State of the Art in der Diagnostik und Therapie der Zwangsstörungen - Oberbergklinik Schwarzwald - Oberbergkliniken
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
State of the Art in der Diagnostik und Therapie der Zwangsstörungen Oberbergklinik Schwarzwald Andreas Wahl-Kordon Hornberg, 14.09.2018 www.oberbergkliniken.de Seite 1 ©2018
Ausgangssituation: V.a. psychische Erkrankung Screeningfragen: (1) Waschen und putzen Sie sehr viel? (2) Kontrollieren Sie sehr viel? (3) Haben Sie quälende Gedanken, die Sie loswerden möchten, aber nicht können? nein Abklärung: andere psychische (4) Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange? Erkrankung? (5) Machen Sie sich Gedanken um Ordnung und Symmetrie? Algorithmus der > Führt dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Alltag? > Mindestens eine Frage mit »ja« beantwortet? 3_1 Leitlinien zur nein ja Diagnostik ICD-10 Kriterien prüfen* (ggf. Komorbidität prüfen) *ICD-10-Kriterien: ICD-10 Kriterien für Zwangsstörung erfüllt? 1 Die Zwangsgedanken oder 3_2 zwanghaften Handlungsimpulse müssen vom Patienten als seine eigenen erkannt werden. ja 2 Mindestens gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine Zwangshandlung muss der Krankheitsbeginn ≥ 50. LJ? Patient noch Widerstand leisten. 3_7 3 Der Zwangsgedanke oder die Zwangshandlung dürfen nicht an sich angenehm sein. 4 Die Zwangssymptome müssen ja sich in zutiefst unangenehmer Weise wiederholen. nein 5 Die Symptomatik muss über Hirnorganische Abklärung mindestens 14 Tage an den meisten Tagen bestehen. Patientenaufklärung Informationsvermittlung und ggf. nein Einbezug von Angehörigen Auffälliger Befund? 8_1 8_2 8_3 ja www.oberbergkliniken.de Weitere Schweregradbestimmung Seite 5 YBOCS) (z.B. ©2018 neurologische zur Verlaufskontrolle Abklärung Weiter zu Therapieoptionen
Ausgangssituation: V.a. psychische Erkrankung Screeningfragen: (1) Waschen und putzen Sie sehr viel? (2) Kontrollieren Sie sehr viel? (3) Haben Sie quälende Gedanken, die Sie loswerden möchten, aber nicht können? (4) Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange? (5) Machen Sie sich Gedanken um Ordnung und Symmetrie? > Führt dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Alltag? > Mindestens eine Frage mit »ja« beantwortet? 3_1 www.oberbergkliniken.de Seite 6 ©2018
Zwangsgedanken oder ge eine Zwangshandlung mu Krankheitsbeginn ≥ 50. LJ? Patient noch Widerstand le 3_7 3 Der Zwangsgedanke oder Zwangshandlung dürfen n sich angenehm sein. 4 Die Zwangssymptome mü ja sich in zutiefst unangeneh Weise wiederholen. nein 5 Die Symptomatik muss üb Hirnorganische Abklärung mindestens 14 Tage an de meisten Tagen bestehen. Patientenaufklärung Informationsvermittlung und ggf. nein Einbezug von Angehörigen Auffälliger Befund? 8_1 8_2 8_3 ja Weitere Schweregradbestimmung (z.B. YBOCS) neurologische zur Verlaufskontrolle Abklärung Weiter zu Therapieoptionen www.oberbergkliniken.de Seite 7 ©2018
DSM 5 Eigenes Störungskapitel: „Zwangsstörung und verwandte Störungen“ Kriterien weitgehend unverändert zu DSM VI Neu: Zwangsstörung … mit Einsicht mit wenig Einsicht ohne Einsicht www.oberbergkliniken.de Seite 8 ©2018
DSM 5: Zwangsstörungen und verwandte Störungen • Zwangsstörung • Körperdysmorphe Störung • Horten / Sammelzwang • Trichotillomanie • Skin-Picking Störung • Substanzinduzierte Zwangsstörung • Zwangsstörung aufgrund eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors • Andere spezifische und unspezifische Zwangsstörungen www.oberbergkliniken.de Seite 9 ©2018
•Fig 1. Incidence rate ra/os, with 95% CIs (error bars), of Au/sm Spectrum Disorders in Offspring of Parents with an Obsessive Compulsive Disorder, 1995–2012. Meier SM, Petersen L, Schendel DE, Mattheisen M, Mortensen PB, et al. (2015) Obsessive-Compulsive Disorder and Autism Spectrum Disorders: Longitudinal and Offspring Risk. PLOS ONE 10(11): e0141703. https://doi.org/ 10.1371/journal.pone.0141703 https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0141703
From: Obsessive-Compulsive Disorder as a Risk Factor for Schizophrenia A Nationwide Study JAMA Psychiatry. 2014;71(11):1215-1221. doi:10.1001/jamapsychiatry.2014.1011 Figure Legend: Incidence Rate RatiosIncidence rate ratios, with 95% confidence intervals (error bars), of schizophrenia and schizophrenia spectrum disorder in offspring of parents with schizophrenia, schizophrenia spectrum disorder, obsessive-compulsive disorder, and other psychiatric diagnosis. Copyright © 2014 American Medical Association. Date of download: 9/9/2018 All rights reserved.
From: Obsessive-Compulsive Disorder as a Risk Factor for SchizophreniaA Nationwide Study JAMA Psychiatry. 2014;71(11):1215-1221. doi:10.1001/jamapsychiatry.2014.1011 Copyright © 2014 American Medical Association. Date of download: 9/9/2018 All rights reserved.
From: Mortality Among Persons With Obsessive-Compulsive Disorder in Denmark JAMA Psychiatry. 2016;73(3):268-274. doi:10.1001/jamapsychiatry.2015.3105 Mortality Rate Ratios of Persons With Pure or Comorbid OCD (2002-2011)Mortality rate ratios were adjusted for calendar year, age, sex, maternal and paternal age, place of residence at time of birth, somatic comorbidity, and the interaction of age and sex. “Pure” obsessive-compulsive disorder (OCD) indicates OCD without comorbidities. Comorbidities include anxiety disorders, depression, and substance abuse disorders. Copyright 2016 American Medical Association. Date of download: 9/9/2018 All Rights Reserved.
Ausgangssituation: Diagnose Zwangsstörung Aufklärung und Psychoedukation für Patienten und Angehörige Aktiver Einbezug in Therapieentscheidung 8_1 8_2 8_3 nein Einwilligung in medikamentöse Therapie KVT Algorithmus der ja nein Leitlinie zur SSRI-Monotherapie nur indiziert, wenn mindestens eine Voraussetzung erfüllt: – KVT abgelehnt oder wegen Symptomschwere nicht durchführbar Zusätzlich KVT zu jedem Therapiezeitpunkt empfohlen – KVT steht nicht zur Verfügung (Wartezeiten, fehlende Ressourcen) – Bereitschaft zur KVT kann damit erhöht werden Pharmakothera ja SSRI-Therapie (Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram [off-label-use beachten]). pie Auswahl anhand unerwünschter Wirkungen und Wechselwirkungen nein Dosisanpassung oder Absetzen oder Verträglichkeit gegeben? Wechsel ja Dauer: mindestens 12 Wochen Dosis: spätestens ab Woche 6-8 maximal zugelassene Dosis Symptomreduktion nein Adhärenz ja SSRI-Dosis ja Zu niedriger ≥ 25% YBOCS? vorhanden? angemessen? Serumspiegel? 5_14 5_14 5_14 5_14 ja nein nein nein Erhaltungstherapie für Psychoedukation Dosissteigerung mit Switch des SSRI oder nach mindestens 1-2 Jahre 8_3 Überprüfung möglicher 2 SSRI- Versuchen: Umstellung auf 5_6 unerwünschter Wirkungen Clomipramin oder Augmentation mit 5_16 Antipsychotika 5_17 www.oberbergkliniken.de Seite 14 ©2018
ja nein SSRI-Monotherapie nur indiziert, wenn mindestens eine Voraussetzung erfüllt: – KVT abgelehnt oder wegen Symptomschwere nicht durchführbar Zusätzlich KVT zu jedem Therapiezeitpunkt empfohlen – KVT steht nicht zur Verfügung (Wartezeiten, fehlende Ressourcen) – Bereitschaft zur KVT kann damit erhöht werden ja SSRI-Therapie (Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram [off-label-use beachten]). Auswahl anhand unerwünschter Wirkungen und Wechselwirkungen nein Dosisanpass Verträglichkeit gegeben? Wechsel ja Dauer: mindestens 12 Wochen Dosis: spätestens ab Woche 6-8 maximal zugelassene Dosis www.oberbergkliniken.de Seite 15 ©2018
Zusätzlich KVT zu jedem Therapiezeitpunkt e ja SSRI-Therapie (Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram [off-label-use beachten]). Auswahl anhand unerwünschter Wirkungen und Wechselwirkungen nein Dosisanpassung oder Absetzen oder Verträglichkeit gegeben? Wechsel ja Dauer: mindestens 12 Wochen Dosis: spätestens ab Woche 6-8 maximal zugelassene Dosis Symptomreduktion nein Adhärenz ja SSRI-Dosis ja Zu niedriger ≥ 25% YBOCS? vorhanden? angemessen? Serumspiegel? 5_14 5_14 5_14 5_14 ja nein nein nein Erhaltungstherapie für Psychoedukation Dosissteigerung mit Switch des SSRI oder nach mindestens 1-2 Jahre 8_3 Überprüfung möglicher 2 SSRI- Versuchen: Umstellung auf 5_6 unerwünschter Wirkungen Clomipramin oder Augmentation mit 5_16 Antipsychotika 5_17 www.oberbergkliniken.de Seite 16 ©2018
Anwendung von Expositionsverfahren Böhm et al. (2008) www.oberbergkliniken.de Seite 17 ©2018
Kassenanträge für Verhaltenstherapie Schubert et al. (2003) www.oberbergkliniken.de Seite 18 ©2018
Ausgangssituation: Diagnose Zwangsstörung Aufklärung und Psychoedukation für Patienten und Angehörige Aktiver Einbezug in Therapieentscheidung 8_1 8_2 8_3 Einwilligung des Patienten nein Weiter zum Algorithmus in Psychotherapie »Medikamentöse Therapie« Algorithmus der ja Störungsspezifische Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement Leitlinie zur 4_1 Psychotherapie nein Expositionen in Zwangssymptome sind reproduzierbar Therapeutenbegleitung im in Klinik oder Praxis? häuslichen Umfeld oder in zwangsauslösenden Situationen ja 4_8 Expositionen in Therapeutenbegleitung in Klinik oder Praxis 4_6 Überführung der Exposition ins Selbstmanagement möglich? nein 4_7 ja 13 Fortführung der KVT, Expositionen im Selbstmanagement Symptom-Reduktion ≥ 50 %? nein 4_5 ja Verbesserung der Lebensqualität? nein 4_5 ja www.oberbergkliniken.de Bearbeiten von Strategien zur Rückfallprophylaxe Seite 19 ©2018 6_6
ja Störungsspezifische Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement 4_1 nein Expositionen in Zwangssymptome sind reproduzierbar Therapeutenbegleitung im in Klinik oder Praxis? häuslichen Umfeld oder in zwangsauslösenden Situationen ja 4_8 Expositionen in Therapeutenbegleitung in Klinik oder Praxis 4_6 Überführung der Exposition ins Selbstmanagement möglich? nein 4_7 ja Fortführung der KVT, Expositionen im Selbstmanagement www.oberbergkliniken.de Seite 20 ©2018
Aktuelle Metaanalyse zur Wirksamkeit von Psychotherapie und Medikation Skapinakis et al, Lancet Psychiatry 2016
Aktuelle Metaanalyse zur Wirksamkeit von Psychotherapie und Medikation Skapinakis et al, Lancet Psychiatry 2016 Limitation von 80 % aller PT-Studien: begleitende Medikation möglich www.oberbergkliniken.de Seite 22 ©2018
Aktuelle Überlegungen zur Exposition (Jacoby & Abramowitz, 2016) Neuere Erkenntnisse der Lernpsychologie (inhibitory learning theory): -Extinktion bedeutet nicht, dass die S-R Verbindung aufgelöst wird, sondern eine neue S-R Verbindung gelernt wird -Operantes Konditionieren generalisiert leicht, Löschen ist kontextspezifisch -Möglicherweise ist nicht Habituation der Wirkmechanismus, sondern der Erwerb einer neuen Information (z.B. “Ich kann Angst aushalten.”, “Schlimme Dinge passieren nicht.” usw). www.oberbergkliniken.de Seite 23 ©2018
Aktuelle Überlegungen zur Exposition (Jacoby & Abramowitz, 2016) - Maximierung der Diskrepanz zwischen erwarteter und tatsächlicher Reaktion à Ausreichende Dauer der Expo à Ansprechen unterschiedlicher Modalitäten während der Expo, z.B. externale Stimuli (z.B. Haustür), internale (Vorstellung: Einbruch), physiologisch (unterschiedliche Schwierigkeiten) à Kontextvariation ! (Messer mit unterschiedlichen Klingen, in Therapieräumen und zu Hause) à Herausarbeiten der Unterschiede zwischen Erwartung und tatsächlichem Ereignis www.oberbergkliniken.de Seite 24 ©2018
Augmentation von Expositionen mit D-Cycloserin • Bislang widersprüchliche Ergebnisse über Wirksamkeit der Augmentation mit D-Cycloserin (DCS) • Metaanalyse DCS bei Zwangs-, Angststörungen und PTBS (Mataix-Cols et al., 2017): • 21 (von 22) Studien, n=1047 • Antidepressiva wurden kontrolliert • Mit DCS stärkere Symptomverbesserung • Prä- zu Post-Zeitpunkt • Mit DCS geringere Symptomschwere • Post- und FU-Zeitpunkt • Insgesamt geringer Augmentations-Effekt (whs. NMDA-Wirkung) www.oberbergkliniken.de Seite 25 ©2018
Warum eine achtsamkeitsbasierte Instruktion bei Exposition ? à Rational der Studie à Aufmerksamkeitslenkung auf ZG könnte Habituation fördern (vergl. Grayson, Foa & Steketee, 1982; 1986) à Beobachten und beschreiben der ZG könnte das automatische Neutralisieren verhindern (Najmi, Rieman & Wegner, 2009) à Metaphern wie „Wolken am Himmel“ könnten die Fähigkeit zum „Vorüberziehen“ fördern (‚letting go experiences‘, Hanstede, 2009) und zumindest vorübergehend die Bedeutung der Gedanken verändern à Langfristig: Bedeutungsveränderung www.oberbergkliniken.de Seite 26 ©2018
Methoden: Ablauf Baseline Manipulation check
Methoden: Ablauf, Instruktionen „Innerhalb der nächsten fünf Minuten können Sie sich Baseline gedanklich beschäftigen, womit Sie wollen.“ Achtsamkeitsbasierte Instruktion / Ablenkungsinstruktion „Innerhalb der nächsten fünf Minuten können Sie sich gedanklich beschäftigen, womit Sie wollen.“ Baseline
Achtsamkeitsbasierte Instruktionen Gedanken sind Gedanken und keine Fakten. 1 Min. Nehmen Sie Ihre Gedanken in diesem Moment 2 Min. bewusst wahr. Lassen Sie Ihre Gedanken wie Wolken am 3 Min. Himmel vorüber ziehen.
Ablenkungsinstruktion Gedanken beeinträchtigen zur Zeit ihr 1 Min. Wohlbefinden. Lenken Sie sich von Ihren Gedanken ab. 2 Min. Zählen Sie innerlich in siebener Schritten von 3 Min. 700 rückwärts: 700, 693, 686….
Achtsamkeit vs. Ablenkung: Angst Wahl et al., 2012 www.oberbergkliniken.de Seite 31 ©2018
Achtsamkeit vs. Ablenkung: Drang zu neutralisieren Wahl et al., 2012 www.oberbergkliniken.de Seite 32 ©2018
Acceptance and Commitment Therapy (ACT) • RCT zeigte Wirksamkeit bei Zwangsstörung (Twohig et al., 2010) (LL-Empfehlung 0) • Wirksamkeit der zusätzlichen Anwendung ACT + Expo vs Expo alleine (Twohig et al, 2018) ? • Beide Therapien war hocheffektiv • Keinerlei Unterschiede in: • Outcome • Akzeptanz von und Engagement in Exposition • Prozesse der Veränderung www.oberbergkliniken.de Seite 33 ©2018
Zusammenfassung • Zwangsstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, die oft spät diagnostiziert und nicht leitliniengerecht mit VT mit Expos behandelt werden • Zwangsstörungen gehen mit einem erhöhten Risiko für Schizophrenie/Schizophrenie-Spektrum-Erkrankungen einher und sind mit einer erhöhten Mortalität verbunden • SSRI und Clomipramin sind vergleichbar wirksam • Goldstandard ist weiterhin (K)VT mit Expositionen (ggf. DCS-Augmentation) • allerdings Limitation vieler RCT: Kombi mit Medikation • Bislang kein Zusatznutzen von Achtsamkeit gezeigt www.oberbergkliniken.de Seite 34 ©2018
Sie können auch lesen