Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V.
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Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e. V. Ausgabe März 2021 Liebe Johanniterschwestern, gern hätte ich Sie wie immer mit diesem Oster- brief nach Nieder-Weisel eingeladen, um mitein- ander den Ernennungsgottesdienst zu feiern, interessanten Fortbildungsstoff zu diskutieren und eine Mitgliederversammlung abzuhalten. Die Pandemieentwicklung macht das nötig, was Pflegende alle gut geübt haben und können: den Plan anzupassen! 1. Professor Ulrich Körtner wird wie geplant am 26. Mai 2021 seine Fortbildung zur Pflegeethik für uns halten – nur im Online-Format. Die Ein- ladungen hierzu mit den Einwahldaten gehen Ihnen allen rechtzeitig zu. 2. Der Herrenmeister hat zugestimmt, den Er- nennungsgottesdienst zu einem späteren Zeitpunkt als im Mai zu planen, damit wir alle Durch Mutterschutz, Krankheit und Unfall war das sicher und in entspannter Atmosphäre feiern Büro der Schwesternschaft in Berlin zeitweilig ver- können. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch weist. Monika Eilhardt und Ramona Schumacher keinen Termin nennen, wir werden Sie aber haben die Lücke gefüllt. Die Hilfsbereitschaft der rechtzeitig informieren. Regionalschwestern, vieler Johanniterschwestern 3. Die üblichen Rechenschaftsberichte zur Mit- und unserer Freunde ist so groß, dass bislang die- gliederversammlung werden wir schriftlich ser „Stresstest“ positiv ausgegangen ist. Euch allen vorlegen. Alle Verwaltungsratsmandate sind ein großes Dankeschön für alles Engagement Auf- um ein Jahr verlängert, so dass wir die Wahlen gaben zu übernehmen! zum Verwaltungsrat 2022 abhalten werden. Die Beiträge des Schwesternbriefes zeigen, wie kompetent, kreativ und aktiv die Mitglieder sind – eben eine starke Gemeinschaft! Uns allen wünsche ich frohe Ostern! Ihre Andrea Trenner 1 / Schwesternbrief März 2021
Hoffnung verändert In diesem Jahr fällt es schwer den Blick auf Ostern salben. Ein Trauerweg, der nicht leicht fällt, aber zu richten, die Passion will uns nicht loslassen. helfen kann. So wie auch viele Menschen jetzt Noch immer Maske, Abstand, Angst und Sorge um sich Gedanken machen, um auch auf Abstand für die Gesundheit, eingeschränktes Leben. Vielleicht andere da zu sein. verstehen wir die Frauen um Jesus und seine Jün- Doch was Maria, Maria von Magdala und Salome ger besser als sonst wie sie in ihrer Trauer verstört als Erste erleben, ist etwas ganz anderes. Der weg- dasaßen. Jesus war tot. Ihre Lebensfreude, der Auf- gewälzte Stein, das leere Grab und die Botschaft bruch, das gute andere Leben mit ihm war durch- „Jesus ist nicht hier, er ist auferstanden“, das alles kreuzt. Nichts machte mehr Sinn. bringt sie völlig durcheinander. Zitternd und ent- Und die Angst war da: Was wird aus uns? Wie geht setzt laufen sie weg. Dabei sollen sie die frohe es weiter? Botschaft doch weitertragen. Kreisende Gedanken, wie Trauernde sie kennen und Ich finde es tröstlich, dass die biblischen Berichte wie sie viele Menschen in den dunklen, einsamen von der Auferstehung (z.B. Markusevangelium Tagen dieses Winters im Lockdown bewegt haben. Kap. 16) nicht als glatte Erfolgsgeschichten erzählt Künstler, die keine Möglichkeit haben aufzutreten sind, so als könnte man den Hebel umlegen von und damit kein Einkommen haben, Geschäftsleute, Trauer auf Freude. denen zwischen den Fingern zerrinnt, was sie sich Es braucht Zeit und es braucht jemanden, der sie mühsam über Jahre aufgebaut haben, Angehörige, einem sagt, immer wieder, immer neu, um sie die einen geliebten Menschen im Krankenhaus nicht erfahren und begreifen zu können die gute Nach- besuchen dürfen, Schwestern, Pfleger im Dauerein- richt von Ostern: satz, Eltern, die keine Kraft mehr haben zu gleich- Jesus lebt, der Tod hat nicht das letzte Wort, neues zeitigem Homeoffice und Homeschooling der Kin- Leben wird uns geschenkt in Christus durch die der, Jugendliche, die sich abgehängt fühlen und Liebe und die Barmherzigkeit Gottes. Darauf dür- unter Einsamkeit leiden genauso wie alte Menschen, fen wir vertrauen, das ist unser Glaube und eine die ganz allein sind und kaum noch Möglichkeiten Hoffnung, die Mut macht und verändert – gerade haben andere zu treffen. in diesem Jahr. Und immer die Frage: Was wird aus uns? Wie geht Ich wünsche Ihnen eine gesegnete und erfüllte es weiter? Osterzeit! Drei Frauen lösen sich aus der Erstarrung, sie ste- hen auf, wollen etwas tun, wenigstens einmal raus- Ihre Johanniterschwester und gehen um Jesus die letzte Ehre zu erweisen, ihn Pastorin Lore Julius 2 / Schwesternbrief März 2021
Psychische Belastungen während der Corona-Pandemie Wie Pflegekräfte und Bewohnerschaft diese Krise bewältigen Gegenwärtig bestimmt die weltweite Verbreitung Pfarrerin oder ein Musiknachmittag mit Alleinun- des Coronavirus in ihren verschiedenen Varianten terhalter/-in, untersagt. Gemeinschaftsaktivitäten die Berichterstattung in den Medien. Fast jeden innerhalb der Einrichtungen wurden zurückgefah- Tag erscheinen neue Erlasse und Verordnungen, ren, nur noch Begegnungen möglichst gleichblei- die nicht nur Auswirkungen auf das Leben jedes bender Gruppen von Bewohnenden und Mitarbei- einzelnen haben, sondern besonders starke Ein- tenden waren möglich. Viele Beschäftigte in den schränkungen für die Bewohner der stationären Einrichtungen finden sehr kreative Mittel und Wege, Pflegeeinrichtungen bedeuteten. Plötzlich stehen um den Bewohnenden der Einrichtung dennoch nicht mehr die Lebensqualität und die Pflegeein- den Kontakt zur Außenwelt und etwas Abwechs- richtung als neuer Wohnort im Mittelpunkt aller lung zu ermöglichen. So werden technische Mög- Bemühungen, sondern der Infektionsschutz. lichkeiten wie Videoanrufe genutzt, aber auch Die Eindämmung der Pandemie und der Schutz musikalische Angebote vor Fenstern und Balko- der Bewohner/-innen und Mitarbeiter/-innen vor nen bis hin zur Mitmachgymnastik und Gottes- einer möglichen Infektion mit dem SARS-Covid-19- diensten im Innenhof schafften ein klein wenig Virus verändern den Arbeits- und Lebensalltag Abwechslung. Geistig rüstige Bewohner/-innen der Betroffenen enorm. Dies führt zu einer deut- können die Notwendigkeit der getroffenen Maß- lich gestiegenen psychischen Belastung aller und nahmen häufig nachvollziehen und freuen sich kann nur im Team gemeistert werden. über die gebotenen Möglichkeiten zur Kontaktauf- nahme und Freizeitgestaltung. Innerhalb weniger Wochen seit Beginn des Jahres Einige von ihnen äußern sich auch explizit dazu, 2020 breitete sich das Coronavirus weltweit aus. dass sie sich auf Grund der getroffenen Schutz- Manche Krankheitsverläufe scheinen so mild bis maßnahmen sicher fühlen und begrüßen diese. symptomlos zu verlaufen, dass eine Erkrankung Da es ihnen allen gleich ginge, sei dies eben ge- nicht bemerkt wird, andere Menschen erkranken recht und notwendig. Tägliche Informationen aus dagegen so schwer, dass eine mehrwöchige Be- Nachrichtenmeldungen über Ausbrüche in Kran- atmung auf Intensivstationen erforderlich ist oder kenhäusern und Pflegeeinrichtungen zeigen die die Patienten/Patientinnen versterben. Gefahren durch das Coronavirus und seine mittler- Politische Maßnahmen wie mehrmalige Lockdowns weile mutierten Varianten. Die Sorge um eine für ganz Deutschland verändern von einem Tag Erkrankung mit möglicherweise schweren Folgen, auf den anderen das Leben der gesamten Bevölke- da man selbst zur Risikogruppe zählt, lässt das rung. Schulen, Kindergärten, Sport- und Freizeit- Kontakt- und Besuchsverbot erforderlich erschei- einrichtungen sowie ein Großteil des Einzelhandels nen. wurden immer wieder für mehrere Wochen ge- Sind Besuche in begrenztem Umfang erlaubt, steigt schlossen, ein Kontaktverbot außerhalb der Kern- die Sorge davor, das Virus könnte in die Einrichtung familie verhängt. In den Krankenhäusern und eindringen. Seit November 2020 stehen den Pflege- Pflegeeinrichtungen herrscht teilweise ein absolu- einrichtungen Point-of-Care-Tests (POCT) in zuneh- tes Besuchsverbot vor. mender Anzahl zur Verfügung, um jeden auf das Coronavirus testen zu können. Bieten diese Tests Alltag unter Corona in der Pflegeeinrichtung zum einen natürlich eine große Chance, um wieder Doch der Alltag in den Pflegeeinrichtungen verän- mehr Kontakte zuzulassen, fehlt es an vielen Stel- derte sich nicht nur durch das absolute Besuchs- len am notwendigen Personal, um häufig mehrere verbot, welches nur noch medizinisch notwendige hundert Tests in der Woche durchzuführen. Der oder ethisch gebotene Besuche, zum Beispiel im Einsatz der Bundeswehr sowie ein Freiwilligenre- Rahmen der Sterbebegleitung, erlaubte. Vielmehr gister, welches vom Bund dafür geschaffen wurde, wurden jegliche Freizeitaktivitäten mit externer sollen die Einrichtungen dabei unterstützen, aus- Beteiligung, sei es ein Gottesdienst mit Pfarrer/ reichend Testpersonal zu finden. Dennoch bedeu- 3 / Schwesternbrief März 2021
tet die Durchführung der POC-Tests eine weitere, große Herausforderung und Aufgabe für die Pfle- geeinrichtungen, zumal sich die entsprechenden Verordnungen, quasi im Wochentakt, verändern. Was bedeutet die Krise für Bewohner/-innen mit kognitiven Beeinträchtigungen? Viel schwerer scheinen die Folgen aber für die vielen Bewohner/-innen der Pflegeeinrichtungen zu sein, welche an kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen leiden. Diese Personengrup- pe, welche in der Regel mindestens die Hälfte der Bewohnerschaft in Altenpflegeeinrichtungen aus- macht, versteht die veränderten Abläufe und die damit verbundenen Einschränkungen nicht und kann diese nicht nachvollziehen. Diese Menschen vermissen den Kontakt zu vertrauten Familienan- gehörigen, sie wundern sich, warum die sie um- gebenden Personen plötzlich mit Mundschutz bei ihnen stehen, so dass sie Emotionen nicht oder deutlich schwerer erkennen können. Sie verstehen nicht, warum Mahlzeiten und Tagesabläufe sich verändert haben und es deutlich weniger Gemein- noch als ein freundliches Wort scheint aktuell schaftserlebnisse gibt. Ehepartner/-in und Kinder eine Umarmung oder das Halten der Hand, ob- befürchten zu Recht, dass Angehörige mit fortge- wohl doch gerade überall von „Social Distancing“ schrittener Demenz sie nach der wochenlangen gesprochen wird. Gerade in diesen Zeiten wird Zwangstrennung nicht mehr erkennen und zuord- deutlich, dass Pflege ohne menschliche Kontakte nen können. Technische Hilfsmittel wie Video- und Berührungen nicht möglich und auch nicht telefonie lassen für diesen Personenkreis oft das erstrebenswert ist. Eine wichtige Aufgabe gegen- Erkennen der vertrauten Personen nicht zu, auch über der Bewohnerschaft und Angehörigen ist es wenn Mitarbeiter/-innen diese Angebote begleiten. auch, Sicherheit in der aktuellen Situation zu ver- Basale Möglichkeiten des Kontaktes, ein vertrauter mitteln, die man vielleicht selbst gerade gar nicht Geruch, eine bekannte Geste oder Berührung las- empfindet. sen sich nicht per Internet oder Telefonleitung übertragen. Pflegende beobachten teilweise eine Anregungen für den Arbeitsalltag zunehmende Unruhe bei diesen Menschen, gera- Die Corona-Krise bringt das Pflegepersonal nicht de zu den Zeiten eines geänderten Tagesablaufs, nur psychisch an seine Belastungsgrenze, son- wenn also zum Beispiel der vertraute Besuch am dern auch physisch. Weil wichtige Therapien wie Nachmittag ausbleibt. Andere Bewohner/-innen Logopädie und Physiotherapie nicht stattfinden ziehen sich mehr und mehr zurück, depressive dürfen, beobachten Pflegekräfte, wie es den Be- Stimmungen verstärken sich. Im Extremfall ver- wohnern auch ohne akute Erkrankung täglich lässt sie der Lebensmut, die Nahrungs- und Flüs- schlechter geht. Besorgte Angehörige und Freun- sigkeitsaufnahme reduziert sich immer mehr, der de rufen verstärkt beim Pflegepersonal an, um Allgemeinzustand verschlechtert sich zunehmend. Informationen über bestimmte Bewohner/-innen Alle Menschen und damit auch alle in Pflegeein- zu erhalten. In dieser Situation ist es wichtig zu richtungen wohnende, ob kognitiv eingeschränkt reflektieren, dass dies alles den äußeren Um- oder nicht, haben ein Bedürfnis nach körperlicher ständen geschuldet ist und niemand damit das Nähe, Vertrautheit und Zugewandtheit. Schränkte Personal verärgern möchte. Wenn es gelingt, hier das Kontaktverbot alle Menschen hier stark ein, den Standpunkt zu wechseln, wird die persönliche wurden die Pflegekräfte für die Bewohnerschaft Schlüsselposition klar. Die Pflegekräfte sind aktu- der Pflegeeinrichtungen zu den einzigen realen ell die einzigen, die den Menschen in den Pflege- Kontaktpersonen. Nicht verwunderlich ist daher, einrichtungen noch helfen können und dürfen. dass viele Pflegende ein erhöhtes Bedürfnis nach Dies zeigt die Bedeutung der Pflegenden gerade körperlicher Zuwendung und Nähe bei den zu ver- in diesen Wochen. Manch einer empfindet dies sorgenden Menschen bemerkten. Viel wichtiger als Aufwertung und freut sich über die Anerken- 4 / Schwesternbrief März 2021
nung, die aktuell auch durch die Politik und die außen statt Unterstützung mehr Druck ausgeübt Gesellschaft dem Personal im Gesundheitswesen wird, sinkt oft die Selbstzufriedenheit. Kleine Auf- gezeigt wird. Andere empfinden diese Last der merksamkeiten wie das „Mood-Board“ oder ein Verantwortung als sehr groß und drohen, daran Korb voller Leckereien für die Pflegenden von der zu zerbrechen. Geschäftsführung können hier unterstützend wir- Eine außerordentliche psychische Belastung, wel- ken. Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung che die Pflegekräfte jetzt gerade erleben, muss des Pflegepersonals ist eine Telefonhotline zu geübt werden. Es gilt, sich konkret klarzumachen, Psychologen/Psychologinnen, an die sich die Mit- was auf einen zukommt und warum. Dies bedeu- arbeitenden anonym und kostenlos wenden kön- tet auch die Auseinandersetzung mit der Situation, nen. Die Psychologen/Psychologinnen hören zu, dass sich Covid-19-Infektionen vielleicht zunächst geben Tipps unbemerkt in der eigenen Einrichtung ausbreiten zur Entspannung sowie zur vorsorglichen Stabi- und einige Bewohner/-innen daran versterben lisierung, vermitteln aber auch Kontakte und könnten. Wegen einer häufig tiefen Verbundenheit Therapien bei weitergehendem Unterstützungs- zu der Bewohnerschaft kommt es neben Trauer bedarf. und Mitgefühl häufig auch zu Schuldgefühlen. Die Umstrukturierungen, welche auf Grund der Doch jeder muss sich für sich selbst bewusst ma- Ausbreitung des Coronavirus notwendig waren und chen, dass dieser Fall eintreten kann und seine sind, machten es erforderlich, dass feste Teams Gefühle akzeptieren. Kleine Achtsamkeitsübungen von Mitarbeitenden gebildet wurden, welche eine können zum Beispiel helfen, Schuldgefühle zu gleichbleibende Bewohnerschaftsgruppe versor- minimieren sowie auch positive Aspekte wahrzu- gen. In gut funktionierenden Kleingruppen kann nehmen. Ein „Mood-Board“, an dem Kollegen und dies zu erhöhter Arbeitszufriedenheit sowie einem Kolleginnen ihre Gefühle anonym anbringen kön- gestiegenen Zugehörigkeitsgefühl führen, doch nen, welches mit „Komplimenten to go“ zu kleinen auch gegenteilige Effekte sind möglich. Innerhalb Aufmerksamkeiten anregt, kann das Teamgefühl des Teams unterschwellig vorhandene Konflikte stärken, wenn ein intensiver persönlicher Aus- können durch die geänderten Arbeitsabläufe auf- tausch durch Coaching oder Teambesprechungen flammen und sich verstärken, auch „schwierigen“ aktuell nicht umgesetzt werden kann. Gerade in Menschen kann man aktuell schlecht aus dem Extremsituationen wie der aktuellen, wenn von Weg gehen, wenn man sie in seiner Gruppe zu versorgen hat. Achtsamkeit und Sensibilität der Leitungskräfte sind hier umso mehr gefragt, um sowohl das Wohl der Mitarbeitenden als auch der Bewohnerschaft zu schützen. Diese Herausforderungen können Pflegende nur im Team und gemeinsam mit den Leitungskräften bewältigen. So bleibt die Hoffnung, dass durch die flächendeckenden Impfungen in den Pflegeein- richtungen eine weitere Bewältigung der außer- ordentlichen Belastungssituationen möglich sein wird. Johanniterschwester Katja Sonntag Einrichtungsleitung Johanniter-Stift Wuppertal Johanniterschwester Dr. Christine v. Reibnitz Professorin für Gesundheitsmanagement, ISM International School of Management, Berlin Literatur: Jens Kohrs (2020): Nach Wolfsburg und Würzburg: Was tun gegen die Angst? In: www.pflegen-online.de/nach- wolfsburg-und-wuerzburg-was-tun-gegen-die-angst 5 / Schwesternbrief März 2021
Auf zu neuen Ufern Ein Rückblick auf ein Jahr Schule in Pandemiezeiten Der erste Corona-Lockdown im März vergangenen Zum Kursstart Anfang April war es soweit – das Jahres war ein Schock: Verbot des Präsenzunter- digitale Klassenzimmer war eingerichtet, die Leh- richts, die Schüler waren per sofort zum Dienst in renden zumindest in Grundzügen mit dem System den Kliniken freizustellen. Sämtliche Stundenpläne, vertraut und die Bezirksregierung hatte dem Kurs- Einsatzpläne und Jahrgangsplanungen waren plötz- start unter den gegebenen Umständen ebenfalls lich überholt und nicht mehr gültig. Die Ungewiss- zugestimmt. heit, wie lange dieser Zustand anhalten sollte, Seither hat sich das Lehren und Lernen an der gepaart mit der Sorge, dass sich Schüler und Mit- Johanniter Bildungs-GmbH grundlegend geändert: arbeiter selber infizieren und erkranken konnten, In Abhängigkeit zu den jeweils gültigen Hygiene- belastete. Dazu drängte sich sofort die Frage auf: bestimmungen, findet Unterricht in Videokonfe- Wie soll der neue Ausbildungskurs eigentlich star- renzen statt oder mittels Arbeitsaufträgen, die ten? Zum 1. April sollte die erste „Generalistik- die Lernenden selbstständig bearbeiten, in Hybrid Klasse“, die nach neuem Pflegeberufegesetz aus- oder ein rar gewordenes Highlight, auch mal in zubilden ist, in der Bonner Schule beginnen. Die Präsenz. Aussage der zuständigen Behörden war auswei- Die für alle zunächst bekannteste Form der Unter- chend: Verschiebung des Starts war eine Option, richtsvermittlung waren die Arbeitsaufträge, die Start mit einem Praxiseinsatz die andere. Beides den Lernenden über „teams“ zugesendet werden. kam für uns nicht in Betracht, empfanden wir es Hierbei erarbeiten die Schüler/-innen und Auszu- als nicht verantwortbar. Also musste schnellstens bildenden anhand beigefügter Literatur eine Auf- eine andere Alternative gefunden werden. Und gabenstellung und reichen diese zu festgelegten die hieß: Transformation von der klassischen hin Zeitpunkten den Dozenten/Dozentinnen ein. Die zur digitalen Schule. So wurde die Bonner Pflege- Lehrenden stehen während dem Bearbeitungs- schule wie tausende anderer Schulen und Betrie- zeitraum für Rückfragen zur Verfügung und ge- be auch, ins digitale Zeitalter katapultiert. Bis da- ben nach Abgabe des Auftrags eine individuelle to war die digitale Unterrichtsgestaltung auf ein Rückmeldung. Jedoch fehlt dabei der direkte Dia- Mindestmaß begrenzt: Das Schul-WLAN erst weni- log, der Austausch, die Möglichkeit, in der Situa- ge Monate zuvor installiert. Die Ausgangsvoraus- tion etwas nachzufragen. Daher etablierte sich setzungen für einen „digitalen Schulbetrieb“ schnell auch der Unterricht per Videokonferenz. waren im Frühjahr 2020 bescheiden. Es gab nur Hier galt es für die Mitarbeiter/-innen erneut, sich vier stationäre PC-Arbeitsplätze für die Schüler. methodische Fähigkeiten zu erschließen, ohne das Arbeitsaufträge wurden in Papierform ausgehän- diese zuvor in Fortbildungen geübt worden waren. digt oder per E-Mail verschickt. Kreativität und die Bereitschaft, sich auf Neues Aber Initiative und Engagement, Kreativität, digi- einzulassen, führten zu einer ganz bemerkenswer- tale Kompetenz sowie der feste Wille „da muss ten Erweiterung der Methodenkompetenz. Mitt- sich doch was machen lassen“ aus den Reihen der lerweile werden in den Videokonferenzen genau- Mitarbeiter/-innen führten binnen weniger Tage so Präsentationen gezeigt, Mindmaps erstellt, an dazu, dass die Pflegeschule der Johanniter Bil- die Tafel gezeichnet, auf Whiteboard geschrieben dungs-GmbH seit April 2020 einen bedeutenden und in Kleingruppen Dinge erarbeitet, wie es im Teil seiner pädagogischen Arbeit über die Online- realen Leben zuvor üblich war. Plattform „microsoft teams“ absolviert. Der Herbst brachte die nächste Entwicklungsstufe Natürlich war der Anfang schwierig. Die Imple- modernen Unterrichts in Pandemiezeiten: Hybrid- mentierung von „teams“ war kein lange zuvor Unterricht. Da das Beschulen ganzer Klassen un- geplantes Projekt, welches externe Dienstleister denkbar war, wurden die Klassen geteilt. Eine vorbereitet und aufgespielt hatten und dann in Gruppe nahm in Präsenz am Unterricht im Klas- Schulungen den Mitarbeiter nahe gebracht wor- senraum teil, während der andere Teil der Klasse den war. Im Gegenteil, ganz nach Edward Lee über die Videokonferenz zugeschaltet wurde. Hier- Thorndikes Methode „Versuch und Irrtum“ expe- für brauchte es weitere technische Aufrüstung, rimentierten wir so lange, bis ein akzeptables Er- um insbesondere die Tonqualität auf einen ange- gebnis entstanden war. messenen Level zu bringen. Dank Raummikrofon 6 / Schwesternbrief März 2021
um die Ausbildung vertieft werden, wurde imple- mentiert. Um im Bild von Thorndike zu bleiben gehört das bisher beschriebene zum „Trail“. Aber, „Error“ gibt es natürlich auch. Nicht alles, was wir in den ver- gangenen Monaten erlebt und aufgebaut haben ist nur positiv zu bewerten. Es galt und gilt noch weiterhin, Kompromisse zu ertragen. Die Ton- und Bildqualität in den Videokonferenzen ist nicht im- mer zufriedenstellend. Die Internetverbindungen sind nicht immer stabil. Es gibt Tage, da verbrin- gen Lehrende und Lernende die halbe Unterricht- stunde damit, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, denn, mal springt der Laptop nicht an, dann ist im Mikrofon die Batterie leer, „teams“ lässt sich nicht öffnen oder eine Präsentation hängt. Auch schülerseits gibt es Herausforderun- gen. Nicht alle Schüler/-innen sind im Besitz ent- sowie einem Ansteckmikrofon für den Lehrenden, sprechender Endgeräte. Hier können wir begrenzt konnte der Unterricht aus dem Klassenzimmer Unterstützung anbieten. direkt zu den Kursteilnehmenden zu Hause über- Was uns als Pädagogen fordert, ist der Umgang tragen werden. Die aktive Mitarbeit der Schüler mit Schülern im virtuellen Umfeld. Wir wünschen im „Homeschooling“ war somit gegeben. Das uns, die Schüler im Unterricht sehen zu können, Konstrukt des Hybrid-Unterrichts half auch ins- ihre Blicke zu interpretieren, ob sie das Gehörte besondere den Schülern und Auszubildenden, die verstanden haben. Doch nicht immer sind die Ka- aufgrund behördlicher Quarantänebestimmungen meras an. Da fehlt es mal an Datenvolumen, und die Schule nicht betreten durften, den Unterricht mal an der entsprechenden Haltung. Hier befinden verfolgen zu können. wir uns in einem beständigen Prozess, in dem wir Praktische Übungen sind in Pandemiezeiten eine miteinander die neuen Regeln aushandeln. Herausforderung. Die Aufsichtsbehörden haben Und, was allen fehlt ist das, was Schule eben auch zwar eine grundsätzliche Erlaubnis erteilt, um ausmacht – der Blockausstieg mit gemeinsamen den Lernenden den notwendigen Handlungs- Frühstück, eine Exkursion, die Weihnachtsfeier, kompetenzerwerb zu ermöglichen, gleichwohl eine große Examensfeier, Begrüßungsandachten gilt es immer abzuwägen zwischen Nutzen und oder Karnevalsbrunch. Die Pandemie hat die Struk- Risiko. Ein bemerkenswertes Engagement zeigte turen der Schule tiefgreifend verändert und auf das Kollegium dahingehend, das praktische Se- den Kopf gestellt. Alles wurde in Frage gestellt, quenzen, Handlungen die man normalerweise im Bewährtes musste zurück gelassen werden, viel Unterricht demonstriert, als Video aufgezeichnet Neues kam dazu. Die Schüler/-innen und Mitar- wurden und den Schülern und Auszubildenden beiter/-innen der Johanniter Bildungs-GmbH ha- dann bereitgestellt werden. ben sich nicht den Gegebenheiten unterworfen, Mittlerweile sind Distanzunterricht und Videokon- sondern sie haben sich auf die Veränderungen ferenzen Routinehandlungen. Externe Dozenten eingelassen und auf den Weg gemacht, neue Hori- kommen in die Schule und erteilen ihren Exper- zonte zu erkunden. Herausgekommen sind dabei tenunterricht via „teams“, mündliche Modulprü- eine Menge neuer Erkenntnisse und kuriose Erleb- fungen finden per Videokonfernez statt, und so- nisse, die auch mal ein Lachen auslösen und das gar erste online-Klausuren wurden geschrieben. Gefühl vermitteln, es trotz aller Anstrengungen Auch die regelmäßigen Teamsitzungen finden di- gemeinsam bis hierhin geschafft zu haben. gital statt. Lehrer und Schüler chatten oder tele- Mein Dank gilt Allen für die bemerkenswerte Kre- fonieren über teams bei allen Fragen des Schul- ativität, die Geduld und Nachsicht und das auf geschehens. Kollegen treffen sich in einer „ViKO“ einander Rücksicht nehmen in diesen unruhigen um beispielsweise eine Zwischenprüfung zu kon- Zeiten. zipieren. Ein eigener Kanal „gesamte Schule“ dient als „Pinwand“ über die alle wichtigen Neuigkeiten Johanniterschwester Christina Körner kommuniziert werden. Und, das neue Projekt – Schulleitung ein schulinterner Podcast, in dem Themen rund 7 / Schwesternbrief März 2021
Deutsch-Chinesische Gesellschaft für Pflege e.V. beruft wissenschaftlichen Beirat In Coronazeiten finden Versammlungen fast aus- stützen sowie Forschungsprojekte zu initiieren“, schließlich online statt. So auch die Mitgliederver- freut sich die Vorsitzende. „Zu den ersten Schwer- sammlung der Deutsch-Chinesische Gesellschaft punkten gehören Empfehlungen zu den Themen für Pflege e.V. (DCGP) im Dezember 2020. Mit Fachkräftemangel, Schulungskonzepte, Pflege- Zustimmung der Mitgliederversammlung wurde diagnostik und Aspekte für pflegende Angehörige“, der wissenschaftliche Beirat feierlich gegründet. so Oberin Schumacher weiter. Ebenfalls soll das Er soll als Plattform dienen auf der sich sowohl vom Bundesministerium für Gesundheit geförder- deutsche und chinesische PflegeexpertenInnen te Projekt2 „Pflege von Menschen mit Schlaganfall wie auch weitere Angehörige von Gesundheitsbe- in Deutschland und China“ auf dem Weg zu einem rufen und Gesundheitswirtschaft gegenseitig in- gemeinsamen Pflegeverständnis weiter vertieft formieren und ihre Erfahrungen austauschen. Auf werden. dieser Grundlage kann der Beirat den Vorstand der Johanniterschwester Ramona Schumacher hat DCGP beraten bzw. Empfehlungen geben. seit 1996 Lehr- und Seminarerfahrungen in China Johanniteroberin Dr. h.c. Ramona Schumacher und konnte während ihrer Zeit als Pflegedirektorin wurde zur Vorsitzenden des Beirats gewählt. Sie der Charité – Universitätsmedizin Berlin chinesi- war Gründungsbeauftragte der DCGP für den Bei- schen Kolleginnen Hospitationen sowohl im Mana- rat und bis 2019 Vorstandsmitglied der DCGP, gement wie auch im Bereich der Normalpflege ferner ist unsere stellvertretende Verwaltungsrats- und Intensivpflege ermöglichen. Zum letzten Mal vorsitzende, unter anderem stellvertretende Ku- besuchte sie China im September 2019 und war ratoriumsvorsitzende der Akkon Hochschule für zeitgleich mit der Bundeskanzlerin in Wuhan zu Humanwissenschaften, Berlin, sowie Vorstands- Gast. Die Veranstalter eines großen Symposiums mitglied und Sektionsleitung Gesundheitsfachbe- hatten sie um einen Vortrag über das deutsche Ge- rufe des Koch-Metschnikow-Forum e.V. (KMF). sundheitswesen und unsere Pflegeversicherung Die Beiratsmitglieder1 kommen aus beiden Ländern gebeten. und unterschiedlichen Arbeitsfeldern. „Die Beiräte Wer hätte zum damaligen Zeitpunkt gedacht, dass verfügen über hervorragende interkulturelle und diese Metropole mit mehr als zehn Millionen Einwoh- fachliche Kompetenz. Sie werden sich regelmäßig nern für die ganze Welt Bedeutung haben würde. austauschen, um den Vorstand bei dynamischen Aufgabenschwerpunkten zu beraten und zu unter- Johanniteroberin Dr. h.c. Ramona Schumacher 1 Näheres zu den Beiratsmitgliedern unter: www.dc-gpflege.de/presse 2 Näheres über dieses Projekt unter: www.dc-gpflege.de/presse Symposium 2019 in Wuhan 8 / Schwesternbrief März 2021
Ein Haus im Wandel Fortbildung nach dem Psychobiografischen Pflegemodell bringt im Johanniter-Haus Weschnitztal einiges in Bewegung Trotz ausgiebigen Umbaumaßnahmen und Corona- Ein Beispiel: Hat ein Bewohner in seinem Leben Pandemie begannen 19 Mitarbeiter/-innen des täglich nur „Katzenwäsche“ betrieben und einmal Johanniter-Hauses Weschnitztal 2020 mit einer wöchentlich gebadet, so ist dies für ihn normal. Fortbildung über das „Psychobiografische Pflege- Hat nun die Pflegekraft aus ihrem Hygieneverständ- modell nach Böhm“, das nun mit Projektvorstellung nis heraus die Vorstellung, dass dieser Bewohner und Prüfung aller Teilnehmer im Februar 2021 ab- täglich von Kopf bis Fuß gewaschen werden muss, geschlossen wurde. Ziel der Rimbacher Altenpfle- prallen hier zwei Welten aufeinander, Konflikte geeinrichtung ist es, künftig einen kompletten sind nahezu vorprogrammiert. Wohnbereich entsprechend dieses Konzepts für Böhm zufolge sind auffällige Verhaltensweisen Bewohner/-innen mit Demenz zu gestalten sowie eines dementen Menschen immer nur im Zusam- Grundsätze dieser Arbeitsweise im gesamten Haus menhang mit dessen individueller Biografie und zu implementieren. Prägung zu verstehen. Deshalb ist es wichtig, möglichst viel von dieser Biografie und Prägung Psychobiografisches Pflegemodell nach Böhm zu erfahren. Wenn sich der Bewohner selbst nicht Erwin Böhm (*16.5.1940) stammt aus Österreich mehr dazu äußern kann und es auch keine sonsti- und absolvierte in den 1960er Jahren eine Ausbil- gen Quellen wie zum Beispiel Angehörige gibt, so dung zum Diplomierten Psychiatrischen Kranken- lassen sich zumindest aus der regionalen und über- pfleger. Während seiner anschließenden Berufs- regionalen Prägung seiner Jugendzeit (z. B. Leben tätigkeit in der Psychiatrie, entwickelte er Jahre in einer ländlichen Region oder Stadt, Aufwachsen später aufgrund seiner Beobachtungen sowie der zu Kriegs- oder Friedenszeiten) Schlüsse ziehen, Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse von die helfen können, für ihn passende Anreize in der Sigmund Freud und Alfred Adler das Psychobiogra- Gestaltung seines Tagesablaufs zu bieten. Zu die- fische Pflegemodell. Dieses beinhaltet einen ganz- sen Anreizen zählt auch, die Räumlichkeiten mög- heitlichen, praxisorientierten Ansatz im Umgang lichst so zu gestalten, dass sie den Erfahrungen mit demenziell erkrankten Menschen. In diesem des Bewohners aus seiner Jugendzeit entsprechen. Modell geht es darum, sich intensiv mit der Ge- Auf diese Weise fühlt er sich eher zu Hause als in fühlsbiografie der Betroffenen auseinanderzuset- einem modernen Ambiente, welches ihn an eine zen. Schon 1965 begann Böhm, anstelle der da- Institution erinnert und dadurch verunsichert. mals üblichen Pflege mit dem Schwerpunkt „Der Durch die Anwendung des Psychobiografischen Patient soll satt und sauber sein“ eine Pflegeform Pflegemodells bleibt der demente Mensch in seiner zu entwickeln, die den Menschen im Rahmen sei- Gefühlswelt erreichbar. Dies kann den Erhalt bzw. ner Möglichkeiten reaktiviert. Dabei wird er moti- die Förderung seiner Lebensenergie bewirken und viert, Alltagstätigkeiten wieder selbst durchzufüh- somit sein gesamtes Wohlbefinden steigern. Der ren. Böhm erkannte, dass man damals den zu Einsatz von Psychopharmaka kann vermieden oder Pflegenden nahezu alles abnahm und ihnen damit zumindest deutlich reduziert werden. Es entstehen ungewollt den Eindruck vermittelte, zu nichts mehr weniger Konflikte, und auch die Pflegekräfte erle- nütze zu sein. Um sie wieder die Teilhabe am Le- ben dadurch eine größere Arbeitszufriedenheit. ben spüren zu lassen, suchte Böhm über die Bio- grafie-Arbeit nach jenen Aktivitäten, die den alten Die Weiterbildung der Mitarbeiter/-innen Menschen von früher her vertraut waren. Sie wie- Natürlich lässt sich ein neues Pflegemodell nicht der durchzuführen, gab den Betroffenen ein Stück so ohne weiteres in einer Einrichtung umsetzen. Normalität zurück. Es bedarf ausgiebiger Vorbereitungen wie zum Diese gefühlte Normalität kann demenziell erkrank- Beispiel der räumlichen Umgestaltung, aber vor ten Menschen helfen, Selbstsicherheit zurück zu allem der Schulung der Mitarbeiter/-innen, die gewinnen und die Lebenszufriedenheit deutlich zu das Konzept mittragen und umsetzen sollen. So steigern. Daher ist es wichtig zu erkennen, was startete auch das Johanniter-Haus Weschnitztal für sie Normalität bedeutet, statt sie in die Normen mit den Planungen für die Weiterbildung und ver- der Pflegenden zu pressen. anstaltete einen Infonachmittag zu Erwin Böhms 9 / Schwesternbrief März 2021
Psychobiografischem Pflegemodell für Angehörige der Bewohner/-innen sowie weitere Interessenten aus der Umgebung. Dann kam Corona und mach- te die Planung zunächst zunichte. Die ersten Ter- mine zur Weiterbildung wurden gestrichen. Auch später angesetzte Ersatztermine drohten aufgrund der Pandemie zu scheitern, konnten dann aber, dank eines ausgeklügelten Sicherheits- und Hygie- nekonzepts, doch stattfinden. Die Kursteilnehmer/- innen gewöhnten sich schnell an die damit ver- bundenen Auflagen und waren froh nun endlich starten zu können. In mehreren Unterrichtseinheiten mit Referent Christoph Werneke erfuhren sie Grundsätzliches zu Böhms Konzept und konnten sich immer mehr in die Materie einarbeiten. Hilfreich war auch der zweitägige Rückblick in die Zeitgeschichte dessen, was die heutigen Bewohner alles miterlebt haben. Umgestaltung der Küchenzeile in eine Wohnküche im Stil Referent Christophe Ludovicy verstand es hiebei, der 1950er/1960er Jahre die nicht immer leichte Kost spannend und mit einer Prise Humor zu vermitteln. So äußerten eini- ge Teilnehmer anschließend, sie wünschten, der Geschichtsunterricht in ihrer Schulzeit wäre so interessant gestaltet gewesen. Nach und nach lernten die Kursteilnehmer/-innen, wie beim Psychobiografischen Pflegemodell der Ist-Zustand der Bewohner/-innen erfasst und mit den vorhandenen Hintergrundinformationen zur individuellen Lebensgeschichte in Zusammenhang gebracht wird. Daraus ergibt sich, mit welchen Im- pulsen man ihnen die Möglichkeit bietet, in ihrem heutigen Alltag besser zurecht zu kommen. Dazu gehört auch, ihr Umfeld möglichst so zu gestalten, dass sie sich „daheim“ fühlen, statt ständig damit konfrontiert zu werden, in einer Einrichtung zu leben. Die Projekte Der Abschluss des Kurses ist in einen theoretischen sowie einen praktischen Teil untergliedert. In der theoretischen Prüfung geht es um die korrekte Wiedergabe und Erläuterung der Fachbegriffe aus dem Psychobiografischen Pflegemodell. Anschlie- ßend stellen alle Beteiligten ihre in Kleingruppen erarbeiteten Projekte zum Thema vor. Im Johan- niter-Haus Weschnitztal fanden sich Kleingruppen zu folgenden Projekten zusammen: – Umgestaltung des Friseurraums – Gestaltung einer Wohnküche im Stil der 1950er /1960er Jahre – Unterstützung der Alltagsnormalität der Bewoh- ner/-innen im „Demenz-Wohnbereich“ – Orientierung gebende Gestaltung der Zimmer- türen im „Demenz-Wohnbereich“ – Dämmerschoppen für die männlichen Bewohner 10 / Schwesternbrief März 2021
Zudem befassten sich zwei externe Kursteilnehme- Erkrankten unter ihnen ein Gefühl des Vertrauten rinnen mit den Biografien von Klienten, welche sie und der Geborgenheit schenken. im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit betreuen. Bereits während des Kurses wurde parallel damit Die Projekte sollten nicht zwangsläufig zum Zeit- begonnen, die Alltagsstruktur in einem Wohbereich punkt der Abschlussprüfung komplett durchge- etwas umzugestalten. Hier leben überwiegend de- führt sein, aber zumindest bereits deutlich sicht- menziell erkrankte Bewohner/-innen, die mit Hilfe bare Fortschritte aufweisen. Außerdem sollten von ihnen vertrauten Tätigkeiten aus ihrer Jugend die Kursteilnehmer/-innen diese am Abschlusstag oder ihrem jungen Erwachsenenleben Erfolgserleb- im Rahmen einer kleinen Präsentation einander nisse im Alltag haben. So mag es zunächst auf Be- gegenseitig vorstellen. Aus der Bewertung einer sucher befremdlich wirken, wenn Bewohner/-innen bereits zuvor erstellten psychobiografischen kochen oder Geschirr abspülen, aber für diese älte- Planung, des theoretischen Tests sowie der Vor- ren Herrschaften können genau das Tätigkeiten stellung des Projekts setzte sich dann jeweils die sein, die ihnen eine bekannte Tagesstruktur zurück- Gesamtbewertung der Kursteilnehmer/-innen bringen und ihr Selbstbewusstsein stärken. Sie zusammen. fühlen sich in frühere Zeiten zurückversetzt, als Trotz zusätzlicher Arbeit stürzten sich die Meisten ihre Arbeit noch etwas galt und sie genau wussten, mit Feuereifer auf ihre Aufgaben. So trugen die was zu tun war. Projektgruppen, die sich mit der Umgestaltung Basierend auf den in der Fortbildung erworbenen des Friseurraums bzw. der Gestaltung einer Wohn- Kenntnissen wollen die Kursteilnehmer/-innen die- küche beschäftigten, innerhalb kurzer Zeit zahl- sen begonnenen Weg weiter beschreiten und das reiche Möbel und Gegenstände aus den 1950er- Konzept in der eigenen Altenpflegeeinrichtung ent- und1960er Jahren zusammen. Die so zusehends sprechend weiterentwickeln. Und wer sich selbst wie in einer Zeitreise ausgestatteten Räumlichkei- von coronabedingten Maßnahmen bei einer Fort- ten bieten den Bewohner/-innen des Hauses künf- bildung nicht abschrecken lässt, hat mit Sicherheit tig ein Ambiente, wie sie es aus den Zeiten ihres auch die nötige Motivation hierfür. jungen Erwachsenenlebens kennen. Also einer Zeit, die sie stark geprägt hat. Dies soll den demenziell Johanniterschwester Heike Steffens Betriebliches Gesundheits- management – was ist das? Das haben sich auch im Johanniter-Haus Wesch- Gesundheit ihrer Mitarbeiter/-innen und wollen nitztal in Rimbach viele gefragt, denn das war ein ihren Beitrag dazu leisten, diese zu erhalten, Ge- völlig unbekannter Begriff, bis zu dem Tag an dem sundheitsbewusstsein zu fördern sowie die Leis- die Einrichtungsleiterin, Johanniterschwester Heike tungs- und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Steffens, Anfang 2020 Ruth Weigold, eine Fach- Dies steht im Mittelpunkt des betrieblichen Ge- wirtin für Gesundheit und Sozialwesen, damit be- sundheitsmanagement. auftragte. Begonnen hatte Frau Weigold damit, sowohl die Ziel des betrieblichen Gesundheitsmanagements Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung als auch (BGM) ist es, die Arbeitsbedingungen an die Be- eine eigene tiefer gehende Befragung nach den dürfnisse der Mitarbeiter anzupassen und somit direkten Bedürfnissen auszuwerten, um Maß- die Arbeitsplatzzufriedenheit zu stärken. Die psy- nahmen zu finden, die die Gesundheit erhalten chischen und physischen Arbeitsbelastungen soll- und fördern können. Das Wohlbefinden aller Mit- ten erfasst und minimiert werden. Gemeinsam arbeiter an ihrem Arbeitsplatz soll so unterstützt mit den Beschäftigten sollte erarbeitet werden, werden. welche Hilfsmittel zur Arbeitserleichterung noch Gemeinsam mit der BKK Freudenberg und der benötigt werden und welche Schulungen für die- brainLight GmbH ist ihr der Start mit der Bereit- sen Bereich notwendig sind. stellung eines Massagesessels für die Beschäftigten Die Gesundheit ist bekanntlich das höchste Gut gut gelungen. Ein Shiatsu-Massagesessel wurde des Menschen. So schützen die Johanniter die finanziert, der Verspannungen im Rücken-, Nacken- 11 / Schwesternbrief März 2021
Mit dem Fitnessstudio Fit-Inn in Mörlenbach konn- te ein Kooperationsvertrag geschlossen werden. Dort können Beschäftigte des Johanniter-Hauses ein individuell auf sie abgestimmtes Trainings- programm in Anspruch nehmen. Der Preis ist fair und ermöglicht jedem nach Lust, Laune und In- teresse seine Freizeit zusätzlich noch gesund zu gestalten. All diejenigen, die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit übernehmen wollen, werden dort etwas Passendes für sich finden. Egal ob Kurse zur Entspannung oder zur Stärkung der Rü- ckenmuskulatur, Trainingsgeräte zur Stabilisation des Herz-Kreislauf-Systems, der Ausdauer oder zum Aufbau der Muskulatur. Noch lukrativer wird dieser Einsatz für jeden Mitarbeiter in Verbindung mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement, denn als Belohnung und Ansporn zugleich erhält jeder Mitarbeiter, der eine aktive Mitgliedschaft bestätigen lassen kann, einen Bonus von bis zu maximal 44 Euro monatlich steuerfrei vom Arbeit- geber dazu (abhängig von der Stundenanzahl des Arbeitsvertrages). Doch der Vielseitigkeit des betrieblichen Gesund- und Wadenbereich löst, während die beigefügte heitsmanagements sind keine Grenzen gesetzt. Spezialbrille mit Lichtimpulsen sowie die über Kopf- Für alle Auszubildenden wurde zusammen mit der hörer eingespielte Musik gleichzeitig audiovisuell Barmer ein Azubitag organisiert. Einrichtungslei- zur Entspannung beitragen. Dieses System ermög- tung, Pflegedienstleitung, BGM-Verantwortliche licht es den Benutzern, sich innerhalb weniger Mi- und alle Azubis verbrachten ein paar schöne kurz- nuten zu regenerieren, um anschließend mit neuer weilige Stunden mit Frühstück und gemeinsamen Frische und Konzentration den restlichen Tag anzu- Aktivitäten im Freien. Nicht nur Zusammenhalt gehen. Die Mitarbeiter/-innen nutzen den Sessel und Geschicklichkeit waren gefragt. Dieser Tag, gerne und ausgiebig. Viele positive Rückmeldungen den sicherlich jede/r in guter Erinnerung behält, bestärken die Kolleginnen und Kollegen bei der brachte das Erlebnis, auch mal etwas zusammen Nutzung. Wöchentlich empfiehlt Frau Weigold per in der Einrichtung zu unternehmen, fernab von Aushang ein passendes Programm. Eines davon Pflege, Arbeit und Stress. Zudem wurde für Mit- war die „Einführung in die Achtsamkeit“. Es soll arbeiter/-innen und Bewohner/-innen feierlich helfen, in einer Zeit die durch Beschleunigung, Ter- eine Tischtennisplatte zum sportlichen Gebrauch mindruck und zunehmende Belastung im Berufs- eingeweiht. Gerne wird das Angebot in Anspruch und Privatleben geprägt ist, mit dem dadurch ent- genommen. stehenden Stress besser umzugehen. Ihre Empfeh- lung an die Beschäftigten war, sich zehn Minuten Zeit mit dem brainLight-Sessel zu gönnen, um die Gedanken, die Sinne und die Gefühle auf den Au- genblick zu konzentrieren und dabei eine Rücken- massage zu genießen. Doch das ist nur eins der vielen Projekte, die Frau Ruth Weigold auf den Weg gebracht hat, um die Mitarbeiter/-innen zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Durch die BKK Freudenberg wurde eine Fortbildung für Führungskräfte mit dem Thema „gesundes Führen“ finanziert, in der die Teilnehmer ihr Wissen um den direkten Zusammenhang zwischen Füh- rungsverhalten und Arbeitsunfähigkeit vertieften konnten. 12 / Schwesternbrief März 2021
Workshops mit ganz anderen, vielversprechenden Themen für die Zeit nach dem Lock-down. Gesundheitsmanagement das gelebt wird, ist ein Begriff, der den ganzen Alltag einer/eines Beschäf- tigten sehr positiv verändern kann. Es gibt ein unglaublich breites Spektrum an Maßnahmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement, eben ge- nau so wie die Individualität der Mitarbeiter/-innen selbst ist. Wenn das Angebot auf die Bedarfe der Mitarbeiter/-innen angepasst ist, fördert es so die kollegiale Zusammenarbeit, erhöht die Zufrieden- heit und reduziert die Krankheitstage der Mitarbei- tenden. Gesundheitsmanagement ist inzwischen ein positi- ver Begriff für alle Mitarbeiter/-innen im Johanniter- Haus Weschnitztal. So gibt es auch für 2021, trotz oder gerade wegen Für die Weihnachtszeit gab es unter anderem Re- Corona, viele schöne kreative Ideen, um die Gesund- zeptvorschläge für Energyballs alternativ zu den heit unseres Teams zu stärken! vielen süßen Naschereien. Zum Nikolaustag gab es anstatt Schokolade für jede Abteilung einen Ruth Weigold großen Korb mit Obst, Nüssen und Müsliriegeln. Mitarbeiterin Johanniter-Haus Weschnitztal Aktuell laufen bereits die Planungen für neue Andachtsprojekt der Subkommende Berlin Süd-Ost Das erste Treffen 2021 der Subkommende Berlin Süd-Ost fand als Online-Abend am 20. Januar statt und startete mit einem geistlichen Impuls von RR Dr. Wolfgang Krogel zu 2. Samuel 22,37 „Du gibst meinen Schritten weiten Raum, und meine Knöchel wanken nicht“ sowie aus 2. Korinther 3,17 „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“. „Du gibst meinen Schritten weiten Raum“ mag uns Johanniterschwestern Leitgedanke für die Arbeit gemeinsam mit und in der Subkommende sein. Johanniterstift Berlin-Johannisthal Eine aktive Verknüpfung der Ordenswerke in ge- meinsamer regionaler Arbeit ist das von der Sub- Bindungen und Erwartungen entstehen lassen – kommende Berlin Süd-Ost praktizierte Andachts- doch dann der Abbruch. projekt mit dem Johanniterstift im Berliner Orts- Pfarrer Florian Kunz, stellvertretender Superinten- teil Johannisthal. dent des Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg Seit September 2019 unterstützt die Subkommen- und Mitglied der Subkommende, übernahm feder- de Berlin Süd-Ost die diakonische Arbeit in dem führend die liturgische Konzeptionierung, lud zu Johanniterstift mit regelmäßigen Gottesdiensten vorbereitenden Sitzungen ein und leitete im Wech- an jedem zweiten Sonntag im Monat. Im Jahr 2020 sel mit dem Militärdekan Peter Schmidt die ersten war dieses Angebot durch den Ausbruch der Sars- Gottesdienste in eigener Regie. Die Liturgie wurde Covid-19-Pandemie unerwarteten Herausforderun- angepasst auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten gen ausgesetzt. Die gemeinsamen Begegnungen der Bewohner/-innen des Stifts: Die Dauer ist auf hatten über ein halbes Jahr bereits gegenseitige 45 Minuten begrenzt, die Lesungen sind reduziert 13 / Schwesternbrief März 2021
und die Predigt in einfacher Sprache wird mit gut arbeitet, die den Bewohnern, Bewohnerinnen und sichtbaren Aktionen oder Bildern unterlegt. Beson- Beschäftigten in der Altenpflegeeinrichtung ein ders wichtig ist die musikalische Gestaltung. Die spirituelles und seelsorgerisches Angebot ermög- Ritterbrüder im Mantel oder Johanniterschwestern lichen sollen. der Region oder andere Mitglieder der Subkom- Dies mag Inspiration sein und Impulse geben für mende können die Lesungen übernehmen. Der Al- andere Subkommenden und die dortigen Johanni- tar ist komplett ausgestattet mit Kreuz, Leuchtern, terschwestern zur gemeinsamen Gestaltung von einem Pult für die Altarbibel und einem Antepen- Andachten in den Einrichtungen der Johanniter. dium mit dem Johanniterkreuz. Kelch und Patene Eine wertvolle Möglichkeit der Verknüpfung in der stehen für die Erteilung des Abendmahls zur Ver- Zusammenarbeit der Ordenswerke in den Sub- fügung. kommenden. Nicht nur Liturgie und Ausstattung geben jedem Die Schwestern aus der Region Berlin, Branden- Gottesdienst den Charakter eines besonderen burg und Sachsen sind herzlich willkommen in Ereignisses im Stiftsleben, sondern auch die Ein- diesem Andachtsprojekt mitzuwirken. Interessen- beziehung und Mitwirkung der Bewohner/-innen. tinnen melden sich gerne bei RR Dr. Wolfgang Trotz des strukturierten Ablaufes ist die Interak- Krogel (wolfgang.krogel@landeskirchenarchiv- tion bei Gesang und Predigt auf Intuition und Spon- berlin.de) oder mir (christine.v.reibnitz@johanniter- taneität angewiesen. Das gibt dem Gottesdienst schwesternschaft.de) eine persönliche Note, was die teilnehmenden Regionalschwester Prof. Dr. Christine v. Reibnitz Bewohner/-innen, Liturgen und Pflegekräfte sehr schätzen. Mit freundlicher Erlaubnis des Subkommendelei- Nun geht es in 2021 weiter, wenn auch zunächst ters RR Dr. Wolfgang Krogel zur Zitation aus sei- in anderer Form. So werden digitale Konzepte er- nem Jahresbericht. Kaffeeklatsch trotz Corona Gemeinsame Treffen, Kaffeeklatsch und sonstige „Kaffeetrinken via WhatsApp“ umgesetzt und soziale Aktivitäten, die uns guttun, bei denen wir weitere werden folgen. wieder Kraft tanken und die unsere Gemeinschaft Regionalschwestern Silke Kloppenburg-Grote zusammenhalten, hat die Corona-Pandemie ja und Andrea v. Polenz schon seit längerer Zeit einfach vom Tisch gewischt. Aber glücklicherweise kann sie nicht in alle Lebens- bereiche eingreifen. Wir wollten uns nicht vollständig von der Pandemie beherrschen lassen und so haben Andrea und ich uns überlegt, den Kaffeeklatsch einfach mal digi- tal auszuprobieren, via WhatsApp-Videotelefonie. Wir haben uns gemeinsam auf der einen (unserer) Seite des digitalen Drahtes an einen schön gedeck- ten Kaffeetisch gesetzt und unser Kaffeebesuch hat es sich auf der anderen (seiner) Seite des digi- talen Drahtes gemütlich gemacht. Es ist erstaunlich: Bei einem Video-Chat entsteht ein ganz anderes, viel intensiveres Gefühl, als wenn man einfach nur miteinander telefoniert. Dadurch, dass man sich auch sehen kann, fühlt es sich tat- sächlich fast so an, als würde man gemeinsam beim Kaffeetrinken an einem Tisch sitzen und man ist sich ganz nah. Motiviert durch die positiven Rückmeldungen ha- ben wir bislang schon einige Einladungen zum 14 / Schwesternbrief März 2021
Einladung zu etwas Spiritualität im Alltag Spiritualität im Alltag – uns allen fehlt das und wir alle freuen uns über geeignete Angebote. Wir möchten für die Schwesternschaft aktiv werden und haben überlegt, wie das in Pande- miezeiten mit Kontaktbeschränkungen gehen könnte. Uns kam da die Idee, so etwas online anzubieten. Mit Hilfe der modernen Medien gibt es ja viele Möglichkeiten das zu tun. Wir wollen miteinander beten, singen, in der Bibel lesen, Impulse austauschen und so unsere Batterien wieder aufladen. „In der Stille angekommen ...“ – ein Lied, das wir 2017 beim Chorwochenende in der Lutherstadt Wittenberg gesungen haben, fällt mir da ein. Jede/r für sich Zuhause in Stille und doch verbunden über den Computer – eine ungewohnte Kombination und doch ist man dankbar, das es möglich ist. Wann: 21. April 2021 von 18.30 bis 20.30 Uhr per Videokonferenz (Zoom) Anmeldungen an: Heike v. Knobelsdorff, heike.v.knobelsdorff@johanniter-schwesternschaft.de, oder Elisabeth Kühnelt-Leddihn, E-Mail: elisabeth@kuehnelt-leddihn.at Nach der Anmeldung werden die Zugangsdaten (Zoom-Link) verschickt. Wir freuen uns auf Euch! Johanniterschwestern Heike v. Knobelsdorff und Elisabeth Kühnelt-Leddihn Ein Jahr neue Pflegeausbildung – was hat sich verändert? Seit einem Jahr setzen Pflegeschulen und Dienst- Welche Erfahrungen machen wir seither mit der betriebe die generalisierte Pflegeausbildung um. Umsetzung der kompetenzorientierten Ausbildung In der Vorbereitung hat sich ein Ausbildungsver- in der Schule und in den Einrichtungen? Was be- bund gegründet, an dem alle Ausbildungsbetriebe deutet „Kompetenzorientierung“ als Maßgabe für der stationären und ambulanten Pflege beteiligt den Unterricht und für die praktische Ausbildung? sind. Ebenfalls besteht über den Verbund die Ko- Welche Rolle spielen die Vorbehaltsaufgaben der operation mit Hamburger Krankenhäusern. Die Pflegefachpersonen nach dem Pflegeberufege- Schule gibt die Struktur der Ausbildung vor. Der setz in der Ausbildung? Ausbildungsbetrieb organisiert den eigenen Aus- An meiner „Evangelischen Berufsschule für Pflege bildungsplan und die externen Facheinsätze für des Rauhen Hauses“ in Hamburg haben wir im seine Azubis. Es besteht ein regelmäßiger Aus- curricularen Prozess damit begonnen, die Hambur- tausch mit den Praxisanleitungen der Koopera- ger „Beruflichen Handlungsfelder“ in Lernsituatio- tionsbetriebe, auch ein Angebot der Schule für nen zu untergliedern und eine Stundenverteilung die Praxisanleiter-Weiterbildung. zuzuordnen. Dabei geht es nicht mehr um die Fra- 15 / Schwesternbrief März 2021
ge „was müssen Pflegefachpersonen in Zukunft die Azubis gesehen, gelernt und geübt haben soll- alles wissen“, sondern „was müssen Pflegefach- ten. Stattdessen sind Kompetenzen in bestimmten personen in Handlungssituationen des pflegerischen Kompetenzbereichen beschrieben, die nun einge- Alltags selber machen, steuern, anwenden, umset- schätzt werden sollen. Das ist ungewohnt und zen und patienten- und situationsorientiert gestal- übungsbedürftig, aber in der Folge des Paradig- ten?“ Es ist die Abkehr von einem umfangreichen menwechsels der neuen Ausbildung passender. Inhaltskatalog hin zu exemplarischen Geschichten Ein zweites Werkzeug sind die Praxisaufgaben, von Handlungs- und Entscheidungssituationen, in die die Azubis während der Praxisphase schriftlich denen Wissensinhalte neben situationsbezogenen bearbeiten und dann in der Schule abgeben. Diese Aspekten eine Rolle spielen. Damit werden die Praxisaufgaben verbinden die im Block erarbeite- Geschichten von Pflegesituationen der zentrale ten Inhalte mit der Anwendung auf Fallsituationen Aufhänger der Erarbeitung von Problemlösungen in der Praxis. Sie integrieren Anteile einer Fallbe- unter Einbeziehung von Kommunikation und Wis- schreibung, Informationssammlung, Pflegeplanung sensgrundlagen. Die Pflegesituationen spielen und Lernreflexion. von Anfang an in allen Altersstufen und in unter- Das dritte Element der Theorie-Praxis-Koordination schiedlichen Pflegesettings. Im Lauf der Ausbil- sind die Praxisbegleitungen durch die betreuende dung werden frühere Inhalte wieder aufgegriffen, Kursleitung in den verschiedenen Einsatzgebieten. vertieft und mit zunehmender Komplexität an Ein- Anders als vorher werden wir unsere Azubis nun flussfaktoren und Rahmenbedingungen verbunden nicht nur in ihrem eigenen Ausbildungsbetrieb, („spiraliges Curriculum“). sondern auch in den anderen Facheinsätzen be- Die Schule hat eine lange Tradition von kooperati- suchen. ven Lehr- und Lernformen und der Integration Und dann kam Corona! Die Geschichte lässt sich fachpraktischer Übungen. Gruppenunterricht ist nicht ohne die besonderen Bedingungen beschrei- die häufigste Unterrichtsform, abgewechselt mit ben, die sich auf die aktuelle Ausbildungssituation kurzen Impulsen der Lehrenden zur Einführung in auswirken. Insbesondere in der Praxis waren die ein Thema oder Phasen der Zusammenfassung Bedingungen für Praxisanleitung durch Personal- der Arbeitsergebnisse. Ein gegenüber der früheren ausfälle und zusätzliche Maßnahmen der Pande- Ausbildung erhöhter Anteil sozialwissenschaftli- miebekämpfung erschwert. Auch diese neuen cher Themen ist in die pflegerischen Handlungs- Azubis mussten sich viele Erfahrungen selbst an- situationen integriert. eignen. Wie fühlt es sich nun an in der neuen Ausbildung? In der Schule fand der Einführungsblock im August Die neuen Kurse sind vergleichbar heterogen wie noch in Präsenz und in ganzer Klassenstärke statt. frühere Klassen. Die Lernatmosphäre und Klassen- Ab September 2020 gab es nur noch Teilklassen- gemeinschaft hat sich unter dem Selbstbewusst- gruppen, Wechselunterricht zwischen Präsenz sein entwickelt, als Pioniere in einer neuen Ausbil- und Selbsterarbeitung Zuhause und vollständige dung lernen zu dürfen. Die Azubis sind engagiert, Umstellung auf Online-Unterricht. Die Schule hat motiviert und haben bereits gute kommunikative in kurzer Zeit erheblich aufgerüstet – unterstützt und soziale Kompetenzen aufgebaut. von Geldern aus dem „Digitalpakt Schule“ – und Eine sehr wichtige Rolle für die Kompetenzent- das WLAN erweitert, eine Lernplattform aufge- wicklung spielt die Theorie-Praxis-Verknüpfung. baut, verleihbare Schüler-Laptops angeschafft Als ein zentrales Werkzeug fungiert der neu ge- und Lehrer/-innen fortgebildet im Unterricht mit staltete Praxisbegleitordner. Den Praxisanleitern digitalen und sozialen Medien. fällt daran sofort auf, dass der tätigkeitsorientier- Damit haben wir uns auf eine spannende Reise te Ausbildungskatalog von Verrichtungen fehlt, begeben und schnell viel Neues dazugelernt. Wir hoffen alle darauf, dass bald wieder Präsenzunter- richt möglich sein wird. Leider mussten pandemie- bedingt die fachpraktischen Unterrichte weitgehend ausgesetzt bzw. verschoben werden und können hoffentlich bald nachgeholt werden. Aber in der Schule wird es wahrscheinlich nie mehr genau so werden wie früher. Unsere Lern- und Übungs- möglichkeiten haben sich erweitert. Einige davon werden wir gelegentlich weiter benutzen. Johanniterschwester Gela Spöthe 16 / Schwesternbrief März 2021
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