Spotlight: Welt ohne Wasser: DUNE aus Sicht der politischen Ökologie

Die Seite wird erstellt Merlin Moll
 
WEITER LESEN
http://www.youtube.com/channel/UCLA_DiR1FfKNvjuUpBH
mylQ

Spotlight: Welt ohne Wasser: DUNE
aus Sicht der politischen Ökologie
von Mark Kammerbauer

Das Wechselspiel von Mensch und Umwelt steht im
Mittelpunkt der politischen Ökologie. In unserer
gegenwärtigen Welt sind es Konstellationen der Macht, die
den Zugang zu Ressourcen wie Wasser bestimmen. Wasser
ist Leben; zu wenig oder zu viel davon kann lebensgefährlich
sein, so etwa im Fall einer Dürre oder einer Flut. Auch in der
Science-Fiction spielt Wasser eine prominente Rolle.
Szenarien der SF können darstellen, was passiert, wenn
Planeten durch apokalyptische Hochwasser überflutet
werden oder unter kilometerdickem Eis begraben sind.
Wenn menschliche Zivilisationen solche extremen
Umweltbedingungen ertragen müssen oder sogar dafür
verantwortlich zeichnen, sind sie ohnehin gefordert,
entsprechende Methoden und Instrumente zum Umgang
damit zu entwickeln. In Frank Herberts Dune-Romanen
bringt der Wassermangel die Menschen dazu, Wege zum
Überleben in einer unwirtlichen Umwelt zu suchen und zu
finden.

Dune – Wüstenplanet – Arrakis

                                                          379
Was passiert, wenn ein Planet kaum oder gar nicht über
Wasser verfügt? Wie lassen sich die Folgen vom Blickwinkel
der politischen Ökologie einordnen? In Frank Herberts
Dune-Epos ist der Planet Arrakis von staubtrockenen
Wüstenlandschaften umgeben. Für die galaxisweite,
imperiale Hochkultur ein Hinterwäldlerplanet, ist Dune
dennoch von höchster Bedeutung für die galaktische Politik.
Er ist der einzig bekannte Planet, auf dem die wichtigste
Substanz des Universums vorkommt: das Spice. Dieser
unvorstellbar seltene Stoff hat lebensverlängernde Wirkung,
kann körperliche Mutationen auslösen oder das
Bewusstsein übernatürlich erweitern. Das Spice treibt den
Dune-Kosmos buchstäblich an und damit seine politische
Struktur. Herberts kosmischer Romanzyklus besticht dabei
durch den tausende Planeten umfassenden, detailgenau
dargestellten kulturellen und politischen Kontext.
Ursprünglich als Fortsetzungsgeschichte im SF-Magazin
Analog veröffentlicht, machten die Leser Dune mit der Zeit
zu einem der meistverkauften SF-Romane aller Zeiten.
Im Medium Film wurden Fassungen entweder nie
verwirklicht (Jodorowsky), gelten als gescheitert (Lynch)
oder können nur bedingt zufrieden stellen (SciFi-Channel).
Eine neue Interpretation, diesmal vom stilsicheren Regisseur
Denis Villeneuve, steht kurz vor seinem Kinodebüt. Dunes
Popularität hängt jedoch eher davon ab, wie überzeugend
Frank Herbert seine Geschichte in ihrem fiktiven politischen
und ökologischen Raum spinnt: Zehntausende von Jahren in
der Zukunft gehört die überlichtschnelle Raumfahrt zum
Alltag. Große Häuser bekämpfen einander nach einem
jahrhundertealten, feudalen Ehrenkodex. Sie sind alle in ein
tödliches Spiel um galaktische, imperiale Macht verstrickt.
Die politische Kontrolle über das Spice ist dabei

                                                        380
grundlegend und zielt unmittelbar auf das ökologische Herz
des Wüstenplaneten ab. Der Haken: Wo es Wasser gibt,
kommt Spice nicht vor. Arrakis ist eine Wüste genau aus
dem Grund, weil es dort das Spice gibt.

Das Spice muss fließen

Das Spice kann nur auf Arrakis gewonnen werden. Für die
Großen Häuser macht der Wassermangel die Herrschaft
über den Planeten nicht gerade leicht, zudem ist die
Förderung des Spice extrem gefährlich. Es ist ein
Nebenprodukt des Lebenszyklus der auf dem
Wüstenplaneten beheimateten Fauna – des kolossalen und
tödlichen Sandwurms, auch Shai-Hulud genannt. Sie
scheinen das Spice zu »schützen«, indem sie diejenigen
angreifen, die es zu fördern suchen. Die Großen Häuser sind
jedoch so gut wie ahnungslos, was die Wechselbeziehung
zwischen Wasser, Spice und Sandwürmern betrifft. Sie
demonstrieren auch eine chauvinistische Blindheit
gegenüber der indigenen menschlichen Kultur. Die
»Fremen« – Menschen, die vor langer Zeit nach Arrakis
kamen, verehren die gigantischen Sandwürmer in durchaus
religiöser Weise. Von der imperialen Zivilisation als
Hinterwäldler verachtet, haben sich die Fremen an die
Wüstenwelt angepasst, indem sie ihren Wasserverbrauch
auf ein Minimum reduzieren. Sie tragen Distillanzüge,
hochwertige Wasserrückgewinnungssysteme, die den
letzten Tropfen Feuchtigkeit, den der menschliche Körper
erzeugt, durch Pumpen und Filter laufen lassen und in
Auffangtaschen speichern. Fremen atmen die trockene
Wüstenluft durch einen Mundfilter ein und atmen durch
einen Nasenschlauch aus, der die verbliebene Feuchtigkeit

                                                       381
auffängt. Und sie haben damit angefangen, dieses Prinzip
auf ihre gesamte Welt auszuweiten.
Wasser ist auf der Oberfläche unendlich rar, jedoch fangen
es die Fremen Tropfen für Tropfen ein und speichern es in
gewaltigen, unterirdischen Kavernen. Für sie ist das Wasser
auch unendlich wertvoller als das Spice – nicht, weil es so
rar ist. Sie haben einen Zweck dafür: Die Fremen wollen
Arrakis einem Terraforming unterziehen. Trotz ihrer nahezu
perfekten Anpassung an den extremen Wassermangel
wollen sie den Wüstenplaneten in einen Garten Eden
verwandeln. Die Fremen stammen von unterdrückten und
versklavten Menschen ab, die auf Arrakis buchstäblich
ausgesetzt worden waren. Nach und nach eigneten sie sich
das Wissen an, um wirksam Wasser in der Menge zu
speichern, die für eine radikale Transformation von Arrakis
notwendig ist. Diese Sehnsucht nach Transformation kann
man auch als Versuch werten, die Kontrolle über das eigene
Schicksal zu gewinnen. Von der Not getrieben, die tödliche
Auseinandersetzung mit der gefährlichen Umwelt zu
überwinden, finden sich die Fremen jedoch in einem ganz
anderen Kampf wieder, im galaxisweiten Konflikt um die
Macht über die Spiceförderung. Der Erbe eines der Großen
Häuser, Paul Atreides, verspricht den Fremen, ihnen beim
Terraforming von Arrakis zu helfen. Im Gegenzug helfen sie
ihm dabei, den Imperator zu stürzen. Dazu muss das Spice
aufhören zu fließen, die Spiceförderung muss zum Stillstand
gebracht werden.

Kosmischer Garten Eden

Die Fremen stehen vor einem Dilemma. Sobald sie ihre
Abhängigkeit von der Wüste gegen die politische Kontrolle

                                                       382
über das Spice austauschen, können sie ihre Welt in einen
Garten Eden verwandeln, an den sie sich nicht in extremer
Weise anpassen müssen. Das alte Wissen darum, wie man
auf Dune überleben kann, ist nicht mehr erforderlich. Die
Fremen müssen nun, in gewisser Weise, keine Fremen mehr
sein. Es ist eine traurige Ironie der Fremen-Rebellion unter
Paul Atreides, dass sie gleichzeitig zum Niedergang der
fremenitischen Lebensweise beiträgt. Die Fremen beenden
die imperiale Ausbeutung von Arrakis, indem sie ihre
reichhaltige Kultur der Anpassung an eine wasserlose
Heimatwelt aufgeben. Sie ersetzen dabei lediglich eine
bestehende Form des Mangels durch eine neue: Der
Wassermangel weicht dem Verlust kultureller Identität. Die
Fremen wurden ja erst durch den Wassermangel in eine
zähe, stammesähnlich organisierte Gesellschaft
transformiert, die die Leser so fesselt. Nun sind sie von der
Verwandlung der Wüste in einen Garten Eden so besessen,
weil Herbert sie so beschreibt und weil es seiner Geschichte
nützt. Dune ist kein Dokument einer tatsächlich
existierenden Kultur. Die Lektüre von Dune verweist
dennoch auf offensichtliche Inspirationsquellen, etwa die
Kultur der Beduinen, wie sie in den Geschichten eines
Lawrence von Arabien popularisiert wurde. Dune ist also
»nur« eine Geschichte. Aber sie ist eine Geschichte, die ein
interessantes Licht auf die Struktur unserer Realität wirft.

Lehren aus Dune

Der Mangel an Wasser als Essenz des Lebens bedeutet eine
Gefahr für das menschliche (Über-)Leben. Der Traum, die
Wüste in ein blaugrünes Paradies zu verwandeln, ist dabei
so alt wie die Menschheit selbst. Die Transformation der

                                                         383
Umwelt findet jedoch innerhalb eines politischen Kontextes
statt, der die Kontrolle über die Umwelt und die
Ausbeutung von Naturschätzen begründet. Die erzwungene
Verwandlung dieses Kontextes hat einen hohen Preis,
nämlich den Verlust der Kultur, der Identität sowie der
Kapazität der Anpassung an die extrem trockene Umwelt.
Lokale Methoden der Anpassung bleiben Außenseitern oft
verborgen, selbst wenn sie nachhaltige Wege des
Überlebens in einer lebensfeindlichen Umgebung eröffnen.
Unser Dilemma besteht in einer Fehleinschätzung, welchen
Wert solche Lebensweisen besitzen: Wenn man genug
Wasser hat, verliert man den Sinn dafür, wie es ist, keines zu
haben. Wenn der Wunsch, die Umwelt zu kontrollieren und
zu transformieren, an der Wurzel dieses Dilemmas liegt,
müssen wir uns vielleicht nochmal genau überlegen, wie
sinnvoll das Ziel der Transformation ist. Das bedeutet nicht,
dem Mangel den Vorzug zu geben oder Menschen in einem
Zustand der Entbehrung gefangen zu halten. Es bedeutet,
adaptive Methoden und Ansätze wertzuschätzen. Sie
könnten dringend notwendig sein, wenn das Wasser
anderswo rar wird. Aus dieser Sicht ist es bezeichnend, dass
die Fremen sich auf eine Allianz mit genau dem Erben eines
Großen Hauses einlassen, der den Versuch unternimmt, die
politische Ökologie Dunes besser zu verstehen.

Ursprünglich auf Englisch erschienen in TOPOS Nr. 111
mk 25.09.2020
9200 Z.

                                                          384
Sie können auch lesen