Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
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Universität MARUM — Bremen Zent rum für Mar in e Umweltw iss ens chaften Der Ozean im System Erde
Die Erforschung der Ozeane erfordert den Einsatz modernster Technologien von Forschungsschiffen aus. Dem Meer auf den Grund gehen! MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen Unser blauer Planet ist faszinie- Erdbeben und Vulkanausbrüche rend. Atmosphäre, Ozeane und belegen, wie dynamisch die Pro- Gesteinshülle, die von großen und zesse im System Erde ablaufen. kleinen Lebewesen besiedelte Das gilt besonders für die Meere Biosphäre sowie Eisschilde und und Ozeane, die etwa 71 Prozent Gletscher bilden seine wesent- der Erdoberfläche bedecken. lichen Bestandteile, die durch komplexe Wechselwirkungen eng Weltumspannende Meeresströ- miteinander verwoben sind. Nie mungen, heiße und kalte Quel- herrscht Stillstand. Der schnell len am Meeresboden und viele voranschreitende Klimawandel, weitere Phänomene machen die
„Das MARUM erforscht die Rolle des Ozeans und des Meeresbo- dens im Erdsystem und vermittelt Wissen für einen verantwor- tungsvollen Umgang mit dem Meer.“ Prof. Dr. Michael Schulz Direktor des MARUM Meeresumwelt zu einem zentra- den Ozeanen steht die Meeresfor- aus dem Meer von Prozessen im len Element im System Erde. Die schung vor neuen Aufgaben von tiefen Ozean ab. Wir wissen aber Ozeane sind im Mittel 3.700 Meter großer gesellschaftlicher Bedeu- noch zu wenig über die Prozesse tief und umspannen die ganze tung. Dies spiegelt sich sowohl in der Tiefsee, um entsprechen- Erde. Sie beherbergen vielfältige, im Meeresforschungsprogramm des Handlungswissen bereit zu an die jeweilige Umgebung an- der Bundesregierung ‚MARE:N – stellen. gepasste Ökosysteme. Der tiefe Küsten-, Meeres- und Polarfor- Ozean und der Ozeanboden sind schung für Nachhaltigkeit‘ als Das MARUM gewinnt grundlegen- noch weitgehend unbekannt, da auch in den Nachhaltigkeitszielen de wissenschaftliche Erkenntnis- sie bisher nur sporadisch mit di- der Vereinten Nationen wider. se über die Rolle der Meere und rekten Messungen wissenschaft- Hier widmet sich das Ziel 14 „Oze- Ozeane und des Meeresbodens lich untersucht wurden. Sicher ist ane, Meere und Meeresressour- im gesamten Erdsystem. Deren aber, dass diese Regionen bedeu- cen im Sinne einer nachhaltigen Dynamiken prägen durch Wech- tende Funktionen für das gesam- Entwicklung erhalten und nach- selwirkungen von geologischen, te Erdsystem erfüllen. haltig nutzen“ ausdrücklich auch physikalischen, biologischen und Aspekten, die unmittelbar mit chemischen Prozessen maß- Durch globale Herausforderun- dem tiefen Ozean verknüpft sind. geblich das gesamte Erdsystem. gen wie Klimawandel, Meeres- So hängen beispielsweise die Über diese Prozesse beeinflussen spiegelanstieg, Energiege- langfristige Aufnahmekapazität sie auch das Klima sowie den winnung aus dem Meer sowie des Ozeans für Kohlendioxid und globalen Kohlenstoffkreislauf steigende Ressourcennutzung in die Verfügbarkeit von Rohstoffen und es entstehen einzigartige 6–7
Das ROV MARUM-S quid wird vor dem nächsten Einsatz im Tauch- becken auf dem MARUM-Gelände getestet. Die Laborinfrastruktur am MARUM bietet ideale Bedingun- gen für Spitzenforschung. Wartungsarbeiten am MARUM-MeBo70 Ökosysteme. Das MARUM steht Universität Bremen verankert ist. dem Leibniz-Zentrum für Marine für grundlagenorientierte und Seit 2012 ist das Zentrum die erste Tropenforschung in Bremen (ZMT) ergebnisoffene Forschung in Ver- und einzige Research Faculty der sowie mit der Universität Olden- antwortung vor der Gesellschaft Universität Bremen. Im MARUM ar- burg und der privaten Jacobs Uni- und zum Wohl der Meeresumwelt. beitet die Universität Bremen eng versity in Bremen zusammen. mit dem Alfred-Wegener-Institut Das Forschungszentrum ‚MARUM – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Am MARUM sind der Exzellenz- Zentrum für Marine Umweltwis- Meeresforschung in Bremerhaven cluster ‚Der Ozeanboden – uner- senschaften‘ hat sich seit seiner (AWI), dem Max-Planck-Institut forschte Schnittstelle der Erde‘ Gründung zu einem international für Marine Mikrobiologie in Bre- sowie weitere nationale und inter- anerkannten Zentrum für Meeres- men (MPI) mit Senckenberg am nationale Forschungsprojekte forschung entwickelt, das an der Meer in Wilhelmshaven (SGN), angesiedelt.
Auf dem Campus der Universität Bremen befinden sich die MARUM- Gebäude mit Büros, Laboren und Technikhallen. Das MARUM gliedert sich in drei interdisziplinäre Forschungs- felder. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist eine Querschnittsaufgabe. Forschungsfelder Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses Ozean und Klima Unterwassertechnologien Wechselwirkung en MARUM Laborinfrastrukturen zwischen Geo- und Bios phäre Research Faculty Bohrkernlager Dateninformationssystem Dynamik des Meeresbodens Kommunikation u. Medien 8–9
Mit dem am MARUM entwickelten Meeresbodenbohrgerät MeBo200 – hier vom Forschungsschiff S onne aus eingesetzt – werden bis zu 200 Meter lange Kerne gewonnen. Forschungsfeld Ozean und Klima Sedimente, die am Meeresboden abgelagert wer- In den Schalen von Foraminiferen, die in Sedimenten am den, ermöglichen die Quantifizierung von Verände- Meeresboden abgelagert wurden, sind dauerhaft Klima- und Umweltsignale gespeichert, die mit verschiedenen Laborme- rungen der Meeresumwelt in der Vergangenheit. thoden ausgelesen werden. Der Meeresboden stellt somit ein einzigartiges Archiv für Umweltveränderungen auf Zeitskalen von Dekaden bis Jahrmillionen dar. Dieses Archiv trägt entscheidend zum Verständnis der natürlichen, aber für die Menschheit relevanten Prozesse bei, die den heutigen Zustand des Erdsystems und auch seine künftige Entwicklung maßgeblich bestimmen. Neben klassischen Methoden der Meeresgeologie werden insbesondere (isotopen-)geochemische Analysen organischer und anorganischer Kompo- nenten der Sedimente genutzt, um Umweltverände- rungen zu rekonstruieren und die dafür verantwort- lichen Prozesse zu analysieren. Durch Wind und Flüsse werden auch terrestrische Klimasignale in den Ozean transportiert und bleiben dort erhalten. Dadurch stellen Tiefseesedimente
ein einzigartiges Klimaarchiv dar, das es ermöglicht, neben Variationen der marinen Umwelt auch zeit- gleiche Veränderungen auf den Kontinenten und deren Beziehung zueinander zu erfassen. Solche paläozeanographischen und paläoklimatologischen Untersuchungen erlauben es zum Beispiel, Aussa- gen über die Veränderungen der ozeanweiten Mee- resströmungen und der biologischen Produktivität zu machen, die für die Funktionsweise des Klimasys- tems von großer Bedeutung sind. Beispiele sind der Wärmetransport, die Speicherung von Kohlendioxid oder die Verschiebung von Niederschlagsregionen. Direkte Messungen von physikalischen Parametern und Spurengasen im Meer und durch Satelliten- messungen erlauben es, Schwankungen in den Strömungen und in der ‚Atmung‘ des tiefen Ozeans im Bereich von Monaten bis Jahrzehnten zu unter- suchen. Mittels zeitlich hochaufgelöster Sedimente und Korallenskelette gelingt es, die Rolle des Ozeans im Klimageschehen auf diesen detaillierten Zeitska- len in Zeiträumen zu untersuchen, für die noch keine direkten Messungen zur Verfügung stehen. Dabei sind die Rolle der Verstärkungsmechanismen, der Wechselwirkungen zwischen Klima-Subsystemen, aber auch der Antriebsfaktoren sowie des Ausma- ßes möglicher lokaler Umweltveränderungen von besonderer Bedeutung. Viele Klimaindikatoren in der Paläoklimatologie er- lauben einen direkten Vergleich mit Ergebnissen von Klimarechenmodellen. Solche Vergleiche ermög- Mit seinem tonnenschweren Gewichtsträger ermöglicht ein lichen es, die Qualität der Modelle für zukunftsrele- Schwerelot die Beprobung des Meeresbodens bis zu einer vante Klimazustände zu testen und die Modelle wei- Tiefe von etwa 20 Metern. ter zu verbessern. In Zukunft werden dafür immer umfassendere paläoklimatologische Datensätze be- nötigt, mit denen Klimazustände in der Vergangen- heit noch detaillierter beschrieben werden können. Vereinfachtes Zirkulationsschema des Nordatlantiks. Bergung eines im Ozean verankerten Strömungsmessers, der Rot: Warmes Oberflächenwasser, blau: kaltes Tiefenwasser. in eine Auftriebskugel eingebaut ist. Solche Strömungsmesser werden für ein Jahr oder länger in verschiedenen Wassertie- fen installiert und messen dort Strömungsgeschwindigkeiten und -richtungen. Diese Daten geben für die Klimaforschung wichtige Hinweise auf Schwankungen in der Stärke von Ozean- strömungen. 10 – 11
Beprobung eines Gasaustritts an einer kalten Quelle mit dem Tauchroboter MARUM-Q uest Forschungsfeld Wechselwirkungen zwischen Geo- und Biosphäre Geologische Prozesse im Meeresboden führen Im Gegensatz dazu sind die über geologische Zeit- zur Entwicklung von extremen Lebensräumen mit räume langsam am Boden der Tiefsee abgelagerten einzigartigen Ökosystemen. An mittelozeanischen Sedimente zumeist extrem energiearme Standorte. Rücken steigen bis zu circa 400 Grad Celsius heiße Sie bieten dennoch ausreichende Lebensbedingun- Fluide aus der ozeanischen Kruste auf. Diese Fluide gen für mikrobielle Gemeinschaften (sogenannte sind reich an reduzierten chemischen Verbindungen Tiefe Biosphäre) und beherbergen schätzungsweise und bilden im Kontakt mit sauerstoffhaltigem Meer- ebensoviel mikrobielle Biomasse wie das Wasser wasser eine reichhaltige Energiequelle für Mikroor- der Ozeane. Trotz kilometertiefer Bohrungen in den ganismen und damit die Basis der üppigen Lebens- Ozeanboden wurde bis heute die untere Grenze der gemeinschaften an ‚Heißen Quellen‘ (‚hot vents‘). Tiefen Biosphäre noch nicht gefunden. Auch ver- In ähnlicher Weise floriert das Leben an den ‚Kalten stehen wir nur ansatzweise die Prozesse und An- Quellen‘ (‚cold seeps‘) der Kontinentalränder und passungen, die Leben unter hoher Temperatur und Randmeere, an denen im Zuge tektonischer oder hohem Druck, mit ungewöhnlichen Energiequellen geochemischer Prozesse Fluide freigesetzt werden, und trotz teilweise ausgeprägten Energiemangels die mit Methan, anderen Gasen und organischen ermöglichen. Verbindungen angereichert sind.
Chemosynthetische Lebensgemeinschaften im Bartwürmern besiedeln Asphaltlagen, die an natürlichen Öl- Logatchev Hydrothermalfeld am Mittelatlanti- austrittsstellen in 3.300 Meter Wassertiefe im Golf von Mexiko schen Rücken in 3.000 Meter Wassertiefe entstanden sind. Viele einzigartige Lebensräume am und im Ozean- boden wurden in den vergangenen 40 Jahren um- fangreich dokumentiert. Die bereits bekannten Sys- teme sind jedoch nur in Ansätzen verstanden, und es werden immer wieder neue entdeckt. Während außer Frage steht, dass die in ihnen ablaufenden Prozesse eine bedeutende Rolle in globalen Stoff- kreisläufen spielen, gelang die konkrete Quantifizie- rung von Stoffflüssen bisher nur näherungsweise. Die Existenz von Leben unter den extremen Um- weltbedingungen der Tiefsee verdeutlicht, dass wir bisher nicht wissen, welche Umweltfaktoren letzt- endlich das Leben auf der Erde – und möglicher- Mit einem Tauchroboter ausgesetzte Messgeräte erfassen weise auch auf anderen Planeten – begrenzen. Die autonom die Sauerstoffzehrung an Bakterienmatten in der Erkenntnis, dass die extremen Lebensräume der Sauerstoffminimumzone, hier in 1.100 Meter Wassertiefe am Tiefsee eine große Diversität aufweisen, kann nicht pakistanischen Kontinentalrand. darüber hinwegtäuschen, dass unser Wissen über die Stabilität beziehungsweise Labilität dieser Öko- systeme noch sehr begrenzt ist. Wie anfällig solche Systeme gegenüber Störungen sind – dazu gehö- ren insbesondere die Förderung mariner Rohstoffe am Meeresboden, Speicherung von Kohlendioxid, Fischerei und der Eintrag von Mikroplastik – kann bis- lang nicht zuverlässig eingeschätzt werden. Hydrothermalquellen in 860 Meter Wassertiefe im Menez Gwen Hydro- thermalfeld südwestlich der Azoren 12 – 13
Ausgerüstet mit speziellen Echolotsystemen vermessen autonome Unterwasserfahrzeuge wie das AUV MARUM-S eal den Meeresboden, auch in großen Tiefen. Da solche Fahr- zeuge in nur 60 bis 80 Meter über dem Meeresboden operie- ren, entstehen auf dieser Datenbasis sehr hochaufgelöste bathymetrische Karten wie hier vom Venere Schlammvulkan im östlichen Mittelmeer. Wassertiefe 1.500 Meter 500 Meter 1.630 Meter Forschungsfeld Dynamik des Meeresbodens Der Meeresboden stellt den Ort dar, an dem Gebirgskette bildet. Im plattentektonischen Kreis- durch Wind, Flüsse und Gletscher vom Festland lauf wird diese Ozeankruste in den Tiefseegräben transportierte Sedimente abgelagert werden, wieder den Kontinenten unterschoben und taucht die mehrere Kilometer mächtig sein können. An schließlich in den tiefen Erdmantel ab, wo sie mittelozeanischen Spreizungsrücken in der Tief- schmilzt. see steigt Magma aus dem Erdmantel auf, das zu Ozeankruste erstarrt und eine weltumspannende, Die frisch gebildete, heiße Ozeankruste steht in circa 60.000 Kilometer lange untermeerische chemischer und physikalischer Wechselwirkung
mit dem Meerwasser. Durch Abkühlung und Altern entstehen in der Basaltkruste feine Risse, durch die Meerwasser zirkuliert. Gleichzeitig schmiert das Wasser der oberen Kruste und der ihr auflagernden Sedimente die Grenzschicht zwischen Kontinen- talkruste und abtauchender Ozeankruste in den Tiefseegräben. Diese Fluide (Wässer und Gase) werden in größerer Erdtiefe ausgepresst und treten als Schlammvulkane oder Karbonatausfällungen am Meeresboden in Erscheinung. Beim Entweichen der Fluide in Richtung Ozeanboden können Erdbeben entstehen, weil die Fluide wie ein Gleitmittel die Be- wegung zwischen den Krustenplatten beeinflussen. Erdbeben, die im Meeresboden entstehen, aber In der Nähe des Venere Schlammvulkans im östlichen Mittel- auch die damit einhergehenden Rutschungen und meer wurzelt diese Bartwürmerkolonie unter einer Kalkkruste in 1.560 Meter Wassertiefe. Tsunamis, wirken sich zerstörerisch auf dicht besie- delte Küstenregionen, deren Infrastruktur und auch die dort angesiedelten Ökosysteme aus. Erdbeben großer Magnitude – zum Beispiel die Starkbeben von Sumatra 2004, Chile 2010 und Japan 2011 – ent- stehen in großer Erdtiefe und entziehen sich der direkten Untersuchung. Jüngere Studien mit physi- kalischen Bohrlochobservatorien zeigen, dass quan- titative Abschätzungen der freigesetzten Energie einzelner Erdbebenzonen möglich sind und sich für Frühwarnsysteme nutzen lassen. Hochvariabel sind die Mobilisierungsprozesse von Sedimenten, die durch verschiedene Faktoren (Nie- derschlag, Strömungen, Seismizität, Erosion/Verwit- terung) gesteuert werden. Die Bewegung und Ver- teilung der Sedimente wird dabei maßgeblich durch die Bathymetrie des Meeresbodens (Canyons, Rücken und Ebenen) kontrolliert. Die Ab- und Umlagerung von Mit dem Tauchroboter MARUM-Q uest wurde an einem Sedimenten geschieht ständig von der Küste bis in die Schlammvulkan im Nankai Trog vor Japan in 1.950 Meter Wassertiefe ein Bohrlochobservatorium für Langzeitunter- Tiefsee. Untermeerische ‚Lawinen‘ (sog. Trübeströ- suchungen installiert. Dieses Gerät misst Porendruck und me) und Rutschungen können den Meeresboden sehr Temperatur im Bohrloch und entnimmt über ein Kapillarsys- schnell über hunderte von Kilometern tiefgreifend tem Porenwasser-Zeitserien. umgestalten. Neben diesen schnell ablaufenden Prozessen unter- liegt der Meeresboden auch sehr langsamen Ver- änderungen auf geologischen Zeitskalen mit Be- wegungsraten im Millimeter- bis Zentimeterbereich pro Jahr. Hierzu zählen tektonische Prozesse und submariner Vulkanismus der ozeanischen Kruste. Aufgrund der geringeren Geschwindigkeiten dieser dynamischen Veränderungen des Meeresbodens über Jahrmillionen ist die Besiedlung solcher Re- gionen möglich, zum Beispiel durch Kaltwasserko- rallen und andere Organismen. Insofern steuert die Dynamik des Meeresbodens auch maßgeblich die Entwicklung der dortigen marinen Ökosysteme. Kolonien von Kaltwasserkorallen können sich über mehrere hundert Kilometer erstrecken und die Zirkulation des Meer- wassers beeinflussen. Diese einzigartigen Ökosysteme sind unabhängig vom Sonnenlicht und gewinnen Energie, indem sie Mikroplankton und organische Schwebstoffe aus dem Meer- wasser filtern. 14 – 15
Bakterienmatten im Arabischen Meer in 730 Meter Wassertiefe Exzellenzcluster am MARUM Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde Der Ozeanboden ist der Teil des einwirken. Wegen seiner schieren Meeresbodens, an dem die Was- Größe wissen wir noch zu wenig sertiefe größer als 200 Meter ist. über die Faktoren, die den Trans- Dieser macht den größten Teil der port von organischem Material festen Oberfläche der Erde aus zum Ozeanboden steuern und und stellt die Schnittstelle dar, an dadurch den globalen Kohlen- der geologische, physikalische, stoffkreislauf und das Klimasys- chemische, biologische und hyd- tem beeinflussen. Was passiert, rologische Prozesse aufeinander wenn Kohlenstoff und andere
oben: Bartw ürm er an einem Schlammv ulk an Methanblasenaustritt an Kalkschloten im darunter: Basaltische ozeanische Kruste Schwarzen Meer in 260 Meter Wassertiefe Elemente aus der Umwandlung Seit rund vier Jahrzehnten ist die Umweltbedingungen vergan- organischen Materials ins Meer- bekannt, dass die Tiefsee keine gener Zeiten aufzeichnet. wasser gelangen oder aus dem Wüste, sondern im Gegenteil eine Ozeanboden in die Wassersäule Oase des Lebens ist – allerdings Der Cluster hat das Ziel, ein neues abgegeben werden? Was ist das eine sehr empfindliche. Ändert Kapitel der Ozeanbodenforschung Schicksal der unzähligen Arten sich das Ökosystem, dauert es aufzuschlagen und die Austausch- von Plankton in der Wassersäule, vermutlich Jahrzehnte, bis es prozesse an dieser bedeutenden beim Kontakt mit dem Ozeanbo- sich wieder erholt. Darum wird Grenzfläche und deren Rolle den und später in der Tiefe? Hier im Cluster auch untersucht, wie im Erdsystem mengenmäßig zu setzt der neue Exzellenzcluster die sensiblen Ökosysteme in der erforschen. Dafür arbeiten die ‚Ozeanboden‘ an, in dem sich bis Tiefsee auf eine sich verändernde Forschenden im Cluster eng und 2025 Forscherinnen und Forscher Umwelt und steigende Wasser- interdisziplinär mit Einrichtungen ganz auf diese noch weitgehend temperaturen reagieren. Der Oze- in der Region zusammen: dem unerforschte Schnittstelle kon- anboden ist außerdem ein einzig- Alfred-Wegener-Institut, Helm- zentrieren werden. artiges Archiv, das im Sediment holtz-Zentrum für Polar- und 16 – 17
Meeresforschung in Bremerha- Der Ozeanboden macht 71 Prozent der festen Oberfläche der Erde aus und befindet ven, dem Max-Planck-Institut für sich im Schnitt 3.700 Meter unter der Meeresoberfläche. Er ist schwer zugänglich, seine Untersuchung erfordert Schiffsexpeditionen und den Einsatz hochspezialisier- Marine Mikrobiologie in Bremen, ter Unterwassertechnologien. mit Senckenberg am Meer in Wil- helmshaven, dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen sowie mit der Universität Oldenburg und der Jacobs Univer- sity in Bremen. Der Exzellenzclus- ter ist unter dem Dach des For- schungszentrums MARUM an der Universität Bremen angesiedelt. Für die Forschung wird die einzig- artige Flotte von Geräten einge- setzt, die am MARUM betrieben wird: Tauchroboter, Bohrgeräte und autonome Unterwasserfahr- zeuge. Sie werden dazu genutzt, den Ozean beobachten und be- proben zu können. Um die neuen wissenschaftlichen Aufgaben anzugehen, werden nicht nur neue Technologien, sondern auch neue analytische Methoden und Modelle entwickelt. Schlüsselprozesse, die den Ozeanboden betreffen und im Rahmen des Clusters untersucht werden CO Klimaveränderungen ² C der Vergangenheit Terrestrische Hydrologischer C-Speicher Kreislauf / Eismassen Biologische Pumpe Organisches Meeres- Nährstoffe Ökosysteme/Biodiversität Material spiegel der Vergangenheit Nährstoffe Schelfsedimente CO CO ² ² Ozeanzirkulation Ökosystem ha n der Vergangenheit Kaltwasserkorallen Um t Me wa Ökosystem Ti e nd Kalte Quellen fe lun sta Gashydrate B Su Ze C g o nz io Nährstoffe rfa b hä sp rg re Metalle Ökosystem l l an Heiße isc Quellen Methan he HO r Er ² h alt G eofuel fluxes un g HO Organisches Umweltarchive ² Material Klimaarchive Sedimente Su Kontinentale Ozeanische Kruste b du Kruste Ozeanische Kruste ktion C = Kohlenstoff Mantel HO ² Geochemischer Antrieb Klima-Antrieb Geodynamischer Antrieb
links oben: Gasaustritt an Kalter Quelle; rechts oben: Sandrippel in der Tiefsee unten: Chemosynthetische Symbiose 18 – 19
Gute Perspektiven Junge Talente fördern Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs so wichtigen internationalen und interdisziplinären hat am MARUM eine lange und gute Tradition. Hier Netzwerke. finden Promovierende und Postdocs aus gegenwär- tig mehr als 30 Ländern ein inspirierendes Umfeld, Fachlich bietet das MARUM seinen Nachwuchswis- das sie in allen Bereichen ihrer wissenschaftlichen senschaftler:innen eine Vielzahl an Einführungs- und Arbeit und während aller Stationen ihrer Karriere Spezialkursen an, die auf die jeweilige wissenschaft- unterstützt. liche Disziplin abgestimmt sind, interdisziplinäre Aspekte in den Mittelpunkt stellen oder dazu bei- Promovierende haben die Möglichkeit, Mitglied der tragen, persönliche Fähigkeiten weiterzuentwi- Bremer Internationalen Graduiertenschule für Mee- ckeln. Dabei arbeiten wir sehr eng mit den entspre- reswissenschaften (GLOMAR) zu werden, die am chenden Programmen unserer universitären und MARUM angesiedelt ist. Mit der Unterstützung durch außeruniversitären Partnerinstitute zusammen. So ein betreuendes Team aus erfahrenen Wissen- resultiert ein regional abgestimmtes und thematisch schaftler:innen bietet GLOMAR Promovierenden op- sehr breit gefächertes Fortbildungsprogramm für timale Bedingungen und die für die weitere Karriere Nachwuchswissenschaftler:innen.
Promotionen im Rahmen von seit 2006 Erfolgsrate: Dauer der Promotions- Geschlechterverteilung: Internationale: > 60 % der Alumni > 81 % phase: 3,7 Jahre 63 % : 37 % 48 % bleiben in Forschung Mit Angeboten zum individuellen Mentoring, zur gegenseitigen Unterstützung, zum Austausch von Best-Practice Ansätzen in der Betreuung von Stu- dierenden und Promovierenden und zur Karriere- beratung werden besonders Postdocs auf dem Weg in die akademische Unabhängigkeit unterstützt. Da viele Nachwuchswissenschaftler:innen eine außer- akademische Karriere anstreben, stehen bei vielen Angeboten entsprechende Berufsperspektiven im Fokus. Hierbei binden wir unsere stetig wachsende Gruppe von MARUM-Alumni ein. Obwohl in den Graduiertenprogrammen Doktoran- dinnen und Doktoranden zahlenmäßig etwa gleich stark vertreten sind, nimmt der Frauenanteil in wei- teren Karrierestufen ab. Um dieses Defizit nachhaltig zu verringern und Wissenschaftlerinnen darin zu unterstützen, ihren akademischen Weg erfolgreich weiter zu gehen, bietet das MARUM in Zusammen- arbeit mit dem Universitätsprogramm ‚navigare‘ seit vielen Jahren erfolgreich ein Mentoringprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen an. Durch ihre Beteiligung in allen Entscheidungsgre- mien im MARUM gewinnen die Nachwuchswissen- schaftler:innen nicht nur Einblicke in die akademi- sche Selbstverwaltung, sie bringen sich auch aktiv in die Forschungsplanung des MARUM und in die Weiterentwicklung der Ausbildungskonzepte für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein. Zusammen mit einer einzigartigen Infrastruktur ist das MARUM auch ein gefragter Partner für interna- tionale Kooperationen in der Nachwuchsförderung. Hierzu gehört das internationale Graduiertenkolleg ArcTrain, in dem gegenwärtig 12 deutsche und 21 kanadische Promovierende klimabedingte Umwelt- MARUM bietet Promovierenden und Postdocs ideale veränderungen in der Arktis untersuchen. Bedingungen und ein inspirierendes Umfeld. 20 – 21
Alles im Griff Meeresforschungstechnologien am MARUM Für die wissenschaftliche Untersuchung des Ozean- sehr hoher Qualität. Videokontrolliert nehmen die bodens sind hochspezialisierte Technologien von Greifarme der Tauchroboter Proben oder setzen entscheidender Bedeutung, die das MARUM seit Messgeräte für Experimente am Ozeanboden auf mehr als 25 Jahren einsetzt. Beobachtungen des optimalen Positionen ab. Heute umfassen die Unter- Ozeanbodens und Messungen werden direkt vor Ort wassersysteme zwei ROVs für 4.000 und 2.000 mit ferngesteuerten und autonomen Unterwasser- Meter Wassertiefe und ein autonomes Unterwasser- fahrzeugen, Bohrgeräten und anderen Instrumen- fahrzeug (AUV) für den Einsatz bis zu 5.000 Meter ten durchgeführt, die von Forschungsschiffen aus Tiefe. Darüber hinaus hat das MARUM mit der Ent- eingesetzt werden. Es gibt weltweit nur wenige wicklung von ferngesteuerten Meeresbodenbohr- Institutionen, die über eine Flotte moderner Unter- geräten (MeBo70 und MeBo200) einen neuen Weg wasserinstrumente für die Ozeanbodenforschung zur Erforschung des Meeresbodens beschritten. Das verfügen, die mit denen des MARUM vergleichbar MeBo200-System kann bis in eine Wassertiefe von ist. Es nutzt auf dem Markt verfügbare Geräte, ent- 2.700 Meter eingesetzt werden und 200 Meter tief in wickelt aber auch selbst neue Technologien. Das den Meeresboden bohren. Die seegehenden Groß- MARUM war 2003 die erste Einrichtung in Deutsch- geräte des MARUM werden von hochspezialisierten land, die einen kabelgeführten und somit vom Techniker:innen und Ingenieur:innen betrieben und Forschungsschiff ferngesteuerten Tauchroboter weiterentwickelt und auch für andere Arbeitsgrup- (‚Remotely Operated Vehicle‘, ROV) für die Tief- pen in Deutschland und international zur Verfügung seeforschung betrieben hat. Eingebaute hochauf- gestellt. lösende Kameras dokumentieren die Umgebung in linke Seite von oben nach unten, und v.l.n.r.: Das am MARUM stationierte ROV (Remo- tely Operated Vehicle) MARUM-Q uest taucht ab Mit einem speziell entwickelten Absatz- gestell wird das 10 Tonnen schwere Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo70 über das Heck des Forschungsschiffs M eteor aus eingesetzt. Zwei Piloten steuern den Tauchroboter von in einem Kontrollcontainer an Bord des Forschungsschiffs aus. MARUM-Q uest wird nach einem Tauch- gang an Bord geholt. Ein Wave Glider im Einsatz Unterwassersysteme mit Einsatztiefen bis zu 5.000 m Der Tauchroboter MARUM-S quid auf dem Arbeitsdeck von FS M eteor Mit dem am MARUM entwickelten Mult i sens or-Benth oss chlitten N eridis werden die oberen 50 Zentimeter des Meeresbo- dens elektromagnetisch kartiert. 22 – 23
Orientierung im Datenmeer Das Daten-Informationssystem PANGAEA Das MARUM betreibt gemeinsam auf jegliche bei der Erforschung unterliegen, ähnlich wie wissen- mit dem Alfred-Wegener-Institut unserer Erde gewonnenen Daten schaftliche Aufsätze in Fachzeit- Helmholtz-Zentrum für Polar- und langfristig und zuverlässig zuzu- schriften, einem internen Begut- Meeresforschung (AWI) ein In- greifen. Diese zertifizierte elek achtungs-Prozess und sind durch formationssystem, in dem Daten tronische Bibliothek adaptiert andere Wissenschaftler:innen in aus der Erdsystem- und Umwelt- und entwickelt internationale deren eigenen Arbeiten zitierbar. forschung archiviert und publi- Standards für Datenpublikatio- PANGAEA kann alle denkbaren ziert werden. Da das System die nen und fügt sich harmonisch in Messgrößen aus allen Disziplinen ganzheitliche Betrachtungsweise die sich weltweit entwickelnden der Erd- und Umweltwissenschaf- der Erde zum Ziel hat, ist es nach Forschungsinfrastrukturen ein. ten speichern – von der oberen dem Superkontinent PANGAEA Es integriert Daten in den etab- Atmosphäre bis in die untersten benannt, in dem vor 200 Millionen lierten Prozess der wissenschaft- Schichten des Meeresbodens. Jahren alle Kontinente vereint wa- lichen Veröffentlichung und ren. PANGAEA gewährleistet seit unterstützt die Nutzer:innen der über 25 Jahren der Wissenschaft, Datenarchivierung. Diese Daten
400.000 Datensätze 1. Daten und beschreibende PO4 NO3 Daten (Metadaten) aquirieren CO2 O2 aus der Wissenschaftsgemeinschaft • Messdaten • von Schiffen, Bojen, • Messreihen Messinstrumenten, • Langzeitreihen Flugzeugen, Stationen • Beobachtungen und Laborgeräten • Experimente 2. Daten nutzbar machen • Qualität der Metadaten auf Vollständigkeit und Reproduzierbarkeit prüfen • Formate und Beschreibungen harmonisieren • Lücken füllen (zusammen mit dem Datenproduzenten) zwecks Wieder- oder Weiterverwendung 4. Daten zugänglich machen • Daten mit einem internationalen, persistenten und eindeutigen 3. Daten archivieren Identifier (DOI) versehen • Nachnutzbarkeit und Zitierbar- • Strukturierte Ablage der Daten keit sichern • Zugriff auf Daten und Metadaten • Daten auffindbar machen indem dauerhaft sichern die Metadaten anderen Portalen • Datenverluste und Datenverän- und Systemen wie Google zur derungen verhindern Verfügung gestellt werden Die Grafik veranschaulicht den Arbeits- Aufgaben darüber hinaus ablauf in PANGAEA von der Daten • Schulung von Wissenschaftler:innen im Bereich Forschungsdatenm anagement erhebung bis zur Verfügungstellung • aktive Unterstützung und Beratung von Wissenschaftler:innen beim der Daten im Netz. Forschungsdatenmanagement in Institutionen und in Projekten • Standards (weiter-)entwickeln zum Austausch (Interoperatibilität) und Integration von Daten in Kooperation mit nationalen und internationalen Initiativen Projektentwicklung und Management • Nationale Forschungsdateni nfrastruktur (NFDI) • Gesellschaft für Biologische Daten (GFBio) e.V. • Deutsches Netzwerk für Bioinformatik Infrastruktur (de.NBI) 24 – 25
Das Unsichtbare erfassen Laborinfrastruktur am MARUM Das MARUM verfügt über ein großes Spektrum mo- dernster analytischer Instrumente. Diese ermögli- chen es, wichtige Umweltinformationen zu entschlüs- seln, die in organischen Molekülen, Mineralien und den Isotopenzusammensetzungen von organischen und anorganischen Stoffen enthalten sind. Analysiert werden unter anderem kalkige Fossilien, Gesteine und Sedimente sowie wässrige Proben aus dem Ozean und dem Porenraum von Sedimenten. Diese Analysen ermöglichen Einblicke in die Herkunft und Geschichte der Gesteine, die Umwandlungsprozesse organischen Materials und der daran beteiligten mik- robiellen Gemeinschaften, sowie die Veränderungen von Umweltbedingungen und Ökosystemen in der Erdgeschichte. Die Infrastruktur für chemische Unter- suchungen umfasst mehrere leistungsstarke Haupt- instrumente und spezialisierte Laboratorien: • Analyse komplexer Molekülmischungen in mari- nen Umweltproben, wie beispielsweise die ge- Die Research Faculty MARUM bietet Promovierenden und Post- lösten organischen Bestandteile im Meer, durch docs mit ihrer Infrastruktur sowie der regionalen und interna- ultra-hochauflösende Massenspektrometrie tionalen Vernetzung optimale Bedingungen für ihre Forschung. • umfassende Analyse komplexer mikrobieller Lipide in Meeres- und Sedimentproben • mehrere spezialisierte Labors für hochpräzise Isotopenanalysen von leichten bis schweren Elementen • ultrahochauflösende zeitliche Aufzeichnungen von Biomarkern in marinen Sedimenten zur Klimarekonstruktion • geochemische Kartierung von Elementverteilun- gen im Mikrometerbereich in Gesteinen und Sedimenten Um zu verstehen, wie Umweltbedingungen Isoto- penverhältnisse und Stoffkreisläufe beeinflussen, betreibt das MARUM außerdem Genetik- und Kultur- labore für marine Algen. Dadurch können die Diversi- tät dieser Organismen und ihr Wachstum in Abhän- gigkeit von Klimaveränderungen unter kontrollierten Bedingungen untersucht werden. 26 – 27
Über 158 Kilometer Meeresboden Das Bremer Bohrkernlager des IODP Am MARUM befindet sich das größte der weltweit drei Kernlager des International Ocean Discovery Program (IODP). In diesem großen Forschungspro- gramm haben sich internationale Wissenschaftsein- richtungen aus 23 Ländern, darunter die Vereinigten Staaten, Japan und ein Konsortium europäischer Staaten zusammengeschlossen, um weltweit mit Bohrschiffen und -plattformen Bohrexpeditionen in den Ozeanen durchzuführen. In der Bremer IODP- Einrichtung lagern weit mehr als zweihundertfünfzig- tausend Bohrkernabschnitte: aus dem Atlantik, dem Arktischen Ozean, dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer und der Ostsee, die seit 1968 erbohrt wurden.
250.000 Kunststoffbehälter in den fünfeinhalb Meter hohen Regalen des Bremer Bohrkernlagers enthalten die für die Wissenschaft so wertvollen Bohrkerne, Früchte einer mehr als 50-jährigen internationalen Expeditionstätigkeit. Die Kern- sektionen sind jeweils eineinhalb Meter lang und haben einen Durchmesser von knapp sieben Zentimetern. Jedes Jahr kommen ungefähr 200 Wissenschaft- ler:innen in das Bremer IODP Kernlager, um das einzigartige Probenmaterial zu untersuchen. Ande- re lassen sich die gewünschten Proben zusenden; jährlich werden etwa 50.000 Proben verschickt. Deutschland ist mit 14 weiteren Staaten Mitglied des europäischen Bohrkonsortiums ECORD. Es führt im Rahmen des IODP Expeditionen in Seegebieten Jedes Jahr kommen 200 durch, in denen die großen IODP-Bohrschiffe nicht arbeiten können. Dazu zählen eisbedeckte Gewäs- ser des Nordpolarmeeres sowie flache Küsten- oder Binnenmeere. Für die Expeditionen auf speziellen Schiffen oder Bohrplattformen stellt MARUM mobile Laborcontainer für mikroskopische Untersuchun- Wissenschaftler:innen gen, geochemische Messungen oder mikrobiologi- in das Bremer Bohrkernlager sche Beprobungen bereit. 28 – 29
Paläoklimaforschung am MARUM Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen Der Klimawandel wird uns zu- Wie kann ein Blick in die Ver- Dies bereitete einigen Meeres- nehmend vor enorme Heraus- gangenheit zu einem besse- bewohnern in der Vergangenheit forderungen stellen. Um die ren Verständnis des Klima- Anpassungsschwierigkeiten. Es ist künftige Entwicklung abschätzen systems der Erde beitragen? unklar, inwieweit und wie schnell zu können, ist ein grundlegen- sich tierische und pflanzliche Le- des Verständnis des komplexen Im Laufe der Erdgeschichte hat bensräume als Grundlage unse- Klimasystems der Erde essen- sich das Klima immer wieder ver- rer Umwelt an ein sich so schnell tiell. Forschenden hilft dabei der ändert, wobei die Änderungen – änderndes Klimasystem in der Blick in die Vergangenheit. Die durch den Einfluss des Menschen Zukunft anpassen können. Viele Rekonstruktion des Paläoklimas – wesentlich schneller ablaufen, Parameter in den Klimamodellen ermöglicht es zu verstehen, wie als das bisher in der Erdgeschich- müssen immer noch anhand von dieses System auf Veränderungen te der Fall war. Ein wichtiger Teil Beobachtungen und Messungen reagiert. Diese Erkenntnisse flie- unserer Forschung ist zu erfas- kalibriert werden. Dies ist nur mit ßen auch in Modellrechnungen für sen, wie das Klimasystem solchen Klimaarchiven aus der geologi- verschiedene Zukunftsszenarien Wechseln, zum Beispiel bei sich schen Vergangenheit möglich. ein. Am MARUM forschen Wissen- ändernden Treibhausgaskonzen- schaftlerinnen und Wissenschaft- trationen, begegnet ist. Klima- Wie untersuchen Forschen- ler verschiedener Disziplinen auf Archive aus der geologischen de vergangene Klimabe- diesem Gebiet, einer von Ihnen ist Vergangenheit helfen zu bestim- dingungen, die zum Teil Professor Heiko Pälike, Leiter des men, wie sich Klimabedingungen Fachgebiets Paläozeanographie. künftig ändern könnten. Das Millionen von Jahren zurück- Klimasystem der Erde ist dabei liegen? sehr fein ausbalanciert, aber im Sedimentablagerungen enthal- Moment drehen wir sehr schnell ten Mikrofossilien und andere an einigen Stellschrauben, und messbare Eigenschaften, die im Änderungen sind ohne mensch- idealen Fall die Klimageschich- lichen Einfluss nicht zu erklären. te wie ein Archiv aufzeichnen. Zum Beispiel führt der extrem Unsere Forschung besteht auch schnelle Eintrag von Kohlendioxid darin, dieses Klimaarchiv zu ent- in die Atmosphäre nicht nur zur ziffern. Dabei entsprechen ein bis Erwärmung, sondern erhöht auch zwei Zentimeter Ablagerung am die Löslichkeit von Kalk im Ozean. Ozeanboden in der Tiefsee etwa
1.000 Jahren Zeit. Konkret arbei- Tiefenwassertemperatur etwa ten wir mit den fossilen Schalen zehn Grad Celsius höher als von Organismen, deren Eigen- heute. Die Forschenden stimmen schaften in ihrer Entstehungszeit darin überein, dass der Tempera- durch unterschiedliche Umwelt- turanstieg zu Beginn des Eozäns „Wir arbeiten daran, faktoren beeinflusst wurden. Ein durch die Freisetzung großer Beispiel ist die Wassertemperatur Mengen von Kohlenstoff aus dem Klimarechenmodelle in verschiedenen Tiefen, die für Ozeanboden verursacht wurde. noch weiter zu vergangene Zeiten rekonstruiert Wegen der Analogie zur heutigen werden kann, indem wir die Scha- Steigerung des Treibhauseffekts verbessern“ len mariner Lebewesen untersu- beschäftigen sich viele wissen- Prof. Dr. Heiko Pälike chen, die in den entsprechenden schaftliche Studien mit diesem Fachgebietsleiter Tiefen gelebt haben. Das Erd- Ereignis aus der Vergangenheit, Paläozeanographie system reagiert empfindlich auf um unsere heutige Situation – und Änderungen im Treibhausgasbud- wie sie sich auf die Umwelt aus- get, welches bestimmt, wie stark wirkt – besser zu verstehen. Die sich die Erde erwärmt. durch verschiedene Methoden Äquator und den Polen, Abschwä- geschätzte Gesamtmenge an chung im Windsystem, Ände- Gibt es ein aussagekräftiges freigesetztem Kohlenstoff vor 56 rungen in der Ozeanzirkulation, Beispiel für eine plötzliche Millionen Jahren entspricht etwa herabgesetzter Durchlüftung, Freisetzung von Treibhaus- der Menge, die mit dem Kohlendi- Ozeanversauerung und geschmä- gasen in der Erdgeschichte – oxid seit Beginn der Industrialisie- lerten Nährstoffen im Ozean. und was weiß die Forschung rung freigesetzt wurde. Also: Wir darüber? haben diese vergleichbare Menge Kann aufgrund der unter- Durch eine nach geologischen in sehr viel kürzerer Zeit, das heißt schiedlichen Randbedingun- Maßstäben plötzliche Erwär- zehn bis 100 Mal schneller er- gen die damalige mit der mung vor etwa 56 Millionen reicht. Die Erwärmung war zudem Jahren haben sich Flora und mit tiefgreifenden Effekten auf heutigen Situation Fauna – besonders auch die des physikalische, geochemische und verglichen werden? Ozeans – sehr stark verändert. biologische Prozesse verbunden. Natürlich war in der Vergangen- Während des Eozäns, vor 56 Dabei kam es zu verringertem heit die Verteilung der Konti- bis 34 Millionen Jahren, war die Temperaturgefälle zwischen dem nente und die Ozeanzirkulation 30 – 31
eine andere. Allerdings basieren Dabei werden die Forschungs- einstellen, das ist eines unserer viele der relevanten Prozesse auf ergebnisse zur geologischen Forschungsziele. physikalischen und chemischen Vergangenheit mit Klimamodellen Grundlagen, die für heute und simuliert, um wichtige Prozesse Außerdem können im Klimasystem damals gleichermaßen gelten. Die in unserem Klimasystem zu ver- Situationen erreicht werden, wo Verteilung und Größe von Eisschil- stehen und mögliche zukünftige plötzlich unumkehrbare Verände- den, zum Beispiel in der Arktis und Klimaszenarien zu berechnen. Ein rungen eintreten, die sich dann Antarktis, waren anders, daher bisher wenig erforschter Aspekt durch Rückkopplungsmechanis- lassen sich keine ganz genauen ist, wie Lebewesen auf Klimaver- men noch zusätzlich verstärken. Vorhersagen nur auf Grund der änderungen reagieren. Wir haben Zum Beispiel führt Erwärmung zu geologischen Beobachtungen einen guten Überblick, welche Eisschmelze, diese Schmelze zu treffen. Aber im Prinzip erkennen Organismen damals im Meer ge- einer niedrigeren Albedo, durch wir recht gut, wie sich die Ereig- lebt haben. Aber welche Funktion die sich die Erde weiter erwärmt. nisse von damals nutzen lassen, sie im Ökosystem innehatten und Dadurch wiederum wird ver- um unsere Einschätzung der kli- wie schnell sich Lebewesen auf stärkt das Treibhausgas Methan matischen Zukunft zu verbessern. veränderte Umweltbedingungen freigesetzt, was die anfängliche Vereinfachte Darstellung der Rekonstruktion verschiedener Klimaindikatoren der letzten 66 Millionen Jahre und Vergleich mit einem Zukunftsszenario. PETM: Paläozän/Eozän Temperaturmaximum Beobachtung Archive u. Modellierung 60 50 40 30 20 10 0 1800 2000 2200 10.000 10.000 PETM CO -Gehalt ² CO² (ppmV) in der Atmosphäre P 8.5 RC 1.000 1.000 2017 400 400 Vorindustriell 100 100 30 30 Globale Oberflächentemperatur 25 ? 25 8.5 Treibhaus-Welt P Temperatur (°C) 20 Eishaus-Welt RC 20 2°C wärmer 15 Vorindustriell 15 Globale Tiefenwassertemperatur 10 10 5 5 Heute RCP8.5 0 0 Meeresspiegel (m) 100 Globaler Meeresspiegel 15 .5 P8 RC 0 0 −100 60 50 40 30 20 10 0 1800 2000 2200 Alter (Millionen Jahre vor heute) Jahr
Erwärmung noch weiter steigert. Dies nennt man eine positive Rück- kopplung. Im Erdsystem gibt es aber auch einige negative Rück- kopplungen. Zum Beispiel wird bei höheren Temperaturen und Kohlendioxidwerten die natürliche Verwitterung von Gesteinen ver- stärkt, was dazu führt, dass mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre und dem Ozean entfernt wird und sich als Kalk in der Tiefsee abla- gert. Dieser Prozess dauert aller- dings über eine Million Jahre. Was sind Ihre Forschungs- schwerpunkte für die Rechtes Bild: Diese 1,5 Meter lange Kern- kommenden zwei Jahre? sektion dokumentiert den Beginn der abrupten Erwärmung an der Grenze Ein ganz konkretes Forschungs- vom Paläozän zum Eozän vor etwa 56 ziel ist, die Erdsystem-Sensitivität Millionen Jahren. Das Paläozän / Eozän Temperaturmaximum (PETM) ist für die viel besser zu verstehen: Wieviel Klimaforschung wegen der Analogie Erwärmung werden wir geo- zum heutigen Anstieg des Treibhaus- grafisch verteilt erreichen, pro effekts von besonderem Interesse. Die freigesetzter Menge Kohlendioxid? plötzliche Freisetzung großer Mengen Kohlenstoffs führte damals nicht nur Dieser Parameter wurde in den zu einem schnellen Temperaturanstieg jünger existierenden Modellen bisher als sondern u.a. auch zu Ozeanversauerung. Konstante eingesetzt, er ist aber Die stärkere Lösung des Karbonats, das abhängig von den jeweiligen Um- hier große Teile des Segments hell färbt, führt zu dem abrupten Farbwechsel mit weltbedingungen. Um diese Ein- zunächst fast reinem, braunem Ton. Ge- flüsse abzuschätzen, sind geologi- wonnen wurde der Bohrkern während sche Beobachtungen und Studien der Expedition 208 mit dem IODP-Bohr- von Sedimentkernen mit verbes- schiff JOIDES R esolution auf dem Wal- serten Messmethoden unabding- fischrücken vor Namibia. Die Bohrloka- tion liegt in einer Wassertiefe von 4.760 lich. Nur so können wir die Modelle Beginn des PETM Metern und dieses Kernsegment stammt für die künftige Entwicklung des aus einer Bohrtiefe von etwa 140 Metern Klimas noch weiter verbessern. im Meeresboden. Entnahme eines Sedimentkernrohrs an Bord von RV JOIDES R esolution wäh- rend der Expedition 320 des International Ocean Drilling Program (IODP). älter 32 – 33
Ein wichtiges Element des Trainingsprogramms sind jährlich stattfindende thematische Workshops. Im Rahmen des zweiten Treffens wurden im Zürichsee verschiedene Rutschungen mit geophysikalischen und geotechnischen Methoden vermessen und Sedimentkerne genommen. Forschung an submarinen Hangrutschungen mit europäischer Förderung Interdisziplinäre Ausbildung im europäischen Netzwerk SLATE Erdrutsche gibt es nicht nur an Land, sondern auch in Kommission geförderte Internationale Trainingsnetz- marinen Umgebungen, die aus weichen Sedimenten werk SLATE, das am MARUM koordiniert wird. bestehen. Dazu gehören zum Beispiel die Kontinen- talränder und -hänge, aber auch Fjorde, Flussdeltas, SLATE – das steht für Submarine LAndslides and vulkanische Inseln oder Meeresrücken. Unter Wasser Their impact on European continental margins. Das können die Erdrutsche allerdings um ein Vielfaches Netzwerk gibt es seit 2017, es wird im Rahmen des größer ausfallen als an Land. Wenn die Erde unter der Marie-Skłodowska-Curie-Programms gefördert. Ein Meeresoberfläche in Bewegung gerät, kann sich das Hangrutsch kann durch die verlagerte Masse und auf Tausende von Quadratkilometern am Ozeanbo- freigesetzte Energie zu Tsunamis führen, die nicht den auswirken. Mit den Ursachen und Folgen solcher nur Küstenregionen Europas, sondern auch Infra- Ereignisse befasst sich das von der Europäischen struktur am, auf und unter Wasser bedrohen. Dazu
gehören zum Beispiel Förderpipelines, aber auch Kabel für die Kommunikation. Obwohl submarine Erdrutsche seit Jahrzehnten intensiv erforscht werden, sind ihre Ursachen, Mechanismen und Folgen noch nicht ganz ver- standen. Welche Schlüsselfaktoren begünstigen die submarinen Erdrutsche? Wie bewegt sich das Material weiter, nachdem es abgerutscht ist? Und „Unser Ziel ist es, sub- wie können daraus resultierende Georisiken wie marine Rutschungen Tsunamis vorhergesagt werden? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher besser zu verstehen, im europäischen Ausbildungsnetzwerk. Ziel ist es, mit mehreren Disziplinen und Partnern ein besseres um die damit verbun- Verständnis von Prozessen vor, während und nach denen Georisiken Erdrutschen zu gewinnen. Dazu gehört auch, die Parameter zu untersuchen, die submarine Erdrut- minimieren zu können.“ sche steuern und begünstigen können. Prof. Dr. Katr in Huhn-Freh ers Fachgebietsleiterin Modellierung Ein Team von führenden Forschenden sowie Exper- von Sedimentationsprozessen tinnen und Experten aus renommierten akademi- schen sowie außeruniversitären Einrichtungen bringt ein umfassendes und interdisziplinäres Fachwissen ein. Diese gebündelte Expertise umfasst Marine Geo- physik, Sedimentologie, Bauingenieurwesen, Geo- technik, Offshore-Technologie, Tsunami-Forschung und Gefährdungsbeurteilung. Eine Kohorte von 15 Nachwuchsforschenden wird über mehrere Diszipli- nen hinweg ausgebildet und betreut. „Zusammen mit ergänzenden Kursen, Exkursionen und gemeinsamen jährlichen Workshops fördert die- Erdrutsche gesellschaftlich und wirtschaftlich aus- ser integrative Ansatz eine neue Generation hoch wirken können. motivierter und hervorragend qualifizierter Nach- wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Am MARUM laufen aktuell drei von insgesamt 15 SLA- die sich den Herausforderungen im Zusammenhang TE-Projekten. In einer laborgestützten, generischen mit erdrutschbedingten Gefahren stellen“, bewertet Studie versucht Ting-Wei Wu zu quantifizieren, wie Prof. Katrin Huhn, Koordinatorin des Netzwerks, die Erdbeben sich auf die Stabilität von Sedimentabla- Ausbildung. gerungen am Meereshang auswirken. Dafür simu- liert sie seismische Erschütterungen, also Erdbeben Ihre Forschungsprojekte basieren auf modernen auf Sedimentproben, die sich in ihrer Art und mine- Methoden und Datensätzen. Die Daten stammen ralogischen Zusammensetzung unterscheiden. aus umfassenden, hochauflösenden sowie wieder- holten Untersuchungen am Ozeanboden, direkter Ricarda Gatter erforscht in ihrer Doktorarbeit die Überwachung, hochmodernen Labor- und in-situ- Bedeutung von Schichten, die submarine Hang- Messungen sowie neuesten Modellierungs- und rutschungen einleiten. Dafür nutzt sie Makro- und Prozesssimulationsansätzen. Die Nachwuchsfor- Mikroanalysen von Bohrkernmaterial aus Regionen, schenden untersuchen Fall- und allgemeine Stu- in denen es in den vergangenen Jahrtausenden dien und entwickeln neue Modelle. „So stellt SLATE Erdrutsche gegeben hat. Ihr Ziel ist es, ein neues prozessorientiertes Wissen und neue Expertise für Verständnis über den Zusammenhang zwischen das Abschätzen von Gefahren bereit – besonders Struktur und physikalischen Eigenschaften des mit Blick auf die Kontrollfaktoren sowie die Dyna- Ozeanbodens, der ins Rutschen gerät, herzustellen mik von Unterwasserrutschungen“, erklärt Katrin und so zu bestimmen, was genau unmittelbar vor Huhn. Dabei werde auch berücksichtigt, wie sich einem Erdrutsch geschieht. 34 – 35
Emiel Hassefras wendet moderne Modellierungs- Zu den Partnereinrichtungen von SLATE gehören techniken auf der Grundlage von geophysikalischen neben dem MARUM auch NGI Oslo (Norwegen), 3D-Daten an, um ein besseres Verständnis der Rolle NOC Southampton (Großbritannien), Ifremer Brest von aufsteigenden Gasen, ihrer Zersetzung und der (Frankreich), Igeotest Figueres (Spanien), CISC Bar- daraus resultierenden Migration von freiem Gas als celona (Spanien), CNR Ismar Bologna (Italien), OGS potentiellem Auslöser für submarine Erdrutsche zu Triest (Italien) sowie die Universitäten in Durham erreichen. (Großbritannien), Innsbruck (Österreich) und Kiel. 0 (m) Wassertiefe [m] 50 Wassertiefe Neben der Untersuchung großer Rutschungskörper im Ozean forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in SLATE auch an kleineren Rutschmassen in Alpenseen. Die in 100 der bathymetrischen Karte gezeigte Rutschung wurde 1918 im Zürichsee im Bereich von Oberrieden ausgelöst. Aufgrund 200 m N vieler Analogien, etwa bei den auslösenden Prozessen, dienen 130 Seen als ein vergleichsweise leicht zugängliches „Ozeanlabor“. So wie Rutschungsereignisse selbst stellen auch die dabei ausgelösten Tsunami eine große Naturgefahr dar. Mit den in SLATE ge- wonnenen neuen, hochauflösenden und multidisziplinären Datensätzen werden Modelle besser parametrisiert, um Wellenhöhen genauer zu simulieren und damit die Tsunami-Gefahr besser abschätzen zu können. Das Beispiel zeigt die Wellenausbreitung 600 (links) und 1.500 Sekunden (rechts) nach dem Abrutschen des Krakatao im Jahr 2018.
Im Rahmen halbjährlich stattfindender Treffen präsentieren Zum vielfältigen Ausbildungsprogramm durch ein internationa- und diskutieren die SLATE Doktorandinnen und Doktoranden les Expertenteam gehören neben Feldarbeiten auch Labor- ihre Ergebnisse mit internationalen Wissenschaftlerinnen und untersuchungen an Sedimentkernen. Wissenschaftlern, aber auch mit Partnern aus der Industrie und dem nicht-akademischen Sektor. Für das Verständnis der Prozesse, die zur Bildung von Rutschungen im Ozean führen, lohnt ein Blick weit zurück in die Erdgeschichte. Große Sedimentpakete, ehemals abgerutscht in einem früheren Ozean, findet man heute aufgeschlossen an Land. Im Rahmen von Exkursionen nehmen SLATE Doktorandinnen und Doktoranden diese Rutschungen genauer unter die Lupe, hier in der Region Emilia-Romagna (Italien). 36 – 37
Coscinodiscus wailesii ist eine Mikroalge, die zur Familie der Kieselalgen gehört, die Algenblüten bilden und erhebliche Mengen an langkettigen Zuckern produzieren. Die Forschungsgruppe Marine Glykobiologie untersucht den Umsatz und die Rolle dieser Zucker im Kohlenstoff-Kreislauf. Blackbox des marinen Kohlenstoffkreislaufs Die Rolle von Mikroalgen im Ökosystem Ozean Im Ozean gibt es viele Abläufe, viel Biomasse wie alle Pflanzen die wissenschaftlich noch nicht an Land – und das, obwohl sie entschlüsselt sind. Dazu gehört nur einen kleinen Teil der darin insbesondere der komplexe vorkommenden Organsimen Kohlenstoffkreislauf. Die Brü- ausmachen. Das liegt an ihrer ckenarbeitsgruppe von Prof. Dr. vergleichsweise kurzen Lebens- Jan-Hendrik Hehemann „Marine dauer – „Mikroalgen leben schnell Glykobiologie“, die am MARUM und sterben jung“, sagt Jan-Hen- und am Max-Planck-Institut für drik Hehemann. Algen blühen Marine Mikrobiologie angesiedelt innerhalb von Tagen und können ist, befasst sich mit Mikroalgen danach ebenso schnell wieder und ihrer Funktion im Kohlen- verschwinden. Mikroskopisch klei- stoffkreislauf. Den Fokus legt das ne planktonische Algen sind die Team auf Mehrfachzuckerverbin- Basis der marinen Nahrungskette, dungen und ihre Rolle im Ökosys- von ihnen ernähren sich Bakte- tem Ozean. rien, aber auch größere Tiere. Wie Pflanzen an Land betreiben Sind Mikroalgen aktiv, schei- auch Algen in den lichtdurchflute- den sie Mehrfachzucker aus, ten Wasserschichten des Ozeans der durch die Wassersäule zum Photosynthese und verwenden Ozeanboden sinkt und so Kohlen- Kohlenstoffdioxid aus der At- stoff in die Tiefsee transportiert. mosphäre als Baustoff, um zu So sind die Mehrfachzucker ein wachsen. Mikroalgen im Oberflä- wesentlicher Bestandteil der so- chenwasser produzieren ähnlich genannten „biologischen Pumpe“,
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