Ligamentäre Knieverletzungen - Richard Glaab, LA Traumatologie/Sporttraumatologie, KS Aarau Davos 2013
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Ligamentäre Knieverletzungen Richard Glaab, LA Traumatologie/Sporttraumatologie, KS Aarau Davos 2013
Das Knie mangelnde ossäre Kongruenz Bänder für Stabilität sehr wichtig Persistierende Instabilität -> Funktionseinschränkung
S. Bollen: Epidemiology of knee injuries: diagnosis and triage. In: Br J Sports Med 34, 2000, S. 227–228.
Epidemiologie VKB Inzidenz VKB 0,5 bis 1/1000 Sportunfälle (Sprünge, plötzliche Drehbewegungen) Handball, Basketball, Fussball, Ski etc 2-8x Frauen als Männer 72-95% ohne Kontakt: - Landen nach Sprung - Plötzliches Stoppen/Drehbewegungen Junge aktive Patienten – hoher funktioneller Anspruch volkswirtschaftliche Relevanz
Etwas Statistik UVG ca 6350 VKB gesamt bis 12000 in CH • 73% Sport und Spiel • 10% Berufsunfälle • 17% sonstige Tätigkeiten Pro VKB 21 000 sFr • Heilkostenanteil 8350 sFr 200 bis 250 Millionen sFr • 40% Heilkosten 47% Taggelder Ohne einige bestimmte Sportarten wären Kreuzbandrupturen ein relativ seltenes Trauma Medical board: Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich: Ruptur des vorderen Kreuzbandes: operative oder konservative Behandlung? 30. Juni 2009
Epidemiologie im Profiskisport French national Team 1980-2005 379 athletes, female 28,5% vs 27,2% 8,5 ACL/100 skier seasons Reinjury rate 19% Prevalence bilateral injury 30,5% 39% additional ACL surgery (mean 2.4 procedures) Career length with ACL injury 7.5 vs 4.5 yrs More in the world Top 30 Rates constant over time Pujol et al, AJSM 2007
Mechanismus Ohne Kontakt • Leichte Knie und Hüftflexion • 80-100% Belastung • Innen oder Aussenrotation • Valgus (maximale Spannung) • Fuss fixiert • Körperschwerpunkt hinter Knie • maximale Quadricepsanspannung reicht um VKB zu zerreissen Ski • Knie stark flektiert, „hip below knee“ • Unterschenkel innenrotiert Unhappy triad • VKB, MCL, IM • Gegner von lateral
Problem Diagnosestellung häufig mit erheblicher zeitlichen Verzögerung • US-Studien: 2 bis 21 Monate mehrerer Ärzte bis zur richtigen Diagnose nötig DD: Meniskusriss, Kniedistorsion, Seitenbandzerrung Kreuzbandrupturen werden initial unterdiagnostiziert
Diagnostik Anamnese - Mechanismus, Stabilität, Belastbarkeit, Voroperationen, Anforderungsprofil Untersuchung - Erguss, Bandstabilität, Hämarthros - Funktionstests akut schwierig - Seitenvergleich Röntgen - ap/lat, evt. Patella tangential - direkte oder indirekte Frakturzeichen => CT MRI - Kniebinnenläsion, Begleitläsionen
Hämarthros
Schubladenphänomene Vordere Schublade 90° (Spez: 22-70%) Lachman Test 20-30° (78-99%) (ischiocrurale Muskulatur) Objektivierbar: KT 1000, Rolimeter
Subluxationstest Dynamisch Pivot shift akut schmerzhaft
Kollateralbänder Varus-Valgusstress (0°/30°) Seitenvergleich Seitenbandinstabilität: + bis zu 5mm ++ 5–10mm +++ 10–15mm
Röntgen: Indirekte Frakturzeichen
Indirekte Zeichen von Bandverletzungen Segond Fraktur- VKB reverse Segond Fraktur - HKB
ossäre Bandverletzungen Eminentiafrakturen - VKB
ossäre Bandverletzungen Eminentiafrakturen - HKB
MRI Bänder, Menikus, Knorpel
Bone Bruise indirekter Hinweis
Und nun? Anamnese: jung, Trauma, Kniedistorsion, (instabil) Klinik: Hämathros => Kniebinnenläsion: nicht zuwarten -> abklären Bildgebung: keine Fraktur Softorthese/Verband MRI zu Bilanzierung Therapie
Verletzungen der Kollateralbänder medial viel häufiger als lateral häufig Kombinationsverletzungen MRI: Grad 1 Dehnung Grad 2 Teilruptur Grad 3 Ruptur
Mediales Kollateralband Valgusstress und Außenrotation Kontaktsportarten Domäne der funktionellen Therapie => Orthese zum Valgisationsschutz ca 6 Wochen Operationsindikation: disloz. knöcherne Ausrisse, dislozierte Avulsionen multiligamentäre Kombinationsverletzungen funktionell relevante chronische Valgusinstabilitäten Methoden: direkte Naht, Refixation, Rekonstruktion
Laterales Kollateralband isolierte Rupturen selten, oft verpasst mässige Prognose Varus-Innenrotationstraumen Dial Test Meist mit VKB oder HKB und funktionellen posterolateralen Komplex:, Popliteussehne, Lig popliteofibulare, bis zu Tractus iliotibialis, M. biceps femoris, N. peroneus comm Selten konservativ: isolierte Grad-1 Läsionen, isolierte Rupturen der Popliteussehne, knöcherne Popliteussehnenausrisse bei Kindern
Operative Therapie LCL Möglichst primär direkte Naht oder Reinsertion ggf augmentiert Komplexe Rekonstruktion bei chronischen Instabilitäten
VKB Meist beforschte Struktur am Knie Häufige Verletzung und viele Kontroversen Indikation OP Zeitpunkt Implantat Technik Rehabilitation
Spontanverlauf • Band heilt allenfalls als instabile Narbe • Proprioception gestört/nicht vorhanden • VKB Kaskade nach Daniel Ruptur -> Instabilität -> Meniskus/Knorpelverletzung -> Arthrose • Meniskusläsionen 1 Jahr bis 40%, 10 Jahre bis 80%
Gonarthrose • Arthrose 15-20 Jahre früher als primäre Arthrosen (Symptomatische) Gonarthrose: • konservativ nach 20 Jahren bei 60 bis 100 % • nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes 14 bis 26% • bei zusätzlicher Meniskektomie 37 % H. Louboutin u. a.: Osteoarthritis in patients with anterior cruciate ligament rupture: a review of risk factors. In: Knee 16, 2009, S. 239–244
Indikation VKB • VKB Plastik behandelt nur die vordere Instabilität nicht die Meniskus und Knorpelschäden die beim Unfall entstanden sind • Propriozeption wird nicht voll wiederhergestellt • Anpassen der Aktivität kann ausreichend kompensieren und ggf Sekundärschäden (Meniskus/Knorpel) vermeiden
Risikofaktoren für Sekundärschäden • Giving ways • Pivot shift • > AP Translation • Hohes Aktivitätslevel • Kindesalter • Primäre Begleitschäden • Patient
Erfolgreiche konservative Therapie Abklärung und spezifische Therapie! Physio evt Orthese Kompensation (unabhängig vom Aktivitätsgrad) • Zusammenhang mit erhaltener Propriozeption • Pat. stabil subjektiv und objektiv • eher bei isolierten Verletzungen Anpassung des Belastungsniveaus • Andere Sportarten • Im Alltag
OP-Indikation Individueller Entscheid • Symptomatische Instabilität - giving ways – im Alltag • Sportler bzw hoher Anspruch/körperliche Arbeit • Refixierbare Meniskusläsionen, komplexe bzw Kombinationsverletzungen • Kinder/Jugendliche • Sekundärschäden • Pivot Shift • ap Translation im Seitenvergleich mehr als 3 mm • Sprungtest
Ältere Patienten Immer aktiver und anspruchsvoller per se keine Kontraindikation Arthroseprävention tritt in den Hintergrund Pangonarthrose als Kontraindikation Ggf mit Umstellungsosteotomien bei unikompartimentaler OA
Idealer Patient primär hochgradig instabil Begleitläsionen (zB dislozierter Korbhenkelriss) jung hoher Anspruch Hohe Motivation Gute Compliance
Wann operieren? akut • innert der ersten ca 3-4 Tage • Patient in gutem Trainingszustand • einmalige Rehabilitation • weniger Arbeitsausfall • sorgfältige Patientenselektion !!! • Logistik sekundär • sobald Knie abgeschwollen, reizlos und voll beweglich • meist 4-8 Wochen • Pers. Instabilität • Verlust Muskelmasse • Arbeitsausfall • Standard möglichst nie im Reizzustand • Second hit – Arthrofibroserisiko! • allenfalls bei Blockade, Korbhenkel
Wie operieren? Augmentation/Naht • Wenig erfolgreich (ca 60% Versager) • nur bei ossären Ausrissen • neue Ideen (Ligamys) healing response • bei jungen Pat mit frischen femoralen Abrissen • Long term? Ersatzplastik • Standard • Trotz Primärstabilität nur ein „Platzhalter“ • braucht viel Biologie • Kaum Propriozeption
Welches Transplantat Semitendinosus +/- Gracilissehne (STG), Hamstrings • Geringe Entnahmemorbidität • Initial weniger stabil, langsameres Einheilen • Vorübergehende Schwächung der Agonisten • Aktuell wohl am meisten verbreitet Patellarsehne (BTB) • schnelles Einheilen, sehr stabil • mehr Entnahmemorbidität (Patellafraktur) • anteriorer Knieschmerz
Transplantat- Alternativen Quadricepssehne • Schwächung Streckapparat • Entnahmemorbidität • eher Reserve/Revision Allograft • keine Entnahmepathologie • Pat etwas schneller fit • Heilt langsamer, etwas häufiger Versager, Instabilität • Infektionsgefahr? • Verfügbarkeit und Kosten (ab 750€) • eher Reserve/Revision Kunststoff • Versagen mit Komplikationen (Synovitis) • neue Ansätze (LARS Augmentation)
Fixation Stabil • Press fit, kortikal eher gelenknah Technik: • Transfixation (Transfix, Rigidfix) • Kortikal (Button) • Interferenzschrauben • Hybridfixation • Implantatfrei
Individuelle Anatomie
Anatomie der VKB-Ansätze
Double bundle • Biomechanisch überlegen • Dünne Implantate • funktionell-subjektiv whs gleich • Eher in high volume Zentren, wissenschaftlich
Ziel Anatomische Rekonstruktion des Footprint • (aktuell SB 65-85%, DB 80-90%)
Aktueller Standard Anatomische Einzelbündel Rekonstruktion • STG (8-10mm Durchmesser), BTB • Tibial im belassene Stumpf zentral, lat Vorderhorn • Femoral zw AM und PL Ansatz • Femoral einfacher durch AM Portal (cave mediales Femurkondyl) • möglichst „Pressfit“ • stabile Verankerung • Funktionelle Nachbehandlung (Stufenschema)
Sonderfall Kinder Wachsendes Skelett Epiphysenfugen bis ca 12 Jahre häufig ossäre Ausrisse heavy user, keine Anpassung der Belastung => operieren Cave: keine transepiphysiale Fixation, kein BTB Bei korrekter Technik keine Wachstumstörungen
Komplikationen Infektion: 0,8% Thrombose: 1,2% Bewegungseinschränkung/Arthrofibrose (10°-125°) • abhängig vom Reizzustand nicht OP-Zeitpunkt Impingement: Cyclops Reruptur: bis 10% (52% iatrogen) • Hauptgrund Fehllagen > erneutes Trauma
Nachbehandlung Phasengerecht 1. 0-2 Wo: Reduktion der postoperativen Schwellung 2. Ca Wo 3-12: Wiederherstellung der Beweglichkeit 3. Ca Mo 3-6: Kraftaufbau 4. Wiedereingliederung in den Sport Soweit wie möglich funktionell, wenig Evidenz
Return to play Kritische Phase für Rerupturen Monat 3-5 (Umbauphase) Abhängig vom Trainingszustand und Sportart Leichtes Laufen, Velo (Ebene) ca 3 Monate Sportfähigkeit nach 6-9 Monaten Individuell, Testen (Sprungtests, Cybex, 80%) wenig Evidenz
Prävention Aufklärung, Bewegungsmodifikation, Propriozeptionstraining - Gute Studienlage - bis -89% Knieverletzungen
HKB und kombinierte Verletzungen • Selten • Häufig übersehen • Typisch Knieanprall (Motorrad), Sturz aufs Knie • bis 40% Sportunfälle, Hyperextension • Sehr oft kombiniert mit posteromedialen/posterolateralen Verletzungen
Anatomie HKB 2 funktionelle Bündel (AL, PM) Stabilisiert primär in Beugung Streckung extraartikulär agonisiert Posterolaterale Gelenkecke • LCL • Popliteussehne • Lig politeofibulare Posteromediale Gelenkecke • MCL • Hinteres Schrägband • Posteromediale Kapsel Zantop, Petersen Arthroskopie 2010
Diagnostik HKB nie isoliert betrachten Klinik: Prellmarke Tuberositas tibiae, dorsales Hämatom
HKB Spontane hintere Schublade (posterior sag sign) Hintere Schublade reverse Pivot shift, etc
Kombinierte Instabilitäten Schubladentest mit Innen und Aussenrotation Aussenrotations-Asymmetrietest nach Cooper dial test in 30 und 90° Flexion
Bildgebung Stress Aufnahmen • Telos oder Bartlett • Seitenvergleich • > 5mm = hintere Instabilität • > 10 mm = OP Indikation • Aufnahmen mit anteriorem Stress • Fixierte hintere Schublade? Beinachsen MRT keine funktionelle Aussage • Verletzungsmuster, Begleitverletzungen
Konservative Therapie • HKB gut vaskularisiert • Heilungspotential isolierter Verletzungen • Statisch PTS (posterior tibial support) Schiene • ggf dynamisch: Jack Brace • 3 Monate • Physio in Bauchlage
Operative Therapie Unversorgte höhergradige Instabilitäten • Knorpelschäden medial betont Akut • Frühzeitige Naht der peripheren Verletzungen • Ggf einzeitige Rekonstruktion HKB Chronisch • Plastiken nötig • Bei Achsendeviation ggf mit Umstellungsosteotomie
HKB Techniken Single vs double bundle Transtibial vs tibial inlay Techniken STG, BTB, Quadriceps Wichtig äusserst vorsichtige Nachbehandlung Physio in Bauchlage, PTS Schiene
Komplexe/kombinierte Instabilitäten Häufig übersehen, missverstanden oder unterschätzt Nicht mittherapiert Grund für Therapieversagen Sekundär häufig schwieriger zu versorgen Zeitfenster ca 2-3 Wochen
Antero- /posteromediale Instabilität • VKB bzw HKB + MSB • anteromedial häufig - posteromedial selten Therapie VKB/(HKB) plus: • Akute: Grad 1 und 2 eher konservativ • Grad 3 oder chronisch Naht bzw Plastik
Anterolaterale Instabilität • selten • VKB und posterolaterales Eck • LSB, Popliteus, L.politeofibulare Therapie VKB plus: • Akut: posterolaterale Naht • Chronisch: Plastik (zB Larson) • einzeitig
Posterolaterale Instabilität • Häufige Kombination • HKB und posterolaterales Eck • Akut: HKB Ersatz und Naht • Chronisch: HKB Ersatz und Rekonstruktion • Bei Achsdeformitäten ggf Korrektur (Slope)
Knieluxation • Seltener Notfall • Verletzung VKB/HKB und periphere Strukturen, Menisken und Knorpel • Ventral, dorsal, medial, lateral kombiniert/Rotation
Neurovaskuläre Begleitverletzungen Neurovaskuläre Begleitverletzungen bis 60% • N. peroneus communis > A. Politea Suchen! Doppler, Angio • Amputationsrate bei Ischämie >8h 86%
Knieluxation Therapie Rasche Reposition und Ggf Fix ex und Gefässrevision Bandverletzungen fast immer operativ beide Kreuzbänder => einzeitig, nicht isoliert Komplexe Verletzung: evt zweizeitig, erst HKB und Peripherie Nachbehandlung wie HKB Prognose: meist wird Aktivitätsniveau nicht mehr erreicht
Take home Hämarthros differenziert abklären konsequent behandeln
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