EIN WIN-WIN-ANSATZ IN - ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN
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ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT:
EIN WIN-WIN-ANSATZ IN
SACHEN TRANSNATIONALER
ARBEITSBEZIEHUNGEN
IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
ABSCHLUSSBERICHT
Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union
ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT:
EIN WIN-WIN-ANSATZ IN
SACHEN TRANSNATIONALER
ARBEITSBEZIEHUNGEN
IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
ABSCHLUSSBERICHT
Finanzhilfevereinbarung VS/2016/0414
Gemeinsame Projektstudie von EGB und BUSINESSEUROPE
erstellt in Zusammenarbeit mit den Arbeitgeberverbänden
und den europäischen GewerkschaftsverbändenÜBER DIE AUTORINNEN UND AUTOREN
Der EGB und BusinessEurope möchten Marie-Nöelle Lopez und Stefania Marassi für ihre geleistete Arbeit, ihren
Einsatz und ihre Professionalität herzlichen Dank und höchste Wertschätzung aussprechen.
Marie-Nöelle Lopez ist Gründerin und Chefredakteurin von Planet Labor, einer Nachrichtenagentur mit Schwerpunkt
Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen auf europäischer wie auch globaler Ebene. Sie leitete die Einrichtung der
TCA-Datenbank der Europäischen Kommission und war als Expertin an diversen TCA-relevanten Projekten beteiligt.
Stefania Marassi ist Wissenschaftlerin auf dem Gebiet des europäischen sowie internationalen Arbeitsrechts und
Dozentin an der Universität für Angewandte Wissenschaften, Den Haag. Zudem ist sie als unabhängige Beraterin tätig.
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Die in diesem Bericht zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Meinungen sind diejenigen der Autorinnen und
Autoren und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Europäischen Kommission. Der EGB und BusinessEurope
zeichnen als Autoren der gemeinsamen Schlussfolgerungen allein für diese verantwortlich.
2INHALT
Einführung 4
1. Warum eine TCA aushandeln? Blickwinkel eines Arbeitgebers 6
2. Triebfedern für TCA-Verhandlungen 7
3. Vorteile für beide Seiten 10
4. Die Verhandlungsphase: kritisch aber unumgänglich für die anschließende Implementierung
einer Vereinbarung 13
5. Die Umsetzungsphase: Herausforderung für alle, Raum für innovative Lösungen 16
6. Erkenntnisse 19
Gemeinsames Fazit von Europäischem Gewerkschaftsbund und BusinessEurope 21
Liste der transnationalen Unternehmensvereinbarungen 22
Verzeichnis der geführten Gespräche 23
3ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
EINFÜHRUNG
Erfahrung als Fundament: der Hintergrund Projekt hat – zum ersten Mal überhaupt – Gewerkschaf-
der gemeinsamen Projektstudie ten, Arbeitgeberorganisationen und Unternehmen an
einem Tisch versammelt und eine Debatte angestoßen,
Während der vergangenen Jahre haben transnationale die die Ergebnisse organisationsinterner Diskussionen
Unternehmensvereinbarungen (Transnational Company sowie anderer TCA-bezogener Projekte, die der EGB und
Agreements, TCAs) in multinationalen Unternehmen BusinessEurope im Laufe der vergangenen Jahre durch-
(MNU) zunehmend Verbreitung gefunden. Bis dato geführt haben, zugrunde legt.
wurden mehr als 280 Papiere unterzeichnet. Dies ist
das Ergebnis der Internationalisierung von Arbeitsbe- Auf Gewerkschaftsseite haben zahlreiche europäische
ziehungen, in denen europäische und internationale Gewerkschaftsverbände ihre Arbeit rund um Aushand-
Gewerkschaften einerseits sowie einige multinationale lung und Abschluss von TCAs intensiviert – begleitet vom
Unternehmen andererseits eine gemeinsame Handlungs- EGB, der diese Arbeit seit 2009 aktiv unterstützt, um hie-
grundlage gefunden haben. raus erwachsende Probleme anzugehen. Der EGB konnte
zwei unterschiedliche Projekte erfolgreich abschließen,
Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben TCAs auch die was zu dem Vorschlag geführt hat, dieser Art von Ver-
Aufmerksamkeit von EU-Institutionen auf sich gezo- handlungen eine Plattform zu bieten.
gen, weil es auf diesem Wege erwiesenermaßen
möglich ist, heikle Problematiken (wie Antizipation und Gleichzeitig haben sich BusinessEurope und seine
Restrukturierung) in konzertierter Weise in Angriff zu Mitgliedsorganisationen mit dem Thema TCAs beschäf-
nehmen und zugleich zum Erreichen politischer Ziel- tigt und einen Austausch zwischen den Unternehmen
setzungen beizutragen, wie etwa zu den Zielen der angeregt. 2010 hat man die Erfahrungen einer Reihe
Strategie Europa 2020. Die Europäische Kommission multinationaler Unternehmen im Rahmen eines gemein-
hat 2008 ein Expertengremium (mit Vertretern von samen Projekts mit ITCILO diskutiert. In jüngerer Zeit ging
Gewerkschafts- wie auch Arbeitgeberseite) eingesetzt es in einem weiteren Projekt dieser Art um die Chancen
und eine Reihe von Berichten zu damit in Verbindung und Herausforderungen, die mit TCAs und globalen Lie-
stehenden Themen (wie den Auswirkungen von TCAs in ferketten verbunden sind.
verschiedenen Rechtssystemen, Streitbeilegung, usw.)
beauftragt. Während das Europäische Parlament am 15. Gemein war diesen Gesprächen, dass beide Organisa-
Juli 2013 eine Entschließung angenommen hat, die den tionen auf aktuellen Praktiken aufbauen wollten, um
Bericht „Grenzüberschreitende Kollektivverhandlungen Lösungen herauszuarbeiten, die den Verhandlungsver-
und transnationaler sozialer Dialog (2012/2292(INI))“ tretern in ihrer Position eventuell nützen. Vor diesem
(Berichterstatter MdEP Thomas Händel) verabschiedet, Hintergrund haben der EGB und BusinessEurope eine
und forderte die Kommission selbst auf, Ad-hoc-Maß- gemeinsame Projektstudie entwickelt: „Erfahrung als
nahmen für TCAs zu erwägen. Fundament: ein Win-Win-Ansatz in Sachen trans-
nationaler Arbeitsbeziehungen in multinationalen
Das Thema TCAs steht seit einiger Zeit auch auf interna- Unternehmen“. Innerhalb der letzten zwei Jahre hat man
tionaler Ebene im Rampenlicht. Die IAO hat verschiedene sich diesbezüglich mehrmals getroffen. Im Anschluss
Untersuchungen dazu durchgeführt und die Frage, an eine Vorbereitungsphase, die die ersten 6 Monate
welche Rolle TCAs im Kontext einer nachhaltigen Steu- des Jahres 2017 in Anspruch genommen hatte, kamen
erung globaler Lieferketten spielen können, gehörte zu die Sozialpartner erstmals im Oktober 2017 in Helsinki
den zentralen Punkten, mit denen man sich im Rahmen zusammen, wo man über die Einflussfaktoren und Vor-
der Internationalen Arbeitskonferenz der IAO im Juni teile von TCAs sprach. Der zweite Workshop wurde für
2016 beschäftigt hat. Ende Januar 2018 in Berlin organisiert – im Mittelpunkt
dieser Gespräche standen Verhandlungen sowie die
Die wachsende Zahl der Vereinbarungen hat die euro- Implementierung von Vereinbarungen. Im Mai 2018 dann
päischen Sozialpartner veranlasst, der Eröffnung einer fand in Brüssel ein letztes Treffen zur Besprechung des
entsprechenden Diskussion zuzustimmen. Das jüngste Abschlussberichts statt. Die im Verlauf der gesamten
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Projektstudie geführten Gespräche und Diskussionen matiken an – so etwa Themen wie Inklusion junger
flossen dabei sowohl in den vorliegenden Abschlussbe- Menschen, Vermittelbarkeit, Antizipation von Wandel,
richt der zwei unabhängigen Expertinnen Marie-Nöelle Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz oder grund-
Lopez und Stefania Marassi ein, als auch in das politi- legende Arbeitnehmerrechte. Sie alle waren mit
sche Fazit von EGB und BusinessEurope, das besagten europäischen oder auch globalen Gewerkschaftsver-
Bericht beschließt. bänden (European Trade Union Federations, ETUFs, bzw.
Global Union Federations, GUFs) verhandelt worden.
Ergebnisse der Projektstudie: der Besagte Gespräche im Rahmen der vorliegenden Studie
Abschlussbericht waren auf einen Fragebogen gestützt, den der Len-
kungsausschuss erarbeitet hatte. Dabei deckte die Liste
Der vorliegende Abschlussbericht identifiziert und der gestellten Fragen ein weites Themenfeld ab: a) die
umreißt die wichtigsten Ergebnisse der zwischen treibenden Faktoren, die die Unterzeichnerparteien ver-
Juli 2017 und März 2018 geführten Gespräche mit anlasst haben, in Verhandlungen einzutreten und diese
Verantwortlichen des zentralen Managements und Art von Vereinbarungen zu schließen, b) die Vorteile, die
Gewerkschaftsvertretern von insgesamt acht aus dem Abschluss von TCAs für alle beteiligten Par-
Unternehmen, die bereits zuvor transnationale Unterneh- teien erwachsen, und die damit verbundene Möglichkeit,
mensvereinbarungen (und hier insbesondere europäische echte „Win-Win“-Vereinbarungen auszuhandeln, und c)
Rahmenvereinbarungen auf Unternehmensebene (EFAs) die Verhandlungs- und Umsetzungsprozesse sowie das
und/oder globale Rahmenvereinbarungen (GFAs)) Vermögen der Unterzeichnerparteien, bei auftauchenden
geschlossen hatten. Problemen die damit verbundenen Herausforderungen zu
bewältigen und Lösungen festzuzurren, die allen beteilig-
Für die Zwecke dieser Projektstudie wählte der Len- ten Parteien gerecht werden.
kungsausschuss acht Unternehmen mit Hauptsitzen in
Italien, Frankreich und Deutschland aus. Somit wurden Befragt wurden insgesamt 17 Vertreter der Gewerk-
im Rahmen dieser Studie sechs EFAs und zwei GFAs schaftsseite – d. h. Repräsentanten von ETUFs/GUFs
untersucht. Die als Beispiel ausgewählten Unternehmen sowie von Gewerkschaften auf nationaler Ebene, die in
decken ein breites Spektrum verschiedenster Situati- die Aushandlung und/oder Implementierung der ausge-
onen ab. Eines dieser Unternehmen bewegt sich noch wählten TCAs eingebunden gewesen waren. Auf Seiten
nicht lange auf dem europäischen Verhandlungsparkett der Geschäftsleitung sprach man mit 12 Vertretern des
und drei haben bislang erst eine TCA geschlossen. Im zentralen Managements.
Gegensatz dazu haben die anderen vier in der „Arena“
der transnationalen Verhandlung bereits viel Erfahrung
gesammelt: Das erste hat bereits sieben TCAs (fünf EFAs
und zwei GFAs) geschlossen, das zweite drei TCAs (zwei
EFAs und ein GFA), das dritte zwei EFAs und das vierte/
letzte drei EFAs.
Zwei dieser EFAs sind zudem Beispiel für Verein-
barungen, die bereits einen Verlängerungs- und
Neuverhandlungsprozess erfahren haben. Gerade was
Neuverhandlungen angeht, hat die Untersuchung dieser
Vereinbarungen zu einem besseren Verständnis spezi-
fischer Fragestellungen geführt: Es ist klarer geworden,
wie Sozialpartner Probleme, auf die sie im Zuge der
Umsetzung stoßen, auch als solche erkennen können,
wie man eine gemeinsame Situationsdiagnose erstellt
und wie eine Zusammenarbeit funktioniert, die auf eine
bessere Implementierung von Vereinbarungen auf lokaler
Ebene ausgerichtet ist.
Zu guter Letzt schneiden auch die untersuchten TCAs
selbst eine breite Palette unterschiedlichster Proble-
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1. WARUM EINE TCA AUSHANDELN?
BLICKWINKEL EINES ARBEITGEBERS
TCAs sind insofern gewissermaßen einzigartig, als jede rungsbemühungen und -erfolge Rede und Antwort stehen
einzelne Vereinbarung individuell zugeschnitten ist. TCAs zu müssen, regelrecht brauchen. Auch die Möglichkeit
sind auf Lösungen für signifikante Problemstellungen (um nicht zu sagen „das Risiko“), durch ein internes
einer Unternehmensgruppe ausgerichtet und sie sind Gegengewicht an den eigenen Vorgehensweisen und
geeignet, eine spezifische Sozial- oder Personalpolitik Ergebnissen gemessen zu werden, ist ein Druckfaktor,
hervorzubringen, die solchen Herausforderungen gerecht den Unternehmen durchaus schätzen.
wird. Ausgangspunkt für jedes Unternehmen sind die
Probleme und Herausforderungen, die es zu meistern gilt.
Die Entscheidung darüber, ob eine TCA geschlossen wird b. TCAs ermöglichen dem Management eines
oder nicht, fällt erst nach Einschätzung des Wertes einer Unternehmens, sich für die erfolgreiche
solchen Vereinbarung im Vergleich zur Alternative: der Umsetzung seiner internen Politik auf die
Umsetzung einer unilateralen Unternehmenspolitik. aktive Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter
zu stützen
Und obwohl sich die angesprochenen Themen und trei-
benden Kräfte ganz klar auf spezifische Unternehmen Wird über eine TCA verhandelt, erwarten Manage-
beziehen, haben die mit den Management-Teams der ment-Teams nicht nur Forderungen seitens der
Unternehmen geführten Gespräche aufgezeigt, dass Arbeitnehmervertreter, sondern auch deren Unterstüt-
den Entscheidungen der einzelnen Unternehmen, in Ver- zung im Rahmen der Implementierung ihrer internen
handlungen einzutreten und eine TCA zu schließen, doch Unternehmenspolitik. Für viele Unternehmen stellen
einige Faktoren zugrunde liegen, die sie bei aller Indivi- Verhandlungen über eine TCA (und folglich die Einbe-
dualität der Gegebenheiten teilen. ziehung von Arbeitnehmervertretern) eine Möglichkeit
dar, die beschränkten, rein managementseitigen Wege
Worin also bestehen diese allgemeingültigen Aspekte der Politikumsetzung zu verlassen und sich über die
und Beweggründe? Was ist es, das diese Unternehmen Arbeitnehmervertretung neue Wege gemeinsamer Ver-
veranlasst hat, sich für den Abschluss einer TCA zu ent- antwortung zu erschließen. In vielen der untersuchten
scheiden und gegen den Weg einer unilateralen Politik? Fälle – und am häufigsten im Falle von EFAs – greifen
die Unterzeichnerparteien zur Implementierung der Ver-
einbarung daher entweder auf Verhandlungen auf lokaler
a. TCAs ermöglichen, das Management eines Ebene oder auf den Sozialdialog zurück.
Unternehmens an seinen Vorgehensweisen
und Ergebnissen zu messen Die Arbeitsschutzvereinbarungen (Unternehmen A und G)
sind recht bezeichnend für diesen Ansatz, da sie anstre-
Viele Management-Teams der im Rahmen dieser Projekt- ben, den diesbezüglichen Sozialdialog auf lokaler Ebene
studie ausgewählten Unternehmen gaben an, es sei doch zu pflegen und zu fördern. Im Fall des Unternehmens G
deutlich mehr „Zug“ hinter ihren selbstauferlegten Ver- ermöglicht die TCA den Arbeitnehmervertretern, eine
pflichtungen, wenn diese in einer TCA verankert seien. jährliche Besprechung all derjenigen Arbeitsschutzbe-
Tatsächlich zieht der Abschluss solcher Vereinbarungen lange zu beantragen, die außerhalb der Zuständigkeit
bestimmte Folgemaßnahmen nach sich, die seitens der eines entsprechend beauftragten Gremiums liegen.
Unterzeichnerparteien umzusetzen sind. Und eben dieses
Maß an „Zwang“ ist es, das diejenigen, die in diesen Die TCA von Schneider Electric sieht vor, Strukturen für
Prozess einsteigen, für sich suchen. einen nationalen Sozialdialog in all jenen Ländern ein-
zuführen, in denen sie auf dieser Ebene bislang fehlen.
Mit anderen Worten: Es scheint, als ob Unternehmen Die betreffenden Gremien sollten dann regelmäßig
diese Art der Verpflichtung, die mit dem Abschluss einer zusammenkommen, um Fragen und Probleme rund um
TCA einhergeht, bewusst anstreben – ja, als ob sie die Themen Jobwandel und Veränderung der Qualifi-
diesen äußeren Druck, hinsichtlich ihrer Implementie- kationsanforderungen zu besprechen. Die von Engie
6ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
geschlossene TCA gibt allen Geschäftsbereichen Raum Gewerkschaften möglich, auf genau dieser Ebene die
für ein jährliches Treffen mit Arbeitnehmervertre- Verantwortung für die Vereinbarung zu übernehmen. Sie
tern zur Vorstellung und gemeinsamen Diskussion der machen es möglich, durch Einbeziehung lokaler Manager
Bereichsstrategie sowie der daraus erwachsenden Kon- für Aspekte wie Vermittelbarkeit und Qualifikation dies-
sequenzen im Hinblick auf Jobs und Qualifikationen. bezügliche Unternehmensstrategien zu realisieren.
All diese Bestimmungen machen es lokal agierenden
2. TRIEBFEDERN FÜR TCA-VERHANDLUNGEN
Wie oben erwähnt, handelt es sich bei TCAs um in Bezug auf technologische Veränderungen und neue
maßgeschneiderte Vereinbarungen, die Punkte/Her- Märkte (Schneider Electric).
ausforderungen von europäischer oder auch globaler
Tragweite betreffen, die sowohl für Arbeitgeber als auch Ist ein Wandel im Unternehmen der Auslöser, geht die
für Arbeitnehmer von prioritärer Bedeutung sind. Beide Initiative für die Aufnahme von Verhandlungen oftmals
Parteien sehen die Notwendigkeit fester Vorgaben, die von Seiten der Arbeitnehmervertreter aus. In solchen
bei der Bewältigung der gemeinsamen Herausforde- Fällen spiegelt die letztendlich getroffene Vereinba-
rung(en) als Rahmen dienen. Die folgenden Abschnitte rung die auf Arbeitnehmerseite gehegte Besorgnis über
gehen exemplarisch auf eine Reihe dieser treibenden die Auswirkungen eines solchen Wandels wider. Dem
Faktoren ein, die anhand der acht Fallstudien herausge- Bedürfnis der Mitarbeiter nach Transparenz und Garan-
arbeitet werden konnten. tien steht indes eine Reihe von Bedenken/Belangen des
Managements entgegen, wie die Beispiele unten zeigen.
Besagte Herausforderungen können mit Expansions- und
Umgestaltungsplänen (a) in Verbindung stehen, oder Berühren die geplanten Veränderungen auch
mit spezifischeren Themen wie Arbeitsschutz oder der den Punkt der „Globalisierung“, streben
Erneuerung der Belegschaft (b). Auch die Etablierung der Gewerkschaften in der Regel eine Vereinbarung
Vision und/oder des Images einer Gruppe bei möglicher an, in deren Rahmen Sozialschutzpraktiken
Stärkung der Reputation des Unternehmens (c) kann ein zusammenlaufen und so quasi ein „ebenes
Motor sein, ebenso wie die Stärkung von Vertrauen und Spielfeld“ bilden können, auf dem für alle die
Zusammenarbeit zwischen den Parteien in Kombination gleichen Regeln herrschen und nur minimale
mit der Verbreitung einer Kultur des Sozialdialogs unter Ungleichheiten bestehen (Enel). Dabei kann
den verschiedenen Geschäftsbereichen (d) oder die es durchaus auch im eigenen Interesse des
Homogenisierung der Praktiken der einzelnen Niederlas- Unternehmens liegen, seine Unternehmenskultur
sungen in Bezug auf Personal/Arbeitsverhältnisse (e). auf all seine Geschäftsbereiche und Standorte zu
übertragen – insbesondere was die Handhabung
der Umgestaltung im Wege des Sozialdialogs
a. Reaktion auf Herausforderungen im betrifft.
Zusammenhang mit Expansion und/oder
Umgestaltung des Unternehmens Auch gewerkschaftliche Forderungen nach einem
Rahmen, der es ermöglicht, wandelbedingte
Im Falle einiger der befragten Unternehmen war eine Auswirkungen auf Jobs zu antizipieren und
angestrebte Umgestaltung der Motor, der sie in TCA ein- besser zu managen, können im Kontext der
treten ließ – ob der Grund für diese Umgestaltung nun Umgestaltung eines Unternehmens dessen
in einem international stark anziehenden Geschäft zu eigenen Interessen entsprechen, wenn es darum
sehen war (Enel), im geplanten Umstieg auf ein anderes geht, den Mitarbeitern Ängste hinsichtlich
Geschäftsmodell (Engie) oder in der Erwartung signifi- dieser Umgestaltung zu nehmen und sie der
kanter Umbrüche in der Branche, und hier insbesondere Fähigkeit der Gruppe zu versichern, besagte
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Umgestaltung sozialverträglich zu gestalten. Dementsprechend haben die Unterzeichnerparteien
Engie ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Idee, einiger der untersuchten TCAs diese Vereinbarungen
Vertrauen aufzubauen, nicht ganz so abstrakt ist, genutzt, um verschiedenste Ziele zu erreichen und die
wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Die damit verbundenen Herausforderungen gemeinschaft-
hier getroffene Vereinbarung legt sehr konkrete lich zu lösen. Die Palette der Herausforderungen reichte
Zusagen dar, die Vermittelbarkeit sicherstellen dabei vom Mangel an qualifizierten Mitarbeitern über die
– mit Betonung auf Weiterbildung und Mobilität Antizipierung und Identifizierung der in künftigen Rollen
gleichermaßen. Ziel war es, den Mitarbeitern zu benötigten Kompetenzen (siehe Abschnitt 3) bis hin zur
ermöglichen, ihren Platz innerhalb der künftigen Notwendigkeit, bei Management und Belegschaft ein
Organisation zu finden. Somit war dem Bewusstsein für die Bedeutung von Arbeitsschutzstan-
Unternehmen daran gelegen sicherzustellen, dards zu schaffen.
dass die Belegschaft die Umgestaltung als
solche positiver sieht. So sahen sich etwa die Unterzeichnerparteien einer der
untersuchten TCAs – angesichts der unternehmensseiti-
Die Aussicht auf signifikante Änderungen in gen Prämisse, weiter zu expandieren, gleichzeitig jedoch
der Unternehmensstruktur ist dabei auch eine das Know-how und die Kompetenz einer Mitarbeiterge-
Chance für die Sozialpartner, neuen Schwung zu neration, die kurz vor der Rente steht, im Haus zu halten
generieren: So ist beispielsweise die Einführung – veranlasst, einen koordinierten Weg zu suchen, junge
von Mechanismen zur Identifizierung der Menschen, beispielsweise über arbeitsbasierte Lern-
unternehmensseitigen Bedürfnisse in puncto konzepte, in das Unternehmen zu holen und einzubinden
Beschäftigung und Qualifikation für beide Seiten (Safran).
von Vorteil (Schneider Electric).
Ähnliches gilt für ein gruppenweites Umdenken in Bezug
auf Arbeitsschutzstandards – auch dieser Punkt zählt
b. Gemeinschaftliche Hinarbeit zu den wichtigsten Triebfedern für TCA-Verhandlungen,
auf gemeinsame Ziele, die mit den wie drei der hier untersuchten Fälle zeigen (Barilla, Suez
Erfordernissen bzw. Herausforderungen und ThyssenKrupp). In Anbetracht der Art des eigenen
eines Unternehmens gut vereinbar sind Geschäfts hatte Unternehmen H ein starkes Interesse
daran, Gefahrensituationen im Arbeitsalltag seiner Mit-
Die beiderseitige Bereitschaft von zentralem Manage- arbeiter anzugehen und zu bewältigen. Bei Barilla wurde
ment und Gewerkschaften, gemeinschaftlich auf das Ziel „Null Arbeitsunfälle“ explizit in der Vereinbarung
gemeinsame Ziele hinzuarbeiten, ist einer der wichtigs- niedergelegt und von den Unterzeichnerparteien verfolgt.
ten Motoren für den Abschluss von TCAs – und was Suez (d. h. dem Management wie auch der Arbeitneh-
das angeht, bildeten auch die im Rahmen dieser Studie mervertretung) war es – angesichts der Häufigkeit und
untersuchten Fälle kaum eine Ausnahme. Dies wiede- Schwere arbeitsschutzrelevanter Unfälle in diesem
rum führt unweigerlich zu der Frage, welche Ziele es Sektor – ein echtes und prioritäres Anliegen, eine dies-
denn sind, die die Unterzeichnerparteien mit dem Vehikel bezügliche TCA zu schließen.
„TCA“ erreichen wollen.
Wie bereits in Abschnitt 2 ausgeführt, sind diese Verein- c. Etablierung der Vision und/oder des
barungen – ebenso wie die Inhalte, die sie thematisieren Images einer Gruppe bei möglicher Stärkung
– zugeschnitten auf die spezifischen Bedürfnisse und Pri- der Reputation des Unternehmens
oritäten eines Unternehmens, seiner Arbeitnehmer und
deren Vertreter, so wie sie sich zu einem spezifischen Identitätsbildung ist (insbesondere aus Management-
Zeitpunkt darstellen. Auch die besonderen Merkmale des perspektive) ein weiterer bedeutsamer Antrieb für den
Sektors, in dem das Unternehmen tätig ist, können hier Abschluss von TCAs, der auch bei einigen der untersuch-
eine Rolle spielen (je höher etwa der Grad der Speziali- ten Fälle zum Tragen kam. In dieser Hinsicht sind drei
sierung der Belegschaft, die die zentralen Arbeitsschritte Aspekte hervorzuheben:
im Unternehmen leistet, desto stärker wird das Unter-
nehmen interessiert sein, neue Wege zu finden, dieses a) Erstens: Eine TCA kann ein Weg sein, die
Know-how im Haus zu halten und von einer Mitarbeiter- Vision einer Gruppe zu kanalisieren und
generation auf die nächste zu übertragen). sichtbar zu machen, soweit es den Punkt
betrifft, der Gegenstand der TCA ist und/oder
8ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
die Herausforderung darstellt, vor der das unternehmensweite Ausbreitung einer Sozialdialogkultur,
Unternehmen steht. Folglich kann ein Unternehmen die nicht auf Feindbildern sondern einer von Kooperation
eine TCA nutzen, um für Unterstützung für geprägten Sozialpartnerschaft zwischen Management
den Unternehmenswandel zu werben und die und Gewerkschaften basiert.
entsprechende Vision einer Gruppe zu etablieren
(Engie). Ebenso kann es die Verankerung und In diesem Kontext kann eine TCA – aus Unternehmens-
Pflege gemeinsamer Werte und Grundsätze wie auch aus Gewerkschaftsperspektive – die Absicht
(wie der Bedeutung des Sozialdialogs und der unterstützen, das erfolgreiche Sozialdialogmodell, das
Achtung fundamentaler Arbeitnehmerrechte) in einem spezifischen Aspekt (z. B. Arbeitsschutz) am
als wichtigen Motor und Steigbügel mit Blick Hauptsitz des Unternehmens praktiziert wird, auf die
auf die Einleitung der geschäftlichen Expansion übrigen Standorte zu übertragen. Ein Ansatz, der als
erkennen (Enel). Bei all dem gilt es natürlich stets, Bemühen um einen Weg gemeinsamen Wachstums
die nationale Gesetzgebung sowie national oder durch gruppenweit kontinuierliche Verbesserung der
auch lokal gewachsene Arbeitsbeziehungen zu Arbeitsschutzstandards zu sehen ist (Barilla).
berücksichtigen.
Ebenso vermögen TCAs, den Sozialdialog zu vertiefen
b) Zweitens: Aus Sicht des Unternehmens kann und auf eine andere, potenziell breitere Ebene zu heben.
eine TCA als Vehikel fungieren, um eine neue So kommt, beispielsweise, die Einrichtung einer zusätzli-
paneuropäische Arbeitgebermarke zu entwickeln chen transnationalen Mitbestimmungsebene (wie durch
und dieses Image über die Grenzen des Landes, Bildung eines globalen Konzernbetriebsrats (Global
in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, Works Council, GWC)) nicht nur der Arbeitnehmerver-
hinaus zu transportieren. Dies gilt umso mehr, je tretung (und somit der Belegschaft) zugute, sondern
stärker das bisherige Image des Unternehmens auch dem Unternehmen selbst: Die Arbeitnehmerseite
in den geschäftlichen Aktivitäten nur eines ist besser informiert über die weltweiten Vorgänge und
Landes verwurzelt ist (Safran). Dieser deckt Strategien des Unternehmens, während das Unterneh-
sich auch mit dem, was Arbeitnehmervertreter men über einen wichtigen Kanal zur Kommunikation der
als wichtiges Zugpferd ansehen: die Schaffung Leistung der einzelnen Einheiten verfügt (Enel).
einer europaweit gültigen sozialen Basis überall
dort im Unternehmen, wo eine solche noch nicht Bisweilen erreichen positive Arbeitsbeziehungen zwi-
gegeben ist (Safran). schen Unternehmen und Gewerkschaften sogar einen
Punkt, an dem beide Parteien die Notwendigkeit ver-
c) Drittens kann der Abschluss einer TCA spüren, diesen gelebten Sozialdialogpraktiken einen
(nach Meinung von Gewerkschaften) dazu formalen Rahmen zu verleihen (so etwa dem Austausch
beitragen, den Ruf eines Unternehmens im von Ansichten und Informationen in Bezug auf vermeint-
Hinblick auf einen spezifischen Bereich (z. B. liche Verletzungen grundlegender Arbeitnehmerrechte).
Arbeitsschutz) zu fördern – insbesondere dort, Diese Formalisierung kann dazu dienen, intern wie extern
wo die Arbeitsschutzstandards am Hauptsitz des auf die in puncto Arbeitnehmerrechte doch partnerschaft-
Unternehmens bereits sehr hoch sind (Barilla); lichen Arbeitsbeziehungen zwischen dem Unternehmen
somit wäre eine TCA auch ein wertvolles Image- und der Gewerkschaft aufmerksam zu machen (Metro).
Tool. Gleichzeitig kann eine Stärkung des Sozialdialogs auf
dem Weg über einen TCA-Abschluss auch Baustein eines
robusten Fundaments sein, das Arbeitnehmerrechte
d. Stärkung, Vertiefung und/oder fördert, was insbesondere aus Gewerkschaftssicht
Formalisierung des Sozialdialogs zwischen eine bedeutende Motivation darstellt. Und nicht zuletzt
Management und Gewerkschaften auf vermag ein solches „Informgießen“ das Risiko arbeitneh-
zentraler wie auch lokaler Ebene merseitiger Kampagnen und Aktionen zu mindern – nach
Dafürhalten der Gewerkschaften, ein nicht zu unterschät-
TCAs können helfen, die Zusammenarbeit und den zender Stimulus für den Eintritt eines Unternehmens in
Dialog zwischen Management und Gewerkschaft zu transnationale Verhandlungen.
verstärken. Was das angeht, verkörpert der Abschluss
einer TCA ein wichtiges Instrument für den Aufbau von
gegenseitigem Vertrauen, die Intensivierung der Zusam-
menarbeit zwischen den betreffenden Parteien und die
9ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
e. Gewährleistung gruppenweiter Insbesondere in den von der Vereinbarung berührten
Homogenität des sozialen Engagements Bereichen, wie etwa Weiterbildung und Integration des
Nachwuchses, kann eine TCA der Vereinheitlichung des
Wie in Abschnitt 3.c betont, kann die Etablierung der sozialen Engagements des Unternehmens zuträglich
Vision und/oder des Images einer Gruppe zu den treiben- sein. Darüber hinaus kann sie als Vektor fungieren, um
den Kräften hinter dem Abschluss einer TCA gehören. In sicherzustellen, dass alle Geschäftseinheiten der Gruppe
einigen der untersuchten Fälle führt dies bei den betei- hinsichtlich der Bedeutung des Sozialdialogs und der
ligten Parteien sogar zu der Erkenntnis, dass diesen positiven Konsequenzen partnerschaftlicher Arbeitsbe-
Vereinbarungen ein Mehrwert-Potenzial innewohnt: die ziehungen zwischen Unternehmen und Gewerkschaft
Chance, das soziale Engagement des Unternehmens quer eine gemeinsame Vision teilen (Enel). Aus Arbeit-
über alle Geschäftseinheiten, die unter die Vereinbarung nehmersicht gewährleistet eine solche Vereinbarung
fallen, homogen zu gestalten. Eine solche Harmonisie- möglicherweise auch, dass das Unternehmen an all
rung geht nicht zu Lasten der Achtung von Gesetzen oder seinen Standorten ein vergleichbares Verhalten an den
traditionellen Arbeitsbeziehungen auf nationaler oder Tag legt (Barilla).
auch lokaler Ebene – und sie muss es auch nicht, vor
allem während der Umsetzungsphase einer TCA.
3. VORTEILE FÜR BEIDE SEITEN
Wie aus den Gesprächen ersichtlich geworden ist, men einzuführen, um auf die Vielfalt der Erfordernisse und
können sowohl Unternehmen als auch Gewerkschaften Herausforderungen, vor die ein Unternehmen gestellt ist,
ein echtes Interesse daran haben, TCAs miteinander reagieren zu können (siehe auch Abschnitte 2a und 2b).
auszuhandeln, da die damit verbundenen Vorteile nicht
nur aus gemeinsamen Schlussfolgerungen und Imple- Beweis hierfür sind die positiven Ergebnisse, die sich aus
mentierungsbemühungen erwachsen, sondern auch für der bei Safran geschlossenen TCA ergeben haben, dank
beide Seiten ein Gewinn sind. Bei den hier untersuchten deren Implementierung die Unterzeichnerparteien eine
TCAs haben sich fünf Bereiche herauskristallisiert, die Reihe der zuvor festgelegten (teils quantitativen) Ziele
Potenzial haben, Vorteile zu generieren. In einigen Fällen erreichen konnten – so etwa die Zahl der Nachwuchs-
reflektiert der Nutzen die in Abschnitt 2 umrissenen kräfte, die mittels arbeitsbasierter Lernkonzepte in das
Triebfeder(n) – was zeigt, dass die Unterzeichnerparteien Unternehmen integriert werden sollten, die Entwicklung
bei der Umsetzung ihrer Vereinbarungen weitgehend von Partnerschaften mit Universitäten und Schulen, oder
erfolgreich waren. Dabei ist zu beachten, dass eine Beur- auch die Identifizierung bewährter Praktiken auf diesem
teilung im Hinblick auf positive Ergebnisse zumindest in Gebiet, als Tool für eine letztendlich bessere Umsetzung
Bezug auf diejenigen TCAs, die neu bzw. erst jüngst ver- der Vereinbarung auf lokaler Ebene.
handelt wurden, wohl eher verfrüht ist. Dennoch konnten
die Befragten in jedem Fall einen gewissen (wenn viel- Bei ThyssenKrupp hat sich der Abschluss einer TCA als
leicht auch indirekten) Nutzen ausmachen. Instrument erwiesen, bei Management und Belegschaft
ein Umdenken zu bewirken: Man vertritt eine neue Hal-
tung in Bezug auf die Bedeutung einer kontinuierlichen
a. Konkrete Ergebnisse hinsichtlich Optimierung der Arbeitsschutzstandards. Diese verän-
des Umgangs mit gemeinsamen derte Einstellung wiederum hat zur Schaffung neuer
Herausforderungen im Rahmen von TCAs diesbezüglicher Mechanismen und Systeme inner-
halb des Unternehmens geführt. So steht das Thema
Die Ergebnisse der Gespräche zeigen deutlich, dass TCAs Arbeitsschutz bei Treffen und Gesprächen der relevanten
die betreffenden Parteien in die Lage versetzt haben, Akteure jetzt regelmäßig auf der Tagesordnung.
innovative und für beide Seiten vorteilhafte Mechanis-
10ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
Und obwohl die TCA bei Barilla erst vor Kurzem geschlos- mancher Manager auf lokaler Ebene – dank dieser Ver-
sen wurde, kann doch gesagt werden, dass sich auch einbarung – doch deutlich verschoben habe: Heute
hier bereits ein gewisser – wenn auch indirekter – werde Weiterbildung als unverzichtbare Investition in
Nutzen ergeben hat: Die Organisation symbolischer anhaltende Vermittelbarkeit verstanden und nicht mehr
Veranstaltungen zum Thema Arbeitsschutz in zwei Län- als reiner Kostenfaktor.
dern operativer Standorte ist Beleg für die Wichtigkeit,
die diesem Aspekt seitens beider Unterzeichnerparteien Auch hat die TCA alle diejenigen Geschäftseinheiten,
eingeräumt wird. die mit Unternehmenssanierungen, -übertragungen und
-schließungen befasst sind, dazu ermutigt, mehr Res-
Von allen TCAs, die Suez nach der Dekonsolidierung sourcen für begleitende Maßnahmen bereitzustellen und
der ursprünglichen Unternehmensgruppe geschlossen dem Sozialdialog mehr Zeit zu widmen. Im Vereinigten
hat, kann die arbeitsschutzbezogene mit den meisten Königreich, beispielsweise, waren mehrere Standorte
Ergebnissen aufwarten. Der Grund hierfür ist ebenso von Sanierungsmaßnahmen (darunter eine Schließung)
einfach wie einleuchtend: Gegenstand dieser TCA ist ein betroffen und die Vereinbarung machte es möglich, in
Thema, das für beide – Unternehmen und Sozialpartner puncto Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter über die
– höchste Priorität besitzt. Ein fundierter Sozialdialog gesetzlichen Anforderungen hinauszugehen.
innerhalb der Arbeitsgruppe zum Thema Arbeitsschutz,
die für die Implementierung der TCA zuständig ist, wird
von beiden Seiten quasi als Dünger für einen fruchtbaren b. Stärkung und/oder Formalisierung der
Kreislauf verstanden. Rückmeldungen der Produktionse- Sozialdialogpraxis wie auch der Beziehung
bene und Arbeitnehmervertretung zu Strategie-Initiativen zwischen den Unterzeichnerparteien
des Unternehmens ermöglichen dem Management, die
Arbeitsschutzstrategie im Ganzen anzupassen und zu ver- Das Fazit, das aus drei der untersuchten TCAs gezogen
bessern. werden kann, ist klarer Beleg für diesen Nutzen, da beide
Parteien bestätigen, dass sowohl ihre Beziehung als
Sowohl Management als auch Gewerkschaft haben auch ihre Sozialdialogpraxis durch die Vereinbarung ver-
die Wichtigkeit einer Mitarbeiterumfrage zum Thema tieft wurden.
Arbeitsschutz betont, sodass in der Folge eine europa-
weite Umfrage gestartet wurde. Für deren gemeinsame Bei Barilla hat die TCA die Beziehung zwischen
Erarbeitung zusammen mit dem Management benannte Management und dem unterzeichneten europäischen
die Arbeitsgruppe vorab einige ihrer Mitglieder. Eines Gewerkschaftsverband gestärkt. Somit dient sie der Ein-
der drei Themen der Umfrage war vom Management richtung von Sozialdialogmechanismen und insbesondere
festgelegt worden, die anderen beiden von Seiten der zentralisierten Verfahren zur Überwachung und Optimie-
Arbeitnehmervertretung. Die ausgewählten AG-Mit- rung der Arbeitsschutzstandards an allen europäischen
glieder arbeiteten mit Unterstützung eines Beraters an Standorten des Unternehmens. Der unterzeichnete euro-
Inhalt und Format des Fragebogens. Zur Analyse der päische Verband der Landwirtschafts-, Lebensmittel- und
Umfrageergebnisse wurden einige Treffen einberufen, Tourismusgewerkschaften (EFFAT) sowie der Europäi-
woraufhin die entsprechenden Schlussfolgerungen sche Betriebsrat (EBR) werden in diesem Verfahren eine
in Aktionspunkte bezüglich der Arbeitsschutzstrate- gewichtige Rolle spielen.
gie des Unternehmens übersetzt wurden. So zeigte
die Umfrage beispielsweise, dass die Belegschaft am Die Situation bei Enel ist vergleichbar: Hier hat die TCA
Hauptsitz kaum Kenntnisse in Bezug auf die unterneh- zur Einrichtung eines globalen Konzernbetriebsrats
menseigene Arbeitsschutzstrategie besaß. Folglich (GWC) geführt, dessen Mitglieder drei multilateralen
wurde durch einen der Aktionspunkte jede einzelne Gremien angehören und durch Gewerkschaften ernannt
Geschäftseinheit aufgefordert, ganz besonders auf eine werden. Die Einrichtung dieser Sozialdialogmechanis-
gründliche Unterweisung ihre Mitarbeiter zu diesem men hat die Kommunikation zwischen dem Unternehmen
Thema zu achten. und der Arbeitnehmervertretung deutlich intensiviert.
Die aktive Einbindung des globalen Konzernbetriebs-
Auch bei Engie konnten die Unterzeichnerparteien der rats (GWC) in eine umfassende Sanierungsmaßnahme,
TCA ein Umdenken beobachten. Die hier geschlossene die vor einigen Jahren durchgeführt wurde, belegt die
TCA dreht sich vornehmlich um die Themen Vermittel- gesteigerte Aufmerksamkeit und die hohe Bedeutung,
barkeit und Weiterbildung. In diesem Kontext haben die der Etablierung eines robusten Systems gesunder
Gewerkschaften angemerkt, dass sich die Haltung Arbeitsbeziehungen innerhalb des Unternehmens heute
11ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
von beiden Seiten – Management und Gewerkschaften schaftsverband, der dank der TCA in der Lage war,
– beigemessen wird. Aktionen mit lokalen Gewerkschaften besser zu koordi-
nieren.
Bei Metro schließlich hat die TCA dem Prozess, der die
Arbeitsbeziehung zwischen den Unterzeichnerparteien d. Beitrag zur Etablierung und Vertiefung
reguliert, einen formalen Rahmen gegeben – und das des Sozialdialogs auf lokaler Ebene, dank
insbesondere in Sachen Überwachung der Umsetzung der aktiven Rolle, die europäische/globale
der Vereinbarung. Seit Abschluss der TCA haben die Gewerkschaftsverbände – gemeinsam mit
Unterzeichnerparteien im Verlauf des Jahres regel- dem Management – bei der Erarbeitung von
mäßige bilaterale Treffen abgehalten sowie jährliche Lösungen für auf dieser Ebene entstehende
Zusammenkünfte aller lokalen Gewerkschaften/Arbeit- Probleme spielen
nehmervertreter an den Standorten des Unternehmens
weltweit organisiert. Die Ergebnisse der Gespräche haben deutlich gemacht,
dass TCAs ein wertvolles Vehikel sind für die Verbesse-
rung des Sozialdialogs auf lokaler Ebene – und das nicht
c. Besserer Einblick für zentrales allein weil sie in Ländern mit einer weniger entwickel-
Management und europäische/globale ten Sozialdialogkultur die nötigen Voraussetzungen für
Gewerkschaftsverbände in die Führung der entsprechende Verbesserungen schaffen, sondern auch
europa- und weltweiten Standorte eines weil sie einen Rahmen bilden, der hilft, unter den Akteu-
Unternehmens ren vor Ort ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung
partnerschaftlicher Beziehungen aufzubauen.
Bei einigen der untersuchten Fälle hat die Einrichtung
oder Stärkung von Sozialdialogmechanismen innerhalb So hat die bei Metro geschlossene TCA nach Meinung
des Unternehmens nicht nur ein wertvolles Vehikel der Gewerkschaften zur Verankerung der Gewerkschafts-
hervorgebracht, über das Informationen zwischen Unter- bewegung beigetragen. Beweis dafür ist die Gründung
nehmen und Arbeitnehmervertretung fließen und geteilt der ersten Gewerkschaft im Handelssektor in einem der
werden (siehe vorstehender Unterabschnitt). Vielmehr Länder, in denen das Unternehmen tätig ist – eine Grün-
hat dieser Prozess auch dazu beigetragen, sowohl dem dung unmittelbar nach Abschluss der TCA. Die gleiche
zentralen Management als auch der Arbeitnehmerver- Vereinbarung hat auch die Bemühungen des zentralen
tretung einen besseren Einblick zu verschaffen, was das Managements unterstützt, Führungskräfte auf lokaler
(Sozial-)Verhalten des Unternehmens in den verschiede- Ebene davon zu überzeugen, dass eine gesunde Sozialdi-
nen Ländern, in denen es tätig ist, angeht. Dies ist für alogpraxis ein Dreh- und Angelpunkt im Geschäftsbetrieb
beide Parteien ein wichtiger und nutzbringender Mehr- ist.
wert.
Damit nicht genug: Einige der untersuchten TCA waren
Nach dem Abschluss der TCA und der anschließenden dem zentralen Management sowie europäischen/glo-
Einrichtung des globalen Konzernbetriebsrats (GWC) balen Gewerkschaftsverbänden auch bei der Lösung
haben die Arbeitnehmervertreter bei Enel also einen von Konflikten auf lokaler Ebene von Nutzen und/oder
besseren Einblick in die Führungsweise des Unterneh- haben die Sozialdialogpraxis unter den Akteuren vor
mens bekommen; genauer gesagt in die Art und Weise, Ort verbessert. In dieser Hinsicht haben TCAs zentrales
wie das Unternehmen weltweit operiert – und das im Management und Gewerkschaften in die Lage versetzt,
Hinblick auf sein soziales Engagement (etwa was die dort erfolgreich zu intervenieren, wo der Dialog auf
Achtung grundlegender Arbeitnehmerrechte angeht) lokaler Ebene festgefahren war (Enel) oder wo sich
ebenso wie aus Unternehmensperspektive (Stichwort: das Unternehmen vermeintlich gewerkschaftsfeind-
strategische Entscheidungen mit möglicherweise sozi- lich verhielt (Metro). Was die bei Schneider Electric
alrelevanten Konsequenzen). Ähnlich verhält es sich geschlossene TCA angeht, führte auch die Intervention
im Fall von Metro: Nach Ansicht der Gewerkschaft von IndustriALL Europe im Rahmen eines Konflikts auf
war es dem Unternehmen durch die Teilnahme seines lokaler Ebene zu einem positiven Ergebnis: Sie half den
Managements an den jährlichen Zusammenkünften Parteien, den Dialog neu aufzunehmen und bezüglich der
der lokalen Gewerkschaften möglich, detaillierte Infor- Schließung eines Standorts eine ausgehandelte Lösung
mationen zu arbeitsrelevanten Problemen an seinen zu erzielen.
Standorten in aller Welt zu beziehen und zu sammeln.
Gleiches gilt für den unterzeichneten globalen Gewerk-
12ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
e. Etablierung einer Unternehmenspolitik An diesem Fall lässt sich gut erkennen, wie ein Unter-
infolge der Implementierung einer TCA nehmen aus der Arbeit zur Implementierung einer TCA
Nutzen ziehen kann, um Arbeitsbedingungen weiter
Die Ergebnisse der Gespräche zeigen, dass die Umset- zu verbessern. Somit wiederum könnte man auch die
zung einer TCA als Vehikel für die Verabschiedung einer Einführung einer Unternehmenspolitik infolge der Umset-
internen Unternehmenspolitik dienen kann. Ein anschau- zung einer TCA als Ansporn betrachten, in Verhandlungen
liches Beispiel dieser Praxis ist die bei Enel geschlossene einzusteigen und Vereinbarungen dieser Art zu schließen.
TCA: Hier wurden die gemeinsamen Empfehlungen – Anders gesagt, der Abschluss einer TCA kann sich als
ausgesprochen von einem der multilateralen Gremien, erster hilfreicher Schritt auf dem Weg zur darauffolgen-
die im Wege der TCA eingerichtet worden waren – in den Etablierung einer Unternehmenspolitik erweisen.
eine interne Politik der Diversität und Inklusion übersetzt.
4. DIE VERHANDLUNGSPHASE:
KRITISCH ABER UNUMGÄNGLICH FÜR
DIE ANSCHLIESSENDE IMPLEMENTIERUNG
EINER VEREINBARUNG
Die Verhandlungen sind lediglich das „Vorspiel“ zur Erzie- Zu guter Letzt bedeutet fortlaufende Zusammenar-
lung einer Vereinbarung. Doch wie dieses Spiel verläuft, beit auch, dass die Unterzeichner Bereitschaft zeigen
hat entscheidenden Einfluss darauf, inwieweit sich die müssen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren,
betreffenden Mitspieler mit dem Ergebnis – der erzielten während jede Neuverhandlungserfahrung hilft, Verpflich-
Vereinbarung – identifizieren können, um es entspre- tungen in Bezug auf erwachsende Herausforderungen zu
chend motiviert in die Praxis umzusetzen. Und genau das klären und die Art und Weise der Implementierung der
ist auch der Grund, warum solche Verhandlungen mit Vereinbarung zu verbessern (d).
einem europäischen/globalen Gewerkschaftsverband
aus Sicht einer Gruppe zu einer kritischen Betrachtung
ihrer eigenen Arbeitsbeziehungsstrategien dazugehö- a. Verhandlung mit einem europäischen/
ren. Unternehmen, die sich für die Interaktion und den globalen Gewerkschaftsverband
Austausch mit europäischen oder auch globalen Gewerk-
schaftsverbänden entscheiden, tun dies mit dem Ziel der TCAs erfordern, dass beide Parteien a) zusammenarbei-
Anerkennung ihrer Rolle als 1.) transnationales Gegen- ten, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen,
gewicht zur Etablierung positiver Beziehungen und 2.) und b) dementsprechend einen Ansatz verfolgen, der auf
Koordinatoren für nationale Gewerkschaftsorganisatio- fortlaufender Zusammenarbeit beruht. Dies fängt schon
nen (a). bei der Verhandlungsphase an.
Echte Ergebnisse können TCAs nur dann liefern, wenn i. Verhandlung mit einem europäischen
die nationale Ebene sie sich auch tatsächlich zu eigen Gewerkschaftsverband
macht. Es gilt also, bereits während der Verhandlungs-
phase – sprich noch vor Umsetzung/Anwendung der Die Entscheidung, mit einem europäischen Gewerk-
Vereinbarungen – lokale Management-Teams auf die schaftsverband eine europäische Rahmenvereinbarung
eine oder andere Weise einzubeziehen (b) und lokale auszuhandeln, hängt von einer Maxime ab, die vielen
Besonderheiten zu berücksichtigen (c). Arbeitsbeziehungssystemen zugrunde liegt: dem
Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Um als Ver-
13ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
handlungspartei anerkannt zu werden, betonen erfüllen können, hat dazu beigetragen, Management-
europäische Gewerkschaftsverbände ihren hohen Reprä- teams von ihrer Effizienz zu überzeugen – und das auch
sentationsgrad innerhalb des Unternehmens wie auch in Szenarios, in denen sie die Verhandlungen andernfalls
ihre Fähigkeit, andere im Unternehmen aktive Gewerk- nur widerstrebend oder mit dem Gefühl großer Unsicher-
schaften einzubinden und zu koordinieren. Die Verfahren heit bezüglich der weiteren Vorgehensweise fortgesetzt
in Bezug auf Verhandlungen mit einem europäischen hätten. So hatten einige der befragten Unternehmen in
Gewerkschaftsverband beruhen auf dem Mandat natio- der Tat eine Reihe möglicher Verhandlungspartner in
naler Gewerkschaften, der Einbindung ihrer Vertretungen Betracht gezogen. Letztendlich jedoch entschieden sie
sowie ihrer Validierung von Entwürfen der Vereinbarung. sich für Verhandlungen mit IndustriAll Europe, um den
Die Einbindung nationaler Vertretungen ist zudem eine Vorteil europaweiter Koordination bei gleichzeitiger
Möglichkeit, die Chancen auf eine effektive Umsetzung Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter des Unterneh-
einer Vereinbarung deutlich zu steigern. mens zu nutzen (Safran). In einem anderen Fall (Engie)
wurden die Verhandlungen eingangs mit Gewerk-
Ein weiterer nennenswerter Punkt: Europäische Gewerk- schaftsvertretern aus all denjenigen Ländern geführt, in
schaftsverbände sind in der Lage, Pragmatismus denen die Gruppe präsent war. Bereits nach der ersten
walten zu lassen, wenn es darum geht, den Verhand- Verhandlungserfahrung mit einem europäischen Gewerk-
lungsprozess an eben den Anliegen auszurichten, die schaftsverband jedoch entschied das Unternehmen, sich
seitens des Unternehmens oder der Vertretungen der für alle weiteren Vereinbarungen ebenfalls mit einem
nationalen Gewerkschaften zum Ausdruck gebracht solchen Verband an einen Tisch zu setzen. Wie dies zeigt,
werden. Darüber hinaus können europäische Gewerk- werden Verhandlungen mit europäischen Gewerkschafts-
schaftsverbände in zweierlei Hinsicht eine zentrale verbänden bisweilen als Vereinfachung eines sozusagen
Rolle spielen: zum einen als Koordinator der in den von Natur aus komplexen Prozesses wahrgenommen
Verhandlungsprozess involvierten nationalen Gewerk- – insbesondere angesichts der Vielfalt der Sozialdialog-
schaften, und zum anderen als Sprachrohr, um zu kulturen und unterschiedlichen Rechtssysteme.
gewährleisten, dass die Gewerkschaftsdelegation in Ver-
handlungen mit dem Unternehmen geschlossen und mit C. Arbeitgeber, die anerkennen, welche Kompetenz
einer gemeinsamen Stimme auftritt. Doch abgesehen von und Erfahrung europäische Gewerkschaftsver-
verfahrenstechnischen Aspekten lohnt es auch, einmal bände in der Formulierung von Kompromissen
näher zu betrachten, wie Verhandlungen unter Leitung besitzen
eines europäischen Gewerkschaftsverbands seitens der Die Unternehmensführungen äußerten sich in vielen
Akteure, des Managements und der Arbeitnehmervertre- Fällen anerkennend über die Fähigkeit europäischer
tung rein subjektiv wahrgenommen werden. Gewerkschaftsbände, mit Vorschlägen an den Tisch zu
kommen, die zu Kompromissen führen können – oder gar
A. Gewerkschaftsorganisationen, die den demo- zur Lösung von Problemen, die auch das Management
kratischen Charakter der Verhandlungsverfahren betreffen. Diese Fähigkeit ist das Ergebnis umfangrei-
zwischen Unternehmen und europäischen Gewerk- cher Praxis und reicher Erfahrung aus Verhandlungen mit
schaftsverbänden schätzen anderen Unternehmen. Somit sind europäische Gewerk-
Nationale Gewerkschaften sehen die Einbindung in schaftsverbände etwa in der Lage, Lösungen aus
alle Phasen der Verhandlungen (Vorbereitung, laufende früheren Fällen an neue Gegebenheiten anzupassen.
Verhandlungen und Validierung der Vereinbarung) als
Ausdruck von Demokratie und als Weg, zu einem integ- ii. Verhandlung mit einem globalen
ralen Teil des Prozesses zu werden. Tatsächlich war es Gewerkschaftsverband: Aufbau einer
das Teilnahmeersuchen der nationalen Gewerkschaften, langfristigen Partnerschaft
das den Europäischen Metallgewerkschaftsbund (EMB)
veranlasst hat, ein Verhandlungsverfahren zu entwickeln Auch die Entscheidung für Verhandlungen mit einem
– das im Weiteren dann als Vorlage die Verfahrensent- globalen Gewerkschaftsverband steht und fällt mit dem
würfe anderer europäischer Gewerkschaftsverbände Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Verhandlungen
diente. mit einem globalen Gewerkschaftsverband stellen eine
Möglichkeit dar, eine Sozialpartnerschaft mit einem
B. Arbeitgeber, die das Vereinfachungspotenzial globalen Akteur zu etablieren und mit eventuell aufkom-
sehen menden Problemen somit besser umgehen zu können
Der Fakt, dass europäische Gewerkschaftsverbände – insbesondere in entlegenen Ländern.
aus Arbeitgebersicht durchaus eine Schlüsselfunktion
14ERFAHRUNG ALS FUNDAMENT: EIN WIN-WIN-ANSATZ IN SACHEN TRANSNATIONALER ARBEITSBEZIEHUNGEN IN MULTINATIONALEN UNTERNEHMEN
Metro, beispielsweise, beteiligt sich am Austausch Maße auch eine Herausforderung darstellt –, ist der
von Ansichten und Informationen zu arbeitsbezoge- Einfluss der verschiedenen lokalen Traditionen darauf,
nen Fragen, die sich auf Landesebene stellen und von wie die spezifischen Inhalte einer Vereinbarung seitens
Gewerkschaften aufgeworfen werden. Dank dieser der verhandelnden Parteien definiert und entschieden
Beziehung wird das Management der Gruppe poten- werden. So können uneinheitliche Ansichten und
zieller Schwierigkeiten frühzeitig gewahr, sodass es die Meinungen unter lokalen Akteuren, die von Gewerk-
diesbezüglichen Informationen mit denen abgleichen schaftsseite in die Verhandlungen involviert sind, die
kann, die es über seine eigenen Kanäle erhalten hat, um Verhandlungsphase im Ganzen in die Länge ziehen
dann gemeinsam mit dem globalen Gewerkschaftsver- und es schwieriger machen, einen Kompromiss zu
band an der Lösung des Problems zu arbeiten. In dieser erzielen. Eine solche Situation kann das Ergebnis unter-
Hinsicht kann sich ein globaler Gewerkschaftsverband schiedlicher „Ausgangspunkte“ der einzelnen lokalen
als wertvoller Sozialpartner erweisen, der es vermag, Gewerkschaften sein: die Merkmale und Eigenheiten
die Informationen lokaler Gewerkschaften koordiniert ihrer jeweiligen Rechtssysteme und/oder Traditionen in
zusammenzutragen und sie dem zentralen Management, Bezug auf Arbeitsbeziehungen können zu verschiedens-
sofern erforderlich, zugänglich zu machen. ten Haltungen im Hinblick auf ein und dasselbe Thema
führen.
A. Einbeziehung des lokalen Management in die
Verhandlungsphase: ein ebenso heikles wie kom- Bei ThyssenKrupp etwa betraf die größte Herausforde-
plexes Thema rung, mit der man sich im Rahmen der Verhandlungen
Die Einbindung von Vertretern der lokalen Manage- konfrontiert sah, die doch recht verschiedenen Meinun-
mentebene ist Sache von Gewerkschaft und gen innerhalb der Gewerkschaftsdelegation in Bezug auf
Unternehmensführung. Was das angeht, haben einige den Vorschlag des Unternehmens, ein Ideen-Manage-
Unternehmen sogar ihre Verhandlungspraxis angepasst, ment-System einzuführen, das Mitarbeiter belohnt, die
nachdem entschieden worden war, dass es von Nutzen Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsschutzsituation
sei, lokale Führungskräfte auf die ein oder andere Weise bzw. zur Minderung diesbezüglicher Risiken innerhalb
einzubeziehen. Sie holen sie nun also mit an den Tisch, des Unternehmens vorlegen.
anstatt ihnen den Eindruck zu vermitteln, am Hauptge-
schäftssitz habe man Entscheidungen kurzerhand über Um eine gemeinsame Lösung für diese Herausforderung
ihre Köpfe hinweg getroffen, ohne auch nur ihre Mei- zu finden, haben beide Parteien – zentrales Management
nung einzuholen oder die Folgen vor Ort zu bedenken. und der globale Gewerkschaftsverband, der die Verhand-
lungen für die Arbeitnehmerseite führte – auch in diesem
Barilla, Safran und Schneider Electric haben das lokale Punkt zusammengearbeitet: Um die nationalen Mitglied-
Management über den jeweiligen Stand der Verhand- sorganisationen einzubeziehen, forderte der Verband sie
lungen informiert. In diesen Unternehmen sieht man eine auf, ihre Meinungen zu den verschiedenen Entwürfen der
frühe und zeitnahe Einbeziehung der lokalen Manage- Vereinbarung mitzuteilen. Zudem bemühte er sich deut-
mentebene durchaus als vereinfachenden Faktor, wenn lich zu machen, dass die Umsetzung der TCA auf lokaler
es um die Implementierung der getroffenen Vereinbarung Ebene entsprechend den nationalen Gesetzen und Tradi-
geht – und darum, inwieweit sich diese Ebene mit Letz- tionen erfolgen werde. Mit der Zusicherung, man werde
terer identifiziert. lokale Traditionen im Rahmen der Implementierung der
TCA nicht untergraben, übernahm auch das Management
Mit Aushandlung einer europäischen Rahmenverein- einen wichtigen Part in diesem Prozess.
barung hingegen wird das Ziel verfolgt, eine konkrete
Vision der Gruppe in Bezug auf bestimmte Themen – wie C. Neuverhandlung einer Vereinbarung: Hand in
etwa seine Sozialpolitik – unternehmensweit „aufzuer- Hand für Verbesserung
legen“. Dies hat einige Unternehmen (so z. B. Engie und Die kontinuierliche Arbeit für eine fortlaufende Ver-
Suez) zu der Annahme geführt, bei einer nur margina- besserung der Umsetzung einer Vereinbarung ist eine
len Einbeziehung des lokalen Managements bleibe der Herausforderung für beide Seiten. Zunächst einmal
zentralen Führungsebene mehr Verhandlungsspielraum bedeutet es, dass beide Seiten in der Lage sein müssen,
innerhalb der Grenzen dieser Vision. der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die von ihnen aus-
gehandelte Vereinbarung ihre Grenzen hat. Zwei der
B. Rücksicht auf lokale Traditionen Fallstudien (Safran und Schneider Electric) sind Beispiele
Der zweite wichtige Aspekt, der während der Verhand- für neuverhandelte Vereinbarungen und zeigen genau,
lungsphase eine Rolle spielen kann – und in gewissem was dieser Prozess erforderte.
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