"Sprache - Identität - Grenzen" - 17.-19. Mai 2021 via Zoom - Andrássy Universität Budapest

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"Sprache - Identität - Grenzen" - 17.-19. Mai 2021 via Zoom - Andrássy Universität Budapest
Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest   Doktoratskolleg für mitteleuropäische Geschichte
                              H-1o88 Budapest, Pollack Mihály tér 3.                 Ph.D.-Programm
                              Tel. | + 36 1 266 3101 | Fax | + 36 1 266 3099         E-Mail | doktorandentagung.meg@andrassyuni.hu
                              www.andrassyuni.eu

                                 „Sprache – Identität – Grenzen“
                                        17.–19. Mai 2021 via Zoom
               9. Internationale Doktorandentagung an der Andrássy Universität Budapest
                    organisiert vom Doktoratskolleg für Mitteleuropäische Geschichte

                                                                                                                           1
                                                                             „Steirische Völkertafel“, 18. Jahrhundert

Im Fokus der 9. Internationalen Doktorandentagung des Doktoratskollegs für Mitteleuropäische
Geschichte an der Andrássy Universität Budapest stehen drei zentrale Begriffe im Kontext
mitteleuropäischer Geschichte: Sprache, Identität und Grenzen.

Die Sprache, in der wir sozialisiert werden, prägt unser Denken, unsere Wertehaltungen, ganz
allgemein Vorstellungen von der Welt. Eine gemeinsame Sprache kann Menschen verbinden, uns
aber auch von anderen abgrenzen. Sie kennt Tabus und gesellschaftliche Codes und definiert, was
wir wie verstehen. Sie ist grenzüberschreitend und hat eine sozial differenzierende Funktion im
jeweiligen Kulturraum. Sprache verändert sich im Lauf der Geschichte und die Geschichte verändert
die Sprache. Sprachverbote in Zusammenhang mit historischen Ereignissen haben sogar Eingang in
Staatsverfassungen gefunden. Dass der Sprache eine große politische Wirkmacht zugeschrieben
wird, zeigen Zensur und Bücherverbrennungen, ebenso die verschiedenen Versionen von
Geschichtsbüchern, in denen jeweils unterschiedliche Narrative forciert werden. In der
Vergangenheit und auch heute bleibt der sprachliche Umgang mit Geschichte und Politik Zündstoff
hitziger Debatten.

Die Frage nach einer „mitteleuropäischen Identität“ macht deutlich, wie schwierig der Begriff zu
fassen ist. Welche Parameter zur Bestimmung sollen herangezogen werden? Gibt man sich nicht

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    Ausschnitt, Original im Volkskundemuseum Wien (ÖMV/30.905) Foto: Birgit & Peter Kainz, CC BY-NC-SA
"Sprache - Identität - Grenzen" - 17.-19. Mai 2021 via Zoom - Andrássy Universität Budapest
allein mit einem geografisch festgelegten Gebietsumfang zufrieden, stellt sich die Frage nach einer
gemeinsamen Geschichte (Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie), nach gemeinsamen
kulturellen Codes und Wirtschaftsbeziehungen, ebenso nach verschiedenen, von Historiker*innen
vom späten 19. Jahrhundert bis zur Wende 1989 vorgeschlagenen Konzepten, die eine Region
zwischen Ost und West definieren. Aber wo genau beginnt der Osten, wo der Westen und welche
historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zuschreibungen verbinden sich mit diesen Konzepten
von Mitteleuropa? Der Blickwinkel der Betrachtung spielt bei der Auffassung des Mitteleuropa-
Begriffes eine zentrale Rolle. So ist Mitteleuropa aus der Sicht Deutschlands anders gefasst als das
Mitteleuropa Österreichs.

Bemühte man sich im Europa seit dem Mauerfall 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der
1990er Jahre vor allem um den Abbau von Grenzen und den Ausbau einer grenzenlosen
Staatengemeinschaft, rückt am Beginn des 21. Jahrhunderts das Wiedererrichten von Grenzen ins
Zentrum des politischen Interesses vieler mitteleuropäischen Staaten. Die Abgrenzung von fremden
Gruppen und die Besinnung auf (vermeintlich) traditionelle Werte tragen zum Wiedererstarken des
Nationalismus bei. Auf der Suche nach kultureller, nationaler und sprachlicher Identität übernehmen
Grenzziehungen eine wichtige Funktion für die Orientierung in der Welt. Separierungstendenzen
schwächen einen Staatenverbund, was auf die Habsburgermonarchie in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ebenso zutraf wie auf das Europa von heute.

Die Tagung findet von 17.–19. Mai 2021 via Zoom statt. Eine Anmeldung ist über die Webseite der
Andrássy Universität Budapest möglich.

                                                 2
Montag, 17. Mai 2021

                                    Anneliese Rieger und Viktória Muka, Organisatorinnen der
                                    Doktorandentagung
                                    Prof. Dr. Ellen Bos, Leiterin der Doktorschule und Prorektorin
10:00–10:30   Begrüßungsworte       an der Andrássy Universität Budapest
                                    Prof. Dr. Dieter A. Binder, Leiter des Doktoratskollegs für
                                    Mitteleuropäische Geschichte an der Andrássy Universität
                                    Budapest
                                    Prof. Dr. Georg Grote, Senior Researcher am
10:30–11:00     Keynote Speech      Forschungszentrum       EURAC      Research,     Institut  für
                                    Minderheitenrecht, Bozen/Bolzano

   Zeit              Panel            Moderation       Vortragende                  Titel
                                                                       Zwischen Mittel- und Südeuropa:
                                                         Angelika
                                                                       Südtirol als Grenzregion im
                                                        Mitterhofer    literarischen Kontext
                I. Grenzregion       Prof. Dr. Georg                   Homiletische Transgressionen.
11:00–12:30                                               Daniel
                Tirol–Südtirol            Grote                        Grenzziehungen und Grenz-
                                                         Johannes      überschreitungen in katholischen
                                                           Huter       Kriegspredigten aus Tirol (1790-
                                                                       1809)
12:30–13:30      Mittagspause
                                                                       Viribus unitis? Was Kinder von
                                                                       ihrem ‚Vaterland‘ lernten.
                                                                       Identitätskonstruktionen
                                                         Marlene
                                                                       zwischen Regionalismus und
                                                         Horejs        Gesamtstaatspatriotismus in und
                                                                       durch Volksschulbücher/n der
                  II. Bildung,                                         späten Habsburgermonarchie
               Herrschaft und        MMag. Dr. phil.                   „Schulgeschichten vom Franz“
13:30–15:00   Patriotismus in der      Markus            Martina       oder wie transregional war die
                 Habsburger-           Roschitz        Schmidinger     habsburgische Schulbildung um
                                                                       1867?
                  monarchie
                                                                       „[...] das vor allen die teutsche
                                                                       Sprach allda solle vervielfältigt
                                                         Benedikt      werden“ – Zur Rolle des
                                                         Stimmer       Deutschen als Kultur- und
                                                                       Herrschaftssprache in Galizien
                                                                       1772–1790
15:00–15:30      Kaffeepause
                                                         Anneliese     Sprachpolitik und Anerkennung
                                                          Rieger
                                                                       „Ruhm und Ehre den gefallenen
                                                                       kroatischen Soldaten Mai 1945“:
                                                         Martina
                                                                       Die Sprache der kroatischen
                                     MMag. Dr. phil.     Mirković      Erinnerungspolitik seit den
                     III.                                              1990er Jahren
15:30–17:00                            Markus
              Sprach(en)politik                                        Fremdsprachenpolitik und
                                       Roschitz                        Identitätsmanagement. Zur
                                                                       Rekonstruktion der auswärtigen
                                                        Karl Dieter
                                                                       Kulturpolitik zwischen Ungarn
                                                         Uesseler      und den beiden deutschen
                                                                       Staaten in der Zeit der
                                                                       Transformation (1984–2002)

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Dienstag, 18. Mai 2021

   Zeit           Panel              Moderation       Vortragende                    Titel
                                                                         Sprache als
                                                        Fanny Julia
                                                                         Identitätsmerkmal in der
                                                          Orbán          Operette
               IV. Identitäts-                                           Zur Konstruktion von
                                                          Ulrike
               konzeptionen           Dr. Orsolya                        nationaler Identität in
09:00–10:30                                            Thumberger        österreichischen Popsongs
              in/durch Musik        Tamássy-Lénárt
               und Literatur                                             Die Sathmarer Schwaben
                                                                         zwischen Selbstbehauptung,
                                                       Răzvan Roșu       konfliktärer und diffuser
                                                                         Identität
10:30–11:00    Kaffeepause
                                                                         Buch, Archiv, Raum. Versuch
                                                         Thomas
                                                                         einer diffraktiven Lektüre
                                                        Ballhausen       von Franz Kafkas Tagebücher
                                                                         In eins geschrieben.
               IV. Identitäts-                                           Zentraleuropäisches
                                                        Lisa Dauth       Ähnlichkeitsdenken bei Paul
               konzeptionen           Dr. Orsolya
11:00–12:30                                                              Celan
              in/durch Musik        Tamássy-Lénárt                       Kulturelle Vielfältigkeit der
               und Literatur                                             mitteleuropäischen Region.
                                                                         Interpretationsmöglichkeit
                                                       Regina Goda       der Romane Der Gipfeldieb
                                                                         von Radek Knapp und Mehr
                                                                         Meer von Ilma Rakusa
12:30–13:30   Mittagspause
                                                      Die Rückkehr des Biedermeier in Zeiten der
                                                      Pandemie?
                                                           • Erzwungener sozialer Rückzug als Zäsur
                 Offene               Dr. Orsolya
13:30–15:00                                                   und Chance für Wissenschaft und Künste
                Diskussion          Tamássy-Lénárt         • Veränderte Arbeitsmodalitäten und ihre
                                                              Möglichkeiten für ein digitalisiertes,
                                                              grünes Jahrhundert

                                 Mittwoch, 19. Mai 2021

   Zeit           Panel              Moderation       Vortragende            Titel
                                                                         „Wir waren die Herrscher
                                                                         eines Reiches – Könige
                                                        Maximilian
                                                                         Europas“. Europabilder im
                                                         Kreter          deutschen Rechtsrock von
                                                                         1989 bis 2017
                                                                         Die Ukraine in Mitteleuropa?
                                                        Veronika         Zur identitätsbildenden Rolle
                                                        Dyminska         der ukrainischen Emigration
              V. Europabilder                                            der 1920er Jahre
09:00–11:00                        Dr. Beáta Márkus
              und Migration                                              „Zwischen Ost und West“. Die
                                                       Matthias E.       Imagination der Slavia im sla-
                                                        Cichon           wophilen Milieu der Zweiten
                                                                         Polnischen Republik (1918–38)
                                                                         „Brücken zwischen den
                                                                         Regionen?“ Kaufleute an den
                                                         Robert
                                                                         Messen und Märkten der
                                                         Scheele         Handelsstraße „via regia“ in
                                                                         Ostmitteleuropa 1772-1815
11:00–11:30    Kaffeepause

                                             4
Polarisierung der Gesellschaft in Krisen
                                                                • Dogmatismus und
                                                                      Radikalisierungstendenzen als Gefahr
                     Offene
 11:30–12:30                           Dr. Beáta Márkus               für Gesellschaft und Demokratie
                    Diskussion                                  • Dialogbereitschaft und Diskursoffenheit
                                                                      als Grundfesten einer europäischen
                                                                      Identität
 12:30–13:00     Verabschiedung       Viktória Muka und         Zeit für offene Fragen, Informationen zum
                                       Anneliese Rieger         Tagungsband

      ♦   Keynote Speech, 17. Mai, 10:30–11:00

Georg Grote: Zum Verhältnis von Sprache und Identität – ein Vergleich zwischen Südtirol und Irland.

      Georg Grote ist Historiker und Senior Researcher am Institut für Minderheitenrecht an der
      EURAC in Bozen. Seine Forschungsgebiete umfassen die Transformation europäischer
      kollektiver Identitäten in der Neuzeit zwischen historischem Nationalismus und modernem
      Regionalismus sowie die Rolle von Erinnerung und Vergangenheitsbewältigung im Europa
      der Gegenwart. Er hat umfangreich zum irischen kulturellen Nationalismus im 19. und
      frühen 20. Jahrhundert publiziert und fokussiert sich seit Jahren auf die Regionalgeschichte
      Südtirols im internationalen Kontext und als Beispiel für europäische Entwicklungslinien im
      20. Jahrhundert. Grote lehrte viele Jahre als Associate Professor für westeuropäische
      Geschichte am University College in Dublin und leitete das Institut of Languages, Cultures
      and Linguistics. Seit 2016 arbeitet er an der EURAC und verfasst gegenwärtig eine
      dreibändige Sozialgeschichte Südtirols.

Sprache und Identität gehören scheinbar untrennbar zusammen. Im Idealfall, so sagte schon Ernst
Moritz Arndt im Jahre 1813: “Die Sprache macht doch die wahre Grenze zwischen den Völkern…”
und das ganze europäische 19. Jahrhundert mit seinem Ideal des Nationalstaates baut auf diesem
Gedanken auf.
Welche Rolle aber spielen Sprachen und Sprachbenutzung in modernen europäischen Kontexten?
Wie wichtig ist uns unser linguistisch fokussiertes Deutschsein, wenn wir miteinander zwanglos in
Englisch kommunizieren? Kein Problem anscheinend. Deutsch ist eine mächtige Sprache in Europa,
in seiner Existenz vom Englischen wohl kaum bedroht.
Aber wie sieht es im Europa des 21. Jahrhunderts mit Sprachen aus, die sich bedroht fühlen, wie mit
nationalen Minderheiten, die sich im staatlichen Kontext vermittels ihrer Sprache behauptet haben
und sich nun bedroht sehen. Welche Bedrohung für die kollektive Identität stellt die internationale
Dominanz des Englischen für kleine Völker dar?

                                                  5
Ich möchte in meinem Beitrag viele Fragen stellen und statt profunder Antworten meine
Beobachtungen zu zwei kollektiven Identitäten teilen, die ich gut kenne und deren
Sprachbenutzung ich studiert und am eigenen Leib erlebt habe. Was als anekdotischer Beitrag
aussieht, deckt dennoch mehrere Oktaven der Klaviatur der Sprachbenutzung heute – vor dem
Hintergrund der national orientierten Geschichte Europas – ab.
Da ist einerseits die Republik Irland, die sich 1922 als erste britische Kolonie vom Vereinigten
Königreich lossagte und al seines ihrer stärksten Werkzeuge ihrer Unabhängigkeit die Existenz einer
Sprache ins Feld führte, die beinahe ausgestorben und nun mühsam wiederbelebt wurde.
Und da ist andererseits eine deutschsprachige Minderheit im Norden Italiens, die Südtiroler, die sich
nach über 50 Jahren italienischer Dominanz Anfang der 70er Jahre auf ein Autonomiestatut einliess,
dass die Existenz und die ungehinderte Weiterentwicklung dieses kulturellen Merkmals festschrieb.
Das Umgehen mit dem Fremden, dem nicht-Heimatsprachlichen in beiden Fällen weist interessante
Verhaltensmuster auf, die Rückschlüsse auf kollektive und individuelle Gegebenheiten, Ängste und
Stärken der Sprachbenutzer zulassen.
Und der Blick auf die Anderen hilft damit auch, unsere individuelle Sprachbenutzung zu beleuchten
und auf unbewusste Motivationsmuster abzuklopfen...

                                                 6
♦      Grenzregion Tirol–Südtirol, 17. Mai, 11:00–12:00

Angelika Mitterhofer: Zwischen Mittel- und Südeuropa: Südtirol als Grenzregion im literarischen
Kontext.

      Geboren 1990 in Meran. Nach Abschluss des Humanistischen Gymnasiums in Meran
      Studium der Germanistik und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Universität
      Innsbruck. Gegenwärtig Dokoratsstudium der Literatur- und Kulturwissenschaft an der
      Universität Innsbruck, Dissertation über die komplexen literarischen Räume in den
      Romanen von Sabine Gruber und deren Rezeption in internationalen Zeitungen und
      Zeitschriften. Mitglied des Doktoratskollegs Austrian Studies an der Universität Innsbruck.
      Forschungsschwerpunkte: Literatur des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts,
      insbesondere vor dem Hintergrund transkultureller und interdisziplinärer Fragestellungen.

Als Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg 1919 im Vertrag von Saint-Germain Italien zugesprochen
wurde, resultierte daraus unter anderem, dass in den folgenden Jahren und Jahrzehnten Reflexionen
und neue Zugänge zu Sprache(n), Identität(en) und Grenzen erforderlich wurden, und dies sowohl
von deutsch- als auch von italienischsprachiger Seite. Südtirols stetiger Charakter einer Grenzregion
zwischen Norden und Süden – konkreter zwischen Mittel- und Südeuropa – wurde nun noch
evidenter.
Anhand ausgewählter zweisprachiger Gedichte von Norbert Conrad Kaser (1947–1978) und Gerhard
Kofler (1949–2005) sowie zweier neuerer Romane – nämlich Eva dorme/Eva schläft (2010) von
Francesca Melandri und Stillbach oder Die Sehnsucht (2011) von Sabine Gruber – soll im Beitrag
illustriert werden, wie komplex die Verknüpfungen Südtirols in den Süden (gemeint ist hier vor allem
das südliche Italien) und in den Norden (hier vor allem Österreich) sind. Dies zeigt sich sowohl auf
sprachlicher und poetologischer als auch auf thematischer und motivischer Ebene.
Im Südtiroler Kontext können die Begriffe Sprache, Identität und Grenzen nicht isoliert betrachtet
werden, sie sind vielmehr miteinander verknüpft, wie auch die ausgewählten literarischen Beispiele
verdeutlichen. Die Verschiebung der Grenze im Jahr 1919 und die (nicht nur historischen)
Verbindungslinien Südtirols in den Norden sowie in den Süden (ein Beispiel dafür ist auch die
Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino) sind auch ein guter Ausgangspunkt, um über den Begriff
Mitteleuropa zu diskutieren. Dieser kann nicht nur geografisch definiert werden (wo Österreich
generell Teil Mitteleuropas ist und Italien zu Südeuropa gezählt wird), sondern auch historisch und
kulturell, wobei das Beispiel Südtirol zeigt, dass diese Definition je nach Perspektive unterschiedlich
ausfallen kann und nicht immer konstant bleiben muss.

                                                   7
Daniel   Johannes     Huter:   Homiletische    Transgressionen.    Grenzziehungen     und    Grenz-
überschreitungen in katholischen Kriegspredigten aus Tirol (1790–1809).

      Daniel Johannes Huter, MA MA, geboren 1990 in Innsbruck. Nach der Matura Studien der
      Geschichte und der Philosophie in Innsbruck und Wien. Derzeit Doktoratsstudium im Fach
      Geschichte am Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien mit
      einer Dissertation zum Verhältnis von Gegenaufklärung und Gewalt in katholischen
      Predigten aus Tirol um 1800. Daneben Forschungstätigkeit für das Museum „Haus am
      Schrofen“ (St. Leonhard im Pitztal/Tirol) mit Schwerpunkten zur regionalen Alltags-,
      Religions, und Photographiegeschichte.

In meiner Dissertation analysiere ich katholische Kriegspredigten aus Tirol (1790 – 1809). In diesen
Predigten werden diverse Grenzbegriffe sowie ihre Überschreitung adressiert, beginnend beim
Predigen selbst, welches die Homiletiker im Nicht-Ort, den die Grenze selbst markiert, lokalisieren.
Es oszilliert zwischen Immanenz und Transzendenz: der Prediger wird als homo Deus mixtus
vorgestellt, die Kanzel als Ort zwischen Himmel und Erde schwebend, die Predigtsprache als
Gotteswort im Menschenmund.
Lokalisiert im Nicht-Ort der Grenze fungiert der Prediger als Grenzwächter, der die Gläubigen
warnen und schützen soll, wobei das Außen als Region des Nichtchristlichen von den Predigern
selbst definiert wird; er zieht die Grenzen selbst, die er bewacht. Außerhalb: Das revolutionäre
Frankreich und die kriegerische Bedrohung durch dieses, die wiederum von den Predigern ursächlich
mit der Aufklärungsphilosophie in Verbindung gebracht wird. Innerhalb: Das als geheiligtes Land
bezeichnete Tirol, dessen politisch-theologische Ordnung auf katholischen Prinzipien beruht. Dabei
wird Tirol als Land im Gebirge synonym mit dem Berg Zion, die Tiroler Nation in Analogie mit dem
Volk Israel verstanden. Als höhere Ebene der Identifikation gilt nicht allen Predigern daher das
Habsburgerreich, als dessen Teil sie Tirol bloß institutionell begreifen, sondern der europäische
Katholizismus.
Überschreitungen der Grenzen lassen sich v.a. an zwei Punkten aufzeigen. Einerseits in der
performativ verstandenen Predigtsprache. Die Predigt gilt erst als vollendet, wurde ihr Inhalt von
den Hörern in Tathandlungen umgesetzt, d.h. die Sprache vollendet sich im lebendigen Bild.
Besonders deutlich zeigt sich dies, andererseits, im Martyrium, welches als heilssichernde imitatio
Christi verstanden wird. Im Tod auf dem Schlachtfeld überschreitet der Gläubige diesen hin zum
ewigen Leben, d.h. im Vollenden der Predigt im Kampf gegen Frankreich wird aus der Perspektive
der Gläubigen die Grenze schlechthin, der Tod, überschritten, wodurch auch die Grenzen des

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geheiligten Landes Tirol in das Jenseits verschoben werden: die Märtyrer als neue Fürsprecher bei
Gott.

        ♦   Bildung, Herrschaft und Patriotismus in der Habsburgermonarchie,
            17. Mai, 13:00–14:30

Marlene Horejs: Viribus unitis? Was Kinder von ihrem „Vaterland“ lernten. Identitätskonstruktionen
zwischen Regionalismus und Gesamtstaatspatriotismus in und durch Volksschulbücher/n der späten
Habsburgermonarchie.

        Studium an der Paris-Lodron-Universität Salzburg: Lehramt für die Unterrichtsfächer
        Geschichte, Sozialkunde & Politische Bildung und Deutsch – Diplomarbeit zur
        Habsburgermonarchie und Kinderliteratur: 2017 Prämie der Österreichischen Gesellschaft
        für Kinder- und Jugendliteraturforschung – Seit Oktober 2018 Universitätsassistentin
        (Dissertantin) für Österreichische Geschichte an der Paris-Lodron-Universität Salzburg:
        Dissertation   zu   Volksschullesebüchern   der   „späten     Habsburgermonarchie“    und
        Verhandlungen um kollektive Identitäten – Kürzlich erschienen: „Ehrfurcht vor dem Kaiser
        [...] und Liebe zum gemeinsamen Vaterlande“: Imperial Patriotic Discourse in Cisleithanian
        Primary Schoolbooks, in: Austrian Studies 28 (2020), 79-95.

Die Habsburgermonarchie war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt von
gesellschaftspolitischen Transformationsprozessen. Soziale Zugehörigkeiten und kollektive
Identitäten wurden stetig neu verhandelt – neben zunehmenden Nationalisierungstendenzen wurde
auch eine Stärkung eines imperialen Gesamtstaatsbewusstseins forciert. Der gesellschaftliche
Diskurs war dabei von einer Gleichzeitigkeit und Komplexität geprägt, die unterschiedliche
Konzepte und Narrative verschiedener Gruppenidentifikationen miteinander verknüpften – so
schloss die Loyalität zu Kaiser und Reich nicht zwangsläufig eine Solidarisierung mit „nationalen“
Organisationen oder eine Bindung zu regionalen Traditionen aus. Vielmehr waren die einzelnen
Diskurse miteinander verschränkt und wurden durch ähnliche narrative Strukturen bedient. Die
Ausgestaltung derselben und wie eine solche Verknüpfung stattfand, ist jedoch verhältnismäßig
wenig beforscht.
In meinem Dissertationsprojekt widme ich mich eben jenen Fragen durch die Bearbeitung eines
weitgehend unbeachteten Quellenkorpus: Anhand für die „cisleithanische“ Reichshälfte
zugelassener Volksschulbücher in deutscher, italienischer und kroatischer Sprache wird die
Ausgestaltung      kollektiver   Identitätskonstruktionen    analysiert    und   Topoi    und    Motive
herausgearbeitet, die eine Verbindung verschiedener Konzepte von Gruppenzugehörigkeiten
ermöglichen. Für die Doktorandentagung an der AUB soll daraus besonders der Aspekt des

                                                    9
Verhältnisses zwischen Regionalismus und Gesamtstaatspatriotismus herausgegriffen werden. Wie
wird   in     den   und   durch   die   Volkschulbücher/n       regionale    Verbundenheit        mit   einem
Gesamtstaatsbewusstsein verwoben? Werden Regionalismus und Staatspatriotismus als dichotome
Kategorien konstruiert oder – und wie – werden regionale Traditionen in den habsburgischen viribus
unitis-Gedanken integriert? Welche Rolle spielt die Mehrsprachigkeit von Regionen „Habsburg
Zentraleuropas“ (Feichtinger/Uhl)?
„Das Land in dem dein Heimatort liegt, heißt Tirol; es ist dein Heimatland,“ beginnt beispielsweise
der Lesebuchtext „Mein Heimatland“ aus einem Volksschulbuch für Tirol. „Im nördlichen und im
mittleren Theile des Landes leben Deutsche, im südlichen Italiener, im östlichen auch Ladiner. Sie
alle sind deine Landsleute. Unser Heimatland gehört [...] zu dem mächtigen Kaiserstaate Österreich.
Österreich ist unser Vaterland und Kaiser Franz Josef unser Landesvater.“ (Franz Zeller, Lese- und
Sprachbuch für allgemeine Volksschulen in Tirol. Zweiter Theil, Innsbruck 1901, S. 124)

Martina Schmidinger: „Schulgeschichten vom Franz“1 oder wie transregional war die habsburgische
Schulbildung um 1867?

       Mag. Martina Schmidinger absolvierte das Diplomstudium Slawistik/Tschechisch in Wien
       und Prag. Von 2016–2018 war sie Projektmitarbeiterin im SFB „Deutsch in Österreich“
       (FWF F60) am Institut für Slawistik der Universität Wien. Seit September 2018 ist sie
       Universitätsassistentin    im    Kernfach    Österreichische         Geschichte   (Inst.     für
       Geschichtswissenschaften u. Europäische Ethnologie, LFU Innsbruck) und Sprecherin des
       Doktoratskollegs Austrian Studies in Innsbruck. Der Arbeitstitel ihrer Dissertation lautet:
       „Der    deutsch-tschechische     Nationalitätendiskurs     in   den     niederösterreichischen
       Abtretungsgebieten. Sprachenpolitik im Schulwesen auf legistischer und medialer Ebene“.

Vor der Dezemberverfassung von 1867 macht es den Anschein, als hätten Grenzen zwischen
einzelnen Kronländern der Habsburgermonarchie für die Schulbildung im sekundären Sektor eine
lediglich marginale Rolle gespielt. Die Bewegung innerhalb eines mehrsprachigen Raumes in
Cisleithanien scheint bis zur Verrechtlichung des Umgangs mit Mehrsprachigkeit im Rahmen von
Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes weitestgehend friktionsfrei abgehandelt worden zu sein. Dies
legt den Schluss nahe, dass gesetzliche Verordnungen hinsichtlich Multiethnizität vermehrt
Problemstellen zutage förderten, anstatt diese – wie eigentlich intendiert – zu reduzieren.
Aufbauend auf Schulzeugnisse – vorliegend sowohl in deutscher als auch tschechischer Sprache –,

1
  Die Titelgebung erfolgt in Anlehnung an die bekannten Kindererzählungen „Geschichten vom Franz“ der
österreichischen Autorin Christine Nöstlinger (1936–2018). Der Band „Schulgeschichten vom Franz“ erschien
1987 und ist mit Ausnahme des Titels in keinerlei Weise mit dem Thema in Verbindung zu setzen.

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die im Rahmen der Recherche für das Dissertationsvorhaben vom Stadtarchiv Gmünd zur
Verfügung gestellt werden sowie weitere Archivalien aus dem südböhmischen Raum, wird versucht,
den Bildungsweg des Kaufmannssohns Franz PLANK (1855–1937) aus dem niederösterreichischen
(damals Österreich ob der Enns) Ort Siegharts (heute Groß-Siegharts) zu rekonstruieren, der die
böhmische Unterrealschule in Třeboň/Wittingau und die Oberrealschule beziehungsweise
Staatsrealschule   in   České   Budějovice/Budweis     um    1867   besuchte,    den   Zerfall   der
Habsburgermonarchie miterlebte, in der Ersten Österreichischen Republik einen beträchtlichen Teil
seines Lebens zubrachte und dort verstarb, bevor der Nationalsozialismus schlussendlich zur
nächsten Katastrophe führen konnte.
Ein akteurszentriert-mikrogeschichtlicher Zugang eröffnet eine transregionale Perspektive auf
multilinguales Unterrichtswesen und zeigt die Auswirkungen sprachenpolitischer Maßnahmen über
(Kron-)Ländergrenzen hinweg. Anhand eines einzelnen Protagonisten aus dem Waldviertel, dem in
Form einer dichten Beschreibung gefolgt wird, eröffnen sich die translokalen Verflechtungen im
böhmisch-niederösterreichischen Raum. Rund um diesen Fall werden Quellen aus dem Schulwesen
herangezogen und analysiert, die oben genannten Schulen untersucht und deren Unterrichtsrealität
im Kontext sprachenrechtlicher Bestimmungen erläutert.

Benedikt Stimmer: „[...] das vor allen die teutsche Sprach allda solle vervielfältigt werden“ – Zur
Rolle des Deutschen als Kultur- und Herrschaftssprache in Galizien 1772–1790.

      Benedikt Stimmer studierte von 2013 bis 2019 Geschichte an der Universität Wien, mit
      einem Auslandssemester an der Universität Warschau im Wintersemester 2017/18; seit
      2014 zusätzlich Studium der Deutschen Philologie (seit 2018 Masterstudium); Abschluss
      des Masterstudiums Geschichte mit einer Arbeit über die habsburgische Sprach- und
      Schulpolitik in Galizien 1772–1790 bei Prof. Thomas Winkelbauer; seit März 2020
      Doktoratsstudium an der Universität Wien.

Im Zuge der Ersten Teilung Polen-Litauens im Jahr 1772 fiel mit Galizien ein ausgedehntes und
bevölkerungsreiches Gebiet an die Habsburgermonarchie, das den staatlichen Beamten wie auch
der publizistischen Öffentlichkeit des Josephinismus von Beginn an als „innere Kolonie“ erschien.
Vor dem Hintergrund der auf vielen Ebenen wirksamen Vorstellung einer Zivilisierungsmission in der
östlichen Peripherie muss nicht zuletzt auch die imperiale Sprachpolitik betrachtet werden, die sich
schon unter Maria Theresia eng mit der Expansion des staatlichen Schulwesens in der
„revindizierten“, multiethnisch geprägten Provinz verband. Dem Deutschen, das in seiner
normierten schriftsprachlichen Form auch in den alten habsburgischen Erblanden erst ab der

                                                  11
Jahrhundertmitte zur allgemeinen Durchsetzung gelangt war, wurde im Rahmen dieser Politik der
Status einer Kultur- und Wissenschaftssprache zugeschrieben, während das Lateinische vielfach als
veraltet zurückgewiesen und das Polnische auf den Rang einer Umgangssprache der niederen
Schichten verwiesen wurde. Unter Joseph II. erreichte diese Entwicklung im Kontext der kaiserlichen
Bemühungen um die Schaffung eines deutschsprachigen Einheitsstaates schließlich ihren
allgemeinen Höhepunkt. Eine besondere Ausprägung erfuhr die volksaufklärerisch wie utilitaristisch
motivierte Sprachpolitik, die in den 1780er Jahren immer stärker auch den Elementarschulbereich
tangierte, im Bereich des jüdischen Schulwesens, in dem sich die Verbreitung des Deutschen explizit
mit dem Wunsch nach einer sittlich-moralischen „Besserung“ der galizischen Juden verband. Das
letztliche Scheitern dieser staatlichen Initiativen verdeutlichte neben dem Widerstand der jüdischen
Gemeinden jedoch vor allem die Opposition des polnischen Adels, der in den folgenden Jahrzehnten
eine weitgehende Zurückdrängung des Deutschen zugunsten des Polnischen im öffentliche Leben
Galiziens erreichte.

      ♦    Sprach(en)politik, 17. Mai, 15:00–16:30

Anneliese Rieger: Sprachpolitik und Anerkennung.

      Studierte von 2008–2014 Philosophie an der Universität Wien und am UCC Cork, Irland mit
      den Schwerpunkten interkulturelle und politische Philosophie sowie Erkenntnistheorie.
      Abschluss (MA) 2014 mit der Masterarbeit „Die Anderen, Ich und Wir. Eine philosophische
      Untersuchung zwischenstaatlicher Anerkennungsbeziehungen“. 2015-2019 war sie
      Universitätslektorin (OeAD-Lektorin) im Fachbereich Germanistik an der Hefei Universität,
      China, an der Ersten Universität für Wissenschaft und Technologie Kaohsiung, Taiwan und
      an der UCD Dublin, Irland. Ihre Dissertation trägt den Titel: „Sprachpolitik - Eine Frage der
      Anerkennung?“ Seit Herbst 2019 ist sie Mitglied im Doktoratskolleg für Mitteleuropäische
      Geschichte und Doktorandin an der Interdisziplinären Doktorschule der Andrássy
      Universität Budapest.

Unter Sprachpolitik lässt sich die zielgerichtete Intervention in die Entwicklung der Sprache(n) einer
Gesellschaft verstehen. Man findet sie in allen gesellschaftlichen Bereichen – als politisches
Instrument auf institutioneller Ebene, ebenso wie im Zwischenmenschlichen. In ihr spiegeln sich
gesellschaftliche Verhältnisse, zivilisatorische Entwicklungsprozesse und ganz generell das
Beziehungshafte zwischen Individuen wider. Der spezifische Sprachgebrauch des Einzelnen sowie
innerhalb von kleineren und größeren Verbänden unterliegt Regeln des sozialen Miteinanders und
macht Hierarchien sichtbar. Die Art der Ausgestaltung von Sprachpolitik ist somit ein Marker für das

                                                   12
Wie von Anerkennungsbeziehungen. Auf diese wird im Folgenden näher eingegangen,
insbesondere auf den Moment der Selbstermächtigung durch Sprachpolitik und auf die Phänomene
der Sprachgewalt und der Sprachwohltat.
Selbstwirksamkeit bzw. Selbstermächtigung durch Sprachpolitik findet immer dann statt, wenn
durch sprachliche Äußerungen bewusst bestimmte Kontexte hergestellt, verschoben oder neu
geschaffen werden. Wenn ich spreche, trete ich als ganze Person auf. In ihr kommt meine
Verfasstheit, mein Weltbild, meine Herkunft und meine Geschichte zum Ausdruck. Als Sprecherin
habe ich die Macht, mich selbst innerhalb sozialer Strukturen zu positionieren.
Sprachgewalt bedeutet nach G.W.F. Hegel einen Bruch von Kontinuität mit einem Gegenüber. Es
handelt sich um das Verweigern von Teilhabe an einer gemeinsamen Welt. Durch eine sprachliche
Herabwürdigung, wie das der Fall ist bei einer Beleidigung, Hassrede oder bei dem gezielten
Ignorieren einer anderen Person, vollzieht sich ein Ausschluss aus einer Gemeinschaft.
Hingegen sind Sprachwohltaten jene Formen von bewusst ausgeübter Sprachpolitik, die den
anderen in ein positives Licht rücken. Der durch die gewählte Sprache geschaffene Kontext ist ein
wohlwollender, der sich in Form von Lob und Anerkennung, ehrlichem Interesse an der anderen
Person und einem konstruktiven Miteinander zeigt.

Martina Mirković: „Ruhm und Ehre den gefallenen kroatischen Soldaten Mai 1945“: Die Sprache der
kroatischen Erinnerungspolitik seit den 1990er Jahren.

      Martina Mirković studierte Geschichte (Bachelor of Arts) sowie Wirtschafts- und
      Sozialgeschichte (Master of Arts) an der Universität Wien. Seit Herbst 2017 ist sie
      Promotionsstipendiatin am Doktoratskolleg für Mitteleuropäische Geschichte an der
      Andrássy Universität Budapest und forscht zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des
      sozialistischen Jugoslawiens.

Wenn Judith Butler annimmt, dass der „historische Verlust einer souveränen Machtorganisation die
Phantasie ihrer Rückkehr [hervorbringt] – einer Rückkehr, die [...] in der Sprache stattfindet“ (Butler
2006:125), dann beschreibt sie mit dieser Annahme sehr präzise einen Aspekt der heutigen
kroatischen Sprach- und vor allem Erinnerungspolitik: Um zu zeigen, dass die Unterschiede
zwischen der kroatischen und der serbischen Sprache vor allem auch Ausdruck „tieferer“,
„kultureller“ und „zivilisatorischer“ Unterschiede sind (Kordić 2010:9), wurde/wird in Kroatien seit
den 1990er Jahren der sogenannte Sprachpurismus eingesetzt – die „Kroatizität“ [hrvatskost] sollte
nach Jahrzehnten der „Serbisierung“ [posrbljavanje] wieder verstärkt werden (Skender 2013: 1).

                                                  13
Eben diesem Rückgriff auf die Geschichte kommt dabei eine zentrale Rolle zu, wodurch die Sprache,
als eine „performative Handlung“, zu einem wesentlichen Bestandteil der kroatischen
Erinnerungspolitik wurde. Im Rahmen des Vortrages soll am Beispiel der sogenannten Tragödie von
Bleiburg [Bleiburška tragedija] gezeigt werden, wie die heutige Erinnerung an dieses Ereignis mittels
Sprache instrumentalisiert wurde, dabei (nationalistische) Stereotype und Narrative bedient
werden,   um     die    „Kroatizität“        als   Identität   hervorzuheben:   Wenn     etwa      kroatische
Spitzenpolitiker*innen einen Kranz vor einem Grabstein mit der Inschrift „Ruhm und Ehre den
gefallenen kroatischen Soldaten“, die „im Kampf für das Vaterland“ fielen, legen, und diesen damit
auch gedenken, dann wird der Inskription des Grabsteines – als Sprache – eine „Handlungsmacht“
verliehen. Weiter noch: Indem das Gedenken an die kroatischen Soldaten des faschistischen
Unabhängigen Staates Kroatiens aber in Verbindung gebracht wird mit dem Gedenken an jene
Soldaten, die während des Krieges in den 1990er Jahren ebenfalls für ihr „Vaterland“ kämpften und
starben, erlangen beide Ereignisse eine neue Bedeutung – eine neue „Realität, die zugleich auch
eine Identität verleiht.“ (Butler 2006: 59). Dass dadurch diese neue „Realität“ von
geschichtsrevisionistischen Tendenzen geprägt ist, soll im Rahmen des Vortrages gezeigt und
diskutiert werden.

Karl Dieter Uesseler: Fremdsprachenpolitik und Identitätsmanagement. Zur Rekonstruktion der
auswärtigen Kulturpolitik zwischen Ungarn und den beiden deutschen Staaten in der Zeit der
Transformation (1984–2002).

      Karl Dieter Uesseler, Doktorkandidat der AUB, Fachbereich Geschichte, besuchte die
      Doktorschule SS 2015 bis WS 2017/18. Absolutorium 2018. Erstes Staatsexamen Deutsche
      Sprache und Literatur (Germanistik) und Sozialkunde (Wissenschaft von der Politik) an der
      Philipps Universität Marburg, Zweites Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien am
      Studienseminar Fulda.
      Berufliche Tätigkeit: Lehrer für Deutsch und Sozialkunde am Gymnasium Nordenham;
      Lehrer für Deutsch als Fremdsprache und bilingualen Unterricht in Geschichte und
      Geographie am Kossuth-Lajos-Gimnázium Mosonmagyaróvár; Lektor für Deutsch an der
      Pädagogischen Hochschule in Budapest; Referent für die Deutschen Auslandsschulen in
      West-    und     Nordeuropa       im     Bundesverwaltungsamt      –   Zentralstelle   für   das
      Auslandsschulwesen - Köln; Fachberater für Deutsch und Koordinator des deutschen
      Lehrerentsendeprogramms in Ungarn.

                                                        14
Ungarns Neukonstruktion der internationalen Beziehungen vor und nach der Wende 1989/90 ergriff
nicht nur die politischen Institutionen und das Wirtschaftssystem, sondern durchdrang alle Bereiche
des sozialen Lebens und der Kultur. »International Relations« (IR) als Teildisziplin der
Politikwissenschaften hat Modelle dafür entwickelt, dass Staaten an Einfluss auf andere Staaten
gewinnen, ohne dass sie an Autonomie einbüßen. Diese »Soft power« bedient sich sowohl des
traditionellen diplomatischen Prinzips der Reziprozität als auch moderner Konzepte von »Public
diplomacy«. Als wirksames Mittel gilt die Attraktivität von Sprache und Kultur. Beabsichtigt ist, die
politischen Akteure, in einem Klima kultureller Übereinstimmung, zur Übernahme von Zielen,
Handlungskonzepten, Werten und Normen zu bewegen. Diese Diffusion setzt in der Gesellschaft
auch Abwehrprozesse gegen Überfremdung in Gang, wie das Beispiel des Russischen als
obligatorischer Fremdsprache im ungarischen Bildungswesen gezeigt hat. Die Auswärtige
Sprachpolitik der beiden deutschen Staaten (Österreich muss hier außer Betracht bleiben)
korrespondierte mit der ungarischen Sprachinnenpolitik. Zunächst begrenzt durch dieses
Machtdreieck, nach der der deutschen Vereinigung im bilateralen Verhältnis, wurden im
Hochschulwesen sowie im beruflichen und allgemeinen Bildungssystem neue Möglichkeiten zum
Erwerb oder Erhalt des Deutschen geschaffen. Ohne Zweifel blühte der Kulturaustausch zwischen
Deutschland und Ungarn in den 1990er Jahren auf. Für ein Jahrzehnt erreichte das Interesse an der
deutschen Sprache die Nachfrage nach dem Englischen. Aber weitgehend unbemerkt von den
Akteuren der auswärtigen Kulturpolitik und im Windschatten außenpolitischer Gemeinsamkeiten
und prosperierender Wirtschaftsbeziehungen reagierte der nationale Identitätsdiskurs in Ungarn auf
die deutsche »Soft-Power«. Im Rückgriff auf historische Kulturkämpfe richtete sich dieser
vornehmlich gegen Deutsch als »imperiale« Sprache.

      ♦    Identitätskonzeptionen in/durch Musik und Literatur, 18. Mai, 9:00–12:30

Fanny Julia Orbán: Sprache als Identitätsmerkmal in der Operette.

      Fanny Orbán ist seit Herbst 2017 PhD-Studentin an der Andrássy Universität Budapest –
      dort Teil des Doktoratskollegs für Mitteleuropäische Geschichte finanziert vom
      österreichischen Bundes-ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Zuvor
      absolvierte sie ihren Bachelor in Hungarologie an der Universität Wien und der ELTE
      Budapest. Ihren Master in Mitteleuropäischen Studien – Diplomatie („Kulturdiplomatie“)
      an der Andrássy Universität schloss sie im Juni 2017 ab.
      Ihr Forschungsfeld sind die kulturellen Beziehungen der Nachfolgestaaten der
      Donaumonarchie – im speziellen Österreichs und Ungarns. Hier soll anhand des Beispiels

                                                  15
Operette in der Zwischenkriegszeit dargestellt werden, dass der – für Mitteleuropa so
      wichtige – Kulturraum Österreich-Ungarn auch nach Zerfall der Monarchie weiterhin
      aufrechterhalten werden konnte.

Die Operette gilt als ein kulturelles Spezifikum der Donaumonarchie – in ihren Libretti versuchte sie
zeitweise alle Völker und Ethnien der Monarchie anzusprechen. Genau diese Libretti sollen
Mittelpunkt dieses Beitrags werden denn: durch die Sprache wurde auf der Bühne eine Lebenswelt
erschaffen deren Ziel es war von allen Rezipienten (also von allen Völkern der Monarchie)
verstanden zu werden. Es entstanden kulturelle und sprachliche Codes die Eingang gefunden haben
in den (damalig) alltäglichen Sprachgebrauch – und in diesem teilweise bis heute erhalten geblieben
sind; zu ihnen gehören teilweise auch Vorurteile.
Ein anderer Aspekt, der behandelt werden soll, sind Übersetzungen von Libretti: nachdem
Operetten stets in der offiziellen Sprache des Landes aufgeführt werden – zur einfacheren
Verständlichkeit – werden diese, manchmal sogar mehrmals, übersetzt. Welche Unterschiede durch
Übersetzungen entstehen können und wie sich diese möglicherweise nach dem neuen Publikum
richtet soll aufgezeigt und erläutert werden.

Ulrike Thumberger: Zur Konstruktion von nationaler Identität in österreichischen Popsongs.

      Ulrike Thumberger, geb. 1977 in Eutin (BRD). 1996-2006 Diplomstudium der Angewandten
      Sprachwissenschaft     und     Anglistik   an      der   Universität   Wien.   2007-2013
      Forschungsassistentin am Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika der
      Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2018 OeAD-Lektorin an der Péter-
      Pázmány-Universität (Budapest/Piliscsaba). Seit 2019 Doktoratsstudium an der Péter-
      Pázmány-Universität (Budapest).

In diesem Vortrag soll die Konstruktion von nationaler (und gegebenenfalls regionaler) Identität in
österreichischen Popsongs diskutiert werden. Bei diesem Thema handelt es sich um ein geplantes
Dissertationsprojekt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Popsongs über ihre Texte dazu beitragen
können, nationale Identität herzustellen, entweder auf direktem Weg oder über die Konstruktion
von regionaler Identität. Die angewandte Methode ist die kritische Diskursanalyse.
Wie Fairclough and Wodak (1997: 258) festhalten, lassen sich Diskurse als eine Form sozialen
Handelns beschreiben, das sowohl von der Gesellschaft erzeugt als auch von ihr geformt wird. In
diesem Sinne existieren auch Nationen nicht einfach bloß in oder durch sich selbst, sondern sind,
nach Anderson (2006), “imagined communities”, also Gemeinschaften, die nur in der Vorstellung

                                                    16
ihrer Mitglieder existieren. Diesem Ansatz folgen auch de Cillia et al., die Nationen als “mentale
Konstrukte” (1999: 153) bezeichnen, die für die Individuen, die in ihnen leben, aber dennoch sehr
real sind. (Wodak et al. 2009: 22). Folglich ist nationale Identität ein Konstrukt, das durch Diskurse
geschaffen wird (ebd.).
Stuart Hall zufolge entstehen Nationen gewissermaßen durch ihre Geschichten, ihre Erinnerungen
und ihre Bilder (1996: 613), und hier kann man nun hinzufügen: auch durch ihre Lieder. Nun werden
Lieder nicht nur über Musik, sondern zu einem guten Teil über ihren Text wahrgenommen (Frith
1996: 159), und im Rahmen von Liedtexten werden im Allgemeinen nicht bloß Geschichten erzählt,
sondern Diskurse transportiert, Diskurse über Identität (Machin 2010: 77).
Dies führt direkt zum eigentlichen Vortragsthema: wie wird nationale Identität in Songs, konkret in
Austropop-Songs, konstruiert? Zu diesem Zweck sollen in diesem Referat die Texte von 2-3
österreichischen Popsongs diskursanalystisch beleuchtet werden.

Răzvan Roșu: Die Sathmarer Schwaben zwischen Selbstbehauptung, konfliktärer und diffuser
Identität

      Studierte von 2010 bis 2013 Ethnologie und Geschichte an der Babeş Bolyai Universität
      Klausenburg (Rumänien). 2013 begann er Südosteuropastudien an der Friedrich Schiller
      Universität Jena zu studieren. 2015 schloss er das Masterstudium mit der Arbeit „Das
      Enklavisierungsphänomen in der großkaroler Gegend: Motzen und Schwaben “ ab. Seit
      2017 ist er Mitglied des Doktoratskollegs für Mitteleuropäische Geschichte an der Andrássy
      Universität in Budapest.

Geschwister aus der gleichen Familie, die verschiedene Identitäten annehmen und zu Ungarn und
Schwaben bzw. Deutschen werden, Angehörige der gleichen Familie mit deutschen und
ungarischen Namen, Personen, die sich als Deutsche bezeichnen, aber kein Wort Deutsch sprechen
oder verstehen können: All dies sind Bilder einer paradoxen Situation, wie man sie im Sathmarer
Raum finden kann. Bis heute bestehen je nach der jeweiligen Geschichtsschreibung unterschiedliche
Konstrukte über Kultur und Identität der Sathmarer Schwaben. Die deutsche Geschichtsschreibung
hat in den meisten Fällen versucht, die deutschen Elemente zu betonen, während die ungarische
sich darauf konzentrierte, deutlich zu machen, warum die Sathmarer Schwaben sich als Ungarn
erklären, und die rumänische sich stets bemühte, diesen Prozess als außergewöhnlich und anormal
darzustellen. Eine komparative Perspektive, die diese drei verschiedenen Konstrukte und
Sichtweisen analysiert und mit einander vergleicht, fehlt bisher vollkommen.

                                                 17
Die auf den ersten Blick paradoxal wirkende Situation der Identität der Sathmarer Schwaben hat
mehrere historische Gründe. Zunächst einmal sind die Sathmarer Schwaben eine der kleinsten
deutschen Minderheiten Rumäniens und daher in besonderem Maße der Akkulturation ausgesetzt.
Ihre Vorfahren ließen sich zwischen 1712 und 1828 als Siedler aus Oberschwaben in mehr als 31
Sathmarer Gemeinden der Grafschaft von Károlyi Sándor nieder. Bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges waren viele Schwaben im Großkaroler Raum jedoch völlig „entschwabisiert“. Nach der
Entstehung Großrumäniens ließen die rumänischen Behörden nichts unversucht, um die deutsche
Kultur und Identität der Schwaben zu erhalten. So entstanden zwei Gruppen: (a) die magyarisierten
Schwaben mit (mitunter irredentistischem) ungarischem Bewusstsein, und (b) diejenigen, die ihre
schwäbische/deutsche Identität bewahrt oder wiederentdeckt hatten. Insbesondere nach 1989
zeichnet sich das Phänomen der Neufindung schwäbischer/deutscher Identität bei den Sathmarer
Schwaben ab, das durch die Auswanderung nach Deutschland verstärkt und durch alle zur
Verfügung stehenden Informationsquellen verdeutlicht wird.

Thomas Ballhausen: Buch, Archiv, Raum. Versuch einer diffraktiven Lektüre von Franz Kafkas
„Tagebüchern“.

      Thomas Ballhausen (*1975/Wien), Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und
      der Deutschen Philologie (Universität Wien), Studium der Philosophie (Akademie der
      bildenden Künste Wien), aktuell Studium der Sprachkunst (Universität für angewandte
      Kunst Wien). Der vorgeschlagene Beitrag korrespondiert mit einem Dissertationsvorhaben
      am Institut für Sprachkunst/Universität für angewandte Kunst Wien, betreut von Prof.
      Ferdinand Schmatz, in dessen Zentrum die wissenschaftlich-künstlerische Beforschung
      literarisch-philosophischer Notizbücher steht.

Im vorgeschlagenen Beitrag werden die „Tagebücher“ Franz Kafkas – ein vielbeforschtes und
besonders prominentes Beispiel des europäischen Diskurses rund um Diarien – in Verbindung zur
Raumtheorie bzw. zur Archivtheorie gesetzt. Dabei soll aber nicht eine vereinfachende
Gleichsetzung oder eine Form hierarchischer Abhängigkeitsbeziehungen dargestellt, sondern
vielmehr eine Konstellation der Relationen zwischen Buch, Archiv und Raum herausgearbeitet
werden: (1) Unter Einrechnung neuerer Forschungsergebnisse zu Kafka – in denen seine
„Tagebücher“ richtigerweise in ihrer Anlage vielmehr als Notizbuch und damit als Bündelung
unterschiedlichster Textsorten innerhalb dieses Oberbegriffs verstanden werden – wird anhand der
von ihm geführten sog. „Hefte“ das Buch als Raum erfahrbar, das in der Ausgestaltung durch den
Schreibprozess auch stärker räumlich denn klassisch chronologisch organisiert zu sein scheint. (2) In

                                                  18
Verbindung mit den Möglichkeiten einer diffraktiven Lektüre, die sich von Donna Haraway und
Karen Barad herleitet, können diese textinternen Spezifitäten beschrieben und erhalten bleiben,
können ontologische Anlage der Literatur und die epistemologischen Optionen dieser Kunst für
wissenschaftlich-künstlerisches Arbeiten intelligibel gemacht werden. Die Befragung des Beispiels
auf die Seinsweise(n) von Literatur und das Nachdenken darüber, wie mit Literatur gefragt,
geforscht und auch gewusst werden kann ohne sich, was auch verfehlt wäre, als
Literaturwissenschaft zu behaupten, steht damit in einer unleugbaren Nähe zur Vorstellung von
Literatur und/als Künstlerischer Forschung. (3) Die diffraktive Lektüre als Perspektivierung betont
nicht zuletzt das ineinander verflochtene Hervortreten von Subjekt und Objekt als Ergebnis von
Schrift (Materialität) und Schreiben (Praxis), Kafka und seine „Tagebücher“ lassen einander sichtbar
werden. Die vom Autor geführten „Hefte“ akkumulieren sich in der Folge (etwa im Rahmen einer
philologischen Edition) zum „Buch“ und erfahren durch die Aufnahme ins Archiv und das
Durchlaufen spezifischer Praxen eine Statusverschiebung zum Dokument. Als Teil bewahrten
Kulturerbes   werden     theoretische    Kontexte      des   Archivs   (wie    das   Verhältnis     von
Geschichte/Geschichtlichkeit/Geschichtsschreibung) und produktive Verbindungen (Literarische
Praxis/Historiographie/Geschichtsphilosophie) anhand der „Tagebücher“ darstellbar.

Lisa Dauth: In eins geschrieben. Zentraleuropäisches Ähnlichkeitsdenken bei Paul Celan

      Lisa Dauth studierte interdisziplinär Literatur- und Kulturwissenschaften in Siegen und
      Flensburg. Für ihre Masterthesis erhielt sie den Preis der Europa-Universität Flensburg für
      die vorbildliche Umsetzung des Universitätsleitbildes. Seit 2019 arbeitet sie als
      wissenschaftliche Mitarbeiterin für Literaturwissenschaft in der Germanistik an der
      Europa-Universität Flensburg. Ihr Promotionsprojekt befasst sich mit der europäischen
      Dimension von Paul Celan.

Der 1920 geborene Dichter Paul Celan wuchs in Czernowitz auf, wo er von fluiden Grenzen zwischen
verschiedenen Sprachen, Kulturen und Religionen umgeben war. Aufgrund der als Normalität
erfahrenen Diversität bezeichnete er seine bukowinische Heimat als „Gegend, in der Menschen und
Bücher lebten“ und räumte dem Grenzüberschreitenden einen hohen Stellenwert in seinem Werk
ein. Interkulturelles Erinnern und die Suche nach Begegnung spielen in seiner Dichtung eine
tragende Rolle, was sich etwa in seinem Einsatz von Intertextualität äußert. Unter Einbezug von Anil
Bhattis literatur- und kulturtheoretischem Paradigma der Ähnlichkeit untersucht der Beitrag den
Zusammenhang zwischen Celans intertextuell geknüpftem Netzwerk und der Plurikulturalität des
Habsburgischen Zentraleuropas. Dazu wird Celans Gedicht In eins auszugsweise analysiert.

                                                  19
Regina Goda: Kulturelle Vielfältigkeit der mitteleuropäischen Region. Interpretationsmöglichkeit
der Romane Der Gipfeldieb von Radek Knapp und Mehr Meer von Ilma Rakusa.

      Regina Goda (geb. 20.10.1994, Balassagyarmat) studierte von 2013 bis 2019 Germanistik
      und Hungaristik an der Eötvös Loránd Universität in Budapest, wo sie derzeit ihr Doktorat
      absolviert. Ihr Forschungsthema ist mittel- und osteuropäische Prosapoetik nach 1989 aus
      der Perspektive der Transkulturalität und des Transnationalismus. Sie beschäftigt sich mit
      Autoren/Autorinnen mit Migrationshintergrund mit einem Fokus auf den Vergleich
      ungarisch- und deutschsprachiger Literatur. Welche Wirkungen der Sprach- und
      Kulturwechsel der Autoren/Autorinnen auf die Texte haben und welchen poetischen
      Strategien gefolgt werden, sind zentrale Fragestellungen. Im Mittelpunkt ihrer
      Untersuchung steht die Frage, wie die Motive der Migration, der Reise und der Grenze in
      die Texte eingebettet werden.

Sprache, Identität und Grenzen bieten bezugnehmend auf die ost- und mitteleuropäische Region
eine große Darstellungs- und Interpretationshorizont an. Die erste Problemstellung befasst sich
damit, wie Mitteleuropa in den literarischen Werken konstruiert wird, besonders im Zusammenhang
mit Ost- und Westeuropa. Ist es möglich, Mitteleuropas strenge Grenzlinien zu ziehen oder kann
diese Region als solcher Raum betrachtet werden, dessen Grenzen immer verändernd sind. Zweite
Fragestellung beschäftigt sich damit, wie diese Grenzen oder Grenzverschiebungen mit der Identität
zusammenhängen. Welche Grenzüberschreitungen vollbringen die Hauptfiguren der Romane, nicht
nur im geographischen, sondern nationalen, kulturellen Sinne. Knapps Erzähler, Ludwik Wiewurka
ist ein gebürtiger Pole, aber lebt in Wien und möchte ein echter Österreicher werden. Rakusas
Erzählerin wird durch die ungarische, slowenische und slowakische Kultur bestimmt. Beide verlassen
ihre Heimat und versuchen sich selbst an der Grenze mehrerer Kulturen und Sprachen zu definieren.
Die kulturelle, sprachliche Vielfältigkeit wird nicht nur im Bezug auf Raum und Identität untersucht,
sondern im Hinblick auf die textuelle Ebene. Es werden die Fragen in den Mittelpunkt gerückt, wie
Mehrsprachigkeit in den Texten eingebettet ist und wie die Prosapoetik durch diese bestimmt wird.
Kann über eine spezifische mitteleuropäische Prosapoetik gesprochen werden?

      ♦    Europabilder und Migration, 19. Mai, 9:30–12:00

Maximilian Kreter: „Wir waren die Herrscher eines Reiches – Könige Europas“. Europabilder im
deutschen Rechtsrock von 1989 bis 2017.

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Maximilian Kreter studierte von 2008 bis 2015 Politikwissenschaft, Soziologie und
      Geschichte in Frankfurt am Main und Turku. Seit 2016 ist er Doktorand am Hannah-
      Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, wo er von 2017 bis 2018 im Projekt „Rechte
      Hassgewalt in Sachsen“ mitwirkte und seit 2020 die Öffentlichkeitsarbeit betreut. Die
      Dissertation mit dem Titel „Juvenile Rebellion oder rechtsextreme Propaganda? Die
      Ideologie des Rechtsextremismus im deutschsprachigen Rechtsrock von 1977 bis 2017“ ist
      in seinen Forschungsschwerpunkten des Rechtsextremismus, der politisch motivierten
      Gewalt sowie Jugend- und Subkulturen zu verorten.

Während die Zustimmung zur EU und dem in ihr verwirklichten Wertekanon eines modernen,
demokratischen und universalistischen Europas trotz multipler Krisenerfahrungen in Deutschland
weiter hoch ist, haben seit einigen Jahren rechtsextreme Europabilder (wieder) Konjunktur. Diese
Europabilder sind eine der maßgeblichen Konstanten im Denken der extremen Rechten und
bewegen sich dabei zwischen einem „europäischen Befreiungsnationalismus“, einer „Nation
Europa“, einem „Europa der Vaterländer“, einem „weißen Europa“, einem „Europa der
(Ethno)Regionen“ und zuletzt wieder einem „christlichen Abendland“. So sehr sich diese
Europabilder im Detail unterscheiden, so eint sie eine antimoderne, partikularistische und
monistische Grundposition, die anhand ethnischer, kultureller oder historischer Identitäten
homogene staatliche Entitäten konstituieren und gegeneinander abgrenzen sollen. In
recht(sextrem)er Musik spiegeln sich diese Konzeptionen von Arno Pardun („Siehst du im Osten das
Morgenrot“) über Frank Rennicke („Über Länder, Grenzen, Zonen“) bis hin zu Rechtsrockbands wie
Division Germania („Könige Europas“) oder „Sleipnir“ („Bis ganz Europa fällt“) wider.
Vor diesem Hintergrund werden die Europabilder im deutschen Rechtsrock von 1989 bis 2017
einerseits quantitativ, im Hinblick auf die Dominanz bestimmter Europabilder, und andererseits
qualitativ, das heißt wie die verschiedenen Europabilder ausgestaltet sind, untersucht.
Die theoretische Grundlage bildet die Ideologie des Rechtsextremismus, d.h. was unter dem
Konzept der Ideologie zu verstehen ist und wie der Begriff des Rechtextremismus definiert sein soll,
oder kurz, wie ein rechtsextremes Europabild sich konstituiert und wie es seinen Ausdruck in den
Texten der Bands findet. Darüber hinaus, müssen sowohl viele szenetypische Chiffren und Codes
(bspw. 444 = Deutschland den Deutschen) berücksichtigt werden, als auch der verhältnismäßig
enge rechtliche Rahmen in Deutschland, der bspw. Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder das
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) unter Strafe stellt.
Um diesen Strafen zu entgehen, wenden viele Bands literarische Camouflage an, das heißt: „Was
öffentlich nicht ausgesprochen werden darf, davon können literarische Texte doch reden – indem sie

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