Spektrum Onkologie - wissenswert, kompakt, anregend
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KALEIDOSKOP Kompass Onkol 2020;7:226–229 DOI: 10.1159/000513237 Spektrum Onkologie – wissenswert, kompakt, anregend Die physikalische Struktur von Krebszellen wird durch ein sich in der Krebszelle bildendes Netz zerstört, wodurch diese ihren Selbstzerstörungs mechanismus aktiviert. © MPI-P Max-Planck-Institut für Polymerforschung | Das Netz des Todes: Neue Methode zur Krebsbekämpfung mit molekularen Fasern Krebs gehört laut dem Statistischen Bundes- Zu diesem Zweck haben die Wissenschaftler le ihren eigenen Selbstzerstörungsmechanis- amt mit einem Anteil von beinahe 25% zu den innen und Wissenschaftler eine Art von mo- mus. «Wir greifen die Krebszelle also auf eine häufigsten Todesursachen in Deutschland. lekularen Legosteinen synthetisch hergestellt, Weise an, gegen die sie sich nicht wehren Chemotherapie wird häufig zur Behandlung die über eine spezielle molekulare Erweite- kann», sagt Ng. eingesetzt, bringt aber auch für gesunde Or- rung sowohl in normale als auch in Krebszel- Die Forscher haben die Methode bisher an gane Nebenwirkungen mit sich. Einen ganz len gelangen können. Der Legostein alleine Krebszellen in einer Laborkultur untersucht anderen Weg versuchen nun Wissenschaft- ist harmlos, jedoch setzen die in Krebszellen und konnten nachweisen, dass die Zellen lerinnen und Wissenschaftler um David Ng, herrschenden Bedingungen nun eine Rei- innerhalb der sehr kurzen Zeit von etwa 4 Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Po- he von chemischen Reaktionen in Gang: «In Stunden absterben. In Zukunft könnte ihre lymerforschung, zu gehen: Durch eine geziel- Krebsgewebe ist die Umgebung viel saurer als Methode möglicherweise eine Alternative zur te und lokalisierte Zerstörung der Struktur der in normalem Gewebe», sagt Ng. «Darüber hin- Krebsbehandlung darstellen - weitere Studien Krebszellen kann deren Selbstzerstörungs- aus finden sich in diesen Krebszellen aufgrund hierzu sind im Gange. mechanismus aktiviert werden. In Laborex- der erhöhten Stoffwechselaktivität des Kreb- Perspektivisch werden Ng, Weil und Kollegen perimenten können sie bereits erste Erfolge ses viel mehr hochreaktive oxidative Moleküle weiter daran arbeiten, die Präzision der Verfor- vorweisen. - und das machen wir uns zunutze.» mung zu erhöhen und das Netz nach dem «Wir haben nun versucht, einen anderen Weg Wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, Absterben der Krebszellen biologisch abzu- einzuschlagen und den Krebs nicht durch können sich die einzelnen Legosteine verbin- bauen. Eingriffe in die biochemischen Prozesse zu den - und so ein großes Netz bilden. Dieses Sie haben ihre Ergebnisse im Journal of the beeinflussen, sondern seine Struktur direkt Netz, das im Inneren der Krebszellen wächst, American Chemical Society 142 (37), S. 15780 anzugreifen» sagt Dr. David Ng, Gruppenleiter ist äußerst stabil und verformt die Krebszellen - 15789 (2020) veröffentlicht. im Arbeitskreis von Prof. Tanja Weil am Max- von innen heraus. Unfähig, die physikalische Planck-Institut für Polymerforschung. Belastung zu verkraften, aktiviert die Krebszel- information@karger.com © 2020 S. Karger GmbH, Freiburg www.karger.com/kko
Philipps-Universität Marburg | Wirksam gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs Ein neuer Verbund unter Federführung der Dafür kommt ein neu entwickeltes diagnos- Philipps-Universität Marburg forscht an bes- tisches Werkzeug zum Einsatz: die PREDICT- seren Behandlungsmöglichkeiten für Pati- Card. Auf ihr sind diagnostische Signaturen entinnen und Patienten mit metastasiertem gesammelt, sie können unmittelbar auf Blut- Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Deutsche und Gewebeproben des Bauchspeicheldrü Krebshilfe finanziert die Studie für die Dauer senkrebses angewendet werden. So soll von 3 Jahren mit insgesamt 1 550 000 Euro. zunächst theoretisch vorhergesagt werden, «Menschen, die auf eine bestimmte Behand- welche Chemotherapie bei welchen Patien- lung ansprechen, ähneln sich in Bezug auf tinnen und Patienten erfolgversprechend Kombinationen bestimmter biologischer ist. Nachdem die Patientinnen und Patienten Molekulare Diagnostik mit «PREDICT-Cards»: Für jede Merkmale, der so genannten Biomarker», er- dann eine von drei Standard-Chemotherapi- Patientin und jeden Patienten wird ein individuelles läutert der Direktor der Klinik für Innere Me- en erhalten haben, wird der tatsächliche Er- Profil erstellt, indem der Aktivitätszustand der auf den PREDICT-Cards hinterlegten Markern überprüft dizin Prof. Dr. Thomas Gress, der den neuen folg der Behandlung mit der theoretischen und aufgezeichnet wird. ©Malte Buchholz Forschungsverbund leitet. «In den letzten Vorhersage der PREDICT-Card abgeglichen. Jahren haben wir eine Vielzahl solcher Bio- Die prädiktiven Signaturen werden klinisch werden, die zum Beispiel gezielt genomi- marker-Kombinationen gesammelt und so validiert. Parallel dazu wird nach möglichen sche Veränderungen im Tumor adressieren. prädiktive Signaturen entwickelt. Mit dieser neuen Medikamenten gesucht. Durch Ana- Studie wollen wir die Vorhersagekraft dieser lysen der direkten Umgebung der Tumorzel- Signaturen jetzt überprüfen.» le sollen Behandlungsoptionen identifiziert Leibniz-Institut für Photonische Technologien e. V. | Neues internationales Ausbildungsnetz für die Krebsforschung der Zukunft Photonische Technologien — also Verfahren, novative Ausbildungsnetzwerk (Innovative logien (Leibniz-IPHT). Das Institut aus dem die Licht als Werkzeug nutzen — können Training Network — ITN) PHAST als Marie deutschen Optik- und Photonik-Standort dazu beitragen, Krebserkrankungen frühzeiti- Skłodowska-Curie-Aktion im Rahmen des Jena ist ebenso Teil des PHAST-Netzwerks ger und genauer zu erkennen und sie zielge- Forschungs- und Innovationsprogramms wie der dortige Mikrooptik-Spezialist richtet und schonend zu behandeln. Die Ent- Horizon 2020. Grintech GmbH und die Friedrich-Schiller- wicklung solcher innovativen Instrumente «Unser gemeinsames Ziel ist es, in enger Zu- Universität mit ihrem Klinikum (UKJ). Weite- und nicht-invasiven Methoden für Krebs- sammenarbeit von Technologieentwick- re profilierte Partner sind das Institute of Diagnostik und -Therapie steht im Fokus des lung, Medizin und Industrie die nächste Photonic Sciences ICFO in Barcelona, die dreijährigen Doktoranden-Programms, das Generation von Forschenden auf dem Ge- Universität Parma, die Medizinische Univer- 15 Forschungsstellen in Italien, Deutschland, biet der Biophotonik auszubilden», so Prof. sität Wien und das University College of Frankreich, Spanien, Österreich, Irland und Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor Cork. Unter den Unternehmen befinden Schweden ausschreibt. Die EU fördert das in- am Leibniz-Institut für Photonische Techno- sich spezialisierte Kleinunternehmen sowie Global Players wie Horiba, Philips und Zeiss. Das strukturierte Ausbildungsprogramm ist an konkrete Projekte geknüpft, etwa die Er- forschung eines Laser-Endoskops zur Ent- fernung von Tumorgewebe, einer Mikro- Kamerafür die hyperspektrale Bildgebung bei der In-vivo-Diagnostik oder die Entwick- Ein Forscherteam des Leibniz-IPHT, der Univer- lung optischer Verfahren, um den Therapie- sität und dem Universi- erfolg zu überwachen. Ein detaillierter tätsklinikum Jena sowie Überblick über das PHAST-ETN-Projekt vom Fraunhofer-Institut für Optik und Feinme- findet sich unter: www.phast-etn.eu. chanik hat ein optisches Verfahren entwickelt, das Krebsgewebe sicht- bar macht. ©Sven Dö- ring/Leibniz-IPHT Kompass Onkol 2020;7:226–229 227 DOI: 10.1159/000513237
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg | Wissenschaftler überprüfen den Stellenwert der Blutstammzelltransplantation bei fortgeschrittenem Multiplem Myelom Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hei- «Durch die neuen Medikamente konnte erst- «Unsere Erkenntnisse zeigen erstmalig, dass delberg (UKHD) und des Nationalen Centrums mals seit Einführung der Hochdosis-Chemo- der Effekt einer Hochdosis-Chemotherapie für Tumorerkrankungen (NCT) haben im Rah- therapie ein deutlicher Überlebensvorteil für und autologen Blutstammzelltransplantation men einer multizentrischen Studie der «Ger- Patienten mit Multiplem Myelom erzielt wer- für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung man-speaking Multicenter Myeloma Group» den. Der Stellenwert dieser Substanzen im im Zeitalter der neuen Therapiesubstanzen (GMMG) die Therapieverfahren des Multiplen Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren geringer ist, als zuvor angenommen», sagt Myeloms miteinander verglichen und den plus Blutstammzelltransplantation bei Erkran- Marc-Andrea Bärtsch, Arzt und Wissenschaft- Stellenwert einer erneuten Blutstammzell- kung mit Rezidiv wurde bislang allerdings ler an der Klinik für Hämatologie, Onkologie transplantation bei fortgeschrittener Erkran- nicht im Detail geprüft und bewertet», erklärt und Rheumatologie am UKHD. «Trotzdem kung untersucht. Dabei stellten sie fest, dass Hartmut Goldschmidt, Leiter der Sektion Mul- scheinen Patienten, denen wir nach einer an- bereits eine alleinige Behandlung mit neuen tiples Myelom an der Medizinischen Klinik V fänglichen Therapie mit Lenalidomid und Medikamenten sehr gute Überlebenszeiten (Ärztlicher Direktor: Carsten Müller-Tidow) am Dexamethason eine erneute Blutstammzell- erzielen kann. Trotzdem profitierte am Ende UKHD und NCT Heidelberg (Geschäftsfüh- transplantation ermöglichen können, durch die Patientengruppe, die eine erneute Blut- rendes Direktorium: Jürgen Debus, Stefan diese insgesamt Lebenszeit zu gewinnen.» stammzelltransplantation erhielt. Fröhling, Dirk Jäger, Peter Lichter). «In weiteren Analysen wollen wir nun die Re- Das Nationale Centrum für Tumorerkran- Wissenschaftler und Ärzte haben nun in einer levanz der Blutstammzelltransplantation kungen (NCT) Heidelberg ist eine gemein- Phase-3-Studie gemeinsam mit 16 GMMG beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom same Einrichtung des Deutschen Krebsfor- Zentren in Deutschland 2 Behandlungswege und die molekularen Hintergründe für das schungszentrums (DKFZ), des Universitäts- bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Therapieansprechen genauer untersuchen», klinikums Heidelberg (UKHD) und der Multiplen Myelom verglichen. 139 Patienten berichtet Goldschmidt. Deutschen Krebshilfe (DKH). im sogenannten Transplantations-Arm soll- Literatur ten eine Therapie mit dem Medikament Lenalidomid und dem Kortisonpräparat Goldschmidt H, Baertsch MA, J. Schlenzka et al.: Salvage Autologous Transplant and Lenalidomide Mainte- Dexamethason gefolgt von einer Hochdosis- nance vs. Lenalidomide/Dexamethasone for Re- Chemotherapie und autologen Blutstamm- lapsed Multiple Myeloma: the Randomized GMMG zell-transplantation sowie anschließend einer Phase III Trial ReLApsE. Leukemia https://doi. org/10.1038/s41375-020-0948-0 Lenalidomid-Erhaltungstherapie erhalten. Im Kontroll-Arm der Studie wurden 138 Patien- ten bis zu einem Fortschreiten der Erkran- kung mit Lenalidomid und Dexamethason Professor Goldschmidt (Mitte) im Gespräch mit Team- mitgliedern der Sektion Multiples Myelom am NCT ohne Blutstammzelltransplantation kontinu- Heidelberg. ©Universitätsklinikum / Philip Benjamin ierlich behandelt. www.nct-heidelberg.de Deutsche Krebsgesellschaft | Erstmals S3-Leitlinie zum Analkarzinom erschienen Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter ten, deshalb gab es bisher in der Fläche we- An der Erstellung der S3-Leitlinie waren 26 Federführung der Deutschen Gesellschaft für nig Erfahrung in der Diagnostik, Therapie Fachgesellschaften und Organisationen be- Koloproktologie e.V. (DGK) erstmals eine S3- und Nachsorge», sagt PD Dr. Felix Aigner, teiligt. Die Leitlinie ist auf dieser Webseite Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nach- Barmherzige Brüder Krankenhaus Graz. Er ist abrufbar: https://www.leitlinienprogramm- sorge von Analkanal- und Analrandkarzino- zusammen mit PD Dr. Robert Siegel von der onkologie.de/leitlinien/analkarzinom/ men erstellt. Die Leitlinie gibt unter anderem Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Onkologi- Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Empfehlungen zur Primärdiagnostik, Thera- sche Chirurgie am Helios Klinikum Berlin- Leitlinien-App integriert. Nähere Informatio- pieentscheidung bei kurativer Operation und Buch Koordinator der Leitlinie. Die neue S3- nen zur App finden Sie hier: https://www. kurativer Radiochemotherapie, der Response Leitlinie formuliert nun evidenzbasierte leitinienprogramm-onkologie.de/app/ beurteilung nach Radiochemotherapie so- Standards und bietet so die Grundlage für wie der Palliativversorgung. die Optimierung der interdisziplinären und «Das Analkarzinom ist im Vergleich zu ande- sektorenübergreifenden Versorgung der Be- ren gastrointestinalen Tumoren relativ sel- troffenen. www.krebsgesellschaft.de 228 Kompass Onkol 2020;7:226–229 DOI: 10.1159/000513237
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn | Wie Tumorzellen der Immunabwehr entgehen Wissenschaftler versuchen verstärkt, das dieser Strategie untersuchten die Wissen- körpereigene Immunsystem zum Kampf ge- schaftler nun, wie die Krebszellen auf die gen Krebs zu nutzen. Eine neue Studie der Verfolgung durch das Immunsystem re- Universität Bonn sowie von Forschungsein- agierten. Dabei fanden sie je nach Gen, das richtungen in Australien und der Schweiz mit einem solchen Etikett versehen war, zeigt nun, mit welchen Strategien Tumorzel- deutliche Unterschiede. len dieser Attacke entgehen. «Wenn die T-Zellen gegen Gene gerichtet «In unserer Studie haben wir untersucht, wie waren, die für Melanom-typische Merkmale diese Strategien aussehen und wovon das verantwortlich sind, beobachteten wir, dass abhängt», erklärt Dr. Maike Effern vom Insti- die Krebszellen ihr Aussehen veränderten tut für Experimentelle Onkologie am Univer- und diese Gene mit der Zeit unterdrückten», Auf den Spuren des «Wettrüstens» zwischen Immun- abwehr und Krebs: (von links) Dr. Maike Effern, sitätsklinikum Bonn. «Dabei haben wir uns erklärt Efferns Kollegin Dr. Nicole Glodde. Dr. Nicole Glodde und Prof. Dr. Michael Hölzel. auf Melanomzellen konzentriert, also den «Sie versteckten sich auf diese Weise also vor © Barbara Frommann/Uni Bonn schwarzen Hautkrebs.» dem Immunsystem.» Die Wissenschaftler klebten verschiedenen Ein weiteres in der Studie untersuchtes Gen Die Studie wurde unter anderem von der Genen, die bei der Entwicklung von Mela- ist für den Tumor dagegen überlebenswich- Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nomzellen aktiv sind, eine Art Etikett an und tig. Es lässt sich daher nicht so einfach her- im Rahmen einer internationalen Graduier- erzeugten damit Antigene. Dann ließen sie unterregulieren und dadurch verstecken. tenschule finanziert. eine Gruppe von T-Zellen gegen die Tumor- «Aus unserer Sicht hätte dieses Gen daher zellen los, die genau dieses molekulare Eti- das Potenzial, eine sehr wirksame T-Zell-Ant- kett als Krankheitsmerkmal erkannten. Mit wort hervorzurufen», betont Effern. www.uni-bonn.de Kompass Onkol 2020;7:226–229 229 DOI: 10.1159/000513237
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