Sea dokumentation stellungnahme nr. 62 - Das neue Ausländergesetz und die Revision des Asylgesetzes
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sea dokumentation stellungnahme nr. 62 Das neue Ausländergesetz und die Revision des Asylgesetzes Diskussionsbeitrag zur Volksabstimmung vom 24. September 2006
Einleitung Inhalt Bürgerliche werben vereint für das neue Aus- länder- und Asylrecht. Sie wollen mit den Ab- Einleitung 2 stimmungsvorlagen vom 24. September Miss- bräuche im Asylwesen senken und die Integra- Nein: ein faires Verfahren 3 tion der Ausländer verbessern. Für die Linken ist nicht mehr gesichert bedeuten die Revisionen der beiden Gesetze Heiner Studer das Ende der humanitären Tradition in der Schweiz. Während sich die Landeskirchen ge- Ja: das neue Asylgesetz bringt 6 gen die Annahme des neuen Rechts für Aus- klare Verbesserungen länder und Asylsuchende aussprechen, kommt Walter Donzé die Leitung der Arbeitsgemeinschaft für inter- kulturelle Zusammenarbeit (AGIK) der SEA zu Anhang: Was sich ändern würde 8 einem vorsichtig positiven Schluss. Für den Vorstand der AGIK überwiegen die Verbesse- rungen der Vorlagen, auch wenn er die Schwachpunkte klar sieht und sehr bedauert. Der Beamte, der dem Asylsuchenden gegen- über steht, ist aufs Höchste gefordert. Die AGIK setzt daher durch ihr wachsendes Netzwerk den Schwerpunkt, Asylsuchende wie auch die vollziehenden Beamten konstruktiv zu unter- stützen und kritisch zu begleiten. So hat der Zentralvorstand der SEA Deutschschweiz beschlossen, die Argu- mente für und gegen die neuen Gesetze einander gegenüberzustellen, und diese Herausgeber: Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) ohne Empfehlung den Abstimmenden zur Zentralsekretariat Deutschschweiz Meinungsbildung zu präsentieren. Josefstr. 32, 8005 Zürich Tel. 043 344 72 00, Fax 043 344 72 09 info@each.ch; www.each.ch Nachfolgend präsentiert die SEA zwei unter- schiedliche Auffassungen zu diesem Thema. Gnehmigt vom Zentralvorstand der Zunächst jene von Nationalrat Heiner Studer, Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA-DS) gefolgt von der Stellungnahme von Nationalrat © SEA, August 2006 Walter Donzé, beide aus der Evangelischen Kostenbeitrag inkl. Versand Volkspartei. Als weitere Hilfe wurde ein Ver- gleich der alten Gesetze mit den neuen ange- Bezugsadresse: SEA-Sekretariat, Josefstr. 32, 8005 Zürich fügt. Tel. 043 344 72 00, Fax 043 344 72 09 info@each.ch Dieses Dokument ist auch per Internet auf www.each.ch zu finden. 2 SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ
sea dokumentation stellungnahme nr. 62 Heiner Studer: Meine Hauptkritikpunkte 1. Auf Asylgesuche wird nicht eingetreten, NEIN. wenn Asylsuchende den Behörden nicht innerhalb von 48 Stunden nach Ein faires Verfahren ist Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere abgeben. Die Ausnah- nicht mehr gesichert. men von dieser Regelung sind äusserst restriktiv. Diese Bestimmung ist nicht geeignet, gegen den Asylmissbrauch Ich habe Verständnis für den Willen, die Asylge- vorzugehen. Vielmehr werden Men- setzgebung an die Entwicklungen in der EU schen, die wirklich verfolgt sind, keine anzugleichen. Positiv an der Gesetzesrevision Chance mehr auf ein Verfahren haben. halte ich die Verbesserung für vorläufig aufge- Verfolgte haben eben oft keine Papiere. nommene Menschen. Beim Ausländergesetz Es ist sehr fraglich, ob die Schweiz da- ist es richtig, die Zulassung von Ausländerinnen mit das Völkerrecht und die Genfer und Ausländern ausserhalb des EU- und Flüchtlingskonvention einhält. EFTA-Raumes, die nicht unter die Freizügig- keitsabkommen fallen, zu regeln. Die vorgese- 2. Behörden dürfen aufgrund des Geset- hene umfassende Regelung der Rechtsstellung zes die Herkunftsstaaten von Flüchtlin- auf Gesetzesstufe ist sinnvoll. Die beiden gen kontaktieren, bevor sicher ist, ob Gesetze sind ineinander verwoben. Es macht sie dort verfolgt werden. Daraus können nur Sinn, beide anzunehmen oder abzuleh- sich ernsthafte Gefahren für in ihrem nen. Heimatland lebende Angehörige erge- ben. Als die Vorlagen dem Parlament unterbreitet wurden, hoffte ich, dass aus den Beratungen 3. Neu wird eine Ausschaffungshaft einge- zwei Gesetze hervorgehen, zu denen ich ste- führt, welche z.B. für 15- bis 17-jährige hen kann. Nach der ersten Beratung stimmte Jugendliche bis 12 Monate dauern ich trotz Bedenken beiden Gesetzen zu. Immer- kann. hin hatte der Nationalrat der Neuaufnahme der Humanitären Aufnahme, wenn auch äusserst 4. Zur Durchsetzung von Wegweisungen knapp, zugestimmt. Der neu in den Bundesrat ist die Beendigung der Sozialhilfe vor- eingetretene Christoph Blocher unterbreitete gesehen. Ausnahmen – z.B. für Fami- wesentliche Verschärfungen. Der Ständerat lien, Kinder ohne Eltern und Schwange- als Zweitrat folgte der damit eingeleiteten har- re – sind nicht vorgesehen. Nur ein Mi- ten Linie. Der Nationalrat rückte dank dem nimum, die Nothilfe, bleibt bestehen. Einsatz von Kommissionsmitgliedern wie Wal- ter Donzé zwar punktuell von Verschärfungen 5. Ein Herzstück der von Bundesrätin Ruth ab. Zum Gesamtresultat kann ich nur nein sa- Metzler unterbreiteten Revision war die gen. Einführung der humanitären Aufnahme. Diese wurde schliesslich nicht ins Ge- setz aufgenommen. SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ 3
Drei zentrale Schwächen des Asylgesetzes: Walter Donzé: Asylbewerberinnen und Asylbewerber ohne Papiere sollen ohne Asylverfahren wegge- wiesen werden. Jugendliche sollen in Aus- JA. schaffungshaft genommen werden können. Die humanitäre Aufnahme wird nicht ins Ge- Das neue Asylgesetz setz aufgenommen. bringt klare Die Freiburger CVP-Regierungsrätin Isabelle Verbesserungen Chassot, ehemalige Mitarbeiterin von Bundes- rat Arnold Koller und Bundesrätin Ruth Metzler, die ich persönlich gut kenne und sehr schätze, Eine kritische Auseinandersetzung mit dem äussert sich wie folgt: „Ich habe lange im neuen Asylgesetz zeigt, dass neben einigen Justizdepartement gearbeitet und mehrere Verschärfungen auch klare Verbesserungen Asyl-Revisionen mitgetragen. Ich dachte jedes auszumachen sind. Der Beitritt der Schweiz zu Mal: ‚So weit können wir gerade noch gehen. Schengen/Dublin verspricht zudem Vereinheitli- Die Menschenwürde wird gewährt, ein faires chung und Weiterentwicklung. Verfahren ist garantiert.’ – Jetzt aber ist die Grenze überschritten. Die Fristen sind zu kurz, Die Ausgangslage: hauchdünne Ablehnung ein faires Verfahren ist nicht mehr gesichert. der SVP-Asylinitiative Den Umgang mit den Papierlosen halte ich Inzwischen hat sich die Lage zwar beruhigt. Die für ungerecht, auch die Erschwerung der Fami- Probleme sind aber noch sattsam bekannt: lienzusammenführung. All das kann ich mit mei- Lange Verfahren haben dazu geführt, dass im- ner christlichen Überzeugung nicht vereinba- mer mehr Personen ein Asylgesuch stellten, um ren.“ einen wirtschaftlich motivierten bleibenden Auf- enthalt in der Schweiz zu erwirken. Die haupt- Deshalb argumentiere ich für ein NEIN sächlichen Probleme stellten sich durch die Ver- zum revidierten Alsylrecht und zum teilung der Asylbewerber auf Kantone und Ge- neuen Ausländerrecht. meinden sowie im unterschiedlichen Vollzug durch die Kantone. Mit der Revision des Asyl- und des Ausländer- gesetzes folgte das Parlament einer Forderung des Volkes. Ziel war nicht, möglichst wenig Asylgesuche zu haben, sondern den echten Flüchtlingen Schutz zu gewähren und Miss- bräuche (Verzögerung der Verfahren durch Be- seitigung von Ausweispapieren, Ausnutzung von Beschwerdeverfahren zur Verzögerung, Er- gattern von Sozialhilfe, Aufenthalt zu kriminellen Zwecken…) zu verhindern. Die Verhandlungen bewegten sich zwischen zwei Extrempositionen. Die Einen sahen in je- 4 SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ
sea dokumentation stellungnahme nr. 62 dem Asylbewerber einen Delinquenten, die An- 1. „Kein Asyl mehr für Verfolgte und Gefol- deren wollten allen Aufnahme bieten. Die Auf- terte“: Befürchtet wird, dass Flüchtlin- gabe des Gesetzgebers bestand jedoch darin, gen, die nicht in der Lage sind, Papiere einerseits dem Recht Nachachtung zu ver- vorzulegen, ein Asylverfahren verweigert schaffen und andererseits die Menschenwürde wird. Tatsache ist, dass bereits heute und humanitäre Tradition unseres Landes zu Nichteintretensentscheide möglich sind. bewahren. Es ist den Mitteparteien zu verdan- Die Neuformulierung trägt der Praxis der ken, dass wir schliesslich ein Gesetz vorliegen Asylrekurskommission Rechnung. Eine haben, welches den Anforderungen der Flücht- Anhörung findet auf jeden Fall statt. Ein- lingskonvention (Genf 1951, Protokoll von getreten wird auf Gesuche von Papierlo- 1967) und der UNO-Menschenrechtskonven- sen, wenn die Anhörung die Flüchtlings- tion entspricht. Es hilft nicht nur, Missstände zu eigenschaft ergibt oder wenn zur Fest- beheben, sondern sorgt auch für schnellere stellung derselben zusätzliche Abklärun- Verfahren, einheitliche Praxis und bessere Per- gen nötig sind. Das kann zum Beispiel spektiven sowohl für vorläufig Aufgenommene der Fall sein, wenn sich zeigt, dass eine wie anerkannte Flüchtlinge. Person unter posttraumatischen Störun- gen leidet. Erweist sich nach einem Das Referendum drohte von beiden Seiten. Die Nichteintretensentscheid die Rückfüh- Linke hat es zusammen mit humanitären und rung als nicht zulässig, nicht zumutbar kirchlichen Organisationen ergriffen. Zuhanden oder nicht möglich, so wird die vorläufige einer sachlichen Auseinandersetzung sollen Aufnahme angeordnet. Damit wird si- deshalb einige Punkte aufgegriffen und erklärt chergestellt, dass nach wie vor echte werden. Flüchtlinge Schutz geniessen. Hauptsächliche Kritikpunkte unter der 2. Kurze Beschwerdefristen: Das Bild des Lupe hilflosen Flüchtlings trügt. Hilfswerke Die Koalition für eine humanitäre Schweiz be- führen in unmittelbarer Nähe aller Emp- hauptet, das revidierte Asylgesetz bringe Men- fangszentren Rechtsberatungsbüros. schen in Gefahr, die unsere Hilfe brauchen. Es Informationen gibt es in 36 Sprachen! gebe kein Asyl mehr für Verfolgte und Gefolter- Bei der Anhörung im Flughafen sind te. Abgewiesene würden wie Kriminelle behan- Vertreter von Hilfswerken zugegen. Es delt. Der wüste Begriff einer Beugehaft, welcher ist erstaunlich, wie sich Landsleute im Parlament klar zurückgewiesen wurde, wird gegenseitig unterstützen und auf wel- aufgenommen. Ich verstehe, dass man auf- chen Wegen Rechtshilfe geleistet wird. grund der politischen Lage und nachdem das Asylbehörden sind schon heute ver- Gesetz im Ständerat im Sinne des neuen pflichtet, Asylsuchenden Gelegenheit Justizministers „nachgebessert“ wurde, Zweifel zu geben, sich verbeiständen zu lassen. am Vollzug hegt. Andererseits gibt es aber Schnelle Entscheide sind auch im Sinne klare Zeichen für eine Praxis, welche sich an der Gesuchsteller und sparen erhebli- den Vorgaben des internationalen Rechts, che Kosten. Übrigens: die Beschwerde- des Flüchtlingshochkommissariats und des frist wird von 24 Stunden auf fünf Tage Bundesgerichts orientiert. Ich versuche des- verlängert! halb, gleich auf die einzelnen Kritikpunkte ein- zutreten: SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ 5
3. „Gefahr für Verwandte von Flüchtlingen“: Soll der Besitz von Drogen und Waffen Es wird befürchtet, dass wegen Nach- noch geschützt werden? Auch die an- forschungen im Herkunftsland Angehö- deren Massnahmen dienen der Miss- rige anstelle der Geflüchteten misshan- brauchsbekämpfung und der Wahr- delt werden. Tatsache ist, dass keine heitsfindung. Der Zugang zu einer Er- Kontaktaufnahme mit dem Heimatstaat werbstätigkeit wurde erleichtert. Mit der erfolgen darf, wenn eine Gefährdung Abgabe leistet der Bevorzugte einen der asylsuchenden Person oder deren Solidaritätsbeitrag. Die Höhe und die Angehörigen zu befürchten ist (Art. 97, Dauer dieses Beitrags ist limitiert; bei Abs. 1). tiefen Einkommen kann ganz davon ab- gesehen werden. 4. „Familien, Kinder, Schwangere, Alte und Kranke auf der Strasse“: Es wird ge- 7. „Haft für Unschuldige“: Zu unterschei- sagt, der Stopp der Sozialhilfe für Ab- den ist zwischen der Ausschaffungs- gewiesene treibe Tausende von Men- haft, die normalerweise sehr kurz ist schen ins Elend und in die Illegalität. Es und sicherstellt, dass Rückführungen ist aber ebenso klar: Wer sich hier illegal gelingen, und der Durchsetzungshaft aufhält, hat keinen Anspruch auf Sozial- (keine „Beugehaft“, um den Willen zu leistungen. Der Sozialhilfestopp wurde brechen!), die ein Abtauchen in den ille- mit dem Entlastungsprogramm des galen Aufenthalt verhindert. Wer bereit Bundes eingeführt, brachte einen Rück- ist, freiwillig auszureisen, wird aus der gang von Gesuchen um 30 Prozent im Haft entlassen. Die Durchsetzungshaft Jahr 2005 und stoppte klar einen Miss- ist völkerrechtskonform. brauch. Demgegenüber hat sich die Kriminalitätsrate nicht erhöht. Verletzli- Verbesserungen für Betroffene che Personen (unbegleitete Kinder, Der Gesetzgeber hat nicht nur an den Staat ge- Schwangere, Kranke) erhalten in aller dacht, sondern auch an die Betroffenen. Es Regel die nötige Unterstützung. sollte nicht übersehen werden, dass die Revi- sion auch klare Verbesserungen für Asylbewer- 5. „Keine Gnade für Härtefälle“: Neu bean- ber, vorläufig Aufgenommene und anerkannte tragen die Kantone die Prüfung von Flüchtlinge bringt. Härtefällen. Befürchtet werden mehr Ausschaffungen. Das Gegenteil dürfte 1. Die neue vorläufige Aufnahme. In der der Fall sein: Vor Ort kann man besser Differenzbereinigung zum Ständerat, über den Stand der Integration und die welcher die humanitäre Aufnahme ab- Verhältnisse (Kinder in der Schule, Ju- lehnte, konnten wir für vorläufig Aufge- gendliche in Ausbildung) befinden. nommene erwirken: Der Zugang zu ei- ner Erwerbstätigkeit wird erleichtert. Die 6. „Menschen zweiter Klasse“: Kritisiert Familie kann zusammengeführt und werden Polizeikontrollen in Privatwoh- schon nach drei Jahren nachgezogen nungen, die Erfassung biometrischer werden. Der Bund zahlt den Kantonen Daten, die Knochenanalyse zur Alters- eine Integrationspauschale. Der Status bestimmung und die Sonderabgabe bei wird aufgrund einer konkreten (und Erwerbstätigen. Da ist schon zu fragen: nicht bloss einer existenziellen) Gefähr- 6 SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ
sea dokumentation stellungnahme nr. 62 dung gewährt. Und vorläufig Aufge- Wichtiger Imperativ: die internationale nommene bekommen eine bessere Hilfe und der Kampf gegen die Armut! Rechtstellung. Trotz dieser positiven Bilanz zum Asylgesetz (und seinen Auswirkungen bzw. Regelungen im 2. Eine neue Härtefallregelung. Anstelle Ausländergesetz) bleiben zwei Fragen unge- des Bundesamtes bekommen die Kan- löst. Die EVP-Vertreter im Nationalrat haben sie tone die Kompetenz, wegen eines angemeldet und werden dranbleiben: schweren Härtefalles eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) zu Das Asylgesetz war nie vorgesehen für einen erteilen. Voraussetzung: fünf Jahre Auf- wirtschaftlich motivierten Aufenthalt in der enthalt in der Schweiz (mit bekanntem Schweiz. Die Revision stellt das wieder klar. Tat- Aufenthaltsort) und fortgeschrittene In- sache ist aber, dass die grossen Flüchtlings- tegration. Diese Lösung wurde von den ströme nicht nur zur Sicherheit, sondern vor al- Kantonen gewünscht. Sie haben ein lem zum Wohlstand der westlichen Industrie- Interesse daran, dass die betroffenen staaten zielen. Das dürfte dazu führen, dass Personen sich selbständig durchbrin- zwar weniger Asylgesuche gestellt werden; die gen können. illegale Einwanderung könnte aber weiter an- halten. Wir fordern deshalb 3. Nichtstaatliche Verfolgung: Leider war es in der Differenzbereinigung zwischen a) den Ausbau und die Verbesserung der den Räten nicht mehr möglich, den Tat- Entwicklungshilfe, den entschiedenen bestand ins Gesetz aufzunehmen. Die Kampf gegen Korruption, einen Markt- Praxis entspricht jedoch schon heute zugang für Drittweltländer, eine wirksa- dem Standard, wie ihn auch die EU me Entschuldung und die kompromiss- (Deutschland führte 2005 ein) anwen- lose Verfolgung der Millenniumsziele zur det. Auf meine Intervention hin erklärte Halbierung der Armut, Bundesrat Blocher vor dem Nationalrat, dass die etwa 100 Personen, denen b) die Bekämpfung der illegalen Einwan- heute jährlich eine vorläufige Aufnahme derung und des illegalen Aufenthaltes zuerkannt wird, mit der Revision des durch wirksame Massnahmen im Asylgesetzes den Flüchtlingsstatus be- Kampf gegen die Schwarzarbeit und kommen sollen. Sie können damit von die Unterstützung der Kantone in den den Garantien der Flüchtlingskonven- ihnen zugewiesenen Aufgaben. Eine tion und des Asylgesetzes profitieren. pauschale Anerkennung illegal Anwe- Sie bekommen eine Aufenthaltsbewilli- sender halten wir nicht für zielführend, gung und nach fünf Jahren Anspruch wohl aber die Prüfung von Einzelschick- auf eine Niederlassungsbewilligung. salen und von Bestimmungen, die Men- Weitere Vorteile: Möglichkeit für selbst- schen zu illegalen Aufenthaltern ma- ständige Erwerbstätigkeit, generelle chen. Besserstellung auf dem Arbeitsmarkt, Familiennachzug, visumfreies Reisen in Deshalb plädiere ich für ein JA zum Europa. revidierten Asyl- und zum neuen Ausländergesetz. SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ 7
Anhang: Volksabstimmung zum neuen Asylgesetz und zum Ausländergesetz Was sich ändern würde Zusammengestellt von Gaby Szöllösy (Tages-Anzeiger vom 27.07.2006) Altes Gesetz Auswirkungen 1. Nichteintreten bei Papierlosigkeit (Asylgesetz) Auf ein Asylgesuch wird im Prinzip Neues Gesetz Heute werden im Zweifel Asylgesuche nur eingetreten, wenn der Asylbewer- Auf ein Asylgesuch wird im Prinzip nur materiell geprüft, sobald Hinweise auf ber innerhalb von 48 Stunden Doku- eingetreten, wenn der Ausländer inner- eine Verfolgung vorliegen. Die neue mente einreicht, die seine Identität halb von 48 Stunden einen Pass oder Gesetzesbestimmung erhöht die Hür- aufzeigen. Präsentiert er sich ohne eine Identitätskarte einreicht. Fahraus- de für ein materielles Verfahren. Der Papiere, so wird sein Gesuch nur weise oder Geburtsurkunden gelten Asylbewerber steht unter grösserer geprüft, nicht mehr, da sie leichter gefälscht Beweislast: Nicht mehr die Behörden ● wenn er glaubhaft machen kann, werden können. Das Gesuch eines müssen nachweisen, dass die Flucht- dass er aus entschuldbaren Gründen Papierlosen wird nur geprüft, geschichte des Asylbewerbers nicht nicht in der Lage ist, Papiere abzuge- ● wenn er glaubhaft machen kann, dass stimmen kann. Sondern der Asyl Su- ben; er aus entschuldbaren Gründen nicht in chende muss glaubhaft machen, dass ● wenn Hinweise auf eine Verfolgung der Lage ist, Papiere abzugeben; seine Geschichte wahr ist, damit sein vorliegen, die sich nicht als offensicht- ● wenn seine Flüchtlingseigenschaft Gesuch materiell geprüft wird lich haltlos erweisen. festgestellt wird oder wenn sich auf Grund der Anhörung erweist, dass zusätzliche Abklärungen nötig sind 2. Gebühren im Wiedererwägungsverfahren (Asylgesetz) Wiedererwägungsgesuche sind heu- Die Behörden können einen Gebühren- Im Jahr 2005 hat das Bundesamt für te gebührenfrei. vorschuss erheben (in der Regel 1200 Migration (BFM) über 2235 Wiederer- Franken), bevor sie Wiedererwägungs- wägungsgesuche entschieden, davon gesuche prüfen. Bedürftigen Personen hiess es 563 (also rund ein Viertel) kann die Gebühr erlassen werden. Wird gut. Der Aufenthalt dieser Personen ein Wiedererwägungsgesuch abge- wurde also nachträglich legalisiert. lehnt, muss der Asylbewerber die Ver- fahrenskosten bezahlen. 8 SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ
sea dokumentation stellungnahme nr. 62 Altes Gesetz Neues Gesetz Auswirkungen 3. Fürsorgestopp: Nothilfe statt Sozialhilfe (Asylgesetz) Heute erhalten Asyl Suchende, auf Neu werden nicht mehr nur Asyl Su- Insgesamt befanden sich Ende 2005 deren Gesuch der Bund nicht eintritt, chende mit einem Nichteintretensent- laut BFM-Statistik gut 10 000 Perso- keine Fürsorgeleistungen und werden scheid, sondern alle rechtskräftig abge nen im Vollzugsprozess; das heisst, aus den ordentlichen Asylstrukturen wiesenen Asylbewerber aus der Sozial- ihre Gesuche sind rechtskräftig abge- (etwa Asylheimen) ausgewiesen. Sie hilfe ausgeschlossen. Sie können bei lehnt und sie müssen die Schweiz können aber bei den Kantonen Not- den Kantonen Nothilfe beantragen. Die verlassen. Doch können noch nicht hilfe beantragen, die oft in Form von Kantone sind frei, ihnen weiter Fürsor- alle ausrei-sen, etwa weil ihnen die Naturalien (ein Bett, Essen, jeweils für gegelder zu zahlen. Eine Verpflichtung, nötigen Reisedokumente fehlen. All eine beschränkte Zeit) ausgerichtet Kranke, Schwangere oder Kinder in diese Personen haben neu nur noch wird. den Asylstrukturen zu belassen, sieht Anspruch auf Nothilfe. das Gesetz nicht vor. 4. Zwangsmassnahmen (sie gelten sowohl für das neue Asylgesetz als auch für das neue Ausländergesetz) ● Rayonverbot: Ein Kanton kann ● Das Rayonverbot wird ausgeweitet, Bundesrat und Parlament haben die Ausländern ohne Aufenthaltsbewilli- neu kann es auch für alle abgewiese- Zwangsmassnahmen verschärft: Das gung befehlen, ein bestimmtes Ge- nen Ausländer angeordnet werden, die neue Gesetz definiert zusätzliche Haft- biet nicht zu verlassen oder nicht zu ihre Ausreisefrist ungenutzt verstreichen gründe, und die Maximaldauer der betreten, wenn sie die öffentliche liessen. Haft steigt. Zudem können Ausländer Sicherheit stören. ● Die mögliche Haftdauer der Vorberei- kurzfristig (höchstens 3 Tage) festge- ● Vorbereitungshaft: Zur Vorberei- tungshaft wird auf 6 Monate verlängert. halten werden, wenn dies nötig ist, um tung einer Ausschaffung können die Neu ist sie auch dann möglich, wenn ihre Identität abzuklären oder wenn sie Behörden eine Haft von maximal drei ein Asylbewerber behördliche Anwei- vor einer ausländischen Botschaft vor- Monaten anordnen. Die Haft ist auch sungen nicht befolgt oder ein Asylge- sprechen müssen. Und neu hinzuge- bei hängigen Asylgesuchen möglich, such verspätet einreicht. kommen ist die Durchsetzungshaft. sofern der Bewerber sich weigert, ● Neu wird die Ausschaffungshaft auf Die Be-hörden können so auch jene seine Identität offen zu legen. maximal 18 Monate verlängert. Aller- Ausländer einsperren, bei denen die ● Ausschaffungshaft: Zur Durchfüh- dings bedarf es nach 3 Monaten der Anordnung einer Ausschaffungshaft rung der Ausschaffung, wenn die Be- Zustimmung einer richterlichen Behör- unzulässig wäre. Der Zweck der Haft hörden auf Grund konkreter Anzei- de. Minderjährige (zwischen 15 und besteht darin, die Ausländer zur Aus- chen befürchten, dass sich eine Per- 18 Jahren) können maximal 12 Monate reise zu bewegen – ihren Willen zu son sonst der Ausschaffung entzieht. in Haft gesetzt werden. beugen. Deshalb wird sie auch Beu- Maximal 9 Monate, nach 3 Monaten ● Durchsetzungshaft: Personen, die gehaft genannt. Die gesamte Haft darf muss aber eine richterliche Behörde nicht innerhalb der vorgeschriebenen höchstens 24 Monate dauern – bei der Verlängerung zustimmen. Frist ausreisen, können maximal 18 Minderjährigen höchstens 12 Monate. Monate inhaftiert werden (Minderjährige Justizminister Christoph Blocher er- 9 Monate). wartet, dass nur wenige Personen so lange festgehalten werden. SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ 9
Altes Gesetz Neues Gesetz Auswirkungen 5. Vorläufige Aufnahme (Ausländergesetz) Vorläufig aufgenommen werden Asyl- Vorläufig Aufgenommene können neu Die Voraussetzungen für die vorläufi- bewerber, die der Bund zwar nicht ihre Familien frühestens drei Jahre nach ge Aufnahme bleiben dieselben, aber als Flüchtlinge im eigentlichen Sinne der Aufnahme nachziehen, sofern sie die Rechtsstellung der Aufgenomme- anerkennt, deren Rückschaffung aber eine genügend grosse Wohnung haben nen wird verbessert. nicht möglich, nicht zulässig oder und nicht fürsorgeabhängig sind. Zur nicht zumutbar ist. Etwa weil sie kon- besseren Integration können ihnen die kret gefährdet wären (beispielsweise Kantone erlauben, zu arbeiten, ohne durch einen Bürgerkrieg im Heimat- dabei die Arbeitsmarktlage berücksich- land). tigen zu müssen. 6. Zugang zur Schweiz (Ausländergesetz) Der Zugang zur Schweiz (Zulassung) Das Gesetz gilt nur für Ausländer, die Das Gesetz hält explizit fest, dass die ist heute im Gesetz nur sehr summa- nicht aus EU- oder Efta-Staaten stam- Zulassung erwerbstätiger Drittstaa- risch geregelt. Einzelheiten dazu ge- men: Sie werden im Prinzip zugelassen, tenangehöriger im Interesse der Ge- ben die Verordnungen vor. Angehöri- wenn es sich bei ihnen um hoch qualifi- samtwirtschaft geschieht. Die bisheri- ge von EU- und Efta-Staaten können zierte Arbeitskräfte handelt und die ge bundesrätliche Zulassungspolitik nach den Bestimmungen der Perso- Wirtschaft sie braucht. Der Bundesrat wird im Gesetz festgeschrieben. nenfreizügigkeitsabkommen einrei- kann für den Bund und die Kantone sen. Die Einreise von Arbeitstätigen Höchstzahlen festlegen. Bestimmte aus Drittstaaten beschränkt sich in Gruppen (etwa Opfer von Menschen- der Regel auf hoch qualifizierte und handel) sind von diesem strengen Zu- von der Wirtschaft benötigte Arbeits- lassungsregime ausgenommen. kräfte. 7. Integration (Ausländergesetz) Integration kommt im alten Rahmen- Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilli- Das neue Gesetz fördert und fordert gesetz nur in zwei Artikeln vor, Details gung kann an den Besuch eines Inte- die Integration: Ausländer müssen regelt die Integrationsverordnung. grations- oder Sprachkurses geknüpft sich mit den Lebensbedingungen in Diese besagt, dass Behörden bei Er- werden. Die Kantone müssen eine der Schweiz auseinander setzen und messensentscheiden den Grad der Ansprechstelle für Integrationsfragen ins-besondere eine Landessprache Integration berücksichtigen. schaffen. lernen – hält Artikel 4 fest. 10 SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ
sea dokumentation stellungnahme nr. 62 Altes Gesetz Neues Gesetz Auswirkungen 8. Familiennachzug (Ausländergesetz) Heute ist der Familiennachzug für Zusätzlich zu den Bestimmungen im al- Im Sinne der Integration soll der Kurzaufenthalter und Studenten nicht ten Gesetz können neu die Behörden Nachzug von Kindern möglichst früh möglich. Bei Ausländern mit Aufent- auch Kurzaufenthaltern und Studieren- erfolgen, sodass sie hier einen Teil ih- haltsbewilligung liegt der Entscheid den den Familiennachzug gewähren, rer Schulpflicht und die Berufsbildung über den Familiennachzug im Ermes- sofern sie über eine bedarfsgerechte absolvieren: Kinder über 12 Jahre er- sen der Behörden. Niedergelassene Wohnung und genügend Einkommen halten nur eine Aufenthaltsbewilligung Ausländer dürfen ihre Familien nach- verfügen. Nur noch Kinder unter 12 und müssen innerhalb eines Jahres ziehen. Jahren erhalten sofort eine Niederlas- nachgezogen werden. Ein späterer sungsbewilligung. Nachzug ist in Ausnahmefällen mög- lich. 9. Erhöhte Mobilität (Ausländergesetz) Personen mit einer Aufenthaltsbewilli- Einmal zugelassene Ausländer können Die erhöhte Mobilität zugelassener gung müssen ein Gesuch stellen, um ihren Beruf in der ganzen Schweiz aus- Arbeitskräfte soll ihre Flexibilität und den Kanton oder die Arbeitsstelle üben. ihre Chance auf dem Arbeitsmarkt er- wechseln zu dürfen. höhen. 10. Missbrauchsbekämpfung (Ausländergesetz) Schlepper, die sich bereichern wol- Zivilstandsbeamte können eine Trauung Das neue Gesetz sieht generell höhe- len, müssen laut altem Gesetz mit verweigern, falls der Verdacht auf eine re Strafandrohungen vor, insbesonde- Gefängnisstrafen von bis zu 3 Jahren Scheinehe besteht. Fluggesellschaften, re bei Schleppern, aber auch bei Ar- rechnen. Die illegale Einreise oder die die Personen ohne Identitätspapiere beitgebern von Schwarzarbeitern. Beihilfe dazu werden mit Gefängnis- befördern, müssen mit einer Busse von strafen von bis zu 6 Monaten sanktio- bis zu 5000 Franken pro beförderte niert. Und wer die Zulassungsvor- Person rechnen und für den Unterhalt schriften zu umgehen versucht (etwa der Leute bis zu deren Ausschaffung mit einer Scheinehe), verliert den aufkommen. Gewerbsmässige Schlep- Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilli- per können mit Gefängnis bis zu 5 Jah- gung. ren bestraft werden. SCHWEIZERISCHE EVANGELISCHE ALLIANZ 11
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