Como - Clever kombiniert So sichern intelligent eingesetzte Verkehrssysteme auch in Zukunft unsere Mobilität - Mobility
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como Complete mobility – Fakten, Trends, Stories Ausgabe 02 I Juni 2009 I www.siemens.com/mobility S Clever kombiniert So sichern intelligent eingesetzte Verkehrssysteme auch in Zukunft unsere Mobilität
2 welcome como 02 | Juni 2009 Liebe Leserin, lieber Leser, wenn es einen Ort auf der Erde gibt, an dem man technische und wirt- schaftliche Innovation täglich neu auf faszinierende Weise erleben kann, dann ist es China. Das riesige Land mit gut 1,3 Milliarden Bürgern, dem der ausführliche focus dieser Ausgabe von como gewidmet ist, konnte in den vergangenen Jahren dank schwindelerregender Wachstumsraten zu einer der führenden Wirtschaftsnationen aufsteigen. Eine Entwicklung, die sich trotz der aktuellen weltweiten Konjunktur- schwäche weiter fortsetzen wird. Dazu dürfte die Expo 2010 in Schanghai, wie schon die Olympischen Spiele in Peking 2008, in hohem Maße beitragen. Um mit der rasanten Entwicklung Schritt halten zu können, suchen derzeit mehr als 30 chinesische Mil- lionenstädte neue Lösungen für Transport und Logis- tik: zukunftsfähige Lösungen, die attraktiv und sicher, verlässlich und nicht zuletzt umweltverträglich sein sollen. Dies nicht allein, um die Infrastruktur des riesi- gen Landes weiter auszubauen, sondern vor allem, um die kommenden Herausforderungen meistern zu kön- nen – für den effizienten Transport von Personen und Gütern. Dazu legte die chinesische Regierung Ende 2008 eigens für Infrastruktur und Transportwesen ein „ gigantisches zusätzliches Wirtschaftförderungspro- gramm in Höhe von 1,8 Billionen Yuan, mehr als 452 Milliarden Euro, auf. Zwar sind die Anforderungen an neue Mobilitäts- strategien und zu realisierende Lösungen gewaltig, und dem westlichen Betrachter scheint es manchmal, China hat jetzt die als könne dieses schier unübersehbare Vorhaben nie gelingen. Gleichzeitig aber birgt diese Entwicklung historisch einmalige historisch einmalige Chancen zum Aufbau einer wirk- Chance zum Aufbau lich zukunftsfähigen Infrastruktur, die den Namen einer zukunftsfähigen „Complete mobility“ mit vollem Recht trägt. Mit innovativen Produkten und Lösungen kann Infrastruktur. Siemens, seit nunmehr 110 Jahren im Reich der Mitte aktiv, als verlässlicher und kompetenter Partner zum Erfolg beitragen: Wie kaum ein anderes Unternehmen der Welt versteht Siemens die besonderen Anforde- rungen an Transport und Logistik – nicht nur in China. Dem Thema Mobilität kommt in der heutigen, globalisierten Welt eine Schlüsselrolle für wirtschaftliches Wachstum und die gesellschaftliche Weiterentwicklung eines Landes zu. Und sie wird auch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, die Lebensqualität der Menschen in China zu verbessern. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre. Joachim Kraege CEO, Mobility Division Industry Sector Siemens Ltd., China
como 02 | Juni 2009 inhalt 3 32 horizon 4 Weniger ist mehr Verkehrsökologe Prof. Dr. Becker plädiert für mehr individuelle Mobilität mit weniger Verkehr. Wie kann das gehen? 8 Automatisch besser unterwegs Moderne Transportlösungen werden immer intelligenter – glücklicherweise. 12 Ab durch die Mitte 14 Die totgeglaubte Straßenbahn erlebt eine Inhalt wahre Renaissance. Sogar dort, wo sonst das Erdöl den Ton angibt. move 32 Wiener Melange: Die Mischung macht’s! Beim öffentlichen Nahverkehr gilt Wien focus als Musterbeispiel auf der ganzen Linie. Was steckt dahinter? 14 „Complete mobility“ im Land des Roten Drachen: China im Wandel connect Beim Ausbau der mobilen Infra- struktur nutzt China seine Chancen. 36 Lokbuch railjet Besser premium fahren: Mit dem railjet 18 Auf die Schnelle Eine Hochgeschwindigkeitsfahrt mit definiert die ÖBB Zugreisen ganz neu. Chinas „JJ DPL“ ist beeindruckend – 38 Fliegender Wechsel und spart mächtig Zeit. Dubai International Airport baut auf Zu- wachs. Die Gepäckförderanlage hält mit.
4 horizon como 02 | Juni 2009 Weniger ist mehr Mehr Mobilität mit weniger Verkehr – das ist eine der Thesen, mit denen Prof. Dr. Udo Becker, Inhaber des Lehrstuhls für Verkehrsöko- logie an der Fakultät für Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der Technischen Universität Dresden, für eine nachhaltige Verkehrsent- wicklung plädiert. Die alte Wachstumsstrategie sei nicht mehr zeit- gemäß, stabile und langfristig angelegte Lösungen seien angesagt, erklärt der Verkehrsökologe im Gespräch mit como.
como 02 | Juni 2009 horizon 5 U ngeachtet wirtschaftlicher Krisenszenarien in neue Straßen. Bis heute argumentieren die Ver- wachsen die Verkehrsströme weltweit weiter, fechter dieser Strategie, durch weiteren Ausbau der und mit ihnen zugleich die negativen Auswir- Straßen würde der Verkehr wieder flüssig, die kungen auf Mensch und Umwelt. Was aber bedeutet Emissionen könnten sinken und sowohl die Ver- das für uns und nachfolgende Generationen? Maß- kehrssituation als auch die Umweltsituation wür- nahmen wie Lärmschutzwände, Feinstaubfilter den danach verbessert. Leider stimmt das einfach oder die Einrichtung von Umweltzonen kurieren ja nicht – in Marktwirtschaften kann es gar nicht stim- höchstens die Symptome. Bleibt unsere Mobilität men. Denn der forcierte Ausbau von Verkehrswe- künftig auf der Strecke? Der Dresdner Verkehrsöko- gen in einer Marktwirtschaft macht Verkehr nicht loge Prof. Dr. Udo Becker ist überzeugt: Nur eine nur flüssiger und schneller, sondern in der Folge systematische Veränderung des Verkehrsangebots auch wieder attraktiver für die Nutzer. kann langfristig und nachhaltig Mobilität sichern. como: Was ist daran so verwerflich? como: Herr Prof. Becker, welche Bedeutung hat für Becker: Wirklich verwerflich ist daran nichts, aber Sie der Begriff „Ökologie“ im Zusammenhang mit dumm ist es und ineffizient. Denn langfristig rea- Verkehr und Mobilität? gieren Menschen und Strukturen: Also wird auf der Becker: Wir Verkehrsökologen interessieren uns neuen, breiten Straße schnell noch mal mit dem vor allem für die dynamischen, langfristigen Reak- Auto Bier geholt, und weil die Staus kleiner und die tionen des Gesamtsystems. Wir definieren also Fahrzeiten kürzer geworden sind, ziehen viele Ökologie nicht als „Umweltschutz um jeden Preis“, noch weiter hinaus aufs Land. In der Summe erzeu- wie auch Mobilität nicht zwangsläufig bedeutet, gen diese zusätzlichen und weiteren Fahrten nach möglichst lange Strecken im Auto zu fahren. Auch kurzer Zeit dynamisch neue Staus – vielleicht an die Begriffe „Verkehr“ und „Mobilität“ werden ja anderer Stelle, in jedem Fall aber auf höherem heute anders gebraucht als früher. Stattdessen ver- Niveau. Die Folgen: Die Verkehrsmenge insgesamt stehen wir „Ökologie“ als Systemwissenschaft. steigt überdurchschnittlich an. Das bedeutet zugleich steigende Gesamtkosten, zunehmenden como: Wie sollten wir Verkehr und Mobilität sinn- Ressourcen-, Energie- und Naturverbrauch, zusätz- vollerweise definieren? liche Lärm- und Abgasbelastung und so weiter. All Becker: Ausgangspunkt ist immer ein individuel- diese Effekte werden aber die Lebensqualität ler Wunsch, außer Haus gelegene Orte und Gele- zukünftiger Generationen deutlich mindern. Es genheiten erreichen zu können, an denen sich be- wird ihnen womöglich genau das verwehren, was stimmte Bedürfnisse befriedigen lassen. Wenn ich wir heute genießen: Mobilität, Bewegungsfreiheit beispielsweise Hunger habe und Pizza essen möch- und Teilhabe. Für die Gesellschaft ist diese Strate- te, muss ich entweder die Zutaten einkaufen, ein gie eine ökologische und ökonomische Sackgasse, Restaurant erreichen oder einen mobilen Pizza- eben unintelligent und ineffizient. dienst beauftragen können. Alle drei Optionen soll- ten mir zur Verfügung stehen. Meine Nachfrage als como: Sollten wir also, um Verkehrsüberlastungen hungriger, potenzieller Verkehrsteilnehmer trifft zu vermeiden, ab sofort deutlich weniger unter- nun auf das Angebot vorhandener Infrastrukturen wegs sein? und Dienste der Verkehrssysteme. Die vorhande- Becker: Das wäre der falsche Ansatz – niemand soll nen Angebote bestimmen, ob ich mein Bedürfnis in zuhause eingemauert werden! Entscheidend ist einem vertretbaren Zeitrahmen zu Fuß, mit der doch, dass nicht etwa unsere Mobilität einge- Tram oder tatsächlich nur mit Hilfe eines Autos be- schränkt wird, sondern der Verkehr, also das friedigen kann. Die Verfügbarkeit bestimmter Mög- Instrument, mit dem diese Mobilität gesichert lichkeiten und Strukturen entscheidet mit darüber, wird. Das lässt sich durchaus schaffen, bei Perso- wie Menschen mobil sind. nen- und Güterverkehr gleichermaßen. Ausgangs- punkt für Mobilität und Verkehr sind ja immer indi- como: Nun werden immer neue Straßen gebaut viduelle Bedürfnisse nach – abstrakt ausgedrückt – und ausgebaut. Dennoch gehören Verkehrsstaus Lebenserhaltung und Lebensqualität. Müssen wir zu unseren größten Problemen. Reicht diese Ver- dazu das Haus verlassen, trifft die Mobilitäts-Nach- besserung der Verkehrsinfrastruktur nicht aus? frage auf das Angebot, also die Infrastrukturen und Becker: In der Vergangenheit bestand Verkehrspla- Dienste der vorhandenen Verkehrssysteme. Von nung oft aus dem reinen Ausbau der Verkehrswege. diesem Angebot hängt mit ab, ob viel oder wenig Vorrangig ging es um Leichtigkeit und Flüssigkeit Verkehr entsteht. Mit einem Satz: Für die Erhaltung des Verkehrs, um Milliardeninvestitionen vor allem der Mobilität ist weniger Verkehr zwingend geboten!
6 horizon como 02 | Juni 2009 „ Ziel unserer For- schungen ist es, für alle Menschen mehr bedürfnisgerechte Mobilität mit weniger Verkehr zu erreichen. Prof. Dr. Udo Becker, Verkehrsökologe como: Welche Aufgaben sind Ihrer Meinung zu Deshalb ist eine systematische, langfrisitige Ge- lösen, um nachhaltige Mobilität zu fördern? samtbetrachtung notwendig, die sich an den künf- Becker: Wir müssen schon heute vorsorgen, dass tigen Herausforderungen orientiert. Und Energie, auch noch in 20 oder 50 Jahren jeder zur Arbeit, Abgas, Klima und Lärm erzwingen einen Paradig- zum Einkauf, aufs Amt, in die Gaststätte und zum menwechsel. Hier sind Politiker und vor allem Arzt kommt, und zwar mit weniger Energie als Kommunen in der Pflicht. heute. Mobilität ist heute nicht nur ein wesentli- cher Wirtschaftsfaktor, sie ist ein Menschenrecht. como: Kann man das so generell sagen? Schließ- Deshalb betone ich nochmals: Die Forderung nach lich ist doch keine Stadt wie die andere. weniger Verkehr kann nicht bedeuten, auf Mobilität Becker: In der Tat müssen wir mit Stadtstrukturen zu verzichten. Im Gegenteil: Als Grundvorausset- auskommen, die meist über lange Zeiträume zung hoher Lebensqualität müssen wir uns Mobili- gewachsen sind, und können nicht wie beispiels- tät heute und in Zukunft erhalten. Aber es ist weise jetzt in Abu Dhabi nagelneue Städte aus dem sicher, dass Energie immer kostbarer, knapper und Boden stampfen. Grundsätzlich kennen wir zwei also teurer wird, also muss es uns gelingen, das mit Extreme der Siedlungstypen. In baulich kompakten weniger Energie, weniger Stahl, weniger Abgas, Städten mit zahlreichen Stadtteilzentren und Lärm, CO2 – eben mit weniger Verkehr zu schaffen. hoher Funktionsmischung lassen sich viele Bedürf- nisse im Nahbereich erledigen: mit geringen Kos- como: Lässt sich das durch technologische Lösungs- ten, wenigen Fahrzeugen, wenig Lärm, Flächenver- ansätze wie die intelligente Steuerung der Verkehrs- brauch und Abgas. Dagegen erfordern disperse, flüsse erreichen? Erst im vergangenen Jahr hat ja ausgedehnt flächenhafte Stadtstrukturen wie in ein Verkehrswissenschaftler Ihrer Universität, Arne westamerikanischen Städten sehr viel Individual- Kesting, den „Siemens ITS Award Straßenverkehrs- verkehr. Hier ist für die gleiche Besorgung immer technik“ erhalten ... ein weiter Weg mit dem eigenen Fahrzeug nötig, Becker: ... für eine durchaus nützliche Sache. Er und notwendigerweise sind Energieverbrauch, entwickelte einen Algorithmus, mit dem sich Ver- Bodenversiegelung, Emissionen und Gesamtkosten kehrsdaten von stationären Detektoren und beweg- überproportional hoch. lichen „Floating Objects“ zusammenführen und beispielsweise für eine zuverlässigere Verkehrs- como: Demnach haben baulich kompakte Stadt- flusssteuerung nutzen lassen. Ja, diese Fortschritte strukturen bessere Chancen auf mehr Mobilität sind richtig und notwendig, sie dürfen aber nicht mit weniger Verkehr. Wie aber lässt sich der gefor- dazu führen, dass der Verkehr attraktiver wird: derte Paradigmenwechsel praktisch erreichen?
como 02 | Juni 2009 horizon 7 Becker: Städtebauliche Monostrukturen müssen como: Neue Stadtstrukturen brauchen Zeit. Was aufgebrochen werden: Planer, Politik und Nutzer lässt sich tun, um die Menschen möglichst mor- müssen sinnvoll gemischte Nutzungen mit Büros, gen zum Umsteigen zu bewegen? Läden und Dienstleistern in der Nähe der Wohnun- Becker: Ökonomisch ist die Antwort einfach: Die gen sowie verkehrsberuhigte Bereiche schaffen. ökologisch richtige Entscheidung für Verkehrsmit- Diese Nahorientierung erlaubt dann neue und tel ist nicht durch Appelle, sondern nur durch die andere Verkehrsmittel im Öffentlichen Verkehr, richtigen Preissignale erreichbar. Ganz konkret heißt Alternativen zum erdölgetriebenen Individualver- das: Für alle Verkehrsteilnehmer müssen „kosten- kehr. Sobald Radfahrer, Fußgänger, Metro-, Stra- wahre“ Preise gelten, in denen auch externe Kosten ßenbahn- und Busnutzer alle wichtigen Ziele siche- – also Kosten für Dritte, Gemeinkosten für Bau und rer, schneller und leichter erreichen können als mit Erhaltung der Infrastruktur und so weiter – enthal- dem eigenen Auto, fällt das Umsteigen leicht. Dann ten sind. Die Kosten für Mobilität müssen die Wahr- gewinnen auch alle: Die Stadt wird sauberer und heit sagen. Ist dieses Prinzip verletzt, zahlen die leiser, die Umsteiger können unter attraktiven nachfolgenden Generationen die Zeche dafür, dass Angeboten wählen, und wer trotzdem nicht umstei- wir für bestimmte Verkehrsmittel heute schönge- gen kann oder will, kommt wenigstens besser voran. rechnete Niedrigpreise bezahlen. como: Und wie wollen Sie die jetzigen Mobilitäts- como: Städte und Verkehrsbetriebe sollten sich Gewohnheiten der Bürger ändern? also besser heute als morgen auf den Paradig- Becker: Radfahrer, Fußgänger und Nutzer des menwechsel fokussieren? Öffentlichen Verkehrs müssen klare Vorteile haben, Becker: So schnell wie möglich sogar, denn Ener- damit diese Systeme möglichst attraktiv werden gie wird auf lange Sicht deutlich teurer werden. Je und viele Leute sie nutzen. Nehmen wir beispiels- zeitiger eine Stadt ihre Verkehrsstruktur umstellt, weise die Energiekosten: Wer in unmittelbarer Nähe desto mehr Vorteile wird sie gewinnen. Ökologi- einer Tramhaltestelle wohnt, wer Läden, Kneipen, sche Vorteile, denn die Umweltbelastung kann frü- Ärzte und vielleicht sogar den Arbeitsplatz gleich her sinken. Ökonomische, denn der Paradigmen- um die Ecke hat, ist von hohen Kraftstoffpreisen wechsel kann längerfristig und damit effizienter weit weniger betroffen. Steigen die Spritpreise, trifft verlaufen. Und soziale Vorteile, denn die Bewohner das auch die Öffentlichen Verkehrsmittel, aber die können ihre Mobilitätsbedürfnisse auch künftig werden voller und die gestiegenen Betriebskosten befriedigen und fühlen sich wohl. verteilen sich auf mehr Köpfe. So kann der Preis für ein Ticket sogar sinken – und alle gewinnen. como: Herr Prof. Becker, herzlichen Dank.
horizon como 02 | Juni 2009 9 unterwegs Automatisierung ist Trumpf: Intelligente Transportlösun- gen sollen Verkehr effizien- ter und gleichzeitig komfor- tabler machen, Energie und Rohstoffe sparsamer einset- zen – und dabei den Men- schen in seinem zuneh- mend komplexen Umfeld entlasten. Wie lässt sich dies erreichen? Ein Blick auf Technologien und Entwick- lungen für zukunftsfähige Mobilität. S chneller, weiter, mehr – der Drang des Men- schen, sich selbst und seine Dinge möglichst komfortabel von einem Ort zum anderen zu bewegen, ist nahezu ungebrochen. Auf lange Sicht werden zunehmende Urbanisierung, demografi- scher Wandel und internationale Arbeitsteilung in globalen Märkten den Transportbedarf weiter stei- gern. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an Ver- kehrssysteme und Mobilitätslösungen: Schnellere Verbindungen, besserer Kundenservice und mehr Sicherheit von Mensch und Material stehen im Fokus. Energieressourcen und knapper werdende Rohstoffe müssen stärker geschont werden. Und schließlich soll Mobilität auch künftig für alle bezahlbar bleiben. Wie aber lassen sich all diese Forderungen erfüllen? Welche Technologien wer- den die Entwicklung der nächsten Jahre bestim- men und welche Rolle können intelligente Infor- mations- und Kommunikations-Systeme spielen? „Je komplexer Verkehrs- und Transportsysteme werden, desto schneller steigt die Flut der zu ver- arbeitenden Daten, Informationen und Abhängig- keiten“, weiß Huschke Diekmann, Chief Techno- logy Officer (CTO) und Leiter von Technology &
10 horizon como 02 | Juni 2009 Elektronische Mautsysteme, intelligente Postautomatisierung, zentrale Verkehrsleitstellen: Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen immer neue, optimierte Transport- und Logistiklösungen. Innovation, Siemens Mobility. „Oft scheint es, als zahlen kaum noch aufnehmen. „Erst leistungsfähige, seien diese Datenströme kaum noch zu beherr- intelligente Zugbeeinflussungssysteme wie Train- schen. Immer wieder haben zum Beispiel Flug- guard erlauben es, die Zahl der Züge und damit zeugabstürze oder Reaktorunfälle gezeigt, dass die Transportkapazität in einem vorhandenen fünf Sinne und ein menschliches Großhirn einfach Metro-Netz signifikant zu erhöhen“, sagt Diekmann. nicht ausreichen, in Stresssituationen aus der Flut „Zu den wirklichen Zukunftsthemen im Nahver- der Informationen und Hinweise die richtigen kehr gehört der voll automatisierte Taktbetrieb.“ Handlungen abzuleiten.“ Eine Konsequenz daraus: Dabei bringt klare Vorteile, dass Trainguard eine Ingenieure von Siemens verwenden besondere modulare, softwaregetriebene Automatisierungs- Sorgfalt auf die Entwicklung der Human Machine plattform ist: Sie nutzt Standard-Schnittstellen und Interfaces (HMI), Mensch-Maschine-Schnittstellen ist skalierbar, bleibt also auch bei einer künftigen wie beispielsweise Displays oder Bedienfelder in Auf- oder Umrüstung der Infrastruktur höchst flexi- Führerständen von Hochgeschwindigkeitszügen. bel. Beispielsweise lässt sich ein einmal installiertes „Wir müssen die Informationen so aufbereiten und System einfach neuen Anforderungen anpassen und darstellen, dass der Mensch sie zuverlässig, zeitnah stufenweise vom herkömmlich überwachten über und möglichst intuitiv erfassen, interpretieren und den halbautomatischen bis zum komplett fahrer- für richtige Entscheidungen nutzen kann“, erklärt losen Betrieb ausbauen. Diekmann. Bei Tempo 250 ist schließlich jeder Auf der traditionsreichen New Yorker Metro- Augenblick entscheidend – in jeder Schrecksekun- Strecke Canarsie Line hat Siemens dies bereits de des Fahrers legt der Zug fast 70 Meter Strecke 2007 zum weltweit ersten Mal realisiert – fast zurück. Die Entwickler müssen deshalb Fehlermel- unbemerkt von den Fahrgästen, doch in dreifacher dungen oder Sicherheitsalarme intelligent filtern Hinsicht richtungsweisend. Nicht allein, dass die und sie so übersichtlich und verständlich darstel- Strecke bei laufendem Betrieb von konventioneller len, dass der Fahrer nicht von einer Informations- Signaltechnik und festem Raumabstand auf auto- flut überfordert wird, sondern präzise Informatio- matische Zugbeeinflussung mit Moving Blocks, nen und Handlungsempfehlungen bekommt und flexiblen Zugabständen, umgerüstet wurde. In der möglichst wenig von seiner eigentlichen Tätigkeit Übergangszeit waren auch gleichzeitig Züge mit des Fahrens abgelenkt wird. Huschke Diekmann: und ohne Trainguard-Komponenten auf der Stre- „Diese neu entwickelten HMIs stehen für weniger cke unterwegs. Und per Funk, via Communication Stress beim Bediener, schnelle und sichere Diagnose Based Train Control, werden die Züge gesteuert. und schließlich die Unterstützung zum richtigen Handeln in einem komplexer werdenden Umfeld.“ Daten drahtlos überall verfügbar Auf einem ganz anderen Gebiet spielt automatische Schneller und sicherer fahren Identifikation seit längerer Zeit eine zentrale Rolle: Zugleich setzt Siemens verstärkt auf die Automati- der Postautomatisierung. Wurde zunächst die klas- sierung jener Tätigkeiten, die Computer schneller sische optische Identifikation von Postsendungen und präziser erledigen können als Menschen – bei- und Transportbeuteln – beispielsweise durch Beu- spielsweise das Führen von U-Bahnen. Bereits heute telfahnen mit aufgedrucktem Ziel – durch maschi- können mit herkömmlicher Signaltechnik ausge- nenlesbare Barcodes und 2D-Codes abgelöst, setzen rüstete Metros die stetig wachsenden Passagier- sich heute RFID-Anwendungen immer stärker durch.
horizon como 02 | Juni 2009 11 Radio Frequency Identification, die Technolo- tur unabhängige Funktechnologie eignet sich nicht gie zur eindeutigen und kontaktlosen Identifizie- nur zur flächendeckenden Maut-Erfassung auf dem rung von Objekten, kann ihre Stärken bei der weiträumigen Straßennetz der Slowakei – sie kann Postautomatisierung bestens ausspielen. Sie er- die Voraussetzungen für wirklich „faire“ Straßen- möglicht die schnelle und automatische Daten- benutzungsgebühren auf Basis tatsächlich gefah- übertragung mittels magnetischer Wechselfelder rener Kilometer schaffen. oder Radiowellen – anders als bei Barcode-Syste- Anders im Zentrum der britischen Hauptstadt men ist nicht einmal eine direkte Sichtverbin- London, wo in der 2003 eingerichteten Umwelt- dung erforderlich. ID-Träger, Tags genannt, lassen zone für Autos mit Verbrennungsmotor eine üp- sich sehr einfach mit aktuellen Daten ver sehen, pige „Congestion Charge“ fällig wird: Hier werden einzeln oder gleichzeitig im Pulk auslesen und intelligente Videosysteme eingesetzt, die Num- anschließend für die nächste Anwendung neu mernschilder der Fahrzeuge registrieren und mit beschreiben. Hilfe einer Datenbank abgleichen, ob die City-Maut Neben der vollautomatischen Steuerung und bereits bezahlt wurde. Das jüngste der von Siemens Überwachung von Postsäcken gehört heute das installierten Systeme verarbeitet die Kamera- Ver walten und Verfolgen von Rollcontainern zu signale schon vor Ort digital und überträgt die den wichtigsten Anwendungen: Über ein Asset- Daten über ein IP-Breitband-Netzwerk sicher ver- Management-System können so Bestand, Aufent- schlüsselt in die Zentrale. Huschke Diekmann: haltsort und Wartungszustand der Behältnisse „Video Scene Analysis läuft praktisch in Echtzeit immer aktuell gehalten werden. Auch die Messung ab. Die Elektronik arbeitet, ohne jemals müde zu von Laufzeiten ist mit Hilfe von RFID-Testbriefen werden, ohne menschliche Schwächen und Be- einfacher geworden. Nutzt man zusätzlich das Glo- findlichkeiten, sozusagen im Vorbeifahren.“ bal Positioning System GPS, lassen sich Weg und aktuelle Position einer Postsendung weltweit exakt nachverfolgen und aufzeichnen. Auf einen Blick mehr Sicherheit Freilich rücken zunehmend auch die Sicherheit Mit dem Verfahren lassen sich neben Fahrzeug- der Datenübertragung und die Integrität der kennzeichen auch Texte oder komplexe Bildinfor- Daten in den Vordergrund: Einer der wesentlichen mationen automatisch erkennen und auswerten. Vorteile des Verfahrens, das einfache Beschreiben Das dient nicht nur der Datenerhebung: In der der Tags mit Daten, könnte sich bei sicherheitsre- Öffentlichkeit können derart intelligente Videoan- levanten Informationen leicht ins Gegenteil ver- wendungen gleich aus zwei Gründen für deutlich kehren – als möglicher Angriffspunkt für geübte mehr Sicherheit sorgen. Subjektiv nämlich vermit- Hacker. Deshalb hat Siemens nun ein Sicherheits- teln augenfällige Kameras bei Passanten und Fahr- verfahren vorgestellt, das RFID-Informationen fäl- gästen ein Gefühl der Bewachung und steigern das schungssicher macht: Mit „Secure RFID“-Kennun- persönliche Sicherheitsempfinden. Objektiv können gen versehene Objekte lassen sich wie gewohnt elektronische Analysesysteme tatsächlich schon mit geringem Aufwand identifizieren, Datenma- heute Sicherheitsrisiken erkennen, die menschli- nipulationen aber sind nicht möglich. „Sinnvoll chen Beobachtern womöglich entgehen. erscheint diese Sicherheitstechnologie für zahl- So wertet die von Siemens entwickelte Bildana- reiche Mobilitäts-Anwendungen vom Zugangsaus- lyse-Software Railprotect mit intelligenter Bild- weis bis zur Monatskarte für die Bahn“, so Huschke erkennung verschiedene Videoquellen aus und Diekmann. „Bei Ersatzteilen kann der Unterschied erreicht selbst an stark frequentierten Orten wie zwischen Original und Fälschung sogar lebens- Bahnsteigen eine sehr hohe Erkennungsrate. Sie wichtig sein.“ ist beispielsweise in der Lage, auf Kamerabildern Personen und Gepäckstücke einander zuzuordnen und ständig den Abstand zwischen ihnen zu ver- Ein Plus auch für die Umwelt gleichen. Entfernt sich die Person für längere Zeit, Ganz andere Vorteile bringt die drahtlose Übertra- stuft das System das Gepäckstück als herrenlos ein gung von Daten beim Verkehrsdatenmanagement. und alarmiert die Sicherheitszentrale. Derzeit richtet Siemens im Auftrag des SkyToll- „Schon die verschiedenen Einzelanwendungen Konsortiums für die slowakische Straßenverkehrs- zeigen, dass diese Schrittmachertechnologien in behörde NDS (Národná dial´nicná spolocnost´ den kommenden Jahren eine Vielzahl optimier- a.s.) ein satellitengestütztes Lkw-Mautsystem ein, ter Mobilitätslösungen generieren können“, sagt das rund 2.400 Kilometer Straßen aller Kategorien Huschke Diekmann. „Ziel im Rahmen unserer Vi- kontrollieren wird. Es erfasst die Position von Lkws sion ‚Complete mobility‘ ist es allerdings, diese und Bussen ab 3,5 Tonnen Gewicht direkt über Technologien für intermodale Verkehrslösungen GPS-Empfänger an Bord und übermittelt die Daten einzusetzen, die nachhaltig, sicher, kostengünstig, zur Weiterverarbeitung über das Mobilfunknetz an flexibel und komfortabel für den Menschen sind.“ die Zentrale. Die von einer stationären Infrastruk- Die Voraussetzungen waren nie so gut wie heute.
12 horizon como 02 | Juni 2009 Ab durch Die Straßenbahn lebt! Jahrzehnte lang schienen Tram und Stadtbahn dem Auto hoffnungslos unterlegen. Doch die Vorzeichen haben sich geändert: Sogar in US-Städten wie Charlotte oder der texanischen Erd- öl-Metropole Houston sind moderne Light Rail Systeme erfolgreich. D er Paradigmenwechsel von der autogerechten zur bürgergerechten Stadt ist klar erkennbar: Rund um den Globus beleben derzeit über 50 Kommunen ihre Straßenbahnen neu – oder planen überhaupt zum ersten Mal ein Schienennetz. In Nordafrika, der Türkei und den Golf-Emiraten wer- den Stadtbahnlinien nach europäischem Vorbild installiert, in Portugal boomt die Tram ebenso wie in Spanien und Frankreich. Selbst im Autoland USA stehen Ausbau und Neubau der Netze ganz oben auf der Agenda. Dabei haben manche US-Städte schon jetzt die besseren Karten: Mehr als 15 Kom- munen und Verkehrsverbünde zwischen Pazifik und Atlantischem Ozean betreiben bereits Metro-, Stadtbahn- und Straßenbahnlinien mit Fahrzeugen von Siemens. Allein im Jahr 2008 verzeichneten die Betreiber von Stadt- und Schnellbahnsystemen durchweg zweistellige Zuwachsraten bei den Fahr- gastzahlen. Eine Metro für die Erdöl-Metropole: Houstons Stadtbahn entlastet die Houston: Erfolg auf der ganzen Linie wurde das Konzept einer weitgehend auf eigener Houston in Texas, wo nach 77 Jahren automobiler Trasse verkehrenden Stadtbahn verabschiedet. Vorherrschaft auf der Straße wieder ein schienen- Im Jahr 2001 begannen die Bauarbeiten, schon geführtes Nahverkehrssystem in Betrieb genom- im Januar 2004 startete der Betrieb. Dazu lieferte men wurde, ist eines dieser typischen Beispiele für Siemens als Marktführer für Stadtbahnen in Nord- Erfolg auf der ganzen Linie. Gut zwei Jahrzehnte amerika nicht nur die 18 Stadtbahnfahrzeuge selbst, hatte die Verkehrsgesellschaft Metropolitan Transit sondern auch die komplette Infrastruktur inklusive Authority, kurz „Metro“, bei Politikern und Bürgern Signal- und Kommunikationstechnik, Stromversor- der Vier-Millionen-Stadt für eine neue Tram gewor- gung und Oberleitungen. Und Siemens besorgte das ben: Das zentrale Geschäftsviertel „Downtown“ und gesamte Projektmanagement aus einer Hand – eine der Reliant Park, ein gut besuchtes Sport- und Frei- Novität in den USA. Damit profitierte Houston einer- zeit-Areal, sollten über eine Schienentrasse entlang seits von langjähriger Erfahrung aus weltweit mehr der Main Street verbunden werden. Doch in der als 40 erfolgreich durchgeführten Turnkey-Projek- Erdöl-Stadt Houston standen noch alle Signale auf ten, andererseits von internationaler Zusammenar- Automobil. Dann eine umfangreiche Technologie- beit in Sachen Technologie. So stammt zwar das Studie – und die Wende: Mit Beteiligung der Bürger Plattformkonzept der Avanto Stadtbahnzüge aus
como 02 | Juni 2009 horizon 13 die Mitte Rail“ stets gut für stabile Mietpreise. Die stauge- plagte Hauptstraße entwickelte sich zwischenzeit- lich sogar zu einer Art Boulevard: Neu angelegte Grünflächen, Straßenmöblierung und Kunstwerke entlang der Main Street fördern die Umsätze von Restaurants und Cafés. Charlotte: Im „Luchs“ am Stau vorbei Auch in Charlotte, der Wirtschaftsmetropole von North Carolina, wurde die neue Stadtbahn schnell zum Erfolgsmodell. Hier engagierte sich der repu- blikanische Bürgermeister Pat McCrory vor gut drei Jahren so vehement für die Realisierung dieses Nahverkehrsprojekts, dass er sogar seine politische Karriere davon abhängig machte. Sein Credo: Nur ein gutes Nahverkehrskonzept kann die Entwick- lung der Stadt fördern. Schon rund ein Jahrzehnt zuvor hatten die Bürger des gesamten Bezirks Mecklenburg County nach um- fangreichen Studien und öffentlichen Diskussionen einer speziellen Nahverkehrssteuer zugestimmt. Sie sollte die Umsetzung eines Infrastrukuturkonzepts, „2025 Integrated Transit/Land Use Plan“ genannt, finanziell absichern. Mehr Kundenzufriedenheit durch die Erweiterung bestehender Buslinien, bes- seren Service und die Installation der „Lynx“ (latei- nisch für Luchs) genannten schnellen Stadtbahn mit mehr als 33 Kilometer Strecke standen auf dem Pro- gramm. Pure Verschwendung sei das, ereiferten sich jetzt die politischen Gegner des Bürgermeisters! Doch die Vernunft siegte: Im Herbst 2007 nahm Charlotte Area Transit System (CATS), das Ver- kehrsunternehmen der Stadt, die erste Strecke der Innenstadt und fördert spürbar die wirtschaftliche Entwicklung. neuen „Lynx Rapid Transit Services“ in Betrieb. Von Stadtmitte und Kongresszentrum führt die gut 15 Kilometer lange „Blue Line“ mit 15 Stationen und 7 Deutschland, gefertigt werden die Niederflurfahr- Park-and-Ride-Plätzen nach Süden zur Interstate zeuge unter der Typbezeichnung S70 allerdings im 485, dem äußeren Straßenring um Charlotte. Bis kalifornischen Siemens Werk in Sacramento. Viele spät in die Nacht befahren 16 Stadtbahnen vom Typ Besonderheiten der Innenausstattung ließen sich S70 die Strecke im Taktverkehr. Dutzende Buslinien deshalb direkt vor Ort neu konzipieren und abstim- sind auf den Stadtbahntakt abgestimmt und sorgen men. Beispielsweise die besonders leistungsstarke dafür, dass Pendler und Bürger in Charlotte schnell Klimatisierung oder die hydraulisch verstellbaren und staufrei ihr Ziel erreichen. Einstiegsbereiche, die unterschiedliche Bahnsteig- Und das ist erst der Anfang, denn die zuständige höhen entlang der Strecke ausgleichen und Roll- Verkehrskommission erweiterte bereits die beste- stuhlfahrern oder Müttern mit Kinderwagen den hende Planung: Der „Transit Corridor System Plan“ niveaugleichen Zugang erlauben. sieht bis zum Jahr 2030 fünf radiale Hauptver- Das Konzept ging auf, die Main-Street-Stadt- kehrsadern vom Zentrum in alle wirtschaftlich bahn Houstons mauserte sich zum echten Wirt- wichtigen Stadtregionen vor. Kein Wunder, dass die schaftsfaktor. Neue Büros und Geschäfte konzen- Bürger mit großer Mehrheit die Nahverkehrspolitik trieren sich rund um die Haltestellen, auch bei von Bürgermeister Pat McCrory unterstützen. Sie Wohnimmobilien ist der Hinweis „Nähe Metro wählten ihn erneut ins Amt.
14 focus como 02 | Juni 2009
como 02 | Juni 2009 focus 15 Drangvolle Enge auf den Straßen, Autoschlangen dicht an dicht und atemberau- bend schnell wachsende Megacities: Im Zeitraffer- Tempo erlebt China, das Land des Roten Drachen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts den Aufbruch in eine neue Weltordnung. Ist die rasante Urbanisie- rung des Landes Ursache oder Folge dieses Wandels? In den Metropol-Regionen leben bereits rund 115 Millionen Menschen, also fast 10 Prozent der chinesischen Bevölkerung, zu- sammengedrängt auf nur 50.000 km² Fläche. Zugleich sieht sich die einstige Fahrrad-Nation mit zunehmenden Mobilitätsansprüchen ihrer Bürger und der Wirtschaft konfrontiert. Gewaltige Investitionen in eine moderne Infrastruktur, mit neuen Verkehrswegen und Transportsystemen auf der Schiene, der Straße und in der Luft, sollen den Verkehrsinfarkt verhindern – und werfen weitere Fragen auf: Steht eine Urbanisierung wie in China vielen westlichen Staaten erst noch bevor? Mit welchen Mobilitäts-Strategien lässt sich der Verkehrskollaps in Großstädten und Metropolregionen verhindern? Und wie kann Siemens mit integralen Lösungen für die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger, umweltfreundlichen Technologien und zu- kunftsweisenden Strategien neue Wege weisen? „Complete mobility“ im Land des Roten Drachen: China im Wandel
16 focus como 02 | Juni 2009 1 2 3 4 1 Glitzernde Enge auf Hongkongs Nathan Road: Wie in den boomenden Städten im Osten drängen sich Mensch und Auto auf engstem Raum. 2 Modern und aufstrebend: Schanghai bereitet sich auch durch den Ausbau des Metro-Netzes auf die Weltausstellung 2010 vor. 3 Kampf dem Stau: In Peking sind jetzt 500 neue Kreuzungsgeräte und ein modernes Verkehrs- managementsystem installiert. 4 Vom Bus in die U-Bahn: Seit in Guangzhou 1999 die erste Metro-Linie eröffnete, nutzen immer mehr Pendler das staufreie Verkehrsmittel. 5 Neuer Komfort im Untergrund: Die Pekinger U-Bahn mit derzeit acht Linien wird in rasantem Tempo modernisiert und erweitert. 6 Abheben im großen Stil: Das neue Terminal 3 des Flughafens Peking verfügt über eine der modernsten Gepäckförderanlagen weltweit. 5 6
como 02 | Juni 2009 focus 17 C hina wird mobil, und das im doppelten Sinn: men in den Aufbau: Der aktuelle Fünfjahres-Plan von Der seit gut zehn Jahren anhaltende wirt- 2006 bis 2010 reserviert rund 350 Milliarden Euro schaftliche Aufschwung im Reich der Mitte für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, doppelt hat eine wahre Völkerwanderung in die boomen- so viel wie in den fünf Jahren zuvor. Wegen der den Mega-Cities und Wirtschaftsregionen ausge- weltweit lahmenden Wirtschaft hat die Regierung zu- löst – und zugleich eine Motorisierungswelle unge- sätzliche Wirtschaftsförderungsprogramme in Höhe heuren Ausmaßes. Über 1,3 Milliarden Menschen von 4 Billionen Yuan aufgelegt, umgerechnet mehr leben in China, mehr als in Europa und den USA als 452 Milliarden Euro, die zu gut drei Vierteln in zusammen, und bis zum Jahr 2030 sollen weitere Schnellstraßen und Schienenwege, den Neu- und 200 Millionen hinzukommen. Doch die Bevölke- Ausbau von Flughäfen und andere Maßnahmen zur rungsdichte ist enorm unterschiedlich: Die meisten Mobilitäts-Infrastruktur investiert werden. Menschen leben in den Großstädten und Metropol- Allein der Sektor Straße wird mit gut 113 Milliar- regionen an der Küste, im Osten und Südosten des den Euro zusätzlich gefördert, denn die Fahrradna- Landes, und auf der Suche nach Business und tion wandelt sich zum Volk der Autofahrer. Die Wohlstand kommen täglich mehr hinzu. So hat sich rasch gewachsene Mittelschicht Chinas, die mit Schanghai mit rund 19 Millionen Einwohnern im jährlichen Gehaltssteigerungen von zehn Prozent Stadtgebiet zum größten chinesischen Ballungs- und mehr vom Wirtschaftswunder der vergange- „ raum entwickelt, die Hauptstadt Peking, Hongkong nen Jahre profitieren konnte, leistet sich nun das und Chongqing folgen gleich dahinter. „Ein Mega- eigene Auto. trend, der sich weiter verstärken wird“, weiß Joachim Noch kann man sie sehen, die Schwärme flinker Kraege, CEO von Siemens Mobility in China. „Ursache Radfahrer, die unser europäisches Bild von chinesi- der rasanten Verstädterung ist der fast unglaub- scher Mobilität so nachhaltig geprägt haben. Doch liche wirtschaftliche Aufschwung der ver- gangenen Jahre, der trotz der aktuellen Weltökonomie-Krise Chinas Bevölkerung strömt in die weiter gehen wird. Die Boom-Regionen des Ostens – Urba- Folge ist, dass die In- frastrukturen dieser nisierung im Zeitraffer-Tempo. Metropolen und ihrer Umgebung hoffnungs- los überlastet sind.“ Die Verkehrswege platzen aus den Nähten: in den vergangenen drei Jahren stieg die Zahl der Permanente Staus in den Großstädten, zu wenig chinesischen Autozulassungen um 60 Prozent, Transportkapazität in die boomenden Wirtschafts- allein in der Hauptstadt Peking zählt man täglich und Handelszentren, die vorhandenen Straßen- etwa 1.500 neue Fahrzeuge. Dabei besitzen noch und Schienenverbindungen sind den Anforderun- immer erst acht von 100 Haushalten einen eigenen gen nicht mehr gewachsen. Die chinesische Regie- Wagen. Die Folge: In Peking kommen Autofahrer rung hat diese Engpässe erkannt und investiert mit selbst auf achtspurigen Straßen oft nur im Schritt- vollen Händen, investiert kaum vorstellbare Sum- tempo voran. Radfahrer rollen zwar auf neu einge-
18 focus como 02 | Juni 2009 1 Peking Süd: Der ovale Riesenbau, größter Bahnhof Asiens, ist seit der Eröffnung im August 2008 einer von drei Personenverkehr-Hubs der chinesischen Hauptstadt. Einsteigen bitte! Die 24 Bahnsteige 2 des Südbahnhofs sind für bis zu 30.000 Fahrgäste pro Stunde aus- gelegt. Von hier startet der „Beijing-Tianjin Express Train“, kurz auch JJ DPL genannt. 3 Komfort auf Rädern: Dank verbreiterter Wagenkästen und Unterflurtechnik bieten die geräumigen Triebzüge bis zu 601 komfortable Sitzplätze. LED-Displays in- formieren die Fahrgäste auf Englisch und Chinesisch. 4 Ab nach Süden: Mit Tempo 120 durchquert der Hoch- geschwindigkeitszug zunächst die Pekinger Vororte wie Ying Ding Men, rund zwei Kilometer nach dem Start.
como 02 | Juni 2009 focus 23 Auf die Schnelle D ie Premiere ist geglückt: Chinas erste Stre- den gefer tigt, zwölf davon sind bereits zwi- cke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr schen Peking und Tianjin im Einsatz. Und das (HGV), 115 Kilometer lang, verbindet die mit einem vorbildlichen äquivalenten Benzin- Hauptstadt Peking mit der Hafenstadt Tianjin. verbrauch von 0,33 Liter pro Person und 100 Das Besondere an diesem Turnkey-Projekt, zu Kilometer. dem Siemens neben Signal-, Betriebsleit-, Bis 2020 sind etwa 16.000 Kilometer neuer Kommunikationstechnik, Stromversorgung, HGV-Strecken vorgesehen, die weltweit längs- Oberleitung und Systemintegration das ge- te mit mehr als 1.300 Kilometern wird die Ver- samte Projektmanagement beitrug: Nach kaum bindung zwischen Peking und Schanghai sein. 27 Monaten war alles fertig. Für diese Projekte entstehen weitere 100 Züge Parallel dazu die Fahrzeugproduktion: Die vom Typ CRH 3: Sie sollen mit je 16 Wagen für achtteiligen Velaro CN – in China als CRH 3 be- 1.060 Passagiere und 400 Metern Gesamtlänge zeichnet – sind reine Triebzüge, deren Antrie- die längsten HGV-Einzelzüge sein, mit Tempo be und Technikmodule unterflur über den 350 fahren und die Strecke Peking–Schanghai Zug ver teilt sind. Insgesamt 60 Velaro CN wer- in nur vier Stunden schaffen. 6 Wie der Wind: Knapp 100 Kilometer der neuen Schnellfahrstrecke sind als feste Betonfahrbahn ausgebildet und erlauben – in Verbindung mit dem erstmals in China eingesetzten europäischen Zugbeeinflussungs- system ETCS Level 1 – eine Maximal- geschwindigkeit von 350 km/h. 5 7 Energieeffizienz: Der Velaro, hier im Yi Zhuang Bahn- hof, ermöglicht mit seinem elektrischen Brems- Willkommen in Tianjin! Nach nur 30 statt 90 Minuten system eine Rückspeisung der Bremsenergie ins erreicht der „Beijing-Tianjin Express Train“ die Hafen- Netz. Der Effekt: 10 % gesparte Energie und re- stadt, die nun, was die Reisezeit angeht, sozusagen duzierter mechanischer Verschleiß. vor Pekings Haustür liegt.
Mit Highspeed in die Zukunft: Die bis zu 350 km/h schnellen Velaro CN Triebzüge verbinden Peking und Tianjin schneller und umweltfreundlicher als jedes andere Verkehrsmittel. www.siemens.com/mobility
24 focus como 02 | Juni 2009 1 2 4 1 Großer Bahnhof: Pekings neuer Südbahnhof ist Aus- 5 gangspunkt für HGV-Fahrten nach Tianjin. 2 Individualverkehr: Radfahrer prägen das westliche Bild von chinesischer Mobilität bis heute. 3 Funk-Verkehr in Guangzhou: GPS-Daten der Taxis werden zu Verkehrsinformationen verarbeitet. 4 Very British: Die Doppeldecker der Hong Kong Tram- way sind seit dem Jahr 1904 unterwegs. 5 Kultur-Betrieb: Auch vor dem Tor des Himmlischen Friedens ist moderne Verkehrsregelung nötig. 6 Stark und sparsam: HXD1 Doppellokomotiven ge- winnen beim Bremsen elektrische Energie zurück. richteten Extraspuren bequem am Stau vorbei, Maßnahmen also, die nur mit dem raschen Aus- doch der Smog erschwert das Atmen. bau des öffentlichen Nahverkehrs Wirkung zeigen Die Regierung handelt. Zur Olympiade im Au- – und China setzt traditionsgemäß auf die Schie- gust 2008 wurden sechs zusätzliche Metro-Linien, ne: Vor mehr als einem Jahrhundert errichtete ein neuer Großflughafen und eine Bus-Schnellbahn Siemens in Peking die erste elektrische Trambahn errichtet. Während der Spiele sperrte man abwech- (siehe „Tradition im Reich der Mitte“) und war selnd Fahrzeuge mit geraden oder ungeraden auch in jüngster Vergangenheit beim Ausbau der Kennzeichen-Endziffern aus und senkte parallel U-Bahn- und Metro-Linien gut vertreten. So wurde dazu die Fahrpreise für Bus und U-Bahn radikal. So die Pekinger Metro-Linie 10 mit Abzweig zum waren auf Pekings Straßen täglich rund 1,3 Millio- Olympiagelände für rund 30 Millionen Euro mit nen weniger Fahrzeuge unterwegs und die Men- Signal- und Leittechnik für den automatischen schen freuten sich über „Blaue Tage“ mit klarem Fahrbetrieb ausgerüstet. Auch Schanghai will im Himmel über einer smogfreien Hauptstadt. Heute Vor feld der Weltausstellung 2010 sein U-Bahn- ist die strenge Regel etwas gelockert: Je nach Num- Netz ergänzen, und der Stadtbahn-Boom beginnt mernschild gilt für jeden Pkw-Halter an einem Tag erst: In den nächsten Jahren sollen in 15 chinesi- der Woche ein Fahrverbot. schen Städten rund 1.700 Streckenkilometer neu entstehen. Wer die Strecke von Peking nach Schanghai – im- China setzt stark auf die Schiene merhin gut 1.200 Kilometer Luftlinie – auf der Stra- In Shenzen dagegen, der erst 25 Jahre jungen Nach- ße zurücklegen wollte, könnte das mittlerweile auf barstadt Hongkongs mit bereits 13 Millionen Einwoh- Autobahnen nach durchaus europäischem Maßstab nern, sollen die Bürger mit einer Citymaut zum Um- tun. „Nördlich von Hongkong sind die Fernstraßen steigen auf Busse und Bahnen bewegt werden. sogar schon auf Zuwachs angelegt“, weiß Joachim Kontrollsysteme nach Londoner Vorbild, wo digita- Kraege. „Je weiter man allerdings in den Westen le Kameras von Siemens automatisch die Kennzei- Chinas kommt, desto dünner und schlechter wird chen in die Low-Emission-Zone einfahrender Autos das Straßennetz.“ Dabei arbeiten die chinesischen erfassen, könnten auch in Chinas Metropolen für Straßenbauer mit immenser Geschwindigkeit. Jähr- die effektive Durchsetzung sorgen. lich werden fast 5.000 Kilometer neuer Autobahnen
como 02 | Juni 2009 focus 25 3 6 fertiggestellt. Das Fernstraßennetz umfasst mittler- zurückgestuft. Ein Alptraum für westliche Spedi- weile 53.000 Kilometer – vor zehn Jahren waren es teure, die just in time von China nach Europa lie- gerade 7.000 Kilometer – und ist bereits jetzt das fern müssen!“ zweitgrößte der Welt nach dem der Vereinigten Doch die Investitionen des Fünfjahresplans und Staaten. des Konjunkturpaketes 2008 sollen die Bahn schneller fit machen. Das Ausbautempo ist ähnlich hoch wie beim Straßenbau: Bis 2010 sollen rund Das Ausbautempo ist enorm hoch 90.000 Kilometer Bahnstrecken zur Verfügung ste- Zwar schrecken saftige Mautgebühren von rund hen. Einige Megaprojekte wie die 1.142 Kilometer 5 Euro pro 100 Kilometer vor allem private Auto- lange, 3,3 Milliarden Euro teure Tibet-Strecke von fahrer ab und sorgen so für einen akzeptablen Ver- Qinghai nach Lhasa, auf der wegen der dünnen kehrsfluss. „Der Gütertransport allerdings bleibt Höhenluft stets ein Arzt an Bord ist, oder die 115 auf absehbare Zeit ein kaum lösbares Problem“, Kilometer lange Schnellfahrstrecke zwischen Pe- gibt Kraege zu bedenken. Das verstopft die Straßen king und Tianjin (siehe Heftmitte) sind schon in weiter: „Das Wirtschaftswachstum lässt auch das Betrieb. Quer durch die Berge des Himalaja sind Transportvolumen anschwellen. Und rund 70 Pro- weitere mehr als tausend Kilometer nach Nordwes- zent der Transporte laufen über die Straße, weil der ten geplant. Und zwischen Peking und Schanghai, Lkw eben auch in China billiger und flexibler ist als Wuhan und Guangzhou sowie Wuhan und Shijaz- die Bahn.“ huang stehen etwa 16.000 Kilometer Hochge- Zumal die Schienen-Infrastruktur des Landes schwindigkeitsstrecken für Spitzengeschwindig- bisher nicht mit dem Boom mithalten konnte. Den keiten bis zu 350 km/h auf der Agenda. Die neuen Eisenbahnen fehlen ausreichend Container-Termi- Strecken verlaufen meist parallel zu den bestehen- nals für den Wechsel zwischen Straße und Schiene, den Gleisen und schaffen dort die dringend erfor- und auch für den Personenverkehr sind die Stre- derlichen Kapazitäten für den Güterverkehr. ckenkapazitäten auf absehbare Zeit viel zu gering. Dass dabei der Umweltaspekt nicht auf der Strecke Kraege: „Vor Feiertagen und Wochenenden haben bleiben muss, zeigen jene 180 HXD1 Elektroloks, die deshalb Kohletransporte für die Energieproduktion Siemens gemeinsam mit dem chinesischen Partner und Personenzüge Vorrang, Containerzüge werden CSR Zhuzhou Electric Locomotives Company baut.
26 focus como 02 | Juni 2009 Die 200 Tonnen schweren, bis zu 120 km/h schnellen Doppel-Lokomotiven dienen vorwiegend dem Kohle- transport auf der 630 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Datong, westlich von Peking, und der Ha- fenstadt Qinhuangdao. In Doppeltraktion ziehen sie bis zu 20.000 Tonnen schwere Züge. Das Besondere daran: „Zur Optimierung der Energieeffizienz sind diese Güterzug-Loks mit Energierückspeisung aus- gerüstet“, erklärt Kraege. „Während der Talfahrten arbeiten die Elektromotoren bremsend als Generato- ren, die gewonnene Energie fließt ins System zurück und verbessert die Energiebilanz um fast ein Drittel.“ Damit ergibt sich immerhin eine Energiemenge, mit „ der man eine deutsche Stadt mit mehr als 80.000 Ein- wohnern ein Jahr lang versorgen könnte. Während Chinas Hauptenergieträger Kohle über weite Strecken auf der Schiene transportiert wird, reisen Hightech-Produkte wie Computer und Bau- Schneller am richtigen Koffer: Auf dem Wuhan Airport bringt eine RFID-Gepäckmanagementlösung mehr Tempo und Sicherheit. Chinas Eisenbahner setzen gleichermaßen auf Hoch- derungen an eine zuverlässige Infrastruktur“, glaubt China-Experte Kraege. „Effizientes Ge - geschwindigkeit – und auf päck manage ment, leistungsstarke IT-Techno lo- gien zur Passagierabfertigung und die an weltweit Green mobility. mehr als 1.200 Flughäfen bewährte Befeuerungs- technik von Siemens lassen sich zu sammen mit Lösungen zur Energieversorgung, der Fluggast- Beförderung und der Sicherheitstechnik zu um- teile vorzugsweise per Luftfracht. Zwar haben fassenden Leistungspaketen in Turnkey-Qualität Chinas Flughäfen auch beim Frachtgeschäft noch schnüren.“ Nachholbedarf, doch hier ist ebenfalls Wachstum in In Sachen Verkehr wird Chinas Bedarf an zu- einem für westliche Verhältnisse schwindelerre- kunftsweisenden Ideen und effizienten Lösungen genden Tempo angesagt: Während beispielsweise auf Jahre hinaus weiter steigen, prognostiziert allein für die neue Landebahn des Frankfurter Kraege und weist darauf hin, dass auch Chinas Flughafens zehn Jahre Vorbereitung nötig waren, Hochschulen verstärkt auf die sorgfältige Ausbil- will China im Rahmen des aktuellen Fünfjahres- dung eigener Ingenieure setzen. Erst kürzlich plans bis zum Jahr 2010 vor allem im wenig er- schloss die renommierte Tongji-Universität eine schlossenen Westen des Landes 44 neue Airports entsprechende Kooperation mit der TU Graz und fertigstellen, zehn weitere wie Peking oder Schang- mit Siemens. Joachim Kraege: „Es kommt eben hai werden ausgebaut. darauf an, neu entstehende Strukturen von „Mit Steigerungen von bis zu 30 Prozent beim Beginn an intelligent miteinander zu verknüp- Luftfracht-Aufkommen und zunehmenden Pas- fen. An ‚Complete mobility‘ führt nun mal kein sa gier zahlen wachsen in China auch die Anfor- Weg vorbei – und China ist bereit.“
como 02 | Juni 2009 focus 27 Tradition im Reich der Mitte Seit 137 Jahren engagiert sich Siemens für Chinas Infrastruktur Als Siemens im Jahr 1872 China mit telegrafi- Nach der politischen Neuausrichtung der schen Anlagen versorgte, begann im Reich der Volksrepublik China in den Fünfziger Jahren Mitte das Zeitalter der Telekommunikation. Bald kamen die Geschäftsbeziehungen fast völlig galt der Name Siemens in China als Synonym für zum Erliegen. Doch gleich nach der Aufnahme die Modernisierung des Landes. diplomatischer Beziehungen zwischen der Bun- 1899 lieferte Siemens die erste elektrische desrepublik Deutschland und China 1972 konn- Straßenbahn Chinas nach Peking und baute te Siemens die traditionell gute Zusammenar- gleich noch das – für den Betrieb notwendige – beit wieder aufnehmen. erste Kraftwerk auf chinesischem Boden. Heute ist Siemens einer der führenden Infra- Die Gründung einer Niederlassung 1904 in strukturpartner Chinas – auch im Bereich Schanghai ebnete den Weg für die Siemens China Trans port und Logistik: für Postauto ma ti - Electrical Engineering Company GmbH, die im Jahr sierung und Gepäck- und Cargo-Management 1910 aus der Taufe gehoben und 1914 in Siemens an Flughäfen, komplette Flugfeldbeleuchtun- China Co. umbenannt wurde. gen, Parkmanagement-Lösungen, Verkehrsleit- Bis Ende der 1930er Jahre baute Siemens zahl- und -informationssysteme sowie zahlreiche reiche Kraft werke, elektrifizierte Kohle mi nen, Schienenverkehrslösungen – von der Betriebs- Städte und Hafenanlagen, lieferte Zementfabri- leittechnik über Bahnelektrifizierung bis hin ken und Spinnereien, Textilfabriken und Dampf- zum rollenden Material. loko motiven, Telefonsysteme und Kran ken - Einige Beispiele urbaner Mobilitätslösungen häuser und trug so wesentlich zur Verbesserung von Siemens sind auf den folgenden Seiten zu der Infrastruktur bei. sehen. Elektrisch in die Moderne: Ende des 19. Jahrhunderts installierte Siemens Chinas erste Straßenbahn in der Hauptstadt Peking (Bild links). Bald folgten Bahnen in weiteren aufstrebenden Städten wie Schanghai (Bild Mitte) und Tianjin.
28 focus como 02 | Juni 2009 Nanjing, Ostchina Für die Metro Linie 1 und, ab 2010, auch für die Linie 2 ist Siemens Infrastrukturpartner mit moderner Signal- und Steuerungstechnik. Weil das vorhandene Verkehrsleitsystem den An- forderungen der 6-Millionen-Stadt nicht mehr ge- nügt, soll nun ein zentrales Sitraffic Steuersystem installiert und zunächst 95 Kreuzungen mit speziell für Wachstumsregionen entwickelten, skalierbaren Sitraffic MCU-6 Controllern zur Echtzeiterfassung Abhilfe tut Not: Den stetig wachsenden Straßenverkehr in Nanjing kann die und -verarbeitung ausgestattet werden. bisherige Verkehrsregelungstechnik nicht mehr verkraften. Wuhan, Zentralchina Die Hauptstadt der Provinz Hubei mit 4,2 Millionen Das 2007 am Wuhan Airport installierte Bag- Einwohnern entstand durch die Zusammenlegung gage Handling System mit insgesamt acht Sima- der Städte Wuchang, Hankou und Hanyang. Im bis- tic RFID Baggage Identification Systemen an Stelle her größten Einzelprojekt für Verkehrsmanage- der sonst üblichen Barcode-Leser nutzt spezielle ment in China wurden hier 426 Kreuzungen neu RFID Labels. Diese Gepäckanhänger sind mit ausgestattet. Das Turnkey Projekt umfasste unter einer integrierten Antenne, einem Mikropro- anderem 2.500 Lichtsignale und 426 ST800 Con- zessor und einem Schreib-Lese-Speicher ausge- troller, die in Echtzeit mit einem zentralen Scoot/ stattet. Weil sich die gespeicherten Daten bei UTC System und zwei Sub-Systemen verbunden Bedarf aktualisieren oder überschreiben lassen, Wuhan: Neue Verkehrs- sind. Zur visuellen Überwachung des Verkehrs- können die Bag Tags auch mehrfach verwendet technik gegen Staus. flusses wurden 35 CCTV-Kameras installiert. werden. Guangzhou, Südchina Für die 18 Kilometer lange U-Bahn-Strecke der Metro Linie 1, die den Südwesten der Stadt mit der Guang- zhou East Railway Station verbindet und zum Teil unter dem Perlfluss verläuft, übernahm Siemens Modernste 1994 in einem Turnkey Projekt die Führung und Technik: Auch übergab 1998 das komplette System schlüsselfertig. in Guangzhou Für die Metro-Linien 2, 3 und 8 wurden bis heute geht der Signal-, Steuerungs- und Antriebstechnik sowie 40 Metro-Ausbau dreiteilige Züge für bis zu 120 km/h geliefert, die zügig voran. Linien 4 und 5 wurden mit dem Automatic Train Control System Trainguard MT ausgerüstet. Service“ genutzt und auf einem Floating-Car-Data- Auch bei der neuen, rund 32 Kilometer langen Server von Siemens so aufbereitet, dass Telekom- Guangfo-Intercity-Verbindung nach Foshan im Perl- Anbieter China Mobile Mehrwertdienste mit aktuel- flussdelta, die bis 2012 fertig sein soll, ist Siemens len Verkehrsinformationen anbieten kann. Partner für Signal- und Antriebstechnik. Seit Ende 2002 ist das Guangzhou Postsortier- Gut 17.000 Taxis der Stadt übermitteln alle 20 und Verteilzentrum in Betrieb. Siemens als Gene- Sekunden ihre Positions- und Bewegungsdaten via ralunternehmer war für die Planung, Lieferung GPS an die Taxizentrale. Im Rahmen eines Pilotpro- und Installation der elektrischen sowie mechani- jekts werden diese Daten jetzt auch für das Verkehrs- schen Ausrüstung und die Steuerungstechnik ver- informationssystem „Real Time Traffic Information antwortlich.
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