Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten

 
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Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Universität   MARUM —
  Bremen        Zen­t rum für Ma­r i­n e
                Um­welt­w is­s en­s chaf­ten

Der Ozean im
System Erde
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Der Ozean im
System Erde

MARUM — Zen­t rum für Ma­r i­n e
Um­welt­w is­s en­s chaf­ten
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Die Erforschung der Ozeane erfordert
den Einsatz modernster Technologien
von Forschungsschiffen aus.

Dem Meer auf den
Grund gehen!
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften
an der Universität Bremen

                                       Unser blauer Planet ist faszinie-   Erdbeben und Vulkanausbrüche
                                       rend. Atmosphäre, Ozeane und        belegen, wie dynamisch die Pro-
                                       Gesteinshülle, die von großen und   zesse im System Erde ablaufen.
                                       kleinen Lebewesen besiedelte        Das gilt besonders für die Meere
                                       Biosphäre sowie Eisschilde und      und Ozeane, die etwa 71 Prozent
                                       Gletscher bilden seine wesent-      der Erdoberfläche bedecken.
                                       lichen Bestandteile, die durch
                                       komplexe Wechselwirkungen eng       Weltumspannende Meeresströ-
                                       miteinander verwoben sind. Nie      mungen, heiße und kalte Quel-
                                       herrscht Stillstand. Der schnell    len am Meeresboden und viele
                                       voranschreitende Klimawandel,       weitere Phänomene machen die
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„Das MARUM erforscht
                                                                           die Rolle des Ozeans
                                                                           und des Meeresbo-
                                                                           dens im Erdsystem
                                                                           und vermittelt Wissen
                                                                           für einen verantwor-
                                                                           tungsvollen Umgang
                                                                           mit dem Meer.“
                                                                           Prof. Dr. Michael Schulz
                                                                           Direktor des MARUM

Meeresumwelt zu einem zentra-        den Ozeanen steht die Meeresfor-     aus dem Meer von Prozessen im
len Element im System Erde. Die      schung vor neuen Aufgaben von        tiefen Ozean ab. Wir wissen aber
Ozeane sind im Mittel 3.700 Meter    großer gesellschaftlicher Bedeu-     noch zu wenig über die Prozesse
tief und umspannen die ganze         tung. Dies spiegelt sich sowohl      in der Tiefsee, um entsprechen-
Erde. Sie beherbergen vielfältige,   im Meeresforschungsprogramm          des Handlungswissen bereit zu
an die jeweilige Umgebung an-        der Bundesregierung ‚MARE:N –        stellen.
gepasste Ökosysteme. Der tiefe       Küsten-, Meeres- und Polarfor-
Ozean und der Ozeanboden sind        schung für Nachhaltigkeit‘ als       Das MARUM gewinnt grundlegen-
noch weitgehend unbekannt, da        auch in den Nachhaltigkeitszielen    de wissenschaftliche Erkenntnis-
sie bisher nur sporadisch mit di-    der Vereinten Nationen wider.        se über die Rolle der Meere und
rekten Messungen wissenschaft-       Hier widmet sich das Ziel 14 „Oze-   Ozeane und des Meeresbodens
lich untersucht wurden. Sicher ist   ane, Meere und Meeresressour-        im gesamten Erdsystem. Deren
aber, dass diese Regionen bedeu-     cen im Sinne einer nachhaltigen      Dynamiken prägen durch Wech-
tende Funktionen für das gesam-      Entwicklung erhalten und nach-       selwirkungen von geologischen,
te Erdsystem erfüllen.               haltig nutzen“ ausdrücklich auch     physikalischen, biologischen und
                                     Aspekten, die unmittelbar mit        chemischen Prozessen maß-
Durch globale Herausforderun-        dem tiefen Ozean verknüpft sind.     geblich das gesamte Erdsystem.
gen wie Klimawandel, Meeres-         So hängen beispielsweise die         Über diese Prozesse beeinflussen
spiegelanstieg, Energiege-           langfristige Aufnahmekapazität       sie auch das Klima sowie den
winnung aus dem Meer sowie           des Ozeans für Kohlendioxid und      globalen Kohlenstoffkreislauf
steigende Ressourcennutzung in       die Verfügbarkeit von Rohstoffen     und es entstehen einzigartige

                                                                                                       6–7
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Das ROV MARUM-S quid wird vor
                                                       dem nächsten Einsatz im Tauch-
                                                       becken auf dem MARUM-Gelände
                                                       getestet.

                                                       Die Laborinfrastruktur am
                                                       MARUM bietet ideale Bedingun-
                                                       gen für Spitzenforschung.

                                                       Wartungsarbeiten am
                                                       MARUM-MeBo70

Ökosysteme. Das MARUM steht         Universität Bremen verankert ist.        dem Leibniz-Zentrum für Marine
für grundlagenorientierte und       Seit 2012 ist das Zentrum die erste      Tropenforschung in Bremen (ZMT)
ergebnisoffene Forschung in Ver-    und einzige Research Faculty der         sowie mit der Universität Olden-
antwortung vor der Gesellschaft     Universität Bremen. Im MARUM ar-         burg und der privaten Jacobs Uni-
und zum Wohl der Meeresumwelt.      beitet die Universität Bremen eng        versity in Bremen zusammen.
                                    mit dem Alfred-Wegener-Institut
Das Forschungszentrum ‚MARUM –      Helmholtz-Zentrum für Polar- und         Am MARUM sind der Exzellenz-
Zentrum für Marine Umweltwis-       Meeresforschung in Bremerhaven           cluster ‚Der Ozeanboden – uner-
senschaften‘ hat sich seit seiner   (AWI), dem Max-Planck-Institut           forschte Schnittstelle der Erde‘
Gründung zu einem international     für Marine Mikrobiologie in Bre-         sowie weitere nationale und inter-
anerkannten Zentrum für Meeres-     men (MPI) mit Senckenberg am             nationale Forschungsprojekte
forschung entwickelt, das an der    Meer in Wilhelmshaven (SGN),             angesiedelt.
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Auf dem Campus der Universität
                                                                    Bremen befinden sich die MARUM-
                                                                    Gebäude mit Büros, Laboren und
                                                                    Technikhallen.
Das MARUM gliedert sich in drei interdisziplinäre Forschungs-
felder. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist
eine Querschnittsaufgabe.

           Forschungsfelder
                                                                         Förderung des
                                                                       wissenschaftlichen
                                                                         Nachwuchses

           Ozean und Klima

                                                                    Unterwassertechnologien

          Wech­sel­wir­kun­g en                     MARUM            Laborinfrastrukturen
           zwi­schen Geo-
           und Bio­s phä­re                      Research Faculty

                                                                          Bohrkernlager

                                                                    Dateninformationssystem
             Dynamik des
            Meeresbodens

                                                                    Kommunikation u. Medien

                                                                                                      8–9
Der Ozean im System Erde - MARUM - Zen trum für Ma ri ne Um welt wis sen schaf ten
Mit dem am MARUM entwickelten Meeresbodenbohrgerät
MeBo200 – hier vom Forschungsschiff S onne aus eingesetzt –
werden bis zu 200 Meter lange Kerne gewonnen.

Forschungsfeld

Ozean und Klima
Sedimente, die am Meeresboden abgelagert wer-                 In den Schalen von Foraminiferen, die in Sedimenten am
den, ermöglichen die Quantifizierung von Verände-             Meeresboden abgelagert wurden, sind dauerhaft Klima- und
                                                              Umweltsignale gespeichert, die mit verschiedenen Laborme-
rungen der Meeresumwelt in der Vergangenheit.
                                                              thoden ausgelesen werden.
Der Meeresboden stellt somit ein einzigartiges
Archiv für Umweltveränderungen auf Zeitskalen von
Dekaden bis Jahrmillionen dar. Dieses Archiv trägt
entscheidend zum Verständnis der natürlichen,
aber für die Menschheit relevanten Prozesse bei,
die den heutigen Zustand des Erdsystems und auch
seine künftige Entwicklung maßgeblich bestimmen.
Neben klassischen Methoden der Meeresgeologie
werden insbesondere (isotopen-)geochemische
Analysen organischer und anorganischer Kompo-
nenten der Sedimente genutzt, um Umweltverände-
rungen zu rekonstruieren und die dafür verantwort-
lichen Prozesse zu analysieren.

Durch Wind und Flüsse werden auch terrestrische
Klimasignale in den Ozean transportiert und bleiben
dort erhalten. Dadurch stellen Tiefseesedimente
ein einzigartiges Klimaarchiv dar, das es ermöglicht,
neben Variationen der marinen Umwelt auch zeit-
gleiche Veränderungen auf den Kontinenten und
deren Beziehung zueinander zu erfassen. Solche
paläozeanographischen und paläoklimatologischen
Untersuchungen erlauben es zum Beispiel, Aussa-
gen über die Veränderungen der ozeanweiten Mee-
resströmungen und der biologischen Produktivität
zu machen, die für die Funktionsweise des Klimasys-
tems von großer Bedeutung sind. Beispiele sind der
Wärmetransport, die Speicherung von Kohlendioxid
oder die Verschiebung von Niederschlagsregionen.

Direkte Messungen von physikalischen Parametern
und Spurengasen im Meer und durch Satelliten-
messungen erlauben es, Schwankungen in den
Strömungen und in der ‚Atmung‘ des tiefen Ozeans
im Bereich von Monaten bis Jahrzehnten zu unter-
suchen. Mittels zeitlich hochaufgelöster Sedimente
und Korallenskelette gelingt es, die Rolle des Ozeans
im Klimageschehen auf diesen detaillierten Zeitska-
len in Zeiträumen zu untersuchen, für die noch keine
direkten Messungen zur Verfügung stehen. Dabei
sind die Rolle der Verstärkungsmechanismen, der
Wechselwirkungen zwischen Klima-Subsystemen,
aber auch der Antriebsfaktoren sowie des Ausma-
ßes möglicher lokaler Umweltveränderungen von
besonderer Bedeutung.

Viele Klimaindikatoren in der Paläoklimatologie er-
lauben einen direkten Vergleich mit Ergebnissen von
Klimarechenmodellen. Solche Vergleiche ermög-
                                                            Mit seinem tonnenschweren Gewichtsträger ermöglicht ein
lichen es, die Qualität der Modelle für zukunftsrele-       Schwerelot die Beprobung des Meeresbodens bis zu einer
vante Klimazustände zu testen und die Modelle wei-          Tiefe von etwa 20 Metern.
ter zu verbessern. In Zukunft werden dafür immer
umfassendere paläoklimatologische Datensätze be-
nötigt, mit denen Klimazustände in der Vergangen-
heit noch detaillierter beschrieben werden können.

Vereinfachtes Zirkulationsschema des Nordatlantiks.         Bergung eines im Ozean verankerten Strömungsmessers, der
Rot: Warmes Oberflächenwasser, blau: kaltes Tiefenwasser.   in eine Auftriebskugel eingebaut ist. Solche Strömungsmesser
                                                            werden für ein Jahr oder länger in verschiedenen Wassertie-
                                                            fen installiert und messen dort Strömungsgeschwindigkeiten
                                                            und -richtungen. Diese Daten geben für die Klimaforschung
                                                            wichtige Hinweise auf Schwankungen in der Stärke von Ozean-
                                                            strömungen.

                                                                                                                  10 – 11
Beprobung eines Gasaustritts an einer kalten
                                                                        Quelle mit dem Tauchroboter MARUM-Q uest

Forschungsfeld

Wechselwirkungen
zwischen Geo- und Biosphäre
Geologische Prozesse im Meeresboden führen             Im Gegensatz dazu sind die über geologische Zeit-
zur Entwicklung von extremen Lebensräumen mit          räume langsam am Boden der Tiefsee abgelagerten
einzigartigen Ökosystemen. An mittelozeanischen        Sedimente zumeist extrem energiearme Standorte.
Rücken steigen bis zu circa 400 Grad Celsius heiße     Sie bieten dennoch ausreichende Lebensbedingun-
Fluide aus der ozeanischen Kruste auf. Diese Fluide    gen für mikrobielle Gemeinschaften (sogenannte
sind reich an reduzierten chemischen Verbindungen      Tiefe Biosphäre) und beherbergen schätzungsweise
und bilden im Kontakt mit sauerstoffhaltigem Meer-     ebensoviel mikrobielle Biomasse wie das Wasser
wasser eine reichhaltige Energiequelle für Mikroor-    der Ozeane. Trotz kilometertiefer Bohrungen in den
ganismen und damit die Basis der üppigen Lebens-       Ozeanboden wurde bis heute die untere Grenze der
gemeinschaften an ‚Heißen Quellen‘ (‚hot vents‘).      Tiefen Biosphäre noch nicht gefunden. Auch ver-
In ähnlicher Weise floriert das Leben an den ‚Kalten   stehen wir nur ansatzweise die Prozesse und An-
Quellen‘ (‚cold seeps‘) der Kontinentalränder und      passungen, die Leben unter hoher Temperatur und
Randmeere, an denen im Zuge tektonischer oder          hohem Druck, mit ungewöhnlichen Energiequellen
geochemischer Prozesse Fluide freigesetzt werden,      und trotz teilweise ausgeprägten Energiemangels
die mit Methan, anderen Gasen und organischen          ermöglichen.
Verbindungen angereichert sind.
Chemosynthetische Lebensgemeinschaften im                Bartwürmern besiedeln Asphaltlagen, die an natürlichen Öl-
Logatchev Hydrothermalfeld am Mittelatlanti-             austrittsstellen in 3.300 Meter Wassertiefe im Golf von Mexiko
schen Rücken in 3.000 Meter Wassertiefe                  entstanden sind.

Viele einzigartige Lebensräume am und im Ozean-
boden wurden in den vergangenen 40 Jahren um-
fangreich dokumentiert. Die bereits bekannten Sys-
teme sind jedoch nur in Ansätzen verstanden, und
es werden immer wieder neue entdeckt. Während
außer Frage steht, dass die in ihnen ablaufenden
Prozesse eine bedeutende Rolle in globalen Stoff-
kreisläufen spielen, gelang die konkrete Quantifizie-
rung von Stoffflüssen bisher nur näherungsweise.

Die Existenz von Leben unter den extremen Um-
weltbedingungen der Tiefsee verdeutlicht, dass wir
bisher nicht wissen, welche Umweltfaktoren letzt-
endlich das Leben auf der Erde – und möglicher-
                                                         Mit einem Tauchroboter ausgesetzte Messgeräte erfassen
weise auch auf anderen Planeten – begrenzen. Die         autonom die Sauerstoffzehrung an Bakterienmatten in der
Erkenntnis, dass die extremen Lebensräume der            Sauerstoffminimumzone, hier in 1.100 Meter Wassertiefe am
Tiefsee eine große Diversität aufweisen, kann nicht      pakistanischen Kontinentalrand.
darüber hinwegtäuschen, dass unser Wissen über
die Stabilität beziehungsweise Labilität dieser Öko-
systeme noch sehr begrenzt ist. Wie anfällig solche
Systeme gegenüber Störungen sind – dazu gehö-
ren insbesondere die Förderung mariner Rohstoffe
am Meeresboden, Speicherung von Kohlendioxid,
Fischerei und der Eintrag von Mikroplastik – kann bis-
lang nicht zuverlässig eingeschätzt werden.

   Hydrothermalquellen in 860 Meter
   Wassertiefe im Menez Gwen Hydro-
   thermalfeld südwestlich der Azoren

                                                                                                                 12 – 13
Ausgerüstet mit speziellen Echolotsystemen vermessen
                                                  autonome Unterwasserfahrzeuge wie das AUV MARUM-S eal
                                                  den Meeresboden, auch in großen Tiefen. Da solche Fahr-
                                                  zeuge in nur 60 bis 80 Meter über dem Meeresboden operie-
                                                  ren, entstehen auf dieser Datenbasis sehr hochaufgelöste
                                                  bathymetrische Karten wie hier vom Venere Schlammvulkan
                                                  im östlichen Mittelmeer.

                                                                                              Wassertiefe
                                                                                              1.500 Meter

                                                                 500 Meter
                                                                                              1.630 Meter

Forschungsfeld

Dynamik des Meeresbodens
Der Meeresboden stellt den Ort dar, an dem          Gebirgskette bildet. Im plattentektonischen Kreis-
durch Wind, Flüsse und Gletscher vom Festland       lauf wird diese Ozeankruste in den Tiefseegräben
transportierte Sedimente abgelagert werden,         wieder den Kontinenten unterschoben und taucht
die mehrere Kilometer mächtig sein können. An       schließlich in den tiefen Erdmantel ab, wo sie
mittelozeanischen Spreizungsrücken in der Tief-     schmilzt.
see steigt Magma aus dem Erdmantel auf, das zu
Ozeankruste erstarrt und eine weltumspannende,      Die frisch gebildete, heiße Ozeankruste steht in
circa 60.000 Kilometer lange untermeerische         chemischer und physikalischer Wechselwirkung
mit dem Meerwasser. Durch Abkühlung und Altern
entstehen in der Basaltkruste feine Risse, durch die
Meerwasser zirkuliert. Gleichzeitig schmiert das
Wasser der oberen Kruste und der ihr auflagernden
Sedimente die Grenzschicht zwischen Kontinen-
talkruste und abtauchender Ozeankruste in den
Tiefseegräben. Diese Fluide (Wässer und Gase)
werden in größerer Erdtiefe ausgepresst und treten
als Schlammvulkane oder Karbonatausfällungen am
Meeresboden in Erscheinung. Beim Entweichen der
Fluide in Richtung Ozeanboden können Erdbeben
entstehen, weil die Fluide wie ein Gleitmittel die Be-
wegung zwischen den Krustenplatten beeinflussen.

Erdbeben, die im Meeresboden entstehen, aber             In der Nähe des Venere Schlammvulkans im östlichen Mittel-
auch die damit einhergehenden Rutschungen und            meer wurzelt diese Bartwürmerkolonie unter einer Kalkkruste
                                                         in 1.560 Meter Wassertiefe.
Tsunamis, wirken sich zerstörerisch auf dicht besie-
delte Küstenregionen, deren Infrastruktur und auch
die dort angesiedelten Ökosysteme aus. Erdbeben
großer Magnitude – zum Beispiel die Starkbeben
von Sumatra 2004, Chile 2010 und Japan 2011 – ent-
stehen in großer Erdtiefe und entziehen sich der
direkten Untersuchung. Jüngere Studien mit physi-
kalischen Bohrlochobservatorien zeigen, dass quan-
titative Abschätzungen der freigesetzten Energie
einzelner Erdbebenzonen möglich sind und sich für
Frühwarnsysteme nutzen lassen.

Hochvariabel sind die Mobilisierungsprozesse von
Sedimenten, die durch verschiedene Faktoren (Nie-
derschlag, Strömungen, Seismizität, Erosion/Verwit-
terung) gesteuert werden. Die Bewegung und Ver-
teilung der Sedimente wird dabei maßgeblich durch
die Bathymetrie des Meeresbodens (Canyons, Rücken
und Ebenen) kontrolliert. Die Ab- und Umlagerung von     Mit dem Tauchroboter MARUM-Q uest wurde an einem
Sedimenten geschieht ständig von der Küste bis in die    Schlammvulkan im Nankai Trog vor Japan in 1.950 Meter
                                                         Wassertiefe ein Bohrlochobservatorium für Langzeitunter-
Tiefsee. Untermeerische ‚Lawinen‘ (sog. Trübeströ-
                                                         suchungen installiert. Dieses Gerät misst Porendruck und
me) und Rutschungen können den Meeresboden sehr          Temperatur im Bohrloch und entnimmt über ein Kapillarsys-
schnell über hunderte von Kilometern tiefgreifend        tem Porenwasser-Zeitserien.
umgestalten.

Neben diesen schnell ablaufenden Prozessen unter-
liegt der Meeresboden auch sehr langsamen Ver-
änderungen auf geologischen Zeitskalen mit Be-
wegungsraten im Millimeter- bis Zentimeterbereich
pro Jahr. Hierzu zählen tektonische Prozesse und
submariner Vulkanismus der ozeanischen Kruste.
Aufgrund der geringeren Geschwindigkeiten dieser
dynamischen Veränderungen des Meeresbodens
über Jahrmillionen ist die Besiedlung solcher Re-
gionen möglich, zum Beispiel durch Kaltwasserko-
rallen und andere Organismen. Insofern steuert die
Dynamik des Meeresbodens auch maßgeblich die
Entwicklung der dortigen marinen Ökosysteme.

                                                         Kolonien von Kaltwasserkorallen können sich über mehrere
                                                         hundert Kilometer erstrecken und die Zirkulation des Meer-
                                                         wassers beeinflussen. Diese einzigartigen Ökosysteme sind
                                                         unabhängig vom Sonnenlicht und gewinnen Energie, indem sie
                                                         Mikroplankton und organische Schwebstoffe aus dem Meer-
                                                         wasser filtern.

                                                                                                              14 – 15
Bakterienmatten im Arabischen Meer in
                                                             730 Meter Wassertiefe

Exzellenzcluster am MARUM

Der Ozeanboden –
unerforschte Schnittstelle
der Erde

                      Der Ozeanboden ist der Teil des        einwirken. Wegen seiner schieren
                      Meeresbodens, an dem die Was-          Größe wissen wir noch zu wenig
                      sertiefe größer als 200 Meter ist.     über die Faktoren, die den Trans-
                      Dieser macht den größten Teil der      port von organischem Material
                      festen Oberfläche der Erde aus         zum Ozeanboden steuern und
                      und stellt die Schnittstelle dar, an   dadurch den globalen Kohlen-
                      der geologische, physikalische,        stoffkreislauf und das Klimasys-
                      chemische, biologische und hyd-        tem beeinflussen. Was passiert,
                      rologische Prozesse aufeinander        wenn Kohlenstoff und andere
oben: Bart­w ür­m er an einem Schlamm­v ul­k an                               Methanblasenaustritt an Kalkschloten im
darunter: Basaltische ozeanische Kruste                                       Schwarzen Meer in 260 Meter Wassertiefe

Elemente aus der Umwandlung                       Seit rund vier Jahrzehnten ist      die Umweltbedingungen vergan-
organischen Materials ins Meer-                   bekannt, dass die Tiefsee keine     gener Zeiten aufzeichnet.
wasser gelangen oder aus dem                      Wüste, sondern im Gegenteil eine
Ozeanboden in die Wassersäule                     Oase des Lebens ist – allerdings    Der Cluster hat das Ziel, ein neues
abgegeben werden? Was ist das                     eine sehr empfindliche. Ändert      Kapitel der Ozeanbodenforschung
Schicksal der unzähligen Arten                    sich das Ökosystem, dauert es       aufzuschlagen und die Austausch-
von Plankton in der Wassersäule,                  vermutlich Jahrzehnte, bis es       prozesse an dieser bedeutenden
beim Kontakt mit dem Ozeanbo-                     sich wieder erholt. Darum wird      Grenzfläche und deren Rolle
den und später in der Tiefe? Hier                 im Cluster auch untersucht, wie     im Erdsystem mengenmäßig zu
setzt der neue Exzellenzcluster                   die sensiblen Ökosysteme in der     erforschen. Dafür arbeiten die
‚Ozeanboden‘ an, in dem sich bis                  Tiefsee auf eine sich verändernde   Forschenden im Cluster eng und
2025 Forscherinnen und Forscher                   Umwelt und steigende Wasser-        interdisziplinär mit Einrichtungen
ganz auf diese noch weitgehend                    temperaturen reagieren. Der Oze-    in der Region zusammen: dem
unerforschte Schnittstelle kon-                   anboden ist außerdem ein einzig-    Alfred-Wegener-Institut, Helm-
zentrieren werden.                                artiges Archiv, das im Sediment     holtz-Zentrum für Polar- und

                                                                                                                        16 – 17
Meeresforschung in Bremerha-                                        Der Ozeanboden macht 71 Prozent der festen Oberfläche der Erde aus und befindet
ven, dem Max-Planck-Institut für                                    sich im Schnitt 3.700 Meter unter der Meeresoberfläche. Er ist schwer zugänglich,
                                                                    seine Untersuchung erfordert Schiffsexpeditionen und den Einsatz hochspezialisier-
Marine Mikrobiologie in Bremen,
                                                                    ter Unterwassertechnologien.
mit Senckenberg am Meer in Wil-
helmshaven, dem Leibniz-Zentrum
für Marine Tropenforschung in
Bremen sowie mit der Universität
Oldenburg und der Jacobs Univer-
sity in Bremen. Der Exzellenzclus-
ter ist unter dem Dach des For-
schungszentrums MARUM an der
Universität Bremen angesiedelt.

Für die Forschung wird die einzig-
artige Flotte von Geräten einge-
setzt, die am MARUM betrieben
wird: Tauchroboter, Bohrgeräte
und autonome Unterwasserfahr-
zeuge. Sie werden dazu genutzt,
den Ozean beobachten und be-
proben zu können. Um die neuen
wissenschaftlichen Aufgaben
anzugehen, werden nicht nur
neue Technologien, sondern auch
neue analytische Methoden und
Modelle entwickelt.

Schlüsselprozesse, die den Ozeanboden betreffen und im Rahmen des Clusters untersucht werden

                                                              CO          Klimaveränderungen
                                                                ²
C
                                                                           der Vergangenheit
       Terrestrische                                                                                                             Hydrologischer
       C-Speicher                                                                                                             Kreislauf / Eismassen
                                             Biologische Pumpe
                                                    Organisches                                                                       Meeres-
                          Nährstoffe                                                                   Ökosysteme/Biodiversität
                                                      Material                                                                        spiegel
                                                                                                          der Vergangenheit

                                        Nährstoffe
 Schelfsedimente
                            CO                 CO
                                    ²               ²
                                                                                     Ozeanzirkulation                                    Ökosystem
                                    ha
                                       n                                           der Vergangenheit                                     Kaltwasserkorallen
     Um

                               t
                             Me
       wa

                                                                                                                     Ökosystem
                                         Ti e
          nd

                                                                                                                   Kalte Quellen
                                             fe
            lun sta

                                                                                                                                          Gashydrate
                                                B
              Su

               Ze

                                                                         C
                g o nz

                                               io

                                                                              Nährstoffe
                  rfa
                  b

                                                    hä
                                               sp
                    rg

                                                         re                       Metalle Ökosystem
                      l     l
                        an

                                                                                          Heiße
                          isc

                                                                                          Quellen                                                Methan
                             he

                                                                                                              HO
                                r

                                        Er

                                                                                                               ²
                                           h
                                           alt

                                                                                     G eofuel fluxes
                                              un
                                                g

                                                                                                                                                       HO
                        Organisches                 Umweltarchive                                                                                       ²
                          Material                                                                             Klimaarchive

                                                                                                                      Sedimente
                                                                                                                                        Su
 Kontinentale                                       Ozeanische Kruste                                                                      b   du
 Kruste                                                                                                             Ozeanische Kruste             ktion
                   C = Kohlenstoff                                                                                            Mantel                        HO
                                                                                                                                                             ²
    Geochemischer Antrieb                                                        Klima-Antrieb                                     Geodynamischer Antrieb
links oben: Gasaustritt an Kalter Quelle; rechts oben: Sandrippel in der Tiefsee
unten: Chemosynthetische Symbiose

                                                                                   18 – 19
Gute Perspektiven
Junge Talente fördern

Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs           so wichtigen internationalen und interdisziplinären
hat am MARUM eine lange und gute Tradition. Hier      Netzwerke.
finden Promovierende und Postdocs aus gegenwär-
tig mehr als 30 Ländern ein inspirierendes Umfeld,    Fachlich bietet das MARUM seinen Nachwuchswis-
das sie in allen Bereichen ihrer wissenschaftlichen   senschaftler:innen eine Vielzahl an Einführungs- und
Arbeit und während aller Stationen ihrer Karriere     Spezialkursen an, die auf die jeweilige wissenschaft-
unterstützt.                                          liche Disziplin abgestimmt sind, interdisziplinäre
                                                      Aspekte in den Mittelpunkt stellen oder dazu bei-
Promovierende haben die Möglichkeit, Mitglied der     tragen, persönliche Fähigkeiten weiterzuentwi-
Bremer Internationalen Graduiertenschule für Mee-     ckeln. Dabei arbeiten wir sehr eng mit den entspre-
reswissenschaften (GLOMAR) zu werden, die am          chenden Programmen unserer universitären und
MARUM angesiedelt ist. Mit der Unterstützung durch    außeruniversitären Partnerinstitute zusammen. So
ein betreuendes Team aus erfahrenen Wissen-           resultiert ein regional abgestimmtes und thematisch
schaftler:innen bietet GLOMAR Promovierenden op-      sehr breit gefächertes Fortbildungsprogramm für
timale Bedingungen und die für die weitere Karriere   Nachwuchswissenschaftler:innen.
Promotionen im Rahmen von                    seit 2006

 Erfolgsrate:    Dauer der Promotions-   Geschlechterverteilung:    Internationale:     > 60 % der Alumni
    > 81 %          phase: 3,7 Jahre           63 % : 37 %               48 %          bleiben in Forschung

Mit Angeboten zum individuellen Mentoring, zur
gegenseitigen Unterstützung, zum Austausch von
Best-Practice Ansätzen in der Betreuung von Stu-
dierenden und Promovierenden und zur Karriere-
beratung werden besonders Postdocs auf dem Weg
in die akademische Unabhängigkeit unterstützt. Da
viele Nachwuchswissenschaftler:innen eine außer-
akademische Karriere anstreben, stehen bei vielen
Angeboten entsprechende Berufsperspektiven im
Fokus. Hierbei binden wir unsere stetig wachsende
Gruppe von MARUM-Alumni ein.

Obwohl in den Graduiertenprogrammen Doktoran-
dinnen und Doktoranden zahlenmäßig etwa gleich
stark vertreten sind, nimmt der Frauenanteil in wei-
teren Karrierestufen ab. Um dieses Defizit nachhaltig
zu verringern und Wissenschaftlerinnen darin zu
unterstützen, ihren akademischen Weg erfolgreich
weiter zu gehen, bietet das MARUM in Zusammen-
arbeit mit dem Universitätsprogramm ‚navigare‘ seit
vielen Jahren erfolgreich ein Mentoringprogramm
für Nachwuchswissenschaftlerinnen an.

Durch ihre Beteiligung in allen Entscheidungsgre-
mien im MARUM gewinnen die Nachwuchswissen-
schaftler:innen nicht nur Einblicke in die akademi-
sche Selbstverwaltung, sie bringen sich auch aktiv
in die Forschungsplanung des MARUM und in die
Weiterentwicklung der Ausbildungskonzepte für
den wissenschaftlichen Nachwuchs ein.

Zusammen mit einer einzigartigen Infrastruktur ist
das MARUM auch ein gefragter Partner für interna-
tionale Kooperationen in der Nachwuchsförderung.
Hierzu gehört das internationale Graduiertenkolleg
ArcTrain, in dem gegenwärtig 12 deutsche und 21
kanadische Promovierende klimabedingte Umwelt-            MARUM bietet Promovierenden und Postdocs ideale
veränderungen in der Arktis untersuchen.                  Bedingungen und ein inspirierendes Umfeld.

                                                                                                              20 – 21
Alles im Griff
Meeresforschungstechnologien am MARUM

Für die wissenschaftliche Untersuchung des Ozean-     sehr hoher Qualität. Videokontrolliert nehmen die
bodens sind hochspezialisierte Technologien von       Greifarme der Tauchroboter Proben oder setzen
entscheidender Bedeutung, die das MARUM seit          Messgeräte für Experimente am Ozeanboden auf
mehr als 25 Jahren einsetzt. Beobachtungen des        optimalen Positionen ab. Heute umfassen die Unter-
Ozeanbodens und Messungen werden direkt vor Ort       wassersysteme zwei ROVs für 4.000 und 2.000
mit ferngesteuerten und autonomen Unterwasser-        Meter Wassertiefe und ein autonomes Unterwasser-
fahrzeugen, Bohrgeräten und anderen Instrumen-        fahrzeug (AUV) für den Einsatz bis zu 5.000 Meter
ten durchgeführt, die von Forschungsschiffen aus      Tiefe. Darüber hinaus hat das MARUM mit der Ent-
eingesetzt werden. Es gibt weltweit nur wenige        wicklung von ferngesteuerten Meeresbodenbohr-
Institutionen, die über eine Flotte moderner Unter-   geräten (MeBo70 und MeBo200) einen neuen Weg
wasserinstrumente für die Ozeanbodenforschung         zur Erforschung des Meeresbodens beschritten. Das
verfügen, die mit denen des MARUM vergleichbar        MeBo200-System kann bis in eine Wassertiefe von
ist. Es nutzt auf dem Markt verfügbare Geräte, ent-   2.700 Meter eingesetzt werden und 200 Meter tief in
wickelt aber auch selbst neue Technologien. Das       den Meeresboden bohren. Die seegehenden Groß-
MARUM war 2003 die erste Einrichtung in Deutsch-      geräte des MARUM werden von hochspezialisierten
land, die einen kabelgeführten und somit vom          Techniker:innen und Ingenieur:innen betrieben und
Forschungsschiff ferngesteuerten Tauchroboter         weiterentwickelt und auch für andere Arbeitsgrup-
(‚Remotely Operated Vehicle‘, ROV) für die Tief-      pen in Deutschland und international zur Verfügung
seeforschung betrieben hat. Eingebaute hochauf-       gestellt.
lösende Kameras dokumentieren die Umgebung in

linke Seite von oben nach unten, und
v.l.n.r.:

Das am MARUM stationierte ROV (Remo-
tely Operated Vehicle) MARUM-Q uest
taucht ab

Mit einem speziell entwickelten Absatz-
gestell wird das 10 Tonnen schwere
Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo70
über das Heck des Forschungsschiffs
M eteor aus eingesetzt.

Zwei Piloten steuern den Tauchroboter
von in einem Kontrollcontainer an Bord
des Forschungsschiffs aus.

MARUM-Q uest wird nach einem Tauch-
gang an Bord geholt.

Ein Wave Glider im Einsatz                            Unterwassersysteme mit Einsatztiefen bis zu

                                                      5.000 m
Der Tauchroboter MARUM-S quid auf dem
Arbeitsdeck von FS M eteor

Mit dem am MARUM entwickelten Mul­t i­
sen­s or-Bent­h os­s chlit­ten N eridis werden
die oberen 50 Zentimeter des Meeresbo-
dens elektromagnetisch kartiert.

                                                                                                  22 – 23
Orientierung im Datenmeer
Das Daten-Informations­system PANGAEA

Das MARUM betreibt gemeinsam         auf jegliche bei der Erforschung     unterliegen, ähnlich wie wissen-
mit dem Alfred-Wegener-Institut      unserer Erde gewonnenen Daten        schaftliche Aufsätze in Fachzeit-
Helmholtz-Zentrum für Polar- und     langfristig und zuverlässig zuzu-    schriften, einem internen Begut-
Meeresforschung (AWI) ein In-        greifen. Diese zertifizierte elek­   achtungs-Prozess und sind durch
formationssystem, in dem Daten       tronische Bibliothek adaptiert       andere Wissenschaftler:innen in
aus der Erdsystem- und Umwelt-       und entwickelt internationale        deren eigenen Arbeiten zitierbar.
forschung archiviert und publi-      Standards für Datenpublikatio-       PANGAEA kann alle denkbaren
ziert werden. Da das System die      nen und fügt sich harmonisch in      Messgrößen aus allen Disziplinen
ganzheitliche Betrachtungsweise      die sich weltweit entwickelnden      der Erd- und Umweltwissenschaf-
der Erde zum Ziel hat, ist es nach   Forschungsinfrastrukturen ein.       ten speichern – von der oberen
dem Superkontinent PANGAEA           Es integriert Daten in den etab-     Atmosphäre bis in die untersten
benannt, in dem vor 200 Millionen    lierten Prozess der wissenschaft-    Schichten des Meeresbodens.
Jahren alle Kontinente vereint wa-   lichen Veröffentlichung und
ren. PANGAEA gewährleistet seit      unterstützt die Nutzer:innen der
über 25 Jahren der Wissenschaft,     Datenarchivierung. Diese Daten
400.000
                                           Datensätze

                                                              1. Daten und beschreibende
                       PO4         NO3
                                                                 Daten (Metadaten) aquirieren
                                     CO2
                              O2                                  aus der Wissenschaftsgemeinschaft

                                                              •   Messdaten        • von Schiffen, Bojen,
                                                              •   Messreihen         Messinstrumenten,
                                                              •   Langzeitreihen     Flugzeugen, Stationen
                                                              •   Beobachtungen      und Laborgeräten
                                                              •   Experimente

                                                                                         2. Daten nutzbar machen
                                                                                         • Qualität der Metadaten
                                                                                           auf Vollständigkeit und
                                                                                           Reproduzierbarkeit prüfen
                                                                                         • Formate und Beschreibungen
                                                                                           harmonisieren
                                                                                         • Lücken füllen (zusammen mit
                                                                                           dem Datenproduzenten)
                                                                                           zwecks Wieder- oder
                                                                                           Weiterverwendung

                                                                                         4. Daten zugänglich machen
                                                                                         • Daten mit einem internationalen,
                                                                                           persistenten und eindeutigen
 3. Daten archivieren                                                                      Identifier (DOI) versehen
                                                                                         • Nachnutzbarkeit und Zitierbar-
 • Strukturierte Ablage der Daten
                                                                                           keit sichern
 • Zugriff auf Daten und Metadaten
                                                                                         • Daten auffindbar machen indem
   dauerhaft sichern
                                                                                           die Metadaten anderen Portalen
 • Datenverluste und Datenverän-
                                                                                           und Systemen wie Google zur
   derungen verhindern
                                                                                           Verfügung gestellt werden

Die Grafik veranschaulicht den Arbeits-    Aufgaben darüber hinaus
ablauf in PANGAEA von der Daten­           • Schulung von Wissenschaftler:innen im Bereich Forschungsdaten­m anagement
erhebung bis zur Verfügungstellung         • aktive Unterstützung und Beratung von Wissenschaftler:innen beim
der Daten im Netz.                           Forschungsdatenmanagement in Institutionen und in Projekten
                                           • Standards (weiter-)entwickeln zum Austausch (Interoperatibilität) und Integration
                                             von Daten in Kooperation mit nationalen und internationalen Initiativen

                                           Projektentwicklung und Management
                                           • Nationale Forschungsdaten­i nfrastruktur (NFDI)
                                           • Gesellschaft für Biologische Daten (GFBio) e.V.
                                           • Deutsches Netzwerk für Bioinformatik Infrastruktur (de.NBI)

                                                                                                                       24 – 25
Das Unsichtbare erfassen
Laborinfrastruktur am MARUM

Das MARUM verfügt über ein großes Spektrum mo-
dernster analytischer Instrumente. Diese ermögli-
chen es, wichtige Umweltinformationen zu entschlüs-
seln, die in organischen Molekülen, Mineralien und
den Isotopenzusammensetzungen von organischen
und anorganischen Stoffen enthalten sind. Analysiert
werden unter anderem kalkige Fossilien, Gesteine
und Sedimente sowie wässrige Proben aus dem
Ozean und dem Porenraum von Sedimenten. Diese
Analysen ermöglichen Einblicke in die Herkunft und
Geschichte der Gesteine, die Umwandlungsprozesse
organischen Materials und der daran beteiligten mik-
robiellen Gemeinschaften, sowie die Veränderungen
von Umweltbedingungen und Ökosystemen in der
Erdgeschichte. Die Infrastruktur für chemische Unter-
suchungen umfasst mehrere leistungsstarke Haupt-
instrumente und spezialisierte Laboratorien:

• Analyse komplexer Molekülmischungen in mari-
  nen Umweltproben, wie beispielsweise die ge-
                                                        Die Research Faculty MARUM bietet Promovierenden und Post-
  lösten organischen Bestandteile im Meer, durch        docs mit ihrer Infrastruktur sowie der regionalen und interna-
  ultra-hochauflösende Massenspektrometrie              tionalen Vernetzung optimale Bedingungen für ihre Forschung.

• umfassende Analyse komplexer mikrobieller
  Lipide in Meeres- und Sedimentproben

• mehrere spezialisierte Labors für hochpräzise
  Isotopenanalysen von leichten bis schweren
  Elementen

• ultrahochauflösende zeitliche Aufzeichnungen
  von Biomarkern in marinen Sedimenten zur
  Klimarekonstruktion

• geochemische Kartierung von Elementverteilun-
  gen im Mikrometerbereich in Gesteinen
  und Sedimenten

Um zu verstehen, wie Umweltbedingungen Isoto-
penverhältnisse und Stoffkreisläufe beeinflussen,
betreibt das MARUM außerdem Genetik- und Kultur-
labore für marine Algen. Dadurch können die Diversi-
tät dieser Organismen und ihr Wachstum in Abhän-
gigkeit von Klimaveränderungen unter kontrollierten
Bedingungen untersucht werden.

                                                                                                              26 – 27
Über 158 Kilometer
Meeresboden
Das Bremer Bohrkernlager des IODP   Am MARUM befindet sich das größte der weltweit
                                    drei Kernlager des International Ocean Discovery
                                    Program (IODP). In diesem großen Forschungspro-
                                    gramm haben sich internationale Wissenschaftsein-
                                    richtungen aus 23 Ländern, darunter die Vereinigten
                                    Staaten, Japan und ein Konsortium europäischer
                                    Staaten zusammengeschlossen, um weltweit mit
                                    Bohrschiffen und -plattformen Bohrexpeditionen in
                                    den Ozeanen durchzuführen. In der Bremer IODP-
                                    Einrichtung lagern weit mehr als zweihundertfünfzig-
                                    tausend Bohrkernabschnitte: aus dem Atlantik, dem
                                    Arktischen Ozean, dem Mittelmeer, dem Schwarzen
                                    Meer und der Ostsee, die seit 1968 erbohrt wurden.
250.000 Kunststoffbehälter in den fünfeinhalb Meter hohen
                                                       Regalen des Bremer Bohrkernlagers enthalten die für die
                                                       Wissenschaft so wertvollen Bohrkerne, Früchte einer mehr als
                                                       50-jährigen internationalen Expeditionstätigkeit. Die Kern-
                                                       sektionen sind jeweils eineinhalb Meter lang und haben einen
                                                       Durchmesser von knapp sieben Zentimetern.

Jedes Jahr kommen ungefähr 200 Wissenschaft-
ler:innen in das Bremer IODP Kernlager, um das
einzigartige Probenmaterial zu untersuchen. Ande-
re lassen sich die gewünschten Proben zusenden;
jährlich werden etwa 50.000 Proben verschickt.
Deutschland ist mit 14 weiteren Staaten Mitglied des
europäischen Bohrkonsortiums ECORD. Es führt
im Rahmen des IODP Expeditionen in Seegebieten         Jedes Jahr kommen

                                                       200
durch, in denen die großen IODP-Bohrschiffe nicht
arbeiten können. Dazu zählen eisbedeckte Gewäs-
ser des Nordpolarmeeres sowie flache Küsten- oder
Binnenmeere. Für die Expeditionen auf speziellen
Schiffen oder Bohrplattformen stellt MARUM mobile
Laborcontainer für mikroskopische Untersuchun-
                                                       Wissenschaftler:innen
gen, geochemische Messungen oder mikrobiologi-
                                                       in das Bremer Bohrkernlager
sche Beprobungen bereit.

                                                                                                            28 – 29
Paläoklimaforschung am MARUM

Aus der Vergangenheit für
die Zukunft lernen

Der Klimawandel wird uns zu-         Wie kann ein Blick in die Ver-        Dies bereitete einigen Meeres-
nehmend vor enorme Heraus-           gangenheit zu einem besse-            bewohnern in der Vergangenheit
forderungen stellen. Um die          ren Verständnis des Klima-            Anpassungsschwierigkeiten. Es ist
künftige Entwicklung abschätzen      systems der Erde beitragen?           unklar, inwieweit und wie schnell
zu können, ist ein grundlegen-                                             sich tierische und pflanzliche Le-
des Verständnis des komplexen        Im Laufe der Erdgeschichte hat        bensräume als Grundlage unse-
Klimasystems der Erde essen-         sich das Klima immer wieder ver-      rer Umwelt an ein sich so schnell
tiell. Forschenden hilft dabei der   ändert, wobei die Änderungen –        änderndes Klimasystem in der
Blick in die Vergangenheit. Die      durch den Einfluss des Menschen       Zukunft anpassen können. Viele
Rekonstruktion des Paläoklimas       – wesentlich schneller ablaufen,      Parameter in den Klimamodellen
ermöglicht es zu verstehen, wie      als das bisher in der Erdgeschich-    müssen immer noch anhand von
dieses System auf Veränderungen      te der Fall war. Ein wichtiger Teil   Beobachtungen und Messungen
reagiert. Diese Erkenntnisse flie-   unserer Forschung ist zu erfas-       kalibriert werden. Dies ist nur mit
ßen auch in Modellrechnungen für     sen, wie das Klimasystem solchen      Klimaarchiven aus der geologi-
verschiedene Zukunftsszenarien       Wechseln, zum Beispiel bei sich       schen Vergangenheit möglich.
ein. Am MARUM forschen Wissen-       ändernden Treibhausgaskonzen-
schaftlerinnen und Wissenschaft-     trationen, begegnet ist. Klima-
                                                                           Wie untersuchen Forschen-
ler verschiedener Disziplinen auf    Archive aus der geologischen
                                                                           de vergangene Klimabe-
diesem Gebiet, einer von Ihnen ist   Vergangenheit helfen zu bestim-
                                                                           dingungen, die zum Teil
Professor Heiko Pälike, Leiter des   men, wie sich Klimabedingungen
Fachgebiets Paläozeanographie.       künftig ändern könnten. Das
                                                                           Millionen von Jahren zurück-
                                     Klimasystem der Erde ist dabei
                                                                           liegen?
                                     sehr fein ausbalanciert, aber im      Sedimentablagerungen enthal-
                                     Moment drehen wir sehr schnell        ten Mikrofossilien und andere
                                     an einigen Stellschrauben, und        messbare Eigenschaften, die im
                                     Änderungen sind ohne mensch-          idealen Fall die Klimageschich-
                                     lichen Einfluss nicht zu erklären.    te wie ein Archiv aufzeichnen.
                                     Zum Beispiel führt der extrem         Unsere Forschung besteht auch
                                     schnelle Eintrag von Kohlendioxid     darin, dieses Klimaarchiv zu ent-
                                     in die Atmosphäre nicht nur zur       ziffern. Dabei entsprechen ein bis
                                     Erwärmung, sondern erhöht auch        zwei Zentimeter Ablagerung am
                                     die Löslichkeit von Kalk im Ozean.    Ozeanboden in der Tiefsee etwa
1.000 Jahren Zeit. Konkret arbei-   Tiefenwassertemperatur etwa
ten wir mit den fossilen Schalen    zehn Grad Celsius höher als
von Organismen, deren Eigen-        heute. Die Forschenden stimmen
schaften in ihrer Entstehungszeit   darin überein, dass der Tempera-
durch unterschiedliche Umwelt-      turanstieg zu Beginn des Eozäns          „Wir arbeiten daran,
faktoren beeinflusst wurden. Ein    durch die Freisetzung großer
Beispiel ist die Wassertemperatur   Mengen von Kohlenstoff aus dem
                                                                             Klimarechenmodelle
in verschiedenen Tiefen, die für    Ozeanboden verursacht wurde.             noch weiter zu
vergangene Zeiten rekonstruiert     Wegen der Analogie zur heutigen
werden kann, indem wir die Scha-    Steigerung des Treibhauseffekts          verbessern“
len mariner Lebewesen untersu-      beschäftigen sich viele wissen-
                                                                             Prof. Dr. Heiko Pälike
chen, die in den entsprechenden     schaftliche Studien mit diesem
                                                                             Fachgebietsleiter
Tiefen gelebt haben. Das Erd-       Ereignis aus der Vergangenheit,          Paläozeanographie
system reagiert empfindlich auf     um unsere heutige Situation – und
Änderungen im Treibhausgasbud-      wie sie sich auf die Umwelt aus-
get, welches bestimmt, wie stark    wirkt – besser zu verstehen. Die
sich die Erde erwärmt.              durch verschiedene Methoden             Äquator und den Polen, Abschwä-
                                    geschätzte Gesamtmenge an               chung im Windsystem, Ände-
Gibt es ein aussagekräftiges
                                    freigesetztem Kohlenstoff vor 56        rungen in der Ozeanzirkulation,
Beispiel für eine plötzliche
                                    Millionen Jahren entspricht etwa        herabgesetzter Durchlüftung,
Freisetzung von Treibhaus-
                                    der Menge, die mit dem Kohlendi-        Ozeanversauerung und geschmä-
gasen in der Erdgeschichte –        oxid seit Beginn der Industrialisie-    lerten Nährstoffen im Ozean.
und was weiß die Forschung          rung freigesetzt wurde. Also: Wir
darüber?                            haben diese vergleichbare Menge
                                                                            Kann aufgrund der unter-
Durch eine nach geologischen        in sehr viel kürzerer Zeit, das heißt
                                                                            schiedlichen Randbedingun-
Maßstäben plötzliche Erwär-         zehn bis 100 Mal schneller er-
                                                                            gen die damalige mit der
mung vor etwa 56 Millionen          reicht. Die Erwärmung war zudem
Jahren haben sich Flora und         mit tiefgreifenden Effekten auf
                                                                            heutigen Situation
Fauna – besonders auch die des      physikalische, geochemische und
                                                                            verglichen werden?
Ozeans – sehr stark verändert.      biologische Prozesse verbunden.         Natürlich war in der Vergangen-
Während des Eozäns, vor 56          Dabei kam es zu verringertem            heit die Verteilung der Konti-
bis 34 Millionen Jahren, war die    Temperaturgefälle zwischen dem          nente und die Ozeanzirkulation

                                                                                                       30 – 31
eine andere. Allerdings basieren                          Dabei werden die Forschungs-        einstellen, das ist eines unserer
viele der relevanten Prozesse auf                         ergebnisse zur geologischen         Forschungsziele.
physikalischen und chemischen                             Vergangenheit mit Klimamodellen
Grundlagen, die für heute und                             simuliert, um wichtige Prozesse     Außerdem können im Klimasystem
damals gleichermaßen gelten. Die                          in unserem Klimasystem zu ver-      Situationen erreicht werden, wo
Verteilung und Größe von Eisschil-                        stehen und mögliche zukünftige      plötzlich unumkehrbare Verände-
den, zum Beispiel in der Arktis und                       Klimaszenarien zu berechnen. Ein    rungen eintreten, die sich dann
Antarktis, waren anders, daher                            bisher wenig erforschter Aspekt     durch Rückkopplungsmechanis-
lassen sich keine ganz genauen                            ist, wie Lebewesen auf Klimaver-    men noch zusätzlich verstärken.
Vorhersagen nur auf Grund der                             änderungen reagieren. Wir haben     Zum Beispiel führt Erwärmung zu
geologischen Beobachtungen                                einen guten Überblick, welche       Eisschmelze, diese Schmelze zu
treffen. Aber im Prinzip erkennen                         Organismen damals im Meer ge-       einer niedrigeren Albedo, durch
wir recht gut, wie sich die Ereig-                        lebt haben. Aber welche Funktion    die sich die Erde weiter erwärmt.
nisse von damals nutzen lassen,                           sie im Ökosystem innehatten und     Dadurch wiederum wird ver-
um unsere Einschätzung der kli-                           wie schnell sich Lebewesen auf      stärkt das Treibhausgas Methan
matischen Zukunft zu verbessern.                          veränderte Umweltbedingungen        freigesetzt, was die anfängliche

Vereinfachte Darstellung der Rekonstruktion verschiedener Klimaindikatoren der letzten 66 Millionen
Jahre und Vergleich mit einem Zukunftsszenario. PETM: Paläozän/Eozän Temperaturmaximum

                                                                                                    Beobachtung
                                                               Archive                              u. Modellierung
                                    60           50       40        30        20        10     0 1800    2000      2200
                   10.000                                                                                                      10.000
                                         PETM                                    CO -Gehalt
                                                                                    ²
    CO² (ppmV)

                                                                          in der Atmosphäre
                                                                                                                    P  8.5
                                                                                                                 RC
                        1.000                                                                                                  1.000
                                                                                                                        2017
                         400                                                                                                   400
                                                                                                            Vorindustriell
                          100                                                                                                  100
                           30                                                                                                   30
                                                          Globale Oberflächentemperatur
                           25        ?                                                                                         25

                                                                                                                        8.5
                                             Treibhaus-Welt                                                          P
    Temperatur (°C)

                           20                                            Eishaus-Welt                             RC           20
                                2°C wärmer
                           15   Vorindustriell                                                                                 15

                                                         Globale Tiefenwassertemperatur
                           10                                                                                                  10

                           5                                                                                                   5
                                Heute                                                                            RCP8.5

                           0                                                                                                   0
    Meeresspiegel (m)

                         100                                        Globaler Meeresspiegel                                     15
                                                                                                                         .5
                                                                                                                    P8
                                                                                                                  RC
                           0                                                                                                   0

                        −100

                                    60           50       40        30        20        10     0 1800     2000      2200
                                                  Alter (Millionen Jahre vor heute)                       Jahr
Erwärmung noch weiter steigert.
Dies nennt man eine positive Rück-
kopplung. Im Erdsystem gibt es
aber auch einige negative Rück-
kopplungen. Zum Beispiel wird
bei höheren Temperaturen und
Kohlendioxidwerten die natürliche
Verwitterung von Gesteinen ver-
stärkt, was dazu führt, dass mehr
Kohlendioxid aus der Atmosphäre
und dem Ozean entfernt wird und
sich als Kalk in der Tiefsee abla-
gert. Dieser Prozess dauert aller-
dings über eine Million Jahre.

Was sind Ihre Forschungs-
schwerpunkte für die                      Rechtes Bild: Diese 1,5 Meter lange Kern-
kommenden zwei Jahre?                     sektion dokumentiert den Beginn der
                                          abrupten Erwärmung an der Grenze
Ein ganz konkretes Forschungs-            vom Paläozän zum Eozän vor etwa 56
ziel ist, die Erdsystem-Sensitivität      Millionen Jahren. Das Paläozän / Eozän
                                          Temperaturmaximum (PETM) ist für die
viel besser zu verstehen: Wieviel
                                          Klimaforschung wegen der Analogie
Erwärmung werden wir geo-                 zum heutigen Anstieg des Treibhaus-
grafisch verteilt erreichen, pro          effekts von besonderem Interesse. Die
freigesetzter Menge Kohlendioxid?         plötzliche Freisetzung großer Mengen
                                          Kohlenstoffs führte damals nicht nur
Dieser Parameter wurde in den
                                          zu einem schnellen Temperaturanstieg                          jünger
existierenden Modellen bisher als         sondern u.a. auch zu Ozeanversauerung.
Konstante eingesetzt, er ist aber         Die stärkere Lösung des Karbonats, das
abhängig von den jeweiligen Um-           hier große Teile des Segments hell färbt,
                                          führt zu dem abrupten Farbwechsel mit
weltbedingungen. Um diese Ein-
                                          zunächst fast reinem, braunem Ton. Ge-
flüsse abzuschätzen, sind geologi-        wonnen wurde der Bohrkern während
sche Beobachtungen und Studien            der Expedition 208 mit dem IODP-Bohr-
von Sedimentkernen mit verbes-            schiff JOIDES R esolution auf dem Wal-
serten Messmethoden unabding-             fischrücken vor Namibia. Die Bohrloka-
                                          tion liegt in einer Wassertiefe von 4.760
lich. Nur so können wir die Modelle                                                   Beginn des PETM
                                          Metern und dieses Kernsegment stammt
für die künftige Entwicklung des          aus einer Bohrtiefe von etwa 140 Metern
Klimas noch weiter verbessern.            im Meeresboden.

Entnahme eines Sedimentkernrohrs an Bord von RV JOIDES R esolution wäh-
rend der Expedition 320 des International Ocean Drilling Program (IODP).

                                                                                                         älter

                                                                                                                 32 – 33
Ein wichtiges Element des Trainingsprogramms sind jährlich
stattfindende thematische Workshops. Im Rahmen des zweiten
Treffens wurden im Zürichsee verschiedene Rutschungen mit
geophysikalischen und geotechnischen Methoden vermessen
und Sedimentkerne genommen.

Forschung an submarinen Hangrutschungen mit europäischer Förderung

Interdisziplinäre Ausbildung im
europäischen Netzwerk SLATE
Erdrutsche gibt es nicht nur an Land, sondern auch in        Kommission geförderte Internationale Trainingsnetz-
marinen Umgebungen, die aus weichen Sedimenten               werk SLATE, das am MARUM koordiniert wird.
bestehen. Dazu gehören zum Beispiel die Kontinen-
talränder und -hänge, aber auch Fjorde, Flussdeltas,         SLATE – das steht für Submarine LAndslides and
vulkanische Inseln oder Meeresrücken. Unter Wasser           Their impact on European continental margins. Das
können die Erdrutsche allerdings um ein Vielfaches           Netzwerk gibt es seit 2017, es wird im Rahmen des
größer ausfallen als an Land. Wenn die Erde unter der        Marie-Skłodowska-Curie-Programms gefördert. Ein
Meeresoberfläche in Bewegung gerät, kann sich das            Hangrutsch kann durch die verlagerte Masse und
auf Tausende von Quadratkilometern am Ozeanbo-               freigesetzte Energie zu Tsunamis führen, die nicht
den auswirken. Mit den Ursachen und Folgen solcher           nur Küstenregionen Europas, sondern auch Infra-
Ereignisse befasst sich das von der Europäischen             struktur am, auf und unter Wasser bedrohen. Dazu
gehören zum Beispiel Förderpipelines, aber auch
Kabel für die Kommunikation.

Obwohl submarine Erdrutsche seit Jahrzehnten
intensiv erforscht werden, sind ihre Ursachen,
Mechanismen und Folgen noch nicht ganz ver-
standen. Welche Schlüsselfaktoren begünstigen
die submarinen Erdrutsche? Wie bewegt sich das
Material weiter, nachdem es abgerutscht ist? Und
                                                                         „Unser Ziel ist es, sub-
wie können daraus resultierende Georisiken wie                           marine Rutschungen
Tsunamis vorhergesagt werden? Mit diesen Fragen
beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher                         besser zu verstehen,
im europäischen Ausbildungsnetzwerk. Ziel ist es,
mit mehreren Disziplinen und Partnern ein besseres
                                                                         um die damit verbun-
Verständnis von Prozessen vor, während und nach                          denen Georisiken
Erdrutschen zu gewinnen. Dazu gehört auch, die
Parameter zu untersuchen, die submarine Erdrut-                          minimieren zu können.“
sche steuern und begünstigen können.
                                                                         Prof. Dr. Kat­r in Huhn-Fre­h ers
                                                                         Fachgebietsleiterin Modellierung
Ein Team von führenden Forschenden sowie Exper-                          von Sedimentationsprozessen
tinnen und Experten aus renommierten akademi-
schen sowie außeruniversitären Einrichtungen bringt
ein umfassendes und interdisziplinäres Fachwissen
ein. Diese gebündelte Expertise umfasst Marine Geo-
physik, Sedimentologie, Bauingenieurwesen, Geo-
technik, Offshore-Technologie, Tsunami-Forschung
und Gefährdungsbeurteilung. Eine Kohorte von 15
Nachwuchsforschenden wird über mehrere Diszipli-
nen hinweg ausgebildet und betreut.

„Zusammen mit ergänzenden Kursen, Exkursionen
und gemeinsamen jährlichen Workshops fördert die-     Erdrutsche gesellschaftlich und wirtschaftlich aus-
ser integrative Ansatz eine neue Generation hoch      wirken können.
motivierter und hervorragend qualifizierter Nach-
wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler,       Am MARUM laufen aktuell drei von insgesamt 15 SLA-
die sich den Herausforderungen im Zusammenhang        TE-Projekten. In einer laborgestützten, generischen
mit erdrutschbedingten Gefahren stellen“, bewertet    Studie versucht Ting-Wei Wu zu quantifizieren, wie
Prof. Katrin Huhn, Koordinatorin des Netzwerks, die   Erdbeben sich auf die Stabilität von Sedimentabla-
Ausbildung.                                           gerungen am Meereshang auswirken. Dafür simu-
                                                      liert sie seismische Erschütterungen, also Erdbeben
Ihre Forschungsprojekte basieren auf modernen         auf Sedimentproben, die sich in ihrer Art und mine-
Methoden und Datensätzen. Die Daten stammen           ralogischen Zusammensetzung unterscheiden.
aus umfassenden, hochauflösenden sowie wieder-
holten Untersuchungen am Ozeanboden, direkter         Ricarda Gatter erforscht in ihrer Doktorarbeit die
Überwachung, hochmodernen Labor- und in-situ-         Bedeutung von Schichten, die submarine Hang-
Messungen sowie neuesten Modellierungs- und           rutschungen einleiten. Dafür nutzt sie Makro- und
Prozesssimulationsansätzen. Die Nachwuchsfor-         Mikroanalysen von Bohrkernmaterial aus Regionen,
schenden untersuchen Fall- und allgemeine Stu-        in denen es in den vergangenen Jahrtausenden
dien und entwickeln neue Modelle. „So stellt SLATE    Erdrutsche gegeben hat. Ihr Ziel ist es, ein neues
prozessorientiertes Wissen und neue Expertise für     Verständnis über den Zusammenhang zwischen
das Abschätzen von Gefahren bereit – besonders        Struktur und physikalischen Eigenschaften des
mit Blick auf die Kontrollfaktoren sowie die Dyna-    Ozeanbodens, der ins Rutschen gerät, herzustellen
mik von Unterwasserrutschungen“, erklärt Katrin       und so zu bestimmen, was genau unmittelbar vor
Huhn. Dabei werde auch berücksichtigt, wie sich       einem Erdrutsch geschieht.

                                                                                                        34 – 35
Emiel Hassefras wendet moderne Modellierungs-                   Zu den Partnereinrichtungen von SLATE gehören
techniken auf der Grundlage von geophysikalischen               neben dem MARUM auch NGI Oslo (Norwegen),
3D-Daten an, um ein besseres Verständnis der Rolle              NOC Southampton (Großbritannien), Ifremer Brest
von aufsteigenden Gasen, ihrer Zersetzung und der               (Frankreich), Igeotest Figueres (Spanien), CISC Bar-
daraus resultierenden Migration von freiem Gas als              celona (Spanien), CNR Ismar Bologna (Italien), OGS
potentiellem Auslöser für submarine Erdrutsche zu               Triest (Italien) sowie die Universitäten in Durham
erreichen.                                                      (Großbritannien), Innsbruck (Österreich) und Kiel.

                     0
             (m)
Wassertiefe [m]

                    50
Wassertiefe

                                                                Neben der Untersuchung großer Rutschungskörper im Ozean
                                                                forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in
                                                                SLATE auch an kleineren Rutschmassen in Alpenseen. Die in
                   100
                                                                der bathymetrischen Karte gezeigte Rutschung wurde 1918
                                                                im Zürichsee im Bereich von Oberrieden ausgelöst. Aufgrund
                         200 m                       N
                                                                vieler Analogien, etwa bei den auslösenden Prozessen, dienen
                   130
                                                                Seen als ein vergleichsweise leicht zugängliches „Ozeanlabor“.

So wie Rutschungsereignisse selbst stellen auch die dabei ausgelösten Tsunami eine große Naturgefahr dar. Mit den in SLATE ge-
wonnenen neuen, hochauflösenden und multidisziplinären Datensätzen werden Modelle besser parametrisiert, um Wellenhöhen
genauer zu simulieren und damit die Tsunami-Gefahr besser abschätzen zu können. Das Beispiel zeigt die Wellenausbreitung 600
(links) und 1.500 Sekunden (rechts) nach dem Abrutschen des Krakatao im Jahr 2018.
Im Rahmen halbjährlich stattfindender Treffen präsentieren       Zum vielfältigen Ausbildungsprogramm durch ein internationa-
und diskutieren die SLATE Doktorandinnen und Doktoranden         les Expertenteam gehören neben Feldarbeiten auch Labor-
ihre Ergebnisse mit internationalen Wissenschaftlerinnen und     untersuchungen an Sedimentkernen.
Wissenschaftlern, aber auch mit Partnern aus der Industrie
und dem nicht-akademischen Sektor.

Für das Verständnis der Prozesse, die zur Bildung von Rutschungen im Ozean führen,
lohnt ein Blick weit zurück in die Erdgeschichte. Große Sedimentpakete, ehemals
abgerutscht in einem früheren Ozean, findet man heute aufgeschlossen an Land. Im
Rahmen von Exkursionen nehmen SLATE Doktorandinnen und Doktoranden diese
Rutschungen genauer unter die Lupe, hier in der Region Emilia-Romagna (Italien).

                                                                                                                     36 – 37
Coscinodiscus wailesii ist eine Mikroalge,
die zur Familie der Kieselalgen gehört, die
Algenblüten bilden und erhebliche Mengen
an langkettigen Zuckern produzieren. Die
Forschungsgruppe Marine Glykobiologie
untersucht den Umsatz und die Rolle dieser
Zucker im Kohlenstoff-Kreislauf.

                Blackbox des marinen
                Kohlenstoffkreislaufs
                Die Rolle von Mikroalgen im Ökosystem Ozean

                                       Im Ozean gibt es viele Abläufe,      viel Biomasse wie alle Pflanzen
                                       die wissenschaftlich noch nicht      an Land – und das, obwohl sie
                                       entschlüsselt sind. Dazu gehört      nur einen kleinen Teil der darin
                                       insbesondere der komplexe            vorkommenden Organsimen
                                       Kohlenstoffkreislauf. Die Brü-       ausmachen. Das liegt an ihrer
                                       ckenarbeitsgruppe von Prof. Dr.      vergleichsweise kurzen Lebens-
                                       Jan-Hendrik Hehemann „Marine         dauer – „Mikroalgen leben schnell
                                       Glykobiologie“, die am MARUM         und sterben jung“, sagt Jan-Hen-
                                       und am Max-Planck-Institut für       drik Hehemann. Algen blühen
                                       Marine Mikrobiologie angesiedelt     innerhalb von Tagen und können
                                       ist, befasst sich mit Mikroalgen     danach ebenso schnell wieder
                                       und ihrer Funktion im Kohlen-        verschwinden. Mikroskopisch klei-
                                       stoffkreislauf. Den Fokus legt das   ne planktonische Algen sind die
                                       Team auf Mehrfachzuckerverbin-       Basis der marinen Nahrungskette,
                                       dungen und ihre Rolle im Ökosys-     von ihnen ernähren sich Bakte-
                                       tem Ozean.                           rien, aber auch größere Tiere.

                                       Wie Pflanzen an Land betreiben       Sind Mikroalgen aktiv, schei-
                                       auch Algen in den lichtdurchflute-   den sie Mehrfachzucker aus,
                                       ten Wasserschichten des Ozeans       der durch die Wassersäule zum
                                       Photosynthese und verwenden          Ozeanboden sinkt und so Kohlen-
                                       Kohlenstoffdioxid aus der At-        stoff in die Tiefsee transportiert.
                                       mosphäre als Baustoff, um zu         So sind die Mehrfachzucker ein
                                       wachsen. Mikroalgen im Oberflä-      wesentlicher Bestandteil der so-
                                       chenwasser produzieren ähnlich       genannten „biologischen Pumpe“,
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