→ Sorten oder Rassen,                                            Wildlebensraumberatung und die Wasserberatung an. Im
    →→ Pflanzenschutz.                                                Rahmen dieser förderrechtlichen und praktischen Beratun-
                                                                      gen entwerfen wir mit den Landbewirtschaftern gemein-
Innerhalb dieser sieben ausgewählten Themenschwer-                    sam Maßnahmen, die zu deren Region, Betrieb und Be-
punkte gibt es zahlreiche Unterthemen, die eine positive              wirtschaftungsweise passen. Zukünftig soll die Beratung
Wirkung hinsichtlich einer Förderung von Biodiversität auf-           verstärkt auf die für die Biodiversität förderliche Gestaltung
weisen.                                                               von Landschaften ausgerichtet werden. Durch die Vernet-
                                                                      zung unterschiedlichster Interessensgruppen, wie Land-
   Öffentlichkeitswirksam das Thema präsentieren                      wirten, Jägern, Imkern, Kommunen und Naturschützern in
Die ÄELF, die Landesanstalten und auch das StMELF sind                ländlichen Räumen und betriebsübergreifenden Konzep-
aufgerufen, sich zu geeigneten Themenschwerpunkten und                ten, sollen wertvolle Lebensräume und Biotopstrukturen

SUB 11-12/2018                                                                                                                       11
B iodiversität

                 geschaffen und somit ein Beitrag zum Biotopverbundnetz                 Diese Möglichkeiten der Landwirtschaft für mehr Biodi-
                 geleistet werden [2].                                              versität müssen zukünftig flächendeckend, aber regional-
                                                                                    spezifisch, angewandt werden, denn nur zusammen mit der
                     In Bildung verankern                                           Landwirtschaft können die Arten- und Lebensraumverluste
                 Die Themen Biodiversität, Ressourcenschutz, Bienenschutz           in unserer Kulturlandschaft gestoppt und eine Trendwende
                 und ökologischer Landbau sollen in der Bildung an den              erreicht werden.
Biodiversität

                 Landwirtschaftsschulen stärker verankert werden. Dabei soll            Die Landwirtschaft wird sich an ihren tatsächlichen Ergeb-
                 Grundlagenwissen zur Funktion von Ökosystemen, Arten-              nissen für eine Verbesserung der biologischen Vielfalt (z. B.
                 kenntnis und der Einfluss von unterschiedlichsten Landbewirt-      Agrarvogelindex) und Naturgüter messen lassen müssen.
                 schaftungsweisen nicht nur im Fach Naturschutz und Land-
                 schaftspflege gelehrt, sondern auch themenübergreifend in
                 den Produktions- und Wirtschaftsfächern berücksichtigt wer-             Wenn es der Landwirtschaft gelingt, beim
                 den. Neben der Vermittlung der theoretischen Grundlagen                 Thema Biodiversität in der Öffentlichkeit
                 sollen mit den Studierenden letztlich biodiversitätsfördernde           durch umweltverträgliche Entwicklungen
                 Maßnahmen landwirtschaftlicher Bewirtschaftung erarbeitet               und tatsächliche Verbesserungen der biologi-
                 und von diesen in der Praxis umgesetzt werden.                          schen Vielfalt den Forderungen der Gesell-
                                                                                         schaft Rechnung zu tragen, wird dies mit
                      Mit Förderung ausgleichen                                          einem enormen Imagegewinn des gesamten
                 Zentrales Element bayerischer Agrarumweltpolitik ist das                Berufsstandes verbunden sein.
                 Bayerische Kulturlandschaftsprogramm (KULAP), das mit ei-
                 nem breiten Maßnahmenangebot wirkt. Das KULAP ist das
                 finanzstärkste Programm in der 2. Säule der gemeinsamen            So wird auch die Basis für zukünftige Transferzahlungen ge-
                 EU-Agrarpolitik (GAP) in Bayern. Über das Kulturlandschafts-       festigt, als Anerkennung und Wertschätzung der landwirt-
                 programm gewährt Bayern ein leistungsbezogenes Entgelt             schaftlichen Leistungen zum Erhalt von Biodiversität und von
                 für den Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft und des         Naturgütern. Biodiversität bedarf folglich vielfältiger Stell-
                 Ressourcenschutzes. Das KULAP gleicht insbesondere Ein-            schrauben entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von
                 kommensverluste aus, die sich in bestimmten Bereichen              der Urproduktion über die Vermarktungsstrukturen bis zum
                 durch freiwillige Bewirtschaftungsbeschränkungen ergeben.          Verbraucher. Und dabei wird auch immer die Anstrengung
                 Viele dieser Maßnahmen haben allgemein einen positiven             in den Erhalt der vielfältigen von regionaltypischen Anbau-
                 Einfluss auf den Erhalt der Biodiversität und auf die Verbes-      und Haltungsformen sowie Regionalspezialitäten geprägten
                 serung des Wildlebensraums. Es werden gesamtbetriebliche           Ernährungskulturen und Produkten mitschwingen.
                 Maßnahmen wie der ökologische Landbau, betriebszweig-
                 bezogene Extensivierungen und Fruchtfolgevorgaben sowie                Literatur
                 einzelflächenbezogene Maßnahmen angeboten. Seit 2018               [1] BAYERISCHE STAATSKANZLEI (2018A): Pressemit-
                 wurde der Maßnahmenbereich „Biodiversität-Artenvielfalt“                   teilung Nr. 181. Bericht aus der Kabinettssitzung.
                 im KULAP eingeführt, um noch gezielter auf den Erhalt der                  31. Juli 2018. München. https://www.bayern.de/
                 Biodiversität hinzuwirken. Fast 60 Millionen Euro pro Jahr flie-           wp-content/uploads/2018/07/180731-ministerrat.
                 ßen in Bewirtschaftungsmaßnahmen mit Vorgaben für mehr                     pdf. Abgerufen am 1. August 2018.
                 Biodiversität. Rund 360 000 Hektar werden bisher entspre-          [2] BAYERISCHE STAATSKANZLEI (2018B): Pressemitteilung
                 chend extensiv bewirtschaftet; wird der Ökolandbau noch                    Nr. 192. Bericht aus der Kabinettssitzung. 4. Septem-
                 hinzugerechnet, sind es mehr als 600 000 Hektar in Bayern.                 ber 2018. München. https://www.bayern.de/wp-con-
                      Um noch mehr Vielfalt in die Agrarlandschaft zu bringen,              tent/uploads/2018/09/180904-ministerrat.pdf. Abge-
                 ist es unser Ziel, den Erhalt artenreicher Grünlandbestände,               rufen am 8. Oktober 2018.
                 die extensive Grünlandnutzung an Waldrändern, jährlich
                 wechselnde Blühflächen sowie Blühflächen an Waldrändern
                 und in der Feldflur flächenmäßig auszuweiten und auch mit
                 ökologischen Vorrangflächen zu vernetzen.                             LUDWIG WANNER
                                                                                       JOHANNA EGERER
                     Artenschutz nur zusammen mit der Landwirtschaft                   BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR
                 Zahlreiche Mechanismen und Maßnahmen stehen der Land-                 ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
                 wirtschaft zur Verfügung, um Biodiversität zu fördern und             ludwig.wanner@stmelf.bayern.de
                 trotzdem konkurrenzstark und zukunftsfähig zu bleiben.                johanna.egerer@stmelf.bayern.de

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BIODIVERSITÄT
                                                                                                                          B iodiversität

                        Artenverlust in der
                        Agrarlandschaft
                        Fakten und Gegenmaßnahmen

                                                                                                                                             Biodiversität
                        von DR. ANNET TE FREIBAUER: In den letzten Jahrzehnten hat auch in Bayern ein dramati-
                        scher Artenverlust in der Agrarlandschaft stattgefunden. Gleichzeitig haben sich Zustand,
                        Menge und Vernetzung vieler Lebensräume in der Agrarlandschaft verschlechtert. Daran
                        lassen zahlreiche wissenschaftliche Studien und Beobachtungen keinen Zweifel. Für eine
                        Trendwende bedarf es intensiver Anstrengungen von allen Akteuren in der Agrarlandschaft.
                        Ein breites Portfolio von geförderten und freiwilligen Maßnahmen steht dafür zur Verfü-
                        gung. Aber erst, wenn die Maßnahmen mit klaren Zielen und in einem sinnvollen räumlichen
                        Kontext mit einer Mindestmenge und -qualität umgesetzt werden, können greifbare Erfolge
                        erzielt werden. Die Modellgebiete der Wildlebensraumberatung demonstrieren, wie ein er-
                        folgreicher freiwilliger Weg in Bayern aussehen könnte.

    Dramatischer Artenrückgang hält an                                      und gewogen hat [2]. Die Studie des Entomologischen Ver-
„Insekten sind systemrelevant. Aufgrund ihres Artenreich-                   eins Krefeld hat große Betroffenheit ausgelöst und eine leb-
tums, ihrer schieren Masse und ihrer vielfältigen Spezialisie-              hafte gesellschaftliche und politische Diskussion entfacht.
rungen spielen sie tragende Rollen in den Ökosystemen“ [1].                 Die Daten wurden von einem internationalen Wissenschaft-
Doch diese Funktionen sind in Gefahr. Zwischen 1989 und                     lerteam geprüft und statistisch nachgerechnet. Die Ergeb-
2016 hat die Biomasse von Fluginsekten in verschiedenen                     nisse zeigen robuste Fakten, denn der Insektenrückgang ist
Schutzgebieten in drei Bundesländern um drei Viertel abge-                  über die Standorte hinweg konsistent. Die Insekten der Stu-
nommen. Zu diesem Ergebnis kam 2017 die umfassendste                        die lebten auch auf landwirtschaftlichen Flächen innerhalb
Studie in Deutschland, die Insekten systematisch gesammelt                  und außerhalb der Schutzgebiete. Daher zeigt die Studie
                                                                                                 auch Entwicklungen in der Agrarland-
                                                                                                 schaft.
                                                                                                     Vergleichbare Untersuchungen feh-
                                                                                                 len in Bayern, aber es gibt eine Vielzahl
                                                                                                 von Beobachtungen und Untersuchun-
                                                                           Ungefährdet           gen, die den Trend und die Größenord-
                                                                                                 nung des Rückgangs bestätigen. Viele
                                                                           Vorwarnliste          Artengruppen sind in den letzten Jahr-
                                                                                                 zehnten signifikant, oft in zweistelligen
                                                                           Gefährdet             Prozentanteilen, zurückgegangen bzw.
                                                                                                 haben ihre Verbreitungsareale redu-
                                                                           Ausgestorben          ziert. Der rückläufige Trend hält für die
                                                                                                 jüngst erneut untersuchten Artengrup-
                                                                           Daten                 pen weiter in einem Ausmaß an, dass
                                                                           unzureichend          aus fachlicher Sicht Handlungsbedarf
                                                                                                 zum Gegensteuern abgeleitet werden
                                                                                                 muss.
                                                                                                     Seit den 1970er Jahren dokumen-
                                                                                                 tieren die Roten Listen den Rückgang
→   Abbildung 1: Gefährdungszustand bayerischer Insekten (innen; ca. die Hälfte der in Bayern    der Artenvielfalt. Sie bewerten etwa die
    heimischen Arten sind untersucht) und bayerischer Brutvögel (außen) nach den Roten Listen    Hälfte der heimischen Insektenfauna.
    des Bayerischen Landesamts für Umwelt 2013 und 2016                                          Die Roten Listen in Bayern 2003 und

SUB 11-12/2018                                                                                                                         13
B iodiversität

                 die Fortschreibungen aus dem Jahr 2016 dokumentieren                 nige hundert Meter großen Bewegungsraum der einzel-
                 einen anhaltenden Arten- und Individuenrückgang, der bei             nen Tiere? Werden die unterschiedlichen Bedürfnisse aller
                 spezialisierten Arten schneller ist als bei Generalisten („Trivi-    Entwicklungsstadien der Arten bedient? Und wenn nicht –
                 alisierung“ des Artenspektrums). Vor allem Arten, die nähr-          schaffen sie es überhaupt bis ins nächste Feld, die nächste
                 stoffarme Offenland- und Übergangslebensräume sowie                  Brache, Hecke, Blühfläche? Ökologisch formuliert: Der Ar-
                 lichte Wälder besiedeln, sind rückläufig.                            tenrückgang liegt wesentlich an der verschlechterten Hab-
Biodiversität

                     Auch Agrarvögel verzeichnen einen anhaltenden Rück-              itatqualität und -vernetzung. Dafür gibt es vielfältige Ursa-
                 gang der Individuenzahlen, insbesondere nach 2003. Im                chen, die eng miteinander verwoben sind, sich gegenseitig
                 Gegenzug zeigten einzelne seltene Arten – durch Arten-               verstärken können, aber auch regional und artspezifisch
                 hilfsprogramme – und manche Allerweltsarten positive Be-             sehr unterschiedlich wirken können. Wichtige Ursachen
                 standsentwicklungen, einige Arten sind begünstigt durch              sind:
                 den Klimawandel in Bayern eingewandert. Der vom Bay-                     →→ Der lange Trend zu intensiv genutzten artenarmen
                 erischen Landesamt für Umwelt (LfU) für den Vollzug der                     Grünländern und Äckern mit wenigen Hauptkultu-
                 ELER-Verordnung berechnete Agrarvogelindex für Bayern                       ren und einheitlicheren, großflächigen Bewirtschaf-
                 hat sich zwischen 1973 und 2015 halbiert. Die vier niedrigs-                tungsverfahren hat zu einer Vereinheitlichung der
                 ten Werte finden sich in den fünf letzten Jahren.                           Agrarlandschaft und Verlust von Nahrungs-, Nist-
                                                                                             und Wohnhabitaten geführt.
                      Der Wert der Biodiversität                                          →→ Nährstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft ver-
                 Weltweit wird allein der Wert der Dienstleistungen durch                    breiten sich und reichern sich überall im Boden an.
                 Bestäuber auf 153 Mrd. Euro geschätzt. 90 Prozent der hei-                  Ammoniak landet über den Luftpfad überall und
                 mischen Blütenpflanzen sind auf Bestäubung angewiesen.                      eutrophiert nährstoffarme Ökosysteme. Sie re-
                 Insekten sind eine energiereiche Nahrungsquelle für viele                   agieren mit Vergrasung. Der wichtige Lebensraum
                 weitere Arten. Insekten setzen auf massenhaften Nach-                       Boden ist für Insekten durch den dichten Streufilz
                 wuchs. Nur wenige Prozent der Larven müssen überleben,                      dann nicht mehr erreichbar. Dieser Prozess ist fast
                 um die Art zu erhalten. Was bedeuten 75 Prozent weniger                     irreversibel, da kaum Nährstoffe aus diesen Ökosys-
                 Insekten für Vögel und andere Insektenfresser? Was bedeu-                   temen wieder ausgetragen werden – eine schlechte
                 ten sie für die Funktionen von Ökosystemen und Dienstleis-                  Nachricht für Spezialisten nährstoffarmer Habitate.
                 tungen wie Bestäubung, Schädlings- und Unkrautkontrolle?                    Die Belastungsgrenzen für Stickstoffeinträge wur-
                 Wir können alleine schon aus logischen Erwägungen erwar-                    den 2009 bis 2011 immer noch in 70 Prozent der
                 ten, dass die Dienstleistungen bereits
                 Schaden genommen haben. Insekten
                 sind unendlich vielfältig und überneh-     1,8
                 men viele wichtige Funktionen, die wir
                                                            1,6
                 als selbstverständlich betrachten und
                 kaum wahrnehmen. Insekten sind die         1,4
                 Müllbeseitiger, Aasfresser, Zerkleinerer
                 von Kot, toten Tieren und Pflanzen, bio-   1,2
                 logische Schädlingsbekämpfer, grund-
                 sätzlich auch Futter- und Nahrungsmit-        1
                 tel.                                       0,8
                     Die Ursachen                                0,6
                 30 000 Insektenarten leben in Bayern.
                 Das bedeutet 30 000 unterschiedliche            0,4
                 Ansprüche, Funktionen und viele un-
                                                                 0,2
                 terschiedliche Mischungen von Ursa-
                 chen für regionale und großflächige                0
                 Artenrückgänge. Insekten brauchen                   1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015
                 sicher mehr als bunte Blüten. Wie
                 sieht es mit Wohnen, Nisten, Überwin-        → Abbildung 2: Agrarvogelindex Bayern 1973 bis 2015 nach Landesamt für Umwelt. Referenz (1,0)
                 tern aus? Gibt es das alles in dem we-         ist das Jahr 2000. Die Daten stammen aus verschiedenen Monitoringprogrammen

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B iodiversität

      deutschen Ökosysteme überschritten, wenn auch             Fruchtfolgen und zum integrierten Pflanzenschutz (siehe
      nicht mehr so stark wie noch um 2000 [3].                 Ackerbaustrategie des Bundes). Dieser Trend fördert gleich-
   →→ Der Absatz von Pflanzenschutzmitteln ist seit 20          zeitig die Biodiversität auf den landwirtschaftlichen Flächen.
      Jahren in Deutschland konstant. Der quasi flächen-            Mit dem Greening, KULAP und VNP steht ein vielfälti-
      deckende Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat            ges Instrumentarium zur Förderung der Biodiversität zur
      auch die harmlosen Ackerwildkräuter verdrängt             Verfügung. Trotzdem muss man aufgrund der Datenlage

                                                                                                                                 Biodiversität
      und unbekannte Nebenwirkungen, da die Tiere               feststellen, dass die Maßnahmen den Artenrückgang nicht
      einem ganzen Cocktail verschiedener Substanzen            aufgehalten haben. Wie kann die Effizienz der bestehenden
      ausgesetzt sind.                                          Maßnahmen gesteigert werden?
   →→ Rückzugsräume, sogenannte „Wildnis“, sind teil-
      weise verschwunden: Bäume, Feldraine, Hecken                  Maßnahmen sinnvoll lokal verankern
      und Gehölze mit Krautsaum. Wo sie noch existieren,        Aufgrund zahlreicher Forschungsergebnisse ist klar, dass
      hat teilweise die Qualität und Funktionalität gelit-      Maßnahmen nur dann effektiv für die Biodiversität wirken,
      ten und sie sind verinselt übrig geblieben.               wenn sie sinnvoll im lokalen Kontext verankert sind und
   →→ Die häufige Grünlandmahd mit hoher Schlagkraft            ausreichend ökologischen Mehrwert bringen. Irgendwel-
      und Aufbereitern tötet sehr viel mehr Wiesenbe-           che Maßnahmen irgendwo und ohne räumliche Verbindun-
      wohner als der klassische Mähbalken. Die Mahd fin-        gen können nicht effektiv wirken. Baden-Württemberg hat
      det oft tagsüber zur Haupt-Aktivitätszeit der Tiere       hierfür schon lange ein interessantes Konzept mit einem
      statt.                                                    nach Naturräumen gegliederten Zielartenkorb entwickelt.
   →→ Der „Flächenfraß“ hat Habitate zerschnitten, Barrie-      Mit ihm können auf kommunaler Ebene Prioritäten gesetzt
      ren gebaut und Lebensräume verinselt und versie-          werden, welche Lebensräume und Zielarten erhalten, geför-
      gelt.                                                     dert und verbessert werden sollen. Das Konzept ist die Basis
   →→ Die „Lichtverschmutzung“ in Siedlungen kostet vie-        für den Aktionsplan Biologische Vielfalt und könnte auch in
      len Insekten das Leben, wäre aber einfach insekten-       Bayern sinnvoll angepasst werden [5].
      freundlich umrüstbar.                                         Sinnvolle räumliche Zusammenhänge und Biotopver-
                                                                netzung von Biodiversitätsmaßnahmen schaffen erfordert
     Multiple Gründe – vielfältige Akteure – viele Wege         eine gezielte Planung mit allen Akteuren in der Agrarland-
Inzwischen sollte klar geworden sein: Angesichts der Vielfalt   schaft. Die Wildlebensraumberatung bietet dafür ein geeig-
der Natur geht es vor allem um den Schutz und die Entwick-      netes Instrument und hat in den Modellgebieten bereits viel
lung von Lebensräumen, nicht von einzelnen Arten oder           für die Biodiversität erreicht.
nur ihren erwachsenen Lebensstadien. Ein wichtiger Ansatz
ist Lebensräume verbessern und ein Netzwerk grüner Infra-           Größere Flexibilität in der Agrarförderung
strukturen schaffen.                                            Biodiversität braucht hochwertige Maßnahmen, die mög-
     Als grobe Richtschnur für eine ausreichende Mindestaus-    lichst ganzjährig wirken. Die hohe Akzeptanz freiwilliger
stattung der Agrarlandschaften mit hochwertigen Lebens-         Maßnahmen bei der Wildlebensraumberatung zeigt die
räumen hat sich die Zahl 10 Prozent der Fläche nach Prof.       hohe Bereitschaft vieler Akteure, sich auch ohne finanzielle
Wolfgang Haber bewährt. Regional kann man sich an den           Anreize für die Biodiversität zu engagieren. Hier wäre eine
ökologisch und landeskulturell bedeutsamen Flächen (ÖLF)        größere Flexibilität in der Agrarförderung wünschenswert,
orientieren. Bayern hat im Vergleich mit anderen Bundes-        damit gute Taten einfacher werden und die Fördermaßnah-
ländern noch eine relativ kleinräumige Flächenstruktur und      men aus ihrem starren Korsett befreit in regional zielführen-
verhältnismäßig kleine durchschnittliche Schlaggröße. Sie       der Weise angepasst oder aufgewertet werden können. Be-
sind positiv zu bewerten und eignen sich gut zur Aufwer-        ratung erlaubt Flexibilisierung. Die Wildlebensraumberater
tung mit Saumstrukturen. BATARY ET AL. 2017 wiesen im           vor Ort können die Qualität der Maßnahmen sichern. Der
niedersächsisch-thüringer Eichsfeld nach, dass durch Bio-       angekündigte Ausbau der Wildlebensraumberatung ist da-
diversitätseffekte kleine Schläge und der ökologische Land-     her sehr sinnvoll und notwendig.
bau höhere flächenbezogene Deckungsbeiträge produzie-               Konkrete weitere Schritte könnten umfassen:
ren als große Schläge mit wenigen biodiversen Rändern [4].          →→ Den nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz umset-
Biodiversität lohnt sich also für alle.                                zen und die gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz
     Gesellschaftliche Erwartungen, der Klimawandel und zu-            leben.
nehmende Resistenzen von Schaderregern gegen chemi-                 →→ Agrarumweltmaßnahmen in standort- und be-
sche Pflanzenschutzmittel drängen den Ackerbau in längere              triebsgerechte hochwertige Pakete bündeln (vgl.

SUB 11-12/2018                                                                                                             15
B iodiversität

                         Wildlebensraumberatung). Dabei ist auf ein aus-           →→ Wissen und Bewusstsein für Biodiversität müs-
                         geglichenes Verhältnis von Acker-, Grünland- und             sen in der Schul-, Aus- und Fortbildung und in der
                         Landschaftselement-bezogenen Maßnahmen zu                    landwirtschaftlichen Beratung weiter gestärkt wer-
                         achten. Zur Orientierung können die ökologisch               den. Ökosystemleistungen und der Nutzen daraus
                         und landeskulturell bedeutsamen Flächen (ÖLF)                könnten stärker betont werden. Wichtig es dabei
                         dienen.                                                      auch immer, konkrete Handlungsmöglichkeiten
Biodiversität

                      →→ Ökologisch wertvolle Bereiche („Eh-da-Flächen“,              und den Mehrwert aufzuzeigen. Dazu gehört auch
                         Säume …) identifizieren und deren Erhalt sichern             das Erleben von Personen und Betrieben mit hoher
                         bzw. fördern.                                                Biodiversität.
                      →→ Synergien nutzen, z. B. Flächen in verkehrstechnisch      Was zu tun ist, hat Sebastian Wolfrum bei der LfL-Jahres-
                         ungünstiger Lage extensiv nutzen und ökologisch        tagung 2018 auf den Punkt gebracht: „Biodiversität muss
                         aufwerten, Gewässer- und Erosionsschutzmaßnah-         vom Beiwerk zum Vermögenswert werden“.
                         men ökologisch aufwerten.
                      →→ Ein Viertel des bayerischen Grünlands ist aus vege-        Literatur
                         tationskundlicher Sicht artenreich. Diese wertvollen   [1] SEGERER, A.H. / ROSENKRANZ, E. (2018) Das große In-
                         artenreichen Flächen gilt es zu erhalten. Die gegen-           sektensterben. Was es bedeutet und was wir jetzt tun
                         wärtige Nutzung muss weiter rentabel bleiben. Das              müssen. Seite 12. Oekom Verlag München, ISBN 978-
                         Instrument der ergebnisorientierten Honorierung                3-96238-049-6
                         artenreicher Flächen (KULAP B40, VNP) ist hierfür      [2] HALLMANN, C. A., SORG, M., JONGEJANS, E., SIEPEL, H.,
                         ideal und könnte wie im VNP mit Maßnahmen zur                  HOFLAND, N., SCHWAN, H., … DE KROON, H. (2017).
                         insektenfreundlichen Mahd verbunden werden.                    More than 75 percent decline over 27 years in total
                      →→ Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten                  flying insect biomass in protected areas. Plos One,
                         Ökosystemen Bayerns. Der Rückgang der Streuobst-               12(10), e0185809. doi:10.1371/journal. pone.0185809
                         bestände ist zu bremsen und ihr Zustand durch          [3] CRITICAL LOAD DATEN FÜR DIE BERICHTERSTATTUNG
                         Pflege und Nutzung wieder zu verbessern. Ein viel-             2015 – 2017 im Rahmen der Zusammenarbeit unter
                         versprechender Hebel liegt in einer guten Nutzung,             der Genfer Luftreinhaltekonvention (CLRTAP). UBA-
                         indem die Produktverarbeitung und der Absatz                   Texte 60/2018
                         gezielt gefördert werden. Neben der Bewusstseins-      [4] BATÁRY, P., GALLÉ, R., RIESCH, F., FISCHER, C., DORMANN,
                         bildung durch die Aktion Streuobst laufen bereits              C. F., MUSSHOFF, O., … TSCHARNTKE, T. (2017). The
                         vielfältige Bemühungen in dieser Richtung.                     former Iron Curtain still drives biodiversity-profit tra-
                      →→ Ökolandbau fördert die Biodiversität, wie zahlreiche           de-offs in German agriculture. Nature Ecology and
                         Studien gezeigt haben. Der Ausbau des Ökoland-                 Evolution, 1(9), 1279–1284. doi:10.1038/s41559-017-
                         baus wird in Bayern sehr gut durch BioRegio 2020,              0272-x
                         insbesondere das BioRegio-Betriebsnetz und die         [5] http://www.naturschutz.landbw.de/servlet/is/67627/
                         Ökomodellregionen unterstützt. Die Maßnahmen
                         bieten eine sehr gute Unterstützung für Umsteller
                         und durch die Förderung regionaler Verarbeitung
                         und Vermarktung. Es ist zu hoffen, dass sie über
                         2021 hinaus erhalten bleiben.
                      →→ Wer Gutes tut, darf honoriert werden und Wert-
                         schätzung erfahren. Die Wiesenmeisterschaften             DR. ANNETTE FREIBAUER
                         und der Ackerwildkrautwettbewerb der Landesan-            BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR
                         stalt für Landwirtschaft mit Verbandspartnern tun         LANDWIRTSCHAFT
                         dies seit Jahren erfolgreich. Das StMUV hat mit der       INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHEN LANDBAU,
                         Auszeichnung „Naturschutzpartner Landwirt“ 2017           BODENKULTUR UND RESSOURCENSCHUTZ
                         die gleiche Schiene betreten.                             annette.freibauer@lfl.bayern.de

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