SPRECHEN MACHT SCHLAUER - Wie Kinder fürs Leben lernen. Hilfswerk Servicehotline
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INHALT 3 Sprecht mit mir! 4 Warum sprechen schlauer macht 6 Auf dem Weg zur eigenen Sprache 13 Die Hilfswerk Sprachpyramide 14 Schön sprechen? 17 Mit Bewegung und Musik zur Sprache 18 Es war einmal … 20 Neue Perspektiven entdecken 21 Spracherwerb, Smartphone & Co 22 Mehr als eine Sprache? 25 Nützliche Links und Informationen 26 Ihr Hilfswerk: Adressen – Kontakte – Überblick IMPRESSUM: Medieninhaber und Herausgeber: Hilfswerk Österreich, 1120 Wien, Grünbergstraße 15/2/5, Tel. 01/405 75 00, Fax -60, office@hilfswerk.at, www.hilfswerk.at Konzeption, Redaktion, Umsetzung: Martina Genser-Medlitsch, Christa Fürchtegott, Eva Schütz/Bildungsagentur Grafik: Martina Gangl-Wallisch, Astrid Höretzeder, Vera Kapfenberger, Egger & Lerch Corporate Publishing, 1030 Wien Fotos: Shutterstock (Seiten: 1/Yuliya Evstratenko, 2/Ewa Studio, 3/didesign021, 4/Demkat, 5/mimagephotography, 13/Sunny studio, 14/15/Africa Studio, 17/New Africa, 18/19/Yuganov Konstantin, 20/shapovalphoto, 21/Oksana Kuzmina, 22/23 GingerKitten), Seite 24/Hilfswerk Niederösterreich © Franz Gleiss Illustrationen: Shutterstock (Seiten: 6/nubenamo, 6/PowerART, 7/8/MicroOne, 8/9/19/Vectorbro, 9/10/11/Natasha_Chetkova) Druck: Wograndl, 7210 Mattersburg Stand: März 2020
SPRECHT MIT MIR! Kinder haben von Beginn an Freude am „Kommunizieren“. Sie lernen Sprache intuitiv, durch Nachahmung und spielerisches Ex- perimentieren. Als Eltern oder nahe Bezugsperson sind Sie das wichtigste Sprachvorbild Ihrer Sprösslinge und beeinflussen mit Ihrem Tun und Handeln, Ihren Dialogen sowie Ihrer Aufmerksamkeit und Zuwendung deren sprachliche Entwicklung. Was brauchen Kinder also, um sich zu entfalten, sich in ihrer Umgebungssprache sicher zu bewegen und Freude am Entdecken anderer Sprachen zu haben? Und wie können wir Erwachsene sie dabei begleiten und individuell, in seinem eigenen Tempo. Wie Sie als unterstützen? Aus unserem pädagogischen Alltag Eltern oder nahe Bezugsperson Ihr Kind bei seiner und unserer jahrelangen Erfahrung im Bereich aufregenden „Sprachreise“ optimal unterstützen „Kinder, Jugend und Familie“ wissen wir, dass der können, möchten wir Ihnen mit dieser Broschüre österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein anhand von praktischen Tipps und Anregungen (1889 – 1951) mit seinem Zitat „Die Grenzen meiner aufzeigen. Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ nicht unrecht hatte. Sprache ist nicht nur die Basis für Für Ihre Fragen haben wir jederzeit ein offenes Ohr. die Entwicklung unserer sozialen und emotionalen Wenn Sie Beratung oder Unterstützung benötigen, Kompetenzen mit Einfluss auf unser Denken, Handeln, wenden Sie sich gerne an das Hilfswerk. Wir sind für Fühlen und Lernen. Sie ist vielmehr der Schlüssel zum Sie da! Verstehen der Welt. Wir kennen die Verunsicherung vieler Eltern bezüglich der (sprachlichen) Entwicklung IHR HILFSWERK TEAM ihrer Kinder. In den meisten Fällen gibt es jedoch Wir sind Ihr Partner, wenn keinen Grund zur Sorge, jedes Kind entwickelt sich es um Ihre Kinder geht. 3
WARUM SPRECHEN SCHLAUER MACHT „Reden lässt Beziehungen mit sie im Gedächtnis abgespeichert analysieren, Gesetzmäßigkeiten anderen entstehen, setzt Abläufe und bilden die Basis für die weitere verstehen und auf andere Bereiche in Gang, hilft die Welt zu verstehen Sprachentwicklung. übertragen. Indem wir über Erlebtes und wird ein Denkwerkzeug, nachdenken, vertiefen wir unser Wis- dessen Bedeutung man nicht Die ersten Sprachvorbilder sen um die Welt und können diese hoch genug einschätzen kann“, Kinder entwickeln ihre Fähigkeiten auch aktiv (mit)gestalten. so beschreibt die britische im täglichen Miteinander mit ihren Forscherin Marian Whitehead die Eltern und Bezugspersonen. Je ein- Spracherwerb: Training Bedeutung des Sprechens. fühlsamer auf ihre nonverbalen und für die grauen Zellen Kinder erwerben dieses wertvolle, verbalen Äußerungen eingegangen Damit wir fühlen, denken und schlau machende Denkwerkzeug wird, je mehr sprachliche Anregun- handeln können, müssen sich rund scheinbar ganz nebenher. gen und Zuwendung sie von Geburt 100 Milliarden Nervenzellen in an erhalten, umso besser, schneller unserem Gehirn rund um die Uhr Von Beginn an sorgen Wahrnehmung und freudiger lassen sie sich auf miteinander verständigen. Das tun und Gedächtnis dafür, dass sprach- das Abenteuer Sprache ein. Hand sie über die Synapsen, wichtige liche Informationen, die Kinder von in Hand damit werden auch ihre Schaltstellen am Ende der Nerven- ihrer Umwelt erhalten, aufgenom- motorische und sozial-emotionale zellen, die Informationen weiter men und nach Regelmäßigkeiten Entwicklung sowie die Leistungs- geben. Mit jedem neuen Wort, das überprüft werden. Vorerst noch ohne fähigkeit ihres Gehirns insgesamt ein Kind kennenlernt, werden über bewusstes Nachdenken werden gefördert. die Synapsen neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen gebildet Sprache als Schlüssel zum oder bestehende gestärkt. Je mehr Verstehen der Welt Sinne am (Kennen-)Lernen und Ent Mit den sprachlichen Fortschritten decken beteiligt sind, umso besser. entwickeln sich auch die sogenann- Denn die Eindrücke jedes Sinnes ten kognitiven Fähigkeiten weiter, organs werden in einem eigenen zu denen u. a. Aufmerksamkeit, Gehirnareal abgespeichert. Je mehr Erinnerung oder Vorstellungskraft Wahrnehmungen in verschiedenen zählen. Denn nur indem wir über Gehirnarealen mit einem Begriff Erfahrungen, Wahrnehmungen, verbunden sind, umso leichter fällt Handlungen sprechen, können wir das Lernen. Dieser Vernetzungs Zusammenhänge erkennen und effekt macht das Gehirn nicht nur in 4
Sachen Sprache, sondern insgesamt deutlich leistungsfähiger. Schlau in vielerlei Hinsicht Die Sprache ist auch wichtige Grundlage für die Entwicklung sozialer Kompetenz. Denn mit Sprache können wir unsere Ein- drücke verarbeiten und Gefühle ausdrücken. Und wir erfahren durch sie, was andere denken und fühlen. Die Reisen in fremde Ge- fühls- und Erfahrungswelten, zum Beispiel beim gemeinsamen Lesen oder Geschichtenerzählen, fördern nicht nur Sprachkompetenz, Fantasie, Abstraktionsvermögen und Konzentrationsfähigkeit. Ganz nebenher lernen Kinder, sich in die Gedanken und Gefühle anderer zu versetzen. Sie entwickeln Ein- fühlungsvermögen und emotionale Intelligenz. Sprache als Brücke zu Gefühle artikulieren können, finden gesellschaftlicher Teilhabe sie schneller ihren Platz in der Sprachkompetenz ist … Kinder, die schon früh gelernt Gemeinschaft. Und sie werden auch … eine wesentliche Basis für er- haben, dass sie durch Sprache in mehr wahrgenommen als Kinder, folgreiches Lernen, Bildung und Dialog mit ihrer Umwelt treten bei denen das nicht der Fall ist. ein selbstbestimmtes Leben. … ein wichtiges Mittel für und diese beeinflussen können, In Kindergarten und Schule erhal- Chancengerechtigkeit und fügen sich leichter in Gruppen ten sie dadurch häufig auch mehr gesellschaftliche Teilhabe. ein. Sobald sie ihre Gedanken und Anregungen und Lernimpulse. 5
AUF DEM WEG ZUR EIGENEN SPRACHE Alle Kinder sind sprachbegabt: Schon bei ihrer Geburt verfügen sie über alle Voraussetzungen, um sich Sprache aus dem alltäglichen Zusammenhang heraus anzueignen. Auf den nächsten Seiten finden Sie einen Überblick über die wichtigsten IM BABYBAUCH „Meilensteine“ der kindlichen GEHT’S LOS! Sprachentwicklung. In welchem Tempo es diese durchläuft, ist bei Schon in den letzten Wochen vor der jedem Kind unterschiedlich. Geburt beginnt der Spracherwerb. Denn mit der Entwicklung des Gehörs prägt sich das Ungeborene Sprach- Mit diesem Wissen und der daraus melodie und Sprechrhythmus seiner folgenden Gelassenheit, weder Muttersprache ein. Auch die Stimme sich noch das Kind unter Druck seiner Mutter und einfache Tonfolgen erkennt es wieder. zu setzen, kann die spannende Entdeckungsreise auf dem Weg zur eigenen Sprache lustvoll in TIPPS: Angriff genommen und erfolgreich Auch ohne spezielle vorgeburtliche gemeistert werden. „Übungseinheiten“ ist das Ungebo- rene mit jeder Menge Sinneswahr- nehmungen konfrontiert, die es alle verarbeiten muss. Wenn es sich bewegt, legen Mütter oder Väter meist ganz intuitiv die Hand auf den Bauch der Mutter. Sprechen Sie mit Ihrem Ungeborenen dabei in einem ruhigen und melodischen Tonfall. 6
IN UNSERER WELT ANGEKOMMEN VOM SCHREIEN ZUM JAUCHZEN Auch wenn sie die meiste Zeit schlafen, nehmen Babys in ihren ersten Lebens Bald kann das Baby schon mit einem wochen ihre Umgebung schon detail- Lächeln auf seine Umgebung reagieren. liert wahr. Gibt es z. B. etwas zu hören, Nachdem es seine Sprechorgane drehen sie ihren Kopf in Richtung ausreichend in Schwung gebracht hat, Geräuschquelle. Am liebsten hören sie übt es sich in verschiedenen vorsprachli- die Stimme ihrer Mutter, die sie schon chen Äußerungen: Es gurrt, jauchzt und aus dem Babybauch kennen. Selbst brabbelt munter vor sich hin. Nach und können sie sich vorläufig nur durch nach beginnt es, die Laute und Rhyth- Schreien äußern. men seiner Umgebung zu imitieren. TIPPS TIPPS Babys schreien, um sich mitzuteilen. enden wir dem Baby unser Gesicht W Sie auf den Arm zu nehmen oder zu und ermöglichen Blickkontakt, ihnen ein Lied vorzusingen, schafft kann es genau beobachten, wie nicht nur Vertrauen, sondern sie sich unser Mund beim Sprechen lernen dabei auch, dass sie mit ihren verschiedener Laute verändert. Äußerungen etwas bewegen können. Das Baby lernt, indem es abschaut Wenn Sie beim Sprechen in sanften, und nachmacht. hohen Tönen die Selbstlaute betonen, Babys wollen mit uns kommuni- erkennt das Baby die vertrauten zieren. Indem wir ihnen Fragen Sprachmelodien aus dem Mutterleib stellen und ihnen auch Zeit für eine besser wieder. „Antwort“ lassen, erleben sie schon Die Vorgänge beim Wickeln, Füttern früh die Grundlagen des Dialogs. oder Anziehen mit einfachen Sätzen Gesten, wie z. B. einen Gegenstand, zu beschreiben, verbindet persön über den wir sprechen, in die Hand liches Erleben mit Sprache. zu nehmen oder darauf zu zeigen, Das Baby reagiert auf ein plötzliches unterstützen unsere Äußerungen. Geräusch? Indem wir auf seine Reaktion eingehen, erlebt es, dass es wahrgenommen wird. Zum Beispiel: „Hast du das Klingeln gehört? Das sind sicher Oma und Opa. Sie freuen sich schon, dich zu sehen.“ 7
„Ball“ BABYS ERSTE MONOLOGE Im 2. Lebenshalbjahr starten Babys mit ihren ersten „Lallmonologen“ in den nächsten Level ihrer Sprachreise. Sie ahmen Laute nach und reihen sie in endlosen Silbenketten aneinander. Nachdem sie einfache Gegenstände mit den richtigen Namen verbinden und darauf zeigen können, können sie jetzt DIE ERSTEN WÖRTER auch einfache Gebärden lernen, z. B. Es ist so weit: Das erste Wort des „Winke-Winke“ oder „Bitte-Bitte“. Kindes wird überschwänglich gefeiert! Meistens ist es das Zufallsprodukt einer Silbenkette, z. B. „Mama“. Die ersten Wörter beziehen sich auf TIPPS konkrete Personen und Gegenstände Durch Nachahmen seiner Laute aus dem direkten Umfeld. Sie werden fühlt sich das Kind verstanden, stellvertretend für einen ganzen Satz eine einfache Frage motiviert zum eingesetzt. „Ball“ kann z. B. stehen für nächsten „Lallmonolog“. „Wo ist der Ball?“ oder „Spielst du mit Das Baby zeigt auf einen Gegen- mir Ball?“. Daher spricht man auch von Ein-Wort-Sätzen. stand? Zeigen Sie doch auch darauf „ma ma“ und stellen Sie eine konkrete Frage, z. B.: „Willst du mit dem Ball spie- len?“. So wird die richtige Bezeich- nung in einen konkreten inhaltlichen TIPPS Zusammenhang gebracht. Das erste Wort „passiert“ dem Kind Einfache Lieder, Reime und Finger- noch – je mehr Freude Sie und nahe spiele machen ab jetzt besonders viel Bezugspersonen darüber zeigen, Freude. umso begeisterter wird es das Wort wiederholen und weitere lernen. Durch die Einbindung der ersten Wörter in einfache Sätze und akti- vierende Fragen wird die kindliche Sprachwelt rasch umfangreicher. „Ball.“ „Genau, das ist der Ball. Willst du mit ihm spielen?“ 8
„spielen!“ SÄTZE UND AUSSPRACHE WERDEN GERADEGERÜCKT Nach und nach verschwinden Gramma- tik- und Satzbaufehler aus den einfa- chen Sätzen, die das Kind mittlerweile bildet. Es versteht auch schon längere DIE ERSTEN SÄTZE Sätze und Aufforderungen, kann einfache Zusammenhänge erklären, Nachdem die ersten Wörter gebührend Fragen stellen, sich selbst mit eigenem gefeiert wurden, beginnt die Zeit des Namen und später mit „Ich“ benennen. Wörtersammelns. Mit ca. 1,5 bis 2 Jahren fragen Kinder selbst nach Begriffen und erweitern ihren Wortschatz: rund 500 „Spiel mit!“ Wörter verstehen sie mittlerweile, 50 bis TIPPS 200 verwenden sie und bilden aus zwei ie Aussprache einiger Wörter fällt D oder mehr Wörtern immer neue Sätze. noch schwer? Wiederholen Sie einfach die Wörter in richtiger Form und sorgen Sie für viele Situationen, in denen sie ganz selbstverständlich TIPPS verwendet werden. Das Kind möchte seine Umgebung Rollenspiele machen nicht nur jetzt ganz genau erforschen. Gehen Spaß, sondern fördern Wortschatz, Sie in Ihren Dialogen verstärkt auf Grammatik, Sprachverständnis und Eigenschaften von Dingen ein, jedes Kreativität. Adjektiv hilft dem Kind und wird freu- dig in den Wortschatz übernommen. Wiederholen Sie die Sätze Ihres Kindes in richtiger Form und hängen Sie eine Frage an, die Ihr Kind zum Weiterreden und Weiterdenken motiviert. 9
WARUM?!? „Warum geht 3- bis 4-jährige Kinder kennen mitt- die Sonne auf?“ lerweile rund 1.000 Wörter, und damit verstehen sie auch den Großteil von dem, was wir sprechen. Ihre Sätze werden immer länger, umfassen Haupt- und Nebensätze und Vorwörter finden ihren Einzug. Auch die Aussprache ist nun für alle verständlich. Mit vielfältigen Fragen wollen Kinder nun die Welt rund um sich immer weiter entdecken. DENKEN UND SPRECHEN WERDEN ABSTRAKT TIPPS Der aktive Wortschatz des Kindes Fragen des Kindes verdienen eine wächst auf bis zu 5.000 Wörter an. Antwort: keine wissenschaftlichen Dazu gehören nicht nur Vor- und Erklärungen, sondern solche, die Fürwörter, sondern auch abstrakte Sicherheit geben und bestätigen, Begriffe wie Liebe oder Angst. dass das, was es rund um sich Das Kind kann nun auch über Dinge beobachtet, gut ist, so wie es ist. sprechen, die es nicht sieht. Sogar „Warum geht die Sonne jeden Tag Passivsätze und indirekte Fragen auf?“ „Weil wir Menschen und die können schon formuliert werden. Pflanzen das Licht brauchen.“ Die fehlerfreie Bildung von Fällen, Mehr- Ausreden-Lassen und offene zahl und Verbformen gelingt immer öfter, Fragen fördern die Fähigkeit zum und die verschiedenen Laute werden komplexen Satzbau, z. B.: „Was nach und nach richtig ausgesprochen. hat dir am Spielplatz am besten gefallen?“ statt „Hat dir das Sand- spielen Spaß gemacht?“. TIPPS Der kreative Umgang mit Sprache macht jetzt schon richtig Spaß. Auch wenn das Kind jetzt schon Lustige Reime fördern die Freude an viel spricht, sind neue sprachliche der Sprache; ein Bild zu beschrei- Anregungen weiterhin wichtig. ben fördert Ausdrucksfähigkeit und Gemeinsame (Vor-)Lesezeit ist Fantasie. wichtig. Dabei können Gefühle thematisiert, das Einfühlungs- und Abstraktionsvermögen gefördert sowie die Basis für die Schreib- und Lesekompetenz gelegt werden. 10
Sprache wird durch lustvolle BEREIT FÜRS Begegnung erworben, nicht SCHREIBEN UND LESEN! durch Zwang! Die angeborene kindliche Neu- Im Übergang vom Kindergarten zur Volksschule unterscheidet das Kind gierde und der Wunsch, sich zwischen Vergangenem, Gegen anderen mitzuteilen, sind die wärtigem und Zukünftigem und ordnet besten Voraussetzungen für eine einzelne Begriffe korrekt Oberbegriffen erfolgreiche Sprachentwicklung. zu. Es kann seine Gefühle artikulieren Je vielseitiger die Anregungen und andere trösten. Es beherrscht die Möglichkeitsform („Bei mir würde sind, die Sie Ihrem Kind liefern, es nur Pudding geben!“) und bildet je mehr Sie den Dialog suchen, je Relativsätze („Das ist das Buch, das öfter Sie Äußerungen Ihres Kindes ich mir wünsche.“). Beim Hören kann aufnehmen, darauf eingehen und es die verschiedenen Laute und Silben unterscheiden und selbst Reime bilden. signalisieren, dass Kommunika- tion keine Einbahnstraße ist, umso besser wird sich seine Sprach TIPPS VOM KONKRETEN kompetenz entwickeln. ZUM ABSTRAKTEN „Silbenklatschen“ fördert das Ver ständnis für den Aufbau von Wörtern. Nun kann das Kind Sprache schnell Lustige Wortkreationen machen und automatisch verarbeiten. Es kann HINWEIS besonders viel Spaß, z. B. der sich mündlich und schriftlich verständ- Sie haben das Gefühl, dass „Superleckerschmeckerschlecker“. lich und sprachlich korrekt äußern. Ihr Kind Probleme bei der Den eigenen Namen zu erforschen Anders als bisher nimmt es auch nicht Sprachentwicklung hat? Dass und ihn z. B. mit Buchstabenformen mehr alles wörtlich, sondern ist auch es zu wenige Wörter beherrscht, zu „legen“, bereitet spielerisch aufs in der Lage, ironische Aussagen zu Probleme mit der Aussprache Erlernen der Schriftsprache vor. verstehen und zu durchschauen. hat und sich seiner Umge- Bildgeschichten in die richtige bung nicht adäquat mitteilen Reihenfolge zu bringen, fördert kann? Holen Sie sich Rat in das strukturierte Denken. einer Kinderarztpraxis oder TIPPS Familienberatungsstelle. Witze und Rätsel sind nun beson- ders attraktiv und fördern gleichzeitig das Abstraktionsvermögen. 11
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DIE HILFSWERK SPRACHPYRAMIDE Was benötigen Kinder, damit und Liedern lernt sich’s leichter. Die dritte Ebene Sprache als Grundlage für Lernen Das gemeinsame Lesen von Handpuppen, Kaufmannsladen, und Bildung wirken kann? (Bilder-)Büchern, bei dem das Rollenspiele – sie fördern nicht nur Kind durch offene Fragen aktiv die Sprachentwicklung, sondern Das Hilfswerk hat eine Sprach- einbezogen wird, regt Wortschatz auch das Einfühlungsvermögen und pyramide entwickelt, die Eltern und und Fantasie an und legt die die Kreativität. Erziehende dabei unterstützt, die Basis für die künftigen Lese- und kindliche Sprachentwicklung aktiv Schreibfähigkeiten. Die vierte Ebene zu begleiten und zu fördern. Werden digitale Medien mit elterlicher Begleitung entdeckt, so Die Basis fördert das die Medienkompetenz. Eine anregende Atmosphäre, in der Aktivitäten, bei denen Kinder sich Kinder sicher und geborgen ihre Umgebung mit allen fühlen, ist Voraussetzung dafür, Sinnen erfassen und begreifen dass sie die Welt entdecken und die können, sollten aber immer Sprache ihrer sozialen Umgebung Digitale Vorrang haben. Medien erlernen können. Indem Eltern ihr alltägliches Handeln und Fühlen Handpuppen mit einfachen Sätzen begleiten, mit ihrem Kind von Geburt an Gesellschaftsspiele in Dialog treten, Aktivitäten mit Brettspiele Gleichaltrigen fördern und die Ent- Rollenspiele wicklung ihres Kindes aufmerksam begleiten, erwirbt das Kind Sprache (Bilder-)Bücher ganz nebenbei. Damit werden auch Rhythmik Musik soziale Kompetenz und familiärer Bewegung Zusammenhalt gestärkt. Die zweite Ebene Soziale Aufmerksamkeit Nähe Kontakte Bewegung, Musik und Rhythmik Dialoge Zeit Geborgenheit fördern die sprachliche Entwick- lung: mit Fingerspielen, Reimen 13
SCHÖN SPRECHEN? Eltern sind die wichtigsten Sprachvorbilder für ihre Kinder. Wie, was zu Angesicht kann Ihr Kind genau und wann sie sprechen – all das nehmen die Kleinen schon im Mutterleib beobachten, wie sich Ihr Gesicht auf, um es später nachzuahmen, selbst zu erproben und zu gestalten. beim S prechen verändert, und lernt, darin zu „lesen“. Ein paar einfache Tipps helfen etc., mit Sprache begleiten, umso dabei, von Geburt an mit gutem mehr Lust bekommt Ihr Kind, es Ausreden lassen Beispiel voranzugehen. Ihnen gleichzutun. Gleichzeitig Kinder brauchen ausreichend Raum lernt es wichtige sprachliche Grund und Zeit, sich auszudrücken. Das Teilen Sie sich mit strukturen kennen und verbindet Ringen um Wörter ist ein wichtiger Begleiten Sie Ihre Handlungen alltägliche Gegenstände und Hand- Teil ihrer Sprachentwicklung. Un- mit einfachen, kurzen Sätzen, z. B.: lungen mit Begriffen. terbricht man sie dabei und nimmt „Hier sind die roten Socken. Die ihre Aussagen vorweg, so macht man ziehe ich dir jetzt an. Dann bleiben Lust auf Wortwechsel sie „sprechfaul“: Sie lernen, dass sie deine Füße warm.“ Sprechen Sie Für den Spracherwerb eines Kindes darüber, was im Alltag passiert, was ist es nicht nur wichtig, dass seine Ihnen in Ihrer Umgebung auffällt. Bezugspersonen viel sprechen, es Verleihen Sie Ihren Beobachtungen, braucht auch Anreize zum Dialog. Gedanken und Gefühlen sprachli- Nur im Wortwechsel entwickeln chen Ausdruck. Mimik und Gestik Kinder all ihre sprachlichen Fähig- unterstützen Sie dabei. Je lebendiger keiten. Das Zwiegespräch funktio- Sie Ihr Handeln und Denken in niert schon mit den ganz Kleinen: alltäglichen Situationen, wie beim Indem man Babys Fragen stellt und Wickeln, Essen, Spielen, Einkaufen ihnen Zeit zum „Antworten“ gibt, erlernen sie die Grundlagen des Miteinander-Sprechens. Die richtige Sprache? Eltern haben einen natürlichen Blickkontakt auf Augenhöhe Instinkt dafür, ihre Sprache den Achten Sie auf Blickkontakt, wenn Möglichkeiten und Bedürfnissen Sie mit Ihrem Kind kommunizieren. ihres Kindes anzupassen. Tipps dazu finden Sie ab Seite 6 „Auf So zeigen Sie, dass Sie an ihm dem Weg zur eigenen Sprache“. interessiert sind, und hören wollen, was es zu sagen hat. Von Angesicht 14
sich nicht fertig äußern müssen, um zum Weitersprechen. „Katze, miau.“ „Ja, die Katze sitzt auf dem Baum. verstanden zu werden, und reagie- „Stimmt – die Katze macht miau. Was glaubst du, wie ist sie denn da ren zukünftig entsprechend. Und wie macht der Hund?“ hinaufgekommen?“ Auf Aussagen reagieren Belehrungen vermeiden Sprechen kann man nicht erzwin- Kinder sprechen, um sich mitzutei- Dass Kinder beim Sprechen Fehler gen, Kinder müssen Spaß daran len. Gehen Sie auf ihre Äußerungen machen, ist ganz normal. Indem haben. Basis dafür ist eine auf- ein, so erleben sie das als Erfolg. man Aussagen in korrekter Form merksame, liebevolle Atmosphäre. Wiederholen Sie in einem einfachen wiederholt, lernt das Kind ganz Je sicherer sich Kinder in ihrer Satz, was das Kind gesagt hat, und nebenher und ohne erhobenen Zei- Umgebung fühlen, umso mutiger hängen Sie noch eine Frage an – so gefinger. Gleichzeitig kann man es können sie sich auf die spannende zeigen Sie, dass Sie es verstanden zum Weiterspinnen seiner Gedanken Entdeckungsreise zur eigenen ? haben, und motivieren gleichzeitig animieren. „Katze Baum sitzt.“ Sprache begeben. Nachdenkzone In welchen alltäglichen Situationen könnte ich mein Handeln öfter sprachlich begleiten? Wann kommentiere ich Aktivitäten meines Kindes sprachlich? Spreche ich deutlich und im für mein Kind richtigen Tempo? Sind meine Sätze klar und verständlich? In welchen Situationen reagiere ich nicht auf Äußerungen meines Kindes und wie reagiert es darauf? 15
STATEMENT „Als Versicherungsunternehmen ist uns der Vorsorgegedanke für Jung und Alt ein zentrales Anliegen.“ Je früher umso besser: Um Kindern seit jeher ein wichtiger Bestandteil und Jugendlichen einen optimalen der Unternehmenskultur der Wiener Start ins Leben zu sichern, beginnt Städtischen. Denn die Kinder finanzielle Vorsorge im Idealfall bereits von heute sind die Erwachsenen mit der Geburt. Wenn Eltern und von morgen. Und die Förderung Großeltern dem Kind einen finanziellen kommunikativer Kompetenzen Grundstein legen, ist ein wesentlicher beginnt mit der Sprache als Grund Schritt in Richtung eines finanziell lage jeder Bildung und jedem sorgenfreien Lebens bereits getan. sozialen Miteinander. D aher ist es uns in diesem Zusammenhang auch Financial Literacy ist aktuell in eine große Freude, dem H ilfswerk aller Munde und bringt das Thema seit vielen Jahren als starker und dieser Broschüre „Sprechen macht verlässlicher Vorsorgepartner zur schlauer“ auf den Punkt. Langsam Seite zu stehen. reift das allgemeine Bewusstsein, dass der Finanzbildung lange Zeit zu wenig Beachtung geschenkt wurde, und man beginnt vielerorts, diesem Foto©: Ian Ehm Manko entgegenzuwirken. Neben der Absicherung von Risiken und der Vorsorge fürs Alter ist die Kinder- und Doris Wendler, Vorstandsdirektorin Jugendförderung sowie soziales Wiener Städtische Versicherung und gesellschaftliches Engagement 16
MIT BEWEGUNG UND MUSIK ZUR SPRACHE Kinder lernen Sprache, indem Das ist der Daumen, der sie sie erleben. Je mehr Sinne schüttelt die Pflaumen … dabei im Einsatz sind, umso Die motorischen Fähigkeiten von besser wird sie erlernt. Kindern entwickeln sich schneller als die sprachlichen. Sie strecken Abhängig vom jeweiligen Wahr- sich, greifen zu, nehmen Gegen nehmungsorgan (Augen, Ohren, stände in den Mund und erkunden Tastsinn, Nase, Mund) wird jeder so ihre Umgebung. Mit Handzei- Sinneseindruck in einem anderen chen und Fingerspielen wird schon Teil des Gehirns abgespeichert. früh eine Verbindung zwischen Je mehr Sinne beteiligt sind, umso Sprache, Bewegung und eigenem mehr Verbindungen werden zwi- Handeln hergestellt. Mit jeder schen den Nervenzellen gebildet: Bewegung, die Kinder selbst aus- Das Gehirn wird vernetzter und führen, entstehen Verbindungen ? leistungsfähiger. im Gehirn, die Begriffe verankern und mit Leben füllen. Und Spaß macht es obendrein. Nachdenkzone „Die Kraft von Musik Backe, backe Kuchen … Wie unterstütze ich und Rhythmus verleiht den Bewegungsdrang lerne, lerne Sprache meines Kindes? Liedern enormes Kinder kommen mit einem angebo- Welche Fingerspiele Potenzial für den renen Gefühl für Melodien, Klänge kenne ich und wie reagiert mein Kind darauf? Spracherwerb. Kinder und Rhythmus auf die Welt. Dieses Welche Wörter könnte Gespür hilft beim Spracherwerb. ich durch Handzeichen merken sich neue Denn beim Singen werden Unter- verstärken? Wörter und Phrasen Welche einfachen Kinderlieder schiede in der Betonung und Rhyth- kenne ich? beim Singen besser und mik viel stärker hervorgehoben als Welche alltäglichen Abläufe beim normalen Sprechen. So prägen könnte ich mit diesen Liedern haben Spaß dabei.“ lebendiger gestalten? sich Kinder die Wörter besser ein Welche einfachen Bewegun- Barbara Rössl-Krötzl, und können dann auch rhythmi- gen kann ich mit den Liedern Sprachwissenschaftlerin sche Muster in der gesprochenen verbinden? Sprache leichter erkennen. 17
ES WAR EINMAL … Schon ganz kleine Kinder lieben es, gemeinsam Bilderbücher zu „lesen“ und Geschichten erzählt zu bekommen. Das Zuhören und Eintauchen in neue Welten kurbelt ihre gesamte Entwicklung an. Denn beim Vorlesen werden nicht nur Wortschatz und Verständnis für Sprachstrukturen gefördert. Die Kinder kommen dabei auch mit Schriftsprache in Berührung. Schriftsprache ist komplexer als gesprochene Sprache, weil sie auch funktionieren muss, wenn sich Sender/in und Empfänger/in einer Botschaft nicht gegenüberstehen. Das spielerische Eintauchen in diese anspruchsvolleren Sprachstrukturen legt schon früh die Basis zur Lese- und Schreibkompetenz. und Vorstellungen ausgestalten. gemütlichen Zusammenkuscheln in Wenn Kinder gespannt einer Dabei werden nicht nur Fantasie, angenehmer Atmosphäre können Geschichte lauschen, trainieren Abstraktionsvermögen und Kon- Kinder die vielen Eindrücke des sie damit aber nicht nur ihre zentrationsfähigkeit gefordert und Tages abklingen lassen und in den Sprachfähigkeiten. Denn anders als gefördert, die Kinder lernen auch, gemeinsamen Fantasiereisen Ent- Fernsehen oder Videos im Internet sich in andere Gefühls- und Erfah- spannung und Kraft finden. geben Geschichten nicht unun- rungswelten hineinzuversetzen. Ihr terbrochen Bilder vor. Die Kinder Einfühlungsvermögen wird gestärkt. Leseerlebnis als tägliches Ritual gehen gemeinsam mit den Haupt- Gemeinsame Leseerlebnisse figuren auf eine spannende Reise, Nicht zuletzt schaffen regelmäßige sollten ein Fixpunkt im Tagesplan die sie selbst mit inneren Bildern Lesephasen auch Ruhepole. Beim sein. Schon 15 Minuten reichen 18
aufgesagt wird, ein Stofftier, das Geräuschen, wilde Grimassen – all immer dabei ist. Gemeinsam kann das macht das Lesen zum Erlebnis. auch ein „Nicht stören“-Schild gebastelt werden, das zu Beginn Unterbrechen erwünscht jeder Lesezeit an die Türschnalle Kinder sollten jederzeit Fragen gehängt wird, denn Lesen braucht stellen, die Geschichte verändern Ruhe und Entspanntheit. oder auch kommentieren dürfen. Indem sie sich mit Fragen in Wiederholung macht Sinn die Geschichte mit einbringen, Häufig wünschen sich Kinder wird diese noch spannender und ? immer wieder ein und dieselbe anschaulicher. Geschichte. Durch diese Wieder holung erfahren sie Beständigkeit und Vorhersehbarkeit im oft Nachdenkzone turbulenten Alltag. Und: Kinder Welche Zeitfenster eignen entdecken auch beim x-ten Mal sich für regelmäßiges immer wieder Neues in derselben gemeinsames Lesen? Geschichte. Bei der Auswahl von Wo haben wir ausreichend Ruhe? neuem Lesestoff sollten Themen Wie kann ich für eine ent- gewählt werden, die das Kind spannte Stimmung sorgen? besonders interessieren. Was können wir tun, um die aus – wichtig sind die Beständigkeit Lesezeit zu einem Ritual zu machen? und die Ausschließlichkeit, mit der Geschichten zum Leben erwecken Welche Inhalte findet mein diese Zeit nur dem Kind gehört. Je lebendiger vorgelesen wird, umso Kind besonders spannend? Handy, Tablet, Radio und Fernseher spannender ist eine Geschichte. Spreche ich deutlich und klar? Mache ich genug Pausen, haben währenddessen Sendepause. Mit Mimik und Stimme können die damit mein Kind verarbeiten Suchen Sie gemeinsam nach verschiedenen Emotionen und das und Fragen stellen kann? Gegenständen oder Gewohnheiten, Erlebte transportiert werden. Dabei Stelle ich zwischendurch Blickkontakt her? die das tägliche Leseritual begleiten: ist jedes darstellerische Mittel er- Schaffe ich es, auf Zwischen eine Lampe, die immer zur Lese- laubt und keines peinlich: Flüstern, fragen befriedigend ein- zeit eingeschaltet wird, ein kurzer Lachen, Seufzen, Krächzen, Ver- zugehen? Reim, der zu Beginn miteinander stellen der Stimme, Imitieren von 19
NEUE PERSPEKTIVEN ENTDECKEN Kinder erwerben Sprache im Aus- tausch mit nahen Bezugspersonen. So lernen sie Wörter, erfassen Satz- strukturen und erleben Sprache in all ihren Dimensionen. Wenn man miteinander spricht, tauscht man nicht nur Wörter und Sätze aus. Man gibt anderen auch Einblick ins eigene Denken und Fühlen. Der Erwerb von Ein fühlungsvermögen und Sprache erfolgt Hand in Hand. Gefühls- und Erfahrungswelten zu Der kindlichen Fantasie reicht ein Rollenspiele fördern das schlüpfen und diese zu verbalisieren. Taschentuch mit zwei aufgemalten ? Einfühlungsvermögen Zum Beispiel: „Was denkst du – Augen. Aktivitäten, bei denen Rollen ge- wie fühlt sich das Entlein?“, tauscht werden, fördern die Sprach- „Weißt du, warum das Entlein so entwicklung und soziale Kompetenz. traurig ist?“, „Würde dich das auch Nachdenkzone Dazu gehören alle Spiele, bei denen traurig machen?“. Wie drückt mein Kind seine Kinder ihnen vertraute Situationen Gefühle und Gedanken aus? imitieren, z. B. im Kaufmannsladen. Handpuppen lassen Welche Situationen im Alltag kann ich schaffen, um für die Mit 4 bis 5 Jahren können Kinder Gedanken sprechen Gedanken- und Gefühlswelt aktiv die Perspektive wechseln, in die Mit Handpuppen kann man Kinder anderer zu sensibilisieren Haut anderer schlüpfen und Dialoge auf verschiedene Arten ansprechen. (Bilderbücher, Familienfotos gemeinsam anschauen und erfinden oder nachspielen. Im Spiel Im interaktiven Dialog erleben sie, die Gefühle der Abgebildeten wird die Realität den eigenen Wün- dass Menschen unterschiedliche zum Thema machen …)? schen und Bedürfnissen angepasst. Vorlieben, Wissensstände und An- Welche Materialien haben wir zu Hause, die bei Rollen- sichten haben und diese sprachlich spielen unterstützen (z. B. Auch beim Erzählen von Geschich- unterschiedlich ausdrücken. Hüte, alte Kleidungsstücke, ten kann man Kinder mit einfachen Die Handpuppe muss kein teures Faschingskostüme)? Fragen dazu anregen, in andere Modell aus dem Fachhandel sein. 20
SPRACHERWERB, SMARTPHONE & CO Handy und Tablet sind nicht Apps können nicht auf die Bedürf- erwerben sie allerdings nur durch nur fixer Bestandteil unseres nisse eines Kindes eingehen. Selbst begleiteten Gebrauch. Alltags, sie sind auch wichtiges pädagogisch wertvolle Angebote Mittel zur gesellschaftlichen gehen von einem durchschnittlichen Durch gemeinsames Entdecken Teilhabe. Aber was bedeutet Entwicklungsstand aus, der dem digitaler Medien behalten wir nicht das für jene Mitglieder unserer einzelnen Kind selten gerecht wird. nur die Zeit im Griff, wir können Gesellschaft, die noch mitten in auch die Eindrücke des Kindes ge- der Sprachentwicklung stecken? Eltern als Vorbild & Guide meinsam besprechen und kritisches Eltern sind nicht nur Sprachvorbil- Hinterfragen anregen. Kleinkinder erwerben ihre sprach- der, Kinder ahmen auch ihr übriges lichen Fähigkeiten im intensiven Verhalten nach. Greifen Eltern Altersgerechte Spielalternativen, die Austausch mit ihren nahen Be- ständig zum Handy, wird es auch ihr mehrere Sinne ansprechen und die Ak- zugspersonen. Je mehr Sinne dabei Kind tun. tivität der Kinder fördern, machen das gefordert sind, umso einfacher und Handy rasch unattraktiv: ein paar Blät- schneller lernen sie. Ein Handyverbot für Eltern wäre ter Papier und bunte Stifte, Stempel aber der falsche Schluss. Kinder soll- und Ausstechformen in Buchstaben- Bildschirmmedien, wie Smartphone, ten einen entspannten, kompetenten form oder das gemeinsame Entdecken Tablet oder Fernsehen, sprechen Umgang mit modernen Medien von Piktogrammen im öffentlichen nur zwei Sinne an: Hören und erlernen. Die Fähigkeit der selbstbe- Raum machen Spaß und fördern die ? Sehen. Auch TV-Serien, Videos und stimmten, kritischen Mediennutzung kindliche Sprachentwicklung. Nachdenkzone Welche digitalen Medien nutzen wir wie oft und wofür? Welches Medium interessiert mein Kind besonders? Gibt es Angebote, die seinem Entwicklungsstand entsprechen? Welches nicht-digitale Spiel kann mein Kind begeistern? 21
MEHR ALS EINE SPRACHE? Viele Kinder in Österreich wachsen Erstsprache aufgebaut. Daher ist Meistens benutzen die Kinder eine mehrsprachig auf: sie verwenden eine normale, altersgemäße Ent- Sprache häufiger. Welche Sprache in ihrem Alltag mehr als eine wicklung in der Erstsprache Voraus- mehr verwendet wird, hängt von Sprache. Lange Zeit wurde frühe setzung fürs erfolgreiche Erlernen der sozialen Umgebung und den Mehrsprachigkeit mit großer der Zweitsprache. Beide Sprachen nahen Bezugspersonen ab. Auf Skepsis betrachtet und vor allem haben den gleichen Stellenwert, das keinen Fall sollte ein Kind dazu mit Verzögerungen und Störungen heißt allerdings nicht, dass die Ent- gezwungen werden, eine der Spra- in der Sprachentwicklung in wicklung im gleichen Tempo erfolgt. chen häufiger zu benutzen. Viel- Verbindung gebracht. Je mehr sprachliche Anregungen mehr braucht es unterschiedliche geboten werden, umso schneller Alltagssituationen, die Anreize für Tatsächlich ist aber mittlerweile wird gelernt. deren Einsatz liefern. das Gegenteil bewiesen: Das kindliche Gehirn kann mehrere Sprachen gleichzeitig lernen, ohne überfordert zu sein. Je früher ein Kind einer neuen Sprache be- gegnet, umso leichter fällt es ihm sogar, diese zu erlernen. Wachsen Kinder von Geburt an mit zwei Sprachen auf, so ist eine dieser Sprachen meistens auch ihre Um- gebungssprache. In den ersten drei Lebensjahren erlernen die Kinder dabei die Grammatik der zweiten Sprache noch genauso einfach und intuitiv wie jene der Erstsprache. Mit jedem zusätzlichen Jahr fällt das schwerer. Erst eins, dann zwei … Beim Erwerb einer Zweitsprache wird auf den Grundlagen der 22
Mehrsprachigkeit fördert gleichzeitig trainiert und ausgebaut. in der Sprachverwendung (so kann viele Kompetenzen Weil diese Gehirnbereiche nicht nur z. B. eine Sprache zu Hause gespro- Frühe Mehrsprachigkeit fördert die Sprache steuern, sondern z. B. chen werden, die andere außerhalb Kompetenzen, die über die reine auch für die Konzentrationsfähigkeit, der eigenen vier Wände) lernen sie Sprachbeherrschung weit hinaus- die Impulskontrolle, das Lösen von noch schneller, die Sprachen ab- gehen. Warum das so ist? Da die Konflikten oder das Einfühlungs hängig von der Gesprächssituation Kinder zwischen den Sprachen vermögen zuständig sind, werden oder ihrem Gesprächsgegenüber umschalten, werden unterschiedliche auch diese Fähigkeiten besser einzusetzen. Bereiche im kindlichen Gehirn, die ausgebildet. Wie gut die Sprachen für die Steuerung wichtiger Systeme beherrscht werden, zwischen denen Die zu erlernende Sprache sollte zuständig sind, schon sehr früh man hin- und herschaltet, ist dafür im gesamten Tagesablauf und zu nicht von Bedeutung. verschiedenen Anlässen „erlebt“ werden: und das intensiv und Dank ihres Sprachverständnisses beständig. Erfahren Kinder eine bringen mehrsprachig aufgewachsene Sprache als nützliches Werkzeug, Menschen später oft auch mehr benutzen sie diese von ganz alleine. Verständnis für andere Kulturen und globale Zusammenhänge auf. Auch eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber verschiedenen Lernen durch Erleben Sprachen im persönlichen Umfeld Eltern sollten unbedingt in der motiviert zum Spracherwerb. Sprache sprechen, die sie am besten Wertschätzung gegenüber anderen beherrschen und in der sie sich und Sprachen vermitteln wir z. B., indem ihre Gefühle am besten ausdrücken wir Kinderlieder in verschiedenen können. Nur so kann ein Kind zu Sprachen singen oder gemeinsam Hause in der täglichen Kommunika- mehrsprachige Bilderbücher lesen. tion die Grundlagen seiner Erstspra- che erlernen und seine sprachliche Richtiges Wort – falsche Sprache? Identität entwickeln. Ein Vermischen der Sprachen ist Kinder begreifen schon sehr früh, bei mehrsprachigen Kindern ganz dass sie verschiedene Sprachen ver- normal. Begriffe, die in der einen wenden. Durch eine klare Trennung Sprache fehlen, werden einfach 23
durch passende Wörter aus der mögliche Entgegnung auf „My head – schon in der Kindergruppe, im anderen Sprache ersetzt. Man nennt tut weh“ wäre zum Beispiel: „Dein Kindergarten oder in der Schule das auch Code-Switching oder Kopf tut weh. Zeig mir, wo dir – sowie das Erleben verschiedener Mixing. Je größer der Wortschatz dein Kopf wehtut?“ Das gilt auch Sprachen in verschiedenen Zusam- wird, umso seltener wird gemixt. für Fehler in der Satzstellung, der menhängen fördert die Sprach- Aussagen wie „My head tut weh“ Fallbildung oder etwa bei der Zu- entwicklung jedes Kindes. Und es sind kein Zeichen dafür, dass ein ordnung des richtigen Geschlechts. schafft Verständnis im Umgang mit Kind den sprachlichen Durchblick anderen Kulturen: in Zeiten der verloren hat. Sie zeigen, dass es Sprachvielfalt in zunehmenden Globalisierung eine seine bisher erworbenen Sprach- der Gruppe bringt’s wichtige Grundlage für beruflichen fertigkeiten sprachübergreifend Um miteinander zu kommunizieren, Erfolg. einsetzen kann, um die Kommuni- brauchen wir eine gemeinsame Ver- kation aufrechtzuerhalten und sich kehrssprache. Das heißt aber nicht, Zudem sichert Mehrsprachigkeit mitzuteilen. Solche kreativen Satz- dass andere Sprachen in der tägli- die Chancengleichheit von Kindern bildungen korrigiert man am besten chen Begegnung keinen Raum haben mit nicht-deutscher Mutter indirekt, indem man die Sätze mit dürfen. Ganz im Gegenteil! Die sprache. Dürfen sie ihre Erstsprache dem richtigen Wort wiederholt. Eine Begegnung mit fremden Sprachen benutzen, so können sie auf vor- handene sprachliche Fähigkeiten zurückgreifen und lernen schneller Deutsch. Und nachdem sie sich und ihre Sprache als dazugehörig erleben, macht Deutschsprechen auch viel mehr Spaß. „Mit dem Wissen um andere Sprachen erweitern, verfeinern und bereichern Kinder ihre eigene Ausdrucksweise.“ Karin Weitzer, Österreichisches Sprachen-Kompetenz-Zentrum 24
IHRE ORTHOPTISTIN IHR ORTHOPTIST NÜTZLICHE LINKS UND INFORMATIONEN www.oesz.at www.kinder-4.ch Österreichisches Sprachen- 25 Kurzfilme zur frühen Sprach- Kompetenz-Zentrum: nationales bildung inkl. Begleitmaterialien Fachinstitut zur Weiterentwicklung des Sprachenlernens und -lehrens www.saferinternet.at Unterstützung von Kindern, sprachportal.integrationsfonds.at Jugendlichen, Eltern und „Mein Sprachportal“ des öster- Lehrenden beim sicheren und reichischen Integrationsfonds: Lehr- verantwortungsvollen Umgang und Lernmaterialien zur frühen mit digitalen Medien sprachlichen Förderung IHR KIND HAT PROBLEME BEIM LESEN, SCHREIBEN UND RECHNEN! www.roessl-linguistik.at Es muss nicht immer Barbara Rössl-Krötzl: freie Legasthenie sein. Sprachwissenschaftlerin und Hilfswerk Eine mögliche Ursache können Sehfehler sein. Instrumentalpädagogin Kinderbetreuungskompass Orthoptist*innen sind Bestellen Sie den kostenlosen Spezialist*innen für Kinder www.bakabu.at Ratgeber mit Informationen sowie mit Sehproblemen. Bakabu, der lustige Ohrwurm, Anlaufstellen in Ihrer Region trägt mit heiteren Liedern ganz unter 0800 800 820 Mehr Informationen unter nebenbei zur frühen sprachlichen (gebührenfrei) oder unter www.orthoptik.at Förderung bei office@hilfswerk.at www.familienberatung.gv.at Sprechen macht schlauer. Informationen und Kontaktdaten Die Inhalte dieser orthoptik austria Verband der Orthoptistinnen und der rund 400 Familienberatungs- Broschüre finden Sie auch Orthoptisten Österreichs stellen in Österreich auf www.hilfswerk.at 25
IHR HILFSWERK: ADRESSEN – KONTAKTE – ÜBERBLICK Das Hilfswerk bietet regional abgestimmt eine Fülle von Dienstleistungen rund um Kinderbetreuung, Lernen, Jugend und Familie, aber auch rund um Senioren und ältere Angehörige, Gesundheit und Sicherheit, Pflege und Betreuung, Soziales und Krisen an. Erkundigen Sie sich in Ihrem Bundesland! Rufen Sie gebührenfrei aus ganz Österreich 0800 800 820 oder besuchen Sie uns unter www.hilfswerk.at IN SALZBURG IM BURGENLAND Hilfswerk Salzburg Burgenländisches Hilfswerk Wissenspark Urstein Süd 19/1/1, Robert-Graf-Platz 1, IN WIEN 5412 Puch bei Hallein 7000 Eisenstadt Wiener Hilfswerk Tel. 0662/43 47 02-0, Fax -9022 Tel. 02682/651 50, Fax -10 Schottenfeldgasse 29, 1072 Wien office@salzburger.hilfswerk.at office@burgenland.hilfswerk.at Tel. 01/512 36 61, Fax -33 info@wiener.hilfswerk.at IN DER STEIERMARK BUNDESGESCHÄFTSSTELLE Hilfswerk Steiermark Hilfswerk Österreich IN NIEDERÖSTERREICH Paula-Wallisch-Straße 9, Grünbergstraße 15/2/5, Hilfswerk Niederösterreich 8055 Graz 1120 Wien Ferstlergasse 4, 3100 St. Pölten Tel. 0316/81 31 81-0, Fax -4098 Tel. 01/40 57 500, Fax -60 Tel. 05 9249, Fax -30300 office@hilfswerk-steiermark.at office@hilfswerk.at office@noe.hilfswerk.at IN KÄRNTEN IN OBERÖSTERREICH Hilfswerk Kärnten Oberösterreichisches Hilfswerk 8.-Mai-Straße 47, HILFSWERK Dametzstraße 6, 4010 Linz 9020 Klagenfurt am Wörthersee SERVICEHOTLINE Tel. 0732/77 51 11, Fax -200 Tel. 050 544 00, Fax -5099 0800 800 820 office@ooe.hilfswerk.at office@hilfswerk.co.at 26
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