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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien – Strategien und Marktpotenziale PD Dr. Johannes Harsche Dr. Bernd Werner Report Nr. 809 Wiesbaden 2011
Eine Veröffentlichung der HA Hessen Agentur GmbH Postfach 1811 D-65008 Wiesbaden Abraham-Lincoln-Straße 38-42 D-65189 Wiesbaden Telefon 0611 / 774-81 Telefax 0611 / 774-8313 E-Mail info@hessen-agentur.de Internet http://www.hessen-agentur.de Geschäftsführer: Jürgen Illing Vorsitzender des Aufsichtsrates: Dieter Posch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien – Strategien und Marktpotenziale Inhalt Seite 1 Einführung 1 2 Länderprofil zu Brasilien 3 3 Außenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen Brasilien und Hessen 19 3.1 Hessische Exporte nach Brasilien 19 3.2 Hessische Importe aus Brasilien 22 3.3 Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und Brasilien 24 4 Einflussfaktoren für die hessisch-brasilianischen Wirtschafts- beziehungen auf Unternehmensebene 28 4.1 Untersuchungsdesign 28 4.2 Untersuchungsergebnisse 29 4.2.1 Spektrum der Geschäftstätigkeit 29 4.2.2 Motive für die Geschäftstätigkeit 29 4.2.3 Herausforderungen bei der Geschäftstätigkeit 32 4.2.4 Zukunftspotenziale und politische Handlungsansätze 35 5 Zusammenarbeit im Bereich Lehre, Forschung und Entwicklung 48 6 Fazit 53 7 Kontaktadressen 55 Liste der Gesprächspartner 56 Abbildungsverzeichnis 57 Tabellenverzeichnis 58 Quellenverzeichnis 59 I
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – 1 Einführung Die brasilianische Volkswirtschaft zeichnet sich durch viele Merkmale aus, die auf einen – auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern – hohen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungsstand hinweisen. In zahlreichen technologieinten- siven Wirtschaftzweigen verfügt das Land über umfangreiche Produktionskapazitä- ten. Genannt seien etwa der Maschinenbau, die Automobilindustrie, die Energie- und Kraftwerkstechnik wie auch die Luft- und Raumfahrttechnik. Ferner zählt das Land zu den weltweit bedeutendsten Rohstoffproduzenten. Ein weiterer Wirtschafts- zweig von internationaler Bedeutung ist die stark auf den Export ausgerichtete und u. a. aufgrund der naturräumlichen Produktionsbedingungen sehr konkurrenzfähige brasilianische Agrarwirtschaft. Aber auch im Dienstleistungsbereich – insbesondere im Finanzsektor und in der Telekommunikation – weist das Land sehr wettbewerbs- starke und international operierende Unternehmen auf. Die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens war in der jüngeren Vergangenheit durch ein dynamisches Wachstum gekennzeichnet, und die Auswirkungen der globalen Fi- nanz- und Wirtschaftskrise hat das Land wesentlich besser verkraftet als andere In- dustrie- und Schwellenländer. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs hat sich das weltpolitische Gewicht des Landes deutlich verstärkt, weswegen sich auch seine Rolle in internationalen politischen Institutionen erheblich gewandelt hat. In der WTO und der G-20 vertritt die brasilianische Regierung mittlerweile sehr selbstbewusst ei- gene Interessen und tritt zudem als Fürsprecher anderer Länder auf. Trotz unbestreitbarer wirtschaftlicher Erfolge ist Brasilien nach wie vor durch zahlrei- che Strukturmerkmale geprägt, die für den Status eines Schwellenlandes typisch sind, so etwa eine sehr ungleiche personelle Einkommensverteilung und eine starke Eigentumskonzentration. Ein Nachholbedarf besteht nicht zuletzt auch bei der Infra- struktur, jedoch werden gegenwärtig – vor allem im Hinblick auf die Fußballweltmeis- terschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 – von der brasilianischen Regierung umfangreiche Anstrengungen zu deren Ausbau unternommen. Ziel der vorliegenden Länderstudie ist es, unter Berücksichtigung der vielfältigen Fa- cetten der brasilianischen Volkswirtschaft wesentliche Aspekte der Wirtschaftsbezie- hungen zwischen Brasilien und Hessen aufzuzeigen. Hierzu werden zunächst in ei- nem Länderprofil die wichtigsten wirtschaftlichen Strukturmerkmale Brasiliens darge- stellt. Danach folgt eine Übersicht über die außenwirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Hessen und Brasilien, wobei schwerpunktmäßig auf die Außenhandelsbeziehungen und die Direktinvestitionen eingegangen wird. 1
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Im Anschluss hieran werden im Hinblick auf die brasilianisch-hessischen Wirt- schaftsbeziehungen die Einflussgrößen für außenwirtschaftliche Aktivitäten beleuch- tet. Die hierbei angewandte Untersuchungsmethodik basiert auf leitfadengestützten Expertengesprächen mit Vertretern brasilianischer bzw. hessischer Einrichtungen und Unternehmen, deren Ergebnisse im Hinblick auf bedeutende Motive bzw. Hemmnisse für die Standortwahl und die Geschäftstätigkeit ausgewertet wurden. Fünf Kurzporträts von Unternehmen runden diese Ausführungen ab. Hierauf folgt in Form einer Übersicht die Präsentation der Kooperationen zwischen brasilianischen und hessischen Hochschulen. Zum Abschluss der Untersuchung werden die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zu den brasilianisch-hessischen Wirtschaftsbeziehungen zusammengefasst. 2
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – 2 Länderprofil zu Brasilien Brasilien ist flächenmäßig das fünftgrößte Land der Erde, es vereint mit seinen rund 8,5 Mio. km2 mehr als 47 % der Fläche Südamerikas auf sich. Ebenfalls weltweit an fünfter Stelle liegt Brasilien bei der Bevölkerung, knapp 194 Mio. Menschen leben in dem südamerikanischen Land. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in Brasilien beläuft sich auf 23 Einwohner/km2 (Deutschland: 236 Einwohner/km2). Allerdings sagt dieser Durchschnittswert wenig über die großen Unterschiede innerhalb Brasi- liens aus. So existieren neben der „Megacity“ und dem wirtschaftlichen Zentrum São Paulo mit rund 20 Mio. Einwohnern weitere sehr dicht besiedelte Agglomerations- räume. Zu nennen sind hier die Städte und Großräume Rio de Janeiro, Belo Hori- zonte, Porto Alegre, Recife, Fortaleza und Salvador da Bahia. Nach Schätzungen leben rund 70 % der brasilianischen Einwohner in den Großstädten. Tabelle 1: Basisdaten zur Föderativen Republik Brasilien Landfläche 8,5 Mio. km2 (entspricht 9,2 % der weltweiten Landfläche) Einwohner 171,3 Mio. (2000) 193,3 Mio. (2010) Bevölkerungsentwicklung +1,2 % p.a. (2000 bis 2010) Bevölkerungsdichte 23 Einw./km2 (2010) Durchschnittsalter (Median) der Bevölkerung (m) 28,1 Jahre (2010) Durchschnittsalter (Median) der Bevölkerung (w) 29,7 Jahre (2010) Lebenserwartung bei Geburt (m) 68,7 Jahre (2010) Lebenserwartung bei Geburt (w) 76,0 Jahre (2010) Altersstruktur der Bevölkerung (Anteile der 0 bis 14 Jahre 28,5 % (2010) jeweiligen Alterskohorte an der Gesamt- 15 bis 64 Jahre 66,9 % (2010) bevölkerung) 64 Jahre und älter 6,6 % (2010) Währung Brasilianischer Real (R$) = 100 Centavos Festnetzanschlüsse 214 je 1.000 Einw. (2009) Mobiltelefone 898 je 1.000 Einw. (2009) Internetnutzer 392 je 1.000 Einw. (2009) Quelle: Germany Trade & Invest, CIA: The World Factbook, Internationaler Währungsfonds. Die brasilianische Bevölkerung wächst moderat mit rund 1 % pro Jahr. Damit weist Brasilien nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch im Vergleich mit anderen Schwellenländern eine günstige demografische Entwicklung auf.1 Brasilien ist mit 1 Vgl. Jaeger, Markus (2010): Demographische Perspektiven der BRIC-Länder deutlich unterschiedlich. Frankfurt am Main. 3
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Blick auf die Altersstruktur der Bevölkerung ein vergleichsweise „junges“ Land. Der Anteil der Personen im Alter bis zu 14 Jahren liegt bei rund 29 %, der Anteil derjeni- gen, die älter als 64 Jahre sind, bei weniger als 7 %. Demografische Probleme ste- hen für das Land am Zuckerhut somit in den nächsten Jahren nicht auf der Agenda. Die föderative Republik Brasilien, so der offizielle Name, besteht aus insgesamt 26 Bundesstaaten und einem Bundesdistrikt (São Paulo). Abbildung 1: Regionale Gliederung Brasiliens Quelle: www.landkarte-online.net 4
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Innerhalb Brasiliens existieren markante räumliche Disparitäten, die sich auf vielfälti- ge Weise – z.B. bezüglich der Wirtschaftskraft und der Infrastruktur wie auch des Bildungsstandes und des Gesundheitszustandes in der Bevölkerung – manifestie- ren. So zeichnen sich insbesondere die südlichen Landesteile durch einen signifikant höheren Entwicklungsstand als der Norden und Nordosten mit seinen dicht bewalde- ten Regenwäldern aus. Wirtschaftslage Für die Entwicklung und die Perspektiven der brasilianischen Wirtschaft sind mehre- re Faktoren von herausragender Bedeutung. Erstens ist Brasilien besonders reich an natürlichen Ressourcen. Zu nennen sind hier: Eisen, Mangan, Kohle, Bauxit, Nickel, Erdöl, Zinn, Silber, Diamanten, Gold, Erdgas und Uran. Beispielsweise ist der brasilianische Rohstoffkonzern Vale mit deutlichem Abstand der größte Eisen- erzproduzent der Welt.2 Zweitens weist Brasilien eine sehr leistungsfähige und hoch technisierte Agrarwirtschaft auf und ist mittlerweile zum größten Fleischexporteur der Welt aufgestiegen. Brasilien ist aber auch ein leistungsfähiger Industriestandort. In einigen Technologiebereichen wie dem Flugzeugbau hat es Unternehmen vorzu- weisen, die eine globale Spitzenposition einnehmen wie das Flugzeugunternehmen Embraer. Deutsche Unternehmen sind seit langer Zeit in Brasilien aktiv. So ist der Großraum São Paulo mit über 1.200 deutsch-brasilianischen Unternehmen, in denen rund 250.000 Beschäftigte tätig sind, weltweit einer der bedeutendsten Standorte deut- scher Unternehmen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Unter- nehmen für die brasilianische Volkswirtschaft eine hohe Bedeutung haben. Nach Schätzungen liegt der Beitrag dieser Unternehmen bei rund 7 % des brasilianischen BIP. Gleichwohl lässt sich diese strukturelle Bedeutung (noch) nicht in einen ent- sprechenden Umfang der Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Brasilien und Deutschland ummünzen, was – zumindest teilweise – mit der Handelspolitik der brasilianischen Regierung zusammenhängt (vgl. auch Kapitel 4). Die Wirtschaftsstruktur Brasiliens ist sehr vielfältig (vgl. Tab. 2). Die bedeutendsten Wirtschaftszweige sind neben dem Verarbeitenden Gewerbe, das in 2010 einen An- teil am Bruttoinlandsprodukt von 16 % hatte, die Bereiche „Handel“ (12 %), „Immobi- lienwirtschaft“ sowie „Finanzdienstleistungen“ (jeweils 8 %). Zu nennen ist insbe- sondere auch die Landwirtschaft, die einen Beitrag von 6 % beisteuerte. Deutlich wird beim Vergleich der Jahre 2009 und 2010, dass der Bergbau nach dem Ein- bruch in der globalen Wirtschaftskrise seinen Anteil an der nominalen Wirtschafts- leistung merklich gesteigert hat, was allerdings teilweise auf Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten zurückzuführen ist. 2 Vgl. Neue Zürcher Zeitung (o. V., 2.3.2011): Vale strotzt vor Zuversicht. S. 10. 5
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt1) und Wirtschaftsstruktur in Brasilien 2008 und 2010 2009 2010 Veränderung 2008/2010 in v. H. Bruttoinlandsprodukt in Mrd. US-$ 1.574 1.910 21,3 Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in US-$ 8.220 9.886 20,3 Wert in Anteil am Wert in Anteil am . Entstehung des Bruttoinlandsprodukts Mrd. US-$ BIP in v. H. Mrd. US-$ BIP in v. H. Landwirtschaft 96,0 6,1 110,8 5,8 15,4 Bergbau 17,3 1,1 47,8 2,5 175,8 Bausektor 80,3 5,1 101,2 5,3 26,1 Verarbeitende Industrie 244,0 15,5 301,8 15,8 23,7 Transport und Logistik 80,3 5,1 101,2 5,3 26,1 Finanzdienstleistungen 114,9 7,3 147,1 7,7 28,0 Informationsdienstleistungen 56,7 3,6 64,9 3,4 14,6 Immobilienwirtschaft 132,2 8,4 150,9 7,9 14,1 Handel 187,3 11,9 227,3 11,9 21,3 Sonstige Wirtschaftszweige 565,1 35,9 657,0 34,4 16,3 1) zu laufenden Preisen. Schätzungen für die Werte von 2010 und für das BIP je Einwohner in 2009. Quelle: Germany Trade & Invest. Brasilien hat zwar nicht ganz so hohe Wachstumsraten wie das Schwellenland Chi- na, die jüngste Vergangenheit war jedoch durch ein stetiges und hohes Wirt- schaftswachstum gekennzeichnet (vgl. Abb. 2). Die globale Finanz- und Wirt- schaftskrise hat das Wirtschaftswachstum in Brasilien aufgrund seiner ausgeprägten Exportorientierung zwar gebremst, im Vergleich zu anderen Ländern war der Rück- gang der Wirtschaftsleistung mit - 0,6 % jedoch gering. Zum Vergleich: In Deutsch- land ging das BIP in Folge der Wirtschaftskrise um rund 5 % zurück. Für die Jahre 2011 und 2012 werden für Brasilien Wachstumsraten von 4,5 % bzw. 4,1 % ge- schätzt. 6
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in Brasilien: Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr in v. H. 2000 bis 2012 v. H. 7,5 8 5,7 6,1 6 5,2 4,3 4,0 4,5 4,1 4 3,2 2,7 2 1,3 1,1 0 -0,6 -2 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen; Schätzungen für 2010, 2011 und 2012. Quelle: Internationaler Währungsfonds. Die anhaltend positive Wirtschaftsentwicklung und die damit verbundenen Steuer- einnahmen haben dazu geführt, dass das brasilianische Haushaltsdefizit trotz hoher Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und Sozialprogramme nicht zugenommen hat. Im Gegenteil: Es gelang Brasilien sogar, die günstigen makroökonomischen Rah- menbedingungen für eine Konsolidierung zu nutzen. So sank das jährliche Haus- haltsdefizit von 5,7 % im Jahr 2003 auf 3,3 % im Jahr 2009. Für das Jahr 2011 wird ein Haushaltsdefizit von 2,1 % erwartet. Damit weist Brasilien im Vergleich etwa zu vielen europäischen Ländern ein signifikant geringeres Defizit aus (vgl. Abb. 3). Abbildung 3: Haushaltsdefizit in v. H. des BIP in Brasilien 2000 bis 2011 0 -1 -2 -3 -2,1 -2,6 -2,5 -2,7 -4 -3,5 -3,3 -3,4 -3,4 -3,3 -3,9 -5 -6 -5,3 -5,7 -7 v. H. 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Schätzungen für 2010 und 2011. Quelle: IDB, Latin American and Caribbean Macro Watch Data Tool. 7
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Nicht nur der Blick auf die jährlichen Haushaltsdefizite weist Brasilien als ein solide wirtschaftendes Land aus. Die Entwicklung der Schuldenstandsquote, d.h. der Anteil der gesamten Staatsverschuldung am BIP, zeigt keine besorgniserregende Zunah- me, wie sie in vielen europäischen Ländern aufgrund der Auswirkungen der Finanz- krise zu beobachten ist. Im Gegenteil, die Schuldenstandsquote Brasiliens liegt auf einem annähernd konstanten Niveau von rund 66 %. Der wirtschaftliche Auf- schwung wurde auch dazu genutzt, die Schuldenstandsquote zu reduzieren. So ge- lang es, den Schuldenstand des Landes von 2002 (rund 80 %) innerhalb von sechs Jahren um knapp ein Fünftel auf eine Schuldenstandsquote von 64 % im Jahr 2008 abzubauen (vgl. Abb. 4). Abbildung 4: Staatsverschuldung in v. H. des BIP in Brasilien 2000 bis 2012 v. H. 100 79,9 70,7 74,8 70,7 80 66,7 69,2 66,7 65,2 68,9 66,8 66,6 66,4 64,1 60 40 20 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Schätzungen für 2010, 2011 und 2012. Quelle: Internationaler Währungsfonds. Brasilien zeichnet sich durch moderate Inflationsraten aus. Mit Ausnahme des Jah- res 2003, in dem die Inflationsrate rund 15 % betrug, lag die Preissteigerung in Bra- silien im einstelligen Bereich (vgl. Abb. 5). Nach den derzeit vorliegenden Schätzun- gen wird auch in Zukunft das Ziel der Preisniveaustabilität erreicht, wobei die Gefahr einer konjunkturellen Überhitzung mit steigenden Inflationsraten – etwa im Zuge ei- ner verstärkten kreditfinanzierten Konsumnachfrage – nicht außer Acht gelassen werden darf. 8
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Abbildung 5: Jährliche Inflationsrate in v. H. in Brasilien im Zeitraum 2000 bis 2012 v. H. 14,8 16 14 12 10 8,4 7,1 6,8 6,6 6,9 8 5,7 4,9 5,0 4,6 4,6 6 4,2 3,6 4 2 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Schätzungen für 2010, 2011 und 2012 Quelle: Internationaler Währungsfonds. Der anhaltende Wirtschaftsaufschwung hat seine positiven Spuren auch auf dem brasilianischen Arbeitsmarkt hinterlassen. In den vergangenen Jahren gelang es – trotz massiver Produktivitätsfortschritte – immer mehr Menschen in den Arbeits- markt zu integrieren. Seit dem Jahr 2003, in dem die Arbeitslosenquote in Brasilien bei rund 13 % lag, ist ein signifikanter Rückgang der Arbeitslosigkeit festzustellen (vgl. Abb. 6). Die brasilianische Arbeitslosenquote liegt am aktuellen Rand auf ei- nem vergleichbaren Niveau wie in Deutschland. Der brasilianische Arbeitsmarkt ist gekennzeichnet durch eine relativ junge, aufstiegsorientierte und leistungsbereite Arbeitnehmerschaft, die eine hohe Bereitschaft zu permanenter Weiterbildung be- sitzt. Die Verfügbarkeit von Fachkräften kann als gut bezeichnet werden, auch wenn aufgrund der Größe des Landes regionale Unterschiede zu konstatieren sind. Abbildung 6: Arbeitslosenquote in v. H. in Brasilien 2000 bis 2010 v. H. 14 12,1 12,7 11,2 11,8 12 11,0 10,6 10,4 10,1 10 8,8 8,4 8,1 7,5 7,2 8 6 4 2 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Wert für 2010: Stand Ende Oktober; sonstige Werte Jahresdurchschnittswerte. Schätzungen für 2011 und 2012. Quelle: IDB, Latin American and Caribbean Macro Watch Data Tool. 9
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Internationale Wirtschaftsbeziehungen Auch wenn die Finanz- und Wirtschaftskrise Brasilien merklich schwächer als ande- re Schwellenländer und Industrieländer getroffen hat, so waren gleichwohl in der jüngeren Vergangenheit die Außenhandelsbeziehungen Brasiliens von der weltwei- ten Konjunkturentwicklung geprägt (vgl. Abb. 7). Während nämlich im konjunkturel- len Aufschwung von 2003 bis 2008 sowohl Exporte als auch Importe erheblich ex- pandierten, erfolgte nach einem Einbruch in 2009 infolge der Wirtschaftskrise eine deutliche Zunahme der Außenhandelsvolumina. Im Zeitraum von 2002 bis 2009 konnte die brasilianische Volkswirtschaft in sämtlichen Jahren einen positiven Han- delsbilanzsaldo erwirtschaften. Abbildung 7: Brasilianische Exporte bzw. Importe und brasilianischer Handelsbilanzsaldo 2000 bis 2010 Mrd. US-$ Mrd. US-$ v. H. 300 40 6 30 4 250 20 200 10 2 0 0 150 -10 -2 100 -20 -30 -4 50 -40 -6 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Handelsbilanzsaldo, absolut (linke Skala) Exportwert Importwert Handelsbilanzsaldo in v. H. des BIP (rechte Skala) Quelle: IDB, Latin American and Caribbean Macro Watch Data Tool, Internationaler Währungsfonds. Die derzeitige gute Verfassung der brasilianischen Wirtschaft, die u. a. mit einem umfangreichen Ausbau der Produktionskapazitäten und einer hieraus resultierenden starken Nachfrage nach Investitionsgütern einhergeht, schlägt sich auch in den Im- portzahlen des Landes nieder. Ein Großteil der brasilianischen Importe entfällt auf die Güterkategorie „Maschinen“, die in 2010 einen Anteil von knapp 14 % am Ge- samtimportwert verzeichnete. Mit Anteilen von jeweils etwa 9 % waren die Güterka- tegorien „Chemische Erzeugnisse“ und „Elektronik“ bzw. „Kfz und -teile“ ebenfalls von herausragender Bedeutung. Im Hinblick auf die letztgenannten Güterkategorien kommt nicht zuletzt auch der gegenwärtige Nachfrageboom bei langlebigen Kon- sumgütern in Brasilien zum Tragen, der wiederum eng mit der gegenwärtig weitver- breiteten Zuversicht in den brasilianischen Haushalten – auch in solchen der unte- ren Einkommensklassen – verknüpft ist. In mehrfacher Hinsicht sind offenbar wäh- rend des derzeitigen Konjunkturaufschwungs, der nahezu sämtliche Branchen er- fasst hat, akzelerierende Effekte wirksam. 10
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Tabelle 3: Importe nach Brasilien, differenziert nach Warengruppen 2009 und 2010 2009 2010 Wert in Anteil Wert in Anteil Veränderung Mrd. US-$ in v. H. Mrd. US-$ in v. H. 2009/2010 in % Einfuhr insgesamt 127,6 181,6 42,3 Hiervon: Maschinen 18,8 14,7 25,4 14,0 35,5 Erdöl 14,2 11,1 22,3 12,3 57,7 Chemische Erzeugnisse (ohne Arznei- 13,7 10,7 17,6 9,7 29,0 mittel und organische Chemikalien Elektronik 12,2 9,6 17,4 9,6 42,3 Elektrotechnik 12,8 10,0 8,2 4,5 -36,0 Kfz und -teile 11,4 8,9 17,1 9,4 50,3 Organische Chemikalien 6,5 5,1 8,0 4,4 22,8 Arzneimittel 5,1 4,0 6,9 3,8 35,2 Metallwaren 2,6 2,0 3,6 2,0 42,3 Sonstige Erzeugnisse 30,5 23,9 55,0 30,3 80,4 Quelle: Germany Trade & Invest. Das bedeutendste Lieferland für Brasilien ist China, aus denen in 2010 Waren im Umfang von 14 % des brasilianischen Importwertes stammten (vgl. Abb. 8). In der Rangliste der wichtigsten Lieferländer folgen hierauf die USA mit 12 %, Argentinien mit 8 % und Deutschland mit 7 %. Südkorea (5 %) und Japan (4 %) liegen an fünfter bzw. sechster Stelle. Die deutschen Exporte nach Brasilien haben – ähnlich wie die Exporte in andere Schwellenländer – am aktuellen Rand einen erneuten Zuwachs erfahren. Vergleicht man beispielsweise den Zeitraum Januar bis Juli 2010 mit dem analogen Vorjahres- zeitraum, so ragt Brasilien als Exportdestination mit einer Zunahme um 61 % auf 5 Mrd. Euro deutlich hervor. Auch die Exporte nach China und in die Türkei erhöh- ten sich überproportional, nämlich um 56 % auf 25 Mrd. Euro bzw. um 39 % auf 7 Mrd. Euro. Im Vergleich hierzu stiegen die gesamten deutschen Exporte um ledig- lich 17 %. Offenbar bewirkt die derzeitige wirtschaftliche Dynamik in den genannten Schwellenländern starke Impulse für die deutsche Exportwirtschaft, die bekannter- maßen in besonderer Weise durch die Investitionsgüterindustrie geprägt ist.3 3 Vgl. Statistisches Bundesland (2010): Außenhandel 1. Halbjahr 2010: Exporte steigen um 17,1 %. Pressemitteilung vom 14. September 2010. 11
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Abbildung 8: Hauptlieferländer für Importe nach Brasilien, Anteile am Importwert 2010 in v. H. Italien Nigeria Japan 3% 3% 4% Korea (Rep.) 5% Deutschland 7% Sonstige 44% Argentinien 8% USA 12% China 14% Quelle: Germany Trade & Invest. Die brasilianischen Exporte umfassen vor allem Bodenschätze, energetische Roh- stoffe wie auch Güter der Agrar- und Ernährungswirtschaft. In 2010 erzielten die Warengruppen „Eisenerz“ und „Erdöl“ Anteile am Gesamtexportwert von 14 % bzw. 10 % (vgl. Tab. 4). Von herausragender Bedeutung sind ebenfalls die Warengrup- pen „Fleisch“ (7 %), „Zucker“ wie auch „Ölsaaten und ölhaltige Früchte“ (jeweils 6 %). Die herausragende Bedeutung des Rohstoffsektors macht die brasilianische Exportwirtschaft in besonderer Weise von den Preisbewegungen auf den internatio- nalen Rohwarenmärkten abhängig. Das Land wird somit einerseits kurz- bis mittel- fristig stark von der weltweiten Konjunkturentwicklung tangiert, andererseits kann es auf lange Sicht von der Preisentwicklung in denjenigen Rohstoffsegmenten, in de- nen eine langfristige Verknappung säkulare Preissteigerungen nach sich zieht, er- heblich profitieren. Die Sogeffekte, die vor allem von den Rohstoffimporten Chinas und Indiens ausgehen, bilden eine bedeutende Stütze für die Preisentwicklung auf den weltweiten Rohstoffmärkten und somit – bei einer vergleichsweise geringen Preiselastizität der Importnachfrage in zahlreichen Rohstoffkategorien – auch für die brasilianischen Exporterlöse.4 4 Vgl. Brasilien: Der Lula-Faktor. In: WISU-Magazin, Nr. 8-9/2010, S. 1010-1011. Die Preisbewegungen auf den Rohstoffmärk- ten wirken sich auch in statistischer Hinsicht auf die in Tabelle 4 enthaltenen Daten aus. 12
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Tabelle 4: Exporte aus Brasilien, differenziert nach Warengruppen 2009 und 2010 2009 2010 Wert in Anteil Wert in Anteil Veränderung Mrd. US$ in v. H. Mrd. US$ in v. H. 2008/2009 in % Ausfuhr insgesamt 153,0 201,9 32,0 Hiervon: Eisenerz 13,3 8,7 28,9 14,3 116,9 Erdöl 12,5 8,2 19,6 9,7 56,1 Fleisch 11,5 7,5 13,3 6,6 16,1 Zucker 8,4 5,5 12,9 6,4 53,6 Maschinen 13,9 9,1 12,1 6,0 -13,0 Kfz und -teile 8,1 5,3 11,7 5,8 44,4 Ölsaaten und ölhaltige Früchte 11,5 7,5 11,1 5,5 -3,2 (v. a. Soja) Eisen und Stahl 7,2 4,7 8,9 4,4 23,5 Sonstige Erzeugnisse 66,6 43,5 83,4 41,3 25,3 Quelle: Germany Trade & Invest. Die Güterkategorie „Maschinen“, die für Brasilien im Hinblick auf die Innovationsfä- higkeit von strategischer Bedeutung ist, kam in 2010 auf einen Anteil am Exportwert von 6 %. Von hoher wirtschaftsstruktureller Bedeutung ist in Brasilien zudem die Fahrzeugindustrie, der ebenfalls eine bedeutende Rolle als Innovationsmotor zu- kommt. So lag der Anteil am Exportwert der Güterkategorie „Kfz und -teile“ in 2010 bei 6 %. Nahezu sämtliche international tätigen Automobilkonzerne unterhalten in Brasilien umfangreiche Produktionskapazitäten, und im Bereich des Spezialfahr- zeugbaus weist das Land einige auch internationale wettbewerbsfähige Anbieter auf. Der Großteil der Fahrzeugproduktion in Brasilien, das in 2009 hinsichtlich des Kfz-Produktionsvolumens in der weltweiten Rangliste der bedeutendsten Produkti- onsländer hinter Südkorea und vor Indien auf Platz sechs lag, ist für den Binnen- markt bestimmt. Schon in Kürze könnte sich der brasilianische Kfz-Markt laut Ein- schätzung von Branchenexperten zum weltweit viertwichtigsten Absatzmarkt entwi- ckeln.5 Die brasilianischen Exporte sind – ähnlich wie die Importe – stark auf China ausge- richtet, auf das in 2010 ein Anteil von 15 % des gesamten Exportwerts entfiel (vgl. Abb. 9). Im Hinblick auf China dürfte dies vor allem mit der immensen Nachfrage der 5 Vgl. The International Organization of Motor Vehicle Manufacturers – OICA (2010): 2009 Production Statistics. Germany Trade & Invest (Hrsg., 2010): Branche kompakt – Kfz-Industrie und Kfz-Teile – Brasilien, Köln. 13
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien chinesischen Volkswirtschaft nach Rohstoffen zusammenhängen. Bedeutende Teile der brasilianischen Exporte gehen auch in das benachbarte Argentinien (Anteil von 9 %), die Niederlande und die USA (jeweils 5 %) wie auch nach Deutschland und Japan (jeweils 4 %). Abbildung 9: Hauptabnehmerländer für Exporte aus Brasilien, Anteile am Exportwert 2010 in v. H. Japan Chile UK 4% 2% 2% Deutschland 4% Niederlande 5% USA 5% Argentinien Sonstige 9% 54% China 15% Quelle: Germany Trade & Invest. Infolge der in den vergangenen zwei Jahrzehnten vergleichsweise stabilen und wirt- schaftsfreundlichen Rahmenbedingungen hat die Attraktivität des Investitionsstand- orts Brasilien erheblich zugenommen, was sich auch an den ausländischen Direkt- investitionen ablesen lässt. Der gesamte lateinamerikanische Wirtschaftsraum wur- de zudem in relativ geringem Ausmaß von der weltweiten Finanz- und Wirtschafts- krise erfasst und wird gegenwärtig von internationalen Investoren sehr optimistisch beurteilt. Dies schlägt sich auch in der Attraktivität Brasiliens als Destination für aus- ländische Direktinvestitionen nieder. Beispielsweise liegt das Land gemäß einer ak- tuellen Unternehmensumfrage der UNCTAD innerhalb einer Länder-Rangliste der weltweit beliebtesten Investitionsstandorte hinter China und Indien auf Platz 3, ge- folgt von den USA und der Russischen Föderation. In der analogen Umfrage des vergangenen Jahres hat Brasilien in der betreffenden Rangliste noch Platz 4 einge- nommen. Im Hinblick auf den Wettbewerb um ausländische Direktinvestitionen in- nerhalb Lateinamerikas ist indes zu beachten, dass auch Chile und Peru in der 14
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – betreffenden Rangliste auf oberen Plätzen geführt werden.6 Diese beiden Länder sind – ähnlich wie Brasilien – nicht zuletzt auch wegen bedeutender Rohstoffvor- kommen für ausländische Investoren sehr attraktiv. Tabelle 5: Die beliebtesten Investitionsländer im Hinblick auf den Zeitraum 2010 bis 2012 aus Sicht international tätiger Unternehmen laut Umfragen der UNCTAD Rang in 2010 Land Rang in 2009 1 China 1 2 Indien 3 3 Brasilien 4 4 USA 2 5 Russische Föderation 5 6 Mexiko 12 7 Vereinigtes Königreich 6 8 Vietnam 11 9 Indonesien 9 10 Deutschland 7 11 Thailand --- 12 Polen 13 13 Australien 8 14 Frankreich 14 15 Malaysia --- 16 Japan --- 17 Kanada 10 18 Chile --- 19 Südafrika --- 20 Spanien --- 21 Peru --- Herleitung aus der Anzahl der Nennungen als Investitionsstandort mit höchster Priorität. Die Positionen innerhalb der Rangliste der analogen Umfrage in 2009 sind in in der rechten Spalte genannt. Länder ohne derartige Angaben befanden sich in 2009 außerhalb der Top-20-Rangliste. Quelle: UNCTAD. Im Kontrast zu der sehr günstigen Einschätzung im Rahmen der UNCTAD- Umfragen wird Brasilien im aktuellen “Ease of Doing Business“ Ranking der Welt- bank, das auf mehreren Einzelindikatoren zu konkreten Aspekten einer Geschäftstä- tigkeit basiert, unter 183 berücksichtigten Ländern erst auf Rang 127 geführt (hinter Mozambique und vor Tansania). Vergleichsweise günstig fällt das Ranking für Brasi- 6 Vgl. United Nations Conference on Trade and Development – UNCTAD (2010): World Investments Prospects Survey 2010 – 2012. New York und Genf. 15
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien lien im Hinblick auf die Teilindikatoren „Protecting Investors“ (Rang 74) und „Getting Credit“ (Rang 89) aus (vgl. Tab. 6).7 Tabelle 6: Platzierung Brasiliens im “Ease of Doing Business“ Ranking der Weltbank 2011 Teilindikator 1) Rang in 2011 Rang in 2010 Veränderung 2011/2010 Starting a Business 128 128 +/-0 Dealing with Construction Permits 112 113 +1 Registering Property 122 121 -1 Getting Credit 89 87 -2 Protecting investors 74 73 -1 Paying Taxes 152 149 -3 Trading Across Borders 114 98 - 16 Enforciing Contracts 98 98 +/-0 Closing a Business 132 130 -2 1) Vgl. zu den einzelnen Teilindikatoren die Angaben im “Ease of Doing Business 2011 – Brazil“ Report der Weltbank. Quelle: Weltbank. Vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten vielfältigen bzw. teilweise kontradik- tionären Einschätzungen über die Rahmenbedingungen für eine Geschäftstätigkeit in Brasilien hat sich von 2004 bis 2009 der Bestand an ausländischen Direktinvesti- tionen in Brasilien von 196 Mrd. US-$ auf 401 Mrd. US-$ erhöht. Die jährlichen Investitionszuflüsse folgten einhergehend mit der weltwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung einem zyklischen Muster und schwankten in dem betreffen- den Zeitraum zwischen 15 Mrd. US-$ und 45 Mrd. US-$. Während beispielsweise die Investitionszuflüsse im Aufschwung in 2007 noch 34 Mrd. US-$ betrugen, lagen sie im Konjunkturboom in 2008 bei 45 Mrd. US-$, um dann im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise in 2009 auf 30 Mrd. US-$ zurückzugehen (vgl. Abbildung 10). Die ausländischen Investitionen erfolgen in wesentlichen Teilen in den Branchen „Me- tallverarbeitung“ und „Erdöl- und Erdgasgewinnung“, was etwa im Hinblick auf das Jahr 2009 aus Anteilen von 12 % bzw. 8 % am gesamten Investitionszufluss ersicht- lich ist (vgl. Tab. 7). Besonders im Blickfeld der ausländischen Investoren stehen auch die gegenwärtig sehr dynamischen Branchen „Biokraftstoffe / Erdölderivate / Koks“ (Anteil von 4 %) ebenso wie das „Finanz- und Beratungswesen“ (8 %) und die Kfz-Industrie (7 %). Auf den Handel entfielen 9 %. 7 Vgl. auch The World Bank (Hrsg., 2010): Doing Business 2011 – Brazil. Washington. 16
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Abbildung 10: Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen in Brasilien 2002 bis 2009 Mrd. US-$ 50 45,1 40 33,7 30,4 30 16,6 18,2 18,8 20 15,1 10,1 10 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quelle: Germany Trade & Invest. Ein Großteil der ausländischen Investitionen in Brasilien stammt aus den Niederlan- den, den USA und Spanien (vgl. Abb. 11). Dies verdeutlicht sich auch in den Antei- len dieser Länder am gesamten Investitionsvolumen, die sich in 2009 auf 18 % bzw. 16 % und 11 % beliefen. Tabelle 7: Ausländische Direktinvestitionen in Brasilien nach Branchen 2008 und 2009 2008 2009 Wert in Anteil Wert in Anteil Veränderung Mrd. US$ in v. H. Mrd. US$ in v. H. 2008/2009 in % Investitionsvolumen insgesamt 45,1 30,4 - 32,6 Hiervon: Metallverarbeitung 5,1 11,4 3,8 12,4 - 26,1 Erdöl- und Erdgasgewinnung 1,4 3,1 2,5 8,3 + 80,2 Biokraftstoffe / Erdölderivate / Koks 1,7 3,7 1,2 3,8 - 32,0 Finanz-/Beratungswesen 6,7 14,8 2,5 8,2 - 62,8 Kfz-Industrie 3,1 6,8 2,2 7,1 - 30,4 Handel (ohne Kfz) 2,6 5,8 2,8 9,1 + 6,4 Quelle: Germany Trade & Invest. Während sich niederländische und US-amerikanische Investoren vor allem in der Agrar- und Ernährungswirtschaft und dem Rohstoffsektor betätigen, liegen die Schwerpunkte der Investoren aus Spanien auf der Finanzwirtschaft und der Tele- kommunikation.8 Beachtlich ist im Hinblick auf die Herkunftsländer auch, dass chi- nesische Investoren, die in jüngster Zeit in zahlreichen Regionen der Erde – so etwa 8 Vgl. Neue Zürcher Zeitung (o. V., 28.2.2011): Telefónica wächst im Ausland. S. 7. 17
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien in Afrika und Australien – ihre Aktivitäten insbesondere im Rohstoffsektor deutlich ausgebaut haben, in Brasilien offenbar kaum in Erscheinung treten, und dies, ob- wohl sich China zum bedeutendsten Handelspartner Brasiliens entwickelt hat. Abbildung 11: Herkunftsländer für ausländische Direktinvestitionen in Brasilien 2009 Spanien USA 11% 16% Deutschland 8% Niederlande 18% Frankreich 7% Japan 6% Kanada 5% Cayman Islands Vereinigtes 4% Sonstige Chile Königreich 19% 3% 3% Quelle: Germany Trade & Invest. Insgesamt kann man konstatieren, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Brasilien – bei aller Unsicherheit bezüglich des makroökonomi- schen Umfelds und aufgrund struktureller Probleme – während der jüngeren Zeit ei- ne deutliche Belebung erfahren haben. Nach wie vor bilden unter den brasiliani- schen Importen Technologiegüter des Maschinenbaus und der Elektroindustrie be- deutende Komponenten, während das Schwergewicht der Exporte aus Brasilien auf Rohstoffen und Ernährungsgütern liegt. Insbesondere in der Ernährungswirtschaft werden in absehbarer Zeit brasilianische Unternehmen voraussichtlich ihre bereits jetzt sehr günstige Position auf den Weltmärkten weiter ausbauen.9 Die bedeutendsten Handelspartner bilden – hinsichtlich der brasilianischen Exporte wie auch Importe – die USA, China und Argentinien. Deutschland liegt bei den bra- silianischen Importen auf dem vierten Rang, unter den Abnehmerländern für die brasilianischen Exporte nimmt es den fünften Rang ein. Auch hieraus wird die her- ausragende Bedeutung der brasilianisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ersicht- lich. 9 Vgl. auch Moses, C. (2011): Brasiliens Fleischkonzerne erobern die Welt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.1.2011, S. 6. 18
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – 3 Außenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen Brasilien und Hessen Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Struktur und die Entwicklung der Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Brasilien und Hessen. Im Fokus steht hierbei zunächst der Außenhandel, dessen Umfang anhand von jahres- bezogenen Außenhandelsdaten des Statistischen Bundesamtes veranschaulicht wird.10 Einen weiteren Untersuchungsaspekt bilden die grenzüberschreitenden Di- rektinvestitionen, die auf eine dauerhafte Beteiligung an Unternehmen im betreffen- den Zielland hinweisen. Sowohl der Außenhandel als auch die Direktinvestitionen werden jeweils im Vergleich zwischen Hessen und dem gesamten Bundesgebiet skizziert. 3.1 Hessische Exporte nach Brasilien Die Exporte der hessischen Wirtschaft wie auch der gesamtdeutschen Wirtschaft nach Brasilien folgten während des vergangenen Jahrzehnts einem zyklischen Mus- ter, das vor dem Hintergrund spezifischer struktureller Eigenheiten der brasiliani- schen Volkswirtschaft mit der weltweiten bzw. brasilianischen Konjunkturentwick- lung zusammenhing. Während sowohl für Hessen als auch für das Bundesgebiet jeweils seit 2002 der Wert der Gesamtexporte kontinuierlich zunahm, verzeichneten die Exporte nach Brasilien von 2003 bis 2005 einen deutlichen Einbruch, der erst in jüngerer Zeit wieder kompensiert werden konnte (vgl. Tab. 8 und Abb. 12). Tabelle 8: Hessische Exporte nach Brasilien und hessische Importe aus Brasilien 2000 bis 2010 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Relation 2010 zu 2000 in v. H. Exportwert 406,0 457,7 396,9 309,5 286,0 289,9 353,8 429,7 605,9 451,8 595,5 146,7 in Mio. Euro Importwert 240,7 272,2 228,4 201,9 209,6 230.7 267,8 323,1 346,8 279.3 318,7 132,4 in Mio. Euro Wert der Exporte bzw. Importe in laufenden Preisen. Quelle: Statistisches Bundesamt. 10 Auf Bundesländerebene wird der Außenhandel nach unterschiedlichen Konzepten erfasst: Die Einfuhr wird entsprechend dem Konzept des Generalhandels erfasst, die Ausfuhr entsprechend dem Konzept des Spezialhandels. Die Berechnung eines Außenhandelssaldos ist daher aus methodischen Gründen nicht angebracht. So enthält die hessische Ausfuhr ausschließlich Waren, die in Hessen erzeugt, be- oder verarbeitet und dann exportiert werden. Die Importe Hessens um- fassen auch Güter, die über Hessen in andere Bundesländer oder wieder in das Ausland weitergeleitet werden. In der Einfuhr Hessens sind diejenigen Güter nicht enthalten, die von anderen Bundesländern eingeführt und von dort nach Hessen weitergeleitet werden. 19
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Von 2005 bis 2008 haben die hessischen Exporte dann eine merkliche Steigerung erfahren. Dieser Aufschwung wurde zwar mit der Wirtschafts- und Finanzkrise jäh unterbrochen, aktuell ist jedoch wieder eine deutliche Belebung der Ausfuhren nach Brasilien erkennbar. In 2010 belief sich der betreffende Exportwert auf 596 Mio. Euro, was einem Größenverhältnis von 147 % des analogen Warenwertes von 2000 entsprach. Der Anteil Brasiliens an den hessischen Gesamtexporten lag in 2010 mit 1,2 % knapp unter dem Niveau von 2000, das 1,3 % betragen hatte. Im gesamten Bundesgebiet belief sich der auf Brasilien entfallende Anteil in 2010 auf 1,1 %, verglichen mit 0,8 % in 2000. Somit hat Brasilien als Exportdestination für Hessen eine leicht höhere Bedeutung als für Deutschland insgesamt. Auch lässt sich feststellen, dass Hessen hinsichtlich des Gesamtwerts der deutschen Exporte nach Brasilien eine überproportionale Bedeutung zukommt. Der Anteil des Landes Hessen am Wert der deutschen Exporte nach Brasilien lag nämlich in 2010 bei 5,7 %, während der betreffende Anteil am Wert der deutschen Gesamtexporte bei 5,4 % lag. Abbildung 12: Relative Entwicklung des Wertes der hessischen bzw. gesamtdeutschen Exporte nach Brasilien 2000 bis 2010 2000 = 100 2000 = 100 220 220 Exporte insgesamt Exporte nach Brasilien Exporte insgesamt Exporte nach Brasilien 200 200 180 180 160 160 140 140 120 120 100 100 80 80 60 60 40 40 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Hessen Deutschland Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Als Fazit lässt sich festhalten, dass einerseits die Bedeutung Brasiliens als Export- destination für hessische Produkte nach wie vor vergleichsweise gering ist, jedoch andererseits die Exporte von Hessen nach Brasilien in der jüngsten Vergangenheit eine deutliche Belebung erfahren haben. Zu einer analogen Feststellung kommen – im Hinblick auf die gesamten deutschen Exporte – die Autoren einer aktuellen Publikation des ifo-Instituts, in welcher die Potenziale ausgewählter Industrieländer 20
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – und Schwellenländer für die deutsche Exportwirtschaft untersucht werden. Hierzu wird für die betreffenden Länder die Veränderung des Exportanteils im Zeitraum 2000 bis 2009 im Zusammenhang mit dem Exportanteil in 2009 untersucht. Aus den betreffenden Untersuchungsergebnissen lässt sich schließen, dass Brasilien – ähnlich wie etwa Russland, China, Indien und Polen – zu den Exportdestinationen mit zunehmender Bedeutung zählt.11 Ein besonderes Schwergewicht der hessischen Exporte nach Brasilien liegt auf den „Chemischen und Pharmazeutischen Erzeugnissen“, die in 2010 einen Anteil von 33 % am Gesamtwert der Exporte nach Brasilien auf sich vereinten (vgl. Abb. 13). Von herausragender Bedeutung sind ferner die Produktsegmente „Maschinen“ (16 %) sowie „Eisen- und Metallwaren“ (13 %). Es folgen die Produktsegmente „Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör“ (10 %), „Feinmechanische und optische Erzeugnisse“ (6 %) sowie „Elektrotechnische Erzeugnisse“ und „Halbwaren“ (jeweils 5 %). Abbildung 13: Struktur der hessischen Exporte nach Brasilien (Exportwert in 1.000 Euro) 2010 Pharmazeutische Erzeugnisse 108.680 Maschinen 94.026 Chemische Erzeugnisse 90.009 Eisen- und Metallwaren 78.089 Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör 58.174 Feinmechanische und optische Erzeugnisse 37.459 Elektrotechnische Erzeugnisse 27.869 Halbwaren 26.530 Sonstige Fertigwaren 29.346 Waren aus Kunststoffen 9.907 Vollständige Fabrikationsanlagen 9.045 Ernährungswirtschaft 9.017 Kautschukwaren 7.385 Stein-, Glaswaren, keramische Erzeugnisse (ohne Baukeramik) 3.142 Textilien und Pelzwaren 2.603 Holz und Holzwaren, Möbel 2.269 Papier und Papierwaren 1.521 Sportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren 218 Rohstoffe 93 Schmuckwaren, Gold- und Silberschmiedewaren 52 Schuhe, Lederwaren und Leder 40 0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000 1.000 Euro Quelle: Statistisches Bundesamt. 11 Elstner, S.; C. Grimme und T. Siemsen (2010): Die größten aufstrebenden Märkte für deutsche Exporte liegen in Asien und Osteuropa. In: ifo Schnelldienst, Nr. 16/2010, 63. Jahrgang, S. 22-25. 21
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die hessische Wirtschaft von der Nachfrage nach wertschöpfungsintensiven Gütern in Brasilien vor allem in solchen Produktsegmenten profitieren kann, in denen sie generell sehr wettbe- werbsfähig ist. Eine Diversifizierung der hessischen Handelsbeziehungen mit Brasi- lien könnte über eine Steigerung der hessischen Exporte in den Bereichen Fahr- zeugindustrie, Elektroindustrie und Maschinenbau erfolgen, um die Position der hessischen Industrie in diesen Wachstumsmärkten auszubauen. 3.2 Hessische Importe aus Brasilien Die Importe aus Brasilien nach Hessen haben sich in jüngster Zeit ebenfalls deutlich belebt. So ist der Wert der jährlichen Importe aus Brasilien seit 2003 gestiegen, und zwar von 2007 bis 2008 stärker als der Wert der gesamten Importe nach Hessen (vgl. Tab. 8 und Abb. 14). Abbildung 14: Relative Entwicklung des Wertes der hessischen bzw. gesamtdeutschen Importe aus Brasilien 2000 bis 2010 2000 = 100 2000 = 100 250 250 Importe insgesamt Importe aus Brasilien Importe insgesamt Importe aus Brasilien 230 230 210 210 190 190 170 170 150 150 130 130 110 110 90 90 70 70 50 50 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Hessen Deutschland Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Nach einem deutlichen Rückgang der Importe aus Brasilien wie auch der Gesamt- importe in 2009 folgte in 2010 ein erheblicher Anstieg. Während im Vergleich zwi- schen den Jahren 2010 und 2000 der Wert der Importe aus Brasilien von 241 Mio. Euro auf 319 Mio. Euro und somit um 32 % zugenommen hat (vgl. Tab. 8), ist der Wert der gesamten hessischen Importe lediglich um 20 % gestiegen. Hiermit einhergehend hat sich der Anteil Brasiliens an den hessischen Gesamtimporten von 0,4 % auf 0,5 % erhöht. Im Vergleich hierzu ist für das gesamte Bundesgebiet eine höhere Bedeutung der Einfuhren aus Brasilien festzustellen. So belief sich im Bun- 22
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – desdurchschnitt der Anteil Brasiliens am gesamten Importwert in 2010 auf 1,2 %, verglichen mit 0,8 % in 2000. Die hier aufgezeigten Entwicklungen machen deutlich, dass in jüngerer Zeit sowohl für Hessen als auch für das gesamte Bundesgebiet die relative Bedeutung Brasiliens als Lieferland leicht zugenommen hat. Hessen importiert aus Brasilien vor allem Produkte der Segmente „Chemische und Pharmazeutische Erzeugnisse“ (vgl. Abb. 15). Der aggregierte Anteil am Gesamt- wert der hessischen Importe aus Brasilien, welche diese Produktsegmente in 2010 auf sich vereinen konnten, lag bei 19 %. Ebenfalls sehr bedeutsam ist mit 17 % die Warengruppe „Schmuckwaren, Gold- und Silberschmiedewaren“, zu der u. a. Edel- steine, Komponenten aus Gold bzw. Silber und Katalysatoren aus Platin zählen. Hierauf folgen die Produktsegmente „Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör“ (10 %), „Sonstige Fertigwaren“ und „Ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse“ (jeweils 9 %). In der Chemie- und Pharmaindustrie, der Ernährungswirtschaft und der Fahr- zeugindustrie weist auch Hessen bekanntermaßen komparative Stärken auf, so dass mit Blick auf diese Wirtschaftszweige durchaus von intraindustriellen Handels- beziehungen gesprochen werden kann, was den Status Brasiliens eines – zumin- dest in einigen Wirtschaftsbereichen – weit fortgeschrittenen Schwellenlandes nochmals unterstreicht. Abbildung 15: Struktur der hessischen Importe aus Brasilien (Importwert in 1.000 Euro) 2010 Schmuckwaren, Gold- und Silberschmiedewaren 55.219 Pharmazeutische Erzeugnisse 32.601 Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör 30.867 Sonstige Fertigwaren 29.928 Chemische Erzeugnisse 27.565 Ernährungswirtschaft 27.366 Halbwaren 21.571 Eisen- und Metallwaren 19.426 Schuhe, Lederwaren und Leder 17.755 Feinmechanische und optische Erzeugnisse 16.492 Kautschukwaren 12.556 Elektrotechnische Erzeugnisse 10.687 Maschinen 7.097 Holzwaren 2.646 Waren aus Kunststoffen 2.301 Textilien und Pelzwaren 1.761 Rohstoffe 1.637 Papier und Papierwaren 686 Stein-, Glaswaren, keramische Erzeugnisse (ohne Baukeramik) 514 Sportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren 10 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 1.000 Euro Quelle: Statistisches Bundesamt. 23
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien 3.3 Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und Brasilien Die jüngste Intensivierung der außenwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Hessen und Brasilien hat auch die Investitionstätigkeit erfasst (vgl. Abb. 16). Insbesondere gilt dies für den Bestand der hessischen Direktinvestitionen in Brasilien, der von 466 Mio. Euro Ende 2004 auf 942 Mio. Euro Ende 2009 zugenommen hat. Dies ent- spricht einem Anstieg um 102 %. Im Vergleich hierzu ist der Bestand der gesamt- deutschen Direktinvestitionen in Brasilien von 5,8 Mrd. Euro auf 19,1 Mrd. Euro und somit um 227 % gestiegen. Im Zuge dieser disparaten Entwicklung hat sich der auf Hessen entfallende Anteil an den deutschen Investitionsbeständen in Brasilien von 8 % in 2004 auf 5 % in 2009 ermäßigt. Dies hängt teilweise damit zusammen, dass andere Bundesländer – vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen – aufgrund ihrer spezifischen, jeweils stark durch das Verarbei- tende Gewerbe geprägten Branchenstruktur von der jüngeren Wirtschaftsentwick- lung in Brasilien stärker als Hessen profitieren konnten. Hierfür bildeten die tradier- ten – teilweise schon seit achtzig bis hundert Jahren bestehenden – Beziehungen in den betreffenden Bundesländern ansässiger großer Industriekonzerne nach Brasi- lien eine günstige Ausgangsbasis. Genannt seien beispielsweise Anbieter aus den Bereichen Fahrzeugindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Stahlindustrie und Elektroindustrie. Auch in dem für Brasilien so wichtigen Segment der Agrartechnik, für das in naher Zukunft große Wachstumsraten zu erwarten sind, haben die bedeu- tendsten Anbieter in Deutschland ihre Hauptstandorte in Niedersachsen und Baden- Württemberg. Abbildung 16: Relative Entwicklung des Bestandes der hessischen bzw. bundesdeutschen Direktinvestitio- nen in Brasilien 2004 bis 2009 2004 = 100 350 300 Hessen Deutschland 250 200 150 100 50 0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Stand jeweils zum Jahresende. Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. 24
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung – Die Bedeutung hessischer Investoren im Gesamtbestand der insgesamt von deut- schen Unternehmen in Brasilien allozierten Direktinvestitionsbeständen differieren je nach Branche erheblich. Von 2004 bis 2009 erhöhte sich der von hessischen Inves- toren gehaltene Bestand an Investitionen in der brasilianischen Chemieindustrie von 34 Mio. Euro auf 173 Mio. Euro und somit um 409 %; im Bereich „Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung, beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistun- gen überwiegend für Unternehmen“ steigerten sich die Investitionsbestände im Ver- gleichszeitraum von 158 Mio. Euro auf 253 Mio. Euro, was einer relativen Zunahme um 60 % entspricht. Während in 2009 etwa 26 % aller deutschen Investitionsbe- stände in der Chemieindustrie in Brasilien von hessischen Investoren gehalten wur- den, lag der Vergleichswert im Bereich „Grundstücks- und Wohnungswesen, Ver- mietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Un- ternehmen“ jedoch bei lediglich 2 %. In 2009 ließ sich ein bedeutender Teil der deutschen Investitionsbestände in Brasi- lien – nämlich 30 % – dem Verarbeitenden Gewerbe zuordnen (vgl. Abb. 17). Abbildung 17: Branchenstruktur der Bestände der brasilianischen Direktinvestitionen in Deutschland bzw. der deutschen Direktinvestitionen in Brasilien 2009 Brasilianische Direktinvestitionen Deutsche Direktinvestitionen Deutsche Direktinvestitionen in in Deutschland in Brasilien Brasilien (Verarbeitendes Gewerbe) 10% 23% 30% 9% 56% 11% 57% 69% 1% 21% 12% 1% 10% Verarbeitendes Gewerbe Herstellung von9% Kraftwagen und Kraftwagenteilen Handel, Instandhaltung und Reparatur 11% Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik 31% von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern 57% 48% 12% Sonstige Wirtschaftszweige Chemische Industrie 1% Maschinenbau Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung u.ä. Sonstige Zweige Quelle: Deutsche Bundesbank. 25
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Brasilien Demgegenüber betätigten sich hessische Investoren in deutlich geringerem Maße in diesem Wirtschaftsbereich, was aus einem Anteil von 21 % des Gesamtbestands der hessischen Direktinvestitionen in Brasilien ersichtlich ist. Gleichwohl kommt in- nerhalb der hessischen Investitionsbestände in Brasilien der Chemischen Industrie mit einem Anteil von 18 % am gesamten Investitionsbestand eine herausragende Bedeutung zu. Hingegen beläuft sich der Anteil der Chemischen Industrie im Bun- desdurchschnitt auf lediglich 3 %. Im Hinblick auf den Gesamtbestand der deut- schen Direktinvestitionen in Brasilien liegt ein deutlicher Investitionsschwerpunkt auf der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (17 %). Bezogen auf den Ge- samtbestand der deutschen Direktinvestitionen im Verarbeitenden Gewerbe in Bra- silien kam dieser Wirtschaftszweig in 2009 auf einen Anteil von 57 %, was dessen zentrale Bedeutung für die brasilianisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen veran- schaulicht (vgl. Abb. 18). Hingegen spielt die in der hessischen Wirtschaftsstruktur sehr bedeutsame Branche „Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik“ nur eine untergeordnete Rolle. Die zunehmenden internationalen Aktivitäten brasilianischer Unternehmen schlagen sich in einer Ausdehnung ihrer Investitionstätigkeit nieder, wovon auch Deutschland betroffen ist (vgl. Abb. 18). Von 2004 bis 2008 hat sich der in Deutschland allozierte Bestand der brasilianischen Direktinvestitionen von 101 Mio. Euro auf 150 Mio. Euro erhöht. Im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ermäßigte sich der Be- stand dann bis 2009 wieder auf 142 Mio. Euro, was 141 % des Ausgangswerts von 2004 entspricht.12 Abbildung 18: Relative Entwicklung des Bestandes der brasilianischen Direktinvestitionen in Deutschland 2004 bis 2009 2004 = 100 200 150 100 50 0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Stand jeweils zum Jahresende. Für Hessen liegen keine Angaben zu den Beständen der aus Brasilien stammenden Investitionen vor. Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. 12 Für die brasilianischen Investitionsbestände in Hessen sind in der amtlichen Statistik keine Daten verfügbar. 26
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