Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch nachhaltige ländliche Regionen - Sciendo

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Raumforsch Raumordn (2013) 71:381–396
DOI 10.1007/s13147-013-0244-9

 Wissenschaftlicher Beitrag

Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für
ökologisch und ökonomisch nachhaltige ländliche Regionen
Ricardo Kaufer · Max Krott · Christiane Hubo ·
Lukas Giessen

Eingegangen: 12. Juli 2012 / Angenommen: 20. Juni 2013 / Online publiziert: 5. Juli 2013
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Zusammenfassung Agrar- und Raumordnungspolitik be-                       Schlüsselwörter Raumordnungspolitik · Agrarpolitik ·
anspruchen in ihren Zielformulierungen zur nachhaltigen                  Nachhaltige Landnutzung · Politikziele · Instrumente
Landnutzung in ländlichen Regionen beizutragen. Beide
Politiken versprechen auf der Zielebene eine mehrdimen-
sionale nachhaltige Entwicklung für Regionen, die sowohl                 The Potentials of Agricultural Policy and Spatial
die Ökologie als auch die Ökonomie voranbringt und dar-                  Planning Policy for Ecological and Economic
über hinaus Regionen Anschluss an wirtschaftliche Globa-                 Sustainable Rural Development
lisierungsprozesse verschafft und interne Stoffflüsse stärkt.
Zur Überprüfung dieses Anspruchs werden die Ziele und                    Abstract European and german spatial planning policy
Instrumente der beiden Politiken separat hinsichtlich ihres              and agricultural policy contain the policy objective to
Steuerungspotentials für nachhaltige Landnutzung, opera-                 promote sustainable land use in rural areas. Both policies
tionalisiert anhand der vier Nachhaltigkeitsdimensionen                  promise to promote comprehensive developments in rural
Ökologieorientierung, Ökonomieorientierung, regionale                    areas, aiming at ecological target states, economic develop-
und globale Orientierung, analysiert. Im Ergebnis zeigt                  ment, adaptation to economic globalization processes and
sich, dass für die anspruchsvollen Ziele nur wenige starke               strengthening regional stock flows to conserve resources.
Instrumente zur Verfügung stehen und diese auf Ökonomie                  Analyzing these policies by testing their policy objectives
und Anschluss an wirtschaftliche Globalisierungsprozesse                 and instruments in regard to sustainable land use deliv-
fokussieren. Ökologieorientierung und die Stärkung re-                   ers that only less instruments can support these objectives.
gionsinterner Stoffflüsse werden entgegen der Zielformu-                 Most instruments focus on economic development and ad-
lierungen nicht durch ein zielentsprechendes Instrumenta-                aptation to economic globalization processes. Ecological
rium gestützt.                                                           target states and strengthening regional stock flows are not
                                                                         supported by sufficient instruments.

R. Kaufer () · Prof. Dr. M. Krott · Dr. C. Hubo ·                       Keywords Spatial planning policy ·
L. Giessen, Ph.D.                                                        Agricultural policy · Sustainable land use ·
Abteilung für Forst- und Naturschutzpolitik, Georg-August-
Universität Göttingen, Büsgenweg 3, 37077 Göttingen,                     Policy objectives · Policy instruments
Deutschland
E-Mail: rkaufer@gwdg.de
                                                                         1 Einleitung
Prof. Dr. M. Krott
E-Mail: mkrott@gwdg.de
                                                                         Die Beanspruchung ländlicher Regionen durch konkurrie-
Dr. C. Hubo                                                              rende Landnutzungsformen, der ökonomische und soziale
E-Mail: chubo@gwdg.de
                                                                         Wandel sowie die möglichen Folgen des Klimawandels
L. Giessen, Ph.D.                                                        haben dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung länd-
E-Mail: lgiesse@gwdg.de                                                  licher Regionen Auftrieb gegeben. Die Vorstellungen hin-
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sichtlich nachhaltiger entwicklung bleiben trotz intensiver    untersucht wurden.1 Die Analyse fokussiert deshalb neben
wissenschaftlicher und politischer Diskussionen heterogen.     der EU- und Bundesebene auf der Ebene der Länder Bran-
nachhaltige landnutzung als zentraler Bestandteil der nach-    denburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die Ergeb-
haltigen entwicklung ländlicher regionen wird dennoch          nisse der Analyse sind auf weitere Regionen übertragbar,
als eine lösung für die ökonomischen, ökologischen und         da die Handlungsempfehlungen des Projektes nicht auf die
sozialen herausforderungen gesehen (vgl. Bundesregierung       ausgewählten Regionen ausgerichtet sind. In Kap. 2 wird
2002; WBgU 2008; giessen 2010a).                               der theoretische und methodische Ansatz, bestehend aus
   in die entwicklung der landnutzung in ländlichen            dem politikwissenschaftlichen Konzept der Politiksektoren,
regionen sind mehrere Politiken involviert. eine zentrale      den Dimensionen nachhaltiger Entwicklung sowie der Ana-
rolle spielen die agrar- und die raumordnungspolitik. ers-     lysemethodik, dargestellt. In Kap. 3 folgen die Ergebnisse
tere steuert den flächenmäßig größten Landnutzungssektor       der empirischen Analyse.
in Deutschland (eea 2010) und die raumordnungspolitik
wirkt entscheidend auf die räumliche Verteilung der land-
nutzungsformen insbesondere in ländlichen regionen ein.        2 Theoretischer und methodischer Ansatz
hieraus folgt, dass das landschaftsbild und die ökonomi-
sche wie ökologische entwicklung ländlicher regionen von       2.1 Theoretischer Ansatz
der ausrichtung der agrar- und der raumordnungspolitik
abhängen. Beide Politiken nehmen für sich in anspruch, zur     Das Politikverständnis in diesem Beitrag beinhaltet, dass die
nachhaltigen entwicklung und stärkung ländlicher regio-        Regulierung von Landnutzungskonflikten und die Beförde-
nen entscheidend beizutragen (aigner 2011; BMVBs 2012).        rung gewünschter Entwicklungen Gegenstand der Raum-
inwieweit dieser anspruch eingelöst wird, soll im folgen-      nutzungssteuerung durch staatliche Politik ist. Zentral im
den untersucht werden. Dazu werden zunächst die prokla-        Prozess der Regulierung von Landnutzungskonflikten sind
mierten Ziele der beiden Politiken hinsichtlich nachhaltiger   Politiksektoren (vgl. Krott/Hasanagas 2006; Jänicke 2006;
landnutzung als Kern nachhaltiger regionaler entwicklung       Hubo/Krott 2007; Giessen/Krott 2009; Giessen 2011a: 293;
herausgearbeitet. für deren Umsetzung ist ein entsprechen-     Giessen 2011b: 486). Diese regulieren „Konflikte nach eige-
des instrumentarium erforderlich. in einem zweiten schritt     nen Programmen in einem bestimmten öffentlichen Aufga-
wird deshalb untersucht, welches steuerungspotenzial die       benfeld“ (Hubo/Krott 2010: 222). Sie sind gekennzeichnet
instrumente besitzen, um die erklärten Ziele umzusetzen.       durch besondere analytische Programme, Akteure und Ver-
anhand der Zielaussagen und ihrer instrumentellen Unter-       fahren,2 wobei die programmatischen Aussagen in ihrer
fütterung lässt sich beurteilen, welcher formale Beitrag       Gesamtheit das analytische Programm des Sektors bilden,
von den Politiken zur steuerung der landnutzung als Kern       „welches das Aufgabenfeld und damit den Namen des Sek-
nachhaltiger entwicklung ländlicher regionen erwartet          tors bestimmt, die Ziele und Gestaltungsspielräume benennt
werden kann.                                                   sowie Zuständigkeiten, Instrumente und Entscheidungs-
   Operationalisiert wird nachhaltige landnutzung in länd-     strukturen festlegt“ (Hubo/Krott 2010: 222). Entscheidend
lichen regionen durch vier nachhaltigkeitsdimensionen,         für die Zuordnung programmatischer Aussagen zu einem
welche neben Ökologie und Ökonomie zwei ergänzende             Sektor ist die Sektorzugehörigkeit der hauptverantwortli-
räumliche Dimensionen (global und regional) enthalten und      chen Akteure, von denen die Aussagen stammen. Sektorale
einen teilausschnitt des nachhaltigkeitsdiskurses abbil-       Akteure sind administrative Facheinheiten oder mit admi-
den (Mölders/Burandt/szumelda 2012: 97). Diese bilden          nistrativen Aufgaben des Sektors betraute Organisationen,
den Bewertungsmaßstab für die Analyse des Steuerungs-          die sektoral Zuständigen in politischen Entscheidungsgre-
potenzials der raumordnungs- und agrarpolitik. Die sek-        mien sowie Verbände, deren Interessen überwiegend dem
toralen Ziele und instrumente, die auf unterschiedlichen       Sektor zuzuordnen sind. Raumordnungspolitik kann wegen
politisch-administrativen ebenen formuliert werden, bezie-     der sektorübergreifenden Querschnittsorientierung nicht
hen sich auch auf ländliche regionen. Die analyse der          als herkömmlicher Politiksektor angesehen werden, besitzt
steuerungspotenziale der raumordnungs- und agrarpolitik        jedoch Merkmale, wie eigene Programme, Akteurskons-
bezieht deshalb die regionale ebene ein und dient somit
der Überprüfung des anspruchs auf nachhaltige entwick-         1
                                                                 Förderkennzeichen 033L029. Die Modellregionen sind Diepholz
lung ländlicher regionen. Dabei wird auf ergebnisse zu         (Niedersachsen), Uelzen (Niedersachsen), Fläming (Sachsen-Anhalt)
vier Modellregionen zurückgegriffen, die im rahmen des         und Oder-Spree (Brandenburg). Die Autoren sind am Forschungspro-
                                                               jekt beteiligt.
BMBf-Verbundforschungsprojektes „nachhaltiges land-
                                                               2
                                                                 Politiksektoren konkurrieren um Einfluss im Prozess der Politikge-
management im Norddeutschen Tiefland“ (NaLaMa-nT)
                                                               staltung, weshalb eine effektive Politikformulierung der intersektora-
                                                               ler Koordinierung bedarf (vgl. etwa Hogl (2008), Giessen (2012) und
                                                               Hogl/Nordbeck (2012)).
Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch …                                      383

tellationen und Ziele (von Haaren/Moss 2011: 71), welche           2.2 Analysemethodik
diese Einordnung zu analytischen Zwecken als zulässig
erscheinen lassen.                                                 Die Analyse in diesem Beitrag liefert eine überblicksartige
   Die Nachhaltigkeitsdimensionen sind vier Entwick-               Einschätzung der Nachhaltigkeitspotenziale sektoraler Ziele
lungsdimensionen, die unter anderem aus den Klimasze-              und Instrumente der Raumordnungs- und Agrarpolitik. Ana-
narien des „Intergovernmental Panel on Climate Change“             lysiert werden für die Agrar- und Raumordnungspolitik
(IPCC) abgeleitet wurden.3 Die Dimensionen Ökonomie-,              zentrale Rechtstexte (etwa das Bundesraumordnungsge-
Ökologie-, regionale und globale Orientierung bilden die           setz (ROG)), politische Erklärungen, Strategien und Pläne.
Maßstäbe, nach denen die Ziele und Instrumente der Poli-           Dabei werden die generellen Ziele und die Umsetzungs-
tiken geprüft werden. Die regionale und globale Orientie-          instrumente separat betrachtet. Die Ziele ergeben sich aus
rung dienen der Analyse regionalentwicklungspolitischer            den zentralen Gesetzen des Sektors, ergänzend werden Aus-
Prozesse in Abhängigkeit von übergeordneten politisch-             sagen aus politischen Erklärungen, Strategien, Program-
räumlichen Entwicklungen (z. B. steigende Nachfrage nach           men und Plänen hinzugezogen. Die Instrumente werden
Rohstoffen aus wachsenden Regionen, politisch geförderter          den einschlägigen Gesetzen, Verordnungen und Richtli-
Wettbewerb zwischen Regionen, Liberalisierung des Han-             nien entnommen. Die Analyse ist auf zentrale Instrumente
dels) und der Ergänzung des Konzepts der nachhaltigen              beschränkt, wobei die Auswahl aus eigenen Erwägungen,
Entwicklung um eine räumliche Dimension. Dabei wird                Literaturrecherchen und Befragungen von je fünf wissen-
die soziale Dimension der Nachhaltigkeit in eine regionale         schaftlichen und administrativen Experten der Agrar- und
Perspektive übertragen, wobei der analytische Schwerpunkt          Raumordnungspolitik resultiert.
auf der Betrachtung von Stoffflüssen und der politischen              Im Bereich Agrarpolitik wurden wissenschaftliche
Beförderung dieser liegt.                                          Experten aus den Sektoren Agrarökonomie, Agrarstatistik,
   Ökologieorientierung wird bestimmt als Festlegung von           Nutzpflanzenwissenschaften und ländliche Entwicklung
naturalen Sollzuständen für angenommene positive Umwelt-           befragt. Deshalb wurden als Instrumentenschwerpunkte die
wirkungen, etwa in § 1 Nr. 2 Düngegesetz (DüngeG): „die            finanzielle Steuerung insbesondere durch die Direktzahlun-
Fruchtbarkeit des Bodens, insbesondere den standort- und           gen, Marktordnungen und Ausfuhrerstattungen, die Regu-
nutzungstypischen Humusgehalt, zu erhalten oder nachhal-           lierung der pflanzlichen Produktion, die Agrarumweltpolitik
tig zu verbessern“. Naturale Sollzustände beinhalten eine          (hier insbesondere Cross Compliance4, Agrarumweltmaß-
physische Dimension. Es gilt ferner, dass die Erhaltung des        nahmen und die Förderung des Ökolandbaus) und die Poli-
Naturkapitals die Grundlage für wirtschaftliche und soziale        tik zur Entwicklung des ländlichen Raumes identifiziert.
Aktivität bildet (Konzept der starken Nachhaltigkeit nach          Für die Raumordnungspolitik wurden verschiedene Akteure
Ott/Döring 2004; vgl. Rehbinder 2008: 92).                         der räumlichen Planung hinzugezogen, sodass als Schwer-
   Unter Ökonomieorientierung wird eine Ausrichtung auf            punkte die Raumordnungsplanung, das Raumordnungsver-
wirtschaftliches Wachstum, also eine Steigerung des Pro-           fahren und Raumentwicklungs- und Landnutzungskonzepte
duktionspotenzials, verstanden (Donges/Freytag 2004: 12),          identifiziert wurden.
welches eine Erhöhung des Bruttoinlandsproduktes (BIP)                Die Beurteilung der Instrumente beruht auf den jewei-
und des Einkommens in der Region umfasst.                          ligen Zielen und dem Wirkungsmodell des Instruments,
   Dem Kriterium „regionale Orientierung“ liegt zugrunde,          das heißt auf den formalen Annahmen über die Wirkung,
dass die politische Förderung auf eine Stärkung regionaler         die inhärent in der Ausgestaltung des Instruments enthal-
Stoffflüsse ausgerichtet ist, sodass als Ergebnis Entwick-         ten sind (vgl. Krott 2001). Eine empirische Evaluierung des
lungen eintreten, die sich einer autochthonen Regional-            Vollzuges der einzelnen Instrumente ist damit nicht verbun-
entwicklung nähern und weniger auf externe Nachfrage               den. Es wird angenommen, dass eine Gleichgewichtung der
ausgerichtet sind (vgl. Hahne 1985; Böcher 2008; Giessen           einzelnen Instrumente möglich ist, weil alle Instrumente für
2010b). Im Gegensatz dazu umfasst „globale Orientierung“           bestimmte Probleme angeboten werden und staatliche Pro-
die Ausrichtung einer Region auf den globalen Wettbewerb,          gramme grundsätzlich auf eine adäquate Problembearbei-
welche externe Nachfrage und Mobilisierung extraregiona-           tung abzielen. Eine a priori-Wirkungsgraddifferenzierung
ler Stoffflüsse erzeugen soll (Böcher/Krott 2011: 11 f.). Glo-     auf formaler Ebene ist nicht intendiert und kann erst durch
bal wird verstanden als außerhalb der Region liegend, kann         eine Evaluierung des Vollzugs festgestellt werden, die
somit auch eine nationale Dimension umfassen.                      jedoch nicht Gegenstand dieser Analyse ist.
                                                                      Inwieweit die Ziele und Instrumente die vier Entwick-
                                                                   lungsdimensionen unterstützen, wird anhand dreier Katego-
3
 Aus den Szenarien des IPCC (u. a. IPCC 2000) wurden im Rahmen
des Projekts NaLaMa-nT sozioökonomische Szenarien unter Verwen-
dung der vier Entwicklungsdimensionen entwickelt, um Nachhaltig-   4
                                                                     Unter Cross Compliance versteht man die Verknüpfung von Prä-
keit zu operationalisieren.                                        mienzahlungen mit der Einhaltung von Umweltstandards.
384                                                                                                        R. Kaufer et al.

rien bewertet: „kein Potenzial“, „mäßig starkes Potenzial“    petenzen der Länder beibehalten. Agrarpolitische Steue-
und „starkes Potenzial“. Der Bewertung liegen das Ausmaß      rung ist geprägt von mehreren Steuerungsebenen, multiplen
der Zielausrichtung des Instruments in Bezug auf das jewei-   Zielen und Programmen und zielt nicht nur auf die Förde-
lige Kriterium und das Vorhandensein konkreter Umset-         rung und Protektion europäischer Agrarproduktion, son-
zungsregeln zugrunde. Bei regulativen Instrumenten gelten     dern analog zur Raumordnungspolitik auch auf den Schutz
die Bestimmtheit der Rechtsbegriffe, der Grad des Ermes-      natürlicher Ressourcen und die nachhaltige Entwicklung
sensspielraums von Behörden und Kontroll- und Sanktions-      ländlicher Regionen. Nachfolgend wird dargelegt, welche
regelungen als Bewertungsmaßstab. Beispielsweise sieht        Steuerungspotenziale die Ziele und Instrumente des Sek-
§ 13 Sortenschutzgesetz (SortSchG) vor, dass „der Sorten-     tors hinsichtlich der Entwicklungskriterien Ökonomie- und
schutz bis zum Ende des fünfundzwanzigsten, bei Hopfen,       Ökologieorientierung, regionale und globale Orientierung
Kartoffel, Rebe und Baumarten bis zum Ende des dreißigs-      beinhalten.
ten auf die Erteilung folgenden Kalenderjahres dauert“,
worin ein starkes ökonomisches Potenzial besteht, da der      3.1.1 Agrarpolitische Ziele
Sortenschutzinhaber 25 Jahre vom Sortenschutz profitieren
kann, welcher zusätzlich durch die Schadenersatzpflicht bei   Die Ziele der Agrarpolitik ergeben sich aus dem Vertrag
Zuwiderhandlung gemäß § 37 SortSchG (Sanktionsrege-           über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
lung) abgesichert wird.                                       europäischen Rechtsakten, Mitteilungen, Strategien und
   Für finanzielle Anreizinstrumente gilt die Bedeutung des   nationalen Grundlagengesetzen. Auf EU-Ebene folgt die
Förderumfangs absolut und im Verhältnis zu anderen För-       Zentralität ökonomischer Ziele der Agrarpolitik aus Artikel
dermitteln oder zum Bruttoproduktionswert des jeweiligen      39 AEUV, wonach die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)
Sektors als Maßstab der Bewertung. In Deutschland stan-       der Produktivitätssteigerung durch technischen Fortschritt,
den 2010 für Werbung und Absatzförderung 700.000 € aus        Rationalisierung und effizienten Produktionsfaktoreinsatz,
dem „Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft“       der Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung der
(EGFL) zur Verfügung (BMELV 2011c: 458), was bei              landwirtschaftlichen Bevölkerung, der Marktstabilisierung,
einem geschätzten Sektorproduktionswert von 45 Mrd. €         der Versorgungssicherheit und angemessenen Verbraucher-
(BMELV 2011a: 27) ein mäßig starkes ökonomisches Steue-       preisen dienen soll. Auch können der Mitteilung der Kom-
rungspotenzial bedeutet. Wichtiger Anhaltspunkt für das       mission „Eine vereinfachte GAP für Europa – ein Erfolg
Steuerungspotenzial informationeller Instrumente ist deren    für uns alle“ (Europäische Kommission 2009) exemplarisch
Bekanntheitsgrad bei der Zielgruppe (Böcher/Krott 2011:       Zielvorgaben entnommen werden. Hierin formuliert die
95 ff.) und die Notwendigkeit der Berücksichtigung in der     Kommission, dass „die Vereinfachung der GAP ein wesent-
behördlichen Entscheidungsfindung. Eine solche ergibt sich    licher Faktor ist bei den Bemühungen, die Landwirtschaft
insbesondere, wenn starke Interessen berührt sind.            wettbewerbsfähiger zu machen, Arbeitsplätze zu erhalten
   Zur Verdeutlichung werden eine Gesamtdarstellung der       und neue zu schaffen und zu einer nachhaltigen Entwick-
Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspoli-         lung der ländlichen Gebiete beizutragen“ (Europäische
tik in Zielen und Instrumenten in Tab. 1 und die Steue-       Kommission 2009: 3). Es kommt der politische Wille zum
rungspotenziale einzelner Instrumente der Agrar- und          Ausdruck, die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in
Raumordnungspolitik hinsichtlich der vier Nachhaltigkeits-    der EU und deren Arbeitsmarktpotenzial zu erhöhen. Die
dimensionen in Tab. 2 abgebildet.                             Mitteilung formuliert darüber hinaus den Anspruch, dass
                                                              europäische Agrarpolitik die Landwirtschaftsbetriebe bei
                                                              der Abwehr von Umweltschädigungen und der Bereitstel-
3 Empirische Gegenüberstellung der Agrar-                    lung öffentlicher Güter zu unterstützen habe.
   und Raumordnungspolitik                                       Neben der primären Orientierung hinsichtlich wirtschaft-
                                                              licher Entwicklung mit der Schwerpunktsetzung im Bereich
3.1 Agrarpolitik                                             Wettbewerbsfähigkeit, welche auch aus der Umsetzung der
                                                              „Europe 2020 strategy for smart, sustainable and inclu-
Die politische Steuerung des Agrarsektors findet im euro-     sive growth“ (European Commission 2010: 3) resultiert,
päischen Mehrebenensystem statt. EU, Bund und Länder          worin zugleich eine Orientierung Richtung Weltmärkte zu
greifen durch vielfältige Politikmuster in die Landnut-       erkennen ist, scheint unter dem Schlagwort der ‚nachhal-
zungsentwicklung ein. Agrarpolitik, bestehend aus Agrar-      tigen Entwicklung der ländlichen Gebiete‘ subsummierte
preis-, Agrarstruktur-, Agrareinkommens-, Agrarsozial-,       Ökologieorientierung durch. Ergänzt wird diese Schwer-
Agrarhandels- und Agrarumweltpolitik, ist eine besonders      punktsetzung im Bereich nachhaltiger Entwicklung durch
vergemeinschaftete Sektorpolitik, gleichzeitig wurde die      den Managementplan 2012 der Generaldirektion für Land-
regions- und länderspezifische Differenzierung durch Kom-     wirtschaft und ländliche Entwicklung. Darin ist formuliert:
Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch …                                                  385

Tab. 1 Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik in Zielen und ausgewählten Instrumenten hinsichtlich der vier Nachhaltigkeits-
dimensionen (Ökologie, Ökonomie, regionale Orientierung, globale Orientierung)
Nachhaltigkeitsdimensionen         Ökologie                Ökonomie                    Regional                   Global
Ziele
Agrarpolitik                        Stark                    Stark                       Mäßig stark               Stark
Raumordnungspolitik                 Stark                    Stark                       Stark                     Stark
Instrumente
Agrarpolitik (18)
Stark                               ●●●●                     ●●●●                        ●●                        ●●●●
                                    ●                        ●●●●                                                  ●●
                                                             ●●●●
Mäßig stark                         ●●●●                     ●●●●                        ●●                        ●
                                    ●●                       ●●
Kein                                ●●●●                     ●                           ●●●●●                     ●●●●
                                    ●●●●                                                 ●●●●●                     ●●●●
                                                                                         ●●●●●                     ●●●●
Raumordnungs-politik (14)
Stark                               ●●●●                     ●●●                         ●                         ●●●
Mäßig stark                         ●                        ●                           ●●●●                      ●
Kein                                ●●●●                     ●●●●                        ●●●●                      ●●●●
                                    ●●●●                     ●●●●                        ●●●●                      ●●●●
                                    ●                        ●●                         ●                          ●●
Die einzelnen Instrumente können für alle vier Nachhaltigkeitsdimensionen formale Steuerungspotenziale aufweisen. Es wurden 18
Instrumente der Agrarpolitik (vgl. Tab. 2) und 14 Instrumente der Raumordnungspolitik (vgl. Tab. 2) einbezogen. Jeder Punkt repräsentiert ein
einzelnes Instrument, wobei jedes Instrument Steuerungspotenziale in allen Dimensionen besitzen kann

„the CAP faces the same challenges as those identified in                  In der Mitteilung der Kommission „Die GAP bis 2020:
the ‚Europe 2020‘ strategy, resulting from budgetary cons-              Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche
traints and from the need to respond to the economic cri-               Gebiete – die künftigen Herausforderungen“ wird zudem die
sis and climate change. (…) Objectives of the CAP are to                Ernährungssicherheit als Ziel genannt (Europäische Kom-
maintain the production base for food, feed and renewable               mission 2010: 5), welches wiederum über die Steigerung
energy across the whole European Union (‚EU‘), to provide               der Produktionskapazitäten sowie der Effizienz und Wettbe-
environmental public goods and services, to ensure a sus-               werbsfähigkeit erreicht werden soll. Auch hierin kommt die
tainable management of natural resources, and to contribute             starke ökonomische Orientierung zum Ausdruck.
to the viability of rural areas and to a balanced territorial              Das Landwirtschaftsgesetz (LwG) als nationales agrar-
development in the EU“ (European Commission 2012: 3).                   politisches Grundlagengesetz beinhaltet in § 1 die Ziel-
Neben Beiträgen zur Bekämpfung der ökonomischen Krise                   vorgabe, dass der „Landwirtschaft die Teilnahme an der
und des Klimawandels soll die Gemeinsame Agrarpolitik                   fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirt-
dem Schutz der Umwelt und der Kulturlandschaften dienen                 schaft“ und „der Bevölkerung die bestmögliche Versor-
und Wachstum, Arbeitsplätze und Innovationen in den länd-               gung mit Ernährungsgütern“ durch geeignete Mittel der
lichen Gebieten generieren. Die Generaldirektion formuliert             Wirtschafts- und Agrarpolitik zu gewähren seien. Hierin
zudem, dass die Prioritäten der Gemeinsamen Agrarpolitik                kommen eine starke Ökonomieorientierung und die sozial-
„promoting a viable and competitive agricultural sector                 politische Dimension der Agrarpolitik zum Ausdruck. Das
which respects high environmental and production stan-                  Landwirtschaftsgesetz enthält keine Zielaussagen in den
dards“, „contributing to sustainable development of rural               Bereichen Ökologie, regionale und globale Orientierung.
areas“ und „promoting the European agricultural sector in                  Die deutsche Agrarpolitik hat ihre Zielvorgaben und
world trade“ (European Commission 2012: 6) sind. Zentral                Grundsätze kürzlich in der „Charta für Landwirtschaft und
sind die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erschlie-               Verbraucher“ (BMELV 2012) gebündelt. Genannt werden
ßung neuer Absatzmärkte und die Ermöglichung einer                      eine „nachhaltige Produktionssteigerung“, „Lebensmittel-
nachhaltigen Entwicklung, was einer Dominanz der Wirt-                  sicherheit“ und bewusster Umgang damit, „Erhöhung der
schafts- und Globalorientierung – da eine starke Zielaus-               weltweiten Ernährungssicherheit“, Generierung bzw. Unter-
richtung in diesen Dimensionen – und ergänzender starker                stützung einer sozial und ökologisch tragfähigen Agrar-
Ökologie- und starker regionaler Orientierung entspricht.               strukturentwicklung durch Diversifizierung und Stärkung
386                                                                                                                          R. Kaufer et al.

Tab. 2 Steuerungspotenziale einzelner Instrumente der Agrar- und Raumordnungspolitik hinsichtlich der vier Nachhaltigkeitsdimensionen (Öko-
logie, Ökonomie, regionale Orientierung, globale Orientierung)
Nachhaltigkeitsdimensionen                                       Ökologie           Ökonomie           Regional          Global
Instrumente
Agrarpolitik (18)
Finanzielle Instrumente
Direktzahlungen (EG VO 73/2009; Direktzahlungsverpflichtungs- X                     XX                 0                 XX
gesetz; Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung)
Ausfuhrerstattungen (EG VO 1234/2007)                            0                  XX                 0                 XX
Marktordnungen (insbesondere Marktmaßnahmen) (EG VO              0                  XX                 X                 XX
1234/2007)
Absatzförderung (EG VO 3/2008; Agrarabsatzförderungsdurch-       X                  XX                 0                 XX
führungsgesetz (AgrarAbsFDG))
Agrarinvestitionsförderung (Agrarinvestionsförderungsprogramm 0                     XX                 XX                XX
Niedersachsen)
Agrarumweltmaßnahmen (z. B. Richtlinie über die Gewährung        XX                 X                  XX                0
von Zuwendungen für das Niedersächsische und Bremer Agrar-
Umweltprogramm (NAU/BAU) 2011)
Förderung des ökologischen Landbaus (z. B. Richtlinie über die   XX                 X                  0                 0
Gewährung von Zuwendungen für das Niedersächsische und
Bremer Agrar-Umweltprogramm (NAU/BAU) 2011)
Regulative Instrumente
Landwirtschaftsgesetz                                            0                  XX                 0                 0
Gentechnikgesetz (GenTG) i. V. m. Gentechnik-Pflanzenerzeu-      XX                 XX                 0                 0
gungsverordnung (GenTPflEV)
Ökokennzeichengesetz (Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des           X                  X                  0                 X
Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische
Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologi-
schen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
Nr. 2092/91)
Pflanzenschutzgesetz (VO (EG) Nr. 1107/2009)                     XX                 XX                 0                 0
Sortenschutzgesetz                                               0                  XX                 0                 0
Düngegesetz                                                      XX                 XX                 0                 XX
Saatgutverkehrsgesetz                                            X                  XX                 0                 0
Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur         0                  X                  0                 0
und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe
(Grundstückverkehrsgesetz – GrdstVG)
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch    0                  0                  0                 0
Informationelle Instrumente
EU-Bio Logo (EU VO 271/2010)                                     X                  X                  0                 0
EU-Gemeinschaftszeichen für „Geschützte Ursprungsbezeich-        0                  X                  X                 0
nung“ und für „Geschützte geographische Angabe“ (EG VO
628/2008)
Raumordnungspolitik (14)
Finanzielle Instrumente
Förderung aus den europäischen Strukturfonds (etwa EFRE)         X                  X                  X                 XX
Regulative Instrumente
Raumordnungsplanung                                              XX                 XX                 XX                XX
Umweltprüfung (§ 9 ROG)                                          XX                 0                  0                 0
Raumordnungsverfahren (§ 15 ROG)                                 XX                 XX                 0                 XX
Zielabweichungsverfahren (§ 6 ROG)                               0                  0                  0                 0
Untersagung raumbedeutsamer Maßnahmen und Planungen              XX                 0                  0                 0
(§ 14 ROG)
Informationelle/Kooperative Instrumente
Europäisches Raumentwicklungskonzept (EUREK)                     0                  0                  0                 0
Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch …                                        387

Tab. 2: (continued)
Nachhaltigkeitsdimensionen                                      Ökologie           Ökonomie           Regional    Global
Europäisches Raumbeobachtungsnetzwerk (ESPON)                   0                  0                  0           0
Regionale Entwicklungs- und Energiekonzepte                     0                  0                  X           0
Regionale Kooperationsforen/Städtepartnerschaften               0                  0                  X           0
Raumordnungsbericht des Bundesamtes für Bauwesen und            0                  0                  0           0
Raumordnung
Konzept der „Europäischen Metropolregionen in Deutschland“      0                  0                  0           0
Masterplan Güterverkehr und Logistik                            0                  0                  0           0
Regionalmanagement, -marketing                                0                 X                 X               X
Die einzelnen Instrumente können in allen vier Nachhaltigkeitsdimensionen wirken. Es wurden 18 Instrumente der Agrarpolitik und 14
Instrumente der Raumordnungspolitik einbezogen
XX starkes Steuerungspotenzial des Instruments hinsichtlich der jeweiligen Nachhaltigkeitsdimension
X mäßig starkes Steuerungspotenzial des Instruments hinsichtlich der jeweiligen Nachhaltigkeitsdimension
0 kein Steuerungspotenzial des Instruments hinsichtlich der jeweiligen Nachhaltigkeitsdimension

der Wettbewerbsfähigkeit, Forschung und Entwicklung zu                 Produktqualität“, „Sicherung und Entwicklung der Kultur-
Gunsten der Agrarwirtschaft und Verbraucher, Begrenzung                landschaften vor allem durch Landbewirtschaftung“ und
der wettbewerbshemmenden Regulierung des Agrarsek-                     „Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität im länd-
tors, wirtschaftlich tragfähiger Tierschutz und die Erhaltung          lichen Raum“ (BMELV 2011b: 31) angeführt. Die Ökono-
bäuerlich wirtschaftender Landwirtschaftsunternehmen                   mieorientierung dominiert als starke Zieldimension, indem
(BMELV 2012: 13 f.). Es wird ersichtlich, dass die Öko-                auf die Notwendigkeit der Stärkung der Wettbewerbsfä-
nomieorientierung dominiert. Nachhaltige Produktions-                  higkeit und die Hebung von Innovationspotenzialen durch
steigerung, eine tragfähige Agrarstrukturentwicklung durch             Bildung verwiesen wird. Ländliche Entwicklung soll durch
Diversifizierung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit,                eine Steigerung des Produktionspotenzials und erhöh-
Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Produk-                 ten Export aus der Region erreicht werden. In der starken
tionsprozesse und Begrenzung wettbewerbshemmender                      Ökonomieorientierung der ländlichen Entwicklungspolitik
Regulierung sind unmittelbar auf die Erhöhung der Produk-              kommt zugleich ihre Ausrichtung auf überregionale Märkte
tionskapazitäten und die Gewinn- und Verluststruktur der               und externe Nachfrage zum Ausdruck. Die Entwicklung
Agrarbetriebe und die Produktionsbilanz des Agrarsektors               ländlicher Regionen soll durch regionsexterne Nachfrage
ausgerichtet. Im Bereich Ökologieorientierung ist festzu-              nach regionalen Gütern gelingen. Regionale Orientierung
stellen, dass die Produktionssteigerung nachhaltig erfol-              wird nicht priorisiert. Die Stärkung des Umwelt-, Natur-
gen, der Tierschutz beachtet, Forschung und Entwicklung                und Tierschutzes verweist auf die starke Ökologieorientie-
über Effizienzsteigerung den Ressourceneinsatz verringern              rung der ländlichen Entwicklungspolitik.
und durch den Erhalt bäuerlich wirtschaftender Unterneh-                  Das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-
men natürliche Ressourcen geschont werden sollen. Nach-                rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAKG)
haltige Produktion wird als ökologisches Ziel ausgegeben.              beinhaltet in § 2, dass „eine leistungsfähige, auf künftige
Durch den Verweis auf die Bedeutung der Wettbewerbs-                   Anforderungen ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft zu
fähigkeit für die Agrarstrukturentwicklung wird die starke             gewährleisten und ihre Wettbewerbsfähigkeit im Gemeinsa-
globale Orientierung deutlich, da deutsche Agrarbetriebe               men Markt der Europäischen Union zu ermöglichen sowie
mit nichtdeutschen Unternehmen konkurrieren sollen. Eine               den Küstenschutz zu verbessern“ und „dabei die Ziele und
Förderung regionaler Entwicklung durch Steigerung intra-               Erfordernisse der Raumordnung, Landesplanung sowie des
regionaler Stoffflüsse ist keine Priorität.                            Umweltschutzes und des Tierschutzes zu beachten“ sind.
   Im „Nationalen Strategieplan der Bundesrepub-                       Ökonomieorientierung und globale Orientierung erscheinen
lik Deutschland für die Entwicklung ländlicher Räume                   für den Agrarsektor als starke Zieldimensionen. Umwelt-
2007–2013“ (BMELV 2011b) werden als Ziele die „Stär-                   und Tierschutz deuten auf die starke Zielausrichtung im
kung der Wettbewerbsfähigkeit, Erschließung neuer Ein-                 Bereich Ökologieorientierung.
kommenspotenziale sowie damit Schaffung und Sicherung
von Arbeitsplätzen innerhalb und außerhalb der Land- und
Forstwirtschaft“, „Verbesserung des Bildungsstandes, der
Kompetenz und des Innovationspotenzials“, „Stärkung des
Umwelt-, Natur- und Tierschutzes sowie Verbesserung der
388                                                                                                                   R. Kaufer et al.

3.1.2 Agrarpolitische Instrumente                                     prämien an landwirtschaftliche Betriebsinhaber kommen
                                                                       dabei die Funktionen zu, Betriebsrisiken abzufedern und
Finanzielles Instrumentarium                                           sie für die im Rahmen der Ökologisierung der Agrarpolitik
Im Bereich der finanziellen Steuerung des Agrarsektors                 und der Integration agrarumweltpolitischer Aspekte einge-
durch die Europäische Union war die MacSharry-Reform                   führte Koppelung der Betriebsprämienzahlung an die Erfül-
(1992) der erste Reformschritt zur Modernisierung der                  lung über die Produktion hinausgehender Auflagen (EG VO
Gemeinsamen Agrarpolitik und wurde durch die Agenda                    73/2009: L 30/16) finanziell zu entlohnen. Die Betriebsprä-
2000, den „Mid-Term-Review“ (2003) und den „Health                     mienzahlung wird nun stärker als eine Gratifizierung der
Check“ (2008) ergänzt. Zentral waren die Entkoppelung der              Bereitstellung kollektiver Güter betrachtet. Die Betriebsprä-
Direktzahlungen von der Produktion und die Einführung                  mienzahlung beinhaltet über Cross Compliance ein mäßig
der flächenbezogenen Betriebsprämien, die Einführung der               starkes Steuerungspotenzial im Bereich Ökologieorientie-
zweiten Säule5, die Reduzierung der direkten Einkommens-               rung. Die Koppelung der Betriebsprämienzahlung an die
stützung im Rahmen der Modulation6 und die Verwendung                  Erfüllung über die Produktion hinausgehender Auflagen
der zusätzlichen Mittel für die zweite Säule.                          dient ökologischen Mindeststandards, wie aus den Gründen
    Die Direktzahlungen bilden trotz dieser Reformen den               in Absatz 3 der EG VO 73/2009 hervorgeht, wonach „mit
Kern der finanziellen Steuerung im Rahmen der Gemeinsa-                der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 der Grundsatz fest-
men Agrarpolitik. Grundlage jener ist die Verordnung (EG)              gelegt wurde, dass die Direktzahlungen an landwirtschaft-
Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009. Sie ist das                 liche Betriebsinhaber, die bestimmte Anforderungen im
wesentliche Instrument der europäischen Agrarpolitik, da               Bereich der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen, der
sie die unmittelbare Finanzierung der landwirtschaftlichen             Umwelt und des Tierschutzes nicht erfüllen, gekürzt bzw.
Betriebe darstellt, welche die Gewährung der Betriebsprä-              die Betriebsinhaber davon ausgeschlossen werden“. Zentra-
mien jedoch an die Einhaltung von Mindestanforderungen                 les Anliegen ist jedoch „das Ziel der Einkommensbeihilfe“
koppelt. Die Auflagenbindung der Betriebsprämienaus-                   (EG VO 73/2009 aus den Gründen 25), „um der landwirt-
zahlung in den Bereichen Umweltschutz, Tierschutz und                  schaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung
Lebensmittelsicherheit bildet das Cross Compliance-Prin-               zu gewährleisten“ (EG VO 73/2009: L 30/19). Dieses Ziel
zip. Durch die direkten Einkommenstransfers kann die                   ist eng verknüpft mit der Erhaltung der ländlichen Gebiete
europäische Agrarpolitik ihrer Teilfunktion als Agrarein-              (EG VO 73/2009: L 30/19). Die EU-Direktzahlungen sollen
kommenspolitik entsprechen. Deren monetäre Ausstattung                 das Betriebsrisiko reduzieren und somit stark in die Ent-
nimmt mit einem Finanzvolumen von 40 Mrd. € den quan-                  wicklungsdimension der Ökonomieorientierung wirken.
titativ größten Teil ein (European Commission 2012: 6). In             Dieses Ziel wird erreicht, da jene durchschnittlich 60 % des
Niedersachsen werden jährlich etwa 1 Mrd. € Direktzah-                 Unternehmensgewinns ausmachen (BMELV 2011a: 34 ff.;
lungen an die Landwirte ausgeschüttet (ML 2012: 1), was                Landvolk Niedersachsen 2011: 1).
bei einem Produktionswert von 9,3 Mrd. € (ML 2011: 17)                     Neben den Direktbeihilfen an die Landwirte sind im
eine erhebliche Größe darstellt. Aus politikfeldanalytischer           Bereich der ersten Säule die marktbezogenen Maßnahmen
Perspektive kommen in dieser Ausrichtung auf die Ein-                  mit einem Finanzvolumen von 2,966 Mrd. € von Bedeutung
kommensfunktion der Agrarpolitik das historische Anliegen              (Europäische Kommission 2011: 83). Den größten Einzel-
der Nahrungsmittelsicherung, der Wille zur Ermöglichung                bestandteil innerhalb der marktbezogenen Maßnahmen bil-
der Teilhabe der landwirtschaftlichen Bevölkerung an der               det die Verteilung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen an
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und die Bedienung                   stark benachteiligte Personen in der Union mit 500 Mio. €
einer ressourcenstarken und einflussreichen Interessen-                (Europäische Kommission 2011: 84) im Rahmen der Nah-
gruppe zum Ausdruck. Die landwirtschaftliche Interessen-               rungsmittelhilfeprogramme, worin eine sozialpolitische
vertretungspolitik kann hier durchaus als „Pressure Politics“          Komponente besteht. Die Marktmaßnahmen bilden den
bezeichnet werden (Feindt 2009: 68). Die Sicherung der                 agrarpreispolitischen Schwerpunkt der Gemeinsamen
Produktionsfähigkeit europäischer Agrarbetriebe vor dem                Agrarpolitik, welche ein stark ökonomisches und stark
Hintergrund politisch gewünschter und auf der Ebene der                globales – Ausrichtung auf den europäischen Binnenmarkt
Welthandelsorganisation (WTO) eingeleiteter Marktliberali-             – Steuerungspotenzial beinhalten, da etwa durch Markt-
sierungen ist somit erkennbar. Der Auszahlung der Betriebs-            interventionen Absatzrisiken der Produzenten reduziert
                                                                       werden können.
5
 Die „zweite Säule“ umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen zur               Zentrale Säulen der finanzpolitischen Steuerung sind
„Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft und der ländlichen Ent-
                                                                       somit die Direktzahlungen und die Marktmaßnahmen,
wicklung“ (EG VO 73/2009: L 30/17).
                                                                       denen jedoch neben der Erhaltung und Förderung der Wett-
6
  Modulation bezeichnet die „progressive Reduzierung der Direktbei-
hilfen“ zur „Finanzierung von Maßnahmen zur Entwicklung des länd-      bewerbsfähigkeit keine Lenkungsfunktion zugeschrieben
lichen Raums“ (EG VO 73/2009: L 30/17).                                werden kann. Betrachtet man die genannten Kennzahlen vor
Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch …                                   389

dem Hintergrund ökologischer Folgewirkungen der Agrar-             wirtschaftung“ und der „Richtlinie über die Gewährung von
produktion wird deutlich, dass die finanzielle Förderung           Zuwendungen zur Förderung ökologischer Anbauverfah-
ohne eine explizite Stärkung ökologischer Aspekte – durch          ren“ und in Brandenburg auf der Grundlage der „Richtlinie
die Förderung im Bereich der zweiten Säule – nur ein mäßig         des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft des
starkes Steuerungspotenzial im Bereich Ökologieorientie-           Landes Brandenburg zur Förderung umweltgerechter land-
rung entfalten kann. Zentral ist die finanzielle Absicherung       wirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung
der landwirtschaftlichen Produktion, die einem verschärf-          der Kulturlandschaft der Länder Brandenburg und Berlin“
ten globalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Allerdings           (KULAP 2007) vom 27. August 2010 geändert mit Erlass
ist zu beobachten, dass die Aufwendungen für Ausfuhr-              vom 29. Juli 2010 und vom 30. Januar 2012 statt. Die Bran-
subventionen, gekoppelte Direktzahlungen und andere                denburgische Ökolandbauförderung zielt gemäß genannter
marktbezogene Marktmaßnahmen reduziert (Europäische                Richtlinie auf die „Verringerung der Belastung abiotischer
Kommission 2011: 83) und die Aufwendungen für entkop-              und biotischer Schutzgüter durch Dünge- und Pflanzen-
pelte Direktzahlungen und Mittel für die Entwicklung länd-         schutzmittel und damit die Verbesserung der Lebensbedin-
licher Regionen erhöht (Europäische Kommission 2011: 96            gungen wildlebender Tier- und Pflanzenarten“ (KULAP
und 102) wurden. Diese Modifikation kann als Reaktion auf          2007: 15) ab. Hierin ist ein starkes ökologisches Steue-
die entwicklungspolitische und umweltschutzfachliche Kri-          rungspotenzial zu sehen.
tik an der EU-Agrarpolitik interpretiert werden.
   Die finanzielle Förderung ländlicher Regionen wird              Regulatives Instrumentarium
auf Bundes- und Landesebene auf der Grundlage der Ver-             Die regulative Steuerung des Agrarsektors wird über das
ordnung (EG) Nr. 1698/2005 durch den „Europäischen                 landwirtschaftliche Produktionsrecht, welches sich in die
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen            Teilbereiche pflanzliche und tierische Erzeugung untertei-
Raums“ (ELER) vollzogen. Rechts- und Fördergrund-                  len lässt, vollzogen (vgl. Grimm 2010). Zentral im Bereich
lagen bilden das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe              der pflanzlichen Produktion sind Dünge-, Pflanzenschutz-,
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut-               Saatgutverkehrs- und Sortenschutzrecht, da diese Rege-
zes“ (GAKG), die „Nationale Rahmenregelung der Bun-                lungsbereiche unmittelbaren Einfluss auf die Landnutzung
desrepublik Deutschland für die Entwicklung ländlicher             ausüben. Im Bereich der tierischen Produktion sind Futter-
Räume“ (NRR) und die Länderprogramme zur Förderung                 mittel-, Tierschutz-, Tierseuchen- und Tierzuchtrecht zent-
der ländlichen Räume. Die Mittel zur Förderung der länd-           rale Rechtsbestände.
lichen Entwicklung dienen gemäß der ELER-Verordnung                   Für die Steuerung der pflanzlichen Produktion ist das
den Zielen der „a) Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der         Düngerecht mit der flächenangepassten Düngungssteue-
Landwirtschaft und der Forstwirtschaft durch Förderung der         rung zentral. Das Düngerecht enthält eine starke Ökonomie-
Umstrukturierung, der Entwicklung und der Innovation; b)           orientierung, da Handel und Umgang mit Düngemitteln und
Verbesserung der Umwelt und der Landschaft durch Förde-            Düngerausbringung reguliert werden und Düngung einen
rung der Landbewirtschaftung; c) Steigerung der Lebens-            wichtigen Parameter der pflanzlichen Produktion darstellt.
qualität im ländlichen Raum und Förderung“ (Art. 4 Abs.            Zu den Zielen des Düngerechts besagt die Verordnung (EG)
1 EG VO 1698/2005). Die finanzielle Förderung der länd-            Nr. 2003/2003 über Düngemittel, dass diese der „Verein-
lichen Entwicklung fließt überwiegend in die Agrarumwelt-          fachung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt“ (EG VO
maßnahmen (AUM) und die einzelbetriebliche Förderung               2003/2003: 2) dient, mithin den Verkehr und Handel von
landwirtschaftlicher Unternehmen. Letztere sind auf ein-           Düngemitteln vereinfachen (EG VO 2003/2003: 3) und
zelbetrieblicher Ebene stark ökonomisch orientiert. Zentral        „die Sicherstellung des Binnenmarkts für Düngemittel“
sind auf Landesebene neben den Agrarumweltmaßnahmen                (EG VO 2003/2003: 3) garantieren soll. Um die Ökotoxi-
die Agrarinvestitionsförderungsprogramme (AFP). Die                zität zu kontrollieren, sind von den Mitgliedstaaten Maß-
Agrarumweltmaßnahmen beinhalten aufgrund der vertragli-            nahmen zu ergreifen, was auf Bundesebene durch das
chen Selbstverpflichtung der Landwirte zur Ökologisierung          Düngegesetz (DüngeG) geschieht. In § 1 DüngeG ist nor-
der Produktion ein starkes ökologisches Steuerungspoten-           miert, dass „1. die Ernährung von Nutzpflanzen sicherzu-
zial und tragen potenziell zur ökologisch nachhaltigen             stellen, 2. die Fruchtbarkeit des Bodens, insbesondere den
Landnutzung bei.                                                   standort- und nutzungstypischen Humusgehalt, zu erhalten
   Die finanzielle Förderung des Ökolandbaus findet in             oder nachhaltig zu verbessern“ und „3. Gefahren für die
Niedersachsen auf der Grundlage der Richtlinie über die            Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für den Natur-
Gewährung von Zuwendungen für das Niedersächsische                 haushalt (…) vorzubeugen oder abzuwenden“ sind. Die
und Bremer Agrar-Umweltprogramm (NAU/BAU) 2011,                    zentrale Stellung der Binnenmarktorientierung im euro-
in Sachsen-Anhalt auf der Grundlage der „Richtlinien zur           päischen Rechtsakt und der Verweis auf die Ernährung
Förderung einer markt- und standortangepassten Landbe-             von Nutzpflanzen als prozessualer Zwischenschritt für die
390                                                                                                       R. Kaufer et al.

Erhöhung der Produktionseffizienz im Bundesrecht deuten       schutzinhaber berechtigt ist, 1. Vermehrungsmaterial der
auf die starke Ökonomieorientierung des Düngerechts. Im       geschützten Sorte a) zu erzeugen, für Vermehrungszwecke
Bereich der Begrenzung der Ökotoxizität sind duldbare         aufzubereiten, in den Verkehr zu bringen, ein- oder auszu-
Abweichungen von Grenzwerten vorgesehen, diese dür-           führen oder b) zu einem der unter Buchstabe a genannten
fen jedoch nicht planmäßig ausgenutzt werden (§ 8 Dün-        Zwecke aufzubewahren“. Nach § 8 SortSchG steht dem
geG). Gemäß § 4 Düngeverordnung (DüV) dürfen maximal          „Ursprungszüchter oder Entdecker das Recht auf Sorten-
170 kg Gesamtstickstoff (Wirtschaftsdünger tierischer Her-    schutz zu“ und gemäß § 10 a SortSchG ist „ein Landwirt,
kunft) je Hektar und Jahr aufgebracht werden. Die Grenz-      der von der Möglichkeit des Nachbaus Gebrauch macht,
wertfestlegung und die Untersagung einer planmäßigen          dem Inhaber des Sortenschutzes zur Zahlung eines ange-
Überschreitung deuten auf die starke Ökologieorientierung.    messenen Entgelts verpflichtet“. „Der Sortenschutz dauert
Düngegesetz und Düngeverordnung sehen für den Verstoß         bis zum Ende des fünfundzwanzigsten, bei Hopfen, Kartof-
Sanktionsmaßnahmen, die Anordnung der Düngungsein-            fel, Rebe und Baumarten bis zum Ende des dreißigsten auf
stellung und Bußgelder bis zu 15.000 € vor. Zudem verlangt    die Erteilung folgenden Kalenderjahres“ (§ 13 SortSchG),
§ 11 DüngeG einen Klärschlamm-Entschädigungsfonds für         was die immense ökonomische Bedeutung des Sortenschut-
Umwelt- und Personenschäden. Das Düngerecht ist stark         zes kennzeichnet, da der Ursprungszüchter 25 Jahre einen
ökonomie- und ökologieorientiert, da einerseits der Handel    konkurrenzlosen Anspruch auf Nutzungsentgelt besitzt.
vereinheitlicht und die Pflanzennutzung unterstützt werden,   Sortenschutzrecht und Patentierung auf nationaler und
zugleich aber auf die externen ökologischen Effekte der       europäischer Ebene besitzen ein stark ökonomieorientiertes
Düngung reagiert wurde. Das Düngerecht ist hinsichtlich       Steuerungspotenzial. Ökologische und räumliche Entwick-
der räumlichen Orientierung und möglicher Entwicklungs-       lungsimpulse sind vom Sortenschutzrecht nicht intendiert.
effekte indifferent.
   Das Pflanzenschutzrecht beinhaltet eine starke Ökolo-      Informationelles Instrumentarium
gieorientierung, da es die Anzahl und Beschaffenheit der      Im Bereich der informationellen Steuerung ist neben der
Pflanzenschutzmittel reguliert. Es stellt im Bereich der      steuernden Einflussnahme durch Bildung und Beratung auf
pflanzlichen Produktion ein zentrales regulatives Steue-      die europäischen Siegel zu verweisen, die Herkunft (Regio-
rungsinstrument der europäischen Agrarpolitik dar, da Pro-    nalsiegel) und Aspekte der Prozessqualität (Logo der Euro-
duktion und Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel         päischen Union für ökologische/biologische Produktion)
in der EU illegalisiert werden können. § 1 des Gesetzes       signalisieren. Die Steuerungspotenziale im Bereich Öko-
zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz –         nomie sind als mäßig stark einzuschätzen, so sieht die VO
PflSchG) benennt als Ziele, „Pflanzen, insbesondere Kul-      EU 271/2010 vor, dass „die Verbraucher die unter die EU-
turpflanzen, vor Schadorganismen und nichtparasitären         Verordnungen über die ökologische/biologische Produktion
Beeinträchtigungen zu schützen, Pflanzenerzeugnisse vor       fallenden ökologischen/biologischen Erzeugnisse besser
Schadorganismen zu schützen, Gefahren abzuwenden, die         erkennen können“ (EU VO 271/2010: L 84/19). Ein mäßig
durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (…) ins-        starkes ökologisches Steuerungspotenzial beinhalten Öko-
besondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für      siegel aufgrund des diesem Instrumententypus inhärenten
den Naturhaushalt entstehen können“. § 2a PflSchG sieht       appellativen Charakters, da das Wirkungsmodell beinhaltet,
vor, dass der „Pflanzenschutz nur nach guter fachlicher       dass Verbraucher durch Informationen veränderte Kaufent-
Praxis durchgeführt werden darf“. Jene beinhaltet Maß-        scheidungen treffen. Die EG VO 834/2007 formuliert, dass
nahmen zur Gesunderhaltung und Qualitätssicherung von         „die ökologische/biologische Produktionsweise öffentliche
Pflanzen, welche zudem der Abwehr von Gefahren des            Güter bereitstellt, die einen Beitrag zu Umwelt- und Tier-
Pflanzenschutzmitteleinsatzes dienen. Der Verstoß gegen       schutz ebenso wie zur Entwicklung des ländlichen Raums
die Schutzvorschriften kann gemäß §§ 39 und 40 mit Buß-       leisten“ (EG VO 834/2007: L 189/1). Die regionalen Her-
geld- und Freiheitsstrafen geahndet werden.                   kunftssiegel besitzen ein mäßig starkes globalorientiertes
   Das Sortenschutzrecht ist von zentraler ökonomischer       Steuerungspotenzial, da sie externe Güternachfrage
Bedeutung für die Entwicklung der agrarischen Land-           erzeugen sollen.
nutzung, da es über Entschädigungszahlungen an die
Ursprungszüchter und die Entdecker die Triebfeder der         3.2 Raumordnungspolitik
Sortenentwicklung darstellt. Sortenentwicklung wird von
den Agrarproduzenten als ökonomisches Fortschrittsmo-         Raumordnung ist die Gesamtheit aller Maßnahmen zur
mentum der landwirtschaftlichen Produktion angesehen.         zusammenfassenden, überörtlichen und übergeordneten Pla-
Ein ökologisches Steuerungspotenzial lässt sich jedoch        nung mit den Zielen der Ordnung und Entwicklung des Rau-
nicht ableiten. Gemäß § 10 Sortenschutzgesetz (SortSchG)      mes und der Steuerung der Raumnutzung. Nachfolgend wird
hat der „Sortenschutz die Wirkung, daß allein der Sorten-     anhand konkreter Zielformulierungen und der Instrumente
Steuerungspotenziale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch …                                      391

der Raumordnungspolitik überprüft, inwiefern die raum-             widerspruch der Raumordnungspolitik, da einerseits die
ordnungspolitischen Ziele und Instrumente zur Erreichung           Reduzierung des Flächenverbrauchs eine wissenschaftlich
einer nachhaltigen Landnutzung einer Region beitragen und          anerkannte Herausforderung (vgl. Bringezu/Schütz/Sche-
ob die Instrumente die Zielumsetzung unterstützen. Prüfkri-        pelmann et al. 2009: 2) und politische Zielvorgabe (MKRO
terien der raumordnungspolitischen Steuerungspotenziale            2010a) darstellt, die Raumordnungsakteure andererseits
sind die vier Entwicklungskriterien regionale und globale          gemäß Raumordnungsgesetz (ROG) die infrastrukturelle
Orientierung, Ökonomie- und Ökologieorientierung.                  Entwicklung voranzutreiben haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG).
                                                                   Flächensparsame, nachhaltige Landnutzung als Raumord-
3.2.1 Ziele der Raumordnungspolitik                               nungsziel (Bundesregierung 2002: 288) wird folglich durch
                                                                   konträre Teilziele erschwert.
Die Grundlagen und Ziele der Raumordnungspolitik werden               Die Ministerkonferenz für Raumordnung beschreibt die
auf EU-, Bundes- und Landesebene formuliert. Auf EU-Ebene          Zielstellung der europäischen Raumordnungs- und Struk-
fungieren das „Europäische Raumentwicklungskonzept“                turpolitik mit der Feststellung, dass die Ziele „Wettbewerbs-
(EUREK) und die Territoriale Agenda der Europäischen Union         fähigkeit und Beschäftigung“ im Prozess der Förderung
(TAEU 2007) als Grundlagendokumente. Demnach ist „eine             benachteiligter Regionen im Vordergrund stehen (MKRO
ausgewogene und nachhaltige Entwicklung, insbesondere              2010b: 6), obschon zuvor auf die Gleichrangigkeit der
auch durch die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen          wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belange hin-
Zusammenhalts, herbeizuführen“ (Europäische Kommission             gewiesen wurde. Ökonomieorientierung dominiert vor dem
1999: 10). Dabei ist es Aufgabe der Raumordnungspolitik, die       Hintergrund konjunktureller und struktureller Krisen die
„sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit           Zielausrichtung etwa gegenüber der Ökologieorientierung,
seinen ökologischen und kulturellen Funktionen in Einklang zu      wie etwa am Paradoxon der Zielvorgaben hinsichtlich des
bringen und somit zu einer dauerhaften, großräumig ausgewo-        Flächenverbrauchs deutlich wird.
genen Raumentwicklung beizutragen“ (Europäische Kommis-               Zentrale Rechtsgrundlage der deutschen Raumordnungs-
sion 1999: 10). Zentral ist das Ziel, wonach sich „die EU somit    politik ist das Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG). Es
schrittweise von einer Wirtschaftsunion zu einer Umweltunion       sieht in § 1 Abs. 1 S. 1 vor, dass der Gesamtraum der Bun-
und künftig zu einer Sozialunion, unter Wahrung der regiona-       desrepublik „durch fachübergreifende Raumordnungspläne,
len Vielfalt, entwickeln“ soll (Europäische Kommission 1999:       durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstim-
10). Grundlegende, auch für ländliche Regionen bedeutsame          mung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu ent-
Ziele dieses Dokuments wie „Sicherung eines gleichwertigen         wickeln, zu ordnen und zu sichern“ ist. Den Ländern wird
Zugangs zu Infrastruktur und Wissen“ und „nachhaltige Ent-         in § 8 Abs. 1 S. 1 ROG die Aufgabe zugewiesen, das Lan-
wicklung, intelligentes Management und Schutz von Natur            desgebiet durch einen Landesplan und die Teilräume über
und Kulturerbe“ sind auch zentrale Bestandteile der Territoria-    Regionalpläne zu beplanen. Materiell gibt das Raumord-
len Agenda der EU (TAEU 2007: 3).                                  nungsgesetz in § 1 Abs. 2 vor, dass „eine nachhaltige Raum-
   Die deutsche Ministerkonferenz für Raumordnung                  entwicklung die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an
(MKRO) hat hierzu formuliert, dass „sich die Mitglied-             den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang
staaten auf das zentrale Ziel einer ausgewogenen und nach-         [zu] bringen“ hat. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 ROG haben sich
haltigen Entwicklung des europäischen Raumes auf der               die raumordnungspolitischen Akteure an „ausgeglichene[n]
Grundlage einer polyzentrischen Raum- und Siedlungs-               soziale[n], infrastrukturelle[n], wirtschaftliche[n], ökologi-
entwicklung, dem gleichwertigen Zugang zu Infrastruktur            sche[n] und kulturelle[n] Verhältnisse[n]“ zu orientieren.
und Wissen sowie dem Schutz und der nachhaltigen Nut-              Raumordnungspolitik hat den Auftrag, eine umfassende
zung von natürlichen und kulturellen Ressourcen verstän-           Entwicklung einzuleiten und alle Belange (Ökonomie-
digt haben“(MKRO 2010b: 3). Es wird ersichtlich, dass              und Ökologieorientierung sowie regionale Orientierung)
auf EU-, Bundes- und Länderebene sowohl die Ökono-                 zu berücksichtigen. Es muss konstatiert werden, dass die
mieorientierung als auch die Ökologieorientierung betont           Raumordnungspolitik zudem eine globale Orientierung
werden. Doch bedarf etwa der „gleichwertige Zugang zu              einnehmen soll, da Entwicklungen wie dem „Rückgang
Infrastruktur“ des Vorrangs der Versiegelung vor dem Erhalt        und Zuwachs von … Arbeitsplätzen Rechnung zu tragen“
ökologisch relevanter Flächen. Flächenverbrauch statt Flä-         ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG) und damit Globalisierungs-
chenerhalt wird somit als Bedingung einer nachhaltigen             anpassung bzw. -befähigung zu ermöglichen ist, sodass
Entwicklung angesehen, da Infrastrukturausbau der ökono-           Regionen als Wirtschaftsstandorte interessant werden. Die
mischen Entwicklung dient. Dem steht entgegen, dass die            Erhaltung und Beförderung der natürlichen Lebensgrund-
Bundesregierung hinsichtlich des Flächenverbrauchs das             lagen wird als Ziel priorisiert, wenn ein „ökologisch wirk-
Ziel vorgegeben hat, täglich maximal 30 Hektar zu versie-          sames Freiverbundsystem zu schaffen“ und die „weitere
geln (Bundesregierung 2002: 99). Hierin besteht ein Ziel-          Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen
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