SPICE-basierte Bauelementemodellierung
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Kapitel 1: Einleitung 1 SPICE-basierte Bauelementemodellierung Thomas Leitner Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen, Außenstelle EAS Dresden Zeunerstraße 38, D-01069 Dresden, Telefon: (0351) 4640 716; Fax: (0351) 4640 703 email: leitner@eas.iis.fhg.de Am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen wurde auf der Basis der SPICE-Halbleiter- Modelle eine Modell-Bibliothek entwickelt, die für die Anbindung an verschiedene Simulatoren vorgesehen ist. Für die Modellierung wurde ein objekt-orientierter Ansatz unter Verwendung der Programmiersprache C++ gewählt. Im Artikel wird der Aufbau der Bibliothek und die mit der gewählten Implementierung eröffneten Modellierungsmöglichkeiten beschrieben. 1 Einleitung Für die Simulation elektrischer Netzwerke stellt die Bereitstellung von Bauelementemodellen für Halbleiter ein wesentliches Problem dar. Für diskrete Transistoren und planare Si-Strukturen haben sich die SPICE-Modelle der University of Berkeley zu einem de-facto Standard entwickelt. Sie sind inzwischen in allen großen Simulationssystemen implementiert. Die weite Verbreitung der SPICE- Modelle ist vor allem darauf zurückzuführen, daß der Quellcode der Modelle frei zugänglich war. Die SPICE Standardmodelle sind nur in den typischen Bereichen der Kennlinien gültig. Das bedeu- tet, daß sie sowohl für Hochfrequenz-Bausteine als auch für Schaltelemente der Leistungselektro- nik nur bedingt einsetzbar sind. Andererseits berücksichtigen spezielle Leistungs- Halbleitermodelle meist keine dynamischen Vorgänge, so daß wiederum auf SPICE-Modelle zurückgegriffen werden muß, wenn keine eigenen Modelle geschrieben werden sollen. In vielen Fällen verbietet sich das Selbstentwickeln von Modellen aus Zeit- und Kostengründen. Durch viele Halbleiterhersteller werden SPICE-Parametersätze für Entwickler zur Verfügung gestellt. Diese Parametrisierung ist allerdings häufig unvollständig, so daß für die Arbeit in Grenz- bereichen der Kennlinien auf Parameter-Extraktionsprogramme zurückgegriffen werden muß. Die gängigen Programme sind in der Lage, für alle SPICE3-Modelle Parametersätze aus den Kennli- nien zu extrahieren. Insbesondere das Programm IC-CAP der Firma HP kann in Verbindung mit (HP-)Meßtechnik sogar simulatorspezifische Parametersätze erzeugen. Die SPICE-Halbleitermodelle werden durch technologieabhängige Parametersätze auf die einzel- nen Halbleiter zugeschnitten. Die Technologieparameter werden in der .model-Anweisung zusammengefaßt, die dann für eine beliebige Anzahl Transistoren Gültigkeit hat. Die Eigenschaften konkreter Transistoren ergeben sich durch Berücksichtigung der Geometrie. Die älteren SPICE-Modelle der Bipolartechnologie lassen lediglich einen einzigen Geometriefaktor zu, was für herkömmliche Technologien ausreichend ist. Bei den Modellen für Feldeffekttransisto- ren müssen verschiedene Geometriedaten bekannt sein. Die Geometrien müssen für jedes Schal- tungselement separat angegeben werden. Für diskrete Bauelemente sind die in der .model-Zeile zusammengefaßten Technologieparameter gewöhnlich schon geometrieabhängig skaliert, so daß sich eine Angabe der Geometrie beim einzelnen Element häufig erübrigt. Für viele SPICE-Modelle wird die Abhängigkeit der Kennlinien von der Temperatur mit berücksichtigt. Seit SPICE3 kann die Arbeitstemperatur der einzelnen Schaltungselemente angegeben werden. Die weiteren Elementparameter ergeben sich durch die Numerik des Simulators und sind von des- sen Implementierung abhängig. In SPICE3 dienen sie hauptsächlich dem Finden eines Gleich- strom-Arbeitspunkts. Als Beginn einer Simulation wird immer der Arbeitspunkt bestimmt. Bei bi- oder multistabilen Schaltungen oder ungünstigen numerischen Verhältnissen kann der Arbeits- punkt ohne zusätzliche Unterstützung, beispielsweise durch Vorgabe von Werten, nicht gefun- den werden. Thomas Leitner 5.7.02
2 SPICE-basierte Bauelementemodellierung 2 Unzulänglichkeiten der SPICE-Modelle Die SPICE-Modelle erfüllen die meisten Ansprüche der Schaltungsentwicklung. Dennoch existie- ren Bereiche, in denen sie nicht eingesetzt werden können. Die Summe der in diesem Abschnitt zusammengetragenen, meist kleineren Fehlern führte am EAS Dresden zur Entscheidung, die Halbleitermodelle in einer eigenen Bibliothek neu zu implementieren. Wegen der guten Erfahrun- gen mit SPICE und der weiten Verbreitung der SPICE-Modelle sollte die Neuimplementierung auf der Grundlage von SPICE3 erfolgen. Mit den bisherigen Implementierungen treten die im Folgenden beschriebenen Unstimmigkeiten auf: Die 1983 entstandene Version 2G6 des SPICE-Simulators stellte den Abschluß der Entwicklung der in FORTRAN geschriebenen SPICE-Varianten dar. Die mit diesem Simulator ausgelieferten Modelle weisen Unzulänglichkeiten auf. Insbesondere ist die Stetigkeit der Strom-Spannungs- kennlinien und ihrer Ableitungen nach den Spannungen nicht in jedem Fall gegeben, was zu numerischen Problemen an den Unstetigkeitsstellen führen kann. Die für die Berechnung von Fel- deffekttransistoren bereitgestellten Modelle sind für den Betrieb im Subtreshold-Bereich und für Bauelemente kleiner Geometrien (< 2µm) ungeeignet. Im Nachfolgeprogramm SPICE3 wurden die meisten Modellierungsfehler von SPICE2 beseitigt. Weiterhin wurden Modelle für Feldeffekt- transistoren kleiner Geometrien ergänzt. Diese Entwicklung hat mit den aktuellen MOS-Modellen BSIM3 V3 und Philips Level 9 voraussichtlich noch keinen Abschluß gefunden. Trotz der geschilderten Unzulänglichkeiten basieren die Bauelementemodelle einiger Simulatoren auch heute noch auf den SPICE2-Modellen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Implementierun- gen der einzelnen Simulatoren sich in einigen Punkten unterscheiden, so daß bei Verwendung gleicher Parametersätze die Schaltungsberechnung mit verschiedenen Simulatoren zu unter- schiedlichen Ergebnissen führen kann. Von SPICE-Kompatibilität kann also nur bedingt gespro- chen werden. Die Fehler der SPICE3-Modelle sind lediglich beim Simulator HSPICE nahezu vollständig korrigiert. In den Simulator SIMPLORER wurden bisher die SPICE2-Modelle eingebaut, allerdings ohne Berücksichtigung der .model-Philosophie von SPICE. Die modernen Feldeffekt-Transistormodelle sind derzeit nicht verfügbar. Abb. 1: Kennlinie des SPICE-Modells der Halbleiterdiode Als Beispiel für die auch noch in SPICE3 vorhandenen Modellierungsfehler soll im Folgenden die Implementierung der Halbleiterdiode im Sperrbereich dienen. Der prinzipielle Kennlinienverlauf wird durch die Parameter BV (Durchbruchspannung) und IBV (Strom bei Durchbruchspannung) festgelegt. Die Kennlinie des Durchbruchsbereichs weist in SPICE2 bei ungünstiger Parameter- wahl eine Sprungstelle auf. In SPICE3 wurde diese krasse numerische Unzulänglichkeit beseitigt. Allerdings entstand ein Modell, das bei Parametern, die von den SPICE-Ersatzwerten abweichen, zu falschem Kennlinienverlauf führt. FhG Institut Integrierte Schaltungen / Außenstelle EAS Dresden
Kapitel 3: Neuimplementierung der SPICE-Modelle 3 Abb. 1 zeigt den Sperrschichtstrom als Funktion der Spannung. Verwendet wurden die SPICE- Ersatzwerte und BV = 1 V. Zusätzlich wurde N = 1.2 gesetzt, um die Auswirkung des Fehlers in den SPICE3-Formeln bei Sperrbetrieb zu zeigen. Der Wert N = 1.2 ist ein für praktische Dioden gängiger Wert. Die durchgezogenen Kennlinien sind die korrekt berechneten, die gestrichelten die Ergebnisse der SPICE3-Simulation. In der logarithmischen Darstellung wird für UD < 0 die Funktion -iD dargestellt. Der ungewöhnliche Kurvenverlauf für betragsmäßig kleine Spannungen resultiert aus einer numerischen Korrektur bei kleinen Strömen. 3 Neuimplementierung der SPICE-Modelle Ziel der Neuimplementierung der SPICE-Modelle war die Bereitstellung möglichst simulatorunab- hängiger Modelle auf der Grundlage der vollständiger SPICE3-Kompatibilität. In einer weiteren Ausbaustufe sollen weitere Modelle abgeleitet werden, bei denen die Fehler der SPICE3-Modelle beseitigt sind (Ziel: HSPICE-Kompatibilität). Die Erst-Implementierung erfolgte auf sun-Workstation für den Simulator KOSIM. Die Version 2.0 befindet sich derzeit in Arbeit. Bei ihr wird weitgehende Simulatorunabhängigkeit erreicht sein. Vollständige Unabhängigkeit von den Datenstrukturen und Schnittstellen des Simulators läßt sich nur durch die Verwendung von Hardwarebeschreibungssprachen oder Makromodellen erreichen. Als Makromodellierung wird in diesem Zusammenhang die Erstellung von Ersatzschaltungen aus dem Elementevorrat des Simulators verstanden. Im wesentlichen handelt es sich hierbei um gesteuerte Quellen. Makromodellierung ist sehr aufwendig und auf den vorhandenen Elemente- vorrat des Simulators beschränkt. Eine Änderung der Modellgleichungen, weil beispielsweise ein weiterer physikalischer Effekt berücksichtigt werden soll, kann unter Umständen eine vollständige neue Modellierung erforderlich machen. Die Modellgleichungen sind im Makromodell nicht mehr erkennbar. Andererseits ist ein Makromodell überall einsetzbar, wo der Grundelementevorrat bereitgestellt wird. Hardwarebeschreibungssprachen (HDLs) sind von ihrer Anlage her sehr allgemeine Modellbe- schreibungen. Auf dem Gebiet der Hardwarebeschreibungssprachen konzentriert sich derzeit die Entwicklungsarbeit. Verschiedene Simulatorhersteller bieten auf ihre Programme zugeschnittene Beschreibungssprachen an. Derzeit sind die vorhandenen Beschreibungssprachen noch nicht mit- einander kompatibel. HDL-Modelle sind relativ anfällig für numerische Probleme, da nur die not- wendigste Kommunikation zwischen Simulator und Modellen existiert. Beispielsweise ist ein Zugriff auf die Jacobimatrix des Netzwerksimulators nicht vorgesehen. Dies führt bei nichtlinearen und unstetigen Modellgleichungen zu numerischen Konvergenzschwierigkeiten und infolgedes- sen zur Verlängerung der Simulationszeit. Für Modelle auf hoher Abstraktionsebene ergeben sich dadurch keine wesentlichen Einschränkungen. Bei hardwarenahen Modellen, die gewöhnlich in größerer Zahl in einer Schaltung vorhanden sind, ist die Abarbeitungszeit jedoch ein bedeutender Faktor. Weiterhin ist es in vielen Fällen nicht erwünscht, dem Nutzer Einblick in den inneren Aufbau eines Modells zu geben. Diese Anforderung kann mit Hilfe von Decodier-Algorithmen erfüllt werden, wie sie beispielsweise bei MAST heute schon verwendet werden. Allerdings zeigt die Entwicklung bei digitalen Hardwarebeschreibungen ebenfalls einen Trend in Richtung höhere Programmier- sprache und Verwendung einer verallgemeinerten C-Schnittstelle. Als Begründung wird die Siche- rung des Know-Hows angegeben [Mühl95]. Aus diesen Überlegungen heraus wurde als Beschreibungsmittel eine höhere Programmierspra- che gewählt. Um die Vorteile einer objektorientierten Sprache nutzen zu können und gleichzeitig auf die Erfahrungen und den Funktionsvorrat von C zurückgreifen zu können, erfolgte die Imple- mentierung in C++. Thomas Leitner 5.7.02
4 SPICE-basierte Bauelementemodellierung 3.1 Anforderungen an eine Modellbibliothek Eine Modellbibliothek wird vom Modellentwickler und vom Anwender bearbeitet bzw. genutzt. Weiterhin ist noch der Simulatorhersteller zu berücksichtigen, der in der Regel aber nicht in den Modell-Anpassungsprozeß eingebunden ist. Die drei Gruppen haben im wesentlichen folgende Anforderungen an eine Modellbibliothek: Modellentwickler • möglichst wenig Kenntnisse des Simulationsalgorithmus erforderlich • keine doppelten (gleichen) Quelltextteile • Automatisierung von für alle Modelle identischen Operationen • Anbindungsmöglichkeit an verschiedene Simulatoren zum Einsparen von Entwicklungszeit • Ergänzungsmöglichkeiten für zusätzlich zu berücksichtigende physikalische Effekte • einfache Erweiterung der Bibliothek um neue oder modifizierte Modelle Simulatorhersteller • Vorgabe einer Modellschnittstelle, die ohne Modifizierungsmöglichkeiten genutzt werden muß. Bibliotheksanwender • einfache Handhabung • größtmögliche Flexibilität in der Anwender-Schnittstelle • kurze Rechenzeiten Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde ein modularer Bibliotheksaufbau gewählt. Die funktionalen Teile der Bibliothek sind simulatorunabhängig gestaltet. 3.2 Modellierungshierarchie In Erweiterung des SPICE3-Vorbilds werden für die Modellierung von Halbleitern Hierarchieebe- nen eingeführt. Zu einem Schaltungselement können verschiedene übergeordnete Ebenen exi- stieren. In jeder Ebene werden separate Objekte implementiert, die von gleicher Struktur sind. Lediglich die Objekte der untersten Ebene dürfen als Schaltungselemente in Netzlisten enthalten sein. Für die SPICE3-Modelle werden vier Hierarchie-Ebenen genutzt, die in Abb. 2 dargestellt sind. In einer Netzliste sind eine Anzahl von Schaltungselementen enthalten. Elemente mit identischer Geometrie sind vom gleichen Geometrie-Objekt abgeleitet. Verschiedene Geometrien können in der gleichen Technologie realisiert sein. Dementsprechend werden Technologieobjekte einge- führt. Oberste Hierarchieebene bilden allgemeine Optionen. Hierzu gehören numerische Kon- stanten, Ersatzwerte und ähnliche globale Vereinbarungen. Jede der Ebenen kann unbesetzt sein, so daß die einfachste Netzliste ausschließlich aus Schaltungselementen besteht. Optionen Für alle Elemente einer Netzliste gültig oder für jeweils eine Auswahl davon. Entspricht im einfachsten Fall der SPICE3- 0 .. n .option-Anweisung. Technologie Für eine Auswahl von Elementen einer Netzliste gültig, die den gleichen Bauelementtyp haben. 0 .. n Entspricht der SPICE3-.model-Anweisung. Geometrie Für eine Auswahl von Elementen einer Netzliste gültig, die der gleichen Technologie zugeordnet sind. 0 .. n Entspricht den SPICE3-Geometrie-Parametern. Schaltungselement Abb. 2: Modellierungshierarchie FhG Institut Integrierte Schaltungen / Außenstelle EAS Dresden
Kapitel 3: Neuimplementierung der SPICE-Modelle 5 3.3 Aufbau der Bibliothek Die Bibliothek besteht aus drei Teilen, die aufeinander aufbauen und zwischen denen je eine Schnittstelle definiert wurde. Die prinzipielle Struktur zeigt Abb. 3. Modellbibliothek eingebaute einheitliche Modelle Modellierungs- Schnittstelle zusätzliche Bibliothekskern Modelle allgemeine simulator- Analoge Simulator spezifisches Modell- Modul Schnittstelle simulator- eigene Schnittstelle Abb. 3: Struktur der Bibliothek Der Formelsatz der Modelle wird ohne Berücksichtigung von numerischen oder simulatorspezifi- schen Besonderheiten im Modellteil der Bibliothek formuliert. Dieser Teil setzt auf einer vorläufig bibliotheksinternen einheitlichen Modellierungsschnittstelle auf. Sie wurde auf der Basis von C++ definiert und steht prinzipiell auch für Erweiterungen der Modelle zur Verfügung. Der funktional wichtigste Teil ist der Bibliothekskern. In ihm werden die einfach gehaltenen Schnittstellenfunktionen der einheitlichen Modellierungsschnittstelle unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Simulators in Grundelemente, im Folgenden als Module bezeichnet, umge- setzt. Außerdem wird Funktionalität ergänzt, die für die Modellierung benötigt wird, aber durch den konkreten Simulator nicht zur Verfügung gestellt wird. Beispielsweise werden durch den Simulator SIMPLORER keine modellinternen Werte von zurückliegenden Zeitschritten verwaltet. Die Verbindung zum Simulator wird über die neu definierte allgemeine analoge Modellschnitt- stelle realisiert. Diese Schnittstelle ist wiederum in C++ spezifiziert und umfaßt alle notwendigen Funktionen für den Datenaustausch zwischen Simulator und Bibliothek. Der dritte Teil der Biblio- thek muß die allgemeine analoge Modellschnittstelle an die Modellschnittstelle des jeweiligen Simulators anpassen. 3.3.1 Modellteil Die Modellierung lehnt sich stark an moderne Hardwarebeschreibungen an. Zu einem Modell gehören jeweils ein Modell- oder Entity-Objekt und ein Architektur-Objekt. Für die Halbleitermo- delle ist die Standardarchitektur der SPICE3-Modellaufbau, so daß für den SPICE-Modellanwen- der keine Kenntnisse dieses inneren Bibliotheksaufbaus nötig sind. Innerhalb der Bibliothek erfolgt eine Trennung von Daten und Formelsatz. Im Modellteil werden keine Werte von Parametern und Klemmengrößen gespeichert. Die komplette Verwaltung dieser Daten erfolgt im Bibliothekskern. Im Modellteil werden diese Daten durch den konkreten For- melsatz miteinander verknüpft. Das Halbleitermodell wird in seine Bestandteile zerlegt, im folgenden Module genannt, wie sie beispielsweise aus der Ersatzschaltung abgeleitet werden können. Im Gegensatz zu einer Zusam- Thomas Leitner 5.7.02
6 SPICE-basierte Bauelementemodellierung menschaltung von Einzel-Schaltelementen können die Werte der Ersatzelemente nichtlinear und von Größen anderer Elemente abhängig sein. Beispielsweise ist eine Sperrschichtkapazität stark nichtlinear und vom Strom abhängig, der über die Sperrschicht fließt. Innerhalb eines Modells sind derartige Querverbindungen zulässig, die zwischen Schaltungselementen nicht möglich sind. 3.4 Bibliothekskern In den Klassen des Bibliothekskerns erfolgt die komplette Datenhaltung für die Modelle. Es sind Klassenstrukturen zur Beschreibung von Parametern und von Potential- und Flußgrößen an Klem- men enthalten. In der Bibliothek wurde für jede physikalische Größe (Spannung, Leitwert, ...) ein beschreibendes Objekt definiert. Ein Parameter kann nur genau eine physikalische Größe beschreiben und wird auf korrekten Datentyp geprüft. Weitere Objekte beschreiben die Eigenschaften der Klemmen. Bisher wurden elektrische und thermische Klemmen definiert. Zu jeder Klemmenart werden die anliegenden physikalischen Grö- ßen definiert. Innerhalb der Bibliothek wird eine ausführliche Typprüfung und einfache Plausibili- tätstests durchgeführt. Es ist beispielsweise nicht möglich, einen als Kapazität vereinbarten Parameter als Leitwert zu verwenden. Die Tests erfolgen einmalig bei der Initialisierung der Ele- mente, so daß die benötigte Rechenzeit in Grenzen gehalten werden kann. Die im Modellteil enthaltenen Module werden auf standardisierte Grundfunktionen zurückge- führt. Für die Modellierung von Halbleitern sind die Grundfunktionen • gesteuerte Stromquelle • nichtlinearer Leitwert • nichtlineare Kapazität ausreichend. Die allgemeine analoge Modellschnittstelle zum Simulator muß lediglich diese Grundfunktionen unterstützen. Aus dem Bibliothekskern wurden Funktionen, die nicht modellierungstypisch sind, in Spezialbi- bliotheken ausgegliedert. Diese wurden entweder komplett aus Klassenbibliotheken entnommen oder für den konkreten Einsatzfall modifiziert. Für die weitere Entwicklung ist die Einbeziehung von zusätzlichen Bibliotheken vorgesehen, die insbesondere die Auswertung von Hardwarebe- schreibungssprachen ermöglichen. Im einzelnen sind folgende Bibliotheken realisiert oder geplant (siehe auch Abb. 4): • eine Basis-Klassen-Bibliothek stellt die Grundfunktionalität für alle Klassen der Modellbibliothek zur Verfügung. • eine Datentypen-Bibliothek enthält neben den Einzel-Daten-Typen Klassen zur Definition von Feldern, Listen und Bezeich- nern. • eine bzw. mehrere Stream-Bibliotheken sind nötig, da die Standard-Streams unter einigen Betriebssystemen (DOS mit MS-Windows bzw. Windows95) nicht zur Verfügung stehen. Sie müssen durch Fensterausgaben ersetzt werden. • eine oder mehrere Einlese-Bibliotheken (geplant) sind auf jeweils eine Beschreibungssprache zugeschnitten. Vorläufig sind Bibliotheken für VHDL-A und MAST sowie SPICE-Modell-Bibliotheken vorzusehen. FhG Institut Integrierte Schaltungen / Außenstelle EAS Dresden
Kapitel 3: Neuimplementierung der SPICE-Modelle 7 Datentypen allgemeiner Datentyp mit einheitlicher Schnittstelle für: Bibliothekskern • Einzeldaten • Modelle • Felder • Elemente • Listen • Parameter • physikalische Größen Bibliotheks-IO • Klemmenbeschreibungen Bereitstellen einer Kapse- lung für Standard-Streams Oberfläche Fenster-Funktionalität für • X11 • Windows Datei-IO Dump-Reload-Funktionalität (CNCL-ähnlich) Einlesen von Modellierungs- komponenten HDL-Anbindung realisiert Einlesen von Bibliotheks- geplant elementen in verschiede- nen HDL-Hochsprachen Abb. 4: Teilbibliotheken des Bibliothekskerns 3.5 Simulator-Anbindung Das simulatorspezifische Modul besteht aus zwei Teilen, die jeweils für die Kommunikation in einer Richtung verantwortlich sind. Bibliotheksaufrufe erfolgen über ein Koppelmodul, das die spezielle Modell-Schnittstelle des Simulators an die allgemeine analoge Modellschnittstelle der Modellbibliothek anpaßt. In einer simulatorabhängigen Klasse werden die Grundfunktionen der Module auf die Speicher- strukturen des Simulators für den allgemeinen Fall umgesetzt. Für jedes Schaltungselement exi- stiert ein Objekt der simulatorspezifischen Klasse. Simulator Anpassung Modellbibliothek Eingabe Umsetzung Simulator- Simulator-Schnitt- Modell-Schnittstelle • Eingabe- der unabhängige übersetzer Bibliotheksaufrufe Bibliothek stelle • Parameter- bereitstellung Numerik Simulator- • Gleichungs- abhängige system-Löser Klasse • Speicher-struk- turen Thomas Leitner 5.7.02
8 SPICE-basierte Bauelementemodellierung Abb. 5: Kopplung zwischen Bibliothek und Simulator 4 Elektro-Thermische Simulation Die gewählte modulare Implementierung der SPICE-Bibliothek läßt es zu, mit relativ wenigen Modifizierungen im Bibliothekskern zusätzliche Effekte zu modellieren, ohne daß in die einzelnen Modellbeschreibungen eingegriffen werden muß. In der vorliegenden Version der Bibliothek wurde die Möglichkeit der elektrothermischen Simulation auf diese Weise ergänzt. 4.1 Problemdarstellung Ein Problem der modernen Schaltungssimulation stellt die Berechnung des elektrothermischen Verhaltens einer Schaltung dar. Ein Lösungsansatz geht von der Modellierung des thermischen Systems mittels elektrischer Ersatzelemente und der Simulation des Gesamtsystems mit einem Schaltungssimulator aus. Die Halbleitermodelle erhalten eine zusätzliche thermische Klemme. Diese wird entweder an ein Gehäusemodell angeschlossen oder auf die Umgebungstemperatur „geklemmt“. Die Potentialgröße der thermischen Klemme ist die Arbeitstemperatur. Auf der elektrischen Seite müssen die verwendeten Halbleitermodelle die Abhängigkeit der Kenn- linien von der Temperatur berücksichtigen. Dies ist bei den Original-SPICE3-Modellen leider nur bedingt der Fall. Außerdem muß als Flußgröße der thermischen Klemme die im Bauelement umgesetzte Wirkleistung berechnet werden. 4.2 Lösungsansatz der SPICE-Modellbibliothek In alle SPICE-Modelle, die eine Temperaturabhängigkeit berücksichtigen oder in denen eine Ver- lustleistung auftritt, wurde die zusätzliche Temperaturklemme eingeführt. 1 n+1 2 SPICE3- RT Modell CT n PV Abb. 6: Elektrothermisches SPICE-Halbleitermodell Die Modelle enthalten zusätzlich ein sehr einfaches Gehäusemodell, das aus einem thermischen Widerstand und einem parallel geschalteten Wärmespeicher besteht. Hierfür wurde ein innerer Knoten im Modell ergänzt, an dem die Bauelementetemperatur (Sperrschichttemperatur) ables- bar ist. Die Verlustleistung wird als Summe der Wirkleistungsbeiträge aller Modellbestandteile berechnet. Dazu tragen neben den parasitären Widerstanden die gesteuerten Quellen und die Sperrschich- ten bei. PV = ∑ Ires ⋅ UZweig (4 - 1) Ires ist ein resistiver Strom und UZweig die über dem Stromzweig abfallende Spannung. Durch dieses Vorgehen kann die Wirkleistung eines Schaltungselements exakt ermittelt werden. Für einen Bipolartransistor ergeben sich beispielsweise folgende Beiträge: P V = I RC U CC' + I RB U BB' + I RE U EE' + I CT U C'E' + I DE U B'E' + I DC U B'C' (4 - 2) FhG Institut Integrierte Schaltungen / Außenstelle EAS Dresden
Kapitel 5: Ausblick 9 5 Ausblick Die vorliegende Halbleiterbibliothek ist für die Anbindung an SIMPLORER vorgesehen. Mit der Fertigstellung der UDC-Schnittstelle von SIMPLORER sind die Voraussetzungen geschaffen wor- den, eine komplexe Modellbibliothek in den Simulator einzubinden. Literatur [Anto93] Antognetti, Paolo, Massobrio, Giuseppe: Semiconductor Device Modeling with SPICE. New York et al: McGraw-Hill Book Company, 1993. [HSPICE92] HSPICE User‘s Manual. Volume 2: Elements and Models. Campbell: Meta-Software, Inc. 1992. [Kie94] Kielkowski, R.: Inside SPICE. New York et al: McGraw-Hill, 1994. [Mühl95] Mühlegg, F.: What is Swift? Synopsis: 1995. [Vlad94] Vladimirescu, A.: The SPICE-Book. 1994. Thomas Leitner 5.7.02
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