Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur

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Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur
Fr. 18.—
                          Zeitschrift für Architektur, Planung und Design

                                                                                              6 - 7 / 15

     Stadtgewinn: Barbara Busers ‹Baubüro in situ ›                                    Seite 32

     Atelier Oï löst Luxusprobleme                       Seite 22

     Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur                                  Seite 12

01_Cover_6-7-15.indd 3                                                                     02.06.15 10:35
Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur
Formstudien für die Haute
                                                                                                                                  Couture zum Schreiben:
                                                                                                                                  Spitzer, Tintenfass und
                                                                                                                                  Brieföffner, in Zusammen-
                                                                                                                                  arbeit mit Hieronymus-
                                                                                                                                  Kreativdirektor Thorsten
                                                                                                                                  Traber entworfen.

           Wenn Geld
           keine Rolle spielt
           Briefbox für 12 000 Franken und lederne Hängematte: Atelier Oï arbeitet auch für nobelste Marken.
           Die Designer im Gespräch über Form und Preis, Marke und Image, Material und Haltung.
           Text: Lilia Glanzmann, Fotos: Anja Schori

                            ‹ Le Gemme › für Bulgari: Aus Volumenmodellen werden später Flakons.

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Die Hängematten-Aufhängung:
                                  funktional bei den ersten
                                  Prototypen und später in goldener
                                  Louis-Vuitton-Manier.

                                  Entwurf und fertiges Produkt: Atelier Oïs Hängematte und Hocker für Louis Vuitton.

                                                   Hochparterre 6-7 / 15 — Wenn Geld keine Rolle spielt                23

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Bulgari, Louis Vuitton, Hieronymus – Atelier Oï entwirft           schungsmoment. Es handelt sich durchwegs um schwere
                                  unter anderem für exquisite Marken. Damit macht sich               Stücke, die durch den Sockel aber leicht wirken – wer sie
                                  das Designbüro aus La Neuveville nicht nur Freunde: In             vom Tisch hebt, wird verblüfft.
                                  der Rückschau auf die Ausstellung ‹ 100 Jahre Schweizer            Patrick Reymond: Auch die Funktion sollte nicht auf den ers-
                                  Design › des Museums für Gestaltung Zürich schrieb die             ten Blick ersichtlich sein. Wichtiger war uns die Haptik, es
                                  NZZ über die Hängematte und den Hocker von Atelier Oï              sollen Objekte sein, die jeder gerne anfasst. Damit spie-
                                  für Louis Vuitton: « Wenn hundert Jahre Tüfteln, Forschen          geln wir die Freude am Analogen wider – sich in unserer di-
                                  und Entwickeln im Luxus-Schnickschnack gipfeln, fragt              gitalen Welt die Zeit zum Schreiben von Hand zu nehmen,
                                  man sich unwillkürlich: Wars das jetzt ? » Tatsächlich ist         ist wahrer Luxus.
                                  das Verhältnis von Luxus und Industrial Design paradox:            Wieso fällt der Füllfederhalter durch seine klassische
                                  Luxus fokussiert auf das Exklusive, Industrial Design da-          Formensprache aus der Reihe ?
                                  gegen auf die grosse Stückzahl.                                    Patrick Reymond: Er kam als letztes Stück hinzu und war
                                       Zwar sind zurzeit weniger Bling-Bling und goldglän-           funktional die anspruchsvollste Aufgabe, da das Innen-
                                  zender Lack gefragt als Manufaktur und Handwerk. Ist es            leben eines Füllfederhalters kompliziert ist. Er ist das in-
                                  ebendieser Zugang über das Material, der das Kollektiv             dustrielle Objekt des Sortiments, wird als einziges nicht
                                  für die Luxusindustrie interessant macht ? Wie geht Ate-           in einer Manufaktur gefertigt und erscheint dementspre-
                                  lier Oï beim Entwerfen von Luxusobjekten vor ? Welche              chend klassischer.
                                  Auftragsbedingungen gelten ? Und welche Haltung neh-               Das Sechserpack Bleistifte verkauft Hieronymus
                                  men sie zur Luxusindustrie ein ? Ein Gespräch mit Armand           für 36 Franken. Wie veredelt man ein Verbrauchsprodukt ?
                                  Louis und Patrick Reymond in der Cafeteria des Moïtels,            Patrick Reymond: Wie hochwertig ein Bleistift ist, hängt
                                  ihres Ateliergebäudes am Bielersee.                                von der Mine ab. Zudem entwarfen wir ein Verlängerungs-
                                                                                                     stück, das es ermöglicht, den Bleistift aufzubrauchen.
                                       Form und Preis
                                       Haute Couture zum Schreiben: Spitzer, Tintenfass                   Marke und Image
                                  und Brieföffner, entworfen von Atelier Oï für Hieronymus,               Die LVMH-Gruppe, die Rechte an mehr als sechzig
                                  eine neue luxuriöse Schweizer Papeteriemarke. Ihr Sor-             Luxusmarken hält, versuchte in den letzten Jahren, das
                                  timent koppelt puristische, klassische und eklektische             Sattlerhaus Hermès, das für hochwertiges Handwerk
                                  Elemente zu einem schlichten Gesamtkonzept. Verkauft               steht, zu übernehmen – vergeblich. Eine der sechzig Mar-
                                  werden die Schreibwaren online und in einem edlen Lokal            ken ist Louis Vuitton, ein traditionsreiches Label, bei dem
                                  an der Zürcher Bärengasse. Dort, wie auch im Onlineshop,           die Qualität den Preis in jüngster Zeit aber nicht mehr im-
                                  gibt es keine schillernden Oberflächen und Katzengold,             mer rechtfertigte. Vor drei Jahren hat Louis Vuitton dann
                                  sondern satte Schlichtheit. Der silberne Brieföffner kos-          eine Reihe von ‹ Objets nomades › präsentiert, die mit co-
                                  tet 1600 Franken, eine Briefbox aus anthrazitfarbenem              gnacfarbenem Barenialeder, weissem Sattlerstich und
                                  Horn 12 000 Franken und der Spitzer aus Bronze 620 Fran-           nobel zurückhaltender Formensprache stark an Hermès
                                  ken – alles wunderschöne Dinge, die zeitgemässe Ästhetik           erinnern. Entworfen wurden sie von neun internationa-
                                  mit Handwerkskunst verbinden.                                      len Designbüros, darunter Atelier Oï mit einer ledernen
                                  Hieronymus verkauft alltägliche Dinge als Kunstobjekte.            Hängematte und einem faltbaren Hocker. Inzwischen
                                  Wie lautete die Aufgabe für den Entwurf ?                          hat auch Aurel Aebi die Cafeteria betreten und beteiligt
                                  Patrick Reymond: Wir wurden beauftragt, eine gestalteri-           sich am Gespräch.
                                  sche DNA für die Firma zu entwerfen. Es bestand bereits            Was bedeutet es, für eine Marke mit ambivalentem
                                  ein Sortiment an hochwertigen Papieren und Notizbü-                Image zu entwerfen ?
                                  chern. Dazu sollten wir die passenden Schreibwaren ent-            Aurel Aebi: Als Louis Vuitton uns kontaktierte, waren wir
                                  werfen. Das Ziel war eine diskrete, subtile Linie, die hap-        zunächst unsicher. Doch die Aufgabe überzeugte uns:
                                  tisch und visuell klar bleibt, ohne ein Logo zu zeigen.            die Marke durch sorgfältiges Handwerk zu stärken und
                                  War es Teil des Briefings, extra Teures zu entwerfen ?             die Langsamkeit des Reisens wiederzuentdecken. In der
                                  Armand Louis: Der Preis war kein Thema. Wir sollten mit            Küche gibt es denselben Trend: Wir leisten uns natürli-
                                  echten Materialien arbeiten. Diese definieren im Voraus            che Produkte und gärtnern selbst, um unseren Alltag zu
                                  hohe Herstellungskosten und einen entsprechenden Ver-              entschleunigen.
                                  kaufspreis. Kleine Serien von fünfzig bis hundert Stück            Patrick Reymond: Ich mag keinen Luxus, der sich darauf
                                  waren gefragt, handgefertigt in Manufakturen in und um             beschränkt, billigen Plastik mit Strasssteinen und einem
                                  die Schweiz.                                                       grossen Logo zu verzieren. Für ein Produkt lediglich unse-
                                  Dennoch: Was legitimiert den Preis von 12 000 Franken              ren Namen herzugeben, kommt für uns nicht in Frage. Wir
                                  für eine Briefablage ?                                             wollen fundiert recherchieren und entwerfen können für
                                  Armand Louis: In die Gestaltung der Preise haben wir kei-          einen Auftrag.
                                  nen Einblick. Klar ist, dass Objekte wie der Bronzespitzer,        Aurel Aebi: Nichtalltägliches interessierte uns schon im-
                                  der silberne Brieföffner oder die Hornbox in der Herstel-          mer. ‹ Les Danseuses › beispielsweise, textile Derwische,
                                  lung anspruchsvoll sind.                                           die wir für die Eröffnung unseres Moïtels entwarfen. Wir
                                  Trieben auch formale Entscheide                                    sehen uns als Gestalter in verschiedenen Bereichen und
                                  den Preis in die Höhe ?                                            Massstäben. Auch wenn man immer versucht, uns zu ka-
                                  Armand Louis: Bei diesen Objekten nicht. Ohnehin entwar-           tegorisieren, sind wir nicht nur in einer Domäne zu Hause.
                                  fen wir weniger formal als typologisch. Wir gestalteten            Wir lassen uns keine Etikette aufdrücken, Atelier Oï sieht
                                  eine Familie: Jedes Objekt sieht anders aus, wenn sie aber         immer wieder anders aus.
                                  nebeneinander auf einem Pult liegen, erkennt man das               Wie erfüllten Sie dann den Auftrag, die Marke
                                  Universum, in dem alle beheimatet sind. Wichtig waren              Louis Vuitton zu stärken ?
                                  uns hochwertige Materialien wie Leder, Bronze, Silber,             Patrick Reymond: Indem wir das Leder anders behandelten
                                  Horn, die wir kombinierten und die zu einem grossen Teil           als ein traditioneller Sattler. Statt es zu vernähen, falteten
                                  die Formensprache definierten – wie immer, wenn wir ar-            wir es zu Papilloten. Das ist aufwendiger, erfordert Kunst-
                                  beiten. Ein wichtiger Aspekt der Kollektion ist das Überra-        handwerk und ist damit teuer herzustellen.                   →

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Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur
Patrick Reymond, Aurel Aebi und Armand Louis im Treppenhaus ihres Moïtels in La Neuveville.

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Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur
→ Und wie viel Atelier Oï steckt                               Wie spielen Material und Form der Flakons zusammen ?
                                     in den vergoldeten Nieten,                                     Armand Louis:  Erst entwarfen wir Glasfläschchen, die an
                                     mit denen die Lederstreifen verstärkt sind ?                   Totempfähle erinnerten. Ein wichtiger Teil ist allerdings
                                     Aurel Aebi: Bei einer Auftragsarbeit gibt es immer Details,    Bulgaris Geschichte einer Duftreise um die Welt. Nun imi-
                                     hier etwa die goldenen Nieten und Schliessen von Louis         tiert die Form des Flakons eine antike Amphore, in der Rei-
                                     Vuitton, bei denen sich die Marke durchsetzt – schliess-       sende einst die kostbarsten Güter transportierten.
                                     lich sind wir Auftragnehmer. Zum Ausgleich leisten wir         Aurel Aebi: Bei diesem Projekt agieren wir eher als Szeno-
                                     uns immer wieder weniger kommerzielle Projekte, bei de-        grafen denn als Designer.
                                     nen nur die Materialkosten gedeckt werden und alle ge-         Hergestellt wurden die Flakons nun aber aus Plastik –
                                     stalterischen Entscheide bei uns liegen – zum Beispiel die     passt dies noch zu Ihrem Entwurf ?
                                     Ausstellung ‹ 1000 Frauen für den Frieden ›.                   Patrick Reymond: Es sind Serienprodukte. Die mundgebla-
                                     Dieses Projekt liegt jedoch                                    senen Glasfläschchen wären aber zu teuer geworden. Na-
                                     zehn Jahre zurück.                                             türlich hätten wir unsere Haltung gerne konsequent um-
                                     Gibt es aktuelle Beispiele ?                                   gesetzt. Doch wir standen so weit wie möglich dafür ein.
                                     Aurel Aebi: Ein grosser Teil unserer Arbeiten sind nicht       Erinnerung und Seele sind Begriffe, die mir wichtig sind.
                                     kommerzielle Projekte, die sehr vielseitig sind: Architek-     Eine Diskussion über Ökologie im Luxussegment
                                     tur, Szenografie und Museografie sind Bereiche, in denen       führt dagegen kaum jemand. Wie lassen
                                     wir tätig sind. Aktuelle Beispiele sind die Szenografie an     sich im Hochpreissegment Ressourcen schonen ?
                                     der Biennale Venedig 2015 in Zusammenarbeit mit Moro-          Patrick Reymond: Luxus verkörpert das Gegenteil der Weg-
                                     so, Arbeiten für Museen wie das Musée international de la      werfmentalität. Es geht darum, Objekte zu schaffen, die
                                     Croix-Rouge et du Croissant-Rouge in Genf oder Entwürfe        man ein Leben lang behält. Das Erinnerungswürdige an
                                     wie das Kirchenmobiliar in der Kirche Amsoldingen.             einem Produkt soll einen hemmen, es je wegzuwerfen.
                                                                                                    Zum Abschluss: Was verstehen Sie unter Luxus ?
                                          Material und Haltung                                      Patrick Reymond: Wir bewegen uns selbst nicht in solchen
                                          Bulgaris Parfümkollektion ‹ Le Gemme › will einen ex-     Kreisen – Angelina Jolie kann sich unsere Hängematte
                                     klusiven Kreis bedienen. « Inspiriert von der Tradition        leisten, wir nicht. Luxus bedeutet für mich nicht, viel für
                                     der Juwelierkunst und deren Werten, dem Streben nach           etwas bezahlen zu müssen. Ein altes Kristallglas, das ich
                                     Einzigartigkeit und handwerklicher Perfektion », schreibt      im Brockenhaus finde, ist für mich wertvoll. Viele tradi-
                                     Bulgari über die Kollektion. Die Flakons hat Atelier Oï ent-   tionelle Schweizer Firmen fertigen Luxusprodukte, auch
                                     worfen, eine Amphore mit Standfuss, verziert mit einem         wenn sie diese nicht unter diesem Aspekt verkaufen –
                                     Verschluss, der Bulgaris traditionellen Cabochon-Schliff       Freitag etwa oder der Möbelmacher Röthlisberger. Hier
                                     zitiert. Jeder der sechs Düfte trägt einen andersfarbigen      in der Cafeteria sitzen wir auf dem Modell ‹ Allumette › aus
                                     Deckel und exotische Namen wie ‹ Ashlemah › oder ‹ Lilaia ›.   Holz, nicht auf pflegeleichtem Plastik oder Metall – wir ha-
                                     Ein Fläschchen à hundert Milliliter kostet 350 Franken.        ben Freude an schönen Dingen. Und an Patina.    ●

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                        Mondaine Watch Ltd | T 058 666 88 33 | swissmarket@mondaine.ch | www.mondaine.com | www.mondaine-helvetica.com                                              D
                                                                                                                                                                                    h
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Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur Stadtgewinn: Barbara Busers Baubüro in situ Seite 32 Atelier Oï löst Luxusprobleme Seite 22 Bürgenstock-Hotels: Rendite vor Baukultur
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