Schweizer Recht bei Nahrungs-ergänzungsmitteln - Lebensmittel - keine Heilmittel
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LEBENSMITTELRECHT Lebensmittel – keine Heilmittel Schweizer Recht bei Nahrungs- ergänzungsmitteln Monika Wymann, Ursula Deiss Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel und keine Heilmittel. Damit ein Lebensmittel als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht werden kann, müssen spezifische Anforderun- gen erfüllt sein. Werbung, die Nahrungsergänzungsmitteln Eigenschaften der Heilung, der Linderung oder der Verhütung von Krankheiten zumisst, ist verboten. Nach Schweizer Recht (1) sind Nahrungsergänzungs- Den Nahrungsergänzungsmitteln dürfen weitere mittel Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die Lebensmittel zugegeben werden, wenn das End Foto: zVg normale Ernährung zu ergänzen. Sie bestehen aus erzeugnis die in der VNem festgelegten Bedingungen Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Vitaminen, trotzdem einhält. Monika Wymann Mineralstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernäh- rungsspezifischer oder physiologischer Wirkung und Verbotene Stoffe werden in dosierter Form in Verkehr gebracht. Nahrungsergänzungsmittel dürfen nur vorverpackt in Nicht in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt wer- Verkehr gebracht werden, ausser sie werden an Kon- den dürfen bestimmte Stoffe, wenn sie toxikologisch sumentinnen und Konsumenten zum direkten bedenklich sind oder eine pharmakologische Wir- Verzehr abgegeben (2). Sie müssen zur Aufnahme in kung entfalten, wie sie laut der gesetzlichen Definition abgemessenen kleinen Mengen, in Form von Kapseln, Arzneimitteln vorbehalten ist. Manche dieser Stoffe Pastillen, Tabletten, Pillen oder anderen ähnlichen sind in den im Schweizer Lebensmittelrecht festgeleg- Darreichungsformen oder in Form von Pulverbeu- ten, nicht abschliessenden Verbotslisten für Stoffe (6) teln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und Pflanzen (7) aufgeführt. Häufig besitzen die ein- oder ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkei- gesetzten Stoffe keine Verwendungsgeschichte als si- ten und Pulvern, angeboten werden (3). cheres Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel vor dem 15. Mai 1997 in der EU oder in der Schweiz und «Wer Nahrungs ergänzungsmittel in Spezifische Stoffe mit ernährungs- spezifischer oder physiologischer Wirkung benötigen deshalb eine Bewilligung als neuartige Le- bensmittel (Novel Food) (8). Grundsätzlich benötigen Nahrungsergänzungsmittel Verkehr bringt, ist Nahrungsergänzungsmittel müssen einen oder meh- keine Bewilligung (Ausnahme: Novel Food, nicht ge- selbst dafür verant- rere charakteristische Stoffe mit ernährungsspezifi- listete gesundheitsbezogene Angaben, gentechnisch scher oder physiologischer Wirkung aufweisen. Sie veränderte Organismen oder daraus gewonnene wortlich, dass diese sicher sind.» dürfen ausschliesslich die in Anhang 1 Teil A, der Verordnung des EDI über Nahrungsergänzungsmittel Stoffe). Wer Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr bringt, ist selbst dafür verantwortlich, dass diese (VNem) aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe sicher sind. Im Rahmen der Selbstkontrolle ist zu ge- unter den dort aufgeführten Bedingungen enthalten. währleisten, dass alle einschlägigen Bestimmungen Die Zulässigkeit sonstiger Stoffe richtet sich nach An- der Lebensmittelgesetzgebung eingehalten werden. hang 1 Teil B, dieser Verordnung. Während die Liste Die jeweils zuständige kantonale Vollzugsbehörde der zulässigen Vitamine und Mineralstoffe abschlies- kontrolliert die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben send ist, ist diejenige der zulässigen sonstigen Stoffe sowie die Beachtung der Selbstkontrollpflicht stich- offen formuliert. Auch sie enthält jedoch Einschrän- probenweise. Der Lebensmittelbetrieb ist bei dieser kungen (4). Die in Anhang 1 der VNem festgelegten meldepflichtig (9). Höchstmengen für Vitamine, Mineralstoffe und sons- tigen Stoffe dürfen pro empfohlene tägliche Verzehrs- Produkte aus dem Internet – menge nicht überschritten werden (5). Die zulässigen auf eigenes Risiko Verbindungen der Vitamine, Mineralstoffe und sons- tigen Stoffe regelt Anhang 2 der VNem. Die gesetzlichen Vorschriften gelten auch für Pro- Die VNem enthält weitere spezifische Anforderungen, dukte, die über das Internet vertrieben werden. Wer so beispielsweise an in Nahrungsergänzungsmitteln auf einer ausländischen Internetseite für den privaten verwendete neuartige Lebensmittel, die Verwendung persönlichen Gebrauch Nahrungsergänzungsmittel lebender Bakterienkulturen oder den Zusatz basischer bestellt, tut dies jedoch auf eigenes Risiko. Solche im Mineralstoffe. Ausland bestellten Produkte werden vom Geltungs- 6 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2023
LEBENSMITTELRECHT bereich des Schweizer Lebensmittelgesetzes (LMG) (10) nicht erfasst. Sie werden von der Schweizer Le- bensmittelkontrolle nicht überwacht. Werden sie aber an Dritte weitergegeben, findet das LMG seine volle Anwendung. Das schweizerische Recht über Nahrungsergänzungs- mittel orientiert sich an demjenigen der EU (11). Na- mentlich die Definition der Nahrungsergänzungsmit- tel (Art. 1 VNem) stimmt mit dem Recht der EU überein. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Schweizer Recht und demjenigen der EU ergibt sich daraus, dass das Schweizer Recht sowohl für Vitamine und Mineralstoffe als auch für gewisse sonstige Stoffe Höchstmengen festlegt. In der EU sind zwar Bestre- bungen im Gange, solche EU-weit harmonisierten Werte festzulegen, bisher konnte aber keine Einigung erzielt werden. Somit sind länderspezifische Regelun- gen möglich. Das neue Schweizer Abbildung: Modell zur Herleitung der Höchstwerte Höchstmengenmodell BA = Aufnahme mit konventionellen Lebensmitteln; RNEM = zur Verfügung für Nahrungsergänzungsmittel resp. Lebensmittel für Sportlerinnen und Sportler, Rang. LM: zur Verfügung für angereicherte Lebensmittel UL = Tolerable Upper Intake Level Seit dem 1. Juli 2020 besitzt die Schweiz ein neues Die Differenz zwischen dem UL und der BA ist die Menge pro Nährstoff, welche für angereicherte Lebensmittel Höchstmengenmodell für Vitamine und Mineralstoffe und Nahrungsergänzungsmittel resp. Lebensmittel für Sportlerinnen und Sportler zur Verfügung steht. (siehe Tabellen 1 und 2). Die früheren Höchstmengen berücksichtigten in der Regel den Tagesbedarf eines Nährstoffs. Das neue Modell orientiert sich am Ge- Tabelle 1: sundheitsschutz und basiert auf aktuellen wissenschaft- Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in angereicherten Lebens- lichen Erkenntnissen. Die überarbeiteten Höchstwerte mitteln (VZVM) vor und nach Inkrafttreten des neuen Höchstmengenmodells wurden für Nahrungsergänzungsmittel in Anhang 1 Teil A der VNem, für Lebensmittel für Sportlerinnen Stoff Lebensmittelrecht 2017 Revision 2020 und Sportler in Anhang 11 der VLBE (siehe Tabelle 2 Vitamin A 800 µg 450 µg *1 [12]) und zur Anreicherung von Lebensmitteln in An- Vitamin D 15 µg 23 µg hang 1 der VZVM übernommen (siehe Tabelle 1). Vitamin E 12 mg 68 mg Eine der Grundlagen für das neue Konzept war die Vitamin C 100 mg 250 mg Publikation des deutschen Bundesinstituts für Risiko- Vitamin K 75 µg 24 µg bewertung (BfR) «Höchstmengen für Vitamine und Vitamin B1 (Thiamin) 1,1 mg keine Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln» (2018) Vitamin B2 (Riboflavin) 1,4 mg keine (13). Das Konzept basiert auf dem Tolerable Upper Niacin (Vitamin PP) 16 mg 200 mg Intake Level (UL) und auf Daten zum Verzehr der Vitamin B6 1,4 mg 5 mg einzelnen Nährstoffe über die normale tägliche Er- Folsäure 300 µg 250 µg nährung. Die Menge eines Vitamins oder Mineral- Vitamin B12 3 µg keine stoffs, welche für eine zusätzliche Zufuhr über Biotin 50 µg keine Nahrungsergänzungsmittel und angereicherte Le- Pantothensäure 6 mg keine bensmittel zur Verfügung steht, wurde durch Abzug Kalzium 1000 mg 250 (700 *2) mg der Zufuhr über die herkömmliche tägliche Ernäh- Phosphor 700 mg Nur als Begleition rung (Basisaufnahme, BA) vom UL berechnet. Eisen 14 mg 7 mg Für die Abschätzung der Zufuhr der Nährstoffe über Magnesium 375 mg 250 mg konventionelle Lebensmittel wurden die Ergebnisse Zink 10 mg 1,8 mg der nationalen Verzehrstudie II von Deutschland ver- Iod 150 µg 200 µg wendet. Es wurden grundsätzlich die Daten von Män- Selen 60 µg 55 µg nern der Altersklasse 14 bis 80 Jahre, 90. Zufuhrper- Kupfer 1 mg 0,5 mg zentile, berücksichtigt (Ausnahme: Kalzium, Eisen Mangan 2 mg 1 mg und Jod). Die 90. Zufuhrperzentile entspricht der Chrom 40 µg 62 µg Menge, die von 90% der Bevölkerung nicht überschrit- Molybdän 50 µg 100 µg ten wird. Waren in der Verzehrsstudie II keine Ver- Fluorid 3,5 mg – zehrsdaten vorhanden (Bor, Kupfer, Molybdän, Selen), Kalium 2000 mg 750 mg wurden Daten aus weiteren Quellen verwendet. Chlorid 800 mg Nur als Begleition Für die Verteilung der Restmenge wurden die Stoffe in 4 Gruppen eingeteilt: *1 Nur als ß-Carotin zulässig. Entspricht 2,7 mg ß-Carotin. – Gruppe 1: unkritische Stoffe; für die Stoffe dieser *2 Nur Ersatzprodukte für Milch und Milchprodukte. Gruppe wurde kein Höchstwert mehr festgelegt Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2023 7
LEBENSMITTELRECHT (z. B. Vitamin B1, B2, B12, Biotin, Pantothensäure). Vitamin B6, Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E, Im Rahmen der Selbstkontrolle muss sichergestellt Chrom, Eisen, Jod, Kalium, Molybdän, Selen). werden, dass der Gesundheits- und Täuschungs- – Gruppe 3: Stoffe mit kleinem Abstand UL zu BA schutz eingehalten wird. (d. h. Stoffe mit kleiner Restmenge bzw. hohem – Gruppe 2: Stoffe mit grossem Abstand UL zu BA Risiko, den UL zu überschreiten) (Vitamin A, Kal- (d. h. mit grosser Restmenge bzw. tiefem Risiko, den zium, Kupfer, Mangan, Zink). UL zu überschreiten) (β-Carotin, Folsäure, Niacin, – Gruppe 4: Stoffe, bei welchen ab mittel-tiefen Do- sierungen Nebenwirkungen bzw. Interaktionen auf- treten können und deshalb ein Warnhinweis not- Tabelle 2: wendig ist (Vitamin K, Magnesium). Bei der Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln Anreicherung wurden die Höchstwerte unterhalb (VNem) und Lebensmitteln für Sportlerinnen und Sportler (VLBE) vor und nach der Schwelle für die Warnhinweise festgelegt. Bei Inkrafttreten des neuen Höchstmengenmodells Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln für Sportlerinnen und Sportler wurden die bisheri- VNem VLBE gen Höchstwerte beibehalten, unter der Vorausset- Stoff Lebensmittel- Revision 2020 Lebensmittel- Revision 2020 zung, dass ab einer bestimmten Dosierung die ent- recht 2017 recht 2017 sprechenden Warnhinweise angebracht werden. Biotin 450 µg keine 450 µg keine Für Gruppe 2 und 3 wurde die ermittelte Restmenge Folsäure 600 (800 *1) μg 750 µg 600 (800*1) μg 750 µg eines Nährstoffs auf angereicherte Lebensmittel und Niacin 48 mg 600 mg 48 mg 600 mg Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittel für Nicotinsäure und 48 mg 10 mg 48 mg 10 mg Sportlerinnen und Sportler im Verhältnis 1:3 verteilt Insitolhexanicotinat (siehe Abbildung). (als Summe) Bei Jod betrug die Verteilung 1:1, damit die Zufuhr Pantothensäure 18 mg keine 18 mg keine sowohl über Nahrungsergänzungsmittel oder Lebens- Riboflavin 4,2 mg keine 4,2 mg keine mittel für Sportlerinnen und Sportler, als auch über Thiamin 3,3 mg keine 3,3 mg keine angereicherte Lebensmittel verbessert werden kann. Vitamin A 1600 µg 1360 µg *2 1600 µg 1360 μg *2 Für Vitamin A steht keine Restmenge zur Verfügung. Vitamin B6 4,2 mg 15 mg 4,2 mg 15 mg Es ist deshalb nur noch als β-Carotin zulässig. Die Vitamin B12 9 µg keine 9 µg keine Supplementierung und die Anreicherung mit Nat- Vitamin C 300 mg 750 mg 300 mg 750 mg rium sind aus Gründen der Volksgesundheit nicht Vitamin D 20 µg 70 µg 20 µg 70 µg zulässig, wobei Natrium als Begleition in Nahrungs- Vitamin E 36 mg 205 mg 36 mg 205 mg ergänzungsmitteln weiterhin zugesetzt werden darf. Vitamin K *3 225 µg 225 µg 225 µg 225 µg In anderen Lebensmitteln darf Natrium als Zutat zu- Bor – 1 mg 5 mg 1 mg gegeben werden und muss als Salz (Natriumchlorid) Kalzium 1000 mg 750 mg 1000 mg 750 mg in der Nährwertdeklaration aufgeführt werden. In Chlorid 800 mg Nur als Begleition 800 mg Nur als Begleition Lebensmitteln ist Fluorid als Zusatz nicht mehr zu- Chrom 40 µg 188 µg 40 µg 188 µg lässig, da wegen der Aufnahme über Salz und andere Eisen 14 (30*4) mg 21 mg 14 mg 21 mg Quellen, insbesondere Zahnpasta und Tee, kein Spiel- Fluorid – – 3,8 mg – raum für die zusätzliche Supplementierung besteht. Iod 150 (200 *4) μg 200 µg 150 µg 200 µg Chlorid und Phosphat sind nicht mehr als Zusatz, Kalium 2000 mg 2250 mg 2000 mg 2250 mg sondern nur noch als Begleitionen zulässig, da sie er- Kupfer 1 mg 1,6 mg 1 mg 1,6 mg nährungsphysiologisch nicht relevant sind und in aus- Magnesium 375 mg 375 mg *5 375 mg 375 mg *5 reichenden Mengen aufgenommen werden. Mangan 2 mg 3 mg 2 mg 3 mg Molybdän 50 µg 300 µg 50 µg 300 µg Die Abgrenzung der Natrium – – 550 mg 550/keine *6 Nahrungsergänzungsmittel Phosphat 700 mg Nur als Begleition 700 mg Nur als Begleition von den Heilmitteln Selen 60 µg 165 µg 60 µg 165 µg Silicium 200 (10,4 *7) mg keine 200 (10,4 *7) mg keine Nahrungsergänzungsmittel befinden sich oft im Zink 15 mg 5,3 mg 15 mg 5,3 mg Graubereich zwischen Lebensmitteln und Heilmit- teln. Sie dürfen keine pharmakologische Wirkung ent- *1 Für Frauen mit Kinderwunsch und Frauen bis zur 12. Schwangerschaftswoche. falten. Sie dürfen auch nicht als Arzneimittel aufge- *2 Nur als ß-Carotin zulässig. Entspricht 8,2 mg ß-Carotin. macht oder mit Hinweisen zur Heilung, Linderung *3 Ab einer Tagesdosis von 25 µg ist folgender Warnhinweis anzubringen: Patientinnen und Patienten, die oder Verhütung von Krankheiten beworben werden. Antikoagulanzien einnehmen, sollen vor der Einnahme von Vitamin-K-Präparaten ihre Ärztin oder ihren Für eine korrekte Zuordnung eines Produkts ist im- Arzt konsultieren. mer eine Gesamtbetrachtung erforderlich (Zusam- *4 Für schwangere und stillende Frauen. mensetzung, Dosierung, Kennzeichnung, Zweckbe- *5 Neuer Warnhinweis: Für Magnesium ist ab 250 mg neu ein Warnhinweis erforderlich, dass das Produkt stimmung, Aufmachung, Anpreisungen usw.). abführend wirken kann. Gestützt darauf, ist abzuklären, ob das Produkt vom *6 Lebensmittel für Sportlerinnen und Sportler, die speziell für extremen Ausdauersport entwickelt wurden. Geltungsbereich der Lebensmittelgesetzgebung oder *7 Als Monomethylsilantriol. demjenigen der Heilmittelgesetzgebung erfasst wird. Dabei ist namentlich auf die Definition der Lebens- 8 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2023
LEBENSMITTELRECHT mittel nach Art. 4 LMG und diejenige der Arzneimit- Weitere Informationen tel und Medizinprodukte in Art. 4 Heilmittelgesetz (14) abzustellen. Weitere Informationen zur Abgren- Die Internetseite des Bundesamts für Lebensmittel- zung von Lebensmitteln und Arzneimitteln liefert der sicherheit und Veterinärwesen (BLV) führt weitere Abgrenzungsbericht (15). detaillierte Informationen zu Nahrungsergänzungs- mitteln auf. Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln an Patientinnen und Patienten Korrespondenzadressen: Monika Wymann, MLaw Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundesamts für Lebens- Wer Nahrungsergänzungsmittel an Patientinnen und mittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), Rechtsdienst, Eid- Patienten abgibt, muss lebensmittelrechtlich diesel- genössisches Departement des Innern (EDI) ben Anforderungen erfüllen, wie sie erfüllt sein müs- Schwarzenburgstrasse 155 sen, wenn im Detailhandel solche Produkte an Konsu- 3003 Bern mentinnen oder Konsumenten abgegeben werden. E-Mail: monika.wymann@blv.admin.ch Vorverpackte Nahrungsergänzungsmittel müssen korrekt gekennzeichnet sein, sie müssen hinsichtlich Ursula Deiss, dipl. pharm., Lebensmittelchemikerin Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundesamts für Lebens- der Zusammensetzung die Anforderungen der VNem mittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), Abteilung Lebens- erfüllen (Ziff. 1 oben), die abgebende Person ist zur mittel und Ernährung, Eidgenössisches Departement des Selbstkontrolle verpflichtet und es gelten auch alle Innern (EDI) anderen Anforderungen und Pflichten nach dem Schwarzenburgstrasse 155 LMG (16). 3003 Bern E-Mail: Ursula.Deiss@blv.admin.ch Heilanpreisung nicht erlaubt Insbesondere hervorzuheben ist, dass bei solchen Ab- gaben das Heilanpreisungsverbot nach Art. 12 Abs. 2 Bst. c LGV zur Anwendung gelangt. So ist es zum Bei- Direkter Link zu BLV: Nahrungsergänzungsmittel www.blv.admin.ch spiel auch einer Ärztin oder einem Arzt nicht erlaubt, gegenüber Patientinnen und Patienten im Zusammen- hang mit Nahrungsergänzungsmitteln heilende, lin- Referenzen: 1. Art. 1 der Verordnung des EDI über Nahrungsergänzungsmittel (VNem, dernde oder krankheitsverhütende Eigenschaften zu SR 817.022.14). versprechen. 2. Art. 2 Abs. 1 VNem. Auf dieses Verbot ist zurückzuführen, dass, wer Nah- 3. Art. 2 Abs. 2 VNem. 4. Art. 2 Abs. 3 VNem. rungsergänzungsmittel an Ärztinnen oder Ärzte ver- 5. Art. 2 Abs. 5 VNem. kaufen will, diesen kein Werbe- oder Informations- 6. Anhang 4 der Verordnung des EDI über den Zusatz von Vitaminen, material über beispielsweise pharmakologische Mineralstoffen und sonstigen Stoffen in Lebensmitteln (VZVM, SR 817.022.32). Wirkungen dieser Produkte zukommen lassen darf. 7. Anhang 1 der Verordnung des EDI über Lebensmittel pflanzlicher Her- Das Anpreisen solcher Wirkungen ist nur im Zusam- kunft, Pilze und Speisesalz (VLpH, SR 817.022.17). menhang mit Heilmitteln erlaubt. Bei Lebensmitteln 8. Art. 16 der Verordnung über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LGV, SR 817.02). ist es verboten. Dies entspricht nicht nur der Vollzugs- 9. Art. 20 LGV praxis der Lebensmittelkontrollbehörden, sondern 10. Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LMG, auch der Gerichtspraxis des Schweizerischen Bundes- SR 817.0). 11. Richtlinie 2002/46/EG des europäischen Parlaments und des Rates gerichts und des Europäischen Gerichtshofs. Diese vom 10. Juni 2022 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mit- haben in ihren Urteilen (17) festgehalten, dass nähr- gliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel, ABl. L 183 vom wert- und gesundheitsbezogene Angaben in kommer- 12.7.2002, S. 51; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2021/418 vom 9. März 2021, ABl. 83 vom 10.3.2021, S. 1. ziellen Mitteilungen über Lebensmittel, die als solche 12. Verordnung des EDI über Lebensmittel für Personen mit besonderem an die Endverbraucherinnen oder die Endverbrau- Ernährungsbedarf (VLBE, SR 817.022.104). cher abgegeben werden sollen, die lebensmittelrecht- 13. Weissenborn A. et al. Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Journal of Consumer Protection and lichen Anforderungen erfüllen müssen, auch wenn Food Safety 13:25-39, 2018. sich diese Mitteilungen nicht an die Endverbrauche- 14. Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG, SR rinnen und Endverbraucher, sondern ausschliesslich 812.21). 15. Abgrenzungskriterien Heilmittel – Lebensmittel bezüglich oral einzu- an medizinische Fachkreise richten. nehmender Produkte. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Vet- Begründet hat er dies unter anderem damit, dass die erinärwesen (BLV), Swissmedic und Bundesamt für Gesundheit (BAG). Kommunikation in einem solchen Fall zwischen den Die 3. aktualisierte Version wurde 2021 publiziert. 17. BGer_2C733/2020 vom 15. März 2021, E. 4 ff.; Urteil EuGH, Rs Lebensmittelunternehmen und den medizinischen C-19/15 vom 14. Juli 2016. Fachkreisen hauptsächlich auf die Endverbraucherin- nen und Endverbraucher abzielt, damit sie das Le- bensmittel, das Gegenstand der Kommunikation ist, auf Empfehlung dieser Fachkreise erwerben. 10 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2023
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