Strategie LU:zern - CASDAS - Luzern 2050: Studienprojekt 1 | MAS in Raumplanung 2019/21 - ETH Zürich
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Strategie LU:zern Luzern 2050: Studienprojekt 1 | MAS in Raumplanung 2019/21 Autoren: Niklaus Fahrländer, Regina Gilgen, Florian Inneman, Lena Wolfart Coach: Daniel Kolb, Leiter Abteilung Raumentwicklung, Kanton Aargau DAS Raumplanung CAS Spatial Planning
Danksagung Der Dank geht vorab an Daniel Kolb für die kompetente, fachkundige und umsichtige Unterstützung. Er war stets da, wenn wir Hilfe brauchten und hat uns jederzeit konstruktiv unterstützt. Danken möchten wir ferner Patrick Bonzanigo und Philipp Neff ebenfalls für die kompetente, fachkundige und umsich- tige Unterstützung. Sie haben das Arbeiten am Hönggerberg für uns immer so einfach wie möglich ge- staltet und waren sich für nichts zu schade, auch wenn wir mal wieder ein unsinniges, doppelseitiges Klebeband brauchten. Schliesslich geht der Dank auch an die Gruppe selbst. Die Zusammenarbeit war zwar nicht immer ein- fach, doch jede Woche, auch zu Corona-Zeiten – halt via Videokonferenz –, konnten wir mit einem ge- meinsamen Bier beenden. Hierfür gilt es zu danken: Merci viu mau, dangge, dankä et merci! Danke Lena! Danke Regina! Danke Flo! Danke Chlöisu! I
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis _______________________________________________________________ III Tabellenverzeichnis __________________________________________________________________ III Abkürzungen _______________________________________________________________________ III Kurzfassung ________________________________________________________________________ IV Prolog – ein Stimmungsbild ________________________________________________________ 1 Ausgangslage _______________________________________________________________ 2 Luzern heute – Zahlen & Fakten ________________________________________________ 3 2.1 Statistische Beobachtungen ______________________________________________________ 3 2.2 Entwicklungsszenario – ein Blick in die Zukunft ______________________________________ 4 Luzern morgen – Zielbild ______________________________________________________ 7 LU:zern 2050 – die Strategie ___________________________________________________ 9 4.1 Themenfokus _________________________________________________________________ 9 4.2 Wegweiser ___________________________________________________________________ 10 4.3 Kernmassnahmen ____________________________________________________________ 12 4.4 Umsetzungsprogramm _________________________________________________________ 19 Empfehlungen _____________________________________________________________ 20 Epilog – Ausblick ________________________________________________________________ 21 Anhang _________________________________________________________________________ V I Literatur __________________________________________________________________________ V II Glossar _________________________________________________________________________ VII III Kernmassnahmen Detailblätter ______________________________________________________ IX IV Tabelle Massnahmenanalyse ______________________________________________________ XVII V Statistische Ergänzungen _________________________________________________________ XXV VI Fotos Randonée Luzern 2020 – eine kleine Auswahl ____________________________________ XXVI II
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Eindrücke vom Randonée der Gruppe vier am 7. Januar in Luzern (eigene Fotos) ............ 1 Abbildung 2: Pendler Stadt Luzern nach Herkunft (Ø 2012-2016) eigene Darstellung basierend auf: LUSTAT 2018 ...................................................................................... 3 Abbildung 3: Bevölkerungszahlen 2018 und erwartetes Wachstum bis 2015 (Eigene Darstellung basierend auf: LUSTAT) ............................................................................................ 4 Abbildung 4: Reisegeschwindigkeiten und Staus MIV zu Hauptverkehrszeiten (Quelle: STADT LUZERN 2016, S. 13) ......................................................................................................... 5 Abbildung 5: Ausschnitt regionaler Linien- und Zonenplan Stadt Luzern und Agglomeration (passepartout.ch) .................................................................................. 6 Abbildung 5: Zielbild (eigene Darstellung) ................................................................................................. 8 Abbildung 6: Ausschnitt aus dem Kurzfilm «Gesamtverkehrskonzept: Weniger Stau und mehr Mobilität» ............................................................................................................ 9 Abbildung 7: LucernAvenidas (Eigene Darstellungen, Strassenschnitt: Team 7A, IBA Magistralen Hamburg: 2019) ............................................................................................................. 13 Abbildung 8: Vorschlag Linienführung tangentialer Schnellbus (eigene Darstellung) .......................... 15 Abbildung 9: Bypass und bestehende Autobahn, Fokus betroffene Stadträumen (Eigene Darstellung) .............................................................................. 16 Abbildung 10: Vorschlag Perimeter Mobilty Pricing und engerer Wirkungsbereich .............................. 17 Abbildung 11: Vorschlag zum Umgang mit Parkhäusern im innerstädtischen Bereich (Eigene Darstellung) ................................................................................................................... 18 Abbildung 12: Zeitplan Umsetzung Massnahmen (Idealfahrplan; eigene Darstellung) ......................... 19 Abbildung 13: Übersicht laufende Planungen, ungefähre Lage (Eigene Darstellung basierend auf Karte aus dem Geoportal Kt. Luzern)............................................. VIII Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Unüberbaute Bauzonen, K5 Gemeinden, 2018 (Quelle: rawi Kt. Luzern) ................................. 5 Tabelle 2: Kurzübersicht Kernmassnahmen und grobe Kostenschätzung ............................................ 12 Tabelle 3: Fahrzeitengewinn (eigene Darstellung) .................................................................................. 14 Abkürzungen - ARE: Bundesamt für Raumentwicklung - ASTRA: Bundesamt für Strassen - PBG: Planungs- und Baugesetz des Kantons Luzern - DBL: Durchgangsbahnhof Luzern - ESP: Entwicklungsschwerpunkt - GVK: Gesamtverkehrskonzept - K5: Kooperationsprojekt der fünf Gemeinden der Kernagglomeration Luzern - KMU: Kleinere und mittlere Unternehmen - LV: Langsamverkehr - MIV: Motorisierter Individualverkehr - ÖV: Öffentlicher Verkehr - REK: Raumentwicklungskonzept III
Kurzfassung MAS-Programm in Raumplanung ETH Zürich 2019/21 Studienprojekt 1: LU:zern 2050 Gruppe 4 Niklaus Fahrländer, Jurist Regina Gilgen, Architektin Florian Inneman, Geograf und Historiker Lena Wolfart, Urban Desingerin LU:zern 2050 Die langfristige Raumentwicklungsstrategie LU:zern 2050 zielt drauf ab, dass sich Luzerns Kernagglo- meration in den nächsten drei Jahrzehnten polyzentral entwickelt und sie trotz erheblichem Wachstum erreichbar bleibt, eine reibungslose Mobilität ermöglicht und ein reges nachbarschaftliches Leben in den Quartieren aufweist. Im Fokus der Strategie stehen die Verkehrswende und die Umgestaltung so- wie Aufwertung der öffentlichen Räume. Dieser thematische Fokus lässt sich durch die Notwendigkeit einer klimaverträglichen städtischen Mobilität und der Sicherung einer hohen Lebensqualität im Kon- text von Wachstum und Innenentwicklung begründen. Die beiden Aspekte, so die Ausgangshypothese, sind essentielle Schalthebel für ein lebenswertes Luzern der Zukunft. Aus diesem Fokus lassen sich drei wegweisende Stossrichtungen ableiten, die für die Umsetzung des räumlichen Zielbilds LU:zern 2050 verfolgt werden müssen: Erstens, das Mobilitätsverhalten gezielt steuern; zweitens, eine tangentiale ÖV-Infrastruktur schaffen; und drittens, die Hauptachsen Luzerns als öffentliche Räume aufwerten. Zur Umsetzung werden fünf Kernmassnahmen vorgeschlagen: «LucernAvenidas», «Tangentiale Schnellbuslinie», «Testplanung Zukunft Stadtautobahn und Stadträume», «Pilotprojekt Mobility-Pri- cing» und «Reduktion Parkhausangebot». Diese Kernmassnahmen ergänzen die seitens der Stadt so- wie im Rahmen des Agglomerationsprogramms und des AggloMobil 4 bereits vorgesehenen und initi- ierten Massnahmen. Die Kernmassnahmen beziehen sich nicht nur auf die Verkehrsplanung, sondern auch auf Aspekte der Freiräume und des Städtebaus. Schlagworte Luzern; K5; Verkehrssystem; räumliche Strategie; Avenidas; Mobility Pricing; tangentiales Bussystem; Stadtautobahn; Flächenumverteilung; Strassenraum; öffentlicher Raum. Zitierungsvorschlag Fahrländer Niklaus, Gilgen Regina, Inneman Florian, Wolfart Lena (2020): LU:zern 2050. Studienpro- jekt 1 MAS Raumplanung 2019/21, ETH Zürich, Zürich. Zürich, im Juli 2020 IV
Prolog – ein Stimmungsbild – 7. Januar 2020, Begehung in Luzern. Auszug aus dem Projekt-Tagebuch – Was sieht man vor dem inneren Auge, wenn man an als Aussenstehende*r an Luzern denkt? Vermutlich die Berge und den See, so wie bereits William Turner sie wunder- bar in Szene setzte. Vermutlich eine entzückende Altstadt-Kulisse mit der Kappelbrü- cke im Vordergrund. Vielleicht auch einen Haufen Tourist*innen, die über die Seebrü- cke in Richtung Uhren-Geschäfte schlendern und dazwischen für das ein oder andere Selfie Halt machen. Doch was ist Luzern ausserhalb dieser Postkatentenbilder? Und worauf muss die Stadt achten, wenn Luzern auch in 30 Jahren noch positiven Assozi- ationen und hoher Lebensqualität in Verbindung gebracht werden will? Vom Hönggerberg aus machen wir uns mit diesen Fragen auf nach Luzern – für einen Augenschein vor Ort. Unter uns ist eine Luzern-Kennerin und drei Personen, welche die Stadt primär von Besuchen im Verkehrshaus und dem KKL kennen. Wir steigen aus dem Zug und stehen ein paar Schritte später auf dem geschäftigen Bahnhofsplatz, wo neben vielen Menschen zig Busse, Taxis, Autos und Velos rumkurven. Bevor man auch nur auf die Idee kommen könnte, den Anblick der Berge und der Altstadt zu ge- niessen oder die Architektur des KKL zu bestaunen, muss man sich erst mal orien- tieren. Wie bahnt man sich von hier aus den sichersten Weg zu seinem Ziel? Ein paar Ampeln und Fussgänger*innenstreifen später schlendern wir endlich gemütlich dem Reussufer entlang. In den Cafés am Wasser geniessen die Leute die Sonnenstrahlen an diesem ungewöhnlich warmen Januartag. Wir gönnen uns ein paar gebrannte Mandeln als Proviant für die bevorstehende Stadtwanderung und flanieren weiter. Doch bereits fünf Minuten später scheint Schluss mit Gemütlichkeit und Altstadt- Idylle. Wir stehen am Kasernenplatz. Das Rauschen des Flusses ist kaum mehr zu hören. Umso lauter dafür das Rauschen der Autos, die hier von der Autobahn aus dem Tunnel direkt ins Zentrum von Luzern ausgespuckt werden. Fussgänger*innenunter- und -überführungen zeugen von Planungen aus den 60ern und 70er-Jahren. Die Be- zeichnung «Platz» erscheint uns nicht gerade treffend für diesen Ort. Die brachlie- genden Potenziale dieses Ortes sind augenscheinlich… Abbildung 1: Eindrücke vom Randonée der Gruppe vier am 7. Januar in Luzern (eigene Fotos) 1
Ausgangslage Welche langfristige Raumentwicklungsstrategie mit Horizont 2050 soll die Stadt Luzern verfolgen? Diese Frage und die Aufgabenstellung, einen konstruktiv-kritischen Beitrag für künftige Planungen in der Stadt Luzern zu leisten, bildet der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Der Betrachtungsperimeter liegt auf der Kernagglomeration Luzern (K5-Gemeinden). Die Strategie steht im Kontext aktueller Herausforderungen wie der Innenentwicklung, dem Klimawandel oder dem prognostizierten Bevölkerungswachstum sowie grosser Infrastruktur- und Siedlungsentwicklungen, die sich derzeit in Luzern in Planung oder Umsetzung befinden. Dazu zählen der Durchgangsbahnhof Luzern (DBL), das Gesamtsystem Bypass Luzern sowie die Entwicklungsschwerpunkte in Luzern Nord und Luzern Süd. Eine Strategie ist in der Spieltheorie ein vollständiger Plan, wonach sich Spieler in jeder denkbaren Spielsituation verhalten werden. In der Wirtschaft wird Strategie bspw. nach dem sogenannten Har- vard-Konzept als Festsetzung der langfristigen Ziele des Unternehmens sowie deren Politik und Hand- lungsmassnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele verstanden. Kurz: Eine Strategie befasst sich mit der – wie es das Wort bereits verrät – langfristigen, strategischen Positionierung. Sie dient als Leitbild, setzt Schranken und definiert Ermessensspielräume. Sie sollte robust und beständig in dem Sinne sein, dass sie sich nicht mit jedem Windstoss ändern lässt oder gar über den Haufen geworfen werden muss. Sie ist keine operative Entscheidung, bei der es um den Nutzen bereits vorhandener Kapazitäten, geht. Vielmehr soll sie einen visionären Charakter aufweisen und bislang unentdeckte und nicht aktivierte Potenziale und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Der Konzentrationsentscheid in der nachstehenden Arbeit ist daher kein räumlicher Konzentrationsentscheid, sondern ein thematischer. Wo drückt bei den K5-Gemeinden langfristig der Schuh? Und wo lassen sich mit einem raumplanerisch sinnvollen Mitteleinsatz diese Druckstellen beseitigen? Wo sollte die Region raumplanerisch ihren Fo- kus legen, damit ein gutes Weiterkommen unter Berücksichtigung der bundesrechtlichen Planungs- grundsätzen langfristig gelingt? Diese Fragen werden im Folgenden beantwortet. In Kapitel 2 «Luzern heute» wird zunächst eine Lagebeurteilung vorgenommen. Es wird eine Übersicht mit Fakten und Zahlen zu den grössten aktuellen Herausforderungen Luzerns gegeben und das Ent- wicklungsszenario beschrieben, von dem ausgegangen wird. In Kapitel 3 «Luzern morgen» wird an- schliessend das Zielbild für Luzern 2050 skizziert. Darauf aufbauend wird in Kapitel 4 die Strategie um- schrieben, mit der das Zielbild erreicht werden soll. Dazu werden drei wegweisende Stossrichtungen festgestellt, die als Grundsätze für die künftige räumliche Entwicklung dienen sollen. Zudem werden fünf Kernmassnahmen identifiziert, die als Ergänzung zu bereits bestehenden Strategien und Mass- nahmen zur Umsetzung empfohlen werden (vgl. Kap. 5). 2
Luzern heute – Zahlen & Fakten 2.1 Statistische Beobachtungen Die Stadt Luzern ist mit ihren rund 80'000 Einwohner*innen und ungefähr gleich vielen Beschäftigten das gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Zentralschweiz. Luzern ist Standort von zirka 8'000 Unternehmen, wovon 86% KMU sind. Etwa 90% aller Beschäftigten sind im Dienstleis- tungssektor tätig. Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz in der Innenstadt. Jeder sechste Arbeitsplatz in der Stadt Luzern entfällt auf die Tourismusbranche. 2017 wurden mehr als 1,3 Mio. Logiernächte verbucht (STADT LUZERN 2018A, BFS 2019). Die Stadt Luzern erfüllt als Kantonshauptstadt diverse Zentrumsfunktionen. Dazu gehören neben dem Kantonsspital verschie- dene Bildungsinstitutionen, kulturelle Einrichtungen wie die Messe, das Luzerner Theater oder das international renommierte Kultur- und Kongresszentrum KKL sowie Sportinfrastrukturen. Die kanto- nalen Verwaltungseinheiten mit rund 1'300 Mitarbeitenden sind derzeit auf 30 Standorte im Stadtge- biet verteilt. Der Kanton plant die Zusammenführung der Verwaltung an einem neuen Standort auf dem Seetalplatz in Emmen (in der Nähe des Bahnhofs) – 2025 soll der neue Bau bezugsbereit sein (KANTON LUZERN O.J.). Die Vielzahl von Bildungsinstitutionen (Universität, Hochschule Luzern, Päda- gogische Hochschule, Hotelfachhochschule, etc.) und deren Ausbau haben in den letzten Jahren zu einer Zunahme an Studierenden geführt (STADT LUZERN 2018A, LUSTAT 2019A). Die Hochschule Lu- zern konzentriert aktuell ihre Standorte und verlegt(e) Teilschulen in die Viscosistadt nach Emmen (Design & Kunst), Kriens (Musikhochschule) und Horw (Technik & Architektur). Die Pendler*innenzah- len, wenn auch nicht ganz aktuell, verdeutlichen die Relevanz der Stadt Luzern: In den Jahren 2012 bis 2016 verzeichnete die Stadt 47'500 Zupendler*innen und 20'700 Wegpendler*innen. «Von den 70'300 Pendler/innen (Durchschnitt 2012–2016) mit Arbeits- oder Ausbildungsplatz in der Stadt Lu- zern wohnt rund ein Drittel in der Stadt selbst. Ein weiteres Drittel pendelt aus dem angrenzenden Umland zu, nämlich aus der Agglomeration, das heisst den Agglomerationskern- (27%) und Agglome- rationsgürtelgemeinden (5%). Aus anderen Regionen des Kantons kommen 14 Prozent, während 21 Prozent von anderen Kantonen zupendeln» (LUSTAT 2018). Abbildung 2: Pendler Stadt Luzern nach Herkunft (Ø 2012-2016) eigene Darstellung basierend auf LUSTAT 2018 3
Seit 2005 wuchs die Bevölkerung der Stadt Luzern im Schnitt um rund 0,9% pro Jahr. 2018 zählte sie 81'700 Einwohner*innen, während die Anzahl Beschäftigte 81'700 (2017) betrug. Dies entspricht 60'000 Vollzeitäquivalenten. Laut Raumentwicklungskonzept 2018 (REK) der Stadt Luzern soll das 1:1-Verhältnis von Beschäftigten und Bewohner*innen künftig aufrechterhalten werden. In den übri- gen K5-Gemeinden (ohne Luzern) leben zurzeit insgesamt etwas mehr als 85’000 Personen. Die Ge- samtagglomeration Agglomeration umfasst derzeit 19 Gemeinden mit rund 229'000 Einwohner*innen und 150'000 Beschäftigten. Das Verhältnis von Arbeitsplätzen zu Einwohnenden in der Agglomeration Luzern beträgt 0,7 (STADT LUZERN 2018B, LUSTAT 2019B, BFS 2019). 2.2 Entwicklungsszenario – ein Blick in die Zukunft Gestützt auf Prognosen des Bundesamts für Statistik und Aussagen des kantonalen Richtplans ist da- von auszugehen, dass Luzern im Jahr 2050 zwischen 105'000 und 120'000 Einwohner*innen haben wird. Die zugrundeliegenden Überlegungen können dem Anhang (siehe Anhang V) entnommen wer- den. In den übrigen K5-Gemeinden – ohne Luzern – beträgt die Einwohnerbandbreite für das Jahr 2050 zwischen 110'000 und 126'000. Abbildung 3: Bevölkerungszahlen 2018 und erwartetes Wachstum bis 2015 (Eigene Darstellung basierend auf: LUSTAT) Aufgrund der politischen Zielsetzung des Stadtrates und den Standortvorteilen Luzerns wird von ei- nem 1:1-Verhältnis Bevölkerung/Beschäftigte ausgegangen. Somit ist 2050 in Luzern mit 105'000 bis 120'000 Arbeitsplätzen zu rechnen. Basierend auf der Annahme eines Wohnflächenbedarfs von 50 m2 pro Person und eines Flächenbedarfs pro Arbeitsplatz von 30 m2 ergibt sich grob geschätzt ein Mehr- flächenbedarf in der Stadt Luzern in einer Bandbreite von 192 bis 312 ha (siehe Anhang V). Dass dieser Mehrflächenbedarf mit Verdichtung in bestehenden und in den noch unüberbauten Bauzonen (rund 78 ha) untergebracht werden kann, ist unrealistisch. Dazu wäre eine Ausnützungsziffer von mindes- tens 3 erforderlich. In der Annahme, dass das prognostizierte Wachstum eintritt, kann davon ausge- gangen werden, dass zwischen 2030 und 2050 Neueinzonungen stattfinden werden (STADT LUZERN 2018B). Unüberbaute WO W+A A Total Prozentualer Anteil der Zonen (ha) Siedlungsfläche Stadt Luzern 53,1 6,8 1,8 78,3 9,1% 4
Emmen 22,8 7,5 40,3 70,7 13,1 % Kriens 11 15,4 16,3 42,7 10,4% Ebikon 16,9 1,9 8,9 27,4 12,2% Horw 22,4 4,2 0,4 27,1 10,5% K5 109,5 35,8 67,7 213 Tabelle 1: Unüberbaute Bauzonen, K5 Gemeinden, 2018 (Quelle: rawi Kt. Luzern) Ein Blick über die Stadtgrenzen hinweg zeigt, dass auch erhebliches Entwicklungspotenzial in den üb- rigen K5-Gemeinden liegt. Emmen verfügt über die mit Abstand grössten Reserven an unüberbauten Arbeitszonen. In Bezug auf die unüberbauten Wohn- und Mischzonen weisen neben der Stadt Luzern mit rund 60 ha auch die Stadt Kriens sowie die Gemeinden Emmen und Horw einen Anteil von je über 25 ha aus. Die unüberbauten Flächenreserven im Siedlungsgebiet der K5-Gemeinden liegen insbesondere an den Rändern der Stadt Luzern (v.a. in Littau), sowie in den ESP Luzern Nord, Luzern Süd und Luzern Ost. In diesen bislang eher als peripheren Gebieten ist somit in den nächsten Jahr(zehnt)en mit einem erheb- lichen Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstum zu rechnen. Im Horizont 2050 könnten infolge von Strukturwandel o.ä. weitere grössere Transformationsflächen zur Verfügung stehen (z.B. der Militär- flugplatz). Das Wachstum wird sich auch auf den Strassen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln be- merkbar machen. Schon nur bis 2030 wird von einem Wachstum von 16% beim MIV und 39% beim ÖV ausgegangen (STADT LUZERN 2016, S. 3). Herausforderungen und Potentiale Bereits heute bestehen grosse Probleme auf dem Verkehrsnetz: Die Topographie, die Reuss und his- torisch gewachsene Strukturen wirken als Zäsuren und führen dazu, dass sich der Verkehr auf be- stimmte Achsen konzentriert und kaum Ausweichrouten aufweist. So liegt bspw. die Eisenbahn sowie die Kantonsstrasse auf dem engen Raum zwischen Reuss und Gütsch. Abbildung 4: Reisegeschwindigkeiten und Staus MIV zu Hauptverkehrszeiten (Quelle: STADT LUZERN 2016, S. 13) Hinzu kommt die Autobahn, welche kurz über die Reuss führt und neben einer Stadtausfahrt (Kaser- nenplatz) wieder im Tunnel verschwindet. Ein weiteres Nadelöhr ist die Pilatusstrasse/Seebrücke. Die Reisegeschwindigkeit fällt auf verschiedenen Abschnitten sowohl beim ÖV als auch beim MIV während den Spitzenstunden auf teilweise unter 10 km/h; es kommt zu Rückstaus. Dies führt zu unzuverlässi- gen Reisezeiten und wirkt sich erhebliche negativ auf die Siedlungsqualität in Form von Lärm und 5
Schadstoffen aus. Aufgrund ihrer Durchleitungsfunktion sind die Kantonsstrassen primär auf den mo- torisierten Verkehr ausgerichtet und weisen eine schlechte bis mässige Aufenthaltsqualität sowie mangelnde Querungsmöglichkeiten auf. Fussgänger*innen sehen sich bei der Querung von Hauptach- sen mit teils langen Wartezeiten an Lichtsignalanlagen konfrontiert (STADT LUZERN 2016). Im Bereich Veloverkehr können teils Massnahmen nicht umgesetzt werden, weil es schlicht am benö- tigten Raum fehlt, um ihm eine eigene Fläche zu zusprechen (STADT LUZERN 2016, S. 13). Der ÖV in Luzern basiert auf Bussen; Buspriorisierungsmassnahmen sind in Umsetzung, dennoch hat sich die Reisegeschwindigkeit bisher kaum verbessert (VVL 2019). Aus der Perspektive der übrigen K5-Ge- meinden ist festzuhalten, dass ein überwiegender Teil der Bus-Verbindungen heute radial zum Zent- rum/Bahnhof Luzern führen. In den letzten Jahren wurden zwar Durchmesserlinien eingeführt, aber keine Tangentialverbindungen, welche die Gemeinden und Subzentren direkt untereinander verbin- den. Das S-Bahn-Netz in der Agglomeration Luzern weist stellenweise keine attraktiven Takte auf. Auf dem Stadtgebiet gibt es zudem lediglich drei S-Bahn-Halte (Messe/Allmend, Littau, Verkehrs- haus). Eine Taktverdichtung ist mangels ausreichender Kapazitäten nur möglich, wenn andere Verbin- dungen gestrichen werden – die Kapazitätsgrenze beim Bahnhof Luzern ist heute erreicht. Abbildung 5: Ausschnitt regionaler Linien- und Zonenplan Stadt Luzern und Agglomeration (passepartout.ch) Es ist davon auszugehen, dass sich die Verkehrsprobleme angesichts des prognostizierten Wachs- tums weiter akzentuieren werden. Derzeit sind zwei Grossprojekte in Planung, von denen sich die Ag- glomeration und die Stadt Luzern eine Verbesserung der Verkehrssituation erhoffen: Das Natio- nalstrassenprojekt Gesamtsystem Bypass Luzern, das auf eine Entflechtung des nationalen vom regi- onalen Verkehrs zielt sowie der Durchgangsbahnhof Luzern (DBL), der neben einer Kapazitätssteige- rung schnellere Verbindungen ermöglichen soll. Diese werden nicht vor 2035 bzw. 2040 fertig gestellt sein – aufgrund der Projektgrösse und Komplexität ist eher mit Verzögerungen zu rechnen (vgl. Aus- bau Bahnhof Bern, wo es bereits nach der Planungsphase zu Verzögerungen gekommen ist). Beide Projekte haben grundsätzlich das Potential, die Gesamtsituation bzgl. Verkehr und Siedlungsqualität zu optimieren, gleichwohl liegt der Fokus bisher auf der nationalen Erreichbarkeit, so dass das regio- nale Potential teilweise noch gar nicht näher untersucht wurde. Daraus lassen sich aus städtischer und regionaler Perspektive folgende Handlungsfelder ableiten: Die Funktion der Kantonsstrassen im Raum der K5-Gemeinden ist zu überdenken, insbesondere ist dieser Verkehrsraum mit dem ÖV und dem Velo- und Fussgänger*innenverkehr besser zu koordinieren. Aus den nationalen Grossprojekten entsteht ein «window of opportunity». Dieses gilt es zu nutzen. Gerade für die Aufwertung des städtischen und regionalen ÖV-Netzes bieten sich Chancen, die zu einer raum- planerischen Gesamtaufwertung der Stadt und auch der Region führen können. Die Attraktivität des Angebotes kann und muss gesteigert werden. 6
Luzern morgen – Zielbild Wie soll Luzern im Jahr 2050 aussehen? Die spontane Antwort auf diese Frage könnte lauten «so wie heute», denn die Stadt verfügt über ausserordentliche landschaftliche, städtebauliche und soziokultu- relle Qualitäten. Manche wünschten sich vielleicht «wie vor einem halben Jahrhundert», mit weniger Lärm, überschaubaren Gruppen von Feriengästen und über 2’000 Beschäftigten bei Von Moos. Gegen- über den letzten 30 Jahren wird es in den bevorstehenden Jahrzehnten in Luzern wohl kein neues KKL geben, der FC Luzern wird weiterhin in der Swissporarena spielen und auch die Kappelbrücke bleibt hoffentlich unversehrt. Aber die Stadt wächst, Technologien wandeln sich und neue Mobilitätsformen kommen auf. Die Raumentwicklungsstrategie mit Zeithorizont 2050 muss sich also auf eine langfristige Leitidee ab- stützen und ihre Massnahmen danach ausrichten. Dabei soll Luzern seine heutigen Vorteile und Quali- täten bewahren. Vielleicht kann es auch ein gewisses Flair aus der Vergangenheit mit auf den Weg in die Mitte des 21. Jahrhunderts nehmen. Die räumliche Entwicklung der Agglomeration Luzern muss in den nächsten Jahrzenten auf folgende Qualitäten hinwirken: I Agglomeration wächst zusammen Die Agglomeration Luzern verschmilzt zu einem einzigen, zusammenhängenden Stadtraum. Die Be- wohner*innen der K5-Gemeinden identifizieren sich mit dem Gesamtraum, fühlen sich aber zugleich ihrer Gemeinde zugehörig. Die polyzentrische Kernagglomeration besteht aus der Innenstadt und meh- reren starken, eigenständigen Subzentren wie Luzern Nord/Emmen, Kriens Dorf, Luzern Süd und Ebi- kon. Jeder Ortskern hat sein eigenes Profil geschärft. Diese vielfältigen, sozial durchmischten Zentren verfügen 2050 über alle wesentlichen Funktionen, haben einen jeweils eigenen Charakter und sind den- noch eng miteinander vernetzt. Die Agglomeration ist ein guter Ort für urbanes Leben und Arbeiten, der untrennbar zum Stadtraum Luzern gehört. II Verkehrswende erhöht die Mobilität Die ganze, flächenmässig vergleichsweise kleine Agglomeration Luzern funktioniert als innerstädti- scher Gesamtraum und tendiert zu einem entsprechenden Modal Split mit hohem ÖV-, Velo- und Fuss- gänger*innen-Anteil. Die Mobilität in der ganzen Agglomeration ist im Jahr 2050 zuverlässig und sicher. Die Reisezeiten sind berechenbar und auch zu Spitzenstunden gibt es – dank ÖV sowie guten Fuss- und Veloverbindungen – kaum Stau. Ein starkes, verlässliches Busnetz spielt dabei eine zentrale Rolle. Zu- dem braucht es in der Innenstadt und zwischen den wichtigsten urbanen Zentren der Agglomeration sichere, zusammenhängende und komfortable Wege für den Fuss- und Veloverkehr. An strategischen Stellen innerhalb der Kernagglomeration muss der MIV, der übermässig viel Verkehrsfläche bean- sprucht, Raum für stadtverträgliche Mobilitätsformen freigeben. Der Durchgangsbahnhof erhöht, wenn er gebaut wird, die Attraktivität der Bahn im Fern-, Regional- und Güterverkehr. Er ist damit eine Chance für die Verkehrsentwicklung. Auch die aktuelle Corona-Krise könnte die Verkehrswende befeu- ern. Sie öffnet ein Möglichkeitsfenster, das dringend genutzt werden sollte. Viele Menschen haben in den vergangenen Monaten positive Erfahrungen mit alternativen Mobilitätsformen gemacht, etwa mit Radfahren und zu Fuss gehen (HÄNE/POLETTI 2020). III Öffentlicher Raum bietet hohe Aufenthaltsqualität Heute prägt der motorisierte Individualverkehr das Stadtbild und beeinträchtigt vielerorts die städte- bauliche Qualität Luzerns. Der autogerechte Umbau der Stadt begann 1960, als die Fussgänger*innen- unterführung unter dem Bahnhofplatz realisiert wurde. Mehrere Ausfallstrassen wurden zu breiten, intensiv befahrenen Verkehrsschneisen umgebaut. Höhepunkt war das Jahr 1975, als mitten in der Stadt die Autobahn über die Reuss samt Zubringer und Grossparkhaus eröffnet wurde (ISOS 2005). Im Jahr 2050 sollen das historische Zentrum rund um die Seebrücke und die Hautverkehrsachsen zwi- schen der Innenstadt und den Subzentren nicht mehr nur autogerecht, sondern wieder velo- und fla- niertauglich sein. Plätze, Parks, Uferpromenaden und Brücken, die den Stadtraum strukturieren, tra- gen zu einer hohen Lebens- und Aufenthaltsqualität bei. Bäume und Grünflächen werten den 7
öffentlichen Raum auf. Die Vegetation kühlt im Sommer – der künftig heisser zu werden droht – die Luft und unterstützt die Anpassung der Stadt an den Klimawandel. Abbildung 6: Zielbild (eigene Darstellung) Heute ist Luzern eine der zehn grössten Agglomerationen der Schweiz – hinter Lausanne und vor St. Gallen (SSV/BFS 2020) – und auch 2050 ist die Stadtregion ein eigenständiges, selbstbewusstes Zent- rum im Netz der Schweizer Städte. Sie ist von Zürich und Zermatt genauso bequem erreichbar wie von München und Mailand. Die wichtigsten Aktivitätszweige sind nach wie vor der Tourismus, Kulturinsti- tutionen, das Versicherungswesen, Innovation und neue Technologien sowie Medizin- und Präzisions- technik. Luzern ist nicht mehr «nur» für seine wunderbare Seepromenade mit Blick auf die Alpen be- kannt, sondern auch seine schöne Reussuferpromenade, die von der Seemündung bis nach Emmen führt. Für die Fahrt in die Innenstadt wählen die Agglomerationsbewohner*innen grossmehrheitlich nicht mehr den MIV, sondern den ÖV oder sie nutzen eine der sternförmig ausschweifenden Velo- schnellrouten. Die Stadt ist mit ihrem ländlichen Umland gut verbunden und verfügt über eine effizi- ente, schienenbasierte Güterversorgung mit nachgelagerter Stadtlogistik. Die Stadt ist darauf bedacht, nicht erneuerbare Ressourcen zu schonen, Energie zu sparen und das Klima zu schützen. 8
LU:zern 2050 – die Strategie 4.1 Themenfokus Die in Kapitel 2 dargestellten Herausforderungen machen es deutlich: Die nationale, regionale und lo- kale Erreichbarkeit sowie eine verlässliche, für alle Beteiligten sichere Verkehrserschliessung sind die zentralen Voraussetzungen für das künftige Wachstum von Siedlung, Bevölkerung und Arbeitsplätzen der Stadt und Agglomeration Luzern. Der gesamte urbane Raum muss sein städtisches und regionales Verkehrssystem koordiniert weiterentwickeln und teilweise grundlegend überdenken, wenn er mit dem Wachstum, das v.a. an den Stadträndern zu erwarten ist, auch die Qualität von Siedlung und Freiräumen aufwerten will. Im Bereich der Verkehrsplanung besteht somit erheblicher Handlungsbedarf. Ausser- dem haben zahlreiche öffentliche Räume in Luzern heute ein grosses Aufwertungspotenzial. Diese Fra- gen sind also entscheidend, um die räumliche Entwicklung der Agglomeration Luzern auf die Zukunft auszurichten. Die Strategie LU:zern 2050 konzentriert sich deshalb auf die beiden Schlüsselthemen Erschliessung und Aufenthaltsqualität der öffentlichen Räume. Der Fokus liegt dabei nicht bloss auf einzelnen Ent- wicklungsschwerpunkten oder Problemräumen, sondern auf dem ganzen Gebiet der K5-Gemeinden. Das Verkehrssystem muss gemeindeübergreifend und gesamthaft betrachtet werden. Deshalb ist der Konzentrationsentscheid thematisch statt räumlichen ausgefallen und verfolgt folgende Ziele: I Kernagglomeration erschliessen Die Strategie LU:zern 2050 verfolgt das Ziel, das zu erwartende Wachstum innerhalb des bereits weit- gehend überbauten Siedlungsgebiets der Kernagglomeration aufzunehmen. Dadurch wird auch die Mo- bilitätsnachfrage im urbanen Raum deutlich ansteigen. In der Stadt lässt sich die Fläche, die das Ver- kehrsnetz beansprucht, jedoch kaum vergrössern. Deshalb müssen die zusätzlich nachgefragten Be- wegungen im bestehende Stadtraum abgewickelt werden. Dies gelingt einerseits mithilfe eines Aus- baus und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, der gegenüber dem Auto den Vorteil hat, eine grosse Anzahl Passagiere mit wenig Platz- und Energiebedarf zu befördern. Andererseits erscheint es parallel dazu sinnvoll, einen Teil des Agglomerationsverkehrs auf Fahrräder zu verlagern. Im Nahbe- reich, innerhalb von Zentren und Quartieren, kann auch vermehrtes Zu-Fuss-Gehen die Verkehrsinfra- struktur entlasten. II Öffentliche (Frei-)Räume aufwerten Der öffentliche Raum – also die Strassen und Plätze der Innenstadt und der Subzentren sowie die Hauptachsen, die die Zentren miteinander verbinden – muss auf der heute verfügbaren Fläche mehr Mobilität aufnehmen. Kompakt gebaute und dicht bevölkerte Siedlungen brauchen aber nicht nur eine effiziente Erschliessung, sondern auch ausreichend qualitätsvolle und für alle zugängliche Begeg- nungs-, Erholungs- und Bewegungsräume. Die Strategie LU:zern 2050 zielt darauf ab, diese Funktionen des öffentlichen Raums auf den heute dicht befahrenen Strassen und Plätzen zu retablieren. Bauliche Massnahmen an der Infrastruktur müssen also immer auch dazu dienen, urbane Qualitäten zu schaffen oder wiederherzustellen. Abbildung 7: Ausschnitt aus dem Kurzfilm «Gesamtverkehrskonzept: Weniger Stau und mehr Mobilität» 9
Wachstum und Transformation gemeinsam meistern Das langfristige Ausmass des Wachstums der Agglomeration Luzern ist heute nicht absehbar. Deshalb müssen die Stadt und die Gemeinden der Kernagglomeration die Siedlungsentwicklung nach innen auf- merksam verfolgen und sorgfältig begleiten. Sie stellen die öffentliche Kontrolle über grosse strategi- sche Entwicklungsgebiete – wie Luzern Nord, den Littauerboden, den Flugplatz Emmen und Luzern Süd – durch Planungsmassnahmen oder eine aktive Bodenpolitik sicher. Die Agglomeration Luzern zählt heute rund 230'000 Einwohner*innen. Bis 2050 wird ihre Bevölkerung voraussichtlich um ein Fünftel bis ein Drittel wachsen. Die räumliche Entwicklung, die mit diesem Wachstum einhergeht, ist eine komplexe, (über-)regionale Aufgabe, die die Entscheidungsträger*innen aller Stufen vor grosse Herausforderungen stellt. Stadt, Gemeinden, Kanton und Bund müssen deshalb intensiv und über Sachbereiche hinweg zusammenarbeiten. Dies gilt insbesondere für den Verkehr. Aber auch in den Bereichen Siedlung und Freiräume, Natur und Umwelt sowie Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur braucht es tragfähige gemeinsame Stossrichtungen für die Zukunft. Die Verkehrswende und die Neugestaltung öffentlicher Räume sind globale Herausforderungen. Welt- weit beschäftigen sich Planungsfachleute und Verwaltungen mit der Abkehr von fossilen Energieträ- gern hin zu einer klimafreundlichen, energieeffizienten und schadstoffarmen Mobilität, mit Inter- und Multimodalität, mit Verkehrsreduktion durch den Einsatz digitaler Technologien und einer guten Le- bensqualität in Städten (OVERMEYER/POLINNA 2018, S 34). Die vorliegende Strategie LU:zern 2050 ist auf Luzern zugeschnitten. Einzelne Massnahmen sind durch Ansätze inspiriert, die andernorts bereits erfolgreich erprobt wurden. Die Referenzbeispiele können der tabellarischen Massnahmenübersicht im Anhang entnommen werden (vgl. Anhang III). 4.2 Wegweiser Die skizzierte Leitidee für Luzern enthält die wichtigsten Ziele, die bis 2050 angestrebt werden. Luzern soll 2050 LU:zern sein, das heisst: – Zentral: Luzerns Hauptzentrum wird durch bedeutende und eigenständige Subzentren ergänzt und entlastet. Die Stadtregion wird polyzentraler und gewinnt an Ausstrahlungskraft sowohl in der Re- gion als auch schweizweit. – Erreichbar: Luzern bleibt trotz Wachstum und ohne weiteren Ausbau des Strassennetzes (abgesehen Bypass) gut, verlässlich und sicher erreichbar. Dazu trägt einerseits der DBL sowie der Ausbau von Innovationen im öffentlichen Nahverkehr bei und andererseits die Umsetzung durchgehender Velo- schnellrouten und die fussgänger*innenfreundliche Umgestaltung wichtiger Strassenachsen. Der Modal Split in der Kernagglomeration entwickelt sich zu Gunsten des ÖV sowie des Fuss- und Velo- verkehrs. – Reibungslos: Der Verkehr in Luzern verläuft reibungslos. Die Verkehrsspitzen sind geglättet und der Verkehr wird effizient gesteuert. Innerstädtische Staus zu Stosszeiten kommen so gut wie nicht mehr vor. Die verschiedenen Verkehrsteiler*innen und Fahrzeuge kommen gut aneinander vorbei. Die ver- härteten Fronten in der Verkehrspolitik werden dank verbesserter Zusammenarbeit über die föde- ralen Strukturen hinweg aufgebrochen und Zielkonflikte gelöst. – Nachbarschaftlich: Die öffentlichen Räume fördern die Identifikation, Begegnung und damit das nachbarschaftliche Leben in den Stadtquartieren. Eine gute Nachbarschaft wird nicht nur in den Quartieren, sondern auch mit und zwischen den umliegenden Gemeinden gepflegt. Drei wegweisende Stossrichtungen unterstützen die Erreichung dieser Ziele: I Mobilitätsverhalten gezielt steuern Der Strassenraum in Luzern ist begrenzt, ein Ausbau ist – mit Ausnahme des sich in Planung befindli- chen Bypass – nicht vorgesehen. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung muss daher die bestehende Strasseninfrastruktur in der Kernagglomeration Luzern sowie das Schienennetz möglichst optimal ein- gesetzt und die Anzahl Nutzer*innen pro Verkehrsflächeneinheit erhöht werden. Die Verkehrsspitzen 10
gilt es zu brechen. Um im Hinblick auf das erwartete Bevölkerungswachstum eine ausreichende Ver- kehrskapazität sicherzustellen und ein umweltverträgliches, zukunftsfähiges Mobilitätsverhalten zu fördern, müssen sich die generalisierten Kosten stark zugunsten des öffentlichen sowie des Fuss- und Veloverkehrs verschieben. Dazu bedarf es einer stellenweisen Umverteilung der Verkehrsflächen. Dies bedingt zu den Spitzenzeiten eine Beschränkung des Zugangs zum städtischen Gebiet für den motori- sierten Individualverkehr und erhöht im Gegenzug den Verkehrsfluss und die Vorhersehbarkeit der Rei- sezeiten. Der Motorisierungsgrad in den Städten ist in den vergangenen Jahren laufend gesunken und es darf davon ausgegangen werden, dass sich dieser Trend fortsetzt. Diese Entwicklung wird mit einem attraktiven Sharing- und ÖV-Angebot sowie mit einer flächendeckenden, gut vernetzten Infrastruktur für Velofahrende und Zu-Fuss-Gehende unterstützt. II Tangentiale ÖV-Infrastruktur schaffen In der Kernagglomeration Luzern entstehen neben den bestehenden Subzentren Kriens und Littau im Zuge der aktuellen Planungen im Norden und Süden Luzerns neue Zentralitäten. Die Stadt Luzern ist funktional und räumlich bereits eng mit den umliegenden Gemeinden verflochten. Zugleich ist die Re- gion nach wie vor sehr stark auf das Zentrums Luzern fokussiert. Dies bringt v.a. in verkehrlicher Hin- sicht Herausforderungen mit sich, da die Verkehrsinfrastruktur durch topografisch gegebene Nadel- öhre geprägt ist. Die polyzentrale Entwicklung der Region soll daher mit einem entsprechenden ÖV- Angebot weiter gestärkt werden. Es gilt, die Subzentren und (S-)Bahnhöfe in den K5-Gemeinden direk- ter miteinander zu verbinden. Dabei sind insbesondere die Gebiete, die über keinen S-Bahnanschluss verfügen, zu berücksichtigen (z.B. Kriens Dorf). Eine tangentiale ÖV-Struktur wirkt sich positiv auf die Entwicklung eigenständiger Subzentren aus, bedeutet für zahlreiche Pendler*innen einen enormen Zeitgewinn und reduziert die Verkehrsbelastung der Innenstadt. Die tangentiale Verbindung kann vor- erst durch einen Schnellbus geschaffen werden. Sollte sich allerdings zeigen, dass das Mobilitätsbe- dürfnis, das aus dem Bevölkerungswachstum resultiert, trotz dem Ausbau des S-Bahnnetzes und der tangentialen Buslinie nicht zufriedenstellend gedeckt werden kann und die Strassen nach wie vor zu stark beansprucht sind, sollte langfristig ein neuer, (teilweise) von der Strasse unabhängiger Verkehrs- träger in Betracht gezogen werden, der das S-Bahn-Netz ergänzt und Gebiete bedient, die über keine S-Bahnstation verfügen. III Hauptachsen als öffentliche Räume aufwerten Mit der Siedlungsentwicklung nach Innen verstärkt sich der Bedarf an qualitativ hochwertigen Freiräu- men. Sie sind wesentlich, um die Lebensqualität in der Stadt Luzern auf hohem Niveau zu halten. Die städtebauliche und die Aufenthaltsqualität auf den Hauptachsen der Kernagglomeration und auf den Plätzen und Freiräumen entlang dieser Achsen muss daher verbessert werden. Diverse Begehren aus Politik und Bevölkerung zeugen bereits heute vom Bedürfnis, die innerstädtischen Hauptachsen quar- tierverträglicher zu gestalten und für Fussgänger*innen und Velofahrende attraktiver zu machen. Bei der Umgestaltung von Strassen- zu Begegnungsräumen sind auch stadtklimatische Aspekte zu berück- sichtigen. Es gilt zu beachten, dass aufgewertete Hauptachsen und neu gestaltete Plätze stellenweise höheren Bodenpreisen führen können. Es sind deshalb frühzeitig flankierende Massnahmen zu ergrei- fen, die sozialen Segregationsprozessen vorzubeugen. In Gebieten, die von Gentrifizierung betroffenen sind, müssen die Stadt und die Agglomerationsgemeinden eine vorausschauende, aktive Bodenpolitik betreiben und die Mehrwerte, die durch ihre Planungen entstehen, konsequent abschöpfen. Grundsätzlich gilt, dass die Planungs- und Bauphasen der nationalen Grossprojekte als «window of opportunity» genutzt werden, um zukunftsweisende Veränderungen im Verkehrssystem anzustossen und gezielt neue Massnahmen zu implementieren. Der Bau des DBL wird das Zentrum Luzerns, beson- ders die Rösslimatt und das Quartier Neustadt/Steghof während Jahren stark prägen. Der Bau des By- passes hingegen wird sich hauptsächlich im Gebiet Ibach und in Kriens/Eichhof sowie im Gebiet Basel- und Bernstrasse räumlich auswirken (Lüftungsschacht am Standort des heutigen Quartier-Freiraums Dammgärtli). Die Bauarbeiten bedürfen Installationsplätzen und Routen für Zulieferung und Abtrans- port. Sie werden Verkehrsumleitungen zur Folge haben und die Aufenthaltsqualität in den entsprechen- den Gebieten stark einschränken (Lärm, Verkehr, Umschlag, etc.). Insbesondere der bereits heute überlastete Raum um die Seebrücke wird vom Bau des DBL stark betroffen sein. Es gilt daher, im 11
Vorfeld der Bauphase Lösungen für eine dezentrale Verkehrsführung auszuarbeiten, um das Hyper- zentrum zu entlasten. Die Bauphase bietet damit die Gelegenheit, die Subzentren Luzern Nord, Süd und Ost zu stärken. Sie kann auch zum Testen neuer Bus-Routen oder zur Einführung einer tangentialen Schnellbus-Linie genutzt werden, die die zentralen Orte und Bahnhöfe in der Kernagglomeration direkt – und nicht über das Hauptzentrum – miteinander verbindet. Eine Testphase ermöglicht es, Massnah- men für eine bestimmte Zeit auszuprobieren und zu evaluieren, bevor sie definitiv eingeführt werden. Plätzen und Strassen, die nach dem Rückbau der Installationsflächen wiederhergestellt werden müs- sen, können zugleich umfassend neugestaltet werden. 4.3 Kernmassnahmen Fünf Kernmassnahmen unterstützen die Umsetzung der drei strategischen Wegweiser. Sie ergänzen die seitens der Stadt sowie im Rahmen des Agglomerationsprogramms und des AggloMobil 4 (VVL 2019) bereits vorgesehenen und initiierten Massnahmen. Die Kernmassnahmen beziehen sich nicht nur auf die Verkehrsplanung, sondern auch auf Aspekte der Freiräume und des Städtebaus. Sie dienen als zentrale «Schalthebel» dazu, die in Kapitel 4 beschriebene Leitidee zu verfolgen und die dafür notwendige Transformation ins Rollen zu bringen. Die Massnahmen stehen in Abhängigkeit zuei- nander und ergänzen sich gegenseitig. Details und weitere Massnahmen, die im Sinne der Strategie LU:zern 2050 eingeführt werden könnten, befinden sich im Anhang (vgl. Anhang III). Der zeitliche Horizont der frühestmöglichen Umsetzung gliedert sich in kurzfristig (innert 0 bis 5 Jah- ren), mittelfristig (zwischen 5 bis 15 Jahren) und langfristig (in 15 oder mehr Jahren). Kostenschätzun- gen basieren jeweils auf Referenzbeispielen. Nr Bezeichnung Wegweiser Horizont Bezug zu Grossprojekten Kosten 1 LucernAvenidas III M-L Bauphase DBL als Auslöser des Umbaus >100‘000 CHF Konzept der Einfallsachsen zu Avenidas nutzen, +10-20% Kosten gegen- Stärkung Fuss- und Veloverkehr wäh- über klassischer Stras- rend Bau DBL sensanierung 2 Tangentiale II M Entlastung Zentrum während Bauphase 2,5 Mio. CHF/Jahr Schnellbuslinie DBL (Installationsplatz Bahnhofsplatz) 3 Testplanung Zukunft III K (Pla- Bypass als Auslöser. Bei Inbetrieb- 1 Mio. CHF (ohne Um- Stadtautobahn und nung) nahme Bypass stellt sich Frage nach setzung) Stadträume M-L (Um- Zweck sowie Kosten-Nutzen des Erhalts setzung) einer „Stadtautobahn“ sowie deren städtebaulichen und Siedlungsverträg- lichkeit. 4 Pilotprojekt Mobility- I K Entlastung Zentrum/Seebrücke wäh- 1,5 Mio. Planung und Pricing rend Bauphase DBL. Durchführung 5 Reduktion Parkhaus- I M Kein Ersatz des Bahnhof-Parking nach Generiert keine direk- angebot Bau des DBL. Verbesserung der Er- ten Kosten; Umsatzein- reichbarkeit Luzerns mit ÖV reduziert bussen Betreiber*innen Notwendigkeit nach Parkplätzen. Tabelle 2: Kurzübersicht Kernmassnahmen und grobe Kostenschätzung Massnahme 1: LucernAvenidas Unter der Federführung des regionalen Entwicklungsträgers LuzernPlus erarbeiten die K5-Gemeinden ein gemeinsames Konzept gemäss §10 PBV Kanton Luzern mit behördenverbindlichen Festlegungen für ein sternförmiges Netz von Avenidas. Diese verbinden ausgehend vom Bahnhofplatz die wachsen- den Zentren der Kernagglomeration Luzern miteinander und stärken die Entwicklung eines zusam- menhängenden, gemeindeübergreifenden Stadtraums. Die Avenidas werden zu belebten und zentralen städtische Aufenthalts-, Bewegungs-, und Versorgungsräumen umgestaltet. Ein Grossteil davon sind 12
heute (innerstädtische) Kantonsstrassen mit hohem Verkehrsaufkommen und entsprechenden Lärm- immissionen. Als repräsentative «Einfallsachsen» in das dichte besiedelte Gebiet der K5-Gemeinden sollen sie künftig eine besonders hohe Qualität für den Fuss- und den schnellen Veloverkehr aufweisen und die Wohnqualität der angrenzenden Quartiere steigen. Das zu erarbeitende Konzept soll grundle- gende Aussagen enthalten und Vorgaben zu Tempovorschriften (T30 und T 50), Gestaltung von Fassade zu Fassade, Flächenaufteilung/Strassenquerschnitte, Sicherheit und klimaökologischen Aspekten ma- chen, die für die fünf Gemeinden verbindlich sind. Dabei soll nach vorhandenen Platzverhältnissen dif- ferenziert, angrenzende Bautypologien sowie bereits laufende Planungen berücksichtigt und eine etap- pierte Umsetzung vorgesehen werden. Es ist mit Mehrkosten von 10-20 % gegenüber einer herkömm- lichen Strassensanierung zu rechnen. Entlang der Avenidas befinden sich verschiedene zentrale öffent- liche Räume bzw. Plätze mit publikumsorientierten EG-Nutzungen sowie (S-)Bahnhöfe und wichtige Bushaltestellen mit Umsteigefunktion. Sie werden in das Avenidas-Netz eingebunden und bei Bedarf ebenfalls sukzessive aufgewertet. Zur Aufwertung von spezifischen Stadtplätzen sind beim Parlament separate Kredite zu beantragen. Abbildung 8: LucernAvenidas (Eigene Darstellungen, Strassenschnitt: Team 7A, IBA Magistralen Hamburg: 2019) Massnahme 2: Tangentiale Schnellbuslinie Ein neuer Schnellbus umfährt die Luzerner Innenstadt tangential. Er ergänzt das bestehende, stern- förmig aufgebaute städtische ÖV-Netz. Durch eine schnellere Verbindung rücken die Subzentren inner- halb der Kernagglomeration näher zusammen, was wiederum die räumliche und funktionale Verflech- tung stärk. Die tangentiale Buslinie schafft direkte Verbindungen im Siebeneinhalb-Minuten-Takt, ohne dass der Weg über die Innenstadt führt. Sie verbessert nicht nur die Verbindung zwischen den Bahnhö- fen innerhalb der Agglomeration, sondern schliesst auch Gebiete ohne S-Bahn-Station besser an (z.B. Kriens). Die Verschmelzung der Kernagglomeration zu einem einzigen Stadtraum wird gefördert. Die vorgeschlagene Schnellbuslinie führt von Ebikon Bahnhof zum Hochschulquartier in der Rösslimatt, direkt hinter dem Bahnhof Luzern. Die 22 km lange Tangentiallinie bedient 10 Haltestellen (inklusive Termini), unter anderem das Kantonsspital, den Bahnhof Emmenbrücke, Littau Zentrum sowie Kriens. Die Fahrtzeit dauert ca. 45 bis 55 Minuten und schafft attraktive neue Direktverbindungen. 13
Fahrzeitgewinn: ÖV heute 1 Tangentialbus 2 Ø Gewinn Ebikon Bhf – Kantonsspital 17 – 23 min 8 min 12 min Nord Ebikon Bhf – Emmenbrücke 20 – 34 min 14 min 13 min Bhf Emmenbrücke Bhf – Kan- 12 – 22 min 6 min 11 min tonsspital Nord Kriens – Emmenbrücke Bhf 25 – 31 min 16 min 12 min Kriens – Littau Zentrum 26 – 32 min 9 min 20 min Tabelle 3: Fahrzeitengewinn (eigene Darstellung) Die geschätzten Kosten für die Haltestellen und die Anpassungen an der Fahrbahn belaufen sich auf rund 0,5 Millionen CHF (50'000 CHF/Haltestelle). Für den Betrieb von 15 Elektrobussen mit einer Länge von zwölf Metern (keine Gelenkbusse im Siebeneinhalb-Minuten-Takt) dürften jährliche Kosten von 3,5 bis 4,5 Millionen CHF anfallen. Der tangentiale Schnellbus entlastet neuralgische Stellen der Innenstadt (Seebrücke, Schwanen-, Bahnhof- und Pilatusplatz) und die Flaschenhälse auf den Einfallsachsen (z.B. Hirschengraben – Ka- sernenplatz – Kreuzstutz). Er trägt dazu bei, die Strasseninfrastruktur der Kernagglomeration optimal zu nutzen – vermehrt auch wieder für den Fuss- und Veloverkehr – und den Modal Shift im Agglomera- tionsgürtel vom MIV auf den ÖV zu vollziehen. Während der Bauphase des DBL entlastet die tangentiale Buslinie das Gebiet rund um den Bahnhof und schafft Platz für die Baustelle. Der Verkehrsverbund Luzern (VVL) hat bei der Umsetzung der Massnahme die Federführung. Es soll ein laufendes Monitoring zur Entwicklung der Passagier- sowie der Bevölkerungs- und Arbeitsplatzah- len stattfinden. Wenn sich abzeichnet, dass das tangentiale Bussystem am Zeithorizont 2050 an seine Grenzen stösst, wird empfohlen, in rund zehn Jahren – also um 2030 – die Planung eines neuen schie- nengebundenen öffentlichen Verkehrsmittels (z.B. Metro) auf einer tangentialen Trasse zu initiieren. Die Kosten einer Metro-Infrastruktur dürften sich auf Grundlage heutiger Schätzungen auf ungefähr 100 Mio. CHF/km belaufen. Bei einer Streckenlänge von 18 km ist mit rund 1,8 Mia. CHF Investitions- kosten zu rechnen.3 1 SBB Online-Fahrplan, Werktags zu Hauptverkehrszeiten, abgerufen am 8. Juni 2020 2 Referenz: Fahrzeiten gemäss Routenplaner TCS, abgerufen am 8. Juni 2020 3 Vergleichsobjekt: M2 Lausanne. 5,9 km, 590 Mio. CHF, 6 km, 14 Haltestellen. Linie mit weniger Haltestellen müsste günstiger sein. 14
Abbildung 9: Vorschlag Linienführung tangentialer Schnellbus (eigene Darstellung) Massnahme 3: Testplanung Zukunft Stadtautobahn und Stadträume Derzeit läuft die Planung für das Gesamtsystem Bypass Luzern. Der ursprünglich vorgesehene Zubrin- ger Spange Nord für die Stadtautobahn ist im politischen Prozess weggefallen; die verbleibende Reussportbrücke hat eine ungewisse Zukunft (laufende Vernehmlassung Reussportbrücke bis Ende September 2020). Dies führt zur Frage, welche Rolle die heute bestehende Autobahn nach Fertigstel- lung des Gesamtsystems Bypass haben soll: Beides sind Nationalstrassen, die abgesehen von den An- schlüssen Zentrum und allenfalls Lochhof die gleiche Strecke abdecken. Werden künftig zwei Infra- strukturen parallel betrieben? Gibt es Aufwertungsmöglichkeiten der bestehenden Autobahn, wenn sie auch in Zukunft benötigt wird? Lohnt sich der Betrieb angesichts des Umstands, dass keine Spange Nord, sondern eventuell nur die Reussportbrücke realisiert werden kann? Werden künftig beide Auto- bahnen durch das ASTRA betrieben? Wäre allenfalls eine Transformation der heute bestehenden Auto- bahn denkbar, sodass sie künftig primär dem ÖV und der City Logistik dienen könnte? Ist die direkte Autobahnzufahrt in die Stadt heute noch zeitgemäss? Führt der Ausbau zu einer starken Anziehungs- kraft für den MIV, sodass an anderen Stellen Engpässe entstehen? Ist ein (teilweiser) Rückbau denkbar? Welche räumlichen Potentiale stecken in den verschiedenen Verkehrslösungen? Eine Vielzahl an Unterlagen, die den verkehrlichen Nutzen des Gesamtsystems Bypass aufzeigen, lie- gen vor, bisher fehlt aber eine Auseinandersetzung, die stadträumliche Fragen miteinbezieht. Eine Testplanung, die verkehrliche mit stadträumlichen Fragen verknüpft, soll diese Lücke schliessen. Die Federführung liegt bei der Stadt Luzern. Das ASTRA, der Kanton und die übrigen K5-Gemeinden (insb. Kriens) beteiligen sich am Vorgehen. Die Testplanung ist trotz öffentlicher Planauflage des Bypass Lu- zern von Juni bis Juli 2020 wichtig. Das ASTRA dürfte in erster Linie daran interessiert sein, die ver- kehrstechnischen Probleme im Raum Luzern zu lösen und könnte eine solche Planung als Projektver- zögerung wahrnehmen. Gleichwohl zeigt das Beispiel der Spange Nord und die drohende Einsprache gegen das Projekt seitens der Stadt Kriens, dass in dicht besiedelten Gebieten eine reine Verkehrsoptik nicht ausreicht, um tragfähige Lösungen hervorzubringen. Sichtbare Mehrwerte für den Stadtraum können helfen, die Akzeptanz eines Projekts zu erhöhen. Nicht zuletzt dürfte für den Bypass Luzern Erklärungsbedarf bestehen, da die Spange Nord lange Zeit als integraler Projektbestandteil galt und nun sogar die auf die Reussportbrücke reduzierte Version infrage gestellt wird. 15
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