Speicher sind das fehlende Puzzle-Stück - Power-to-Gas ...
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ENERGIENETZE | DOSSIER
Speichermodule des
grössten Schweizer Batte-
riespeichers in Volketswil.
Speicher sind das
fehlende Puzzle-Stück
Roadmap Energiespeicher | Damit die Schweiz die Dekarbonisierung mittelfristig
bei hoher Versorgungssicherheit schafft, braucht es alle Arten von Speichern. Eine
«Roadmap Energiespeicher» zeigt nun auf, welche regulatorischen Rahmenbedin-
gungen nötig sind, damit Speicher nicht nur betriebs- und volkswirtschaftlich sinn-
voll, sondern auch system- und klimadienlich eingesetzt werden können.
J A N F LÜ C K I G E R
D
ie «NZZ am Sonntag» titelte erhebliche Unsicherheiten bezüglich Inland gedeckt werden kann. Die
vergangenen Juli «Der Schweiz der Exportfähigkeit und Lieferbereit- Windkraft stösst jedoch auf Wider-
geht der Strom aus» und bezog schaft der Nachbarländer. Auch die stand in der Bevölkerung, und bei der
sich dabei auf eine Studie der Empa.[1] künftigen Grenzkapazitäten seien Tiefengeothermie ist fraglich, ob sie in
Im Winterhalbjahr würden der Schweiz ohne Stromabkommen zwischen der absehbarer Zeit technologisch ausge-
mittelfristig je nach Szenario zwischen Schweiz und der EU nicht gesichert. reift sein wird. Photovoltaikanlagen in
16 und 29 TWh Strom fehlen, so die Deshalb kommt die ElCom zum den Alpen, aber auch vertikal ausge-
Empa. Treiber dieser Entwicklung sind Schluss, dass der Importbedarf im richtete Anlagen im Mittelland werden
die Abschaltung der Kernkraftwerke Winter nicht mehr als 10 TWh betragen einen wichtigen Beitrag leisten, ebenso
sowie die Elektrifizierung von Wärme solle, damit die Versorgungssicherheit dezentrale Wärme-Kraft-Kopplungs-
und Mobilität. Die ElCom geht davon gewahrt werde. anlagen (WKK). Letztere sind eine
aus, dass die Schweiz 2035 im Winter valable Alternative zu zentralen Gas-
rund 12 TWh importieren muss – vor- Saisonale Speicher verringern kombikraftwerken (GuD), die ebenfalls
ausgesetzt, dass bis dahin 4 TWh Importrisiken ein Akzeptanzproblem haben. GuD
Bild: EKZ
erneuerbare Winterproduktion zuge- Nun gibt es verschiedene Wege, wie der wären politisch wohl nur dann mehr-
baut werden.[2] Gleichzeitig bestünden zusätzliche Bedarf an Winterstrom im heitsfähig, wenn sie als reine
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Backup-Kraftwerke laufen – was den
Preis entsprechend in die Höhe treibt. 2200
Natürlich werden auch die grossen 2000
+20% BEV
Wasserspeicherkraftwerke weiterhin
1800 +75%
eine wichtige Rolle spielen für den sai- Heat pumps
sonalen Ausgleich. Doch dies allein 1600
Base consumption Surplus
wird nicht reichen. 1400 renewable electricity
Deshalb wird die Schweiz grössere
Electricity / GWh
1200
Kapazitäten für die saisonale Speiche- 1000
Imports
rung brauchen. Diese sind sowohl aus
800 PV production
volkswirtschaftlicher wie auch aus öko- (with 50% «suitable» rooftops)
logischer Sicht sinnvoll – und leisten 600
einen Beitrag zur Versorgungssicher- 400
heit. Zu diesem Schluss kommt auch 200
Domestic production
(without nuclear)
die ElCom: «Wenn es gelänge, som-
0
merliche Produktionsüberschüsse im
industriellen Massstab in den Winter Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec
zu verlagern, so wäre ein weiterer Aus-
bau der inländischen Produktionska- Wöchentliche aggregierte Werte des künftigen Schweizer Elektrizitätssystems, Annah-
pazitäten in Bezug auf die Versor- men gemäss Empa-Studie, auf Basis der Werte 2010.
gungssicherheit im Winter in einem
geringeren Ausmass notwendig.»
Power-to-Gas ist Teil der Lösung
Die grössten Langzeitspeicherpoten
ziale haben gasförmige Energieträger.
Der Umwandlung von Strom zu Gas
(Power-to-Gas) kommt eine zentrale
Rolle im Umbau des Energiesystems
zu. Power-to-Gas ist eine der vielver-
sprechendsten Anwendungen der Sek-
torkopplung. Sowohl für die saisonale
Speicherung wie auch für die Dekarbo-
nisierung der Wärmeversorgung und
der Mobilität wird Power-to-Gas eine
zentrale Rolle spielen.
Findet der Ausbau der Photovoltaik
wie geplant statt, dann werden wir im
Sommer massive Überschüsse produ-
zieren. Diese können – wie es etwa Hier am Standort von Limeco in Dietikon entsteht die weltweit grösste, industrielle
SP-Nationalrat Roger Nordmann in Power-to-Gas-Anlage mit biologischer Methanisierung.
seinem Buch [3] vorschlägt – einfach
abgeregelt werden. Oder wir können sie
sinnvoll verwerten – unter anderem mit kann. Mittelfristig wird es für die saiso- der Abwasserreinigungsanlage und
Power-to-Gas-Anlagen. Durch Elek nale Speicherung auch in der Schweiz dem Strom aus der benachbarten Keh-
trolyse entsteht in einem ersten Schritt Gasspeicher brauchen. Gegenüber richtverwertungsanlage wird erneuer-
Wasserstoff (Power-to-Hydrogen), der Wasserspeichern haben diese einen bares Methan produziert und ins lokale
sich einerseits in der Mobilität oder für zentralen Vorteil: Um die gleiche Gasnetz eingespeist. Mit entsprechen-
Industrieprozesse einsetzen und ande- Menge an Energie zu speichern, ist den Rahmenbedingungen soll die
rerseits bis zu einem gewissen Grad ins 100-mal weniger Volumen nötig. Anlage zunehmend darauf ausgerich-
Gasnetz einspeisen lässt. In einem tet werden, Überschussstrom zu Spit-
zweiten Schritt kann – sofern eine güns- Erste industrielle Power-to-Gas- zenzeiten zu verwerten und so einen
tige CO2-Quelle vorhanden ist – der Anlage der Schweiz Beitrag zur saisonalen Speicherung
Wasserstoff in Methan umgewandelt Die erste Schweizer Power-to-Gas-An- von Energie vom Sommer in den Win-
werden (Power-to-Methane). Wird bei lage, die im industriellen Massstab syn- ter zu leisten. Am Projekt sind Swiss
der Umwandlung die Abwärme thetisches Gas produzieren soll, steht power Stadtwerke sowie weitere
Bilder: Empa / Limeco
genutzt, halten sich die Verluste in kurz vor der Realisierung: Im Herbst Schweizer Stadtwerke und Gasversor-
Grenzen. Methan ist ohne zusätzliches wird das Regiowerk Limeco am Stand- ger beteiligt. Das Beispiel zeigt, dass
Verkehrsaufkommen besser speicher- ort Dietikon mit dem Bau einer Power-to-Gas-Anlagen schon heute
und transportierbar, da es ins beste- 2,5-MW-Anlage beginnen. Mit dem wirtschaftlich betrieben werden kön-
hende Gasnetz eingespeist werden CO2 im lokal vorhandenen Klärgas aus nen. Dies allerdings nur, wenn der ver-
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wendete Strom direkt am Standort der Mehrfamilienhäusern, aber auch klei- könnten künftig aber auch Power-to-
Anlage produziert wird. Denn damit neren Gewerbebetrieben glätten. Gas-Anlagen, in Kombination mit
entfallen die Netzentgelte. Damit Damit optimieren die Konsumentin- WKK-Anlagen, zur Anwendung kom-
Power-to-Gas-Anlagen in Zukunft nen und Konsumenten ihren Eigenver- men.
auch andernorts realisiert werden, brauch und ihre Stromrechnung. Sie
müssen die politischen Rahmenbedin- leisten aber auch einen Beitrag zur Der Flexibilität einen Wert geben
gungen angepasst werden. Netzstabilität, indem sie die Flexibili- Weil das Forum Energiespeicher
tät ihrem Verteilnetzbetreiber zur Ver- Schweiz (FESS) überzeugt ist, dass Spei-
Vielfältige Anwendungs fügung stellen. Dezentrale Flexibilität cher in allen Ausprägungen und Funk
möglichkeiten wird für die Verteilnetzbetreiber tionen ein Schlüssel für die Energie-
Das erneuerbare, synthetische Gas immer wichtiger, weil sie einerseits mit wende sind, hat es eine «Roadmap
(oder der Wasserstoff) aus Power-to- stärkeren Schwankungen in der Pro- Energiespeicher» erarbeitet. Diese
Gas-Anlagen kann an mehreren Orten duktion (durch die neuen Erneuerba- Roadmap nennt die regulatorischen
sinnvoll eingesetzt werden: in der ren), aber auch im Verbrauch (durch Rahmenbedingungen, die für einen
Industrie, in der Mobilität oder im gleichzeitiges Laden von Elektrofahr- volkswirtschaftlich sowie energie- und
Wärmesektor. Letzteres ist vor allem zeugen) konfrontiert sein werden. klimapolitisch sinnvollen Ausbau der
dann sinnvoll, wenn das Gas in Die klassische Anwendung ist heute Speicher nötig sind und Investitionen in
WKK-Anlagen verwertet wird. Gerade eine Batterie, allenfalls auch die Batte- den Bau von Speicheranlagen, aber auch
in grösseren Siedlungen, Arealen oder rie im Elektromobil. Künftig werden es in die Forschung und Entwicklung von
gar Quartieren können WKK-Anlagen häufiger Second-Life-Batterien sein, Speichertechnologien auslösen werden.
einen effizienten Beitrag zur Dekarbo- beispielsweise aus Elektrofahrzeugen. Das Fernziel des FESS ist ein regula-
nisierung der Wärmeversorgung und Damit verbessert sich auch die Ökobi- torischer Rahmen, der Flexibilität und
gleichzeitig zur Winterstromproduk- lanz der Elektromobilität weiter. Auch Speicher über alle Energienetze und
tion leisten. Der Effekt ist nämlich andere Technologien, etwa kleine, Speichertechnologien hinweg gleich
gleich ein doppelter: Nicht nur werden dezentrale Elektrolyseure in Kombina- behandelt, die Kostenwahrheit maxi-
erneuerbare Wärme und erneuerbarer tion mit Brennstoffzellen, sind künftig miert und die volkswirtschaftlichen
Winterstrom produziert, sondern es denkbar. Kosten sowie die CO 2-Emissionen
wird gleichzeitig Strom für Wärme- Im mittleren Bereich wird es darum minimiert. Der Königsweg dorthin ist
pumpen eingespart, der im Winter gehen, ganze Siedlungen, Eigenver- einerseits ein CO2-Preis, der so hoch
durch den hohen Importanteil nach wie brauchsgemeinschaften oder gar Quar- ist, dass er tatsächlich lenkend wirkt –
vor stark CO2-belastet ist. tiere mit Speichern auszustatten. Die und der auf sämtlichen Energieträgern
Funktionen des Speichers werden die- erhoben wird. Andererseits sind es
Dezentrale Flexibilität wird selben sein wie oben beschrieben, aber dynamische (also zeitlich und örtlich
wichtiger mit einer besseren Skalierbarkeit. flexible), engpassorientierte Netztarife
Speicher werden aber nicht nur für den Zudem wird es für Verteilnetzbetreiber in allen Energienetzen.
saisonalen Ausgleich eine wichtige zunehmend eine Option sein, auf der Engpassorientierte, dynamische
Rolle spielen. Es braucht sie in ihrer Netzebene 5 und 7 einen grossen Spei- Netztarife geben der Flexibilität – und
ganzen Vielfalt. Dezentrale, kleine cher ins Netz zu stellen und im Gegen- damit auch den Speichern – einen
Speicheranlagen werden die Nach- zug auf Netzverstärkungen verzichten adäquaten Wert. Konkret heisst das,
frage- und Produktionsschwankungen zu können. Grosse Batterien werden dass Netztarife sich an den zeitlich und
im Bereich von Haushalten, Ein- und hier eine wichtige Rolle spielen. Es örtlich tatsächlich vorhandenen Eng-
RÉSUMÉ
Le stockage, la pièce manquante du puzzle
Feuille de route pour le stockage d’énergie
Afin que la Suisse puisse garantir la sécurité d’approvision- La feuille de route pour le stockage d’énergie propose une
nement à moyen terme et maîtriser la décarbonation, tous réglementation en trois étapes. Tout d’abord, les frais liés à
les types de stockage sont nécessaires : à court et moyen l’utilisation du réseau devraient être supprimés pour tous
terme ainsi que saisonnier ; électrique, thermique et les types d’installations de stockage qui réinjectent l’électri-
chimique. Le Forum Stockage d’énergie Suisse (Forum cité dans un réseau public, comme c’est déjà le cas pour les
Energiespeicher Schweiz, FESS) a élaboré une feuille de installations de pompage-turbinage. La deuxième étape
route pour le stockage d’énergie (Roadmap Energie- consiste à appliquer ce règlement également aux installa-
speicher), qui montre quelles conditions cadres sont néces- tions de stockage intersectorielles telles que les installa-
saires pour que les installations de stockage puissent être tions de conversion d’électricité en gaz (power to gas). La
utilisées non seulement de façon sensée du point de vue de troisième étape serait alors la tarification dynamique de
l’économie – d’entreprise et politique–, mais aussi d’une tous les réseaux d’énergie, axée sur les limites en cas de
manière bénéfique pour le système et le climat. forte demande. NO
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pässen orientieren müssen. Dies setzt greifende Speicher. Dazu zählen etwa zum Endverbraucher weitergereicht
einen möglichst flächendeckenden Power-to-Gas-Anlagen, sofern diese werden. Das würde dann etwa heissen,
Smart-Meter-Rollout voraus. Deshalb die umgewandelte Energie wieder in dass der Endverbraucher des syntheti-
sind Experimente des sogenannten ein öffentliches Netz (etwa das Gas- schen Gases nicht nur die Kosten für
«nodal pricing» derzeit höchstens lokal netz) einspeisen. Aus rein stromzent- die Nutzung des Gasnetzes, sondern
begrenzt möglich – sofern der gesetzli- rierter Sicht mag man einwenden, dass auch die Kosten des vorgelagerten
che Rahmen sie überhaupt zulässt. die Energie aus dem Stromnetz ent- Stromnetzes mitbezahlt. Damit wären
nommen wird und nicht mehr zurück- auch die richtigen Anreize gesetzt,
In drei Schritten zum Ziel fliesst, weshalb die Netzentgelte in dass sich die jeweiligen Anlagen auf
Bis es so weit ist, hat die Politik aber jedem Fall geschuldet sind. Aus einer allen Ebenen systemdienlich verhal-
Instrumente zur Hand, um die Rah- Gesamtsystemsicht ist die Verwertung ten.
menbedingungen für Speicher relativ von Stromüberschüssen und die nach- Bis es so weit ist, dürfte noch einige
schnell und unbürokratisch zu verbes- folgende Substitution von fossilen Zeit ins Land ziehen. Die untertägigen
sern. Die «Roadmap Energiespeicher» Energieträgern in anderen Sektoren und saisonalen Ungleichgewichte sind
macht dazu einen Vorschlag für eine aber durchaus systemdienlich – oder aber bereits Realität. Deshalb braucht
Regulierung in drei Schritten. besser formuliert «klimadienlich». es jetzt pragmatische, rasch realisier-
Erstens sollen Netznutzungsentgelte Zumindest bis die Preise für den (Win- bare erste Schritte in die richtige Rich-
erlassen werden für alle Arten von elek- ter-)Strom sowie die Flexibilität und tung.
trischen Speichern, die den Strom wie- die Netznutzung die tatsächlichen
der in ein öffentliches Netz zurückspei- Knappheiten widerspiegeln, ist es Referenzen
sen (bzw. nur auf den Verlusten erhoben durchaus sinnvoll, eine solche Entlas- [1] Martin Rüdisüli, Sinan L. Teske, Urs Elber (Empa,
werden). So, wie dies heute bei den tung vorzunehmen. Andere Länder wie 2019): Impacts of an Increased Substitution of Fossil
Energy Carriers with Electricity-Based Technologies
Pumpspeichern bereits der Fall ist. Die Deutschland und Österreich beschrei- on the Swiss Electricity System.
aktuelle Regulierung ist eine klare ten diesen Weg bereits. [2] ElCom (2020): Rahmenbedingungen für die Sicher-
stellung einer angemessenen Winterproduktion;
Diskriminierung sämtlicher anderer Der dritte Schritt wäre dann die Einschätzung der ElCom; 27. Februar 2020.
Stromspeicher, die sich nicht rechtfer- dynamische und engpassorientierte [3] Roger Nordmann (2019): Sonne für den Klimaschutz.
Ein Solarplan für die Schweiz. Zytglogge Verlag.
tigen lässt. Eine Befreiung der Netznut- Bepreisung sämtlicher Energienetze.
zungsentgelte für reine Stromspeicher Sobald sämtliche Netze smart genug Link
JJspeicher.aeesuisse.ch/de/positionen
entspricht übrigens auch der subsidiä- sind und die tatsächlichen Energie-
ren Auslegung des aktuellen Rechts im f lüsse sauber abgebildet werden Autor
Jan Flückiger ist Leiter Public Affairs und Kommunika-
Handbuch Strom des VSE. können, wäre es sogar denkbar, eine tion, Swisspower AG, sowie Mitglied der Kerngruppe des
Der zweite Schritt, der aus Sicht des sektorübergreifende, einheitliche Forums Energiespeicher Schweiz (FESS).
JJSwisspower AG, 3011 Bern
FESS nötig wäre, ist die Anwendung Netztarifierung einzuführen, bei der JJjan.flueckiger@swisspower.ch
dieser Regelung auch auf sektorüber- die Kosten der genutzten Netze bis
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