P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS

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P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
PR I V AT B A H N IM FOKUS MAGAZIN

                                         MAI/JUNI 2012

Die glorreichen Vier
 Eisenbahner mit Herz: Die Sieger 2012
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Nah dran.
         An den Menschen.
Wir machen tagtäglich ganze Regionen mobil –
mit Bussen und Bahnen.
Mehr Infos: www.veolia-verkehr.de
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I N H A LT

            Editorial                                                    4

            Die Preisverleihung                                          5

            Alle Kandidaten                                         6-13

            Gold: Peter Gitzen                                    14-21

            Silber: Oliver Vitze                                  22-26

            Bronze: Alexandra Schertler                           27-32

            Sonderpreis: Yalcin Özcan                             33-38

            Impressum
            Bahn-Media Verlag GmbH & Co. KG
            Salzwedeler Straße 5, 29562 Suhlendorf
            Telefon 05820 970177-0
            Telefax 05829 970177-20
            www.privatbahn-magazin.de
            Herausgeber: Prof. Dr. Uwe Höft, Christian Wiechel-Kramüller,
            Redaktion: Bahn-Media Verlag GmbH & Co. KG
            redaktion@bahn-media.com
            Redaktionelle Mitarbeit: Eva Neuls
            Bildredaktion und Layout: Eva Neuls, Hursched Murodow
            Telefon 05820 970177-13, grafik@bahn-media.com
            Anzeigenleitung: Rolf Schulze,
            Telefon 05820 970177-14, schulze@bahn-media.com
            Autoren: Barbara Mauersberg, Allianz pro Schiene
            Fotos: Andreas Taubert (www.andreastaubert.com)
            Lektorat: Nikola Fersing
            Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe
            Urheberrechte: Nachdruck, Reproduktionen oder sonstige
            Vervielfältigung – auch auszugsweise und mithilfe elektro-
            nischer Datenträger – nur mit vorheriger schriftlicher Geneh-
            migung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel
            geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Alle Verwer-
            tungsrechte stehen dem Verleger zu. Das Copyright 2012 für
            alle Beiträge liegt beim Verlag. Eine Haftung für die Richtigkeit
            der Veröffentlichungen kann trotz sorgfältiger Prüfung durch
            die Redaktion nicht übernommen werden, sofern nicht vor-
            sätzlich oder grob fahrlässig gehandelt wurde.
            ISSN: 1868-4386

            Den Wettbewerb
            unterstützt der

IM FOKUS PRIMA 03.2012                                                  
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Editorial

         „Plattform für Lob“
         Der Wettbewerb „Eisenbahner mit Herz“ geht jetzt ins zweite Jahr. Mit Freu-
         de haben wir festgestellt, dass die Zahl der Einsendungen deutlich gewach-
         sen ist.
                                 Viele Kunden haben uns geschrieben, dass sie händerin-
                                 gend einen Ort für ihr Lob gesucht haben. Eine solche
                                 Plattform wollen wir gerne sein. Wer nämlich die Medi-
                                 enberichterstattung über Bahnmitarbeiter liest, könnte
                                  glauben, es gibt nur die Zugbegleiter, die ihre Fahrgäste
                                  von oben herab behandeln. Wer die folgenden Seiten
                                 durchblättert, weiß es besser.
                                       Auch eine andere Neuerung liegt uns am Herzen:
                                        In diesem Jahr schlagen die Sieger im Interview ei-
                                                  nen nachdenklichen Tonfall an. Denn na-
                                                   türlich kann nicht jede Reisegeschichte
                                                    ein glückliches Ende haben. Auf den
                                                    folgenden Seiten lesen Sie deshalb
                                                      nicht nur alles über die vier strahlen-
                                                             den Sieger. Sie erfahren auch
                                                             etwas über die schwierigen
                                                              Seiten des Berufes. Wo Licht
                                                              ist, muss auch Schatten sein.
                                                              Unsere Eisenbahner mit Herz
                                                              wissen das schon länger.

                                                                             Wir wünschen
                                                                            viel Vergnügen
                                                                            bei der Lektüre

                                                                                   Dirk Flege
                                                                             Geschäftsführer
                                                                         Allianz pro Schiene

                                                               Die Frontfrau der
                                                               Eisenbahner mit Herz, Linda,
                                                               hat Dirk Flege und Rüdiger
                                                               Grube an ihrer Seite.


P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Der Laudator
reist aus Köln an
Für die Siegesfeier am 13. April in Berlin laden wir in diesem Jahr in den Mar-
morsaal im Palais am Festungsgraben.

Die Vorstände und Geschäftsführer al-        Verkehrsgewerkschaft), Hans-Werner
ler großen Bahnen, die in Deutschland        Bürkner (Bundesverband Deutscher
Mitarbeiter im Kundendienst haben,           Eisenbahn-Freunde) und Dirk Flege (Al-
werden im Publikum sitzen, wenn die          lianz pro Schiene) lassen es sich nicht
„glorreichen Vier“ auf die Bühne geru-       nehmen, die frisch gekürten Eisen-
fen werden.                                  bahner mit Herz gebührend zu feiern.
Auch die Jury des Wettbewerbs wird           Auf Einladung von Bahnchef Rüdiger
vor Ort sein: Karl-Peter Naumann             Grube hat Harald Schmidt eingewilligt,
(Fahrgastverband Pro Bahn), Michael          die Laudatio zu sprechen, „gerne“ und
Ziesak (Verkehrsclub Deutschland),           „aus Überzeugung“, schrieb er an Gru-
Christian Schultz (Deutscher Bahn-           be. Der Titel seines Vortrags: „Chili con
kunden Verband), Virginia Monteiro           Carne am Platz“.
(Gewerkschaft der Lokomotivführer),          „Köstlich“, hieß es dazu aus Bahnkrei-
Alexander Kirchner (Eisenbahn- und           sen. Köstlich? Man wird sehen.

Bahnvielfahrer Harald Schmidt kommt zur Siegesfeier nach Berlin.
                                                        Foto: Frank Bauer für DB Mobil

                                IM FOKUS PRIMA 03.2012                                    
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Die Kandidaten

        Die Kandidaten 2012
        Die Lieblings-Eisenbahner der Reisenden haben endlich ein Gesicht. Seit Mitte
        März steht unsere Galerie mit mehr als 60 Nominierten im Internet. Mehr als 150
        Bahnreisende schickten uns bis zum 31. Januar ihre Geschichte und kürten damit
        einen Kandidaten. Seitdem haben die Bahnen fieberhaft ermittelt, um die richtigen
        Mitarbeiter herauszufinden. Keine leichte Aufgabe bei rund 35.000 Angestellten,
        die in ganz Deutschland täglich im Kundendienst arbeiten. Unsere Kandidaten ar-
        beiten in Bahnhöfen oder Zügen aus fast allen Bundesländern, nicht wenige wurde
        mehrfach genannt. Spitzenreiter: Herbert Kusche, der „Star der Schwarzwaldbahn“,
        mit vier Einsendungen. Möchten Sie mehr über die Reisegeschichte hinter dem Bild
        erfahren? Besuchen Sie unsere Internetseite: www.eisenbahner-mit-herz.de

        Uwe Ademeit                      Susanne Heizmann                         Thomas Klein
        Baden-Württemberg                Baden-Württemberg                  Baden-Württemberg
        Triebfahrzeugführer               Kundenbetreuerin        Triebfahrzeugführer der Albtal-
        Rhein-Neckar-Verkehr (RNV)        SBB Deutschland             Verkehrs-Gesellschaft (AVG)

        Alfred Knoll                       Herbert Kusche                      Severine Muffler
        Baden-Württemberg                Baden-Württemberg                 Baden-Württemberg
        Mitarbeiter DB Netz Ulm -           Zugbegleiter                        Zugbegleiterin
        Bahnhof Bad Waldsee          Schwarzwaldbahn (DB Regio)              DB Regio Freiburg

                                       IM FOKUS PRIMA 03.2011
                                                       03.2012
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Anneliese Raumland              Thomas Skrempa                Oliver Vitze
Baden-Württemberg             Baden-Württemberg       Baden-Württemberg
Mitarbeiterin                     Lokführer                      Lokführer
DB Dialog Karlsruhe              DB Regio Ulm          DB Regio Crailsheim

André Weber                       Angelika Förg             Monika Gagell
Baden-Württemberg                     Bayern                       Bayern
Mitarbeiter                        Mitarbeiterin            Zugbegleiterin
DB Service Point Freiburg     Reisezentrum Augsburg     DB Regio Augsburg

Martin Hinz                    Wilfried Kiesling      Frank Kretschmann
Bayern                             Bayern                           Bayern
Zugbegleiter                     Zugbegleiter                  Zugbegleiter
DB Fernverkehr München              Agilis               Agilis Regensburg

                            IM FOKUS PRIMA 03.2012                            
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Die Kandidaten

        Yalcin Özcan                      Alexandra Schertler                    Jasmin Schmid
        Bayern                                  Bayern                                  Bayern
        Zugbegleiter Kurhessenbahn -    Zugbegleiterin Bayerische                Zugbegleiterin
        Südostbayernbahn                  Oberlandbahn (BOB)                 DB Regio Augsburg

        Thomas Schüssler                    Philipp Ulbrich               Thomas Wackernagel
        Bayern                                  Bayern                                    Bayern
        Zugbegleiter                          Zugbegleiter              Mitarbeiter Service Point
        Bayerische Oberlandbahn (BOB)   DB Fernverkehr München         München Hauptbahnhof

        Enrico Gottwald                     Markus Lindner           Heiko Schmidt-Dworschak
        Berlin                                  Berlin                              Brandenburg
        Zugbegleiter                          Mitarbeiter                           Zugbegleiter
        DB Fernverkehr Berlin                 DB Dialog             DB Regio Berlin Brandenburg

                                        IM FOKUS PRIMA 03.2012
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Maik Ziche                          Marius Barth               Brigitte Bockmann
Bremen                                Hamburg                            Hamburg
Zugbegleiter                         Zugbegleiter                   Zugbegleiterin
DB Regio Bremen                DB Fernverkehr Hamburg     DB Fernverkehr Hamburg

Olaf Engel                        Jürgen Hansen                   Frank Lehmann
Hamburg                              Hamburg                             Hamburg
Zugbegleiter                    Triebfahrzeugführer                   Zugbegleiter
DB Fernverkehr Hamburg         Hamburger Hochbahn         DB Fernverkehr Hamburg

Sylke Pagels-Schührer             Andreas Chelius                     Boris Ewald
Hamburg                                 Hessen                           Hessen
Zugbegleiterin                   Triebfahrzeugführer              Sachbearbeiter
DB Fernverkehr Hamburg       Hessische Landesbahn (HLB)    Kundendialog DB Regio

                         IM FOKUS PRIMAPRIMA
                              IM FOKUS  03.2011
                                             03.2012                                    
P - Die glorreichen Vier - IM FOKUS
Die Kandidaten

         Achim Günther                           Joachim Hille                      Ralf Klaus Müller
         Hessen                                      Hessen                                   Hessen
         Zugbegleiter                      Zugbegleiter DB Fernverkehr                  Zugbegleiter
         DB Fernverkehr Kassel                  Frankfurt / Main            DB Regio Frankfurt / Main

         Anett Reutzel                              Mike Tost                          Evelyn Wawra
         Hessen                                       Hessen                                   Hessen
         Zugbegleiterin                     Vertriebsleiter DB Vertrieb   Mitarbeiterin Reisenzentrum
         DB Fernverkehr Frankfurt / Main         Frankfurt / Main                 Frankfurt Flughafen

         Svenja Wesp                               Lars Wolf                               Rita Klein
         Hessen                                    Hessen                 Mecklenburg-Vorpommern
         Mitarbeiterin Reisezentrum              Zugbegleiter                        Zugbegleiterin
         Frankfurt Flughafen                 DB Fernverkehr Fulda                 DB Regio Rostock

10                                            IM FOKUS PRIMA 03.2011
                                                             03.2012
Ute Nietzke                       Nina Bufe                      Henning Bülow
Mecklenburg-Vorpommern          Niedersachsen                     Niedersachsen
Zugbegleiterin                  Zugbegleiterin                 Servicemitarbeiter
DB Fernverkehr Stralsund        NordWestBahn                          Metronom

Andreas Gawantka                 Melvyn Heuer                      Michael Prade
Niedersachsen                    Niedersachsen                     Niedersachsen
Zugbegleiter                      Zugbegleiter                       Zugbegleiter
DB Fernverkehr Hannover          NordWestBahn            DB Fernverkehr Hannover

Thomas Rihs                Ansgar Schulze-Finkenbrink            Karl-Ulrich Ante
Niedersachsen                    Niedersachsen               Nordrhein-Westfalen
Lokführer                         Zugbegleiter                       Zugbegleiter
NordWestBahn Osnabrück      DB Fernverkehr Norddeich    DB Fernverkehr Dortmund

                           IM FOKUS PRIMA 03.2012                                    11
Die Kandidaten

         Wilfried Dinger                  Peter Gitzen                     Marion Granel
         Nordrhein-Westfalen          Nordrhein-Westfalen             Nordrhein-Westfalen
         Mitarbeiter                     Zugbegleiter                        Mitarbeiterin
         Reisezentrum Detmold         DB Fernverkehr Köln              Reisezentrum Bonn

         Sascha Helle                   Andreas Rasche                    Helmer Stutzer
         Nordrhein-Westfalen          Nordrhein-Westfalen             Nordrhein-Westfalen
         Zugbegleiter                 Triebfahrzeugführer                    Zugbegleiter
         DB Fernverkehr Köln      S-Bahn Rhein Ruhr Düsseldorf           DB Regio Hamm

         Enrico Pruß                     Inge Weißgerber                   Kathrin Himpel
         Rheinland-Pfalz                     Saarland                            Sachsen
         Zugbegleiter                      Mitarbeiterin                    Zugbegleiterin
         DB Regio Mainz         DB Station & Service in Saarbrücken                ODEG

12                                     IM FOKUS PRIMA 03.2011
                                                      03.2012
Mario Volkmar Weiß      Johannes Hanstein                 Wolfgang Mönch
Sachsen                   Sachsen-Anhalt                    Sachsen-Anhalt
Zugbegleiter                Zugbegleiter                       Zugbegleiter
DB Fernverkehr             DB Regio Halle              DB Regio Magdeburg

Olaf Weiner              Joachim Jo Geisler                   Helmut Kube
Sachsen-Anhalt           Schleswig-Holstein                     Thüringen
Zugbegleiter                 Mitarbeiter                         Lokführer
DB Regio Magdeburg   DB Station & Service Lübeck            DB Regio Erfurt

                                                                              ANZEIGE

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                                      www.rnv-online.de.

                     IM FOKUS PRIMA 03.2011
                                    03.2012                                         13
Die Kandidaten

    Goldmedaille: Peter Gitzen

    Tränen lügen nicht
    Es sind zwei sehr verschiedene Einsendungen, für die Peter Gitzen den
    Titel gewinnt. Doch eins haben die Geschichten gemeinsam: In beiden
    Fällen kämpften seine Fahrgäste mit den Tränen. Die ältere Dame, die ihre
    Bahncard aus Versehen in einen Mülleimer entsorgt hatte, und die beiden
    Mädchen, die am späten Abend im falschen Zug saßen. Der Zugbegleiter aus
    dem Raum Köln fand eine Lösung, die so herzensgut war, dass der Jury keine
    andere Wahl blieb: Peter Gitzen ist der Eisenbahner mit Herz 2012.
Die Gewinner

    Porträt

    Der Herzensgute
    Am 21. August 2001 verliert Zugchef          Peter darf sogar kleine Mädel mit nach
    Peter Gitzen im Intercity von Hamburg        Hause nehmen? Die Kollegen winken
    nach Köln sein Herz. Die junge Moskau-       ab: „Beim Peter sind die in guten Hän-
    erin Lena sitzt mit ihrem sechsjährigen      den.“ Wahrscheinlich, weil Peter Gitzen
    Sohn André in seinem Zug. Schon als er       einer ist, der auch eine 78-jährige Dame
    die Fahrkarten kontrolliert und die Frau     in Not mitgenommen hätte. Vielleicht
    in fließendem Russisch mit kölschem          hätte er die aber nicht im Zelt unterge-
    Akzent begrüßt, ist es um die beiden         bracht.
    geschehen: Ein paar Monate später sind
    sie verheiratet. Es ist also seine Glücks-
    Strecke, auf der Peter Gitzen Jahre
    später Saskia und Annabell trifft. Die
    Mädchen fahren im falschen Zug, der
    sich im Nachhinein als doch nicht so
    verkehrt herausstellt: Immerhin lernen
    sie die ganze Familie Gitzen kennen,
    übernachteten im Zelt und gratulie-
    ren der inzwischen geborenen Tochter
    Anactacia zum siebten Geburtstag.
    Danach greifen die Mädchen zur Fe-
    der und empfehlen der Jury mit großer
    Überzeugungskraft ihren Kandidaten.
    Peter Gitzen ist als Mensch so herzens-
    gut, dass sogar Kollegen lächeln, wenn
    sie ihn sehen. „Peter wird Eisenbahner
    mit Herz? Der hat es verdient.“ Auch
    sein langjähriger Gruppenleiter, Heinz
    Häckes, lächelt. „Der Peter übertreibt es
    manchmal mit dem Helfen. Aber man
    kann ihm ja nicht böse sein.“ Einer wie

    „Eine Kölner Frohnatur“, schreibt Einsen-
    der Lothar Götz. „Ein herzlicher Mensch“,
    findet Saskia Kollmer. Das Votum der
    Jury fällt blitzschnell und einstimmig:
    Gold für Peter Gitzen.

                                    IM FOKUS PRIMA 03.2012                                   15
Die Gewinner

         Interview

         „Ich bin immer im Dienst“
         ICE-Zugchef Peter Gitzen über allzu korrektes Verhalten von Kollegen, die
         beruhigende Wirkung der kölschen Mundart und wie er im Intercity seine
         spätere Ehefrau kennen lernte.

         Herr Gitzen, was war die größte Herz-      tig und ging noch einmal durchs Res-
         geschichte, die Sie je im Zug erlebt ha-   taurant. Da sah ich die Dame an einem
         ben?                                       Tisch sitzen.
         Das war am 21. August 2001. Da habe        Mir fiel sofort auf, dass mit ihr etwas
         ich die Frau kontrolliert, die später      nicht in Ordnung war, sie hob die Hand
         meine Ehefrau geworden ist. Sie kam        in meine Richtung und wirkte etwas
         aus Moskau, saß im Intercity Hamburg       weinerlich. Ich setzte mich zu ihr an
         – Köln und wollte nach Aachen, um          den Tisch und fragte, was los sei. Da er-
         eine Cousine zu besuchen. Am Kölner        zählte sie mir ihr ganzes Missgeschick.
         Hauptbahnhof wusste sie nicht weiter,      Die abgelaufene Bahncard hatte sie
         „zum Glück“, sagen wir beide heute.        vor sich liegen, aber ihre neue hatte
         Ich habe sie nach Aachen begleitet         sie wohl irrtümlich in den Mülleimer
         und ihr in der nächsten Woche ganz         von einem Regionalexpress geworfen.
         Deutschland gezeigt. Ich habe wirklich     Mein junger Kollege hatte deshalb
         alle Register gezogen. Sie wollte sich     schon 30 Euro kassiert. „Wäre das mög-
         revanchieren und hat mich nach Mos-        lich, von hier aus in einen anderen Zug
         kau eingeladen. Ein paar Monate später     zu telefonieren?“, fragte sie. „Na klar
         waren wir verheiratet.                     ist das möglich“, sagte ich. Aus ihren
                                                    Fahrkartenunterlagen konnte ich her-
         Das ist mal ein glückliches Ende ganz      auslesen, in welchem Zug sie geses-
         ohne Tränen. Wie kommt es, dass Ihre       sen hatte. Das sagte ich dem Kollegen
         Fahrgäste sonst so viel weinen?            an Bord auch. Es dauerte nicht lange,
         Ich arbeite seit 38 Jahren für die Bahn.   da kam der Rückruf. Die Bahncard ist
         Über die Jahre kommt da schon einiges      gefunden worden, der Triebfahrzeug-
         an Tränen zusammen. Ich erlebe etwa        führer versprach, sie an der DB-Infor-
         vier- bis sechsmal im Jahr echte Aben-     mation in Braunschweig für Frau Winter
         teuer mit meinen Fahrgästen.               zu hinterlegen.

         Wie war das denn mit der Bahncard der      Was haben Sie dann dem jungen Kolle-
         alten Dame – können Sie sich daran er-     gen gesagt?
         innern?                                    Ich ging zu ihm, bat, die Ersatzfahrkarte
         Natürlich. Ich war Zugchef auf dem ICE     zu stornieren, und brachte der Dame
         von Köln nach Berlin. Etwa auf der Höhe    ihr Geld zurück. Natürlich hatte der Kol-
         von Wolfsburg war ich mit der Fahrkar-     lege korrekt gehandelt. Das habe ich
         tenkontrolle in der Zweiten Klasse fer-    vor der Kundin auch betont.

16                                       IM FOKUS PRIMA 03.2012
„Es kann nie schaden, einer Sache noch mal nachzugehen.“

Sie selber handeln aber niemals bloß              Was haben Sie dann gemacht? Sie tru-
korrekt.                                          gen ja keine Uniform.
Manchmal ist das eben zu wenig. Man               Uniform nicht, aber mein Diensthandy
kann ja über alles reden. Zum Beispiel            habe ich immer dabei. Ich habe mich
hätte ich es nicht verkehrt gefunden,             also eingeloggt und am Bahnhof Be-
wenn der junge Kollege vorher mal zu              scheid gesagt, dass der Rucksack sofort
mir gekommen wäre. Als Zugchef muss               hinter uns hergeschickt werden soll.
ich am Ende sowieso den Kopf hinhal-              Das hat dann auch alles wie am Schnür-
ten, da hätte er mich auch gleich fra-            chen geklappt und der Reisende hat
gen können. Und es kann nie schaden,              seinen Flug noch gekriegt.
einer Sache noch mal nachzugehen.
Das kostet einen Anruf, und dann ist              Sind die Kollegen böse, wenn Sie ein-
spätestens klar, dass die Frau tatsäch-           fach so eingreifen?
lich eine Bahncard hat.                           Glaube ich nicht. Die mich kennen, wis-
                                                  sen schon, dass ich nicht anders kann.
Es gibt also schon Fälle, in denen Sie            Ich muss einfach helfen. Ich bin immer
mit Ihren Kollegen nicht einverstanden            im Dienst.
sind?
Vor Kurzem war ich in Zivil unterwegs.            Kürzlich waren Sie im Dienst auch ein-
Ein Fahrgast hatte seinen Rucksack mit            mal wieder gefordert. Da hatten Sie es
allen Papieren, Flugtickets nach Dubai            mit zwei jungen Mädchen zu tun, die
und Ausweisen auf dem Bahnsteig in                am späten Abend im falschen Zug sa-
Düsseldorf vergessen. Der Zug fuhr                ßen. Was haben Sie da gemacht?
gerade los und der Reisende erzählte              Das war wirklich ein Abenteuer. Ich
dem Zugchef von seiner Notlage. Wis-              fuhr im IC von Hamburg nach Köln, da
sen Sie, was der sagte? „Ist doch nicht           standen kurz hinter Münster auf einmal
mein Problem.“ So was kann ich über-              zwei 14-Jährige vor meinem Dienst-
haupt nicht verstehen.                            abteil. Sie waren ganz außer sich und

                                   IM FOKUS PRIMA 03.2012                                    17
Die Gewinner

         fragten: „Fährt der Zug nach Essen?“        ich nach der Vorschrift an der nächsten
         Ich sagte: „Natürlich fährt der Zug nach    Station in Dortmund nämlich machen
         Essen.“ Ich setzte noch einen drauf: „Der   müssen. Eine andere Möglichkeit? Ich
         Zug fährt sogar noch ein Stückchen          würde sie mit zu mir nach Hause neh-
         weiter: nach Köln.“ Da schauten sie         men, im Garten ein Zelt für sie aufbau-
         mich groß an. „Aber nach Essen bei Ol-      en und am nächsten Tag eine geord-
         denburg?“ „Nee“, sage ich, „Kinder, nach    nete Rückreise für sie organisieren. Das
         Essen bei Oldenburg? Da kommen wir          schien uns nach mehreren Telefonaten
         heute nicht mehr hin.“ Sie waren sofort     mit allen Eltern am Ende das Beste, und
         in Tränen aufgelöst. Ich setzte sie des-    so haben wir das dann auch gemacht.
         halb erst mal ins Dienstabteil, tröstete
         sie, nahm das Telefon und rief die Eltern   Saskia und Annabell haben die Reise
         an.                                         mit Ihnen so spannend gefunden, dass
                                                     sie einen perfekt formulierten Aufsatz
         Die haben sich bestimmt ziemlich er-        an die „Eisenbahner mit Herz“-Jury ge-
         schreckt.                                   schrieben haben. Die Mutter hat uns
         Das schon, aber nachdem ich mich vor-       verraten, dass sie nicht mal beim Ab-
         gestellt hatte, die Situation geschildert   fassen helfen durfte. Raten Sie mal, wie
         habe, sind sie sehr schnell wieder run-     lange die Jury danach gebraucht hat,
         tergekommen. Das lag bestimmt an            um Sie für den Titel auszuwählen?
         meiner Stimme.
                                                     Lange?
         Oder an Ihrem kölschen Dialekt.
         Bestimmt! Jedenfalls wollten die Mäd-       Zwei Minuten.
         chen, Saskia und Annabell, nicht der        Das freut mich so sehr, dass ich Gänse-
         Polizei übergeben werden. Das hätte         haut kriege.

                                                                         „Wer mich kennt,
                                                                         der weiß: Ich muss
                                                                         einfach helfen.“

18                                        IM FOKUS PRIMA 03.2012
Einsendung des Kunden

          Tränen am Volkstrauertag
                                                                                          Erinnerung an
                                                            entlich ein Tag der auf der Fahrt
            ges cha  h  am  Vol  kstrauertag – eig                 ein  e  ältere   Dam  e
       Es                                                    für
                                  e. Dass dieser Tag                       wäre, hatte ich nic
                                                                                                       ht er-
       traurige Ereigniss                h  seh  r traurig geworden                                 ger  egte
                        bei nah  e  auc                                       e sic  htl  ich   auf
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         and ere n  Zug   ges ess   en  hat  te   und
                                                                   sch  wun den  –  kon  kret: Sie hatte
                      ihr e  gül  tig  e  Bahncard (BC) ver                 ene  neu  e  BC,   die sie zur
         aber war                                  die soeben erhalt
                         ufe ne    BC   dab  ei,                                    in   der    Annahme, es
         ihre abgela
                                 ere  n   Zug   vor  gezeigt hatte, jedoch                en.   Der Schaff-
         Kontrolle im and                                   mer im Abteil gew
                                                                                     orf
               die   abg ela ufe   ne, in den Müllei                 ere  sse  und   kas  sie  rte die Dame
         sei                                                ig Int
                                   ser Situation wen                          isdifferenz erneut
                                                                                                            zum
          ner zeigte an die                  e  hin  sichtlich der Pre
                          e   Zug  str  eck
          für die neu
                                                                                             en vorbei und
          vollen Tarif ab.                                     Gitzen im Speisewag gte er sie,
              ig   spä ter   kam    der Zugchef Peter                sit  zen .  Sof ort    fra
          Wen                                                     t
                                         ringende Dame dor                   chte. Peter Gitzen
                                                                                                          – üb-
          sah die nach Tränen               erz ähl  te ihm die Geschi                              ent ,  rief
                             sei  .  Sie                                        e  kei   nen   Mom
           was denn los                    Köl  ner   Fro hnatur – zögert                               hin  ter
                                 isc  he                                                mer   dir  ekt
           rigens eine typ                                     BC, die im Müllei
              and  ere n  Zug   an   und ließ nach der                  ,  suc hen .  Er   bli  eb gegenüber
           im                                     l liegen sollte                                     kruf. Es
                    dem Steuerungsabtei                                     ig auf einen Rüc
                            Dam  e   sit  zen    und wartete geduld                gef  und en    wor den (und
                      der
                               e  nur    fün  f  Min  uten: Die Karte war               Kar te    am  Service-
                      dauert                                r Gitzen ließ die
                                 auch gültig). Her                    e  auf   der   Rüc  kfa hrt ansteuern
                                          point, den die Dam
                                                                     und es war gut.
                                          würde, deponieren
                                                                                                    vorher vom
                                                                       tauchte er mit dem
                                         Zehn Minuten später              Zus chl ag   wie  der    auf und gab
                                                                    ten
                                         Kollegen abkassier                                      elte er noch
                                                                      ück. Außerdem reg
                                         ihr das Bargeld zur                         hrt   kei  nen   Ärger be-
                                                                       der Rückfa
                                         alles, damit sie auf ter strahlte überglücklich.
                                                                 u Win
                                        kommen würde. Fra                                    “ im Zugbetreu-
                                                        o  doc h  mit dem „Menschen
                                        Es geh    t  als
                                                                               Her rn   Git  zen zu mir und
                                                                 bat ich
                                       er. Anschließend                           sch  lag en   zu dürfen. Er
                                                                nis, ihn vor
                                       bat ihn um Erlaub                                    er    habe bereits
                                                                   ählte beiläufig,
                                       stimmte zu und erz                                         ibe n zu sol-
                                                                    rdner mit Dankschre
                                      einen ganzen Leitzo gängen. Auf meine Frage, ob er
                                                                  Vor
Ein ganzer Leitz
                  or                  chen und ähnlichen                   Belobigung oder irg
                                                                                                        endetwas
Dankesschreib dner mit                jem  als    eine dienstliche                          n!
                 en:                                                     e: klares Nei
hat in bald 40 Ja Peter Gitzen dieser Art erfahren hab t wird das ändern.
                   hren im                       fe,   die ser  Ber   ich
Dienst viel
        Post von Kunden               Ich hof
bekommen.
                                   Lothar Götz

                                             IM FOKUS PRIMA 03.2012                                                 19
Die Gewinner

         In die falsche Richtung

                      Freundin           Anna-
         Meine                             und
                            n    (1  4)
         bell Ortman
         ich      (Saskia         Kollmer,
                                     Freun-
         14) wollten eine
                        ei ne   be su  chen.
         din in Rh
                                      r die
         Wir hatten uns fü
                                    lerfe-
          Ferien ein Schü
                ti ck et      fü r     Nie-
          rien
                       en   ge ho lt     und
          dersachs
                          damit       nach
          konnten
                                        Auf
          Rheine fahren.
                 Rü  ck we  g   bu mm  el -
          dem
                          no ch    du  rc h
           ten wir
                                        l-
           Osnabrück und beei
                                      den
           ten uns dann, um
                                       zu
           Zug nach Essen
                                     mussten
           bekommen. Darin
                                         en, da der Zug
           wir getrennt sitz                                         n war,
                                   Al  s  der Zug losgefahre
            sehr voll war.                    k  mi t un se re m  Headset und hörten
            hörten wir beide
                                       Mu si                              en kam. Plötzlich
                               s  ni  ch t,   wa s in den Durchsag                       wir ge-
            somit an    fa  ng                                 sagte mir, dass
                                       sich zu mir und                               klar, dass
            drehte Annabell                                 ie n.    Un s  wu  rd e
                                         r gefahren se                                          Zug
            rade durch Münste                                         rg), sondern im
                   ni ch t   im   Zu g   na  ch Essen (Oldenbu                Wi r  üb er le gt en,
            wir                                   ummer 2311, saße       n.
                       se  n  (R uh r)  ,  Zu  gn                               An  gs t,  da   wir
             nach Es                                             d hatten
                                        chen konnten, un                             ffner Peter
             was wir jetzt ma                                nd  en   da nn   Sc ha
                                         fuhren. Wir fa                                          ch,
             ja jetzt schwarz                                         rt war. Er sah na
                   en   un d   er kl  är te n ihm, was passie                ,  un d  sa gt e,   wir
             Gitz                                                        hr
                        r   nä ch st  e  Zu  g  nach Osnabrück fu                da  es  mi tt le r-
             wann de                                               kommen,
                                         t mehr nach Hause                             erfordert,
             würden heute nich                                  wa re n   to ta l   üb
                                          spät war. Wir                                            n.
              weile schon sehr                                          llten, und weinte
                    te n   ni ch t,    wa s   wir nun machen so                un s   ei ne n   Vo r-
              wuss                             gte uns und mach
                                                                         te
                        Gi tz  en    be ru hi                                     nd   au ss te ig en
              Peter                                                     Dortmu
                                           wir würden nun in den aufhalten oder
              schlag: Entweder                                 s   St un
                                          dort dann sech                                     m nach
              und müssten uns                                       wir würden mit ih
                 r  kö nn  te n  zu r   Po lizei gehen oder                 an  ru fe n,  da mi  t er
              wi
                        fa hr en ,   un  d  er   würde seinen Sohn                 m  fa hr en ,  und
               Hause                                                 n mit ih
                                             kann. Wir wollte                           , was pas-
               das Zelt aufbauen                                ne n  zu   er kl  är en
                                           tern an, um ih                                        dann
               er rief unsere El                                      t, aber stimmten
                  er t   wa r.   Di es  e   waren sehr besorg              d  zu   es se n  un d  wir
               si                                was zu trinken un
                         te r  ga  b   un s   et                                     we il  er   no ch
               zu. Pe                                                ben ihn,
                                            in einen Raum ne
               setzten uns dann

20                                             IM FOKUS PRIMA 03.2012
ihm um
                                                     gen wir dann mit
                             musste. Dort stie                                 iler zu
  nach Köln fahren                                     rt   na ch    Es ch  we
                             Aachen und von do               hlte er uns, dass
  in den Zug nach                     angekommen, erzä
                        e.   Do  rt                                                 Sohn
  ihm na    ch   Ha us                                rtstag hätte. Sein
                             nächsten Tag Gebu                            ter gab uns
  seine Tochter am                              fg es  te ll t  un d  Pe
                             hon für uns au                                      nnten.
  hatte das Zelt sc                                   e Zähne putzen ko
      hn bü rs te n,   da mi  t wir uns noch di                 Ta g   we  ck te   Peter
  Za                                                       en
           gi ng en    wi r   sc hlafen. Am nächst                 mi  t   ih m  in   den
   Dann                                                 sammen
                               . Wir stiegen zu                           dierte. Da-
   Annabell und mich                              en  un  d  Te e  sp en
                                er uns Brötch                                  erklärte
   Zug nach Köln, wo                                tung Osnabrück,
       ch  br ac ht e   er   uns zum Zug Rich                du rf te  n   so ga r First
   na                                los war, und wir
   seinen     Ko ll eg  en ,  wa  s                                ch   Sn  ic ke rs und
                                                        auch no
                                Zug bekamen wir                          men, wartete
   Class fahren. Im                              Os na  br üc k   an ka
                                  Als wir in                                        , als
    etwas zu trinken.                                    der Zeit betreute
       rt   ei n  Ma nn   au  f uns, der uns in              )  wa  rt et  en .  Wi r be-
    do                                Essen (Oldenburg
             f   de n  Zu g   na ch                                   r  Ma  nn  br achte
    wir au                                           n Brot. De
                              einen Tee und ei                            endlich nach
    kamen dort noch                              un d  wi r   fu hr en
                                tigen Gleis
    uns dann zum rich                                 n erwarteten.
                           un sere Eltern scho                                       n ha-
    Ha  us e,  wo   un  s
                                      da ss wi r  Pe te  r Gitzen getroffe
     Wir si   nd   se hr    fr oh  ,                                 ch  t   na ch   Hause
                                                       n wir ni
                               seine Hilfe wäre                         t uns mit Es-
     ben, denn ohne                               be mü  ht   un d  ha
                                 um uns sehr                                       n Cent
     gekommen. Er war                                   ne dass wir eine
        n   un d  Tr  in ke n   gut versorgt, oh              fü r   un  s   ex tr a   eine
     se                                 ßerdem hat er
              en    mu  ss te n.     Au                               e   kl  ei ne   To ch-
     bezahl                                                hl sein
                                 organisiert. Obwo                          sich bereit
     Betreuungsperson                                ha  tt e,  ha t   er
                               Tag Geburtstag                                          sich
      ter am nächsten                                      e zu nehmen, und
         kl är t,   un s   mi t   zu sich nach Haus             er ,    hi lf  sb er ei ter,
      er
              s   ge so rg t.    Er   ist ein sehr nett
      um un
                                  .                                                     Herz
      herzlicher Mensch                                     Eisenbahner mit
                                  freuen, wenn er
      Wir würden uns
      wird!
                                 Annabell Ortmann
       Saskia Kollmer,

Würdigung der Jury

Niemals Schema F
„Wer den Passagier als Gast ansieht, dessen Gastfreundschaft endet nicht am Zugab-
teil. Uns hat die Herzlichkeit und das private Engagement von Peter Gitzen fasziniert,
der gestrandeten Reisenden in der Zeit bis zum Morgenzug aus der Patsche hilft. Ein
solcher Zugbegleiter verfährt auch bei Ticket-Problemen nicht nach Schema F. Soviel
Gastfreundschaft nach Dienstschluss und Freude an der Recherche sind selten.“

                                  IM FOKUS PRIMA 03.2012                                        21
Die Gewinner

         Wollte schon als kleiner Junge Lokführer werden: Oliver Vitze aus Crailsheim.

         Silbermedaille: Oliver Vitze

         Der Herr der Ringe
         Nürnberg Hauptbahnhof: Alexandra Gutsche-Trimis bringt ihre Freundin
         zum Bahnhof. Beim Winken rutscht ihr der Ehering vom Finger und landet
         unter dem Zug am Nebengleis. Ein Anruf beim Ehemann bringt sie nicht
         weiter. In ihrer Not klopft die Frau bei den Lokführern des wartenden
         Regionalexpress. Der „netteste Lokführer der Welt“ steigt aus und kriecht
         für sie unter den Zug. Er wendet alle Steine, bis der Ring gefunden ist. Als
         die Kundin ihn voller Dankbarkeit fragt, was sie für ihn tun kann, hat er nur
         einen Wunsch: ein Stück Seife.

22                                         IM FOKUS PRIMA 03.2011
                                                          03.2012
Porträt

Oli kommt nach Hause
Kurz bevor er die Tat vollbringt, die ihn   angetan und verspricht, zur Siegesfeier
zum Eisenbahner mit Herz macht, sitzt       am 13. April nach Berlin zu reisen. Oliver
Oliver Vitze in seiner Lokomotive und       Vitze wird sich ebenfalls auf den Weg
isst eine Currywurst.                       machen – er kommt schließlich nach
Dieser Umstand passt ins Bild: Die ent-     Hause.
scheidenden Jahre seines Lebens hat
der 41-Jährige nämlich in Berlin und
Umgebung verbracht. Geboren am
Bahnhof von Neustrelitz, erklettert er
schon als kleiner Junge jede Lok, die in
seiner Reichweite steht. Seine Vorliebe
für die preußische T 18 oder die 78er
Baureihe stammt aus frühkindlicher
Prägung. Ein Bahnarzt am Berliner Ost-
bahnhof erklärt ihn im Wendejahr 1989
für tauglich, und Oliver Vitze steigt
von nun an dienstlich in den Führer-
stand. Er arbeitet für den Fernverkehr
im Ostbahnhof, dann in Berlin Wuhl-
heide, wechselt später nach Potsdam
in den Rangierdienst. Als er hört, dass
die Deutsche Bahn im baden-württem-
bergischen Crailsheim Lokführer sucht,
denkt Oliver Vitze, er könne doch auch
„in den Westen gehen“. Er bewirbt sich
und wird prompt genommen.
Mit dem Ländle hat der Exilberliner
inzwischen seinen Frieden gemacht.
Schließlich kommt er viel herum: etwa
nach Stuttgart oder ins bayerische
Nürnberg, wo er zum Fototermin für
den „Eisenbahner mit Herz“ auch die
attraktive junge Frau wiedertrifft, de-
ren verschwundenen Ehering er in ei-
ner dunklen Novembernacht aus dem
Schotter geborgen hat. Alexandra Gut-
sche-Trimis ist von ihrem „nettesten        Exilberliner im Führerstand: Oliver Vitze
Lokführer“ auch bei Tageslicht sichtlich    bevorzugt Dieselloks.

                               IM FOKUS PRIMA 03.2012                                     23
Die Gewinner

         Interview

         „Da bin ich ganz der Romantiker“
         Oliver Vitze über Eheringe als Symbol der Liebe, die Einsamkeit auf der Lok
         und die Trauer nach einem Personenschaden

         Herr Vitze, an einem dunklen Vorweih-        So ein Ehering ist schon ein starkes Sym-
         nachtsabend haben Sie im Dienst eine         bol.
         Herzensangelegenheit glücklich gelöst.       Für mich auf jeden Fall. Ich bin bald 19
         Was ist geschehen?                           Jahre glücklich verheiratet, und da weiß
         Ich war mit meinem Azubi auf der Lo-         ich, was der Ring bedeutet. Als ich ge-
         komotive, und wir haben eine Curry-          heiratet habe, habe ich mir gesagt: Die-
         wurst gegessen. Ich war gerade fertig,       ser Ring bleibt an meinem Finger, bis
         da klopfte es an der Tür. Eine junge Frau    ich unter der Erde liege. Da bin ich ganz
         stand draußen. Sie war ziemlich aufge-       der Romantiker.
         löst und sagte, sie hätte ihren Ehering
         verloren. Er sei unter den Zug gerollt.      Haben Sie Ihrer Frau von dem Erlebnis
         Was man denn jetzt tun könnte. Ich           unter dem Zug erzählt?
         sagte: „Wir suchen ihn. Die Option be-       Ja, noch am selben Abend. Ich kam
         steht.“ Dann habe ich mir meine Warn-        nach Hause und sagte: „Ich habe heute
         weste gegriffen und die Lampe, und           einer jungen Frau die Ehe gerettet.“ Da
         dann sind wir auf den Bahnsteig raus-        hatte ich auch gleich eine Erklärung,
         gegangen.                                    warum ich so schmutzig war. Meine
                                                      Frau hat sich über die Geschichte so ge-
         Wie lange haben Sie gesucht?                 freut, dass wir ein Glas Sekt getrunken
         Das war nicht ganz einfach. Sie hatte        haben.
         sich zwar die Stelle gemerkt, wo der
         Ring ins Gleis gerollt ist, aber wir haben   Wenn Sie so hilfsbereit sind, klopft es si-
         mit ihrem Handy und meiner Lampe             cher öfter mal an Ihrer Lok?
         unter den Zug geleuchtet und es war          Ja, ich helfe gern. Meistens geht es na-
         nichts zu sehen. Also bin ich unter den      türlich nicht um einen Ehering, sondern
         Zug gekrochen, habe alles abgeleuch-         um Menschen, die auf dem Bahnsteig
         tet. Außer Grünzeug, Müll, Kronkorken        keinen Ansprechpartner finden. Die
         und Bierdeckeln war nichts zu entde-         kommen dann zu uns nach vorne und
         cken. Als dann klar war, dass es eine        klopfen. Wir sind ja immer da. Meis-
         längere Operation werden würde, habe         tens wollen sie dann nur irgendeinen
         ich mich auf die Schienen gesetzt und        Anschluss wissen oder brauchen Hilfe
         Stein für Stein umgedreht. Irgendwann        beim Tragen eines Kinderwagens.
         konnte ich ihr zum Glück zurufen: „Ich
         hab’ ihn.“ Als ich wieder auftauchte, hat    Lokführer gelten als die einsamen Wölfe
         sie sich unglaublich gefreut. Obwohl         im Eisenbahnverkehr. Fühlen Sie sich
         ich aussah wie ein Müllmann.                 einsam?

24                                         IM FOKUS PRIMA 03.2012
In der Regel sind wir schon Einzelkämp-     ausbrüche erlebe ich nicht mehr. Eine
fer. Im Güterverkehr sogar noch viel        Bahnpsychologin in Stuttgart hat mit
mehr, da sind wir ganz allein. Ich habe     mir darüber gesprochen, ich kann jetzt
in meiner Zeit in Berlin lange Güterver-    damit umgehen.
kehr gemacht. Hier in Crailsheim arbei-
te ich im Personenverkehr. Das gefällt      Ihren Beruf wollten Sie deshalb nicht
mir besser. Ich bin ein kommunikativer      aufgeben?
Typ.                                        Nein. Es war immer schon klar, dass ich
                                            Lokführer werden würde. Etwas ande-
Haben Sie vor allem nette Erlebnisse        res hat es für mich nie gegeben.
oder gibt es auch schwierige Seiten in
Ihrem Beruf?                                Wie kann das sein?
Ja, die gibt es. Vor einem Jahr hatte ich   Das Haus in Neustrelitz, in dem ich auf-
einen „Personenunfall“. Meine Lok hatte     gewachsen bin, lag direkt am Bahnhof.
100 Sachen, und da sehe ich, dass vor       Ich konnte kaum laufen, da saß ich
mir etwas auf dem Gleis ist. Es war zu      schon auf der Dampflok.
spät, um zu bremsen. Diesen Augen-          Damals haben mich die Aufsichtsbeam-
blick werde ich nicht vergessen: wie ich    ten noch rausgeholt und wieder nach
merke, dass ich keine Chance habe zu        Hause verfrachtet. Mir war aber klar: Da
bremsen.                                    will ich hin.

Hat Sie das verfolgt?                       Sie sind also ein Eisenbahner mit Herz?
Ja, wenn mal schlechtes Wetter ist und      Ganz klar: Es ist einfach schön, auf
das rote Signal immer näher kommt,          Schienen zu fahren. Aber mein Herz
dann schießt es mir wieder in den           gehört den Dampf- und Dieselloks. Da
Kopf. Aber Alpträume oder Schweiß-          sieht und hört man die Kraft.

Alexandra Gutsche-Trimis klopft und der „netteste Lokführer der Welt“ erscheint.

                                                                                        25
Die Gewinner

         Einsendung der Kundin

         Ring gegen Seife
                                                                                                 im
                                                                     zum Bahnsteig 19
                     1. 20 11   ha  be   ic h meine Freundin                n   ge me in sa m  be i
          Am 25.1                                               Wir ware
                                     ahnhof begleitet.                          es. Sie stieg
          Nürnberger Hauptb                               ri st ki nd lm ar kt
                                       Nürnberger Ch                                     uf. Ich
          der Eröffnung des                                  rück nach Regensta
               de n  RE  um   19 :4  0 Uhr und fuhr zu                 st e   si ch   me in   Ehe-
          in
                      r  na ch  ge wu  nk en   und plötzlich lö              st  ei g  un d  ro ll-
          habe ih                                                den Bahn
                                     meinem Finger über                             19928 hatte
          ring, hüpfte von                                  Zu g.   Di es er   RE
                                      nüberstehenden                                         tgart
           te unter den gege                                     Abfahrt nach Stut
              ch   fa st   45   Mi  nu ten Zeit bis zur              te r   de  n  Zu g ge  le uch-
           no
                      5 Uh  r.   Ic h  ha  be  mit dem Handy un                Ma  nn  an ge ru fen
           um 20:3                                             h meinen
                                      los. Dann habe ic                        , wenn der Zug
           tet, aber erfolg                              ch en  zu   he lf en
                                     kommen und su                                             seh-
           und gebeten, zu                                        in Bahnpersonal zu
                  fa hr en  is  t.   Da   weit und breit ke               te  ,   ha be  ic h  beim
           ab  ge                                                   wo ll
                    r  un d  ic  h  di  e  Sache besprechen                  er    Ma nn   öf fn ete
            en wa                                                  n jung
                                         Türe geklopft. Ei                        r zweite Mann
            Lokführer an die                             wa s  lo  s se i.    De
                                      fragte mich,                                           Stelle
            das Fenster und                                       h sollte ihm die
                 de r  Lo k  ka  m  au  s der Türe, und ic             fa ll  en   wa r.  Er  klet-
            in
                      , wo   de  r  Ri ng   au f die Schienen ge              un d  su ch te .  Lei-
            zeigen                                               den Zug
                                         schenlampe unter                          ein zur Seite
            terte mit einer Ta                             er  St ei n  fü  r  St
                                          n. Dann hob                                        tteste
             der nichts zu finde                                   Zeit fand der ne
                d  su ch te    in te  ns iv. Nach einiger              ch en    Mü ll ,  Dr ec k und
             un                                inen Ehering zwis
                      re r  de  r  We  lt   me                                nn te
             Lokfüh                                                und ko
                                         war so glücklich
             Kronkorken. Ich                   r ni ch t
                                  eg un  g  ga
             mich vor Aufr
                                        . Sein ein-
             richtig bedanken
                       Wu ns ch   wa r  –  „ein Stück
              ziger
                            m  Hä  nd ew  as chen.
              Seife“ zu
                                  e-Trimis,
              Alexandra Gutsch
              Nürnbe rg , Ba ye rn

         Würdigung der Jury

         Ritter in der Not
         „Wer im Reisenden den Menschen sieht, der klettert für Fahrgäste auch unter den
         Zug und sucht den verlorenen Ehering. Uns hat beeindruckt, wie der Lokführer sich
         nicht zu schade war, im Schotter und Schmutz nach dem Ring zu suchen. So viel
         hilfsbereite Ritterlichkeit ist selten.“

26                                            IM FOKUS PRIMA 03.2012
Bronzemedaille: Alexander Schertler

Krankenpflege de luxe
in der BOB
Auf der Fahrt von Tegernsee nach München leidet Marianne Meißner
plötzlich unter Bauchweh und Übelkeit. Als sie an der Tür steht, um Luft zu
schöpfen, wird BOB-Zugbegleiterin Alexandra Schertler aufmerksam. Sie
bringt die Frau in die Erste Klasse und sorgt dafür, dass sie sich hinlegen
kann. Während der Fahrt sieht sie mehrfach nach der Kranken. Die Kundin ist
„sehr begeistert“ und hätte eine solche Fürsorglichkeit bei der Bahn niemals
erwartet.

                            IM FOKUS PRIMA 03.2012                              27
Die Gewinner

         Porträt

         In schönstem Bayerisch
         Es muss schon hart auf hart kommen,         Fahrgäste Hilfe brauchen. Zwei Mädels,
         damit BOB-Zugbegleiterin Alexandra          die zum Skifahren in die Berge wollen,
         Schertler die Geduld verliert.              aber den falschen Zugteil ansteuern:
         Als sie auf der Fahrt nach München auf      Kein Problem, die Zugbegleiterin hat
         zwei Russen trifft, die ohne Fahrkarte      alles im Blick. Ein kleiner Junge, dem
         und mit den Füßen auf den Sitzen nach       ein Euro Fahrgeld fehlt: die Zugbeglei-
         eigenem Bekunden zum „Ficken nach           terin zückt ihr eigenes Portemonnaie
         Deutschland“ fahren, sagt sie nur ein       und begleicht den Rest. Dass trotz der
         Wort: „Raus!“ Auch andere Fahrgäste         vielen großen und kleinen Abenteuer
         tanzen ihr nicht so leicht auf der Nase     die Welt von Alexandra Schertler noch
         herum: In ihren Schülerzügen herrscht       in Ordnung ist, betont sie in schönstem
         kein Saustall und überhaupt kann sich       Bayerisch. Mit einem Bergpanorama
         die 40-Jährige gut durchsetzen. Dass        vor dem Küchenfenster in ihrem Haus
         sie einen Geisteskranken, der sie mit       in Tegernsee geht der Tag los, auf ihrer
         einem Nagel abstechen will, im fahren-      Strecke Tegernsee-München kennt sie
         den Zug mit Kampfsporttechnik un-           alle ihre Fahrgäste mit Namen.
         schädlich macht, glaubt jeder, der den      Und die Kollegen? In der BOB-Familie
         festen Händedruck der gelernten Zahn-       ist Alexandra Schertler nur „die Alex“
         arzthelferin erlebt hat. Genauso zupa-      – eine echte Eisenbahnerin mit Herz
         ckend ist Alexandra Schertler, wenn ihre    eben.

         Wo geht‘s von München auf die Piste? Alexandra Schertler aus Tegernsee weiß Bescheid.

28                                        IM FOKUS PRIMA 03.2012
Interview

„Da überlege ich nicht lange“
BOB-Zugbegleiterin Alexandra Schertler über Kampfsport im fahrenden
Zug, einen kleinen Jungen mit zu wenig Fahrgeld und ihren zahnmedizi-
nischen Blick auf die Welt.

Sie sind Eisenbahnerin mit Herz gewor-      zu begleiten und die Nacht bei ihr zu
den, weil Sie einen Blick für Menschen      bleiben.
haben. Wie war das mit der Reisenden,
der in der BOB schlecht geworden ist?       Die Kundin schreibt von Ihrer „extre-
                                            men Fürsorglichkeit“, die sie überrascht
Ich habe den Zug in Holzkirchen abge-       hätte. Sehen Sie das auch so?
fertigt. Da sah ich die Reisende japsend    Eigentlich habe ich nur das gemacht,
in der Tür stehen. Es war keine große       was selbstverständlich war. Was jeder
Kunst zu bemerken, dass es ihr schlecht     Zugbegleiter oder sogar jeder Fahrgast
ging. Sie war nämlich eher grün als         auch hätte tun müssen. Es gibt diese Si-
weiß im Gesicht. Ich fragte sie, ob ich     tuationen, da überlege ich nicht lange.
einen Arzt und den Krankenwagen ru-         Da handele ich einfach.
fen solle, aber das wollte sie nicht. Sie
war mit drei Freunden unterwegs und         Aber irgendeine Handlung reicht nicht,
setzte sich wieder zu ihrer Gruppe zu-      es muss schon die richtige sein.
rück. Aber ich habe gesehen, dass es        Wahrscheinlich hilft mir dabei mein
nicht ging. Sie brauchte einfach Ruhe.      früherer Beruf. Ich bin eigentlich ge-
Also habe ich sie in die Erste Klasse ge-   lernte Zahnarzthelferin und in den 23
bracht, habe ihr die Füße hochgelegt,       Jahren in der Praxis hatte ich viele Pa-
die Schuhe ausgezogen, die Jacke un-        tienten, die im Stuhl das Bewusstsein
ter den Kopf gelegt, etwas zu trinken       verloren haben. Angstpatienten, die
besorgt und immer wieder nach ihr           saßen da und auf einmal rutschten sie
gesehen.                                    weg.
Gleich hinter der Ersten Klasse fuhr an
diesem Tag ein Junggesellenabschied         Sie sehen also den Patienten im Fahr-
mit, die grölten und waren laut. Ich bin    gast?
hingegangen, habe gesagt, „Jetzt ist        Das kann man schon so sagen. Dieser
Ruhe, der Dame geht’s nicht gut“, da        Blick bleibt. Aber besonders gut schaue
war es im selben Augenblick mucks-          ich bei Zähnen hin. Meine beiden
mäuschenstill. Als wir in München an-       Töchter haben mit 18 und 15 Jahren
kamen, ging es ihr allerdings nicht bes-    noch kein einziges Loch in ihrem Ge-
ser. Sie zitterte und war in keiner guten   biss.
Verfassung. Mir wäre es lieber gewesen,
wenn wir dann einen Arzt gerufen hät-       Wenn Sie früher Zug gefahren sind, wie
ten, aber ihre Freunde versprachen, sie     haben Sie da die Zugbegleiter erlebt?

                               IM FOKUS PRIMA 03.2012                                   29
Die Gewinner

         Sehr unterschiedlich. Es gab die, die sagten
         „Guten Morgen“ und gingen weiter und
         andere waren mir sofort sympathisch. Ge-
         nauso ist das jetzt bei meinen Fahrgästen.
         Ich habe schwierige Fahrgäste, da bin ich
         freundlich, aber nicht mehr. Bei anderen
         Fahrgästen kenne ich den Namen, die Fa-
         milie, den ganzen Hintergrund.

         Wie viele kennen Sie denn mit Namen?
         Bei den Pendlerzügen in der Früh kenne
         ich jeden einzelnen. Das ist aber auch kein
         Wunder, schließlich wohne ich in Tegern-
         see. Ich bin in der Region geboren und
         aufgewachsen, meine Kinder gehen hier
         zur Schule.

         Der Fahrgast, der Sie eben scherzhaft um
         ein Autogramm gebeten hat, wer war
         das?
         Der arbeitet als Staatsanwalt in München
         und kümmert sich um Kapitalverbre-
         chen. Wir haben auch viele Polizisten auf
         der Strecke. Wenn es Ärger gibt, weiß ich
         sofort, ob gerade ein Polizist in Zivil mit-
         fährt.

         Haben Sie solche Hilfe schon einmal
         gebraucht?
         Es gibt schon gefährliche Situationen. Das
         Schlimmste, was ich je erlebt habe, war
         ein Fahrgast, der mich fast abgestochen
         hätte. Er stieg in Holzkirchen zu und pö-
         belte die Reisenden an. Eine Dame lief
         durch den Zug und rief mich zu Hilfe. Als
         ich dazu kam, zeigte er gerade auf sei-
         ne Sporttasche. Da hätte er eine Waffe
         drin, mit der er uns alle umbringen wür-
         de. Ich schob mit dem Fuß seine Tasche
         weg, aber er zog plötzlich einen langen
         Zimmermannsnagel. Wenn ich da nicht
         schnell reagiert hätte, weiß ich nicht, was
         passiert wäre.

30
Was haben Sie gemacht? Ihre Lehre            ter wartete am Bahnhof in München
als Zahnarzthelferin hat Ihnen da be-        eine Frau, mit Pralinen in der Hand. Das
stimmt nichts genützt.                       war seine Mutter. Ich fand’s eigentlich
Nein, aber meine Kampfsporterfahrung.        selbstverständlich, aber sie nicht.
Mein Mann und meine Kinder sind ak-
tive Kämpfer. Immer wenn sie zu Hau-         Worauf sind Sie denn bei sich selbst
se üben wollten, musste ich das Opfer        stolz?
spielen. Als ich dann den Nagel am Hals      Ich denke, ich habe eine gute Men-
hatte, habe ich einfach zugepackt: Im        schenkenntnis. Ich merke, wenn einer
fahrenden Zug habe ich den Fahrgast          versucht, mir einen Bären aufzubinden.
umgelegt, ihn am Boden fixiert und           Aber ich sehe auch, wenn ein Fahrgast
ihm den Nagel abgenommen. An der             nicht weiter weiß oder es ihm schlecht
nächsten Haltestelle wartete schon die       geht.
Polizei auf ihn. Trotzdem war das mein
schlimmstes Erlebnis.                        Deshalb sind Sie auch „Eisenbahnerin
                                             mit Herz“ geworden. Haben Sie das er-
Und Ihr nettestes?                           wartet?
Einmal war ein kleiner Junge im Zug.         Nein, als ich es erfahren habe, war ich
Dem fehlte ein Euro Fahrgeld. Damit er       sprachlos. Für mich ist Helfen normal.
seine Fahrkarte bekam, habe ich den          Trotzdem freut mich diese Wertschät-
Euro eben dazugetan. Zwei Tage spä-          zung meiner Arbeit.

Einsendung des Kunden

Unerwartete Fürsorge

                                                                                te,
                                                      r meine Geschich
             We tt be  we rb   pa sst wunderbar fü            ha  be .  Ic  h  fu hr
    Dieser                                          erlebt
                             angenen Wochenende                     t Freunden
    welche ich am verg                         (1 8. 57  Uh r)   mi
                            1. mit der BOB             f der Fahrt litt
                                                                                 ich
    am Samstag, 28.0
         Te ge rn se e  Ri ch tu ng München Hbf. Au         ke it .   Be i    ei nem
    von                               chmerzen und Üb    el
               h   un te r   Ba uc hs                         f    ni ch t    me hr)
    plötzlic                                      n Bahnho
                              der weiß ich de                         d dann war
    Zwischenhalt (lei                         ft  zu  ta nk en ,  un
                              um frische Lu                                     ler,
     ging ich zur Tür,                                Alexandra Schert
           sc ho n  Ih  re  Mi tarbeiterin, Frau         em  Wo  hl be fin de n  und
     auch                           te  sich nach mein
                 Si e   er ku nd ig                             Si  e  be  gl ei  te-
     bei mir.                                    in könne.
                            mir behilflich se                     in die Erste
     fragte, ob sie                            um  mi ch  da nn
                             meinem Platz,                h meine Ruhe habe
     te mich kurz zu                bringen, damit ic
          se   de s   Zu ge s  zu
     Klas

                                IM FOKUS PRIMA 03.2012                                   31
Die Gewinner

                                                                                     sehr,
                                                            au Schertler war
                                      chlegen kann. Fr                         ausziehen.
            und meine Füße ho                            ga r  be im  Sc hu he
                                     und half mir so              e noch zweimal na
                                                                                          ch
            sehr fürsorglich              r Fahrt schaute si nchen erreichten.
                  en d  de s  Re st s  de
            Währ                                               r Mü
                                        zur Stelle, als wi                tete mich zur
            mir und war sofort             hu he an ziehen und beglei
            Sie half mi      r  be im   Sc
                                                          nd e,  ob   mi ch  denn jemand
                                       sie meine Freu                          nn war Frau
            Tür. Dort fragte                                    e.  Er st   da
                   be  gl ei te n wü  rd e, was bejaht wurd
             heim
                                     ch beruhigt.
             Schertler wirkli
                                                                                        ches
                                                                dermaßen freundli
                                         dass ich ein so                            niemals
             Ich möchte sagen,                             Ba hn an ge st el lt en
                                     s Verhalten von                   rt bin, dass Ihre
             und fürsorgliche               rk lich sehr begeiste
                          hä tt e  un d  wi
             erwartet                                         ste kümmern.
                                       so toll um Fahrgä                               super
              Mitarbeiter sich                             r   war einfach nur
                                       n Frau Schertle
              Das Verhalten vo
              positiv.
                                                                                         Kol-
                                                                ch einen weiteren
                                         hang möchte ich no
              In diesem Zusammen                           fr  is ch e  Lu ft   ta nk-
                                         steig, wo ich
              legen an dem Bahn                               der Name nicht
                    er wä hn en .  Le  id er ist mir
               te,                               eb en -
                                       agte,
               bekannt. Er fr
                                          t, ob ich
               falls sehr besorg             oder ob
                                      ti ge
               einen Arzt benö
                     Fa hr t   fo rt ge se tzt wer-
               die
                                        icht erin-
               den kann. Vielle
                               ja   Fr  au  Schert-
                nert sich
                                         bitte Sie
                ler noch?! Ich                 Nach-
                freundlich,         meine
                          an    Fr au    Sc he rtler
                richt
                weiterzugeben.

                Marianne Meißner,
                München, Bayern

                                                                  Natürlich erinner
                                                                                     t sich Alexandra
                                                                 Der Kollege heiß                     Schertler:
                                                                                   t Christoph Jopp
                                                                 (im Bild rechts).                   ich

         Würdigung der Jury

         Den Menschen sehen
         „Wer im Kunden den Menschen sieht, leidet mit. Uns hat imponiert, wie die BOB-
         Zugbegleiterin sich geradezu mütterlich um die gesundheitlich angeschlagene
         Passagierin gekümmert hat. Soviel Einfühlungsvermögen gepaart mit medizi-
         nischem Sachverstand ist selten.“

32                                         IM FOKUS PRIMA 03.2012
Sonderpreis Zivilcourage: Yalcin Özcan

Wildwest in der
Kurhessenbahn
Die Südostbayernbahn (SOB) leiht ihren Zugbegleiter Yalcin Özcan an das
Schwesterunternehmen in Hessen aus. Dort gerät der damals 23-Jährige
an einen gewaltbereiten Schwarzfahrer. Der betrunkene Mann bedroht die
Fahrgäste, aber Özcan stellt sich ihm in den Weg. Die Reisenden verlassen
den Waggon und bringen sich beim Lokführer in Sicherheit. Voller Wut zieht
der Randalierer eine Waffe, doch es gelingt Özcan, ihn in einem Abteil einzu-
sperren. In Ehringen (bei Kassel) nimmt die Polizei den Mann fest. Einsender
Alfred Honisch ist überzeugt: Yalcin Özcan ist ein „Eisenbahner mit Herz“. Der
Mann muss es wissen: Er unterrichtet schließlich Bahn-Azubis.

                             IM FOKUS PRIMA 03.2012                               33
Die Gewinner

         Porträt

         Retter wider Willen
         Yalcin Özcan hat das Zeug zum Vor-          Konsequent und mutig
         zeigemitarbeiter mit Migrationshin-         Seine Festigkeit brachte ihn im Sommer
         tergrund: Die Uniform von DB Regio          2010 in eine sehr gefährliche Situation,
         kleidet ihn vorzüglich, sein Deutsch        als ein Schwarzfahrer im hessischen
         ist so fließend wie sein Türkisch. Er ist   Kassel eine Waffe zog. Der junge Mann
         so gut integriert, dass ihn Landsleute      konnte seine Fahrgäste in Sicherheit
         schon mal fragen: „Wenn du auf dem          bringen und den Bewaffneten in ein
         Zug auf einen Türken ohne Fahrkarte         Abteil einsperren. Trotzdem will er da-
         triffst, drückst du dann ein Auge zu?“      für nicht „Held“ oder „Retter“ genannt
         Da schüttelt der 25-jährige SOB-Zugbe-      werden. „Ich bin immer noch derselbe
         gleiter den Kopf: „Ohne Fahrkarte geht      Yalcin.“
         bei mir nichts.“                            Fahrgäste, die demnächst auf der Stre-
                                                     cke von München ins oberbayerische
                                                     Mühldorf am Inn fahren, sollten aber
                                                     genauer hinsehen, bevor sie den „Eisen-
                                                     bahner mit Herz“ begrüßen. Auf dersel-
                                                     ben Strecke fährt nämlich auch Özcans
                                                     Zwillingsbruder, der die Beinahe-Schie-
                                                     ßerei fast zeitgleich mitbekommen
                                                     hat. „Bei der SOB sind ganze Familien
                                                     beschäftigt“, erzählt Yalcin Özcan, da
                                                     passen die türkischstämmigen Zwil-
                                                     lingsbrüder gut ins Konzept. Erstaunli-
                                                     cherweise war es der Vater, der mit elf
                                                     Jahren nach Deutschland kam und 31
                                                     Jahre lang für BMW gearbeitet hat: Er
                                                     hat seine Söhne für die Bahn begeistert.
                                                     Von Autos will der gelernte Kfz-Mecha-
                                                     niker Özcan seitdem nichts mehr wis-
                                                     sen. „Den ganzen Tag in der Fabrik ste-
                                                     hen? Nein, lieber auf dem Zug arbeiten.
                                                     An Bord gibt’s das volle Leben.“

                                                     Fährt lieber mit dem Zug: Yalcin Özcan
                                                     hat früher für BMW gearbeitet. Nun ist bei
                                                     bei der Südostbayernbahn.

34
Interview

„Der entscheidende Moment ist die
Fahrkartenkontrolle“
SOB-Zugbegleiter Yalcin Özcan über Todesangst, Heldentum und den Unter-
schied zwischen hessischen und bayerischen Schwarzfahrern

Nach allem, was Ihnen passiert ist, mö-       geb’ dir zehn Euro, der Rest ist für dich“,
gen Sie Ihren Job noch?                       sagte er, aber ich erklärte ihm, dass das
Ja. Ich liebe meinen Beruf. Trotzdem          so einfach nicht ginge. Er solle mir sei-
gibt es Tage, da bin ich abends froh,         nen Ausweis geben, dann würde ich
wenn ich ohne Zwischenfall nach Hau-          seine Daten notieren. Da fing er an, laut
se komme. Zugbegleiter ist manchmal           herumzuschreien, „Scheiß Bahn“ und
schon ein gefährlicher Beruf. Das liegt       was ich wohl tun würde, wenn er mich
daran, dass sich an Bord die ganze Ge-        jetzt angreifen würde. Im Waggon wa-
sellschaft widerspiegelt. Bei uns fahren      ren auch einige ältere Damen und Kin-
Ärzte und Polizisten mit, aber Drogen-        der, die bereits voller Angst zu uns rü-
dealer und Verrückte können eben auch         ber schauten. Er gab mir dann trotzdem
einsteigen. Der entscheidende Moment          seinen Ausweis, und ich dachte gerade,
ist die Fahrkartenkontrolle. Wenn wir je-                                                            ANZEIGE
manden kontrollieren, wissen wir nie,
was dahintersteckt.

So war es auch, als Sie in Kassel für die
Kurhessenbahn unterwegs waren?
Genau. Von einer Sekunde auf die ande-
re hatte ich eine Waffe vor meiner Nase.

Können Sie das mal genauer schildern?
Das war im Juni 2010. Ich war gerade
erst in den Zug eingestiegen und die-
ser Mann war die erste Person, die ich
kontrollieren wollte. Als er mich sah,
stand er auf. Da dachte ich schon: „Hier
ist was faul. Ein normaler Fahrgast steht
nicht einfach so auf.“ In der Hand hielt er
eine Bierflasche. Ich bin aber trotzdem
hingegangen und habe nach seinem                                                       www.sbb-deutschland.de
Fahrschein gefragt. Er hatte keinen. Die
Fahrt hätte 8,80 Euro gekostet, aber
ich musste ihn nun aufschreiben. „Ich
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Die Gewinner

         „Das haben wir ja jetzt abgehakt“, da        schen nicht auf zu schreien, zu drohen
         zog er unter seinem T-Shirt eine Waf-        und zu schimpfen. Trotzdem behielt ich
         fe hervor. Er fuchtelte damit Richtung       ihn genau im Auge. Als er für einen Au-
         Fahrgäste und schrie: „Ich schieß’ euch      genblick die Waffe von mir wegnahm
         alle ab. Ich bring’ euch alle um.“           und sie sich vor den Bauch hielt, dachte
                                                      ich: „Ich muss was riskieren. Entweder
         Was haben Sie da getan?                      klappt es oder nicht.“ Ich schubste ihn
         Ehrlich gesagt: Ich wusste nicht, was ich    mit voller Wucht in eine Ecke. Dann lief
         tun sollte. Weglaufen? Dableiben? Mit        ich zum Lokführer, holte einen Vierkant-
         ihm reden? Er war offensichtlich betrun-     schlüssel, lief zurück und schloss die Tür
         ken und jedes Wort von mir reizte ihn        des hinteren Waggons zu. Als er merkte,
         mehr. Ich sah auch, dass die erste Dame      dass er eingesperrt war, trat er gegen
         schon anfing zu weinen. Als ich das ge-      Mülltonnen und versuchte die Schei-
         sehen habe, dachte ich: „Entweder hop        ben zu zerschlagen. Durch das Fenster
         oder top“. Ich rief in den Waggon: „Alle     nahm er wieder mich und die Fahrgäste
         nach vorne zum Lokführer laufen. Bitte       ins Visier. Ich rief: „Alle aus seinem Blick-
         sofort den Wagen verlassen.“ Die Fahr-       feld“ und wieder gehorchten die Rei-
         gäste standen auf und verließen den          senden und brachten sich in Sicherheit.
         Wagen. Dann war ich ganz allein mit
         ihm.                                         Aber Sie hatten es doch geschafft?
                                                      Ja, es war vorbei. An der nächsten Halte-
         Wollten Sie nicht auch weglaufen?            stelle stiegen Polizisten zu, die teils mit
         Doch. Nachdem alles um uns leer war,         Motorrädern angefahren gekommen
         versuchte ich ebenfalls, den Wagen zu        waren. Sie forderten den Mann über
         verlassen. Aber als er das sah, stellte er   Lautsprecher auf, die Waffe wegzuwer-
         seine Waffe scharf. „Jetzt bringe ich dich   fen, er hätte keine Chance. Zu den Rei-
         um“, sagte er, und ich wusste: Es nützt      senden habe ich gesagt: Keiner steigt
         nichts. Mit ihm zu diskutieren, hat kei-     einfach aus, bevor die Polizei kommt.
         nen Sinn, weil er betrunken ist und nicht    Erst als die Lage völlig unter Kontrolle
         weiß, was er tut. Also habe ich kein Wort    war, haben wir gemeinsam den Zug
         gesagt und gewartet, was passiert.           verlassen. Ich war sehr erleichtert und
                                                      dachte immer wieder: „Was war das
         Was ist Ihnen da durch den Kopf gegan-       denn jetzt?“
         gen?
         Mir ist mein ganzes Leben vor den Au-        Was haben Sie als Erstes getan?
         gen vorbeigezogen. Was macht mei-            Ich habe mich auf den Bahnsteig ge-
         ne Mutter? Meine Freundin. Was wird          setzt und meine Mutter angerufen. „Wie
         mein Bruder denken? Der arbeitete            geht’s dir denn?“, habe ich gefragt und
         nämlich gerade als Zugbegleiter auf          sie meinte: „Was ist denn los, ist was
         demselben Zug in der Gegenrichtung.          passiert?“ „Ach, nichts“, habe ich ge-
         Was würde er sagen, wenn er mich nie         sagt. Mein Bruder wusste aber schon
         wieder sähe? Innerlich war mir klar: „Es     Bescheid. Die Polizei hatte ihn unter-
         ist Feierabend.“ Der Mann hörte inzwi-       richtet, und er war im Streifenwagen

36                                         IM FOKUS PRIMA 03.2012
auf dem Weg zu mir. Die Reisenden ka-      ruhiger und gesitteter als die in Kassel.
men auf mich zu und haben mich voller      An unserem vorletzten Tag in Hessen ist
Dankbarkeit umarmt. „Sie haben unser       dann dieser Zwischenfall passiert. Die
Leben gerettet.“ Das kam mir alles sehr    Abschiedsparty fiel natürlich flach. Ich
unwirklich vor.                            kam ins Krankenhaus, war einige Zeit
                                           krankgeschrieben. Und die Chefs der
Warum waren Sie und Ihr Bruder über-       SOB haben mich erst wieder eingesetzt,
haupt in Hessen im Einsatz?                als ich fit war. Zuerst sollte ich nur mit
Die Kurhessenbahn ist eine Schwester       Begleitung auf den Zug gehen.
der Südostbayernbahn. Und weil man
auf der Strecke bei Kassel ein großes      Hat Sie die Erinnerung verfolgt?
Problem mit Schwarzfahrern hatte, aber     Mein Bruder hat sich gewundert: weil
zu wenig Personal an Bord, sind wir für    ich mich ständig umgeschaut habe, ob
drei Monate dorthin gewechselt. Fast       hinter mir einer mit der Waffe steht. Da
wäre auch alles glatt gegangen, ob-        ist schon was hängen geblieben. Als ich
wohl ich unsere Schwarzfahrer aus Bay-     kürzlich im Lumpi (Anm. der Red.: So
ern vermisst habe. Die sind, trotz Okto-   heißt der letzte Zug von München nach
berfest und Randale, im Ganzen viel        Mühldorf ) wieder an eine Schwarzfah-

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Die Gewinner

         rerin geraten bin, die sich auf dem Klo     die Münchner Berufsschulklasse für den
         eingesperrt hatte, da hatte ich so eine     „Eisenbahner mit Herz“ nominiert hat.
         Rückblende: Die Tür war zu, ich klopfte
         und dachte: „Was passiert wohl gerade       Und jetzt haben Sie sogar einen Titel
         hinter dieser Tür?“                         gewonnen.
                                                     Das freut mich sehr. Weil es mir gro-
         Gelten Sie bei Ihren Kollegen als Held?     ßen Spaß macht, Zugbegleiter zu sein.
         Nein, eher machen die sich Sorgen um        Schauen Sie mal, wer in der Fabrik oder
         mich und fragen: „Geht’s dir auch gut?“     im Büro arbeitet, der kriegt vom ganzen
         Auch für mich selbst bin ich immer noch     Tag nichts mit. Auf dem Zug haben Sie
         derselbe Yalcin wie vorher. Wahrschein-     alles: Schnee, Regen, Sonne, Sommer,
         lich hätte jeder so gehandelt. Deshalb      Stadt, Land, nette Fahrgäste, schlimme
         war ich auch sehr überrascht, als mich      Fahrgäste, das volle Leben.

         „Es macht einfach Spaß, Zugbegleiter zu sein.“

         Würdigung der Jury

         Viel Mut bewiesen
         „Wer ein Herz für Fahrgäste hat, der schützt sie auch bei Gefahr. Uns hat beein-
         druckt, wie der Zugbegleiter der Kurhessenbahn den bewaffneten Aggressor
         isoliert und die Reisenden in Sicherheit gebracht hat. Soviel Mut ist selten.“

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