Grundausbildung - Österreichisches Verfassungsrecht - Jahrgang 2020/2021 - Land ...
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Österreichisches Verfassungsrecht Grundausbildung Verwaltungsfachdienst Gemeinden Jahrgang 2020/2021 1
Vorwort Sehr geehrte Lehrgangsteilnehmer/innen! Dieses Skriptum ist für den Lehrgang Verwaltungsfachdienst der Salz- burger Gemeindebediensteten konzipiert. Es beinhaltet Grundsätzliches zum Österreichischen Verfassungsrecht und zur Europäischen Union. Die Rechtslage ist zum Stand 1. Jänner 2021 berücksichtigt. Der Erwerb von Grundkenntnissen über den Aufbau und die Organe unseres Bun- deslandes, unserer Republik und der Europäischen Union ist namentlich für eine Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung nicht nur für die Prüfung nützlich und wichtig! Es bleibt sehr zu hoffen, dass die aufgrund der Corona-Pandemie jetzt jeweils geltenden Beschränkungen die organisatorische Durchführung des Lehrgangs 2020/21 nicht allzu sehr beeinträch- tigen! Zur Absolvierung der noch ausständigen Module und zur Vorbereitung auf die Prüfungen wünsche ich Ihnen jedenfalls al- les Gute und viel Erfolg – und bleiben Sie alle gesund! Salzburg, im Februar 2021 HR Dr. Peter Schernthaner Copyright 2021 by Dr. Peter Schernthaner, Salzburg – alle Rechte vorbehalten! 2
Inhaltsverzeichnis: Staat, Staats- und Regierungsformen ................................................................ 4 Grundlegendes zur Verfassung .......................................................................... 8 Grundprinzipien .................................................................................................. 9 Neutralität ......................................................................................................... 25 Kompetenzverteilung ........................................................................................ 26 Nationalrat ........................................................................................................ 31 Bundesrat ......................................................................................................... 32 Bundesversammlung ........................................................................................ 33 Salzburger Landtag .......................................................................................... 34 Stellung der Parlamentarier .............................................................................. 36 Bundesgesetzgebung ....................................................................................... 37 Landesgesetzgebung ....................................................................................... 38 Instrumente der direkten Demokratie ............................................................... 39 Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung ......................................... 41 Bundespräsident............................................................................................... 42 Bundesregierung .............................................................................................. 44 Salzburger Landesregierung ............................................................................ 46 Gemeinderecht - Wirkungsbereiche ................................................................. 49 Gemeindeorgane .............................................................................................. 52 Stadt mit eigenem Statut .................................................................................. 54 Gemeindeaufsicht ............................................................................................. 54 Behördenorganisation ...................................................................................... 59 Rechtsschutz und Kontrolle .............................................................................. 62 Verwaltungsgerichte ......................................................................................... 65 Verwaltungsgerichtshof .................................................................................... 66 Verfassungsgerichtshof .................................................................................... 67 Volksanwaltschaft ............................................................................................. 67 Die Europäische Union ..................................................................................... 69 Organe der EU ................................................................................................. 73 4 Freiheiten der EU .......................................................................................... 76 Rechtssetzungsakte der EU ............................................................................. 77 Der Weg der EU-Gesetzgebung ....................................................................... 78 Die Bundesländer und die Gemeinden im Verhältnis zur EU ........................... 79 Europäischer Ausschuss der Regionen ............................................................ 79 3
Staat, Staatselemente und Rechtsordnung Was ist ein „Staat“? Der Staat ist ein mit Herrschaftsgewalt ausgestatteter Zu- sammenschluss sesshafter Menschen auf einem fest umgrenzten Territorium. Recht- lich gesehen ist der Staat eine juristische Person, der durch Organe handelt. Die drei Elemente eines Staates sind sohin: Staatsgebiet: Das Staatsgebiet ist jenes Gebiet, auf dem der Staat seine Herrschaft ausübt, auf dem er also verbindlich anordnen und seine Anordnungen durchsetzen kann. Dies bedeutet, dass der Staat die Gebietshoheit besitzt. Normalerweise dürfen nur die Organe des betreffenden Staates – nicht jedoch die Organe anderer Staaten – auf dem Staatsgebiet Herrschaftsrechte ausüben. Zur Info: Das heutige Staatsgebiet Österreichs geht auf den Staatsvertrag von St. Germain 1919 zurück, wobei der endgültige Grenzverlauf zum damaligen Jugoslawien und zu Ungarn durch Volks- abstimmungen in den Jahren 1920 und 1921 fixiert wurde. Erst im Staatsvertrag von 1955 wurde auch völkerrechtlich festgelegt, dass die Grenzen Österreichs jene vom 1.1.1938 sind. Eine Änderung des Bundesgebietes bzw der Landesgebiete kann nur durch übereinstimmende Ver- fassungsgesetze des Bundes und der betreffenden Länder erfolgen (paktierte Gesetzgebung). Staatsvolk: Unter dem Staatsvolk versteht man die Gesamtheit aller Personen mit zugehöriger Staatsbürgerschaft. Im Inland wohnende Personen mit anderer Staatsbürgerschaft oder Staatenlose genießen eingeschränkte Rechte und unterliegen eingeschränkten Pflichten. (Vergleiche in diesem Konnex auch die aktuellen Debatten um den Rechtsstatus von Flüchtlingen.) Staatsgewalt: Die Staatsgewalt bedeutet die Befugnis und Fähigkeit, den Herrschaftsunterworfenen mit verbindlichen Befehlen (Gesetzen, Einzelakten) gegenüberzutreten und diese, wenn nötig, mit Zwang durchzusetzen. Die Souveränität eines Staates befähigt die- sen, seine Beziehungen nach außen und seine Angelegenheiten im Inneren selbst zu regeln. Die Beziehungen zwischen den Staaten regelt das Völkerrecht. Öster- reichs Souveränität ist durch die Mitgliedschaft in der EU stark eingeschränkt, da den EU-Organen weitreichende Befugnisse zukommen. Rechtsordnung: Die für alle verbindliche Ordnung wird durch die Beschlüsse der gesetzgebenden Organe (Nationalrat, Landtage, Rat der EU und Europäisches Parlament) schriftlich in Gesetzen festgehalten. Aus allen geltenden Gesetzen und Verordnungen ergibt sich das in Österreich gültige Recht. Die Vorschriften der Rechtsordnung unterscheiden sich von anderen „Gebo- ten“ oder „Vorschriften“ dadurch, dass sie mit staatlichem Zwang durchsetz- bar sind. 4
Staats- und Regierungsformen Staatsform – Monarchie Republik: Bei den Staatsformen kann zwischen der Monarchie und der Republik unterschieden werden, je nachdem, welches Staatsorgan an der Spitze des Staates steht und diesen nach außen repräsentiert. In der Monarchie erhält der Monarch sein Amt in der Regel durch Erbfolge und ist dem Volk gegenüber nicht verantwortlich (nicht „abwählbar“). PARLAMENT In der absolutistischen Monarchie übt der Monarch die oberste Herrschaftsgewalt un- eingeschränkt aus. Er ist an keine Funktionsperiode gebunden und niemandem verant- wortlich (= als Regierungsform eine Diktatur – siehe auch unten). In der konstitutionellen Monarchie teilen sich der Monarch und eine Volksvertretung die Herrschaft (= als Regierungsform eine Demokratie mit bestimmten Einschränkungen zu- gunsten des Monarchen). In der parlamentarischen Monarchie hat der Monarch nur mehr repräsentative Aufgaben (= als Regierungsform eine Demokratie). In der Republik wird in der Regel ein Präsident auf bestimmte Zeit gewählt. In einer demokratischen Republik übt letztlich das Volk die Herrschaftsgewalt aus. Es wählt regelmäßig auf eine bestimmte Zeit seine Volksvertreter. Daneben gibt es andere Arten von Republiken, bei denen die Herrschaftsgewalt nicht oder nicht ausschließlich vom Volk ausgeht. In einer „Volksrepublik“ kommunistischer Prägung zB wird die Herrschaftsgewalt in der Regel durch eine kleine Gruppe ausgeübt (Oligarchie = Herr- schaft einer Clique). Regierungsform – Demokratie Diktatur: Ob eine Monarchie oder eine Republik eher demokratisch oder eher als Diktatur organi- siert ist, hängt letztlich von der Regierungsform ab. Diese gibt Auskunft darüber, wie ein Staat regiert wird und wie die regierenden Organe in diese Position gelangen. Hier gibt es in der Realität auch viele Mischformen. 5
Staatselemente, Staatsformen, Regierungsformen - zum Überlegen: 1. Sie entdecken im Ozean eine unbewohnte Insel und wollen dort mit ihrer Familie einen eigenen Staat gründen... 2. Was glauben Sie: Sind Österreichs Grenzen überall ganz klar festgelegt? 3. In einem afrikanischen Staat wurde die bestehende Regierung durch Putschisten abgesetzt, nichts funktioniert mehr, es "regiert" das blanke Chaos... 4. Besteht für ausländische Kinder mit Wohnsitz in Österreich Schulpflicht? Wenn ja, wieso eigentlich? 5. Wo genießt das Volk mehr Freiheiten: Im Königreich Schweden oder in der Volksrepublik China? 6. Der Luftraum über Österreich gehört zum österreichischen "Staatsgebiet". Wieso donnern dann täglich tausende ausländische Flugzeuge über unser Staatsgebiet? 7. Welches Ereignis aus der jüngsten Geschichte Österreichs bedeutete wohl eine sehr große Beeinträchtigung für seine Souveränität? 8. Die PLO geht von der Existenz eines eigenen Palästinenserstaates aus... 9. War die DDR vor der Wende des Jahres 1989 wirklich eine „demokratische“ Republik? 10. Um welche Staatsformen/Regierungssysteme handelt es sich bei folgenden Staaten: Bundesrepub- lik Deutschland, Großbritannien, Spanien, Schweden, Ungarn, Polen, Luxemburg, Italien, Vatikan, Liechtenstein, Türkei, Kuba, Nordkorea? 6
Zur Information: DIE ENTWICKLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN BUNDESVERFASSUNG 1867 – 1918: „Dezemberfassung 1867“: Österreich-Ungarn ist eine (konstitutionelle) Dop- pelmonarchie (Kaiserreich Österreich – Königreich Ungarn). Franz Josef I und sein Nachfolger Karl I waren jeweils Kaiser und König in Personalunion. B–VG 1918 – 1920: 1920 Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg Zusammenbruch der Monarchie; Friedensvertrag von § St. Germain; Errichtung der Republik Österreich als Bundesstaat aus den deutschspra- chigen Teilen der ehemaligen Monarchie (mit Ausnahme von Südtirol, des Sudetenlandes, der Untersteiermark ...). November 1920: Inkrafttreten des Bundes–Verfassungsgesetzes 1920 (B-VG), ausgearbei- tet von Hans Kelsen; starke Stellung des Nationalrates, Bundespräsident hat nur repräsentative Aufgaben. 1929: Einschneidende Änderung des B-VG: Kompetenzverschiebungen zu Gunsten des Bundes; Aufwertung der Befugnisse des Bundespräsidenten. Hintergrund politische und wirtschaftliche Krisenzeit. 1933/34 – 1938: Zuspitzung der politischen Auseinandersetzungen, Bürgerkrieg, „Selbstausschaltung“ des Nationalrates auf Grund des Rücktritts der drei NR-Präsidenten; Bundesregierung stützt sich auf ein kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz aus der Zeit vor 1918 und erlässt schließlich die „Verfassung 1934“. Österreich bleibt zwar eine Republik („Ständestaat“), es gibt jedoch kein frei gewähltes Parlament mehr, politisch oppositionelle Parteien werden verboten bzw gewalt- sam bekämpft. 1938 – 1945: Bundesverfassungsgesetz vom 13. März 1938: Österreich wird (als die „Ostmark“) mit Deutsch- land „wiedervereinigt“ und damit ein Teil des nationalsozialistischen Führerstaates; später dann Aufteilung in die Alpen- und Donaugaue; umfassende Übernahme von reichsdeutschen Vor- schriften; furchtbares Leid und große Zerstörungen durch Diktatur und den Zweiten Weltkrieg. 1945 – 1955: Bereits im Oktober 1943 erklärten die Alliierten bei einer Konferenz im Kreml als eines ihrer Kriegsziele, die Souveränität Österreichs wieder herzustellen. Diese „Moskauer Deklaration“ war dann eine der Grundlagen für die Wiedererrichtung der Republik, die am 27. April 1945 in Wien durch die „Unabhängigkeitserklärung“ erfolgte. (Der Anschluss an Deutschland wurde darin für „null und nichtig“ erklärt.) Einsetzung einer provisorischen Staatsregierung und Wie- derinkraftsetzung des B-VG 1920 in der Fassung von 1929. Österreich bleibt 10 Jahre lang durch die Alliier- ten besetzt. Erst durch den Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 Ende der Besatzungsära. 26. Oktober 1955 Neutralitätsgesetz. 1955 bis zur Gegenwart: Das B-VG wurde in Anpassung an die gesellschaftlichen Entwicklungen wiederholt novelliert (zB „Gemeinde- rechtsnovelle“ 1962, durch die die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Gemeinderechtes neu gestaltet wurden; Einführung der Volksanwaltschaft; Aufwertung des Bundesrates). Die wesentlichste Änderung seit 1955 bedeutete der mit 1. Jänner 1995 wirksam gewordene Beitritt Österreichs zur EU (B-VG – Novelle 1994), da mit diesem viele hoheitliche Aufgaben an die Organe der EU abgegeben wurden. Mit 1.1.2014 wurde als ein bedeutender Reformschritt eine zweistufige Verwaltungsgerichts- barkeit eingeführt. November 2020: Unser B-VG besteht seit 100 Jahren!! 7
Grundlegendes zur Verfassung Die Verfassung stellt die Grundlage der staatlichen Ordnung dar. Sie baut auf gewis- sen politischen Ideen auf, nach welchen die staatliche Ordnung gestaltet sein soll. Dies spiegelt sich dann in den Grundprinzipien einer Verfassung wider. Die Verfassung regelt insbesondere, wer zur Rechtserzeugung und Rechtsaufhebung be- rufen ist und wie dabei vorzugehen ist. Darüber hinaus enthält die Verfassung eines demokratisch organisiertes Staates die ga- rantierten Grundrechte des Einzelnen und unterwirft das staatliche Handeln genauen Re- gelungen. Verfassungsrecht kann nur wieder durch Verfassungsgesetze (nicht durch einfache Ge- setze) aufgehoben, geändert oder ergänzt werden. (In Österreich bedarf es dazu der An- wesenheit von wenigstens der Hälfte der Nationalratsabgeordneten und einer Zweidrittel- mehrheit bei der Abstimmung.) In Österreich gibt es auf Bundes- und Landesebene eine Vielzahl von Verfassungsgeset- zen und zusätzlich viele Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen. (Dies bedeu- tet eine starke Zersplitterung des Verfassungsrechts.) Beispiele für Bundesverfassungsgesetze - Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) [ursprüngliche Fassung vom 1. Oktober 1920, in Kraft getre- ten am 20. November 1920] - Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichs- rate vertretenen Königreiche und Länder vom 21. Dezember 1867; - Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden vom 3. April 1919; - Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen vom 3. April 1919; - Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948) - Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs; - Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit vom 29. No- vember 1988; - Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vom 9. September 1994. Salzburger Landesverfassungsgesetze - Landes-Verfassungsgesetz 1999 - Salzburger Stadtrecht 1966 8
DIE GRUNDPRINZIPIEN DER ÖSTERREICHISCHEN BUNDESVERFASSUNG IM ÜBERBLICK: PARLAMENT DEMOKRATISCHES REPUBLIKANISCHES BUNDESSTAATLICHES GRUND- PRINZIP RECHTSSTAATLICHES LEGISLATIVE GEWALTEN- EXEKU- JUDIKA- TIVE TIVE TRENNENDES ? ? ? ? ? NEUTRALITÄT „immer- währende“ Neutralität!! 26.10.1955 9
Allgemeines zu den Grundprinzipien Die leitenden Prinzipien (bzw Grundsätze) legen fest, wie unser Staat im Wesentli- chen aufgebaut ist. Wird eines dieser Grundprinzipien beseitigt oder wesentlich geän- dert, bedeutet dies eine Gesamtänderung der Bundesverfassung. Um eine derartige Veränderung der Bundesverfassung herbeizuführen, muss neben der Änderung von Verfassungsrecht (Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat erforderlich!) auch zwingend eine Volksabstimmung durchgeführt werden (so geschehen im Jahr 1994 vor dem EU-Beitritt). Das demokratische Grundprinzip Art 1 B-VG bestimmt: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Dies bedeutet vor allem, dass die Rechtsunterworfenen selbst das Recht erzeugen und dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Demokratie bedeutet Herrschaft durch das Volk. In Österreich nimmt das Volk allerdings in aller Regel nur mittelbar an der Rechtser- zeugung durch die Wahl von Repräsentanten in den Nationalrat und die Landtage teil. In gewisser Weise eingeschränkt ist das demokratische Prinzip bei der Erzeugung von EU-Recht, da dieses Recht ja nicht mehr (nur) vom österreichischen Staatsvolk aus- geht. In Österreich gibt es aber auch Instrumente einer direkten Demokratie, und zwar die Volksabstimmung, das Volksbegehren und die Volksbefragung. Das B-VG sieht auch ausdrücklich eine Mitwirkung des Volkes als Geschworene und Schöffen an der Strafgerichtsbarkeit vor. Das republikanische Grundprinzip Der Charakter Österreichs als Republik ergibt sich aus der zeitlich begrenzten, poli- tisch und rechtlich verantwortlichen Position seines Staatsoberhauptes, des Bundes- präsidenten. Der Bundespräsident wird vom Wahlvolk direkt auf sechs Jahre gewählt, er ist absetzbar und für seine Amtsführung verantwortlich. Das republikanische Prinzip bedeutet eine Absage an jede Art der Monarchie, es hängt historisch mit der Gründung des Staates Österreich nach dem Zusammen- bruch der Monarchie 1918 zusammen. (Bis vor wenigen Jahren war Mitgliedern von regierenden oder ehemals regierenden Häu- sern das passive Wahlrecht zum Bundespräsidenten verwehrt.) 10
Das bundesstaatliche Grundprinzip Österreich ist gemäß Art 2 B-VG ein „Bundesstaat“, der aus dem Bund ("Oberstaat") und neun selbständigen Bundesländern ("Gliedstaaten") gebildet wird. (Die Bundesländer waren früher zum Großteil bereits Kronländer der Monarchie.) Im Bundesstaat Österreich sind die drei Staatsgewalten (Gesetzgebung, Rechtssprechung, Vollziehung) zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt; sind die Bundesländer durch ein besonderes Organ (Bundesrat) an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt; sind die Bundesländer im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung an der Vollziehung des Bundes beteiligt; erfolgt ein der Aufteilung der Staatsfunktionen entsprechender Finanzausgleich. Das rechtsstaatliche Grundprinzip Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt wer- den. Das rechtsstaatliche Prinzip bedeutet, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und letztendlich in der Verfassung begründet sein müssen. Die Rangordnung der einzelnen Normen zueinander ergibt sich aus dem Stufenbau der Rechtsordnung. Die niedrigere Rechtsnorm darf nicht gegen eine höhere Rechtsnorm verstoßen. So muss zB ein einfaches Gesetz dem Verfassungsrecht entsprechend und eine Verordnung darf nicht gesetzwidrig sein. Das EU-Recht genießt in allen Fällen An- wendungsvorrang. EU – Recht Verfassungsrecht einfache Gesetze Verordnungen Urteile, Bescheide 11
Gesetze und Verordnungen: Alle schriftlich festgelegten und allgemein verbindlichen Rechtsnormen, welch sich an einen individuell nicht bestimmten Adressatenkreis richten, bezeichnet man als „Ge- setze im materiellen Sinn“. Alle von gesetzgebenden Organen ergehenden Vorschriften (EU-Vorschriften, Bun- desgesetze, Landesgesetze) sind Gesetze im formellen und im materiellen Sinn. Die von den österreichischen Verwaltungsbehörden zu erlassenden Verordnungen werden auf der Grundlage von Gesetzen erlassen. Da sich diese Vorschriften auch an einen individuell nicht bestimmten Adressatenkreis richten, sind sie (nur) „Gesetze im ma- teriellen Sinn“. Bei den Verordnungen unterscheidet man zwischen Durchführungsverordnungen (Er- lassung aufgrund eines einfachen Gesetzes) und verfassungsunmittelbaren (gesetzes- vertretenden) Verordnungen (Erlassung unmittelbar auf der Grundlage einer Verfas- sungsbestimmung) Gesetze und Verordnungen im Stufenbau der Rechtsordnung: 12
Der Rechtsstaat soll sein ein: Verfassungsstaat Die staatlichen Einrichtungen und das staatliche Handeln müssen auf die Gesetze bzw die Verfassung und das EU-Recht rückführbar sein. Dies bedeutet: Schutz vor willkürlichem Handeln des Staates. Gesetzesstaat Die Gesetze müssen Rechte und Pflichten des Einzelnen relativ bestimmt festlegen und allgemein kundgemacht werden. (Riesenproblem: Gesetzesflut und unlesbare Gesetze!) Rechtsschutzstaat Die den Bürgern eingeräumten Rechte müssen für diese auch durchsetzbar sein. Dies wird vor allem durch die Existenz unabhängiger Gerichte und die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Grund- rechten sichergestellt. Wichtige Kontrolleinrichtungen sind zB: Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder, Oberster Gerichtshof, Rechnungshöfe, Volksanwaltschaft… 13
Das gewaltentrennende Grundprinzip Dieser Grundsatz ist nicht ausdrücklich im B-VG normiert und beruht auf der Überlegung, dass die Staatsmacht (politische Macht) geteilt werden muss, um Missbrauch zu verhin- dern. Diesem Ziel dient in der österreichischen Bundesverfassung die Trennung von Ge- setzgebung, Rechtssprechung (Gerichtsbarkeit) und Verwaltung (Vollziehung) einer- seits und eine gegenseitige Kontrolle dieser Staatsgewalten andererseits. Die Gesetzgebung wird durch den Nationalrat (gemeinsam mit dem Bundesrat) und die Landtage (gesetzgebende Körperschaften) wahrgenommen. Die Rechtssprechung er- folgt durch unabhängige, unabsetzbare und unversetzbare Organe (richterliche Orga- ne). Die Verwaltung erfolgt durch (in der Regel) weisungsgebundene und weisungsbe- rechtigte Organe. Zwischen den einzelnen Staatsfunktionen soll es im Regelfall keine wechselseitigen Wei- sungsbeziehungen oder Instanzenzüge geben. (Über Beschwerden gegen Entscheidun- gen der Verwaltungsbehörden entscheiden seit 2014 aber im Regelfall unabhängige Ver- waltungsgerichte.) Bescheid ....... § .... Zur Info: Die Forderungen nach einer Gewaltentrennung setzten bereits im 17. Jahrhundert ein. Die schrankenlose Machtfülle absolutistisch regierender Monar- chen, die alle Staatsfunktionen in sich vereinten und damit willkürlich regieren konnten, sollte beschränkt werden. Ludwig XIV: „Der Staat bin ich!“ 14
Die Grundrechte Die Grundrechte sind ein Ausfluss vor allem des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips (Stichwort: Rechtsschutzstaat!). Ein Grundrecht stellt ein Recht dar, das dem Einzelnen (in der Regel) verfassungs- gesetzlich gewährleistet ist. Der Einzelne, der sich in einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht verletzt wird, kann dies beim Verfassungsgerichtshof durchsetzen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtsbeziehung zwischen dem Einzelnen und dem Staat kann man eine Untergliederung in liberale, demokratische und soziale Grundrechte vornehmen. (Soziale Grundrechte sind allerdings in aller Regel verfassungs- rechtlich nicht gewährleistet!) Liberale Grundrechte sichern dem Einzelnen einen Freiraum, in den der Staat nur in Ausnahmefällen eindringen darf (zB Schutz vor willkürlicher Tötung oder Verhaf- tung, Schutz des Privat- und Familienlebens, Schutz des Briefgeheimnisses, Frei- zügigkeit und Freiheit des Aufenthaltes ...). Demokratische Grundrechte stellen die Beteiligung der Staatsbürger an der Staatsgewalt sicher. Auf Grund des Gleichheitssatzes sind diese Rechte jedem Staatsbürger in gleichem Ausmaß einzuräumen. Das wichtigste demokratische Grundrecht ist das aktive und passive Wahlrecht!! Soziale Grundrechte sind Leistungsansprüche des Einzelnen an den Staat (zB Recht auf Arbeit, Recht auf ein Mindesteinkommen, Recht auf Wohnung, Recht auf gesunde Umwelt ...). Soziale Grundrechte sind in Österreich zumeist nur als Staatszielbestimmungen verfassungsrechtlich verankert. (Der Einzelne kann sich daraus keinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsanspruch ableiten!) Auf einfachgesetzlicher Ebene wurde jedoch ein umfangreiches „soziales Netz“ geknüpft (zB Sozialversicherungsgesetzgebung, Arbeitslosenunterstützung, Min- destsicherung, Sozialhilfe, Sozialer Wohnbau…). Liberale und soziale Grundrechte stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander! Je mehr der Staat seine Bürger mit sozialen Leistungen bedenkt, desto mehr muss er auch in ihre Freiheitssphäre eingreifen (zB mit Steuern, Eingriffe in die freie Disposition der Dienstgeber...). Je nachdem, ob ein Grundrecht nur die Staatsbürger oder alle Einwohner eines Staates begünstigt, spricht man von Bürgerrechten oder Menschenrechten. (Die demokrati- schen Grundrechte sind in der Regel Bürgerrechte!) Wichtig: Die Geltendmachung von Grundrechten kann Einschränkungen unterliegen (zB Militärdienst, Strafvollzug, Enteignung). Viele Grundrechte stehen deshalb unter Gesetzesvorbehalt (Einfache Gesetze regeln näher, unter welchen Voraussetzungen das Grundrecht „durchbrochen“ werden darf. zB Grundstücksenteignung für den Bau einer Autobahn). 15
Beispiele für liberale Grundrechte: Recht auf Leben: In Österreich ist die Todesstrafe abgeschafft. Staatliche Organe dürfen eine Person nur in Ausnahmesituationen (Notwehr) töten. Das Grundrecht auf Leben kommt jedem Menschen ab dem Zeitpunkt der vollendeten Geburt zu. (Zum Schutz des ungeborenen Lebens hat der Verfassungsgerichtshof das seinerzeit heftig debattierte „Fristenlösungserkenntnis“ erlassen.) Schutz der persönlichen Freiheit: Durch Art 7 Staatsgrundgesetz wurde die Leibeigen- schaft für „immer aufgehoben“. Das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der per- sönlichen Freiheit aus 1988 räumt jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (per- sönliche Freiheit) ein. Damit ist jeder Mensch in Österreich vor gesetzwidrigem Entzug seiner körperlichen Bewegungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Eingriffe in dieses Recht dürfen nur vorgenommen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme not- wendig ist. Freiheit der Erwerbsbetätigung: Nach Art 6 Staatsgrundgesetz darf jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes „unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbs- zweig ausüben.“ Die Freiheit der Erwerbstätigung erfasst die Freiheit des Erwerbsantritts und der Erwerbsausübung. Glaubens- und Gewissensfreiheit: Nach Art 14 Staatsgrundgesetz ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit jedermann gewährleistet. Religionsmündig ist man ab 14. Unverletzlichkeit des Eigentums: Nach Art 5 Staatsgrundgesetz ist das Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt (= Beispiel für einen Gesetzesvorbehalt – siehe oben). Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter: Nach Art 83 B-VG darf niemand „seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“ Unter dem „gesetzlichen Richter“ ist jede staatliche Behörde zu verstehen. Für den Bereich der Verwaltungsbehörden bedeutet dies, dass sie ihre sachliche Zuständigkeit immer strikt wahrzunehmen haben. Grundrechte und Covid-19-Einschränkungen: In Bekämpfung der Corona-Pandemie greift der Staat durch diverse Maß- nahmen auch in Grundrechte, wie zB in die persönliche Freiheit oder die Freiheit der Erwerbsbetätigung, ein. Dabei ist umstritten, wie weit der Staat da gehen darf. Bei aller (mehr oder weniger berechtigten) Kritik an den staatlichen Eingriffen muss man immer bedenken, dass dem Staat auch eine Schutzpflicht zukommt. Wenn zB bei einer beabsichtigten Protestver- sammlung die Gesundheit und das Leben von Menschen ernsthaft gefährdet sein können, müssen die staatlichen Entscheidungsträger auch deren Schutz angemessen berücksich- tigen und sie stehen da mitunter vor einer sehr schwierigen Abwägung. 16
Beispiele für demokratische Grundrechte: Gleichheit vor dem Gesetz: Zweck des Gleichheitssatzes: Die Gesetze und deren Vollziehung dürfen keinen Staats- bürger privilegieren oder diskriminieren. Eine unterschiedliche Behandlung ist nur zulässig, wenn es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Hieran knüpfen sich viele Probleme, weil stets bestimmte Wertvorstellungen eine Rolle spielen. So stoßen etwa differenzieren- de Regelungen für Frauen und Männer je nach Standpunkt auf Zustimmung oder Unver- ständnis. Zugunsten bestimmter Personengruppen normiert der Art 7 des B-VG spezielle Vorgaben. Der Artikel 7 B-VG im Volltext: (1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behin- derten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. (2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maß- nahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseiti- gung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig. (3) Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt. Gleiches gilt für Titel, akademische Grade und Berufsbezeichnun- gen. (4) Den öffentlich Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet. Ein Beispiel zur Gleichstellung von Frau und Mann – Thema Wehrpflicht: Nach Art 9a Abs 4 B-VG können österreichische Staatsbürgerinnen „freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen zu beenden.“ (Das Recht der Frauen auf Dienst im Heer wurde übrigens auch vom Europäischen Gerichtshof bejaht.) Wahlrecht: Dieses wichtigste demokratische Grundrecht ist im B-VG verankert. Das aktive Wahlrecht ist das Recht, zu wählen und damit an der Willensbildung im Staat mitzuwirken. Aktiv wahlberechtigt sind alle Frauen und Männer, die am Stichtag die österreichische Staats- bürgerschaft besitzen, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben. Als Wahlausschlussgrund sind bestimmte gerichtliche Verur- teilungen festgelegt. Geisteskranke (jeden Grades) sind vom Wahlrecht nicht (mehr) aus- geschlossen. Das passive Wahlrecht ist das Recht gewählt zu werden. Passiv wahlberechtigt sind alle ÖsterreicherInnen, die vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und am Wahltag das 18. Lebensjahr (Bundespräsident: 35. Lebensjahr) vollendet haben. Bei Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen sind auch die in der Gemeinde wohnhaften Staatsbürger anderer EU-Mitgliedsstaaten (aktiv) wahlberechtigt. Für die Wahl der Mitglieder des Nationalrates, der Landtage und der Gemeindevertretun- 17
gen gelten folgende Wahlgrundsätze: Allgemeines Wahlrecht: Alle Staatsbürger, die das Wahlalter erreicht haben und von der Wahl nicht ausgeschlossen sind, dürfen wählen bzw gewählt werden. Gleiches Wahlrecht: Jede Stimme wiegt gleich viel. Niemandem dürfen zB wegen eines höheren Alters, einer besseren Vorbildung oder einer höheren Steuerleistung mehrere Stimmen zuerkannt werden. Unmittelbares Wahlrecht: Die zu wählende Partei bzw die zu wählenden Personen wer- den direkt gewählt (zB: kein „Wahlmännersystem“ wie in den USA). Persönliches Wahlrecht: Die Abstimmung hat durch persönliche Stimmabgabe der Wahlberechtigten selbst zu geschehen, die Wahl durch Stellvertreter ist verboten. Die Briefwahl steht diesem Prinzip entgegen, wurde aber inzwischen erlaubt. Freies Wahlrecht: ZB: Keine Beschränkung der Wahlwerbung; oder: niemand darf gegen seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen werden. Geheimes Wahlrecht: Die Abgabe der Stimme hat in einer für die Wahlbehörde und für die Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weise zu geschehen. (Abgabe der Stimme in einer Wahlzelle, Abgabe des Stimmzettels in undurchsichtigen Wahlkuverts.) Verhältniswahlrecht: Das Verhältniswahlrecht beinhaltet, dass allen wahlwerbenden, politischen Kräften nach Maßgabe ihres Abschneidens bei der Wahl eine Vertretung im Nationalrat (Landtag, Gemeindevertretung) gesichert wird. Um den Einzug von Kleinstpar- teien und damit eine zu große „Zersplitterung“ im Parlament zu verhindern, ist aber die Festlegung einer „Prozenthürde“ mit dem Verhältniswahlprinzip vereinbar (Nationalrat: 4%, Salzburger Landtag: 5%). Ein Mehrheitswahlrecht kann zB so gestaltet sein, dass jene Partei, die zwar die meisten Wählerstimmen, aber nicht die absolute Mehrheit der Wählerstimmen erreicht hat, den- noch eine absolute Mehrheit der Mandate im Parlament zugesprochen erhält. Beispiele für soziale „Staatszielbestimmungen“ (aus Art 9 der Salzburger Landesverfassung): die Schaffung und Erhaltung der Grundlagen für eine leistungsfähige Wirtschaft und für quantitativ ausreichend und qualitativ gute Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere durch Vor- sorge für eine hochwertige Infrastruktur; die Schaffung und Erhaltung von angemessenen Wohnverhältnissen; das Bestehen von angemessenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen; das Bestehen von bestmöglichen Bildungseinrichtungen; die Anerkennung der Stellung der Familie in Gesellschaft und Staat und die Erreichung einer kinderfreundlichen Gesellschaft. die Schaffung von Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle Landesbürger, insbesondere für Frauen. 18
Die Grundprinzipien und die Grundrechte - zum Überlegen und Vertiefen…. 1. Kennen Sie Fälle, wo Personen aus dem Kreis des Staatsvolkes – trotz „laienhafter“ Kenntnisse – an einer Staatsfunktion mitwirken? 2. Gibt es die Instrumente der Volksabstimmung, Volksbefragung und des Volksbegehrens auch auf Gemeindeebene? 3. Annahme: Im Nationalrat stimmen 62 von 92 der anwesenden Abgeordneten für die Einführung eines autoritären Systems nach dem Vorbild Russlands. Wäre mit diesem Schritt die Demokratie in Österreich beseitigt? 4. In den Ländern des früheren Ostblocks war es bei Wahlen üblich, nicht in die Wahlzelle zu gehen, sondern „offen“ für eine „Einheitsliste“ zu votieren. Welche Wahlprinzipien waren hier tangiert? 5. Der Nationalrat kommt auf die Idee, das Wahlsystem der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wieder einzuführen: Wählen dürfen nur Männer, die Stimmen jener, die viel Steuern zahlen, zählen mehr, als die Stimmen jener, die weniger Steuern zahlen... Wel- che Wahlprinzipien waren hier tangiert? 6. Das Liberale Forum erreichte bei der Landtagswahl 1994 in Salzburg zwar über 5 % der Stimmen, durfte aber wegen einer damals noch fehlenden Prozenthürde nicht in den Landtag einziehen. Seine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof hatte Erfolg. Welches Wahlprinzip könnte hier verletzt gewesen sein? 7. Jemand wird gegen seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen…Eine Partei wird mas- siv daran gehindert, Wahlwerbung zu betreiben ... 8. Bei der Bundespräsidentenwahl 1980 fiel auf, dass in Altenheimen überdurchschnittlich viele Stimmen auf den auf dem Stimmzettel (auf Grund der alphabetischen Reihung) ganz oben ste- henden Kandidaten Dr. Burger (rechtsradikal) entfielen. Man erklärte sich das so, dass ältere Menschen dazu neigen, einfach den/die erstgereihte/n Kandidaten/Partei anzukreuzen. Wäre es zulässig, vorsorglich Personen ab dem vollendeten 70. Lebensjahr vom Wahlrecht auszuschlie- ßen? 9. Bei der ersten Nationalratswahl nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 waren ehemalige Mit- glieder der NSDAP vom Wahlrecht ausgeschlossen. Welches Wahlprinzip war hier tangiert? 10. Zu bestimmten Haftstrafen verurteilte Personen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen. Wie beurtei- len Sie diese Regelung? 11. Bei Gemeinderatswahlen sind auch EU-Bürger wahlberechtigt, dürfen aber nicht für den Bürgermeisterposten kandidieren. Womit könnte man dies rechtfertigen? 12. Im Fürstentum Liechtenstein sind die Frauen erst seit den 1970er Jah- ren wahlberechtigt. Erst in einem zweiten Anlauf hatten die (bis dahin ausschließlich wahlberechtigten) Männer dafür gestimmt. Welches Wahlprinzip war hier nicht umgesetzt? 13. Welches Wahlprinzip ist bei der Briefwahl tangiert? 14. Inwieweit ist die Bundes-/Landesbevölkerung an der Bildung a) der Bundesregierung, b) der Landesregierung, c)des Bundesrates beteiligt? 19
1. Der Nationalrat beschließt mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Wiedereinfüh- rung der Monarchie. Ist das bereits das Ende der „Republik“? 2. Ferdinand Habsburg-Lothringen, geboren 1997, Urenkel des letzten österreichischen Kaisers Karl I, kandidiert als Bundespräsident. Geht das? 3. Prince Harry of Wales, geboren 1984, der in Österreich auf viele „Fans“ hofft, will Bundespräsident werden. Welche unüberwindliche „Haken“ stünden einer solchen Kandidatur entgegen? 4. Dem Bundespräsident gefällt sein Amt so gut, dass er es auf Lebenszeit innehaben, an seine Nachkommen weitervererben und hinkünftig den Titel „Schützer Österreichs“ führen möchte. Er und sein Clan sind so beliebt, dass ein von seinen Anhängern initiiertes Volksbegehren über 2 Mio (!!) Unterstützungserklärungen erhält. Wie würden die politischen Parteien darauf reagieren? 5. Ein Bundespräsident möchte ein 3. Mal kandidieren. Wäre das irgendwie möglich? 6. Hat der österreichische Bundespräsident ausschließlich repräsentative Aufgaben? 7. Ein Wahlwerber hat bei der letzten Bundespräsidentenwahl des Jahres 2016 zu den Befugnissen des österreichischen Staatsoberhauptes gemeint: „Sie werden sich noch wundern, was alles mög- lich ist". Welche Befugnisse wird er da im Auge gehabt haben? 8. Kennen Sie aus der Geschichte auch Monarchen, die nicht durch Erbfolge, son- dern durch Wahl gekrönt wurden? 9. Spielt die Kaiserzeit heutzutage in Österreich noch irgendeine eine Rolle? 10. Können Sie ein Gesetz aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg benennen, das dem Adel in Österreich überhaupt nicht gefiel? 20
1. Ein steirischer Landespolitiker schlug vor einigen Jahren vor, zwecks Vermeidung eines übertriebenen Verwaltungsauf- wandes die Zahl der Bundesländer drastisch von 9 auf rund 3 zu reduzieren. Wäre damit das bundesstaatliche Prinzip ge- fährdet? 2. Immer wieder wird gefordert, den Bundesrat entweder ganz abzuschaffen oder aber im Interesse einer wirksameren Ver- tretung der Länder aufzuwerten. Warum nimmt der Bundesrat sein Einspruchsrecht gegen Nationalratsbeschlüsse so gut wie nie wahr? 3. Ist der EU-Beitritt Österreichs für die Zuständigkeiten der Bundesländer eher günstig oder ungüns- tig? 4. Ein Landtag beschließt im Sinn einer offensiven Frauenförderungspolitik eine Änderung seiner Landesverfassung, wonach in der Landesregierung jeweils zumindest zwei Frauen vertreten sein müssen. 5. Sind die Bundesländer nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 „aus dem Nichts“ gebildet worden? 6. Warum gehört das Land Salzburg zu den besonders föderalistisch eingestellten Bundesländern? 7. Was würde es für Österreich geografisch bedeuten, wenn Salzburg kein österreichisches Bundes- land wäre? 8. Kann ein Bundesland durch eine Änderung seiner Landesverfassung seinen Austritt aus dem Bundesstaat Österreich erklären? 9. Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, dass der österreichische Föderalismus übertrieben sei. Es mache etwa keinen Sinn, dass zB der Jugendschutz, das Baurecht, das Jagdrecht und das Raumordnungsrecht im kleinen Österreich neunmal unterschiedlich geregelt wird. Wie beurteilen Sie diese Kritik? 21
1. Hans Neugierig liegt mit einem gebrochenen Bein im St. Johanns-Spital. Er möchte das Salzburger Krankenanstaltengesetz lesen, um sich über seine Rechte als Patient bes- ser zu informieren. Nach einer halben Stunde gibt er resigniert auf, das Gesetz er- scheint ihm unlesbar, und er greift lieber zu einem spannenden Kriminalroman... 2. Ihr Bauansuchen wird durch einen letztinstanzlichen Bescheid der Gemeindevertretung abgelehnt, obwohl Sie alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bauführung erfüllen. Was tun? 3. Jedes Jahr erscheinen mehrere dicke Bände an Bundesgesetzblättern. Bei einzelnen Vorschriften kennen sich nur wenige Fachspezialisten aus... 4. Bezirksrichter Dr. Streng fällt folgendes Strafurteil: Jochen B. ist schuldig, Ehebruch begangen zu haben, er wird dafür als abschreckendes Beispiel für andere potenzielle Übeltäter/innen zwei Tage auf dem Residenzplatz an den Pranger gestellt. Ist das rechtskonform? 5. Der Nationalrat ändert die Strafprozessordnung dahin, dass unter ganz gewissen Umständen auch die Folter angewendet werden darf. Wäre das zulässig? 6. Sie werden von der Polizei mitten in der Nacht verhaftet und verdächtigt, einer kriminellen Organi- sation anzugehören. Sie werden eine Woche in Einzelhaft gehalten und es wird Ihnen jeglicher Kontakt zur Außenwelt verweigert. Schließlich sind Sie mürbe und unterschreiben ein umfangrei- ches Geständnis, obwohl Sie mit den Vorwürfen nichts zu tun haben. Hat die Staatsmacht korrekt gehandelt? 7. Sie wurden bei Rotlicht geblitzt. Drei Wochen später erhalten Sie den Strafbe- scheid der Landespolizeidirektion. Sie müssen eine Woche lang in der Polizeidi- rektion die WC-Anlagen reinigen. Ist das rechtskonform? 8. Bis Mitte der 1970er Jahre stand im ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetz- buch) bei den familienrechtlichen Bestimmungen, dass der Mann das „Haupt der Familie“ sei. War das verfassungskonform? 9. Sie erhalten Ihren Steuerbescheid und sind entsetzt: Sie sollen um 50% mehr Lohnsteuer zahlen als letztes Jahr, da laut geändertem Einkommensteuergesetz für öffentlich Bedienstete aufgrund der Sicherheit des Arbeitsplatzes ein eigener Steuersatz festgesetzt wurde. Beim Finanzamt er- klärt man Ihnen lapidar, „Vorschrift ist Vorschrift“. Sind sie chancenlos? 10. Ein Häftling wird an der Teilnahme am Gottesdienst im Gefangenenhaus gehindert. Er protestiert dagegen und beruft sich auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit. 11. Die Briefe eines Strafgefangenen werden zensuriert. Liegt hier ein Verstoß gegen das Briefgeheimnis vor? 12. Ein Firmeninhaber stellt prinzipiell nur rothaarige Sekretärinnen ein. Verletzt er damit eine Vor- schrift? 13. Jemand wird wegen des Baues einer Hochleistungsstrecke der ÖBB enteignet. Auf Grund geän- derter Planung wird die Strecke dann aber nicht gebaut. Nachdem das Grundstück nun schon einmal enteignet ist, plant die ÖBB dort die Errichtung eines Lehrlingsheimes. Kann der Enteigne- te sein Grundstück zurückfordern? 14. Eine Person wird von der Polizei durchsucht. Liegt hier ein Eingriff in die persönliche Freiheit vor? 22
15. Der 14-jährige Thomas Ungläubig erklärt vor dem Magistrat Salzburg seinen Austritt aus der röm.- kath. Kirche. Seine Eltern sind entsetzt, gehen zur Behörde und teilen dort mit, diesem Kirchen- austritt als Erziehungsberechtigte nicht zuzustimmen. Haben sie eine Chance? 16. Ein Pole möchte Mitglied des Salzburger Höhlenvereines werden, dort ist man sich aber unsicher, ob Nichtösterreicher das dürfen... 17. Eine Partei meldet eine Anti-Corona-Kundgebung mit ca 1.000 Teilnehmenden in einer Halle an. Die Behörde untersagt die Veranstaltung unter Hinweis auf die gesundheitliche Gefährdung von Menschen. Dagegen erhebt die Partei Rechtsmittel. Wird sie durchdringen? 18. Der Wehrmann Hans Lebefroh will sich beim Verfassungsgerichtshof beschweren, weil er wäh- rend der Grundausbildung in der Kaserne schlafen muss.... 19. Sie wollen ein Haus auf der Grenze zwischen zwei Gemeinden bauen. Beide Bürgermeister erklä- ren sich für unzuständig. Wie können Sie sich helfen? 20. Eine in Hallein wohnhafte türkische Staatsbürgerin will sich beim Verfassungsgerichtshof be- schweren, dass Nicht-EU-Bürger an den Gemeinderatswahlen nicht teilnehmen dürfen, obwohl diese ca 10% der Halleiner Bevölkerung darstellen. 21. Ein Vater enterbt seine Tochter, weil diese einen Farbigen geheiratet hat. Die Tochter ficht das Testament nach dem Tod des Vaters an. Wird sie mehr als den Pflichtteil erstreiten? 22. Jutta Ohnegeld ist auf Wohnungssuche. Trotz wiederholter Vorsprachen wird sie vom Wohnungs- amt des Magistrates immer wieder vertröstet. Schließlich platzt ihr der Kragen und sie richtet an den Verfassungsgerichtshof die Beschwerde, der Staat verweigere ihr – trotz ihrer Armut – eine Sozialwohnung. Dringt sie durch? 23. Franz Fleißig hat sein Medizin-Studium abgeschlossen und bewirbt sich für einen Posten im St. Johanns-Spital. Er kommt nicht zum Zug. In der Meinung, im Sozialstaat Österreich existiere doch sicher das Recht auf einen Arbeitsplatz, führt er Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Hat er Erfolgsaussichten? 24. Der Nationalrat erlässt ein Enteignungsgesetz, wonach alle Grundstückeigentümer einer Talschaft mit rund 2000 Bewohnern, die als Truppenübungsplatz für das Bundesheer vorgesehen ist, ent- eignet werden können. Wäre das rechtlich zulässig? 25. Eine neugierige Person plündert den Briefkasten des Nachbarn und liest gierig die an diesen ge- richteten Liebesbriefe. Verletzt die neugierige Person damit ein Gesetz? 23
1. Der französische König Ludwig XIV. tat angeblich den Ausspruch: „l'etat ce moi!“ („Der Staat bin ich!“). Was sagen Sie dazu unter dem Aspekt der Gewaltentrennung 2. Gibt es neben den drei klassischen Staatsgewalten noch weitere einflussreiche Mächte im Staate Österreich? 3. Die Bundesregierung beschließt eine Regierungsvorlage und kann sich sicher sein, dass der Na- tionalrat auf Grund der gegebenen Mehrheitsverhältnisse das vorgeschlagene Gesetz beschlie- ßen wird. Wer ist hier der eigentliche Gesetzgeber? 4. Der Nationalrat sorgt mit einem Misstrauensvotum dafür, dass der Bundespräsident einen Minister seines Amtes entheben muss. Welche Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein? 5. Hugo Frech, der Sohn des Bezirkshauptmannes Dr. Ernst Frech, hat als betrunkener Lenker eine alte Frau angefahren und verletzt. Hugo wird wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Sein Vater gibt dem Strafrichter die Weisung, über Hugo keinesfalls eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Welche Staatsgewalt versucht hier auf welche andere Staatsgewalt einzuwirken? 6. Sie werden beim Falschparken erwischt, pöbeln die Politesse an und erhalten schließlich von der Landespolizeidirektion Salzburg einen Strafbescheid über € 220. Sie verweigern die Bezahlung mit der Begründung, dass auf Grund der Gewaltentrennung nur unabhängige Gerichte Strafen verhängen dürfen. Dringen Sie mit Ihrer Beschwerde durch? 7. Der Bundespräsident begnadigt im Rahmen einer Weihnachtsamnestie Strafgefangene. Welche Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein? 8. Der Gerichtspräsident erteilt einem der Richter seines Landesgerichtes die Weisung, in einem bestimmten Strafverfahren jedenfalls einen Freispruch zu fällen. Ist das zulässig? Sind hier meh- rere Staatsgewalten oder nur eine betroffen? 9. Gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden geht der Rechtszug im Regelfall an ein Verwaltungs- gericht. Welche Staatsgewalt kontrolliert hier welche andere Staatsgewalt? 10. Der Verfassungsgerichtshof ist ua dazu berufen, verfassungswidrige Gesetze aufzuheben. Wel- che Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein? Legislative Judikative Exekutive 24
Die immerwährende Neutralität Österreich hat im Jahre 1955 durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz seine immer- währende Neutralität erklärt. Gleichzeitig hat sich Österreich verpflichtet, diese Neutralität mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen. Die Neutralität verpflichtet Österreich ua zur - Nichtteilnahme an den Kriegen anderer Staaten - zur Nichtteilnahme an Bündnissen militärischer Natur und - zur Unparteilichkeit gegenüber Krieg führenden Staaten. Die Konsequenzen des österreichischen Beitritts zur EU für den Status der Neutralität sind umstritten. Aus der Pflicht zur Unparteilichkeit entspringen nämlich auch wirtschaftliche Pflichten, auf deren Einhaltung schon im Friedenszustand Rücksicht genommen werden müsste. (Wenn etwa die EU einen Wirtschafts-Boykott gegen ein Nichtmitgliedsland ver- hängt, kann sich Österreich nicht einfach heraushalten.) Seit dem EU-Beitritt gibt es Überlegungen in Richtung Neudefinition der Neutralität. Sollte Österreich einem Militärbündnis im Rahmen der EU beitreten, müsste dem dann eigentlich die Aufhebung des Neutralitätsgesetzes vorausgehen. !? NEUTRAL Die Neutralität ist nach überwiegender Lehrmeinung kein Grundprinzip der Bundes- verfassung!! Formale Begründung: Sie wurde nicht durch Volksabstimmung eingeführt. (Folglich könnte der Nationalrat das Neutralitätsgesetz jederzeit mit einer Zweidrittelmehr- heit aufheben.) 25
Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern Die Aufteilung der staatlichen Aufgaben zwischen dem Bund und den Ländern bildet das Kernstück des bundesstaatlichen Grundprinzips. Sie ist im Wesentlichen in den Art 10 bis 15 B-VG, aber auch in anderen Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen geregelt. Kompetenz-Kompetenz: Die wichtige Befugnis, die Aufteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder vorzuneh- men, nennt man „Kompetenz – Kompetenz“. Diese Befugnis liegt beim Bund. Kom- petenzänderungen erfolgen durch den Nationalrat als Bundesverfassungsgesetzgeber. Der Bundesrat hat aber ein Einspruchsrecht, wenn Kompetenzen der Länder beschnitten werden sollen. Was unterliegt der Aufteilung? Der Aufteilung unterliegen die bereits beim Grundprinzip der Gewaltentrennung geschil- derten Staatsgewalten Gesetzgebung, Rechtssprechung (Gerichtsbarkeit) und Vollziehung (Verwaltung). Hinweis: Die Kompetenzverteilungsregeln gelten nur für die Hoheitsverwaltung (nicht für die Privatwirt- schaftsverwaltung)! Gerichtsbarkeit: Die Gerichtsbarkeit ist im Wesentlichen Bundessache. Nur für die Landesverwaltungsgerichte sind die Bundesländer zuständig. Gesetzgebung und Vollziehung: Die Aufteilung der Gesetzgebung und Vollziehung auf den Bund und die Länder wird nach vier Haupttypen vorgenommen ART 10 ART 11 Gesetzgebung Gesetzgebung Vollziehung Vollziehung BUND BUND LÄNDER ART 12 ART 15 Grundsatz Ausführungs Gesetzgebung gesetzgebung gesetzgebung Vollziehung + Vollziehung 26 LÄNDER BUND LÄNDER
Erster Haupttyp: Gesetzgebung und Vollziehung sind Bundessache Außenpolitik Bundesfinanzen Bund regelt Gewerberecht und vollzieht Wasserrecht zB Zivilrecht, Strafrecht Forstrecht Zweiter Haupttyp: Die Gesetzgebung liegt beim Bund, die Vollziehung bei den Ländern Diese Zuständigkeit bezieht sich zB auf das Staatsbürgerschaftswesen und die Straßenpolizei. Die Erlassung von Durchführungsverordnungen zu diesen Bundesgeset- zen liegt beim Bund, soweit die betreffenden Bundesgesetze diesbezüglich nicht die Län- der ermächtigen. Dritter Haupttyp: Die Grundsatzgesetzgebung liegt beim Bund, die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung bei den Ländern Diese Zuständigkeit bezieht sich zB auf das Sozialhilfewesen, die Jugendfürsorge und die Krankenanstalten. Grundsatzgesetze und Grundsatzbestimmungen in Bundesgeset- zen sind ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Alleiniger Normadressat eines Bundes- grundsatzgesetzes ist der Landesgesetzgeber, der das Ausführungsgesetz zu erlassen hat. Das Bundesgrundsatzgesetz als solches ist nicht vollziehbar. Wenn der Bundesgesetzgeber kein Grundsatzgesetz erlässt, so kann die Landesgesetz- gebung solche Angelegenheiten frei regeln. Sobald aber der Bund Grundsätze aufgestellt hat, sind die landesgesetzlichen Bestimmungen binnen einer bestimmten Frist dem Grundsatzgesetz anzupassen. 27
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