SOIS BELLE ET TAIS-TOI - Frauenzentrale Bern

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Frauenzentrale Bern
Seit 100 Jahren engagiert sich die Frauenzentrale des Kantons Bern FZBE
für die Gleichstellung von Frau und Mann in allen Lebensbereichen – mit
politischem und sozialem Engagement. Das politische Engagement zielt vor
allem auf eine Sozial- und Familienpolitik, die verschiedene Rollenvertei-
lungen ermöglicht und unterschiedliche Lebensformen von Frauen und Män-
nern zulässt. Das soziale Engagement umfasst Rechts-, Budget- und
Vorsorgeberatung sowie Alimenteninkasso.

Mehr unter www.frauenzentralebern.ch

               SOIS BELLE
               ET TAIS-TOI
         Filmhistorische Einblicke in die Emanzipations-Geschichte der Frauen: Zum
         Jubiläum der Frauenzentrale Bern, die 2020 ihr 100-jähriges Bestehen feiert,
         präsentieren Veronika Minder und Béatrice Stucki rund um den 8. März im REX
         Filme von und mit Frauen aus 100 Jahren Kinogeschichte.

                                                                                                         13
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Veronika Minder, Béatrice Stucki

Als Kuratorinnen blicken wir mit Filmen von und                 SOIS BELLE ET TAIS-TOI
mit Frauen ebenfalls auf einen Zeitraum von                    ...es gurrt die Taube
einem Jahrhundert zurück; wir stellen Pionierin-               ...es gackert das Huhn...
nen vor und aktuelle Regisseurinnen, zeigen ciné-               und du du du
phile Raritäten und kommerzielles Erzählkino. Mit               sei schön und halt die Klappe
einer Kurzfilmrolle streifen wir lustvoll durch die            (Serge Gainsbourg 1959)
Jahrzehnte und haben dazu Gäste eingeladen, die
anschliessend zu einer Gesprächsrunde bleiben.        1968 und die neue Frauenbewegung bringen fri-
                                                      schen Wind in die Kinosäle, Papas Kino ist tot,
Bei unserer Auswahl an Spiel-, Dokumentar- und
                                                      und androgyne Looks sind bei den 20-Jährigen in.
Experimentalfilmen suchen wir nach einem weib-
                                                      Frauen übernehmen wieder vermehrt Kameras,
lichen Blick auf Themenbereiche, die uns per-
                                                      Mikrofone oder Regiestühle. Trotzdem bleiben
sönlich interessieren und beschäftigen: Beruf
                                                      die meisten Schauspielerinnen fremdbestimmt
oder Berufung, Familienleben und Beziehungen,
                                                      in der weiterhin von Männern dominierten Filmin-
Menopause, Emigration, Frauenbewegung, Gen-
                                                      dustrie. Regisseurinnen sind selten, verfügen über
dergerechtigkeit, junge Frauen, Frauen im Alter...
                                                      kleinere Budgets – der sogenannte Gender Pay
Mit «Sois belle et tais-toi» geben wir während
                                                      Gap – und sind an den Festivals kaum vertreten.
einer Woche einen kleinen filmhistorischen Ein-
blick in die Emanzipations-Geschichte der Frauen      «Haben Sie heute schon einen Film von einer Frau
im Kino, vom Stummfilm bis ins Heute. Vollstän-       gesehen?», fragten Filmarbeiterinnen noch in den
digkeit ist weder angestrebt noch ist sie letzt-      frühen 1990ern an den Festivals von Berlin und
lich erreichbar.                                      Locarno. Kontinuierliche Arbeitsmöglichkeiten
                                                      für Regisseurinnen gibt es weiterhin kaum – und
Das frühe Kino war massgeblich von eigenwilli-
                                                      schon gar nicht in Hollywood.
gen und selbständigen Frauen geprägt. Viele –
wie beispielsweise Mary Pickford um 1920 –            Heute, fast 30 Jahre später, ist vieles anders,
waren nicht nur Schauspielerinnen, sondern            jedenfalls in diesem Zeitfenster, hier im deutsch-
häufig auch Unternehmerinnen: Produzentinnen          sprachigen Raum. Die Berlinale 2019 widmete
eigener Filme mit eigenen Studios. Nach dem           ihre Retrospektive den Frauen hinter der Kamera.
2. Weltkrieg hat sich Hollywood als Geschäfts-        Die Solothurner Filmtage verkündeten im Januar
und stilbildendes Modell weitgehend etabliert.        erfreut: «Die Hälfte der Kurzfilme ist von Frauen»,
Sein Starsystem beherrscht das Filmbusiness,          gleichzeitig widmen sie die Retrospektive Heidi
dessen Typecasting schränkt die künstlerische         Specogna, einer engagierten Cinéastin. Endlich!
Freiheit, vor allem von Frauen, radikal ein. Mann
                                                      Kino von Frauen macht nämlich Spass. Regisseu-
bedient mit den weiblichen Stars – Marilyn Mon-
                                                      rinnen geben uns Mut, machen betroffen, sorgen
roe, Brigitte Bardot oder Jane Fonda – die gängi-
                                                      für Ärger und regen zum Denken an. Und des-
gen Klischees von Frauen als Heilige oder Huren.
                                                      halb sehen wir uns zwischen dem 5. und dem
Sie müssen fast ausschliesslich Frauenfiguren
                                                      10. März jeden Tag mindestens einen Film von
spielen, deren Leben sich nur um Männer dreht.
                                                      einer Frau an!
Intelligente Frauen sind nicht gefragt. Offen frau-
enfeindliches Verhalten ist in der Unterhaltungs-     SOIS BELLE ET TAIS-TOI war einmal – heute
branche in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren       heisst es: SILENCE! ELLES TOURNENT!
auch diesseits des Atlantik gang und gäbe.
                                                      Veronika Minder ist Regisseurin und Kulturtäterin,
                                                      Béatrice Stucki ist Grossrätin und ehemaliges
                                                      Vorstandsmitglied der Frauenzentrale

14       Sois belle et tais-toi
Delphine et                               Born in Flames                          Das Fräulein
Carole,                                        Fr. 6.3. 18:15                          Sa. 7.3. 13:30
insoumuses
     Do. 5.3. 18:15                       USA 1982, 81 Min., DCP, E/d             Schweiz 2006, 81 Min., 35mm,
                                          Regie, Drehbuch: Lizzie Borden          OV/df
                                          Mit: Honey, Jeanne Satterfield,         Regie: Andrea Staka
Einführung: Veronika Minder,              Adele Bertei, Becky Johnston,           Drehbuch: Andrea Staka,
Béatrice Stucki                           Pat Murphy, Kathy Bigelow,              Barbara Albert, Marie Kreutzer
                                          Flo Kennedy                             Mit: Mirjana Karanovic, Marija
Frankreich/Schweiz 2019,                  Preserved by Anthology Film Archi-      Skaricic, Ljubica Jovic, Andrea
70 Min., DCP, OV/e/d                      ves with restoration funding from       Zogg, Pablo Aguilar
Regie: Callisto Mc Nulty                  the Hollywood Foreign Press Asso-
Drehbuch: Callisto Mc Nulty,              ciation and The Film Foundation         Ruza hat ihre Heimat Serbien vor
Alexandra Roussopoulos,                                                           über dreissig Jahren verlassen und
Géronimo Roussopoulos                     «Aus Wut über leere sozialistische      lebt in Zürich. Ihr Alltag ist eine
Mit: Delphine Seyrig, Carole              Versprechungen nimmt eine Armee         Reihe von sich wiederholenden
Roussopoulos                              radikaler Frauen den Kampf gegen        Momenten, bis Ana eines Tages
                                          Sexismus und Rassendiskriminie-         auftaucht und die minutiös konst-
Delphine Seyrig (1932–1990) war           rung auf. Der zunächst gewaltfreie      ruierte Welt ins Wanken bringt. Die
eine der ikonischen Musen der             Feldzug eskaliert, als eine der Leit-   junge Frau aus Sarajevo ist schön,
Nouvelle Vague. In den Filmen von         figuren unter mysteriösen Umstän-       lebenshungrig und irgendwie ver-
François Truffaut und Alain Resnais        den im Gefängnis umkommt.               loren. Zwischen den beiden eigen-
Anfang der 1960er-Jahre war sie           Kathryn Bigelow, in ihrem einzigen      willigen Frauen entwickelt sich eine
es, die den Frauen Konturen gab,          Auftritt als Schauspielerin, ist als    zarte Freundschaft. Goldener Leo-
sie brachte ein Gefühl der Moderne        Redakteurin einer feministischen        pard Filmfestival Locarno 2006.
zum Ausdruck und zeigte das Brü-          Zeitschrift zu sehen.»
chige und Zerrissene heutiger weib-       Arsenal – Institut für Film und         «Es sind Varianten des Fremdseins,
licher Identität. Sie spielte häufig in   Videokunst                              die Stakas Film vor uns aufblättert,
Filmen von Luis Buñuel, tauchte bei                                               Möglichkeiten des Nicht-Ankom-
Jacques Demy und sogar bei Harry          «Lizzie Borden ist es gelungen, einen   mens in einem anderen Land, einer
Kümel auf. Als engagierte Feministin      feministischen Science-Fiction-         anderen Zeit oder in der eigenen,
fühlte sie sich von männlichen Regis-     Film zu drehen, der sämtliche Kri-      von einer schweren Vergangenheit
seuren bald unterfordert und spielte      tikpunkte innerhalb und ausserhalb      belasteten Biografie. Dabei werden
ausschliesslich für Regisseurinnen:       der Neuen Frauenbewegung behan-         die drei Frauen in Stakas Drehbuch
Marguerite Duras, Chantal Akerman         delt. Es ist bemerkenswert, wie         – das unter Mitarbeit der österrei-
oder Ulrike Ottinger. Seyrig nahm in      mit pointierten Dialogen und aus-       chischen Filmemacherin Barbara
den 1970er-Jahren selbst die Kamera       sagekräftigen Bildern Rassismus,        Albert entstand – einander zum
in die Hand. Zusammen mit Carole          Klassismus, Sexismus und Hete-          Spiegel, der die geheimen Wün-
Roussopoulos gehörte sie zu den           rosexismus thematisiert werden,         sche, die ungelebten Träume und
ersten Videoaktivistinnen in Frank-       ohne dass dabei nur an der Oberflä-     verdrängten Ängste des jeweiligen
reich, die nicht nur Demonstrationen      che gekratzt wird. Die Low-Budget-      Gegenübers unbewusst reflektiert:
der französischen Frauenbewegung          Produktion gibt Born in Flames den      Alle drei Frauen tragen ein Geheim-
dokumentierten, sondern das neue          authentisch anmutenden Look eines       nis in sich, das sich, wie überhaupt
Medium auch nutzten, um die domi-         Zeitdokuments, der durch seinen         ihre Persönlichkeit, in kleinen insze-
nante Darstellung von Frauen im TV        dokumentarischen Stil weiter unter-     natorischen Details und in einer
und anderswo mit eigenen Bildern          strichen wird. Das utopische Setting    minimalen Körpersprache allmäh-
und Kommentaren zu kontern. 2009          des Films ermutigt die Zuschauer-       lich enthüllt.»
beschloss Carole Roussopoulos,            Innen, mit einem frischen Blick den     Alexandra Stäheli, NZZ
einen Film über Seyrig zu drehen.         Stand der Gleichberechtigung in der
Die Zeit reichte ihr aber nur, um das     Gesellschaft, in der sie leben, neu
Grundgerüst fertigzustellen. Ihre         zu betrachten und zu überdenken.»
Enkelin Callisto Mc Nulty hat die         Stephanie Denkert, sissymag.de
Arbeit mit dem Porträt der beiden
radikal freien Frauen letztes Jahr
beendet.
                                                                                                                     15
Kurzfilme
                                                                                     So. 8.3. 11:00
                                                                                 In Anwesenheit von Lucienne
                                                                                 Lanaz und Valentine Moser

Rosa Luxemburg                          Anna Göldin –
    Sa. 7.3. 15:30                      Letze Hexe
                                            Sa. 7.3. 18:15
Deutschland 1986, 123 Min.,
Digital HD, D                           In Anwesenheit von
Regie, Drehbuch:                        Gertrud Pinkus
Margarethe von Trotta
Mit: Barbara Sukowa,                                                             El dia del Euro
                                        Schweiz 1991, 104 Min., DCP, D
Daniel Olbrychski, Otto Sander,         Regie: Gertrud Pinkus
Adelheid Arndt, Jürgen Holtz,           Drehbuch: Gertrud Pinkus,                Schweiz 2009, 5 Min., Digital, OV
Doris Schade, Hannes Jaenicke,          Eveline Hasler                           Regie, Drehbuch: Claudia Lorenz,
Karin Baal                              Mit: Cornelia Kempers, Ursula            Cecilia Barriga
Alles, was Rosa Luxemburg wollte,       Andermatt, Peter Wyssbrod,               Als in Madrid Rentnerinnen und
war ein einfaches, glückliches          Roger Jendly, Anne-Marie Blanc,          Rentner dienstags für 1 Euro ins
Leben. Doch die gesellschaftlichen      Dominique Horwitz, Annemirl              Kino dürfen, bilden sich schon am
Zustände um 1900 fordern den            Bierbichler, Luca Kurt, Stefan           Nachmittag Warteschlangen. Men-
Gerechtigkeitssinn der Pazifistin       Gubser, Pinkas Braun, Dimitri            schenmassen, vor allem ältere
heraus. Sie mischt sich ein ins poli-   Glarus, November 1781: Die Toch-         Frauen, versuchen, eine Eintritts-
tische Geschehen, verfasst Schrif-      ter einer angesehenen Familie findet     karte zu ergattern. In der Warte-
ten und avanciert zur populärsten       in ihrer Frühstücksmilch Steck-          schlange kommt keine Langeweile
Verfechterin eines humanen Sozi-        nadeln. Der Verdacht fällt auf die       auf, denn es gibt viel zu sehen und
alismus. Die Kompromisslosigkeit        Dienstmagd Anna Göldin, von der          viel zu erzählen. Hier wird die beste
der couragierten Revolutionärin         sowohl der Hausherr wie auch die         Garderobe, die neue Frisur zur
passt nicht ins Parteikonzept der       Tochter fasziniert sind. Anna Göldin     Schau getragen, lauthals über Poli-
SPD, nach ihrem Ausschluss blei-        wird davongejagt. Danach spuckt          tik diskutiert, um Eintrittskarten
ben Rosa nur noch ihre Mitstreiter      das Kind über Wochen hinweg 106          gezankt, über Spaniens Vergangen-
Clara Zetkin und Karl Liebknecht.       Nadeln aus, sein linkes Bein erstarrt.   heit sinniert, über Filme gestritten
Gefängnisaufenthalte, Prozesse          Anna Göldin wird beschuldigt, das        und viel Kino-Vorfreude versprüht.
und politische Unruhen bestimmen        Kind verhext zu haben. Sie ist die
ihre letzten Lebensjahre. 1919 wer-     letzte Frau, die in Europa durch ein
den die KPD-Begründer Luxemburg         offizielles Gericht als Hexe verur-        La fée aux choux
und Liebknecht von der Reichswehr       teilt wird. Am 18. Juni 1782 wird sie
heimtückisch ermordet.                  hingerichtet.                            Frankreich 1896, 1 Min.,
                                                                                 Digital HD, stumm
Margarethe von Trottas einfühlsa-       Der Film von Gertrud Pinkus basiert      Regie, Drehbuch: Alice Guy-Blaché
mes Porträt der radikalen Friedens-     auf dem gleichnamigen Roman von          Mit: Alice Guy-Blaché, Yvonne
kämpferin ist nicht nur ein Stück       Eveline Hasler, der 1982 erschienen      Serand, Germaine Serand
deutscher Zeitgeschichte, sondern       ist. Die Geschichte stützt sich auf
widmet sich auch den Gefühlen           Quellen und Aufzeichnungen aus           Eine Blumenfee zaubert aus den
und Motiven seiner Titelheldin. Das     dieser Zeit und stellt Anna Göldin als   Blumen eines Gartens einige Babys
bewegende Biopic wurde mit dem          starke Frau dar, die ihrer Zeit zum      hervor und legt diese auf die Erde.
Filmband in Gold ausgezeichnet.         Opfer fällt. Wir zeigen die restau-      La fée aux choux gilt als der erste
Barbara Sukowa gewann mit ihrer         rierte digitale Fassung des Films.       Fantasyfilm der Filmgeschichte.
eindrucksvollen Leistung 1986 in                                                 Alice Guy-Blaché (1873–1968),
Cannes die Goldene Palme als beste                                               die erste Filmregisseurin der Welt,
Darstellerin.                                                                    arbeitete auch als Drehbuchautorin
                                                                                 und Produktionsleiterin und grün-
                                                                                 dete die Produktionsgesellschaft
                                                                                 Solax. Über 50 ihrer Filme wurden
                                                                                 in den letzten Jahren in verschie-
                                                                                 densten Archiven wiederentdeckt,
                                                                                 identifiziert und zum grossen Teil
                                                                                 auch restauriert.

16        Sois belle et tais-toi
A House Divided
USA 1913, 13 Min., Digital HD,
stumm
Regie, Drehbuch: Alice Guy-Blaché
Ein junges Ehepaar gerät durch ge-
genseitige Verdächtigungen in eine
Krise, die sich in Alice Guy-Blachés
Komödie amüsant und radikal zu-
spitzt und zu guter Letzt in einem                                             Ciné-Journal
Happy End auflöst. Als Kontrapunkt                                             au féminin
zur häuslichen Ehefrau inszeniert
Guy-Blaché eine freche, rebellische,
kaugummikauende Sekretärin. In                                                 Schweiz 1980, 75 Min.
dieser Figur der berufstätigen Frau                                            (Ausschnitt, 5 Min.), Digital, OV
lässt sich ein Verweis auf die Ände-                                           Regie, Drehbuch: Anne Cunéo,
rung der Frauenrolle Mitte der zeh-                                            Lucienne Lanaz, Erich Liebi, Urs
ner Jahre finden.»                                                             Bolliger
Madeleine Bernstorff in: 100 Jahre                                              Die Schweizer Filmwochenschau
Frauen & Kino                                                                  entstand in ihrer neuen Form zu
                                                                               Beginn des Zweiten Weltkrieges.
                                                                               Es war ihr Ziel, «als Mittel der Geis-
Sugarblues                             Pastry, Pain                            tigen Landesverteidigung eine
                                       and Politics                            objektive Bildinformation über das
Schweiz 1990, 28 Min., DCP, OV                                                 Geschehen im eigenen Land zu
Regie, Drehbuch: Nadia Fares           Schweiz 1998, 30 Min.,                   liefern». Während den 35 Jahren
Mit: Marcia Loring                     Digital HD, OV/d                        ihres Bestehens erreichte die Film-
Musik: Teddy Bärlocher                 Regie, Drehbuch: Stina Werenfels        wochenschau den respektablen
                                       Mit: Jack Carter, Viola Harris,         Umfang von 280’000 Metern in drei
Eine zerrüttete Zweierbeziehung:                                               Sprachen, aufgeteilt in etwa 9000
Im Luna Park von Coney Island,         Neza Selbuz
                                                                               Sujets, die ein breites Spektrum
Clint, der Diabetiker, betrügt seine   Ein älteres jüdisches Ehepaar plant     von Themen abdeckten.
Frau und geht fremd, währenddem        seine Sommerferien. Sie möchte
seine Frau ihm ein kalorienreiches,    nach Israel reisen und nicht in die     In Ciné-Journal au féminin untersu-
tödliches Essen vorbereitet. Ein       Schweiz – das Land, das sie damals      chen die Autorinnen, welche Rollen
kaltes Buffet der Liebe.                an der Grenze zurückgewiesen hat.       die Filmwochenschau der Frau zu-
                                       Er weigert sich mit der Begründung,     wies: Hausfrau? Star? Sportlerin?
«Den Film habe ich in Coney Island     es sei zu heiss in Israel und es gäbe   Königin? Soldatin? Oder ist sie darin
gedreht, während ich an der New        zu viele Araber. Er erleidet einen      eventuell gar nicht präsent? Wer
York University in die Filmschule      Herzanfall. Die Krankenschwes-          zeigt sie? Wie? Und warum? Diese
ging. Sugarblues ist eine Idee, die    ter, die ihm das Leben rettet, ist      Fragen versucht der Film zu beant-
mir kam, als ich bei meinen Grossel-   Palästinenserin.                        worten, sowohl auf Grund der Ori-
tern in Zollikofen war… mein Gross-                                            ginale selber als auch mit Hilfe von
vater war Diabetiker. Er trank Sirup                                           Statistiken und Nachforschungen
direkt aus der Flasche, und ich        Elise                                   im Zusammenhang mit den behan-
sah, wie meine Grossmutter sich                                                delten Themen.
abwendete. Das war der Moment,                                                      Der rund 5-minütige Ausschnitt,
der Sugarblues inspirierte.»           Schweiz 2018, 6 Min.,
                                       Digital HD, OV                          den wir zeigen, bringt die – dem
Nadia Fares                                                                    damaligen Zeitgeist entsprechende
                                       Regie, Drehbuch: Valentine Moser
                                                                               – frauenfeindliche Haltung der Film-
                                       Der Animationsfilm von Valentine        wochenschau auf den Punkt.
                                       Moser erzählt von Elise, die in einem
                                       Altersheim wohnt und merkt, dass
                                       sie immer weniger Kontrolle über
                                        ihr Leben hat. Alzheimer nimmt ihr
                                       das Verhältnis zur Realität und lässt
                                       ihr nur einige Bruchstücke ihrer
                                       Vergangenheit. Die Anwesenheit
                                       ihrer Tochter ist der einzige Anker,
                                       der Elise in der Realität festhält,
                                       aber diese Verbindung löst sich
                                       langsam auch.

                                                                                               Rubriktitel         17
Antonia’s Line                          Einige Interviews                      Orlando
   So. 8.3. 14:00                       zu persönlichen                            Mo. 9.3. 18:15
                                        Fragen
Niederlande/Belgien/GB 1995,                 So. 8.3. 18:15                    GB/Russland/Frankreich/Italien/
102 Min., 35mm, NL/d/f                                                         Niederlande 1992, 94 Min.,
Regie, Drehbuch: Marleen Gorris                                                35mm, E/d
Mit: Willeke van Ammelrooy, Els         UdSSR 1987, 95 Min., DCP, OV/e/d       Regie, Drehbuch: Sally Potter
Dottermans, Veerle van Overloop,        Regie: Lana Gogoberidse                Mit: Tilda Swinton, Billy Zane,
Thyrza Ravesteijn, Mil Seghers,         Drehbuch: Saira Arsenischwili,         Lothaire Bluteau, Charlotte
Jan Decleir, Jan Steen                  Erlom Achwlediani, Lana                Valandrey, Heathcote Williams,
                                        Gogoberidse                            Quentin Crisp
«Nach dem Ende des Zweiten Welt-        Mit: Sofiko Tschiaureli, Gija
krieges kehrt eine Holländerin mit      Badridse, Katewan Ochachelaschwili,    «Ein englischer Edelmann durchlebt
ihrer Tochter in ihr Heimatdorf         Nuza Aleken-Mes’chischwili,            wechselweise als Mann und Frau
zurück, um nach dem Tod ihrer Mut-      Lewan Abaschidse                       die vier Jahrhunderte zwischen der
ter den Hof zu bewirtschaften. Als                                             höfischen Zeit von Königin Elisabeth
sie ein halbes Jahrhundert später ihr   «Sopiko geht ganz in ihrem Beruf       I. und dem London des 20. Jahrhun-
Ende nahen fühlt, lässt sie wichtige    auf. Als Journalistin interviewt sie   derts. Seine geschlechtsgebunde-
Ereignisse ihres bewegten Lebens        unterschiedlichste Frauen zu ihren     nen Erfahrungen sind ein ironisch-
Revue passieren. Kraftvolle, vitale     Lebensbedingungen und Wün-             kritisches Spiegelbild der gesellschaf-
Familiensaga über vier Generatio-       schen. Dass ihr eigenes Glück und      tlichen Vorherrschaft des Mannes
nen, die Geschichte einer unabhän-      ihre Familie dabei zu kurz kommen,     und des wachsenden emanzipatori-
gigen Frauendynastie, mythische         bemerkt sie zu spät. Feinfühlig        schen Bewusstseins der Frau.»
Utopie und provozierendes Gegen-        erzählt Lana Gogoberidse in doku-      Lexikon des Internationalen Films
bild in einem. Durch den märchen-       mentarisch anmutendem Stil und
haft-erzählerischen Charakter           mit dynamischer Kameraführung          «Als Virginia Woolf 1928 ‹Orlando›
werden wichtige Grundanliegen der       von der Verzahnung des Privaten        herausbrachte, war sie in leiden-
Emanzipationsbewegung anschau-          und des Politischen, die sich auch     schaftlicher Liebe zu Vita Sackville-
lich ins Gedächtnis gerufen.»           in den Erinnerungen Sopikos an die     West entbrannt. Der aus einer alten
Lexikon des Internationalen Films       Mutter fortsetzen, die, für das Kind   Adelsfamilie stammenden Garten-
                                        unverständlich, 10 Jahre in der        gestalterin und Schriftstellerin wid-
«Marleen Gorris selbst ist 1948 in      Verbannung verschwand. Mit sei-        mete die Autorin ‹Orlando› und
einem solchen Dorf zur Welt gekom-      nem Fokus auf die alltäglichen         schrieb: ‹Ich hab all diese Monate in
men. Sie erzählt Antonias Geschich-     Kämpfe einer emanzipierten Frau        Dir gelebt – wenn ich rauskomme,
te kraftvoll, wissend und verträumt     gilt der Film als einer der ersten     wie bist Du dann wirklich? Habe
zugleich. Obwohl die Frauensaga         feministischen Filme der Sowjet-       ich Dich erfunden?› 1992 verfilmte
sich über ein halbes Jahrhundert        union.»                                Sally Potter das Buch mit einem
und fünf Generationen spannt, be-       Arsenal – Institut für Film und        Staraufgebot als schwelgerisches
hält sie die Fäden in der Hand.»        Videokunst                             Kostümdrama. Tilda Swinton bril-
«Emma»                                                                         liert darin als androgyner Orlando,
Oscar 1996 Bester fremdsprachiger                                              Quentin Crisp, die britische Ikone
Film                                                                           der frühen schwulen Emanzipa-
                                                                               tion, spielt in einer Paraderolle Eliza-
                                                                               beth I, und Jimmy Somerville (‹Don’t
                                                                               Leave Me This Way›) hat mit sei-
                                                                               ner Falsettstimme einen buchstäb-
                                                                               lich engelhaften Auftritt. Mit so viel
                                                                               leichtfüssiger Ironie und so viel poe-
                                                                               tischem Charme hat noch kaum
                                                                               ein Film den Genderdiskurs auf die
                                                                               Leinwand gebracht.»
                                                                               Pink Apple im Xenix

18        Sois belle et tais-toi
Für das Zustandekommen
                                                                                des Programmes danken wir:
                                                                                Premieren: Trigon Film, Ennetba-
                                                                                den / Xenix Filmdistribution, Zürich /
                                                                                Filmcoopi, Zürich / Cineworx, Basel /
                                                                                First Hand Films, Zürich
                                                                                Retrospektive Heidi Specogna:
                                                                                Heidi Specogna, Berlin / David
                                                                                Wegmüller, Solothurner Filmtage /
The Piano                              Aurore                                   Deutsche Film- und Fernsehakade-
                                                                                mie Berlin / Bundesarchiv Film-
     Di. 10.3. 18:15                       Mi. 11.3. 18:15                      archiv, Berlin / Cinémathèque suisse,
                                                                                Lausanne / Filmcoopi, Zürich /
Australien/Neuseeland/Frankreich       Frankreich 2017, 90 Min., DCP, F/d       Filmbringer, Bern / PS Film, Zürich
1993, 115 Min., DCP, E/d               Regie: Blandine Lenoir                   Filmgeschichte: Johannes Binotto,
Regie, Drehbuch: Jane Campion          Mit: Agnès Jaoui, Thibault de            Winterthur / National Film Archive,
Mit: Holly Hunter, Harvey Keitel,      Montalembert, Pascale Arbillot,          Prag / Park Circus, Glasgow /
Sam Neill, Anna Paquin                 Sarah Suco, Lou Roy-Lecollinet           Filmcoopi, Zürich
Mitte des 19. Jahrhunderts: Die        Agnès Jaoui glänzt mit gewohntem         Sois belle et tais-toi: Alva Film,
stumme Ada kommt mit ihrer klei-       Witz und Wärme als Frau im bes-          Genf / Arsenal – Institut für Film und
nen Tochter nach Neuseeland, um        ten Alter, die sich nicht unterkriegen   Medienkunst, Berlin / Studiocanal
eine arrangierte Ehe mit einem         lässt. Ohne Mann und ohne Arbeit,        Deutschland, Berlin / Adventure
fremden Mann einzugehen. Ihr           aber mit menopausalen Hitzewal-          Pictures, London / TF1, Paris / Bard
Gatte Stewart verkauft ihr geliebtes   lungen und demnächst auch bereits        Entertainments, London / Look
Piano an den Arbeiter Baines, dem      mit Enkelkind.                           Now!, Zürich / Frenetic Films, Zürich
Ada Klavierunterricht geben soll.      In einer von Jugend- und (Re-)Pro-       / Claudia Lorenz, Zürich / Gaumont
Während der Übungsstunden wan-         duktivitätswahn geprägten Gesell-        Pathé Archives, Paris / Lobster
delt sich ihre anfängliche Abneigung   schaft fühlt sich Aurore mehr und        Films, Paris / Dschoint Ventschr,
in verbotene Zuneigung. The Piano      mehr auf das Abstellgleis gedrängt.      Zürich / Nadia Fares, Genf /
ist nicht nur ein tragischer Liebes-   Doch sie verliert den Humor nicht,       Lucienne Lannaz, Jura-Films,
film in vielschichtigen Dimensionen,   erlangt neues Selbstbewusst-             Grandval / Valentine Moser,
sondern zeigt auch einen weibli-       sein und ihre Unternehmungslust          Neuchâtel / Cinémathèque suisse,
chen Blick auf die Abhängigkeits-      kehrt zurück. Einer unverhofft wie-       Lausanne
verhältnisse der gesellschaftlichen    dergetroffenen Jugendliebe öffnet
Strukturen und die koloniale Wir-      sie erneut ihr Herz. Aurore erzählt      Hemmungslose Filme:
kungsmacht jener Zeiten. Gerade        die Geschichte einer geschiede-          Ulrich Schenk, Museum für Kom-
auch das Ende repräsentiert einen      nen und alleinstehenden Fünfzige-        munikation, Bern / Park Circus,
optimistischen Gegenentwurf            rin, die ihre Stelle verliert, auf dem   Glasgow / Trust Nordisk, Hvidovre /
zum engen Gerüst der sozialen          Arbeitsmarkt diskriminiert wird, sich    André Bonzel, Paris / Cinémathèque
Schicklichkeiten.                      mit dem Auszug ihrer erwachsener         suisse, Lausanne
                                       Töchter konfrontiert sieht und oben-
                                       drein erfährt, dass sie demnächst        Kunst und Film: Paul Anton Smith,
                                       Grossmutter wird. Eine Phase des         London
                                       Umsturzes, in welcher innere und         Kunst und Film: Komplexe Bilder:
                                       äussere Umstände die Protagonistin       Maia Gusberti, Bern
                                       zu Veränderungen in ihrem bislang
                                       ruhigen Leben zwingen. Blandine          Specials: Thomas Ott, St. Gallen /
                                       Lenoir gelingt eine aussergewöhnli-      Lucie Bader, Bern / Walter Stoffel,
                                       che Komödie voller Schwung, in wel-      Freiburg / Frenetic Films, Zürich /
                                       cher auch die kleinste Nebenrolle        Jazzwerkstatt Bern / FIFF Fribourg /
                                       Charme und Zärtlichkeit versprüht.       Sister Distribution, Genf
                                                                                REXkids: Chinderbuechlade Bern /
                                                                                Filmcoopi, Zürich / Stamm Film,
                                                                                Zürich
                                                                                Uncut: Georges Pauchard und
                                                                                Uncut-Team, Bern
                                                                                Voller Leben: Palliative Bern /
                                                                                PZI Bern / ZePP Solothurn /
                                                                                Susan Gluth, Hamburg
                                                                                REXnuit: Jeremias Heppeler, DAIF,
                                                                                Jessica Jurassica
                                                                                                                   19
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