Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien - Strategien und Marktpotenziale - PD Dr. Johannes Harsche Dr. Bernd Werner Report Nr. 809 ...

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien –
Strategien und Marktpotenziale

                               PD Dr. Johannes Harsche
                               Dr. Bernd Werner

                               Report Nr. 809
                               Wiesbaden 2011
Eine Veröffentlichung der      HA Hessen Agentur GmbH

                                   Postfach 1811

                                   D-65008 Wiesbaden

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               Geschäftsführer:    Jürgen Illing

Vorsitzender des Aufsichtsrates:   Dieter Posch,
                                   Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

                                   Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet.
                                   Belegexemplar erbeten.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien –
Strategien und Marktpotenziale

Inhalt                                                                                                   Seite

1        Einführung                                                                                             1

2        Länderprofil zu Brasilien                                                                              3

3        Außenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen Brasilien und Hessen                                    19

         3.1     Hessische Exporte nach Brasilien                                                             19

         3.2     Hessische Importe aus Brasilien                                                              22

         3.3     Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und Brasilien                               24

4        Einflussfaktoren für die hessisch-brasilianischen Wirtschafts-
         beziehungen auf Unternehmensebene                                                                    28

         4.1     Untersuchungsdesign                                                                          28

         4.2     Untersuchungsergebnisse                                                                      29

         4.2.1   Spektrum der Geschäftstätigkeit                                                              29
         4.2.2   Motive für die Geschäftstätigkeit                                                            29
         4.2.3   Herausforderungen bei der Geschäftstätigkeit                                                 32
         4.2.4   Zukunftspotenziale und politische Handlungsansätze                                           35
5        Zusammenarbeit im Bereich Lehre, Forschung und Entwicklung                                           48

6        Fazit                                                                                                53

7        Kontaktadressen                                                                                      55

Liste der Gesprächspartner                                                                                    56

Abbildungsverzeichnis                                                                                         57

Tabellenverzeichnis                                                                                           58
Quellenverzeichnis                                                                                            59

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

1   Einführung

      Die brasilianische Volkswirtschaft zeichnet sich durch viele Merkmale aus, die auf
      einen – auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern – hohen wirtschaftlichen
      und technologischen Entwicklungsstand hinweisen. In zahlreichen technologieinten-
      siven Wirtschaftzweigen verfügt das Land über umfangreiche Produktionskapazitä-
      ten. Genannt seien etwa der Maschinenbau, die Automobilindustrie, die Energie-
      und Kraftwerkstechnik wie auch die Luft- und Raumfahrttechnik. Ferner zählt das
      Land zu den weltweit bedeutendsten Rohstoffproduzenten. Ein weiterer Wirtschafts-
      zweig von internationaler Bedeutung ist die stark auf den Export ausgerichtete und
      u. a. aufgrund der naturräumlichen Produktionsbedingungen sehr konkurrenzfähige
      brasilianische Agrarwirtschaft. Aber auch im Dienstleistungsbereich – insbesondere
      im Finanzsektor und in der Telekommunikation – weist das Land sehr wettbewerbs-
      starke und international operierende Unternehmen auf.

      Die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens war in der jüngeren Vergangenheit durch
      ein dynamisches Wachstum gekennzeichnet, und die Auswirkungen der globalen Fi-
      nanz- und Wirtschaftskrise hat das Land wesentlich besser verkraftet als andere In-
      dustrie- und Schwellenländer. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs hat sich das
      weltpolitische Gewicht des Landes deutlich verstärkt, weswegen sich auch seine
      Rolle in internationalen politischen Institutionen erheblich gewandelt hat. In der WTO
      und der G-20 vertritt die brasilianische Regierung mittlerweile sehr selbstbewusst ei-
      gene Interessen und tritt zudem als Fürsprecher anderer Länder auf.

      Trotz unbestreitbarer wirtschaftlicher Erfolge ist Brasilien nach wie vor durch zahlrei-
      che Strukturmerkmale geprägt, die für den Status eines Schwellenlandes typisch
      sind, so etwa eine sehr ungleiche personelle Einkommensverteilung und eine starke
      Eigentumskonzentration. Ein Nachholbedarf besteht nicht zuletzt auch bei der Infra-
      struktur, jedoch werden gegenwärtig – vor allem im Hinblick auf die Fußballweltmeis-
      terschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 – von der brasilianischen
      Regierung umfangreiche Anstrengungen zu deren Ausbau unternommen.

      Ziel der vorliegenden Länderstudie ist es, unter Berücksichtigung der vielfältigen Fa-
      cetten der brasilianischen Volkswirtschaft wesentliche Aspekte der Wirtschaftsbezie-
      hungen zwischen Brasilien und Hessen aufzuzeigen. Hierzu werden zunächst in ei-
      nem Länderprofil die wichtigsten wirtschaftlichen Strukturmerkmale Brasiliens darge-
      stellt.

      Danach folgt eine Übersicht über die außenwirtschaftlichen Verflechtungen zwischen
      Hessen und Brasilien, wobei schwerpunktmäßig auf die Außenhandelsbeziehungen
      und die Direktinvestitionen eingegangen wird.

                                                                                                                 1
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                 Im Anschluss hieran werden im Hinblick auf die brasilianisch-hessischen Wirt-
                 schaftsbeziehungen die Einflussgrößen für außenwirtschaftliche Aktivitäten beleuch-
                 tet. Die hierbei angewandte Untersuchungsmethodik basiert auf leitfadengestützten
                 Expertengesprächen mit Vertretern brasilianischer bzw. hessischer Einrichtungen
                 und Unternehmen, deren Ergebnisse im Hinblick auf bedeutende Motive bzw.
                 Hemmnisse für die Standortwahl und die Geschäftstätigkeit ausgewertet wurden.
                 Fünf Kurzporträts von Unternehmen runden diese Ausführungen ab.

                 Hierauf folgt in Form einer Übersicht die Präsentation der Kooperationen zwischen
                 brasilianischen und hessischen Hochschulen. Zum Abschluss der Untersuchung
                 werden die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zu den brasilianisch-hessischen
                 Wirtschaftsbeziehungen zusammengefasst.

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

2   Länderprofil zu Brasilien

       Brasilien ist flächenmäßig das fünftgrößte Land der Erde, es vereint mit seinen rund
       8,5 Mio. km2 mehr als 47 % der Fläche Südamerikas auf sich. Ebenfalls weltweit an
       fünfter Stelle liegt Brasilien bei der Bevölkerung, knapp 194 Mio. Menschen leben in
       dem südamerikanischen Land. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in Brasilien
       beläuft sich auf 23 Einwohner/km2 (Deutschland: 236 Einwohner/km2). Allerdings
       sagt dieser Durchschnittswert wenig über die großen Unterschiede innerhalb Brasi-
       liens aus. So existieren neben der „Megacity“ und dem wirtschaftlichen Zentrum São
       Paulo mit rund 20 Mio. Einwohnern weitere sehr dicht besiedelte Agglomerations-
       räume. Zu nennen sind hier die Städte und Großräume Rio de Janeiro, Belo Hori-
       zonte, Porto Alegre, Recife, Fortaleza und Salvador da Bahia. Nach Schätzungen
       leben rund 70 % der brasilianischen Einwohner in den Großstädten.

       Tabelle 1: Basisdaten zur Föderativen Republik Brasilien

        Landfläche                                             8,5 Mio. km2 (entspricht 9,2 % der weltweiten Landfläche)

        Einwohner                                                171,3 Mio. (2000)                         193,3 Mio. (2010)

        Bevölkerungsentwicklung                                                                 +1,2 % p.a. (2000 bis 2010)

        Bevölkerungsdichte                                                                              23 Einw./km2 (2010)

        Durchschnittsalter (Median) der Bevölkerung (m)                                                    28,1 Jahre (2010)

        Durchschnittsalter (Median) der Bevölkerung (w)                                                    29,7 Jahre (2010)

        Lebenserwartung bei Geburt (m)                                                                     68,7 Jahre (2010)

        Lebenserwartung bei Geburt (w)                                                                     76,0 Jahre (2010)

        Altersstruktur der Bevölkerung (Anteile der                  0 bis 14 Jahre                            28,5 % (2010)
        jeweiligen Alterskohorte an der Gesamt-
                                                                    15 bis 64 Jahre                            66,9 % (2010)
        bevölkerung)
                                                                 64 Jahre und älter                              6,6 % (2010)

        Währung                                                                 Brasilianischer Real (R$) = 100 Centavos

        Festnetzanschlüsse                                                                        214 je 1.000 Einw. (2009)

        Mobiltelefone                                                                             898 je 1.000 Einw. (2009)

        Internetnutzer                                                                            392 je 1.000 Einw. (2009)

        Quelle: Germany Trade & Invest, CIA: The World Factbook, Internationaler Währungsfonds.

       Die brasilianische Bevölkerung wächst moderat mit rund 1 % pro Jahr. Damit weist
       Brasilien nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch im Vergleich mit anderen
       Schwellenländern eine günstige demografische Entwicklung auf.1 Brasilien ist mit

       1   Vgl. Jaeger, Markus (2010): Demographische Perspektiven der BRIC-Länder deutlich unterschiedlich. Frankfurt am Main.

                                                                                                                                3
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                 Blick auf die Altersstruktur der Bevölkerung ein vergleichsweise „junges“ Land. Der
                 Anteil der Personen im Alter bis zu 14 Jahren liegt bei rund 29 %, der Anteil derjeni-
                 gen, die älter als 64 Jahre sind, bei weniger als 7 %. Demografische Probleme ste-
                 hen für das Land am Zuckerhut somit in den nächsten Jahren nicht auf der Agenda.

                 Die föderative Republik Brasilien, so der offizielle Name, besteht aus insgesamt
                 26 Bundesstaaten und einem Bundesdistrikt (São Paulo).

           Abbildung 1:          Regionale Gliederung Brasiliens

           Quelle: www.landkarte-online.net

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Innerhalb Brasiliens existieren markante räumliche Disparitäten, die sich auf vielfälti-
ge Weise – z.B. bezüglich der Wirtschaftskraft und der Infrastruktur wie auch des
Bildungsstandes und des Gesundheitszustandes in der Bevölkerung – manifestie-
ren. So zeichnen sich insbesondere die südlichen Landesteile durch einen signifikant
höheren Entwicklungsstand als der Norden und Nordosten mit seinen dicht bewalde-
ten Regenwäldern aus.

Wirtschaftslage

Für die Entwicklung und die Perspektiven der brasilianischen Wirtschaft sind mehre-
re Faktoren von herausragender Bedeutung. Erstens ist Brasilien besonders reich
an natürlichen Ressourcen. Zu nennen sind hier: Eisen, Mangan, Kohle, Bauxit,
Nickel, Erdöl, Zinn, Silber, Diamanten, Gold, Erdgas und Uran. Beispielsweise ist
der brasilianische Rohstoffkonzern Vale mit deutlichem Abstand der größte Eisen-
erzproduzent der Welt.2 Zweitens weist Brasilien eine sehr leistungsfähige und hoch
technisierte Agrarwirtschaft auf und ist mittlerweile zum größten Fleischexporteur
der Welt aufgestiegen. Brasilien ist aber auch ein leistungsfähiger Industriestandort.
In einigen Technologiebereichen wie dem Flugzeugbau hat es Unternehmen vorzu-
weisen, die eine globale Spitzenposition einnehmen wie das Flugzeugunternehmen
Embraer.

Deutsche Unternehmen sind seit langer Zeit in Brasilien aktiv. So ist der Großraum
São Paulo mit über 1.200 deutsch-brasilianischen Unternehmen, in denen rund
250.000 Beschäftigte tätig sind, weltweit einer der bedeutendsten Standorte deut-
scher Unternehmen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Unter-
nehmen für die brasilianische Volkswirtschaft eine hohe Bedeutung haben. Nach
Schätzungen liegt der Beitrag dieser Unternehmen bei rund 7 % des brasilianischen
BIP. Gleichwohl lässt sich diese strukturelle Bedeutung (noch) nicht in einen ent-
sprechenden Umfang der Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Brasilien und
Deutschland ummünzen, was – zumindest teilweise – mit der Handelspolitik der
brasilianischen Regierung zusammenhängt (vgl. auch Kapitel 4).

Die Wirtschaftsstruktur Brasiliens ist sehr vielfältig (vgl. Tab. 2). Die bedeutendsten
Wirtschaftszweige sind neben dem Verarbeitenden Gewerbe, das in 2010 einen An-
teil am Bruttoinlandsprodukt von 16 % hatte, die Bereiche „Handel“ (12 %), „Immobi-
lienwirtschaft“ sowie „Finanzdienstleistungen“ (jeweils 8 %). Zu nennen ist insbe-
sondere auch die Landwirtschaft, die einen Beitrag von 6 % beisteuerte. Deutlich
wird beim Vergleich der Jahre 2009 und 2010, dass der Bergbau nach dem Ein-
bruch in der globalen Wirtschaftskrise seinen Anteil an der nominalen Wirtschafts-
leistung merklich gesteigert hat, was allerdings teilweise auf Preisschwankungen auf
den Rohstoffmärkten zurückzuführen ist.

2 Vgl. Neue Zürcher Zeitung (o. V., 2.3.2011): Vale strotzt vor Zuversicht. S. 10.

                                                                                                                              5
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt1) und Wirtschaftsstruktur in Brasilien 2008 und 2010

                                                                                    2009                      2010           Veränderung
                                                                                                                              2008/2010
                                                                                                                                in v. H.
                    Bruttoinlandsprodukt in Mrd. US-$                                  1.574                         1.910       21,3
                    Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in US-$                         8.220                          9.886       20,3
                                                                          Wert in      Anteil am    Wert in      Anteil am        .
                    Entstehung des Bruttoinlandsprodukts                Mrd. US-$ BIP in v. H. Mrd. US-$ BIP in v. H.
                           Landwirtschaft                                  96,0             6,1     110,8             5,8        15,4
                           Bergbau                                         17,3             1,1       47,8            2,5       175,8
                           Bausektor                                       80,3             5,1     101,2             5,3        26,1
                           Verarbeitende Industrie                        244,0            15,5     301,8            15,8        23,7
                           Transport und Logistik                          80,3             5,1     101,2             5,3        26,1
                           Finanzdienstleistungen                         114,9             7,3     147,1             7,7        28,0
                           Informationsdienstleistungen                    56,7             3,6       64,9            3,4        14,6
                           Immobilienwirtschaft                           132,2             8,4     150,9             7,9        14,1
                           Handel                                         187,3            11,9     227,3            11,9        21,3
                           Sonstige Wirtschaftszweige                     565,1            35,9     657,0            34,4        16,3

                    1)   zu laufenden Preisen. Schätzungen für die Werte von 2010 und für das BIP je Einwohner in 2009.

                    Quelle: Germany Trade & Invest.

                  Brasilien hat zwar nicht ganz so hohe Wachstumsraten wie das Schwellenland Chi-
                  na, die jüngste Vergangenheit war jedoch durch ein stetiges und hohes Wirt-
                  schaftswachstum gekennzeichnet (vgl. Abb. 2). Die globale Finanz- und Wirt-
                  schaftskrise hat das Wirtschaftswachstum in Brasilien aufgrund seiner ausgeprägten
                  Exportorientierung zwar gebremst, im Vergleich zu anderen Ländern war der Rück-
                  gang der Wirtschaftsleistung mit - 0,6 % jedoch gering. Zum Vergleich: In Deutsch-
                  land ging das BIP in Folge der Wirtschaftskrise um rund 5 % zurück. Für die Jahre
                  2011 und 2012 werden für Brasilien Wachstumsraten von 4,5 % bzw. 4,1 % ge-
                  schätzt.

6
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in Brasilien: Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr in v. H.
             2000 bis 2012

   v. H.
                                                                                                                    7,5
    8
                                                  5,7                                 6,1
    6                                                                                           5,2
           4,3                                                               4,0                                              4,5       4,1
    4                                                          3,2
                              2,7
    2                1,3                 1,1

    0
                                                                                                         -0,6
   -2
           2000     2001     2002        2003     2004         2005      2006        2007      2008      2009      2010      2011      2012

Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen; Schätzungen für 2010, 2011 und 2012.
Quelle: Internationaler Währungsfonds.

                  Die anhaltend positive Wirtschaftsentwicklung und die damit verbundenen Steuer-
                  einnahmen haben dazu geführt, dass das brasilianische Haushaltsdefizit trotz hoher
                  Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und Sozialprogramme nicht zugenommen hat.
                  Im Gegenteil: Es gelang Brasilien sogar, die günstigen makroökonomischen Rah-
                  menbedingungen für eine Konsolidierung zu nutzen. So sank das jährliche Haus-
                  haltsdefizit von 5,7 % im Jahr 2003 auf 3,3 % im Jahr 2009. Für das Jahr 2011 wird
                  ein Haushaltsdefizit von 2,1 % erwartet. Damit weist Brasilien im Vergleich etwa zu
                  vielen europäischen Ländern ein signifikant geringeres Defizit aus (vgl. Abb. 3).

Abbildung 3: Haushaltsdefizit in v. H. des BIP in Brasilien 2000 bis 2011

    0
   -1
   -2
   -3                                                                                                                                    -2,1
                                                                                            -2,6       -2,5                   -2,7
   -4      -3,5                                         -3,3          -3,4         -3,4                            -3,3
                     -3,9
   -5
   -6                            -5,3
                                           -5,7
   -7
  v. H. 2000         2001        2002      2003     2004             2005          2006     2007       2008       2009       2010       2011

Schätzungen für 2010 und 2011.

Quelle: IDB, Latin American and Caribbean Macro Watch Data Tool.

                                                                                                                                                  7
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  Nicht nur der Blick auf die jährlichen Haushaltsdefizite weist Brasilien als ein solide
                  wirtschaftendes Land aus. Die Entwicklung der Schuldenstandsquote, d.h. der Anteil
                  der gesamten Staatsverschuldung am BIP, zeigt keine besorgniserregende Zunah-
                  me, wie sie in vielen europäischen Ländern aufgrund der Auswirkungen der Finanz-
                  krise zu beobachten ist. Im Gegenteil, die Schuldenstandsquote Brasiliens liegt auf
                  einem annähernd konstanten Niveau von rund 66 %. Der wirtschaftliche Auf-
                  schwung wurde auch dazu genutzt, die Schuldenstandsquote zu reduzieren. So ge-
                  lang es, den Schuldenstand des Landes von 2002 (rund 80 %) innerhalb von sechs
                  Jahren um knapp ein Fünftel auf eine Schuldenstandsquote von 64 % im Jahr 2008
                  abzubauen (vgl. Abb. 4).

Abbildung 4: Staatsverschuldung in v. H. des BIP in Brasilien 2000 bis 2012

    v. H.
    100
                                  79,9
                        70,7                 74,8      70,7
      80      66,7                                            69,2   66,7   65,2          68,9   66,8   66,6   66,4
                                                                                   64,1
      60

      40

      20

       0
             2000       2001      2002      2003       2004   2005   2006   2007   2008   2009   2010   2011   2012

Schätzungen für 2010, 2011 und 2012.

Quelle: Internationaler Währungsfonds.

                  Brasilien zeichnet sich durch moderate Inflationsraten aus. Mit Ausnahme des Jah-
                  res 2003, in dem die Inflationsrate rund 15 % betrug, lag die Preissteigerung in Bra-
                  silien im einstelligen Bereich (vgl. Abb. 5). Nach den derzeit vorliegenden Schätzun-
                  gen wird auch in Zukunft das Ziel der Preisniveaustabilität erreicht, wobei die Gefahr
                  einer konjunkturellen Überhitzung mit steigenden Inflationsraten – etwa im Zuge ei-
                  ner verstärkten kreditfinanzierten Konsumnachfrage – nicht außer Acht gelassen
                  werden darf.

8
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Abbildung 5: Jährliche Inflationsrate in v. H. in Brasilien im Zeitraum 2000 bis 2012

   v. H.
                                            14,8
   16
   14
   12
   10                          8,4
           7,1        6,8                             6,6      6,9
    8                                                                                     5,7       4,9         5,0          4,6         4,6
    6                                                                  4,2      3,6
    4
    2
    0
           2000      2001     2002       2003         2004     2005    2006    2007      2008      2009      2010           2011         2012

Schätzungen für 2010, 2011 und 2012

Quelle: Internationaler Währungsfonds.

                   Der anhaltende Wirtschaftsaufschwung hat seine positiven Spuren auch auf dem
                   brasilianischen Arbeitsmarkt hinterlassen. In den vergangenen Jahren gelang es –
                   trotz massiver Produktivitätsfortschritte – immer mehr Menschen in den Arbeits-
                   markt zu integrieren. Seit dem Jahr 2003, in dem die Arbeitslosenquote in Brasilien
                   bei rund 13 % lag, ist ein signifikanter Rückgang der Arbeitslosigkeit festzustellen
                   (vgl. Abb. 6). Die brasilianische Arbeitslosenquote liegt am aktuellen Rand auf ei-
                   nem vergleichbaren Niveau wie in Deutschland. Der brasilianische Arbeitsmarkt ist
                   gekennzeichnet durch eine relativ junge, aufstiegsorientierte und leistungsbereite
                   Arbeitnehmerschaft, die eine hohe Bereitschaft zu permanenter Weiterbildung be-
                   sitzt. Die Verfügbarkeit von Fachkräften kann als gut bezeichnet werden, auch wenn
                   aufgrund der Größe des Landes regionale Unterschiede zu konstatieren sind.

Abbildung 6: Arbeitslosenquote in v. H. in Brasilien 2000 bis 2010

           v. H.
           14                        12,1      12,7
                            11,2                        11,8
           12       11,0                                        10,6   10,4    10,1
           10                                                                           8,8               8,4
                                                                                                 8,1                               7,5
                                                                                                                      7,2
            8
            6
            4
            2
            0
                    2000    2001     2002      2003     2004    2005   2006    2007    2008     2009      2010        2011     2012

Wert für 2010: Stand Ende Oktober; sonstige Werte Jahresdurchschnittswerte. Schätzungen für 2011 und 2012.

Quelle: IDB, Latin American and Caribbean Macro Watch Data Tool.

                                                                                                                                                9
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  Internationale Wirtschaftsbeziehungen

                  Auch wenn die Finanz- und Wirtschaftskrise Brasilien merklich schwächer als ande-
                  re Schwellenländer und Industrieländer getroffen hat, so waren gleichwohl in der
                  jüngeren Vergangenheit die Außenhandelsbeziehungen Brasiliens von der weltwei-
                  ten Konjunkturentwicklung geprägt (vgl. Abb. 7). Während nämlich im konjunkturel-
                  len Aufschwung von 2003 bis 2008 sowohl Exporte als auch Importe erheblich ex-
                  pandierten, erfolgte nach einem Einbruch in 2009 infolge der Wirtschaftskrise eine
                  deutliche Zunahme der Außenhandelsvolumina. Im Zeitraum von 2002 bis 2009
                  konnte die brasilianische Volkswirtschaft in sämtlichen Jahren einen positiven Han-
                  delsbilanzsaldo erwirtschaften.

Abbildung 7: Brasilianische Exporte bzw. Importe und brasilianischer Handelsbilanzsaldo 2000 bis 2010

 Mrd. US-$                                                              Mrd. US-$                                                          v. H.
  300                                                                   40                                                                   6
                                                                        30                                                                   4
  250
                                                                        20
  200                                                                   10                                                                   2
                                                                         0                                                                   0
  150                                                                  -10                                                                   -2
  100                                                                  -20
                                                                       -30                                                                   -4
     50                                                                -40                                                                   -6

      0                                                                      2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

          2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010                      Handelsbilanzsaldo, absolut (linke Skala)

                      Exportwert                  Importwert                          Handelsbilanzsaldo in v. H. des BIP (rechte Skala)

Quelle: IDB, Latin American and Caribbean Macro Watch Data Tool, Internationaler Währungsfonds.

                  Die derzeitige gute Verfassung der brasilianischen Wirtschaft, die u. a. mit einem
                  umfangreichen Ausbau der Produktionskapazitäten und einer hieraus resultierenden
                  starken Nachfrage nach Investitionsgütern einhergeht, schlägt sich auch in den Im-
                  portzahlen des Landes nieder. Ein Großteil der brasilianischen Importe entfällt auf
                  die Güterkategorie „Maschinen“, die in 2010 einen Anteil von knapp 14 % am Ge-
                  samtimportwert verzeichnete. Mit Anteilen von jeweils etwa 9 % waren die Güterka-
                  tegorien „Chemische Erzeugnisse“ und „Elektronik“ bzw. „Kfz und -teile“ ebenfalls
                  von herausragender Bedeutung. Im Hinblick auf die letztgenannten Güterkategorien
                  kommt nicht zuletzt auch der gegenwärtige Nachfrageboom bei langlebigen Kon-
                  sumgütern in Brasilien zum Tragen, der wiederum eng mit der gegenwärtig weitver-
                  breiteten Zuversicht in den brasilianischen Haushalten – auch in solchen der unte-
                  ren Einkommensklassen – verknüpft ist. In mehrfacher Hinsicht sind offenbar wäh-
                  rend des derzeitigen Konjunkturaufschwungs, der nahezu sämtliche Branchen er-
                  fasst hat, akzelerierende Effekte wirksam.

10
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

    Tabelle 3: Importe nach Brasilien, differenziert nach Warengruppen 2009 und 2010

                                                              2009                      2010
                                                      Wert in   Anteil   Wert in   Anteil                    Veränderung
                                                     Mrd. US-$ in v. H. Mrd. US-$ in v. H.                  2009/2010 in %

       Einfuhr insgesamt                                 127,6                     181,6                           42,3
       Hiervon:
         Maschinen                                         18,8         14,7        25,4         14,0              35,5
         Erdöl                                             14,2         11,1        22,3         12,3              57,7
         Chemische Erzeugnisse (ohne Arznei-               13,7         10,7        17,6           9,7             29,0
         mittel und organische Chemikalien
         Elektronik                                        12,2          9,6        17,4           9,6             42,3
         Elektrotechnik                                    12,8         10,0          8,2          4,5            -36,0
         Kfz und -teile                                    11,4          8,9        17,1           9,4             50,3
         Organische Chemikalien                             6,5          5,1          8,0          4,4             22,8
         Arzneimittel                                       5,1          4,0          6,9          3,8             35,2
         Metallwaren                                        2,6          2,0          3,6          2,0             42,3
         Sonstige Erzeugnisse                              30,5         23,9        55,0         30,3              80,4

       Quelle: Germany Trade & Invest.

    Das bedeutendste Lieferland für Brasilien ist China, aus denen in 2010 Waren im
    Umfang von 14 % des brasilianischen Importwertes stammten (vgl. Abb. 8). In der
    Rangliste der wichtigsten Lieferländer folgen hierauf die USA mit 12 %, Argentinien
    mit 8 % und Deutschland mit 7 %. Südkorea (5 %) und Japan (4 %) liegen an fünfter
    bzw. sechster Stelle.

    Die deutschen Exporte nach Brasilien haben – ähnlich wie die Exporte in andere
    Schwellenländer – am aktuellen Rand einen erneuten Zuwachs erfahren. Vergleicht
    man beispielsweise den Zeitraum Januar bis Juli 2010 mit dem analogen Vorjahres-
    zeitraum, so ragt Brasilien als Exportdestination mit einer Zunahme um 61 % auf
    5 Mrd. Euro deutlich hervor. Auch die Exporte nach China und in die Türkei erhöh-
    ten sich überproportional, nämlich um 56 % auf 25 Mrd. Euro bzw. um 39 % auf
    7 Mrd. Euro. Im Vergleich hierzu stiegen die gesamten deutschen Exporte um ledig-
    lich 17 %. Offenbar bewirkt die derzeitige wirtschaftliche Dynamik in den genannten
    Schwellenländern starke Impulse für die deutsche Exportwirtschaft, die bekannter-
    maßen in besonderer Weise durch die Investitionsgüterindustrie geprägt ist.3

3   Vgl. Statistisches Bundesland (2010): Außenhandel 1. Halbjahr 2010: Exporte steigen um 17,1 %. Pressemitteilung vom 14.
    September 2010.

                                                                                                                              11
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

Abbildung 8: Hauptlieferländer für Importe nach Brasilien, Anteile am Importwert 2010 in v. H.

                                                                 Italien           Nigeria       Japan
                                                                   3%                3%           4%

                                                                                             Korea (Rep.)
                                                                                                 5%
                                                                                                         Deutschland
                                                                                                             7%

                                Sonstige
                                 44%
                                                                                                            Argentinien
                                                                                                               8%

                                                                                                    USA
                                                                                                    12%

                                                                           China
                                                                           14%

Quelle: Germany Trade & Invest.

                  Die brasilianischen Exporte umfassen vor allem Bodenschätze, energetische Roh-
                  stoffe wie auch Güter der Agrar- und Ernährungswirtschaft. In 2010 erzielten die
                  Warengruppen „Eisenerz“ und „Erdöl“ Anteile am Gesamtexportwert von 14 % bzw.
                  10 % (vgl. Tab. 4). Von herausragender Bedeutung sind ebenfalls die Warengrup-
                  pen „Fleisch“ (7 %), „Zucker“ wie auch „Ölsaaten und ölhaltige Früchte“ (jeweils
                  6 %). Die herausragende Bedeutung des Rohstoffsektors macht die brasilianische
                  Exportwirtschaft in besonderer Weise von den Preisbewegungen auf den internatio-
                  nalen Rohwarenmärkten abhängig. Das Land wird somit einerseits kurz- bis mittel-
                  fristig stark von der weltweiten Konjunkturentwicklung tangiert, andererseits kann es
                  auf lange Sicht von der Preisentwicklung in denjenigen Rohstoffsegmenten, in de-
                  nen eine langfristige Verknappung säkulare Preissteigerungen nach sich zieht, er-
                  heblich profitieren. Die Sogeffekte, die vor allem von den Rohstoffimporten Chinas
                  und Indiens ausgehen, bilden eine bedeutende Stütze für die Preisentwicklung auf
                  den weltweiten Rohstoffmärkten und somit – bei einer vergleichsweise geringen
                  Preiselastizität der Importnachfrage in zahlreichen Rohstoffkategorien – auch für die
                  brasilianischen Exporterlöse.4

           4     Vgl. Brasilien: Der Lula-Faktor. In: WISU-Magazin, Nr. 8-9/2010, S. 1010-1011. Die Preisbewegungen auf den Rohstoffmärk-
                 ten wirken sich auch in statistischer Hinsicht auf die in Tabelle 4 enthaltenen Daten aus.

12
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Tabelle 4: Exporte aus Brasilien, differenziert nach Warengruppen 2009 und 2010

                                                        2009                            2010

                                              Wert in          Anteil         Wert in          Anteil         Veränderung
                                             Mrd. US$          in v. H.      Mrd. US$          in v. H.      2008/2009 in %

    Ausfuhr insgesamt                             153,0                           201,9                              32,0
    Hiervon:
      Eisenerz                                     13,3               8,7          28,9             14,3           116,9
      Erdöl                                        12,5               8,2          19,6               9,7            56,1
      Fleisch                                      11,5               7,5          13,3               6,6            16,1
      Zucker                                        8,4               5,5          12,9               6,4            53,6
      Maschinen                                    13,9               9,1          12,1               6,0            -13,0
      Kfz und -teile                                8,1               5,3          11,7               5,8            44,4
      Ölsaaten und ölhaltige Früchte               11,5               7,5          11,1               5,5             -3,2
      (v. a. Soja)
      Eisen und Stahl                               7,2               4,7            8,9              4,4            23,5
      Sonstige Erzeugnisse                         66,6             43,5           83,4             41,3             25,3

    Quelle: Germany Trade & Invest.

Die Güterkategorie „Maschinen“, die für Brasilien im Hinblick auf die Innovationsfä-
higkeit von strategischer Bedeutung ist, kam in 2010 auf einen Anteil am Exportwert
von 6 %. Von hoher wirtschaftsstruktureller Bedeutung ist in Brasilien zudem die
Fahrzeugindustrie, der ebenfalls eine bedeutende Rolle als Innovationsmotor zu-
kommt. So lag der Anteil am Exportwert der Güterkategorie „Kfz und -teile“ in 2010
bei 6 %. Nahezu sämtliche international tätigen Automobilkonzerne unterhalten in
Brasilien umfangreiche Produktionskapazitäten, und im Bereich des Spezialfahr-
zeugbaus weist das Land einige auch internationale wettbewerbsfähige Anbieter
auf. Der Großteil der Fahrzeugproduktion in Brasilien, das in 2009 hinsichtlich des
Kfz-Produktionsvolumens in der weltweiten Rangliste der bedeutendsten Produkti-
onsländer hinter Südkorea und vor Indien auf Platz sechs lag, ist für den Binnen-
markt bestimmt. Schon in Kürze könnte sich der brasilianische Kfz-Markt laut Ein-
schätzung von Branchenexperten zum weltweit viertwichtigsten Absatzmarkt entwi-
ckeln.5

Die brasilianischen Exporte sind – ähnlich wie die Importe – stark auf China ausge-
richtet, auf das in 2010 ein Anteil von 15 % des gesamten Exportwerts entfiel (vgl.
Abb. 9). Im Hinblick auf China dürfte dies vor allem mit der immensen Nachfrage der

5    Vgl. The International Organization of Motor Vehicle Manufacturers – OICA (2010): 2009 Production Statistics.
     Germany Trade & Invest (Hrsg., 2010): Branche kompakt – Kfz-Industrie und Kfz-Teile – Brasilien, Köln.

                                                                                                                             13
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  chinesischen Volkswirtschaft nach Rohstoffen zusammenhängen. Bedeutende Teile
                  der brasilianischen Exporte gehen auch in das benachbarte Argentinien (Anteil von
                  9 %), die Niederlande und die USA (jeweils 5 %) wie auch nach Deutschland und
                  Japan (jeweils 4 %).

Abbildung 9: Hauptabnehmerländer für Exporte aus Brasilien, Anteile am Exportwert 2010 in v. H.

                                                                      Japan
                                                       Chile   UK      4%
                                                       2%      2%
                                                                      Deutschland
                                                                          4%

                                                                          Niederlande
                                                                              5%
                                                                                USA
                                                                                5%

                                                                                    Argentinien
                                  Sonstige
                                                                                       9%
                                   54%

                                                                        China
                                                                        15%

Quelle: Germany Trade & Invest.

                  Infolge der in den vergangenen zwei Jahrzehnten vergleichsweise stabilen und wirt-
                  schaftsfreundlichen Rahmenbedingungen hat die Attraktivität des Investitionsstand-
                  orts Brasilien erheblich zugenommen, was sich auch an den ausländischen Direkt-
                  investitionen ablesen lässt. Der gesamte lateinamerikanische Wirtschaftsraum wur-
                  de zudem in relativ geringem Ausmaß von der weltweiten Finanz- und Wirtschafts-
                  krise erfasst und wird gegenwärtig von internationalen Investoren sehr optimistisch
                  beurteilt. Dies schlägt sich auch in der Attraktivität Brasiliens als Destination für aus-
                  ländische Direktinvestitionen nieder. Beispielsweise liegt das Land gemäß einer ak-
                  tuellen Unternehmensumfrage der UNCTAD innerhalb einer Länder-Rangliste der
                  weltweit beliebtesten Investitionsstandorte hinter China und Indien auf Platz 3, ge-
                  folgt von den USA und der Russischen Föderation. In der analogen Umfrage des
                  vergangenen Jahres hat Brasilien in der betreffenden Rangliste noch Platz 4 einge-
                  nommen. Im Hinblick auf den Wettbewerb um ausländische Direktinvestitionen in-
                  nerhalb Lateinamerikas ist indes zu beachten, dass auch Chile und Peru in der

14
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

betreffenden Rangliste auf oberen Plätzen geführt werden.6 Diese beiden Länder
sind – ähnlich wie Brasilien – nicht zuletzt auch wegen bedeutender Rohstoffvor-
kommen für ausländische Investoren sehr attraktiv.

Tabelle 5: Die beliebtesten Investitionsländer im Hinblick auf den Zeitraum 2010 bis 2012
           aus Sicht international tätiger Unternehmen laut Umfragen der UNCTAD

               Rang in 2010                                  Land                                Rang in 2009
                       1                            China                                                 1
                       2                            Indien                                                3
                       3                            Brasilien                                             4
                       4                            USA                                                   2
                       5                            Russische Föderation                                  5
                       6                            Mexiko                                               12
                       7                            Vereinigtes Königreich                                6
                       8                            Vietnam                                              11
                       9                            Indonesien                                            9
                      10                            Deutschland                                           7
                      11                            Thailand                                             ---
                      12                            Polen                                                13
                      13                            Australien                                            8
                      14                            Frankreich                                           14
                      15                            Malaysia                                             ---
                      16                            Japan                                                ---
                      17                            Kanada                                               10
                      18                            Chile                                                ---
                      19                            Südafrika                                            ---
                      20                            Spanien                                              ---
                      21                            Peru                                                 ---
    Herleitung aus der Anzahl der Nennungen als Investitionsstandort mit höchster Priorität. Die Positionen innerhalb der
    Rangliste der analogen Umfrage in 2009 sind in in der rechten Spalte genannt. Länder ohne derartige Angaben befanden
    sich in 2009 außerhalb der Top-20-Rangliste.

    Quelle: UNCTAD.

Im Kontrast zu der sehr günstigen Einschätzung im Rahmen der UNCTAD-
Umfragen wird Brasilien im aktuellen “Ease of Doing Business“ Ranking der Welt-
bank, das auf mehreren Einzelindikatoren zu konkreten Aspekten einer Geschäftstä-
tigkeit basiert, unter 183 berücksichtigten Ländern erst auf Rang 127 geführt (hinter
Mozambique und vor Tansania). Vergleichsweise günstig fällt das Ranking für Brasi-

6     Vgl. United Nations Conference on Trade and Development – UNCTAD (2010): World Investments Prospects Survey
      2010 – 2012. New York und Genf.

                                                                                                                           15
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  lien im Hinblick auf die Teilindikatoren „Protecting Investors“ (Rang 74) und „Getting
                  Credit“ (Rang 89) aus (vgl. Tab. 6).7

                  Tabelle 6: Platzierung Brasiliens im “Ease of Doing Business“ Ranking der Weltbank 2011

                                  Teilindikator 1)                 Rang in 2011             Rang in 2010          Veränderung 2011/2010

                  Starting a Business                                      128                     128                      +/-0
                  Dealing with Construction Permits                        112                     113                         +1
                  Registering Property                                     122                     121                         -1
                  Getting Credit                                            89                      87                         -2
                  Protecting investors                                      74                      73                         -1
                  Paying Taxes                                             152                     149                         -3
                  Trading Across Borders                                   114                      98                        - 16
                  Enforciing Contracts                                      98                      98                      +/-0
                  Closing a Business                                       132                     130                         -2
                     1)   Vgl. zu den einzelnen Teilindikatoren die Angaben im “Ease of Doing Business 2011 – Brazil“ Report der Weltbank.

                     Quelle: Weltbank.

                  Vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten vielfältigen bzw. teilweise kontradik-
                  tionären Einschätzungen über die Rahmenbedingungen für eine Geschäftstätigkeit
                  in Brasilien hat sich von 2004 bis 2009 der Bestand an ausländischen Direktinvesti-
                  tionen in Brasilien von 196 Mrd. US-$ auf 401 Mrd. US-$ erhöht.

                  Die jährlichen Investitionszuflüsse folgten einhergehend mit der weltwirtschaftlichen
                  Konjunkturentwicklung einem zyklischen Muster und schwankten in dem betreffen-
                  den Zeitraum zwischen 15 Mrd. US-$ und 45 Mrd. US-$. Während beispielsweise
                  die Investitionszuflüsse im Aufschwung in 2007 noch 34 Mrd. US-$ betrugen, lagen
                  sie im Konjunkturboom in 2008 bei 45 Mrd. US-$, um dann im Zuge der Wirtschafts-
                  und Finanzkrise in 2009 auf 30 Mrd. US-$ zurückzugehen (vgl. Abbildung 10). Die
                  ausländischen Investitionen erfolgen in wesentlichen Teilen in den Branchen „Me-
                  tallverarbeitung“ und „Erdöl- und Erdgasgewinnung“, was etwa im Hinblick auf das
                  Jahr 2009 aus Anteilen von 12 % bzw. 8 % am gesamten Investitionszufluss ersicht-
                  lich ist (vgl. Tab. 7). Besonders im Blickfeld der ausländischen Investoren stehen
                  auch die gegenwärtig sehr dynamischen Branchen „Biokraftstoffe / Erdölderivate /
                  Koks“ (Anteil von 4 %) ebenso wie das „Finanz- und Beratungswesen“ (8 %) und die
                  Kfz-Industrie (7 %). Auf den Handel entfielen 9 %.

                 7         Vgl. auch The World Bank (Hrsg., 2010): Doing Business 2011 – Brazil. Washington.

16
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Abbildung 10: Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen in Brasilien 2002 bis 2009

  Mrd. US-$
   50                                                                                                            45,1

   40                                                                                             33,7
                                                                                                                                 30,4
   30
             16,6                            18,2                               18,8
   20                                                          15,1
                              10,1
   10
    0
             2002             2003          2004            2005                2006              2007           2008            2009

Quelle: Germany Trade & Invest.

               Ein Großteil der ausländischen Investitionen in Brasilien stammt aus den Niederlan-
               den, den USA und Spanien (vgl. Abb. 11). Dies verdeutlicht sich auch in den Antei-
               len dieser Länder am gesamten Investitionsvolumen, die sich in 2009 auf 18 % bzw.
               16 % und 11 % beliefen.

               Tabelle 7: Ausländische Direktinvestitionen in Brasilien nach Branchen 2008 und 2009

                                                                                2008                          2009

                                                                      Wert in          Anteil       Wert in          Anteil     Veränderung
                                                                      Mrd. US$         in v. H.    Mrd. US$          in v. H.   2008/2009 in %

                   Investitionsvolumen insgesamt                          45,1                           30,4                        - 32,6
                   Hiervon:
                       Metallverarbeitung                                  5,1             11,4           3,8            12,4        - 26,1
                       Erdöl- und Erdgasgewinnung                          1,4              3,1           2,5             8,3       + 80,2
                       Biokraftstoffe / Erdölderivate / Koks               1,7              3,7           1,2             3,8        - 32,0
                       Finanz-/Beratungswesen                              6,7             14,8           2,5             8,2        - 62,8
                       Kfz-Industrie                                       3,1              6,8           2,2             7,1        - 30,4
                       Handel (ohne Kfz)                                   2,6              5,8           2,8             9,1         + 6,4

                   Quelle: Germany Trade & Invest.

               Während sich niederländische und US-amerikanische Investoren vor allem in der
               Agrar- und Ernährungswirtschaft und dem Rohstoffsektor betätigen, liegen die
               Schwerpunkte der Investoren aus Spanien auf der Finanzwirtschaft und der Tele-
               kommunikation.8 Beachtlich ist im Hinblick auf die Herkunftsländer auch, dass chi-
               nesische Investoren, die in jüngster Zeit in zahlreichen Regionen der Erde – so etwa

               8    Vgl. Neue Zürcher Zeitung (o. V., 28.2.2011): Telefónica wächst im Ausland. S. 7.

                                                                                                                                              17
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  in Afrika und Australien – ihre Aktivitäten insbesondere im Rohstoffsektor deutlich
                  ausgebaut haben, in Brasilien offenbar kaum in Erscheinung treten, und dies, ob-
                  wohl sich China zum bedeutendsten Handelspartner Brasiliens entwickelt hat.

Abbildung 11: Herkunftsländer für ausländische Direktinvestitionen in Brasilien 2009

                                                                            Spanien
                                                 USA
                                                                             11%
                                                 16%
                                                                                             Deutschland
                                                                                                 8%

                           Niederlande
                              18%
                                                                                               Frankreich
                                                                                                  7%

                                                                                                Japan
                                                                                                 6%
                                                                                            Kanada
                                                                                             5%
                                                                                          Cayman Islands
                                                                            Vereinigtes       4%
                                                       Sonstige       Chile Königreich
                                                        19%           3%       3%

Quelle: Germany Trade & Invest.

                  Insgesamt kann man konstatieren, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen
                  Deutschland und Brasilien – bei aller Unsicherheit bezüglich des makroökonomi-
                  schen Umfelds und aufgrund struktureller Probleme – während der jüngeren Zeit ei-
                  ne deutliche Belebung erfahren haben. Nach wie vor bilden unter den brasiliani-
                  schen Importen Technologiegüter des Maschinenbaus und der Elektroindustrie be-
                  deutende Komponenten, während das Schwergewicht der Exporte aus Brasilien auf
                  Rohstoffen und Ernährungsgütern liegt. Insbesondere in der Ernährungswirtschaft
                  werden in absehbarer Zeit brasilianische Unternehmen voraussichtlich ihre bereits
                  jetzt sehr günstige Position auf den Weltmärkten weiter ausbauen.9

                  Die bedeutendsten Handelspartner bilden – hinsichtlich der brasilianischen Exporte
                  wie auch Importe – die USA, China und Argentinien. Deutschland liegt bei den bra-
                  silianischen Importen auf dem vierten Rang, unter den Abnehmerländern für die
                  brasilianischen Exporte nimmt es den fünften Rang ein. Auch hieraus wird die her-
                  ausragende Bedeutung der brasilianisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ersicht-
                  lich.

                  9   Vgl. auch Moses, C. (2011): Brasiliens Fleischkonzerne erobern die Welt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.1.2011,
                      S. 6.

18
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

3     Außenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen Brasilien und Hessen

         Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Struktur und die
         Entwicklung der Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Brasilien und Hessen. Im
         Fokus steht hierbei zunächst der Außenhandel, dessen Umfang anhand von jahres-
         bezogenen Außenhandelsdaten des Statistischen Bundesamtes veranschaulicht
         wird.10 Einen weiteren Untersuchungsaspekt bilden die grenzüberschreitenden Di-
         rektinvestitionen, die auf eine dauerhafte Beteiligung an Unternehmen im betreffen-
         den Zielland hinweisen. Sowohl der Außenhandel als auch die Direktinvestitionen
         werden jeweils im Vergleich zwischen Hessen und dem gesamten Bundesgebiet
         skizziert.

3.1   Hessische Exporte nach Brasilien

         Die Exporte der hessischen Wirtschaft wie auch der gesamtdeutschen Wirtschaft
         nach Brasilien folgten während des vergangenen Jahrzehnts einem zyklischen Mus-
         ter, das vor dem Hintergrund spezifischer struktureller Eigenheiten der brasiliani-
         schen Volkswirtschaft mit der weltweiten bzw. brasilianischen Konjunkturentwick-
         lung zusammenhing. Während sowohl für Hessen als auch für das Bundesgebiet
         jeweils seit 2002 der Wert der Gesamtexporte kontinuierlich zunahm, verzeichneten
         die Exporte nach Brasilien von 2003 bis 2005 einen deutlichen Einbruch, der erst in
         jüngerer Zeit wieder kompensiert werden konnte (vgl. Tab. 8 und Abb. 12).

       Tabelle 8:      Hessische Exporte nach Brasilien und hessische Importe aus Brasilien 2000 bis 2010

                        2000    2001       2002   2003   2004    2005     2006    2007     2008    2009     2010     Relation 2010
                                                                                                                    zu 2000 in v. H.

        Exportwert      406,0 457,7 396,9 309,5 286,0 289,9 353,8 429,7 605,9 451,8 595,5                                 146,7
        in Mio. Euro

        Importwert      240,7 272,2 228,4 201,9 209,6 230.7 267,8 323,1 346,8 279.3 318,7                                 132,4
        in Mio. Euro

        Wert der Exporte bzw. Importe in laufenden Preisen.

        Quelle: Statistisches Bundesamt.

         10   Auf Bundesländerebene wird der Außenhandel nach unterschiedlichen Konzepten erfasst: Die Einfuhr wird entsprechend
              dem Konzept des Generalhandels erfasst, die Ausfuhr entsprechend dem Konzept des Spezialhandels. Die Berechnung
              eines Außenhandelssaldos ist daher aus methodischen Gründen nicht angebracht. So enthält die hessische Ausfuhr
              ausschließlich Waren, die in Hessen erzeugt, be- oder verarbeitet und dann exportiert werden. Die Importe Hessens um-
              fassen auch Güter, die über Hessen in andere Bundesländer oder wieder in das Ausland weitergeleitet werden. In der
              Einfuhr Hessens sind diejenigen Güter nicht enthalten, die von anderen Bundesländern eingeführt und von dort nach
              Hessen weitergeleitet werden.

                                                                                                                                  19
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                    Von 2005 bis 2008 haben die hessischen Exporte dann eine merkliche Steigerung
                    erfahren. Dieser Aufschwung wurde zwar mit der Wirtschafts- und Finanzkrise jäh
                    unterbrochen, aktuell ist jedoch wieder eine deutliche Belebung der Ausfuhren nach
                    Brasilien erkennbar. In 2010 belief sich der betreffende Exportwert auf
                    596 Mio. Euro, was einem Größenverhältnis von 147 % des analogen Warenwertes
                    von 2000 entsprach. Der Anteil Brasiliens an den hessischen Gesamtexporten lag in
                    2010 mit 1,2 % knapp unter dem Niveau von 2000, das 1,3 % betragen hatte. Im
                    gesamten Bundesgebiet belief sich der auf Brasilien entfallende Anteil in 2010 auf
                    1,1 %, verglichen mit 0,8 % in 2000. Somit hat Brasilien als Exportdestination für
                    Hessen eine leicht höhere Bedeutung als für Deutschland insgesamt. Auch lässt
                    sich feststellen, dass Hessen hinsichtlich des Gesamtwerts der deutschen Exporte
                    nach Brasilien eine überproportionale Bedeutung zukommt. Der Anteil des Landes
                    Hessen am Wert der deutschen Exporte nach Brasilien lag nämlich in 2010 bei
                    5,7 %, während der betreffende Anteil am Wert der deutschen Gesamtexporte bei
                    5,4 % lag.

Abbildung 12: Relative Entwicklung des Wertes der hessischen bzw. gesamtdeutschen Exporte nach
              Brasilien 2000 bis 2010

     2000 = 100                                                     2000 = 100
     220                                                            220
                  Exporte insgesamt       Exporte nach Brasilien                 Exporte insgesamt     Exporte nach Brasilien
     200                                                            200

     180                                                            180

     160                                                            160

     140                                                            140

     120                                                            120

     100                                                            100

     80                                                             80

     60                                                             60

     40                                                             40
           2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010         2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

                                      Hessen                                                  Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

                    Als Fazit lässt sich festhalten, dass einerseits die Bedeutung Brasiliens als Export-
                    destination für hessische Produkte nach wie vor vergleichsweise gering ist, jedoch
                    andererseits die Exporte von Hessen nach Brasilien in der jüngsten Vergangenheit
                    eine deutliche Belebung erfahren haben. Zu einer analogen Feststellung kommen –
                    im Hinblick auf die gesamten deutschen Exporte – die Autoren einer aktuellen
                    Publikation des ifo-Instituts, in welcher die Potenziale ausgewählter Industrieländer

20
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

               und Schwellenländer für die deutsche Exportwirtschaft untersucht werden. Hierzu
               wird für die betreffenden Länder die Veränderung des Exportanteils im Zeitraum
               2000 bis 2009 im Zusammenhang mit dem Exportanteil in 2009 untersucht. Aus den
               betreffenden Untersuchungsergebnissen lässt sich schließen, dass Brasilien –
                ähnlich wie etwa Russland, China, Indien und Polen – zu den Exportdestinationen
               mit zunehmender Bedeutung zählt.11

               Ein besonderes Schwergewicht der hessischen Exporte nach Brasilien liegt auf den
               „Chemischen und Pharmazeutischen Erzeugnissen“, die in 2010 einen Anteil von
               33 % am Gesamtwert der Exporte nach Brasilien auf sich vereinten (vgl. Abb. 13).
               Von herausragender Bedeutung sind ferner die Produktsegmente „Maschinen“
               (16 %) sowie „Eisen- und Metallwaren“ (13 %). Es folgen die Produktsegmente
               „Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör“ (10 %), „Feinmechanische und optische
               Erzeugnisse“ (6 %) sowie „Elektrotechnische Erzeugnisse“ und „Halbwaren“ (jeweils
               5 %).

Abbildung 13: Struktur der hessischen Exporte nach Brasilien (Exportwert in 1.000 Euro) 2010

                                   Pharmazeutische Erzeugnisse                                                                      108.680
                                                         Maschinen                                                         94.026
                                          Chemische Erzeugnisse                                                          90.009
                                          Eisen- und Metallwaren                                                    78.089
                          Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör                                          58.174
                      Feinmechanische und optische Erzeugnisse                                37.459
                                   Elektrotechnische Erzeugnisse                         27.869
                                                         Halbwaren                      26.530
                                             Sonstige Fertigwaren                         29.346
                                           Waren aus Kunststoffen             9.907
                                Vollständige Fabrikationsanlagen              9.045
                                             Ernährungswirtschaft             9.017
                                                   Kautschukwaren            7.385
   Stein-, Glaswaren, keramische Erzeugnisse (ohne Baukeramik)             3.142
                                           Textilien und Pelzwaren        2.603
                                      Holz und Holzwaren, Möbel           2.269
                                          Papier und Papierwaren          1.521
                       Sportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren         218
                                                         Rohstoffe       93
                  Schmuckwaren, Gold- und Silberschmiedewaren            52
                                  Schuhe, Lederwaren und Leder           40

                                                                     0         20.000     40.000       60.000     80.000   100.000 120.000
                                                                                                                               1.000 Euro

Quelle: Statistisches Bundesamt.

               11   Elstner, S.; C. Grimme und T. Siemsen (2010): Die größten aufstrebenden Märkte für deutsche Exporte liegen in Asien
                    und Osteuropa. In: ifo Schnelldienst, Nr. 16/2010, 63. Jahrgang, S. 22-25.

                                                                                                                                              21
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                    Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die hessische Wirtschaft
                    von der Nachfrage nach wertschöpfungsintensiven Gütern in Brasilien vor allem in
                    solchen Produktsegmenten profitieren kann, in denen sie generell sehr wettbe-
                    werbsfähig ist. Eine Diversifizierung der hessischen Handelsbeziehungen mit Brasi-
                    lien könnte über eine Steigerung der hessischen Exporte in den Bereichen Fahr-
                    zeugindustrie, Elektroindustrie und Maschinenbau erfolgen, um die Position der
                    hessischen Industrie in diesen Wachstumsmärkten auszubauen.

3.2          Hessische Importe aus Brasilien

                    Die Importe aus Brasilien nach Hessen haben sich in jüngster Zeit ebenfalls deutlich
                    belebt. So ist der Wert der jährlichen Importe aus Brasilien seit 2003 gestiegen, und
                    zwar von 2007 bis 2008 stärker als der Wert der gesamten Importe nach Hessen
                    (vgl. Tab. 8 und Abb. 14).

Abbildung 14: Relative Entwicklung des Wertes der hessischen bzw. gesamtdeutschen Importe aus Brasilien
              2000 bis 2010

 2000 = 100                                                          2000 = 100
 250                                                                 250
               Importe insgesamt    Importe aus Brasilien                         Importe insgesamt   Importe aus Brasilien
 230                                                                 230

 210                                                                 210

 190                                                                 190
 170                                                                 170
 150                                                                 150
 130                                                                 130
 110                                                                 110
     90                                                               90
     70                                                               70
     50                                                               50
          2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
                                                                           2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

                                   Hessen                                                         Deutschland
 Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

                    Nach einem deutlichen Rückgang der Importe aus Brasilien wie auch der Gesamt-
                    importe in 2009 folgte in 2010 ein erheblicher Anstieg. Während im Vergleich zwi-
                    schen den Jahren 2010 und 2000 der Wert der Importe aus Brasilien von
                    241 Mio. Euro auf 319 Mio. Euro und somit um 32 % zugenommen hat (vgl. Tab. 8),
                    ist der Wert der gesamten hessischen Importe lediglich um 20 % gestiegen. Hiermit
                    einhergehend hat sich der Anteil Brasiliens an den hessischen Gesamtimporten von
                    0,4 % auf 0,5 % erhöht. Im Vergleich hierzu ist für das gesamte Bundesgebiet eine
                    höhere Bedeutung der Einfuhren aus Brasilien festzustellen. So belief sich im Bun-

22
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

                desdurchschnitt der Anteil Brasiliens am gesamten Importwert in 2010 auf 1,2 %,
                verglichen mit 0,8 % in 2000. Die hier aufgezeigten Entwicklungen machen deutlich,
                dass in jüngerer Zeit sowohl für Hessen als auch für das gesamte Bundesgebiet die
                relative Bedeutung Brasiliens als Lieferland leicht zugenommen hat.

                Hessen importiert aus Brasilien vor allem Produkte der Segmente „Chemische und
                Pharmazeutische Erzeugnisse“ (vgl. Abb. 15). Der aggregierte Anteil am Gesamt-
                wert der hessischen Importe aus Brasilien, welche diese Produktsegmente in 2010
                auf sich vereinen konnten, lag bei 19 %. Ebenfalls sehr bedeutsam ist mit 17 % die
                Warengruppe „Schmuckwaren, Gold- und Silberschmiedewaren“, zu der u. a. Edel-
                steine, Komponenten aus Gold bzw. Silber und Katalysatoren aus Platin zählen.
                Hierauf folgen die Produktsegmente „Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör“
                (10 %), „Sonstige Fertigwaren“ und „Ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse“ (jeweils
                9 %). In der Chemie- und Pharmaindustrie, der Ernährungswirtschaft und der Fahr-
                zeugindustrie weist auch Hessen bekanntermaßen komparative Stärken auf, so
                dass mit Blick auf diese Wirtschaftszweige durchaus von intraindustriellen Handels-
                beziehungen gesprochen werden kann, was den Status Brasiliens eines – zumin-
                dest in einigen Wirtschaftsbereichen – weit fortgeschrittenen Schwellenlandes
                nochmals unterstreicht.

Abbildung 15: Struktur der hessischen Importe aus Brasilien (Importwert in 1.000 Euro) 2010

                    Schmuckwaren, Gold- und Silberschmiedewaren                                                                      55.219
                                     Pharmazeutische Erzeugnisse                                             32.601
                            Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör                                          30.867
                                               Sonstige Fertigwaren                                       29.928
                                            Chemische Erzeugnisse                                       27.565
                                               Ernährungswirtschaft                                    27.366
                                                           Halbwaren                              21.571
                                            Eisen- und Metallwaren                              19.426
                                    Schuhe, Lederwaren und Leder                              17.755
                        Feinmechanische und optische Erzeugnisse                             16.492
                                                     Kautschukwaren                      12.556
                                     Elektrotechnische Erzeugnisse                     10.687
                                                           Maschinen               7.097
                                                          Holzwaren           2.646
                                             Waren aus Kunststoffen           2.301
                                             Textilien und Pelzwaren         1.761
                                                           Rohstoffe         1.637
                                            Papier und Papierwaren          686
     Stein-, Glaswaren, keramische Erzeugnisse (ohne Baukeramik)           514
                         Sportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren         10

                                                                       0         10.000    20.000     30.000    40.000     50.000     60.000
                                                                                                                                1.000 Euro

Quelle: Statistisches Bundesamt.

                                                                                                                                               23
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

3.3        Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und Brasilien

                  Die jüngste Intensivierung der außenwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Hessen
                  und Brasilien hat auch die Investitionstätigkeit erfasst (vgl. Abb. 16). Insbesondere
                  gilt dies für den Bestand der hessischen Direktinvestitionen in Brasilien, der von
                  466 Mio. Euro Ende 2004 auf 942 Mio. Euro Ende 2009 zugenommen hat. Dies ent-
                  spricht einem Anstieg um 102 %. Im Vergleich hierzu ist der Bestand der gesamt-
                  deutschen Direktinvestitionen in Brasilien von 5,8 Mrd. Euro auf 19,1 Mrd. Euro und
                  somit um 227 % gestiegen. Im Zuge dieser disparaten Entwicklung hat sich der auf
                  Hessen entfallende Anteil an den deutschen Investitionsbeständen in Brasilien von
                  8 % in 2004 auf 5 % in 2009 ermäßigt. Dies hängt teilweise damit zusammen, dass
                  andere Bundesländer – vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und
                  Nordrhein-Westfalen – aufgrund ihrer spezifischen, jeweils stark durch das Verarbei-
                  tende Gewerbe geprägten Branchenstruktur von der jüngeren Wirtschaftsentwick-
                  lung in Brasilien stärker als Hessen profitieren konnten. Hierfür bildeten die tradier-
                  ten – teilweise schon seit achtzig bis hundert Jahren bestehenden – Beziehungen in
                  den betreffenden Bundesländern ansässiger großer Industriekonzerne nach Brasi-
                  lien eine günstige Ausgangsbasis. Genannt seien beispielsweise Anbieter aus den
                  Bereichen Fahrzeugindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Stahlindustrie und
                  Elektroindustrie. Auch in dem für Brasilien so wichtigen Segment der Agrartechnik,
                  für das in naher Zukunft große Wachstumsraten zu erwarten sind, haben die bedeu-
                  tendsten Anbieter in Deutschland ihre Hauptstandorte in Niedersachsen und Baden-
                  Württemberg.

Abbildung 16: Relative Entwicklung des Bestandes der hessischen bzw. bundesdeutschen Direktinvestitio-
              nen in Brasilien 2004 bis 2009

                 2004 = 100
                 350
                 300
                              Hessen             Deutschland
                 250
                 200
                 150
                 100
                   50
                    0
                              2004              2005           2006   2007   2008   2009

Stand jeweils zum Jahresende.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

24
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

                 Die Bedeutung hessischer Investoren im Gesamtbestand der insgesamt von deut-
                 schen Unternehmen in Brasilien allozierten Direktinvestitionsbeständen differieren je
                 nach Branche erheblich. Von 2004 bis 2009 erhöhte sich der von hessischen Inves-
                 toren gehaltene Bestand an Investitionen in der brasilianischen Chemieindustrie von
                 34 Mio. Euro auf 173 Mio. Euro und somit um 409 %; im Bereich „Grundstücks- und
                 Wohnungswesen, Vermietung, beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistun-
                 gen überwiegend für Unternehmen“ steigerten sich die Investitionsbestände im Ver-
                 gleichszeitraum von 158 Mio. Euro auf 253 Mio. Euro, was einer relativen Zunahme
                 um 60 % entspricht. Während in 2009 etwa 26 % aller deutschen Investitionsbe-
                 stände in der Chemieindustrie in Brasilien von hessischen Investoren gehalten wur-
                 den, lag der Vergleichswert im Bereich „Grundstücks- und Wohnungswesen, Ver-
                 mietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Un-
                 ternehmen“ jedoch bei lediglich 2 %.

                 In 2009 ließ sich ein bedeutender Teil der deutschen Investitionsbestände in Brasi-
                 lien – nämlich 30 % – dem Verarbeitenden Gewerbe zuordnen (vgl. Abb. 17).

Abbildung 17: Branchenstruktur der Bestände der brasilianischen Direktinvestitionen in Deutschland bzw.
              der deutschen Direktinvestitionen in Brasilien 2009

  Brasilianische Direktinvestitionen              Deutsche Direktinvestitionen                    Deutsche Direktinvestitionen in
            in Deutschland                               in Brasilien                           Brasilien (Verarbeitendes Gewerbe)

                                                                                                                     10%

                              23%
                                                                         30%
                                                                                                       9%

          56%                                                                                       11%
                                                                                                                                 57%
                                                        69%                     1%
                                    21%

                                                                                                          12%

                                                                                                                1%

                                                                                                     10%
     Verarbeitendes Gewerbe                                                          Herstellung von9%
                                                                                                     Kraftwagen und Kraftwagenteilen

     Handel, Instandhaltung und Reparatur
                                                                                                 11%
                                                                                     Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik
                                 31% von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern                                      57%
                                          48%                                                    12%
     Sonstige Wirtschaftszweige                                                      Chemische Industrie
                                                                                                     1%
                                                                                     Maschinenbau

                                                                                     Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung u.ä.

                                                                                     Sonstige Zweige
Quelle: Deutsche Bundesbank.

                                                                                                                                              25
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien

                  Demgegenüber betätigten sich hessische Investoren in deutlich geringerem Maße in
                  diesem Wirtschaftsbereich, was aus einem Anteil von 21 % des Gesamtbestands
                  der hessischen Direktinvestitionen in Brasilien ersichtlich ist. Gleichwohl kommt in-
                  nerhalb der hessischen Investitionsbestände in Brasilien der Chemischen Industrie
                  mit einem Anteil von 18 % am gesamten Investitionsbestand eine herausragende
                  Bedeutung zu. Hingegen beläuft sich der Anteil der Chemischen Industrie im Bun-
                  desdurchschnitt auf lediglich 3 %. Im Hinblick auf den Gesamtbestand der deut-
                  schen Direktinvestitionen in Brasilien liegt ein deutlicher Investitionsschwerpunkt auf
                  der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (17 %). Bezogen auf den Ge-
                  samtbestand der deutschen Direktinvestitionen im Verarbeitenden Gewerbe in Bra-
                  silien kam dieser Wirtschaftszweig in 2009 auf einen Anteil von 57 %, was dessen
                  zentrale Bedeutung für die brasilianisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen veran-
                  schaulicht (vgl. Abb. 18). Hingegen spielt die in der hessischen Wirtschaftsstruktur
                  sehr bedeutsame Branche „Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik“
                  nur eine untergeordnete Rolle.

                  Die zunehmenden internationalen Aktivitäten brasilianischer Unternehmen schlagen
                  sich in einer Ausdehnung ihrer Investitionstätigkeit nieder, wovon auch Deutschland
                  betroffen ist (vgl. Abb. 18). Von 2004 bis 2008 hat sich der in Deutschland allozierte
                  Bestand der brasilianischen Direktinvestitionen von 101 Mio. Euro auf 150 Mio. Euro
                  erhöht. Im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ermäßigte sich der Be-
                  stand dann bis 2009 wieder auf 142 Mio. Euro, was 141 % des Ausgangswerts von
                  2004 entspricht.12

Abbildung 18: Relative Entwicklung des Bestandes der brasilianischen Direktinvestitionen in Deutschland
              2004 bis 2009

                      2004 = 100
                     200

                     150

                     100

                       50

                        0
                                 2004             2005          2006            2007            2008            2009

Stand jeweils zum Jahresende. Für Hessen liegen keine Angaben zu den Beständen der aus Brasilien stammenden Investitionen vor.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

           12    Für die brasilianischen Investitionsbestände in Hessen sind in der amtlichen Statistik keine Daten verfügbar.

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