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Seit 1967 stets dabei: Absage der BDN-Neujahrstagung harter Schlag Dieter Hallmann vermisst im Jahr 2021 die Traditionsveranstaltung in der Akademie Sankelmark. Der frühere BDN-Generalsekretär Peter Iver Johannsen empfindet die vielen Veranstaltungsabsagen aufgrund der Anti-Corona- Vorschriften als Katastrophe für die deutsche Minderheit. 10:10 Uhr Deutsche Minderheit Seit 1967 immer dabei: Sankelmark-Absage harter Schlag Die Neujahrstagung des Bundes Deutscher Nordschleswiger – auf dem Foto begrüßt der BDN- Hauptvorsitzende die Versammlung in der Akademie Sankelmark nach einem langen Vorabend mit geselligem Beisammensein, zu einem neuen Vortrag – fällt in diesem Jahr aufgrund der Anti-Corona-Maßnahmen aus. Archivfoto Foto: Volker Heesch Die Absage der Neujahrstagung 2021 des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), die in diesen Tagen hätte stattfinden sollen, trifft
viele „Stammgäste“ der seit vielen Jahrzehnten in der Akademie Sankelmark beheimateten Veranstaltung hart. Zwar werden die inzwischen nochmals verschärften Anti-Corona-Maßnahmen als Absagegrund allgemein akzeptiert. Doch viele erfüllt der abgesagte Termin mit Wehmut. „Ich wurde 1967 zum Vorsitzenden des Nordschleswigschen Ruderverbandes gewählt. Seitdem bin ich immer in Sankelmark dabei gewesen“, berichtet Dieter Hallman aus Hadersleben, der sich Jahr für Jahr darauf gefreut hat, bei der Tagung nicht nur interessante und unterhaltsame Beiträge zu erleben, sondern Bekannte zu treffen und nach Ende der Vorträge zum gemütlichen Teil der Tagung überzugehen. Seit 1967 hat Dieter Hallmann, auf dem Foto an seinem Ruderrevier in Hadersleben, an allen Neujahrstagungen des BDN in der Akademie Sankelmark teilgenommen. Foto: Karin Riggelsen Der frühere BDN-Generalsekretär Peter Iver Johannsen aus Hoptrup findet ebenfalls, dass die Absage eine Lücke reißt. „Die Absage von Knivsbergfest, Deutschem Tag und nun auch der Neujahrstagung ist ja beinahe eine Katastrophe für die Minderheit“, so Johannsen, der erlebt hat, dass gerade Veranstaltungen wie in Sankelmark nicht nur wichtige
inhaltliche Fragen in den Mittelpunkt stellen, sondern den Zusammenhalt zwischen den Nordschleswigern und auch auswärtigen Gästen fördern. Im Januar 1979 war die Neujahrstagung in Sankelmark beinahe abgesagt worden. Aufgrund extremer Schneefälle herrschte im Grenzland seit Neujahr „Schneekatastrophe“. Die Tagung wurde um eine Woche verschoben. Der frühere BDN-Generalsekretär Peter Iwer Johannsen erlebte 1979 eine Fast-Absage der Neujahrstagung des BDN in Sankelmark aufgrund der damals aktuellen „Schneekatastophe“. Foto: Volker Heesch „Erstmalig seit 25 Jahren kann die Januartagung des BDN nicht termingerecht stattfinden“, teilte Generalsekretär Peter Iver Johannsen am 4. Januar 1979 im „Nordschleswiger“ mit. Dieter Hallmann fällt in der Rückschau ein, wie sich die Neujahrstagungen in Sankelmark über die Jahrzehnte verändert haben. „Das war anfangs dort noch alles sehr einfach.“ Tagung mit abendlichem Grog „Statt in der Klause im Keller wurde in der Bibliothek nach Schluss des
offiziellen Teils Skat gespielt und Grog getrunken“, erinnert er sich. „Am nächsten Morgen roch es noch nach Alkohol.“ Auch die Verpflegung hatte noch nicht den hohen Standard, den die Akademie heute bietet: „Es mussten öfter mal abends Würstchen in Flensburg geholt werden. Und weil nicht alle in der Akademie Platz fanden, wurde ich mit anderen in einem alten Krug in Billschau einquartiert, da schliefen dann sechs junge Leute in einem großen Zimmer teilweise auf alten Sofas.“ Diskussionsfreude stark Und weitere Besonderheiten fallen Hallmann ein: „Es wurde unglaublich viel diskutiert und gestritten. Und dabei wurde während der Vorträge gequalmt, oft Zigarren, dass ein bläulicher Nebel durch den Saal zog.“ Es trafen damals Vertreter der alten Garde wie Rudolf Stehr oder Leute aus dem Kameradenverein auf temperamentvolle junge Politiker wie Dieter Wernich. Abends rauften sich alle beim Grog wieder zusammen. Auch an den einstigen „Nordschleswiger“-Chefredakteur und Folketingsvertreter der Minderheit aufgrund des Bündnisses mit den Zentrumsdemokraten (CD), Jes Schmidt, erinnert sich der 85-jährige Haderslebener als engagierten Redner. Dieter Hallmann kann als jahrzehntelanger Sankelmark-Teilnehmer auch berichten, wie sich die deutsche Minderheit verändert hat, seitdem nach Stehr, Paul Koopmann oder Harro Marquardsen jüngere Spitzenleute wie Gerhard Schmidt oder Hans Heinrich Hansen den Ton angaben. Hallmann erwähnt auch, dass vor 50 Jahren für Schulleiter, Lehrer und andere Beschäftigte in Einrichtungen der Minderheit die Teilnahme an der Neujahrstagung selbstverständlich gewesen ist. Öffnung der Minderheit in Sankelmark Peter Iver Johannsen, der Ende 1973 das Amt des BDN-Generalsekretärs von Rudolf Stehr übernommen hatte, der wegen seiner Tätigkeit als Spitzenvertreter der Nazi-Führungsebne der deutschen Minderheit vor 1945 bei vielen dänischen Politikern auf Ablehnung gestoßen war,
berichtet über eine zunehmende Öffnung der BDN-Neujahrstagung für dänische Politiker und Referenten seit Ende der 1970er Jahre. „Nach seinem Bündnis mit dem Gründer der CD, Erhard Jacobsen, hatte Jes Schmidt Folketingsmitglieder als Referenten nach Sankelmark holen können“, so Johannsen, beispielsweise den Sozialdemokraten Henning Rasmussen. Auch die SF-Abgeordnete Inger Harms oder Venstre-Mann Peder Sønderby zeigten keine Berührungsängste gegenüber der Minderheit. „Die inzwischen seit Jahrzehnten üblichen Vorträge bei der Tagung jeweils von dänischen oder deutschen Parlamentsabgeordneten, die aus eigener Sicht eine Standortbestimmung der Politik in ihren Ländern liefern, hat es erst seit der Tätigkeit von Siegfried Matlok als Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen gegeben“, berichtet Johannsen. Und er weist darauf hin, dass Zusammenkünfte zwischen dänischen Spitzenpolitikern und der Minderheitenführung lange nicht üblich waren. MInderheit weniger isoliert Es war beispielsweise eine kleine Sensation, dass sich der BDN- Hauptvorsitzende Gerhard Schmidt Anfang der 1980er Jahre mit dem damaligen Staatsminister Anker Jørgensen (Sozialdemokraten) zusammensetzen konnte, um mit ihm über ein Sekretariat der deutschen Nordschleswiger in Kopenhagen zu sprechen, das dann erst 1983 unter entscheidender Mitwirkung des nächsten, konservativen, Regierungschefs Poul Schlüter eingerichtet wurde. „Die Sankelmarktagung des BDN hat sich erfreulicherweise auch zu einer für dänische Politiker interessante Veranstaltung entwickelt, um Positionen der deutschen Politik kennenzulernen. Ich glaube, es haben sich über Sankelmark richtige deutsch-dänische Freundschaften entwickelt, beispielsweise zwischen Nordschleswigs Amtsbürgermeister Kresten Philipsen und dem Kreispräsidenten im Kreis Schleswig-Flensburg“, so Johannsen. Von deutscher Seite her zählten
traditionell auch die Vorsitzenden der deutschen Grenzverbände, Hans Peter Johannsen vom Grenzfriedensbund und Hartwig Schlegelberger, Deutscher Grenzverein, zu den Akteuren in Sankelmark. Dieses Foto dokumentierte 1979 die Sankelmarktagung im Januar des Jahres.Von rechts: Folketingsmitglied Jes Schmidt, Frederik Rudbeck, Grænseforeningen, Schriftsteller H. P. Jensen und Chefredakteur Erik Randel, „Jydske Tidende“. Foto: Der Nordschleswiger Einen Eindruck vom Geschehen bei der fast dem Schneesturm zum Opfer gefallenen Sankelmarktagung 1979 gibt der Blick in den „Nordschleswiger“ vom 16. Januar des Jahres, bei der die Vergangenheit der Minderheit und das dadurch nach wie vor getrübte Verhältnis zur Mehrheitsbevölkerung auch auf der Tagesordnung stand. Man könne aus der Geschichte nicht lernen, da sie ja nur eine Masse von Torheiten und Schlechtigkeit enthielt, zitierte Grenzfriedensbund-Vorsitzender Johannsen in einem Beitrag Goethe, während der Vertreter des dänischen Grenzvereins „Grænseforeningen“, Frederik Rudbeck, der sich in Sankelmark offenbar in die Höhle des Löwen gewagt hatte, der deutschen Minderheit vorwarf, sie befinde sich in einer Identitätskrise, under wies auf ein „Schisma“ zwischen älteren und jüngeren deutschen Nordschleswigern hinwies. Er erklärte, die deutsche Minderheit sollte sich zu ihrer eigenen Geschichte bekennen und die Geschehnisse freilegen. „Es ist gefährlich, wenn man dies Beiseite schiebt“, so der „Reisesekretär“ des Grenzvereins, der, in Berlin geboren, nach dem
Zweiten Weltkrieg für eine Südverschiebung der Grenze von 1920 geworben hatte. Als Sohn eines dänischen Nordschleswigers geboren, erlebte er den Tod des Vaters in der Naziherrschaft, umgekommen im KZ Oranienburg. Schrille Töne in Diskussionen Welche Töne um deutsch-dänischen „Dialog“ 1979 herrschten, verspürt man im Zeitungsbericht aus Sankelmark in Äußerungen Jes Schmidts nach Rudbecks Vortrag. Dieser warf ihm vor, er „predigt hier denselben selbstgefälligen Nationalismus, wie wir ihn aus seiner Feder kennen“. Er sei persönlich ein netter Mensch, hab aber in den „letzten 30 Jahren in der Maske des Biedermanns nur Misstrauen gegenüber der deutschen Volksgruppe ausgestreut“. Polemisch stellte Schmidt die Frage, ob Rudbeck es nicht für günstiger halte, „etwas zum Verständnis der Menschen im Grenzland“ beizutragen. Auch versöhnliche Aussagen Versöhnlicher trat vor 42 Jahren der damalige Chefredakteur der Zeitung „Jydske Tidende“, Erik Randel, auf, der feststellte, das Verhältnis zwischen Deutsch und Dänisch sei inzwischen „ganz fantastisch“. Dabei bescheinigte er der Zeitung der deutschen Minderheit, „Der Nordschleswiger“, dass diese sich positiv verändert habe. Auch der frühere Venstre-Vertreter im nordschleswigschen Amtsrat und Schriftsteller H. P. Jensen sprach zu den Tagungsteilnehmern, unter denen sich noch jede Menge alte Kameraden aus der braunen Epoche der Minderheit befanden. Er stellte fest, der „nationale Kampf im Grenzland sei vorbei, ebenso wie „Gewalt und Unterdrückung verschwunden“ seien. Er lobte Harro Marquardsen und Hermann Heil für deren konstruktiven Einsatz im Amtsrat, dass sich Deutsche und Dänen nähergekommen sind. Jensen war während der deutschen Besetzung Dänemarks als dänischer Widerstandskämpfer die Fänge der Gestapo geraten und schwer misshandelt worden. Er war aber mit dem Leben davongekommen.
Heiße Eisen bei Tagungen Peter Iver Johannsen berichtet, dass in den folgenden Jahren viele heiße Eisen Thema in Sankelmark waren. So referierte Ditlev Tamm 1985 in Sankelmark, der im Jahr zuvor mit seiner Forschungsarbeit über die dänische Rechtsabrechnung, die vielen deutschen Nordschleswigern nach 1945 Verurteilungen wegen Einsatz zugunsten der deutschen Besatzung eingebracht hatte. Bemerkenswert auch einige Jahre später der Vortrag von Herbert Pundik, der dänisch-jüdische Chefredakteur der Zeitung „Politiken“ beeindruckte die Zuhörerschaft mit seinen Aussagen zum Besatzungsregime und der Rettung der dänischen Juden 1943. Und erst wenige Jahre zurück liegt die Sankelmarktagung zum Thema Vergangenhaltsbewältigung der deutschen Minderheit, mit selbstkritischen Referaten aus den Reihen der Minderheit und einem Auftritt des führenden Erforschers der Verstrickungen der Minderheit in Nationalsozialismus und Besatzungsregime, Henrik Skov Kristensen.
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