Statistik und Informationsmanagement Monatshefte - Stadt ...

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Statistik und
Informationsmanagement
Monatshefte

Herausgeberin:
Landeshauptstadt Stuttgart

     Themen                                            5/2020

     Der Einzelhandel in Stuttgart und anderen Großstädten –
     Unterschiediche Kaufkraftimpulse aus dem regionalen
     Umland

     100 Jahre und älter – Wie viele Personen dieser
     Altersgruppe leben in Stuttgart?

     Verändertes Mobilitätsverhalten in Zeiten der SARS-CoV-2-
     Pandemie – Nutzerdaten als Ergänzung der amtlichen
     Statistik und Beitrag zur Debatte über die Wirksamkeit der
     Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte

     Veröffentlichungen zu den Themen

                                                       79. Jahrgang
Themen                                                            Seite

Statistik und            Aktuelle Grafik:
Informationsmanagement
Monatsheft 5/2020        100 Jahre und älter – Wie viele Personen dieser
79. Jahrgang             Altersgruppe leben in Stuttgart?                                   103

                         Kurzbericht:

                         Verändertes Mobilitätsverhalten in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie –
                         Nutzerdaten als Ergänzung der amtlichen Statistik und Beitrag
                         zur Debatte über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Beschränkung
                         sozialer Kontakte104

                         Hauptbeitrag:

                         Der Einzelhandel in Stuttgart und anderen Großstädten –
                         Unterschiedliche Kaufkraftimpulse aus dem regionalen Umland        106

                         Veröffentlichungen zu den Themen                              Rückseite

                         Impressum:

                         Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                         Herausgeberin:

                         Landeshauptstadt Stuttgart
                         Statistisches Amt, Eberhardstraße 37, 70173 Stuttgart
                         Telefon 0711 216-98587, Telefax 0711 216-98570
                         E-Mail: poststelle.12@stuttgart.de
                         Internet: www.stuttgart.de/statistik

                         Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Thomas Schwarz

                         Preis pro Monatsheft: 4 €
Aktuelle Grafik                                                                                    Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

100 Jahre und älter – Wie viele Personen dieser Altersgruppe leben in Stuttgart?
Pasquale Frisoli und Attina Mäding

Nach Angaben der Vereinten Natio-                       Der hohe Lebensstandard, die gute          100. Geburtstag bei den Altersjubila-
nen kamen weltweit im Jahr 2019 auf                     Gesundheitsversorgung und die lange        ren nachgefragt, ob sie Besuch von
eine Million Menschen geschätzt 69                      Friedenszeit seit Ende des Zweiten         einem Vertreter der Stadt (z. B. Bür-
(Über-)Hundertjährige, knapp 20 Jahre                   Weltkriegs haben hierzulande zu            germeister/-in oder Bezirksvorsteher/
zuvor waren es nur 251. Was im glo-                     einer steigenden Anzahl der Hundert-       -in) erhalten möchten und ob die
balen Maßstab beobachtet werden                         jährigen geführt. Der Rückgang der         Presse und ein/e Fotograf/-in dabei
kann, lässt sich auch in Stuttgart er-                  Zahlen in den Jahren 2017 und 2018         sein darf. Wenn kein Besuch ge-
kennen: Die Anzahl der Menschen,                        hat seine Ursache im Geburtenrück-         wünscht wird, werden die Geschenke
die mindestens hundert Jahre alt sind,                  gang zum Ende des Ersten Weltkriegs        (Urkunde des Oberbürgermeisters
wächst.                                                 vor 100 Jahren. Der hohe Frauenanteil      und Ministerpräsidenten sowie ein
                                                        in den älteren Altersjahrgängen hat        Blumenarrangement) durch einen
Ende 2019 waren 126 Einwohner im                        nicht nur mit der generell höheren         Boten überbracht. Der Brief des Bun-
Alter von hundert Jahren oder älter                     Lebenserwartung der Frauen zu tun,         despräsidenten wird immer direkt per
mit Hauptwohnsitz in Stuttgart ge-                      auch haben die zwei Weltkriege deut-       Post zugestellt.
meldet, darunter waren 88 Prozent                       lich mehr männliche Todesopfer ge-
Frauen. Das bedeutet, es kommen in                      fordert.
der Landeshauptstadt auf eine Million
Einwohner 205 Hundertjährige. Im                        Trotz der gestiegenen Anzahl der
Jahr 2000 betrug dieser Wert noch                       Hundertjährigen ist das Erreichen die-
109. Der Anteil dieser Altersgruppe                     ser Altersmarke immer noch etwas           11 United Nations (2019): World Population
                                                                                                      Prospects 2019. https://population.un.org/             103
liegt in Stuttgart also deutlich höher                  Besonderes. Deswegen wird von der             wpp/Download/Standard/Interpolated/,
als im internationalen Vergleich.                       Landeshauptstadt Stuttgart ab dem             05.05.2019.

Abbildung 1: Einwohner im Alter von 100 Jahren und älter in Stuttgart seit 19751 nach Geschlecht

    Personen
        160

        140

        120

        100

          80

          60

          40
                   Männlich
                   Weiblich
          20

           0
               1975
               1976
               1977
               1978
               1979
               1980
               1981
               1982
               1983
               1984
               1985
               1986
               1987
               1988
               1989
               1990
               1991
               1992
               1993
               1994
               1995
               1996
               1997
               1998
               1999
               2000
               2001
               2002
               2003
               2004
               2005
               2006
               2007
               2008
               2009
               2010
               2011
               2012
               2013
               2014
               2015
               2016
               2017
               2018
               2019

               1
                Bis einschließlich 1985 zum 30.06, ab 1986 zum 31.12.

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzbericht                                                                                                                             Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

      Verändertes Mobilitätsverhalten in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie
      Nutzerdaten als Ergänzung der amtlichen Statistik und Beitrag zur Debatte
      über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte
      Dr. Till Heinsohn

      Im Zuge der anhaltenden COVID-19-                      förderungsmitteln (ÖPNV, Gehen,                                                  Basisvolumen am 13. Januar 2020.
      Pandemie stellen Technologieunter-                     Fahren) getrennt und in aggregierter                                             Apple definiert die Städte als nicht
      nehmen wie Google LCC. und Apple                       Form ausgegeben und sind für ausge-                                              näher definierten Großraum – behält
      INC. Daten der Nutzung ihrer Dienste                   wählte Länder, Regionen und Städte                                               die geografischen Grenzen aber für
      für einen begrenzten Zeitraum frei im                  abrufbar. Die Daten der Nutzer wer-                                              den gesamten Untersuchungszeit-
      Internet zur Verfügung. Laut Angabe                    den insofern geschützt, dass die Be-                                             raum bei. Über die tatsächliche An-
      der Unternehmen dient die Veröffent-                   wegungen laut Selbstauskunft des                                                 zahl der Anfragen nach Wegbeschrei-
      lichung dieser Daten der Unterstüt-                    Unternehmens nicht mit der entspre-                                              bungen schweigt sich das Unterneh-
      zung öffentlicher Stellen bei der                      chenden Apple-ID verknüpft und die                                               men aus. Gleichwohl können Städte,
      Koordinierung der Maßnahmen in                         Orte, an denen sich die Nutzer befin-                                            in denen die tägliche Anzahl der An-
      Zusammenhang mit COVID 19.1 Die                        den, nicht gespeichert werden.                                                   fragen einen nicht weiter spezifizier-
      in diesem Beitrag verwendeten Be-                                                                                                       ten Mindestwert unterschreitet, in der
      nutzerdaten des Unternehmens Apple                     Die als CSV-Datei zum Download be-                                               Mobilitätsanalyse nicht berücksichtigt
      INC. spiegeln die täglichen Änderun-                   reitgestellten und in Abbildung 1 visu-                                          werden. Die hier präsentierten Daten
      gen in den Anfragen nach Wegbe-                        alisierten Daten zeigen das relative                                             erheben zudem keinen Anspruch auf
      schreibungen in Apple-Karten (Apple                    Anfragevolumen für Wegbeschrei-                                                  Repräsentativität. Zum einen handelt
      Maps) wieder. Diese werden nach Be-                    bungen in Stuttgart im Vergleich zum                                             es sich ausschließlich um die Daten

      Abbildung 1: Verändertes Mobilitätsverhalten in Stuttgart

104
                       Relative Änderungen in den Anfragen zur Routenführung in Stuttgart im Vergleich zum Basisvolumen am 13. Januar 2020
                       (Daten für den 11. und 12. Mai sind nicht verfügbar)
                                                                                                Beschränkung sozialer Kontakte

             +140%
                                    ÖPNV
                                    Gehen
                                    Fahren
             +100%

               +60%

               +20%

                           Basis
               -20%

               -60%

                                                       Empfehlung zur Absage                 Schließungen                                                 Öffnungen
                                                       von Großveranstaltungen               Schulen, Kitas                                              Einzelhandel
                            13.    20.    27.    03.   10.   17.   24.    02.    09.   16.    23.                                30.   06.   13.   20.     27.    04.    11.    18.
                            Jan    Jan    Jan    Feb   Feb   Feb   Feb    Mrz    Mrz   Mrz    Mrz                                Mrz   Apr   Apr   Apr     Apr    Mai    Mai    Mai

                                                                                                                                              Quelle: www.apple.com/covid19/mobility
                                                                                                                                                      Eigene Darstellung
                                                                                                                                              Quelle: www.apple.com/covid19/mobility,
                                                                                                                                                                     Eigene Darstellung

      Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzbericht                                                                                         Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

der Nutzer von Apple-Geräten. Be-                 Welche Erkenntnisse lassen sich                    Denn nur durch die Einführung des
trachten wir die mobilen Plattformen,             aus dem veränderten Mobilitäts-                    umfangreichen Kontaktverbots konnte
so liegt der Marktanteil von iPhone in            verhalten hinsichtlich der hitzigen                die Reproduktionszahl auf einem Ni-
Deutschland bei rund 30 Prozent.2                 Debatte über die Wirksamkeit der                   veau nahe 1 gehalten werden. Ohne
Zum anderen wissen wir nicht, ob es               Beschränkung sozialer Kontakte                     das Kontaktverbot, so das RKI, wäre
sich bei den Apple-Nutzern in Stutt-              auf die Reproduktionszahl R ge-                    die Reproduktionszahl wieder ange-
gart um einen Querschnitt der Stadt-              winnen?                                            stiegen.5 Dieser Argumentation liegen
bevölkerung handelt, oder ob sich der                                                                Erfahrungswerte menschlichen Ver-
Nutzerkreis möglicherweise durch be-              Unstrittig ist, dass die Reproduktions-            haltens zugrunde. Denn ebenso wie
stimmte Merkmale (z.B. durch das                  zahl R, die beschreibt, wie viele Men-             wir in der Lage sind unser Verhalten
Alter) von den Nicht-Appelianern un-              schen eine infizierte Person im Mittel             eigenverantwortlich anzupassen, steht
terscheidet.                                      ansteckt, bereits vor der Beschrän-                zu befürchten, dass wir auch schnell
                                                  kung sozialer Kontakte auf einen                   wieder in alte Muster zurückfallen
Trotz dieser Einschränkungen stellen              Wert nahe 1 gesenkt werden konnte.                 und Ermüdungserscheinungen die
die zur Verfügung gestellten Daten                Dies ist zum einen auf Maßnahmen                   Oberhand gewinnen. Ein empirischer
eine ausgesprochen hilfreiche Quelle              zur Eindämmung des Virus zurückzu-                 Beleg hierfür steht in der derzeitigen
zur Abschätzung von Trends im Mobi-               führen. Hierzu zählt insbesondere die              Lage gleichwohl aus.
litätsverhalten der Bevölkerung dar,              Absage von Großveranstaltungen vom
welche die amtliche Statistik nicht lie-          9. März 2020 und die Bund-Länder                   Die von dem Technologieunterneh-
fern kann. So ist in Abbildung 1 zu               Vereinbarungen vom 16. März 2020,                  men Apple zur Verfügung gestellten
sehen, dass die Mobilität in Stuttgart            die unter anderem die Schließung von               Daten zum Mobilitätsverhalten stellen
bereits vor der eigentlichen Beschrän-            Schulen und Kitas in Baden-Württem-                eine empirisch belastbare Quelle dar,
kung sozialer Kontakte am 23. März                berg am 17. März 2020 zur Folge                    die über unsere ganz persönliche Wahr-
2020 deutlich abgenommen hat.                     hatte.4 Zum anderen haben die Bür-                 nehmung und Beobachtung hinaus-
Diese Erkenntnis gilt für alle drei Be-           gerinnen und Bürger durch Einschrän-               geht. Die Bürgerinnen und Bürger in
förderungsmittel. Der stetige Rück-               kungen ihres Mobilitätsverhaltens                  Stuttgart haben ihr Mobilitätsverhalten
gang der Mobilität setzt vom 7. auf               einen ganz wesentlichen Beitrag zur                in Eigenverantwortung bereits zwei
den 8. März 2020 ein und wird mut-                Eindämmung des Virus geleistet. Wie                Wochen vor der eigentlichen Kontakt-
                                                                                                                                                              105
maßlich nur von der Austragung des                in Abbildung 1 ersichtlich, haben die              beschränkung angepasst. Damit lässt
Fußballspiels zwischen dem VfB Stutt-             Menschen ihr Verhalten schon zwei                  sich das Absinken der Reproduktions-
gart und Arminia Bielefeld mit rund               Wochen vor der eigentlichen Kon-                   zahl vor dem eigentlichen Lockdown
54 000 Zuschauern am Abend des 9.                 taktbeschränkung angepasst. Durch                  erklären. Für die amtliche Statistik
März in der Mercedes-Benz Arena un-               die intensive Medienberichterstat-                 sind solche Mobilitätsdaten ausge-
terbrochen. Der vorläufige Tiefpunkt              tung, die mitunter erschreckenden                  sprochen hilfreich. Gleichwohl bleibt
der Mobilität wird am 21. März 2020               Nachrichten aus dem Ausland und die                zu bemängeln, dass der Anbieter
erreicht. In der darauffolgenden Phase            allgegenwärtige Krisenkommunika-                   keine Einblicke in die absolute Anzahl
der Beschränkung sozialer Kontakte                tion wurde die Bevölkerung entspre-                der täglichen Routenanfragen gewährt.
verharrt das Mobilitätsverhalten zu-              chend sensibilisiert. In Anbetracht der            Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass
nächst auf niedrigem Niveau. Ab der               vorbildlichen, eigenverantwortlichen,              die Mobilität der Gesamtbevölkerung
zweiten Aprilwoche nimmt die Mobi-                Verhaltensanpassung der Bevölkerung                hier auf der Grundlage der über
lität wieder leicht zu, bleibt aber noch          stellten sich zuletzt immer mehr Bür-              Apple Maps getätigten Anfragen ab-
weit vom Ausgangswert entfernt.                   gerinnen und Bürger die Frage nach                 geschätzt wird, und es sich nicht um
Preisen wir zusätzlich mit ein, dass das          der Notwendigkeit der Kontaktbe-                   alle, tatsächlich gemachten Wege in
relative Anfragevolumen und damit                 schränkung. Denn wenn die Repro-                   Stuttgart handelt. Trotz eines Markt-
auch die Mobilität in der ersten Jahres-          duktionszahl bereits am 22. März                   anteils durch Apple von rund 30 Pro-
hälfte für gewöhnlich zunehmen3,                  unter dem Wert 1 lag, warum wurde                  zent können wir nur von einer
können wir von einem deutlich abge-               die Kontaktbeschränkung dann noch                  Näherung und nicht von der Reprä-
schwächten Mobilitätsverhalten bis in             benötigt? Die Antwort des Robert                   sentativität der bereitgestellten Daten
den Mai hinein berichten.                         Koch-Instituts (RKI) fällt eindeutig aus:          ausgehen.

11 Siehe hierzu die Nutzungsbedingungen von Apple INC.: https://www.apple.com/covid19/mobility (aufgerufen am 06.05.2020).
12 Siehe hierzu: https://computerwelt.at/news/iphone-vs-android-wer-hat-die-groesseren-marktanteile/ (aufgerufen am 06.05.2020).
13 Laut Auskunft des Unternehmens entspricht die Zunahme der Anfragen in der ersten Jahreshälfte der normalen saisonalen Nutzung von Apple Maps.
14 Siehe hierzu die Ausführungen des Robert Koch-Instituts zu verschiedenen Infektionsschutzmaßnahmen und der Frage, warum die Reproduktions-
   zahl R bereit am 22. März, und damit vor der eigentlichen Beschränkung sozialer Kontakte, unter dem Wert von 1 lag: https://www.rki.de/
   SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html#FAQId13985890 (aufgerufen am 12.05.2020).
15 Siehe hierzu Fußnote 4.
Hauptbeitrag                                  Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                              Dr. Werner Münzenmaier1

                                              Regionale Kaufkraftimpulse für den
                                              Einzelhandel in Stuttgart und anderen
                                              Großstädten

                                              Weite Bereiche des stationären Einzelhandels wurden von den Maßnahmen, die
                                              2020 im Zusammenhang mit dem Coronavirus unternommen wurden, erheblich
                                              beeinträchtigt. Insofern kann der vorliegende Beitrag, der auf Einzelhandelsdaten für
                                              2019 Bezug nimmt, die besondere Lage des Jahres 2020 nicht adäquat wiedergeben,
                                              vielmehr beschreiben die Strukturdaten die Gegebenheiten in einem normalen Jahr
                                              wie hier 2019. Untersuchungsgegenstand ist die Frage, in welchem Umfang der
                                              Einzelhandel in den 15 deutschen Großstädten mit mehr als 400 000 Einwohnern
                                              von der Kaufkraft aus dem jeweiligen Umland profitiert; der Schwerpunkt liegt dabei
                                              auf den acht Städten mit besonders ausgeprägter Ausrichtung auf den Einzelhandel.

                                              Kennzahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu Einkommen
                                              der privaten Haushalte 2017

      Ausgaben im Einzelhandel als Teil der   Der Einzelhandel wird maßgeblich durch die Konsumausgaben der privaten Haus-
      privaten Konsumausgaben                 halte (einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck) bestimmt. Mit
                                              einem Anteil von derzeit rund 53 Prozent am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands
                                              bilden sie nicht nur das größte Nachfrageaggregat, sie haben in den letzten 15
106
                                              Jahren auch regelmäßig real zugenommen und sich so als sichere Konjunkturstütze
                                              bewährt. Ein erheblicher Teil der privaten Konsumausgaben für Güter und Dienst-
                                              leistungen wird nach wie vor über den Einzelhandel bezogen, 2017 und 2018 waren
                                              es jeweils 31,8 Prozent mit zuletzt wieder leicht steigender Tendenz. Dabei wurde
                                              der private Verbrauch im Allgemeinen und der Einzelhandel im Besonderen infolge
                                              steigender Einkommen, sinkender Arbeitslosigkeit, geringer Preissteigerungen und
                                              niedriger Zinsen begünstigt.

      Einkommen der privaten Haushalte,       Die Zusammenhänge zwischen den Einkommen der privaten Haushalte am Wohnort,
      private Konsumausgaben und Ausga-       den privaten Konsumausgaben und hierunter den Bezügen über den Einzelhandel
      ben im Einzelhandel in den VGR
                                              (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen, aber einschließlich Internet- und Versandhan-
                                              del) entsprechend den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Deutschland im
                                              Jahr 2017 gehen aus Tabelle 1 hervor.2 Dort sind zwei Einkommensgrößen hervor-
                                              gehoben, weil nur sie für Stadt- und Landkreise Deutschlands vorliegen3:

      Definition von Primäreinkommen …        Das Primäreinkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Organisa-
                                              tionen ohne Erwerbszweck) umfasst die gesamten Einkommen aus Erwerbstätigkeit
                                              und Vermögen, die den privaten Haushalten am Wohnort zugeflossen sind. Hierzu
                                              zählen das Arbeitnehmerentgelt, die Einkommen der Einzelunternehmen und
                                              Selbstständigen, der Betriebsüberschuss aus Wohnungsvermietung einschließlich
                                              eigengenutztem Wohnraum und die netto empfangenen Vermögenseinkommen
                                              einschließlich Finanzdienstleistungen.

      … und Verfügbarem Einkommen der         Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Or-
      privaten Haushalte                      ganisationen ohne Erwerbszweck) errechnet sich aus dem Primäreinkommen durch
                                              Abzug der Einkommen- und Vermögensteuern, der Sozialbeiträge und sonstigen,
                                              von den privaten Haushalten zu leistenden Transfers sowie Hinzufügen der Sozi-
                                              alleistungen und weiterer, durch die privaten Haushalte vom Staat empfangener
                                              Transferleistungen. Das Verfügbare Einkommen ist damit das Einkommen, das den
                                              privaten Haushalten letztlich zufließt und für Konsum- oder Sparzwecke verwendet
                                              werden kann; es wird auch als (allgemeine) Kaufkraft bezeichnet und stellt so einen
                                              ersten Bezug zu den privaten Konsumausgaben dar.
Hauptbeitrag                                                                                          Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

Tabelle 1: Gesamtwirtschaftliche
Einkommens- und Konsumgrößen              Gegenstand der Nachweisung                                                                      Mio. Euro
der privaten Haushalte und privaten
Organisationen ohne Erwerbszweck
                                          Empfangene Arbeitnehmerentgelte                                                                 1 668 810
in der Bundesrepublik Deutschland
2017                                      + Betriebsüberschuss und Selbstständigeneinkommen                                                 221 404
                                          - Geleistete Vermögenseinkommen                                                                     24 790
                                          + Empfangene Vermögenseinkommen                                                                   404 514
                                          = Primäreinkommen (Nettonationaleinkommen)                                                      2 269 938
                                          - Geleistete Einkommen- und Vermögensteuern                                                       322 161
                                          - Geleistete Nettosozialbeiträge                                                                  674 845
                                          + Empfangene monetäre Sozialleistungen                                                            565 202
                                          - Geleistete sonstige laufende Transfers                                                            78 224
                                          + Empfangene sonstige laufende Transfers                                                          110 006
                                          = Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept)                                                       1 869 916
                                          - Private Konsumausgaben                                                                        1 732 176
                                          + Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche                                                        52 080
                                          = Sparen                                                                                          189 820

                                          Private Konsumausgaben                                                                          1 732 176
                                          - Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck                                      55 548
                                          = Konsumausgaben der inländischen privaten Haushalte                                            1 676 628
                                          - Konsumausgaben der Inländer in der übrigen Welt                                                   73 645
                                          + Konsumausgaben der Gebietsfremden im Inland                                                       33 166
                                          = Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland                                               1 636 815
                                          darunter nach den quantitativ wichtigsten Lieferbereichen:
                                            Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen)                                                  550 349
                                            Kraftfahrzeughandel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen                           114 199
                                                                                                                                                                107
                                            Immobilienwesen, Erziehung, Gesundheit, Öffentliche und sonstige Dienstleister                  528 398

                                                              Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen; eigene Berechnungen

                                        Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

                                        Kennzahlen für den Einzelhandel 2019

Einzelhandelsdaten der Michael Bauer    Da die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Kreise – und damit auch für
Research GmbH                           große Städte – keine einzelhandelsbezogenen Daten bereitstellen, muss auf andere
                                        Quellen zurückgegriffen werden. Für die nachfolgenden Analysen sind dies drei
                                        Kennzahlen, die von der Michael Bauer Research GmbH, inzwischen schon für das
                                        Jahr 2019, errechnet wurden:

Einzelhandelsrelevante Kaufkraft: Der   Erstens die einzelhandelsrelevante Kaufkraft, das ist derjenige Teil der allge-
für den Einzelhandel ausgegebene Teil   meinen Kaufkraft, der im Einzelhandel (einschließlich Online- und Versandhandel)
der Nettoeinkünfte
                                        ausgegeben wird. Ausgangspunkt ihrer Berechnung sind die Nettoeinkünfte, die
                                        konzeptionell dem Verfügbaren Einkommen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech-
                                        nungen entsprechen.4 Aus diesen Nettoeinkünften bestimmt die Michael Bauer Re-
                                        search GmbH die einzelhandelsrelevante Kaufkraft als den Teil des Einkommens, der
                                        im Einzelhandel ausgegeben wird. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft ist insoweit
                                        deutlich enger gefasst als die allgemeine Kaufkraft, repräsentiert durch das Verfüg-
                                        bare Einkommen.

Umsatz des stationären Einzelhandels    Zweitens der Einzelhandelsumsatz, das sind die im örtlichen Einzelhandel getä-
ohne Internet- und Versandhandel        tigten Umsätze zu Endverbrauchspreisen; zum Einzelhandel in dieser Abgrenzung
                                        gehören auch Apotheken, Bäckereien, Konditoreien und Metzgereien sowie Factory
                                        Outlet Center, nicht jedoch der Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen und Krafträdern,
                                        Tankstellen sowie der Internet- und Versandhandel; der stationäre Einzelhandelsum-
                                        satz auf der Angebotsseite ist damit erheblich kleiner als die einzelhandelsrelevante
                                        Kaufkraft auf der Nachfrageseite.
Hauptbeitrag                                                                                          Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

      Einzelhandelsbezogene Zentralität:         Drittens die einzelhandelsbezogene Zentralität, das ist zunächst der Quotient
      Einzelhandelsumsatz je einzelhandels-      aus Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, womit die spezi-
      bezogene Kaufkraft
                                                 fische Kaufkraftbindung einer Stadt ausgedrückt wird; üblicherweise werden die
                                                 beiden Größen in der Dimension je Einwohner und Deutschland = 100 zueinander
                                                 in Beziehung gesetzt.5

      Zentralitätskennziffer für Deutschland     Die Zusammenhänge gehen, dargelegt am Beispiel der Stadt Stuttgart für 2019, aus
      insgesamt informiert über den Anteil       Tabelle 2 hervor. Nach den Berechnungen von Michael Bauer Research GmbH hat
      des stationären Einzelhandels am ge-
      samten Einzelhandelsumsatz …
                                                 demnach der vom Stuttgarter Einzelhandel erzielte Einzelhandelsumsatz in Höhe
                                                 von 8317 Euro je Einwohner die dort gemessene einzelhandelsrelevante Kaufkraft
                                                 (7900 Euro je Einwohner) um 417 Euro je Einwohner oder 5,3 Prozent übertroffen.
                                                 In Deutschland insgesamt lag dagegen der Einzelhandelsumsatz mit 6202 Euro je
                                                 Einwohner unter der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft von 7086 Euro je Einwohner,
                                                 und zwar um 884 Euro je Einwohner; daraus errechnet sich für Deutschland eine
                                                 auf die Kaufkraft bezogene Ziffer von 87,5 Prozent. Bezieht man die entsprechende,
                                                 für Stuttgart errechnete Ziffer in Höhe von 105,3 Prozent auf diese Bundesziffer, so
                                                 ergibt sich als einzelhandelsbezogene Kaufkraft in Relation zum Bundesdurchschnitt
                                                 für Stuttgart ein Wert von 120,3 Prozent.

                                                 Bezugnehmend auf die Zahlen in Tabelle 2 bedeutet dies zum einen, dass 2019 in
                                                 Deutschland rund 884 Euro je Einwohner für Käufe außerhalb des stationären Ein-
                                                 zelhandels, also vor allem im Internet- und Versandhandel ausgegeben wurden.
                                                 Zum anderen wird mit der Verhältniszahl „Einzelhandelsumsatz je einzelhandelsrele-
                                                 vante Kaufkraft“ für Deutschland insgesamt ausgedrückt, wieviel an einzelhandels-
                                                 relevanter Kaufkraft der Bevölkerung Deutschlands für Käufe vom in Deutschland
                                                 ansässigen stationären Einzelhandel ausgegeben wird; im Beispiel sind dies 87,5
                                                 Prozent.
108
      … und erlaubt Aussagen zum Kauf-           Verglichen mit dieser Relation für Deutschland insgesamt, also mit Deutschland =
      kraftzu- oder -abfluss einer Stadt         100 Prozent, beinhaltet ein höherer Wert für eine Stadt (also im Beispiel 120,3 %
                                                 für Stuttgart) einen entsprechend größeren Kaufkraftzufluss im stationären
                                                 Einzelhandel als in Deutschland insgesamt (für die Stadt Stuttgart also um 20,3
                                                 Prozent ihrer einzelhandelsrelevanten Kaufkraft), ein geringerer Wert (zum Beispiel
                                                 90 %) einen Nettoabfluss an Kaufkraft im stationären Einzelhandel (im Beispiel in
                                                 Höhe von 10 % der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft der Stadt). Diese Zahlen
                                                 können sogar dahingehend interpretiert werden, dass Stuttgart einen Kaufkraftzu-
                                                 fluss von netto 20,3 Prozent seiner einzelhandelsrelevanten Kaufkraft und die Ver-
                                                 gleichsstadt einen Kaufkraftabfluss um zehn Prozent aufweist, und zwar aufgrund
                                                 folgender Modellüberlegung: Es kann realistischer Weise davon ausgegangen wer-
                                                 den, dass der Saldo aus Einkäufen von Einwohnern Deutschlands im Ausland und
                                                 Einkäufen von Einwohnern des Auslands in Deutschland in etwa ausgeglichen ist,
                                               Tabelle 2: Ermittlung der einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffer am Beispiel Stuttgart für 2019

      Tabelle 2: Ermittlung der einzelhan-
      delsbezogenen Zentralitätskennziffer
      am Beispiel Stuttgart 2019
                                                    Indikator                                                         Stuttgart             Deutschland

                                                    Einzelhandelsumsatz in Euro je Einwohner                              8317                    6202

                                                    Einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Euro je Einwohner                 7900                    7086

                                                    Einzelhandelsbezogene Zentralität als Quotient in %                  105,3                     87,5

                                                    Deutschland = 100                                                    120,3                   100,0

                                                                                                  Quelle: Michael Bauer Research GmbH; eigene Berechnungen

                                                  Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Hauptbeitrag                                                                            Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                          also per Saldo kein großer Kaufkraftab- oder -zufluss von beziehungsweise nach
                                          Deutschland erfolgt.6 Liegt deshalb die Einzelhandelszentralität einer Stadt mit
                                          einem bestimmten Prozentsatz über oder unter dem Bundesdurchschnitt dieser Ziffer,
                                          so liegt ein entsprechender Kaufkraftzufluss oder Kaufkraftabfluss dieser Stadt vor.

                                          Kennzahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu Arbeitnehmer-
                                          entgelten 2017

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer       Alle bisher genannten Indikatoren beziehen sich auf den Wohnort der Einkom-
als Indikator für die Verdienstmöglich-   mensbezieher beziehungsweise Konsumenten, weshalb die Zahl der Einwohner
keiten am Arbeitsort
                                          auch die geeignete Bezugsgröße darstellt.

                                          Demgegenüber werden das Arbeitnehmerentgelt und die Zahl der Arbeitneh-
                                          mer in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf Kreisebene nur für den
                                          Arbeitsort nachgewiesen; das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer soll in dieser
                                          Untersuchung die Verdienstmöglichkeiten der (unselbstständig) Beschäftigten am
                                          Arbeitsort repräsentieren. Arbeitnehmerentgelt setzt sich zusammen aus den Löh-
                                          nen und Gehältern der beschäftigten Arbeitnehmer sowie der Lohnsteuer und den
                                          Sozialbeiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber; letztere beinhalten auch
                                          unterstellte Sozialbeiträge für Beamte und Richter.7

                                          Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevante Kaufkraft in den Groß-
                                          städten 2019

                                          In Abbildung 1 sind die von der Michael Bauer GmbH für 2019 ermittelten Werte
                                          von Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, jeweils je Einwoh-
                                          ner, für die 15 größten Städte zusammengestellt
                                                                                                                                                  109
                                          Einzelhandelsumsatz

Einzelhandelsumsatz je Einwohner in       Beim Einzelhandelsumsatz unangefochten an der Spitze lag München, das 2019
München, Düsseldorf, Nürnberg und         mit 9045 Euro je Einwohner als einzige Großstadt die 9000er-Marke überschritten
Stuttgart deutlich über dem Bundes-
durchschnitt, …
                                          und den Bundesdurchschnitt (6202 Euro je Einwohner) um fast die Hälfte (45,8 %)
                                          übertroffen hat. Deutlich über der 8000er-Linie blieben auch die Städte Düsseldorf,
                                          Nürnberg und Stuttgart, sie haben das Bundesergebnis noch merklich um jeweils
                                          über ein Drittel (37,7 %, 34,2 % und 34,6 %) überboten. Immerhin noch über
                                          dem Durchschnitt der Großstädte (7324 Euro je Einwohner) konnten sich Hannover,
                                          Hamburg, Köln und Frankfurt am Main behaupten; die Abstände dieser vier Städte
                                          zum Bundesdurchschnitt bewegten sich in einer recht engen Bandbreite zwischen
                                          24,9 und 21,2 Prozent.

… aber in Leipzig und Duisburg dar-       Dagegen hat der Einzelhandelsumsatz je Einwohner der Städte Bremen, Essen, Dort-
unter                                     mund, Berlin und Dresden den Bundesdurchschnitt um 13,8 bis 4,3 Prozent hinter sich
                                          gelassen. Und Leipzig sowie vor allem Duisburg haben den Bundesdurchschnitt sogar um
                                          3,0 beziehungsweise 9,4 Prozent verfehlt. Wie groß das Gefälle zwischen dem Spitzen-
                                          reiter München und dem Schlusslicht Duisburg ist, unterstreicht die sogenannte Spann-
                                          weite, die 3424 Euro je Einwohner oder 46,6 Prozent des Bundesdurchschnitts beträgt.

                                          Einzelhandelsrelevante Kaufkraft

München, Düsseldorf, Frankfurt und        Bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft zeigen sich 2019 für die Großstädte eben-
Stuttgart mit der höchsten einzelhan-     falls erhebliche Unterschiede: So weist München mit 9010 Euro je Einwohner einen
delsrelevanten Kaufkraft der Groß-
städte, …
                                          Wert auf, der die gesamtdeutsche einzelhandelsrelevante Kaufkraft (7086 Euro je
                                          Einwohner) um über ein Viertel (27,2 %) übertroffen hat; aber auch in den drei
                                          Städten Düsseldorf, Frankfurt am Main und Stuttgart überragt die für den Einzel-
                                          handel relevante Kaufkraft den Bundesdurchschnitt noch deutlich, nämlich um fast
                                          ein Sechstel bis gut ein Zehntel (15,2 %, 11,3 % und 10,4 %). Noch über dem
                                          Durchschnitt der Großstädte (7355 Euro je Einwohner) blieben die entsprechen-
                                          den Pro-Kopf-Werte in Hamburg, in Köln und in Nürnberg, der Bundesdurchschnitt
                                          wurde in diesen Städten um 8,4 Prozent, 6,1 Prozent und 4,0 Prozent übertroffen.
Hauptbeitrag                                                                                     Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                                                      Abbildung 1: Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevante Kaufkraft
                                                                      je Einwohner in den Großstädten Deutschlands 2019

      Abbildung 1: Einzelhandelsumsatz
      und einzelhandelsrelevante Kaufkraft                                                       Euro je Einwohner
      je Einwohner in den Großstädten
                                                                                                                                        9045
      Deutschlands 2019                                  München
                                                                                                                                        9010
                                                                                                                                 8540
                                                        Düsseldorf
                                                                                                                               8172
                                                                                                                                 8323
                                                         Nürnberg
                                                                                                                        7372
                                                                                                                                8317
                                                          Stuttgart
                                                                                                                             7900
                                                                                                                          7743
                                                         Hannover
                                                                                                                       7263
                                                                                                                          7644
                                                          Hamburg
                                                                                                                          7682
                                                                                                                          7602
                                                              Köln
                                                                                                                         7517
                                                                                                                         7514
                                                 Frankfurt am Main
                                                                                                                            7916
                                                                                                                      7058
                                                           Bremen
                                                                                                                     6847
                                                                                                                     6882
                                                             Essen
                                                                                                                      7023
                                                                                                                  6864
                                                         Dortmund
                                                                                                                 6688
                                                                                                                6526
                                                             Berlin
                                                                                                                  6786
                                                                                                               6466      Einzelhandelsumsatz je
                                                           Dresden
                                                                                                                6669
                                                                                                                         Einwohner
                                                                                                            6015
                                                            Leipzig
                                                                                                               6454      Einzelhandelsrelevante
                                                                                                         5621            Kaufkraft je Einwohner
                                                          Duisburg
                                                                                                            6200

                                                                      0            2000         4000           6000              8000            10 000

110                                                                                                             Quelle: Michael Bauer Research GmbH

                                               Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

      … ostdeutsche und Ruhrgebietsstädte      Hannover und Essen verfehlten zwar den Großstädtedurchschnitt, übertrafen aber
      sowie Bremen und Berlin mit niedriger    immerhin die 7000er-Marke, und Hannover blieb auch über dem Bundeswert. Leicht
      einzelhandelsbezogener Kaufkraft
                                               unter dem Bundesdurchschnitt bewegten sich die Pro-Kopf-Zahlen außer in Essen
                                               (um 0,9 %) auch in Bremen und Berlin, nämlich um 3,4 und 4,2 Prozent, schon deut-
                                               licher in den beiden anderen Ruhrgebietsstädten Dortmund und Duisburg sowie in
                                               den beiden ostdeutschen Städten Dresden und Leipzig; die bundesdurchschnittliche
                                               Kaufkraft wurde von diesen Städten um 5,9 bis 12,5 Prozent unterboten. Immerhin
                                               war die Spannweite zwischen den Werten von München und Duisburg bei der ein-
                                               zelhandelsrelevanten Kaufkraft mit 2810 Euro je Einwohner oder 40,0 Prozent des
                                               Bundesdurchschnitts geringer als beim Einzelhandelsumsatz (46,6 %).

                                               Gegenüberstellung beider Einzelhandelsindikatoren

      Einzelhandelsumsatz im Großstädte-       Im Durchschnitt der 15 Großstädte verfehlte 2019 der Pro-Kopf-Umsatz des statio-
      durchschnitt praktisch gleich hoch wie   nären Einzelhandels mit 7324 Euro je Einwohner die dort zur Verfügung stehende,
      einzelhandelsrelevante Kaufkraft, …
                                               umfassender definierte einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Höhe von 7355 Euro je
                                               Einwohner nur knapp um 0,4 Prozent. Dagegen ist in Deutschland insgesamt der
                                               Umsatz mit 6202 Euro je Einwohner um 12,5 Prozent und damit recht deutlich hin-
                                               ter der Kaufkraft in Höhe von 7086 Euro je Einwohner zurückgeblieben.

      … in Stuttgart und weiteren sieben       In etwa der Hälfte der Großstädte übertraf der Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz die
      Städten aber darüber, …                  einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Kaufkraft, nämlich in den Städten München, Düs-
                                               seldorf, Nürnberg, Stuttgart, Hannover, Köln, Bremen und Dortmund; die ersten
                                               sechs dieser insgesamt acht Städte zeichneten sich außerdem durch einen beson-
                                               ders hohen Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz aus. In Hamburg lagen die Werte der
                                               beiden Indikatoren praktisch gleichauf, und in Frankfurt blieb der auf die Einwoh-
                                               nerzahl bezogene Einzelhandelsumsatz hinter der dortigen einzelhandelsrelevanten
                                               Kaufkraft zurück.
Hauptbeitrag                                                                            Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

… in Frankfurt und fünf weiteren         Der Einzelhandel in fünf Städten mit relativ niedrigen Umsätzen je Einwohner konnte
Städten darunter                         die dort gemessene einzelhandelsrelevante Kaufkraft ebenfalls nicht ausschöpfen;
                                         dies betrifft neben den Ruhrgebietsstädten Duisburg und Essen sowie den beiden
                                         sächsischen Städten Leipzig und Dresden auch die Bundeshauptstadt Berlin.

                                         Die Rangfolge der 15 Städte bei den Pro-Kopf-Umsätzen des Einzelhandels ent-
                                         spricht weitgehend der Reihenfolge bei der darauf ausgerichteten Kaufkraft; ledig-
                                         lich in Nürnberg, Hannover und Dortmund ist der Rang beim Pro-Kopf-Umsatz um
                                         mehr als einen Platz höher als bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft, und nur
                                         in Frankfurt ist es umgekehrt.

                                         Einzelhandelsrelevante und allgemeine Kaufkraft

                                         Überblick

Großstädte bei einzelhandelsrelevanter   2019 lag in den 15 größten Städten die für den Einzelhandel entscheidende Kauf-
Kaufkraft leicht über dem Bundes-        kraft mit 7355 Euro je Einwohner über dem entsprechenden Wert für Deutschland
durchschnitt, …
                                         insgesamt (7086 Euro je Einwohner), nämlich um 3,8 Prozent.

… bei allgemeiner Kaufkraft leicht       Ein abweichendes Bild ergibt sich bei einer Gegenüberstellung mit dem Verfügbaren
darunter                                 Einkommen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Indikator der allgemeinen
                                         und damit deutlich umfassender definierten Kaufkraft: Bei dieser Größe verfehlten die
                                         15 Großstädte 2017 mit 22 340 Euro je Einwohner den Bundesdurchschnitt in Höhe
                                         von 22 623 Euro je Einwohner knapp um 1,3 Prozent. Dies bedeutet mit anderen
                                         Worten, dass nach diesen Daten die Großstädte im Durchschnitt eine etwas geringere
                                         allgemeine Kaufkraft, aber eine leicht höhere einzelhandelsbezogene Kaufkraft auf-
                                         weisen als Deutschland insgesamt. Dies ist insoweit erstaunlich, als in großen Städten
                                         normalerweise ein höherer Anteil des Einkommens für Mieten und Dienstleistungen
                                                                                                                                                  111
                                         unterschiedlicher Art ausgegeben wird als in kleineren Städten oder in ländlichen Regi-
                                         onen. Eine Erklärung könnte die in Fußnote 4 erwähnte Einbeziehung fiktiver Mieten
                                         aus eigengenutztem Wohnraum in die Einkommen der privaten Haushalte nach den
                                         Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sein, was außerhalb der Großstädte relativ
                                         stärker zu Buche schlagen dürfte. Außerdem gehen niedrigere Einkommen, wie hier an-
                                         satzweise in den Großstädten, ganz allgemein mit einer höheren Konsumquote einher.

                                         Gegenüberstellung für die einzelnen Großstädte

                                         Für die 15 Großstädte gehen die Unterschiede zwischen einzelhandelsrelevanter und
                                         allgemeiner Kaufkraft aus Abbildung 2 hervor, in der die Pro-Kopf-Zahlen beider Indi-
                                         katoren für die Jahre 2019 beziehungsweise 2017 auf der Basis Bundesdurchschnitt
                                         = 100 gegenübergestellt sind. Hieraus lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen:

Rangfolge beider Kaufkraftziffern bei    Die Rangfolge beider Pro-Kopf-Indikatoren ist für die meisten, nämlich elf Städte
den meisten Städten gleich               ganz oder ungefähr gleich (maximal ein Platz Unterschied). Größere Verschiebungen
                                         lassen sich zum einen für die Stadt Frankfurt feststellen, deren Abstieg von Platz 3
                                         bei der einzelhandelsrelevanten auf Rang 7 bei der allgemeinen Kaufkraft mit dem
                                         Aufstieg Nürnbergs von 7 auf 5 korrespondiert, zum anderen für Bremen, das sich
                                         insoweit von 10 auf 8 verbessern konnte.

Tendenziell bleibt einzelhandelsrele-    Bei einer Gegenüberstellung beider Pro-Kopf-Größen – jeweils bezogen auf den
vante Kaufkraft hinter allgemeiner       Bundesdurchschnitt = 100 – zeigen sich des Weiteren folgende Tendenzen: In Städ-
Kaufkraft in einkommensstarken Städ-
ten zurück, bei einkommensschwachen
                                         ten mit einer hohen Kaufkraft liegt die einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Kaufkraft
Städten ist es umgekehrt                 unter oder nur leicht über der allgemeinen Kaufkraft, gemessen am Verfügbaren
                                         Einkommen je Einwohner; in Städten mit einer relativ geringen allgemeinen Pro-
                                         Kopf-Kaufkraft wird die so dimensionierte Ziffer dagegen von der für den Einzel-
                                         handel relevanten Kaufkraft je Einwohner durchweg übertroffen, und zwar bei
                                         abnehmender Kaufkraft in tendenziell steigendem Maße. Erheblich aus dieser Reihe
                                         tanzt allerdings die Stadt Frankfurt am Main; des Weiteren fallen die Abweichungen
                                         beider Kaufkraftziffern, im genannten Trend des Städterankings betrachtet, für Köln
                                         und Hannover etwas zu groß aus.
Hauptbeitrag                                                                                             Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                                                            Abbildung 2: Gegenüberstellung der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft
                                                                            2019 und des Verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte 2017 in
                                                                            den Großstädten Deutschlands
      Abbildung 2: Gegenüberstellung
      der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft                                                         Pro-Kopf-Zahlen Deutschland = 100
      2019 und des Verfügbaren Einkom-                                                                                                        127,2
                                                                München
      mens der privaten Haushalte 2017 in                                                                                                     128,0
      den Großstädten Deutschlands                             Düsseldorf
                                                                                                                                      115,3
                                                                                                                                      114,1
                                                                                                                                     111,7
                                                        Franfurt am Main
                                                                                                                             97,9
                                                                                                                                     111,5
                                                                Stuttgart
                                                                                                                                      113,0
                                                                                                                                   108,4
                                                                Hamburg
                                                                                                                                   107,9
                                                                                                                                106,1
                                                                    Köln
                                                                                                                              98,7
                                                                                                                               104,0
                                                                Nürnberg
                                                                                                                             100,2
                                                                                                                              102,5
                                                               Hannover
                                                                                                                           92,9
                                                                                                                              99,1
                                                                   Essen
                                                                                                                       89,8
                                                                                                                             96,6
                                                                 Bremen
                                                                                                                             96,9
                                                                                                                         95,8
                                                                   Berlin
                                                                                                                      89,4
                                                                                                                         94,1
                                                                 Dresden
                                                                                                                     86,3
                                                                                                                            94,1           Einzelhandelsrelevante
                                                               Dortmund
                                                                                                                     85,6
                                                                                                                                           Kaufkraft 2019
                                                                                                                       91,1
                                                                  Leipzig
                                                                                                                81,2                       Verfügbares Einkommen
                                                                                                                      87,5                 der privaten Haushalte
                                                                Duisburg
                                                                                                              75,4                         je Einwohner 2017

                                                                            0      20          40        60           80            100        120      140         160

                                                 Quelle: Michael Bauer Research GmbH, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen

112                                            Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

                                               In Ergänzung zu den obigen Feststellungen steht als ökonomische Erklärung da-
                                               hinter, dass mit zunehmendem Einkommen ein tendenziell immer größerer Anteil
                                               gespart wird, für laufende Ausgaben wie vor allem Mieten aufzubringen ist oder für
                                               Dienstleistungen unterschiedlicher Art ausgegeben wird.8

                                               Einzelhandelsbezogene Zentralitätskennziffer

                                               Überblick

      Einzelhandelsbezogene Zentralitäts-      Durch Bezug des Einzelhandelsumsatzes auf die einzelhandelsrelevante Kaufkraft
      kennziffer als Indikator für den Zu-     lässt sich die spezifische Kaufkraftbindung einer Stadt ausdrücken; die geeignete
      oder Abfluss an Kaufkraft
                                               Maßzahl ist die bereits erwähnte einzelhandelsbezogene Zentralitätskennziffer, hier
                                               stets in der Dimension Deutschland = 100. Bei einem Wert über 100 übersteigen
                                               die Kaufkraftzuflüsse die Kaufkraftabflüsse einer Gebietseinheit, bei einem Betrag
                                               unter 100 überwiegen die Abflüsse gegenüber den Zuflüssen an Kaufkraft, jeweils
                                               in Relation zum Bundesdurchschnitt sowie unter Beachtung der unterschiedlichen
                                               Abgrenzungen von stationärem Einzelhandelsumsatz und umfassenderer einzelhan-
                                               delsrelevanter Kaufkraft.

      Netto-Kaufkraftzufluss bei allen Groß-   Betrachtet man die Zentralitätskennziffer der 15 größten Städte Deutschlands in
      städten, …                               Abbildung 3, so fällt zunächst Folgendes auf: Zwar weisen alle Städte insoweit einen
                                               Nettokaufkraftzufluss beim Einzelhandel auf, innerhalb dieser Städtegruppe gibt es
                                               jedoch bemerkenswerte Unterschiede.

      … am höchsten in Nürnberg, Hannover      Absoluter Spitzenreiter ist die Stadt Nürnberg mit einer einzelhandelsbezogenen
      und Stuttgart                            Zentralitätskennziffer in Höhe von 129,0 Prozent in Relation zum Bundesdurch-
                                               schnitt; an zweiter Stelle folgt Hannover mit 121,8 Prozent vor Stuttgart mit 120,3
                                               Prozent und Düsseldorf mit 119,4 Prozent. Während diese vier Städte den Bundes-
                                               durchschnitt um knapp 20 Prozent oder mehr übertreffen, gibt es ebenfalls vier
                                               Städte mit einer Zentralitätskennziffer von weniger als 110 Prozent bezogen auf
Hauptbeitrag                                                                           Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                         den Bundesdurchschnitt, nämlich Duisburg mit 103,6 Prozent, Leipzig mit 106,5
                                         Prozent, Frankfurt am Main mit 108,5 Prozent und Berlin mit 109,9 Prozent. Inner-
                                         halb des breiten Mittelfelds mit einer Bandbreite zwischen 110,8 und 119,4 Prozent
                                         liegen die Städte Düsseldorf, Bremen, Dortmund, Köln und München über dem
                                         Großstädtedurchschnitt von 113,8 Prozent, die Städte Hamburg, Essen und Dresden
                                         mehr oder weniger stark darunter.

                                         Gegenüberstellung zu anderen Indikatoren

Gegenüberstellung der einzelhandels-     In Abbildung 3 werden der einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffer zum Jahr
bezogenen Zentralitätskennziffer zu      2019 zwei weitere Kenngrößen gegenübergestellt, die für gesamtwirtschaftliche
gesamtwirtschaftlichen Kenngrößen
mit regionalpolitischer Relevanz
                                         Zusammenhänge mit regionalpolitischer Bedeutung stehen; sie sind den Volks-
                                         wirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das Jahr 2017 entnommen. Allen drei
                                         Kenngrößen ist gemeinsam, dass jeweils eine produktions- beziehungsweise ar-
                                         beitsortbezogene Größe (Einzelhandelsumsatz; Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelt; Zahl
                                         der Erwerbstätigen) ins Verhältnis zu einer wohnortbezogenen Kennziffer (einzel-
                                         handelsrelevante Kaufkraft; allgemeine Pro-Kopf-Kaufkraft; Zahl der Einwohner)
                                         gesetzt wird.

                                         Eine Interpretation der beiden allgemeinen Indikatoren kann Aufschlüsse für die
                                         unterschiedliche Ausprägung der einzelhandelsrelevanten Zentralitätskennziffer in
                                         den 15 Großstädten geben:

                                         Einzelhandelszentralität und Pendlerverhalten

Einpendlerüberschuss erhöht das Nach-    Ein hoher Wert der Relation „Erwerbstätige je Einwohner“ signalisiert einen deut-
fragepotential des Einzelhandels, …      lichen (Ein-)Pendlerüberschuss der betreffenden Stadt. Hieraus ergibt sich ein spe-
                                         zifisches Nachfragepotential, weil viele Berufspendler einen Teil ihrer Einkäufe am
                                                                                                                                                 113
                                         Arbeitsort tätigen. So gesehen korrespondiert ein Pendlerüberschuss mit der Ein-
                                         zelhandelszentralität, wenngleich damit über die Größenordnung der Zusammen-
                                         hänge nichts ausgesagt werden kann.

… so merklich in Nürnberg, Hannover,     Für die vier Städte mit der höchsten Einzelhandelszentralität, also Nürnberg, Hanno-
Düsseldorf und Stuttgart, …              ver, Stuttgart und Düsseldorf, sind diese Zusammenhänge klar gegeben. Aus Abbil-
                                         dung 3 geht deutlich hervor, dass diese vier Städte mit Werten von 144 bis über 161
                                         Prozent bei der Relation „Erwerbstätige je Einwohner“ weit überdurchschnittlich
                                         hohe Einpendlersalden aufweisen. Eine entsprechende Parallelität zwischen hoher
                                         Einzelhandelszentralität und ausgeprägtem Pendlerüberschuss lässt sich auch für
                                         Köln, München und Hamburg erkennen, abgeschwächt auch für Bremen.

… weniger ausgeprägt in Leipzig,         Umgekehrt sind in vielen Großstädten mit relativ niedriger einzelhandelsbezogener
Dresden, Berlin, Essen und vor allem     Zentralität auch die Einpendlerüberschüsse gering, so in Leipzig, Dresden, Berlin
Duisburg
                                         und Essen; in Duisburg als der Stadt mit der geringsten Einzelhandelszentralität liegt
                                         sogar ein Auspendlerüberschuss vor.

Pendlerverhalten in vielen Städten       Aber es gibt auch Städte, bei denen keine entsprechenden Gemeinsamkeiten vorlie-
Ausdruck attraktiver Arbeitsplätze be-   gen. Insbesondere weist Frankfurt am Main zwar die mit Abstand höchste Relation
ziehungsweise geringer Wohnqualität
im Vergleich zum Umland
                                         von Erwerbstätigen zu Einwohnern auf (176,1 %), entgegen dem Trend ist dort
                                         aber die Einzelhandelszentralität mit 108,5 Prozent, bezogen auf den Bundesdurch-
                                         schnitt, recht niedrig und liegt deutlich unter dem Großstädtedurchschnitt. In umge-
                                         kehrter Weise weicht Dortmund vom Trend ab, wo überdurchschnittliche Werte bei
                                         der Einzelhandelszentralität mit niedrigen Einpendlerüberschüssen korrespondieren.

                                         Pendlerverhalten und Standortqualität

Sonderfall Ruhrgebiet ohne ausgepräg-    Ein hoher Betrag der Kennziffer „Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in Relation
tes Zentrum                              zum Verfügbaren Einkommen je Einwohner“ weist auf eine wichtige Funktion der
                                         Stadt als Arbeitsort hin, nicht zuletzt mit Bezug auf ihr regionales Umfeld; ein nied-
                                         riger Wert steht dagegen für eine stärkere Attraktivität als Wohnort. Dabei bestehen
Hauptbeitrag                                                                                                     Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020
                                                                       Abbildung 3: Gegenüberstellung der einzelhandelsrelevanten Zentralitäts-
                                                                       kennziffer 2019 zu demographischen und ökonomischen Relationen 2017 in
                                                                       den Großstädten Deutschlands
      Abbildung 3: Gegenüberstellung der                                                       Verhältniszahlen Deutschland = 100
      einzelhandelsrelevanten Zentralitäts-
      kennziffer 2019 zu demographischen                                                                129,0
                                                          Nürnberg                                                 144,0
      und ökonomischen Relationen 2017                                                 112,0
      in den Großstädten Deutschlands
                                                                                                121,8
                                                         Hannover                                                        148,6
                                                                                          117,0
                                                                                               120,3
                                                          Stuttgart                                                          155,2
                                                                                           117,1
                                                                                               119,4
                                                         Düsseldorf                                                               161,4
                                                                                        112,8
                                                                                           117,8
                                                           Bremen                           119,3
                                                                                 106,8
                                                                                           117,6
                                                         Dortmund              102,2
                                                                                               119,7
                                                                                          115,5
                                                              Köln                                       132,0
                                                                                               119,3
                                                                                         114,7
                                                          München                                                 142,4
                                                                               102,5
                                                                                        113,7
                                                          Hamburg                                      127,7
                                                                                       110,8
                                                                                    112,0
                                                             Essen               106,1
                                                                                        118,1
                                                                                   110,8
                                                           Dresden                   112,5
                                                                                  108,2
                                                                                      109,9
                                                             Berlin           101,6
                                                                                        113,6
114                                                                               108,5
                                                 Frankfurt am Main                                                                           176,1
                                                                                                               136,1
                                                                                 106,5                 Einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer 2019
                                                            Leipzig               108,9                Erwerbstätige je Einwohner 2017
                                                                                   110,7               Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer/
                                                                               103,6                   Verfügbares Einkommen je Einwohner 2017
                                                          Duisburg 85,9
                                                                                                                  142,1

                                                                      80         100               120                 140            160            180           200

                                               Quelle: Michael Bauer Research GmbH, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen
                                              Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

                                              zweifelsohne auch Zusammenhänge zum Indikator „Erwerbstätige je Einwohner“,
                                              also zwischen den Verdienstmöglichkeiten sowie Richtung und Umfang der Pend-
                                              lertätigkeit. Für Baden-Württemberg konnte dies jedenfalls gut nachgewiesen wer-
                                              den.9

                                              Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, korrespondieren hohe Werte der Relation „Arbeit-
                                              nehmerentgelt je Arbeitnehmer zu Verfügbares Einkommen je Einwohner“ auch
                                              in den Städten Frankfurt, Köln, Hannover und Stuttgart mit dort ebenfalls großen
                                              Einpendlerüberschüssen. Die Situation in Dresden und Leipzig liegt insofern auch
                                              auf dieser Linie, als dort beide Indikatoren niedrige Werte aufweisen.

      Einzelhandelsattraktivität und          Allerdings gibt es keine durchgehende Parallelität für beide Größen. Das extreme
      Wirtschaftsstärke im Vergleich          Beispiel ist Duisburg, wo das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer das Verfügbare
                                              Einkommen je Einwohner am stärksten unter allen Großstädten übertrifft (Relation:
                                              142,1 %), und dennoch aus dieser Stadt als einziger Großstadt mehr Erwerbstätige
                                              aus- als einpendeln (Relation 85,9 %). Dies ist durchaus typisch für eine Stadt im
                                              dicht besiedelten Ruhrgebiet ohne eindeutiges Zentrum, denn auch in Essen und
                                              Dortmund stehen niedrige Einpendlersalden recht hohen, über dem Großstädte-
Hauptbeitrag                                                                         Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                       durchschnitt von 116,3 Prozent liegenden Werten der Relation „Arbeitnehmerent-
                                       gelt je Arbeitnehmer zu Verfügbares Einkommen je Einwohner“ gegenüber. Um-
                                       gekehrt weisen bei dieser Relation die Städte München, Hamburg, Nürnberg und
                                       Düsseldorf unterdurchschnittliche Werte auf, obwohl diese Städte durch beachtliche
                                       Einpendlerüberschüsse geprägt sind.

                                       Einzelhandelszentralität und Standortqualität

Stuttgart gehört zu den wirtschafts-   Die spezifische Bedeutung einer Stadt als Einkaufsort lässt sich auch daran erkennen,
und einzelhandelsstarken Großstädten   wie die Attraktivität des Einzelhandels, ausgedrückt über die einzelhandelsrelevante
                                       Zentralitätskennziffer, im Vergleich zur allgemeinen wirtschaftlichen Standortqua-
                                       lität steht, gemessen über die Verdienstmöglichkeiten am Arbeitsort (Arbeitneh-
                                       merentgelt je Arbeitnehmer) in Relation zur allgemeinen Kaufkraft am Wohnort
                                       (Verfügbares Einkommen je Einwohner); übertrifft die einzelhandelsbezogene Ziffer
                                       diese umfassendere wirtschaftliche Kenngröße in nennenswertem Umfang, jeweils
                                       mit der Dimension Bundeswert = 100, so weist dies auf einen relativ gesehen star-
                                       ken Einzelhandelsstandort hin.

                                       Abbildung 3 gibt hierzu ebenfalls Auskunft: Danach können Nürnberg, München
                                       und Bremen, obwohl zum Teil durchaus auch wirtschaftsstark, als bedeutende Ein-
                                       zelhandelsstandorte bezeichnet werden. Vergleichbares trifft auch noch für Han-
                                       nover, Stuttgart, Hamburg und Düsseldorf zu, mit Einschränkungen ebenso für
                                       Dresden. In allen anderen Städten bleibt, so betrachtet, die Bedeutung als Einzel-
                                       handelsstandort hinter derjenigen als Wirtschaftsstandort zurück.

                                       Zwischenfazit

                                       Die einzelhandelsbezogene Zentralität, die den Kaufkraftzu- oder -abfluss einer
                                                                                                                                               115
                                       Stadt zum Ausdruck bringt und damit für deren Gewicht als Einkaufsstandort steht,
                                       kann über das Pendlerverhalten der dort lebenden beziehungsweise arbeitenden
                                       Menschen und dessen ökonomische Hintergründe nur teilweise erklärt werden.
                                       Möglicherweise sind deshalb die konkreten Gegebenheiten vor Ort von größerer
                                       Bewandtnis.

                                       Allgemeine Rahmenbedingungen für die Höhe der Einzelhandelszentralität

Einzelhandel wird durch infrastruk-    Für die Höhe der einzelhandelsbezogenen Zentralität einer großen Stadt sind sehr
turelle Gegebenheiten sowie attrak-    unterschiedliche Aspekte von Bedeutung. An erster Stelle zu nennen sind die infra-
tive Handels- und Freizeitangebote
bestimmt, …
                                       strukturellen Gegebenheiten wie vor allem überzeugende Angebote des Einzel-
                                       handels, attraktive Einkaufsmöglichkeiten, ergänzende Freizeitangebote und gute
                                       Verkehrsanbindungen speziell in der Region. Außerdem sind manche Städte be-
                                       wusst auf den Einkaufstourismus in- und ausländischer Besucher ausgerichtet.

… aber auch durch sozio-ökonomische    Darüber hinaus sind verschiedene geografische und sozio-ökonomische Rahmenbe-
Rahmenbedingungen und geografische     dingungen für die Anziehungskraft eines Einkaufsstandorts und damit die Höhe der
Gegebenheiten
                                       Zentralitätskennziffer von Relevanz; ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind nach-
                                       folgend einige hierfür zentrale Argumente aufgeführt:

                                          Mit Blick auf die Kaufkraftbindung des Umlands an die betreffende Stadt spielt
                                           
                                           die Größe ihres Einzugsgebiets und ihre Stellung im regionalen Umfeld eine
                                           wesentliche Rolle, also beispielsweise ob die Stadt alleiniges Zentrum eines be-
                                           stimmten Gebiets ist (Monozentralität) oder ob sie sich diese Funktion mit an-
                                           deren, vergleichbaren Städten teilt (Polyzentralität).

                                          Von Bedeutung ist ferner, ob Wohngebiete am Rand der Stadt administrativ als
                                           
                                           Vororte zur betreffenden Stadt gehören oder selbstständige Gemeinden bilden;
                                           dies ist gerade deshalb von Relevanz, weil in den Rändern einer Stadt in der
                                           Regel Haushalte mit besseren Einkommensverhältnissen und damit hoher Kauf-
                                           kraft wohnen.
Hauptbeitrag                                                                              Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020

                                                   berhaupt ein wesentlicher Faktor für den Umfang des Kaufkraftzuflusses ist
                                                    Ü
                                                    natürlich die Stärke der Kaufkraft des regionalen Umfelds und damit auch das
                                                    Einkommensgefälle zwischen Stadt und Umland; im (aus der Sicht einer Stadt)
                                                    idealen Fall tätigen einkommensstarke Bewohner umliegender Kommunen ihre
                                                    großen Einkäufe in dieser Stadt.

                                                   Statistisch gesehen eher dämpfend auf den Wert der Zentralitätskennziffer wirkt,
                                                     wenn die Stadt selbst eine relativ hohe Kaufkraft auf sich vereint, auch wenn diese
                                                     in größerem Umfang im Einzelhandel der Stadt umgesetzt wird – wobei dies aus
                                                     Sicht dieser Stadt natürlich allemal besser ist als ein Kaufkraftabfluss ins Umland.

                                                Einzelhandelsumsatzkräftige Großstädte im Verhältnis zu ihrem Umland

      Inwieweit profitieren die acht Groß-      Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, in welchem Ausmaß die acht Groß-
      städte mit ausgeprägter Ausrichtung       städte mit einem besonders hohen Einzelhandelsumsatz je Einwohner (vgl. Abbil-
      auf den Einzelhandel von ihrem regio-
      nalen Umland?
                                                dung 1) vom Kaufkraftzufluss aus ihrem regionalen Umland profitieren. Zu dieser
                                                Betrachtung werden Regierungsbezirke oder Verbände mit explizit regionalplane-
                                                rischer Zweckbestimmung herangezogen, die ein relativ überschaubares Gebiet
                                                umfassen. Sie sollten außerdem aus Gründen der Datenverfügbarkeit möglichst
                                                kreisscharf abgegrenzt sein.

                                                Nürnberg

      Nürnberg: Günstige Rahmenbedingun-        Nach den Zahlen von Michael Bauer Research GmbH hat die Stadt Nürnberg 2019
      gen für Einzelhandel aufgrund zentraler   mit 129,0 Prozent, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt = 100, unter allen 15
      Stellung im Umland, …
                                                Großstädten die höchste einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer erreicht. Im
                                                Jahre 2017 wohnten in dieser größten Stadt Frankens 513 400 Einwohner, im Regie-
                                                rungsbezirk Mittelfranken, in dessen Zentrum Nürnberg liegt, waren es 1,755 Mio.
116
                                                Einwohner; der Bevölkerungsanteil Nürnbergs an einem Regierungsbezirk betrug
                                                damit 29,3 Prozent.

      … das einkommens- und damit kauf-         In Tabelle 3 sind die in diesem Beitrag verwendeten Eckdaten der Volkswirtschaft-
      kraftstärker ist als Nürnberg selbst      lichen Gesamtrechnungen für Nürnberg und den Regierungsbezirk Mittelfranken
                                                zusammengestellt. Danach lag Nürnberg 2017 beim Verfügbaren Einkommen
                                                mit 22 663 Euro je Einwohner um 5,9 Prozent unter dem Durchschnitt des Regie-
                                                rungsbezirks Mittelfranken; schlechter hat nur die Stadt Ansbach (Abstand 9,6 %)
                                                abgeschnitten. Vor allem in den zentrumsnäheren Landkreisen Nürnberger Land, Er-
                                                langen-Höchstadt, Fürth und Roth sowie in den kreisfreien Städten Schwabach, Fürth
                                                und Erlangen erreichte die so definierte allgemeine Kaufkraft 2017 dagegen teils
                                                deutlich höhere Werte und übertraf den Bezirksdurchschnitt um 1,4 bis 9,5 Prozent.

      Gleichzeitig kommen gute Verdienst-       Genauso bemerkenswert ist die starke Diskrepanz zwischen der Kaufkraft und den
      möglichkeiten in Nürnberg dem             Verdienstmöglichkeiten in und um Nürnberg. So erzielten die Arbeitnehmer 2017
      Umland zugute
                                                in der Stadt Nürnberg mit 46 801 Euro je Arbeitnehmer ein Pro-Kopf-Entgelt, das
                                                um 5,3 Prozent über dem Durchschnitt des Regierungsbezirks Mittelfranken lag
                                                und nur von der Stadt Erlangen (57 854 Euro je Arbeitnehmer oder 30,2 % über
                                                Bezirksdurchschnitt) übertroffen wurde; in allen anderen Stadt- und Landkreisen
                                                des Regierungsbezirks Mittelfranken waren die Verdienstmöglichkeiten der dort
                                                arbeitenden Menschen zum Teil deutlich geringer als in Nürnberg. Offensichtlich
                                                leben also viele, in Nürnberg gut entlohnte Arbeitnehmer nicht in der Stadt selbst,
                                                sondern in deren Umland.

                                                Es überrascht deshalb nicht, wenn – wie aus Abbildung 3 abzulesen ist – das Verhält-
                                                nis „Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer bezogen auf das Verfügbare Einkommen
                                                je Einwohner“ 2017 in Nürnberg um 12,0 Prozent über dem Bundesdurchschnitt
                                                lag. Auch die Intensität der beruflichen Pendlertätigkeit ist in Nürnberg besonders
                                                stark ausgeprägt – bei der Relation „Zahl der Erwerbstätigen zu Zahl der Einwoh-
                                                ner“ hat Nürnberg 2017 den Bundesdurchschnitt um 44,0 Prozent überboten und
                                                ebenso den Durchschnittswert der Großstädte (124,5 % bei Deutschland = 100 %)
                                                deutlich hinter sich gelassen.
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