Grundausbildung - Österreichisches Verfassungsrecht - Jahrgang 2018/2019 - Land ...

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Grundausbildung - Österreichisches Verfassungsrecht - Jahrgang 2018/2019 - Land ...
Österreichisches
Verfassungsrecht

Grundausbildung
Verwaltungsfachdienst Gemeinden

  Jahrgang 2018/2019
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Grundausbildung - Österreichisches Verfassungsrecht - Jahrgang 2018/2019 - Land ...
Vorwort

Sehr geehrte Lehrgangsteilnehmer/innen!

Dieses Skriptum wurde im Rahmen der Grundausbildung für den Lehr-
gang Verwaltungsfachdienst der Salzburger Gemeindebediensteten
konzipiert. Es beinhaltet Grundsätzliches zum Österreichischen Verfas-
sungsrecht und zur Europäischen Union. Die Rechtslage ist zum Stand
1. November 2018 berücksichtigt. Alle personenbezogenen Ausdrücke
beziehen sich auf das weibliche und das männliche Geschlecht in glei-
cher Weise.

Zur Absolvierung Ihrer Grundausbildung und zur Vorbereitung auf die
Prüfungen wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg! Darüber hinaus
würde es mich freuen, wenn Sie die erworbenen Grundkenntnisse über
den Aufbau und die Organe unseres Heimatlandes auch für Ihren Ge-
meindedienst gut nutzen können!

Salzburg, im November 2018                               HR Dr. Peter Schernthaner

        Copyright 2018 by Dr. Peter Schernthaner, Salzburg – alle Rechte vorbehalten!

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Grundausbildung - Österreichisches Verfassungsrecht - Jahrgang 2018/2019 - Land ...
Inhaltsverzeichnis:

Staat, Staats- und Regierungsformen ................................................................ 4
Grundlegendes zur Verfassung .......................................................................... 8
Grundprinzipien .................................................................................................. 9
Neutralität ......................................................................................................... 25
Kompetenzverteilung ........................................................................................ 26
Nationalrat ........................................................................................................ 30
Bundesrat ......................................................................................................... 32
Bundesversammlung ........................................................................................ 33
Salzburger Landtag .......................................................................................... 34
Stellung der Parlamentarier .............................................................................. 36
Bundesgesetzgebung ....................................................................................... 37
Landesgesetzgebung ....................................................................................... 38
Instrumente der direkten Demokratie ............................................................... 39
Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung ......................................... 41
Bundespräsident............................................................................................... 42
Bundesregierung .............................................................................................. 44
Landesregierung............................................................................................... 46
Gemeinderecht - Wirkungsbereiche ................................................................. 49
Gemeindeorgane .............................................................................................. 52
Stadt mit eigenem Statut .................................................................................. 54
Gemeindeaufsicht ............................................................................................. 54
Rechtsschutz und Kontrolle .............................................................................. 62
Verwaltungsgerichte ......................................................................................... 65
Verwaltungsgerichtshof .................................................................................... 66
Verfassungsgerichtshof .................................................................................... 67
Volksanwaltschaft ............................................................................................. 67
Die Europäische Union ..................................................................................... 69
Organe der EU ................................................................................................. 69
4 Freiheiten der EU .......................................................................................... 74
Rechtssetzungsakte der EU ............................................................................. 76

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Staat, Staatselemente und Rechtsordnung
Was ist ein „Staat“?
Der Staat ist ein mit Herrschaftsgewalt ausgestatteter Zu-
sammenschluss sesshafter Menschen auf einem fest umgrenzten Territorium. Recht-
lich gesehen ist der Staat eine juristische Person, der durch Organe handelt. Die drei
Elemente eines Staates sind sohin:

       Staatsgebiet:

Das Staatsgebiet ist jenes Gebiet, auf dem der Staat seine Herrschaft ausübt, auf
dem er also verbindlich anordnen und seine Anordnungen durchsetzen kann. Dies
bedeutet, dass der Staat die Gebietshoheit besitzt. Normalerweise dürfen nur die
Organe des betreffenden Staates – nicht jedoch die Organe anderer Staaten – auf
dem Staatsgebiet Herrschaftsrechte ausüben.

Zur Info: Das heutige Staatsgebiet Österreichs geht auf den Staatsvertrag von St. Germain 1919
zurück, wobei der endgültige Grenzverlauf zum damaligen Jugoslawien und zu Ungarn durch Volks-
abstimmungen in den Jahren 1920 und 1921 fixiert wurde. Erst im Staatsvertrag von 1955 wurde auch
völkerrechtlich festgelegt, dass die Grenzen Österreichs jene vom 1.1.1938 sind.
Eine Änderung des Bundesgebietes bzw der Landesgebiete kann nur durch übereinstimmende Ver-
fassungsgesetze des Bundes und der betreffenden Länder erfolgen (paktierte Gesetzgebung).

       Staatsvolk:

Unter dem Staatsvolk versteht man die Gesamtheit aller Personen mit zugehöriger
Staatsbürgerschaft. Im Inland wohnende Personen mit anderer Staatsbürgerschaft
oder Staatenlose genießen eingeschränkte Rechte und unterliegen eingeschränkten
Pflichten. (Vergleiche in diesem Konnex auch die aktuellen Debatten um den
Rechtsstatus von Flüchtlingen.)

       Staatsgewalt:

Die Staatsgewalt bedeutet die Befugnis und Fähigkeit, den Herrschaftsunterworfenen
mit verbindlichen Befehlen (Gesetzen, Einzelakten) gegenüberzutreten und diese,
wenn nötig, mit Zwang durchzusetzen. Die Souveränität eines Staates befähigt die-
sen, seine Beziehungen nach außen und seine Angelegenheiten im Inneren selbst
zu regeln. Die Beziehungen zwischen den Staaten regelt das Völkerrecht. Öster-
reichs Souveränität ist durch die Mitgliedschaft in der EU stark eingeschränkt, da den
EU-Organen weitreichende Befugnisse zukommen.

Rechtsordnung:
Die für alle verbindliche Ordnung wird durch die Beschlüsse der gesetzgebenden
Organe (Nationalrat, Landtage, Rat der EU und Europäisches Parlament) schriftlich
in Gesetzen festgehalten. Aus allen geltenden Gesetzen und Verordnungen ergibt
sich das in Österreich gültige Recht.

Die Vorschriften der Rechtsordnung unterscheiden sich von anderen „Gebo-
ten“ oder „Vorschriften“ dadurch, dass sie mit staatlichem Zwang durchsetz-
bar sind.

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Staats- und Regierungsformen

Staatsform – Monarchie  Republik:
Bei den Staatsformen kann zwischen der Monarchie und der Republik unterschieden
werden, je nachdem, welches Staatsorgan an der Spitze des Staates steht und diesen
nach außen repräsentiert. In der Monarchie erhält der Monarch sein Amt in der Regel
durch Erbfolge und ist dem Volk gegenüber nicht verantwortlich (nicht „abwählbar“).

                                                       PARLAMENT

In der absolutistischen Monarchie übt der Monarch die oberste Herrschaftsgewalt un-
eingeschränkt aus. Er ist an keine Funktionsperiode gebunden und niemandem verant-
wortlich (= als Regierungsform eine Diktatur – siehe auch unten).
In der konstitutionellen Monarchie teilen sich der Monarch und eine Volksvertretung die
Herrschaft (= als Regierungsform eine Demokratie mit bestimmten Einschränkungen zu-
gunsten des Monarchen).
In der parlamentarischen Monarchie hat der Monarch nur mehr repräsentative Aufgaben
(= als Regierungsform eine Demokratie).

In der Republik wird in der Regel ein Präsident auf bestimmte Zeit gewählt.

In einer demokratischen Republik übt letztlich das Volk die Herrschaftsgewalt aus. Es
wählt regelmäßig auf eine bestimmte Zeit seine Volksvertreter. Daneben gibt es andere
Arten von Republiken, bei denen die Herrschaftsgewalt nicht oder nicht ausschließlich
vom Volk ausgeht. In einer „Volksrepublik“ kommunistischer Prägung zB wird die
Herrschaftsgewalt in der Regel durch eine kleine Gruppe ausgeübt (Oligarchie = Herr-
schaft einer Clique).

Regierungsform – Demokratie  Diktatur:

Ob eine Monarchie oder eine Republik eher demokratisch oder eher als Diktatur organi-
siert ist, hängt letztlich von der Regierungsform ab. Diese gibt Auskunft darüber, wie ein
Staat regiert wird und wie die regierenden Organe in diese Position gelangen. Hier gibt es
in der Realität auch viele Mischformen.
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Staatselemente, Staatsformen, Regierungsformen -
zum Überlegen:

                 1. Sie entdecken im Ozean eine unbewohnte Insel und wollen dort mit ihrer Familie
                    einen eigenen Staat gründen...

                 2. Was glauben Sie: Sind Österreichs Grenzen überall ganz klar festgelegt?

3. In einem afrikanischen Staat wurde die bestehende Regierung durch Putschisten abgesetzt, nichts
   funktioniert mehr, es "regiert" das blanke Chaos...

                4. Besteht für ausländische Kinder mit Wohnsitz in Österreich Schulpflicht? Wenn ja,
                   wieso eigentlich?

                5. Wo genießt das Volk mehr Freiheiten: Im Königreich Schweden
                   oder in der Volksrepublik China?

6. Der Luftraum über Österreich gehört zum österreichischen "Staatsgebiet". Wieso donnern
   dann täglich tausende ausländische Flugzeuge über unser Staatsgebiet?

7. Welches Ereignis aus der jüngsten Geschichte Österreichs bedeutete wohl eine sehr
   große Beeinträchtigung für seine Souveränität?

8. Die PLO geht von der Existenz eines eigenen Palästinenserstaates aus...

9. War die DDR vor der Wende des Jahres 1989 wirklich eine „demokratische“ Republik?

10. Um welche Staatsformen/Regierungssysteme handelt es sich bei folgenden Staaten: Bundesrepub-
    lik Deutschland, Großbritannien, Spanien, Schweden, Ungarn, Polen, Luxemburg, Italien, Vatikan,
    Liechtenstein, Türkei, Kuba, Nordkorea?

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Zur Information:
              DIE ENTWICKLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN
                                 BUNDESVERFASSUNG
            1867 – 1918:
            „Dezemberfassung 1867“: Österreich – Ungarn ist eine (konstitutionelle) Dop-
            pelmonarchie (Kaiserreich Österreich – Königreich Ungarn). Franz Josef I
            und sein Nachfolger Karl I waren jeweils Kaiser und König in Personalunion.
                                                                                                   B–VG
             1918 – 1920:                                                                          1920
Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg Zusammenbruch der Monarchie; Friedensvertrag von              §
St. Germain; Errichtung der Republik Österreich als Bundesstaat aus den deutschspra-
chigen Teilen der ehemaligen Monarchie (mit Ausnahme von Südtirol, des Sudetenlandes,
der Untersteiermark ...).
Inkrafttreten des Bundes–Verfassungsgesetzes 1920 (B-VG), ausgearbeitet von Hans Kel-
sen; starke Stellung des Nationalrates, Bundespräsident hat nur repräsentative Aufgaben.

1929:
Einschneidende Änderung des B-VG: Kompetenzverschiebungen zu Gunsten des Bundes; Aufwertung der
Befugnisse des Bundespräsidenten. Hintergrund  politische und wirtschaftliche Krisenzeit.

1933/34 – 1938:
                  Zuspitzung der politischen Auseinandersetzungen, Bürgerkrieg, „Selbstausschaltung“ des
                  Nationalrates auf Grund des Rücktritts der drei NR-Präsidenten; Bundesregierung stützt
                  sich auf ein kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz aus der Zeit vor 1918 und erlässt
                  schließlich die „Verfassung 1934“. Österreich bleibt zwar eine Republik („Ständestaat“), es
                  gibt jedoch kein frei gewähltes Parlament mehr, politisch oppositionelle Parteien werden
                  verboten bzw gewaltsam bekämpft.
1938 – 1945:
Bundesverfassungsgesetz vom 13. März 1938: Österreich wird (als die „Ostmark“) mit Deutschland „wieder-
vereinigt“ und damit ein Teil des nationalsozialistischen Führerstaates; später dann Aufteilung in die Alpen-
und Donaugaue; umfassende Übernahme von reichsdeutschen Vorschriften; furchtbares Leid und große
Zerstörungen durch Diktatur und den Zweiten Weltkrieg.

1945 – 1955:
Bereits im Oktober 1943 erklärten die Alliierten bei einer Konferenz im Kreml als eines ihrer
Kriegsziele, die Souveränität Österreichs wieder herzustellen. Diese „Moskauer Deklaration“
war dann eine der Grundlagen für die Wiedererrichtung der Republik, die am 27. April 1945 in
Wien durch die „Unabhängigkeitserklärung“ erfolgte. (Der Anschluss an Deutschland wurde
darin für „null und nichtig“ erklärt.) Einsetzung einer provisorischen Staatsregierung und Wie-
derinkraftsetzung des B-VG 1920 in der Fassung von 1929. Österreich bleibt 10 Jahre lang
durch die Alliierten besetzt. Erst durch den Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 Ende der Besatzungsära.
26. Oktober 1955  Neutralitätsgesetz.

1955 bis zur Gegenwart:
Das B-VG wurde in Anpassung an die gesellschaftlichen Entwicklungen wiederholt novelliert (zB „Gemeinde-
rechtsnovelle“ 1962, durch die die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Gemeinderechtes neu gestaltet
wurden; Einführung der Volksanwaltschaft; Aufwertung des Bundesrates). Die wesentlichste Änderung seit
1955 bedeutete der mit 1. Jänner 1995 wirksam gewordene Beitritt Österreichs zur EU (B-VG – Novelle
1994), da mit diesem viele hoheitliche Aufgaben an die Organe der EU abgegeben wurden.
Bisherigen Bemühungen, die österreichische Bundesverfassung umfassender zu reformieren (zB 2003: Ein-
setzung des „Österreich-Konvents“; 2007: Vorlage eines Reformentwurfes der „Expertengruppe Staats- und
Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt“) war bis dato kein Erfolg beschieden.
Aber immerhin: Mit 1.1.2014 wurde eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt. In jedem Bun-
desland wurde ein Landesverwaltungsgericht erster
Instanz und beim Bund wurden ein Bundesverwaltungsgericht
und ein Bundesfinanzgericht eingerichtet („9+2-Modell“). Die
bisherigen Unabhängigen Verwaltungssenate und zahlreiche
Sonderbehörden (zB Landesagrarsenate, Disziplinarkommissionen,
Vergabekontrollsenate) wurden aufgelöst.
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Grundlegendes zur Verfassung

Die Verfassung stellt die Grundlage der staatlichen Ordnung dar. Sie baut auf gewis-
sen politischen Ideen auf, nach welchen die staatliche Ordnung gestaltet sein soll. Dies
spiegelt sich dann in den Grundprinzipien einer Verfassung wider.

Die Verfassung regelt insbesondere, wer zur Rechtserzeugung und Rechtsaufhebung be-
rufen ist und wie dabei vorzugehen ist.

Darüber hinaus enthält die Verfassung eines demokratisch organisiertes Staates die ga-
rantierten Grundrechte des Einzelnen und unterwirft das staatliche Handeln genauen Re-
gelungen.

Verfassungsrecht kann nur wieder durch Verfassungsgesetze (nicht durch einfache Ge-
setze) aufgehoben, geändert oder ergänzt werden. (In Österreich bedarf es dazu der An-
wesenheit von wenigstens der Hälfte der Nationalratsabgeordneten und einer Zweidrittel-
mehrheit bei der Abstimmung.)

In Österreich gibt es auf Bundes- und Landesebene eine Vielzahl von Verfassungsgeset-
zen und zusätzlich viele Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen. (Dies bedeu-
tet eine starke Zersplitterung des Verfassungsrechts.)

Beispiele für Bundesverfassungsgesetze

   -   Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) [ursprüngliche Fassung vom 1. Oktober 1920, in Kraft getre-
       ten am 20. November 1920]

   -   Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit
       vom 27. Oktober 1862;
   -   Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichs-
       rate vertretenen Königreiche und Länder vom 21. Dezember 1867;
   -   Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und
       gewisser Titel und Würden vom 3. April 1919;
   -   Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des
       Hauses Habsburg-Lothringen vom 3. April 1919;
   -   Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948)
   -   Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs;
   -   Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit vom 29. No-
       vember 1988;
   -   Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union
       vom 9. September 1994.

Salzburger Landesverfassungsgesetze

   - Landes-Verfassungsgesetz 1999
   - Salzburger Stadtrecht 1966

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DIE GRUNDPRINZIPIEN DER ÖSTERREICHISCHEN
    BUNDESVERFASSUNG IM ÜBERBLICK:

    PARLAMENT
                              DEMOKRATISCHES

                             REPUBLIKANISCHES

                             BUNDESSTAATLICHES

                                                      GRUND-
                                                      PRINZIP
                             RECHTSSTAATLICHES

     LEGISLATIVE

                                 GEWALTEN-
EXEKU-             JUDIKA-
TIVE               TIVE
                                TRENNENDES
                                                  ?
                                                  ?
                                                  ?
                                                  ?
                                                  ?
                                    NEUTRALITÄT
           „immer-
         währende“
         Neutralität!!
          26.10.1955

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Allgemeines zu den Grundprinzipien
Die leitenden Prinzipien (bzw Grundsätze) legen fest, wie unser Staat im Wesentli-
chen aufgebaut ist. Wird eines dieser Grundprinzipien beseitigt oder wesentlich geän-
dert, bedeutet dies eine Gesamtänderung der Bundesverfassung. Um eine derartige
Veränderung der Bundesverfassung herbeizuführen, muss neben der Änderung von
Verfassungsrecht (Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat erforderlich!) auch zwingend
eine Volksabstimmung durchgeführt werden (so geschehen im Jahr 1994 vor dem
EU-Beitritt).

Das demokratische Grundprinzip

Art 1 B-VG bestimmt: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht
vom Volk aus.“

Dies bedeutet vor allem, dass die Rechtsunterworfenen selbst das Recht erzeugen
und dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Demokratie bedeutet Herrschaft
durch das Volk.

In Österreich nimmt das Volk allerdings in aller Regel nur mittelbar an der Rechtser-
zeugung durch die Wahl von Repräsentanten in den Nationalrat und die Landtage teil.
In gewisser Weise eingeschränkt ist das demokratische Prinzip bei der Erzeugung von
EU-Recht, da dieses Recht ja nicht mehr (nur) vom österreichischen Staatsvolk aus-
geht.

In Österreich gibt es aber auch Instrumente einer direkten Demokratie, und zwar die
Volksabstimmung, das Volksbegehren und die Volksbefragung.

Das B-VG sieht auch ausdrücklich eine Mitwirkung des Volkes als Geschworene
und Schöffen an der Strafgerichtsbarkeit vor.

Das republikanische Grundprinzip

Der Charakter Österreichs als Republik ergibt sich aus der zeitlich begrenzten, poli-
tisch und rechtlich verantwortlichen Position seines Staatsoberhauptes, des Bundes-
präsidenten. Der Bundespräsident wird vom Wahlvolk direkt auf sechs Jahre gewählt,
er ist absetzbar und für seine Amtsführung verantwortlich.
Das republikanische Prinzip bedeutet eine Absage an jede Art der Monarchie, es hängt
historisch mit der Gründung des Staates Österreich nach dem Zusammen-
bruch der Monarchie 1918 zusammen. (Bis vor wenigen Jahren
war Mitgliedern von regierenden oder ehemals regierenden Häu-
sern das passive Wahlrecht zum Bundespräsidenten verwehrt.)

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Das bundesstaatliche Grundprinzip

Österreich ist gemäß Art 2 B-VG ein „Bundesstaat“, der aus dem Bund ("Oberstaat") und
neun selbständigen Bundesländern ("Gliedstaaten") gebildet wird. (Die Bundesländer
waren früher zum Großteil bereits Kronländer der Monarchie.)

Im Bundesstaat Österreich

      sind die drei Staatsgewalten
      (Gesetzgebung, Rechtssprechung,
      Vollziehung) zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt;

       sind die Bundesländer durch ein besonderes Organ (Bundesrat) an der
       Gesetzgebung des Bundes beteiligt;

      sind die Bundesländer im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung an der
      Vollziehung des Bundes beteiligt;

      erfolgt ein der Aufteilung der Staatsfunktionen entsprechender Finanzausgleich.

Das rechtsstaatliche Grundprinzip

Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt wer-
den. Das rechtsstaatliche Prinzip bedeutet, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz
und letztendlich in der Verfassung begründet sein müssen.

Die Rangordnung der einzelnen Normen zueinander ergibt sich aus dem Stufenbau der
Rechtsordnung. Die niedrigere Rechtsnorm darf nicht gegen eine höhere Rechtsnorm
verstoßen. So muss zB ein einfaches Gesetz dem Verfassungsrecht entsprechend und
eine Verordnung darf nicht gesetzwidrig sein. Das EU-Recht genießt in allen Fällen An-
wendungsvorrang.

                                                                EU – Recht
                                                   Verfassungsrecht
                                      einfache Gesetze
                          Verordnungen
         Urteile, Bescheide

                                        11
Gesetze und Verordnungen:

Alle schriftlich festgelegten und allgemein verbindlichen Rechtsnormen, welch sich
an einen individuell nicht bestimmten Adressatenkreis richten, bezeichnet man als „Ge-
setze im materiellen Sinn“.

Alle von gesetzgebenden Organen ergehenden Vorschriften (EU-Vorschriften, Bun-
desgesetze, Landesgesetze) sind Gesetze im formellen und im materiellen Sinn.

Die von den österreichischen Verwaltungsbehörden zu erlassenden Verordnungen
werden auf der Grundlage von Gesetzen erlassen. Da sich diese Vorschriften auch an
einen individuell nicht bestimmten Adressatenkreis richten, sind sie (nur) „Gesetze im ma-
teriellen Sinn“.

Bei den Verordnungen unterscheidet man zwischen Durchführungsverordnungen (Er-
lassung aufgrund eines einfachen Gesetzes) und verfassungsunmittelbaren (gesetzes-
vertretenden) Verordnungen (Erlassung unmittelbar auf der Grundlage einer Verfas-
sungsbestimmung)

Gesetze und Verordnungen im Stufenbau der Rechtsordnung:

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Der Rechtsstaat soll sein ein:

Verfassungsstaat         Die staatlichen Einrichtungen und das staatliche
                         Handeln müssen auf die Gesetze bzw die Verfassung
                         und das EU-Recht rückführbar sein. Dies bedeutet:
                         Schutz vor willkürlichem Handeln des Staates.

Gesetzesstaat            Die Gesetze müssen Rechte und Pflichten des
                         Einzelnen relativ bestimmt festlegen und allgemein
                         kundgemacht werden. (Riesenproblem: Gesetzesflut
                         und unlesbare Gesetze!)

Rechtsschutzstaat        Die den Bürgern eingeräumten Rechte müssen für
                         diese auch durchsetzbar sein. Dies wird vor allem durch
                         die Existenz unabhängiger Gerichte und
                         die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Grund-
                         rechten sichergestellt.

Wichtige Kontrolleinrichtungen sind zB:

Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Verwaltungsgerichte des Bundes und
der Länder, Oberster Gerichtshof, Rechnungshöfe, Volksanwaltschaft…

                                        13
Das gewaltentrennende Grundprinzip

Dieser Grundsatz ist nicht ausdrücklich im B-VG normiert und beruht auf der Überlegung,
dass die Staatsmacht (politische Macht) geteilt werden muss, um Missbrauch zu verhin-
dern. Diesem Ziel dient in der österreichischen Bundesverfassung die Trennung von Ge-
setzgebung, Rechtssprechung (Gerichtsbarkeit) und Verwaltung (Vollziehung) einer-
seits und eine gegenseitige Kontrolle dieser Staatsgewalten andererseits.

Die Gesetzgebung wird durch den Nationalrat (gemeinsam mit dem Bundesrat) und die
Landtage (gesetzgebende Körperschaften) wahrgenommen. Die Rechtssprechung er-
folgt durch unabhängige, unabsetzbare und unversetzbare Organe (richterliche Orga-
ne). Die Verwaltung erfolgt durch (in der Regel) weisungsgebundene und weisungsbe-
rechtigte Organe.

Zwischen den einzelnen Staatsfunktionen soll es im Regelfall keine wechselseitigen Wei-
sungsbeziehungen oder Instanzenzüge geben. (Über Beschwerden gegen Entscheidun-
gen der Verwaltungsbehörden entscheiden seit 2014 aber im Regelfall unabhängige Ver-
waltungsgerichte.)

                                            Bescheid
                                            .......
         §                                  ....

                                   Zur Info: Die Forderungen nach einer Gewaltentrennung setzten bereits im 17.
                                   Jahrhundert ein. Die schrankenlose Machtfülle absolutistisch regierender Mo-
                                   narchen, die alle Staatsfunktionen in sich vereinten und damit willkürlich regie-
                                   ren konnten, sollte beschränkt werden.
Ludwig XIV: „Der Staat bin ich!“

                                                         14
Die Grundrechte

Die Grundrechte sind ein Ausfluss vor allem des demokratischen und
des rechtsstaatlichen Prinzips (Stichwort: Rechtsschutzstaat!).

Ein Grundrecht stellt ein Recht dar, das dem Einzelnen (in der Regel) verfassungs-
gesetzlich gewährleistet ist. Der Einzelne, der sich in einem verfassungsrechtlich
gewährleisteten Grundrecht verletzt wird, kann dies beim Verfassungsgerichtshof
durchsetzen.

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtsbeziehung zwischen dem Einzelnen und
dem Staat kann man eine Untergliederung in liberale, demokratische und soziale
Grundrechte vornehmen. (Soziale Grundrechte sind allerdings in aller Regel verfassungs-
rechtlich nicht gewährleistet!)

    Liberale Grundrechte sichern dem Einzelnen einen Freiraum, in den der Staat nur
     in Ausnahmefällen eindringen darf (zB Schutz vor willkürlicher Tötung oder Verhaf-
     tung, Schutz des Privat- und Familienlebens, Schutz des Briefgeheimnisses, Frei-
     zügigkeit und Freiheit des Aufenthaltes ...).

    Demokratische Grundrechte stellen die Beteiligung der Staatsbürger an der
     Staatsgewalt sicher. Auf Grund des Gleichheitssatzes sind diese Rechte jedem
     Staatsbürger in gleichem Ausmaß einzuräumen. Das wichtigste demokratische
     Grundrecht ist das aktive und passive Wahlrecht!!

    Soziale Grundrechte sind Leistungsansprüche des Einzelnen an den Staat (zB
     Recht auf Arbeit, Recht auf ein Mindesteinkommen, Recht auf Wohnung, Recht auf
     gesunde Umwelt ...). Soziale Grundrechte sind in Österreich zumeist nur als
     Staatszielbestimmungen verfassungsrechtlich verankert. (Der Einzelne kann
     sich daraus keinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsanspruch ableiten!)
     Auf einfachgesetzlicher Ebene wurde jedoch ein umfangreiches „soziales Netz“
     geknüpft (zB Sozialversicherungsgesetzgebung, Arbeitslosenunterstützung, Min-
     destsicherung, Sozialhilfe, Sozialer Wohnbau…).

Liberale und soziale Grundrechte stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander! Je
mehr der Staat seine Bürger mit sozialen Leistungen bedenkt, desto mehr muss er auch in
ihre Freiheitssphäre eingreifen (zB mit Steuern, Eingriffe in die freie Disposition der
Dienstgeber...).

Je nachdem, ob ein Grundrecht nur die Staatsbürger oder alle Einwohner eines Staates
begünstigt, spricht man von Bürgerrechten oder Menschenrechten. (Die demokrati-
schen Grundrechte sind in der Regel Bürgerrechte!)

Wichtig: Die Geltendmachung von Grundrechten kann Einschränkungen
unterliegen (zB Militärdienst, Strafvollzug, Enteignung). Viele Grundrechte
stehen deshalb unter Gesetzesvorbehalt (Einfache Gesetze regeln näher,
unter welchen Voraussetzungen das Grundrecht „durchbrochen“ werden
darf. zB Grundstücksenteignung für den Bau einer Autobahn).

                                         15
Beispiele für liberale Grundrechte:

Recht auf Leben: In Österreich ist die Todesstrafe abgeschafft. Staatliche Organe dürfen
eine Person nur in Ausnahmesituationen (Notwehr) töten.
Das Grundrecht auf Leben kommt jedem Menschen ab dem Zeitpunkt der vollendeten
Geburt zu. (Zum Schutz des ungeborenen Lebens hat der Verfassungsgerichtshof das
seinerzeit heftig debattierte „Fristenlösungserkenntnis“ erlassen.)

Schutz der persönlichen Freiheit: Durch Art 7 Staatsgrundgesetz wurde die Leibeigen-
schaft für „immer aufgehoben“. Das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der per-
sönlichen Freiheit aus 1988 räumt jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (per-
sönliche Freiheit) ein. Damit ist jeder Mensch in Österreich vor gesetzwidrigem Entzug
seiner körperlichen Bewegungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Eingriffe in dieses
Recht dürfen nur vorgenommen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme not-
wendig ist.

Freiheit der Erwerbsbetätigung: Nach Art 6 Staatsgrundgesetz darf jeder Staatsbürger
an jedem Ort des Staatsgebietes „unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbs-
zweig ausüben.“ Die Freiheit der Erwerbstätigung erfasst die Freiheit des Erwerbsantritts
und der Erwerbsausübung.

Glaubens- und Gewissensfreiheit: Nach Art 14 Staatsgrundgesetz ist die volle
Glaubens- und Gewissensfreiheit jedermann gewährleistet. Religionsmündig ist
man ab 14.

Unverletzlichkeit des Eigentums: Nach Art 5 Staatsgrundgesetz ist das
Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann
nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt (= Beispiel
für einen Gesetzesvorbehalt – siehe oben).

Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:
Nach Art 83 B-VG darf niemand „seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“
Unter dem „gesetzlichen Richter“ ist jede staatliche Behörde zu verstehen. Für
den Bereich der Verwaltungsbehörden bedeutet dies, dass sie ihre sachliche
Zuständigkeit immer strikt wahrzunehmen haben.

Exkurs: Ein allgemein anerkanntes Grundrecht (Menschenrecht) auf Asyl existiert derzeit
nicht. Die Anerkennung als Flüchtling liegt folglich im Ermessen des jeweiligen Staates.
Laut Genfer Flüchtlingskonvention darf allerdings grundsätzlich niemand in ein Land ab-
geschoben werden, „wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner
Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.“

                                         16
Beispiele für demokratische Grundrechte:

Gleichheit vor dem Gesetz:

Zweck des Gleichheitssatzes: Die Gesetze und deren Vollziehung dürfen keinen Staats-
bürger privilegieren oder diskriminieren. Eine unterschiedliche Behandlung ist nur zulässig,
wenn es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Hieran knüpfen sich viele Probleme,
weil stets bestimmte Wertvorstellungen eine Rolle spielen. So stoßen etwa differenzieren-
de Regelungen für Frauen und Männer je nach Standpunkt auf Zustimmung oder Unver-
ständnis. Zugunsten bestimmter Personengruppen normiert der Art 7 des B-VG spezielle
Vorgaben.

Der Artikel 7 B-VG im Volltext:

(1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der
Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behin-
derten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.
(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maß-
nahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseiti-
gung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.
(3) Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder
der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt. Gleiches gilt für Titel, akademische Grade und Berufsbezeichnun-
gen.
(4) Den öffentlich Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, ist die ungeschmälerte
Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

Ein Beispiel zur Gleichstellung von Frau und Mann – Thema Wehrpflicht:
Nach Art 9a Abs 4 B-VG können österreichische Staatsbürgerinnen „freiwillig Dienst im
Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen zu beenden.“ (Das
Recht der Frauen auf Dienst im Heer wurde übrigens auch vom Europäischen Gerichtshof
bejaht.)

Wahlrecht:

Dieses wichtigste demokratische Grundrecht ist im B-VG verankert. Das aktive Wahlrecht
ist das Recht, zu wählen und damit an der Willensbildung im Staat mitzuwirken. Aktiv
wahlberechtigt sind alle Frauen und Männer, die am Stichtag die österreichische Staats-
bürgerschaft besitzen, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und am Wahltag das 16.
Lebensjahr vollendet haben. Als Wahlausschlussgrund sind bestimmte gerichtliche Verur-
teilungen festgelegt. Geisteskranke (jeden Grades) sind vom Wahlrecht nicht (mehr) aus-
geschlossen.

Das passive Wahlrecht ist das Recht gewählt zu werden. Passiv wahlberechtigt sind alle
ÖsterreicherInnen, die vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und am Wahltag das 18.
Lebensjahr (Bundespräsident: 35. Lebensjahr) vollendet haben.

Bei Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen sind auch die in der Gemeinde wohnhaften
Staatsbürger anderer EU-Mitgliedsstaaten (aktiv) wahlberechtigt.

                                                17
Für die Wahl der Mitglieder des Nationalrates, der Landtage und der Gemeinde-
vertretungen gelten folgende Wahlgrundsätze:

Allgemeines Wahlrecht: Alle Staatsbürger, die das Wahlalter erreicht haben
und von der Wahl nicht ausgeschlossen sind, dürfen wählen bzw gewählt werden.

Gleiches Wahlrecht: Jede Stimme wiegt gleich viel. Niemandem dürfen zB wegen eines
höheren Alters, einer besseren Vorbildung oder einer höheren Steuerleistung mehrere
Stimmen zuerkannt werden.

Unmittelbares Wahlrecht: Die zu wählende Partei bzw die zu wählenden Personen wer-
den direkt gewählt (zB: kein „Wahlmännersystem“ wie in den USA).

Persönliches Wahlrecht: Die Abstimmung hat durch persönliche Stimmabgabe der
Wahlberechtigten selbst zu geschehen, die Wahl durch Stellvertreter ist verboten. Die
Briefwahl steht diesem Prinzip entgegen, wurde aber inzwischen erlaubt.

Freies Wahlrecht: ZB: Keine Beschränkung der Wahlwerbung; oder: niemand darf gegen
seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen werden.

Geheimes Wahlrecht: Die Abgabe der Stimme hat in einer für die Wahlbehörde und für
die Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weise zu geschehen. (Abgabe der Stimme in einer
Wahlzelle, Abgabe des Stimmzettels in undurchsichtigen Wahlkuverts.)

Verhältniswahlrecht: Das Verhältniswahlrecht beinhaltet, dass allen wahlwerbenden,
politischen Kräften nach Maßgabe ihres Abschneidens bei der Wahl eine Vertretung im
Nationalrat (Landtag, Gemeindevertretung) gesichert wird. Um den Einzug von Kleinstpar-
teien und damit eine zu große „Zersplitterung“ im Parlament zu verhindern, ist aber die
Festlegung einer „Prozenthürde“ mit dem Verhältniswahlprinzip vereinbar (Nationalrat: 4%,
Salzburger Landtag: 5%).

Ein Mehrheitswahlrecht kann zB so gestaltet sein, dass jene Partei, die zwar die meisten
Wählerstimmen, aber nicht die absolute Mehrheit der Wählerstimmen erreicht hat, den-
noch eine absolute Mehrheit der Mandate im Parlament zugesprochen erhält.

Beispiele für soziale „Staatszielbestimmungen“
(aus Art 9 der Salzburger Landesverfassung):

 die Schaffung und Erhaltung der Grundlagen für eine leistungsfähige Wirtschaft und für
quantitativ ausreichend und qualitativ gute Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere durch Vor-
sorge für eine hochwertige Infrastruktur;
 die Schaffung und Erhaltung von angemessenen Wohnverhältnissen;
 das Bestehen von angemessenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen;
 das Bestehen von bestmöglichen Bildungseinrichtungen;
 die Anerkennung der Stellung der Familie in Gesellschaft und Staat und die Erreichung
einer kinderfreundlichen Gesellschaft.
 die Schaffung von Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle Landesbürger,
insbesondere für Frauen.

                                               18
Die Grundprinzipien und die Grundrechte -
zum Überlegen und Vertiefen….

1. Kennen Sie Fälle, wo Personen aus dem Kreis des Staatsvolkes – trotz „laienhafter“ Kenntnisse –
   an einer Staatsfunktion mitwirken?

2. Gibt es die Instrumente der Volksabstimmung, Volksbefragung und des Volksbegehrens auch auf
   Gemeindeebene?

3. Annahme: Im Nationalrat stimmen 61 von 92 anwesenden Abgeordneten für die Einführung eines
   autoritären Systems nach dem Vorbild Russlands. Wäre mit diesem Schritt die Demokratie in Ös-
   terreich beseitigt?

4. In den Ländern des früheren Ostblocks war es bei Wahlen üblich, nicht in die Wahlzelle zu gehen,
   sondern „offen“ für eine „Einheitsliste“ zu votieren. Welche Wahlprinzipien waren hier tangiert?

5. Der Nationalrat kommt auf die Idee, das Wahlsystem der Österreichisch-Ungarischen
   Monarchie wieder einzuführen: Wählen dürfen nur Männer, die Stimmen jener, die viel
   Steuern zahlen, zählen mehr, als die Stimmen jener, die weniger Steuern zahlen... Wel-
   che Wahlprinzipien waren hier tangiert?

6. Das Liberale Forum erreichte bei der Landtagswahl 1994 in Salzburg zwar über 5 % der Stimmen,
   durfte aber wegen der geltenden Grundmandatsregelung nicht in den Landtag einziehen. Seine
   Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof hatte Erfolg. Warum glauben Sie?

7. Jemand wird gegen seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen…Eine Partei wird mas-
   siv daran gehindert, Wahlwerbung zu betreiben ...

8. Bei der Bundespräsidentenwahl 1980 fiel auf, dass in Altenheimen überdurchschnittlich viele
   Stimmen auf den auf dem Stimmzettel (auf Grund der alphabetischen Reihung) ganz oben ste-
   henden Kandidaten Dr. Burger (rechtsradikal) entfielen. Man erklärte sich das so, dass ältere
   Menschen dazu neigen, einfach den/die erstgereihte/n Kandidaten/Partei anzukreuzen. Wäre es
   zulässig, vorsorglich Personen ab dem vollendeten 70. Lebensjahr vom Wahlrecht auszuschlie-
   ßen?

9. Bei der ersten Nationalratswahl nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 waren ehemalige Mit-
   glieder der NSDAP vom Wahlrecht ausgeschlossen. Welches Wahlprinzip war hier tangiert?

10. Zu bestimmten Haftstrafen verurteilte Personen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen. Wie beurtei-
               len Sie diese Regelung?

            11. Bei Gemeinderatswahlen sind auch EU-Bürger wahlberechtigt, dürfen aber nicht für
                den Bürgermeisterposten kandidieren. Womit könnte man dies rechtfertigen?

             12. Im Fürstentum Liechtenstein sind die Frauen erst seit den 1970er Jah-
                 ren wahlberechtigt. Erst in einem zweiten Anlauf hatten die (bis dahin
    ausschließlich wahlberechtigten) Männer dafür gestimmt. Welches Wahlprinzip war
    hier nicht umgesetzt?

13. Welches Wahlprinzip ist bei der Briefwahl tangiert?

14. Inwieweit ist die Bundes-/Landesbevölkerung an der Bildung
    a) der Bundesregierung
    b) der Landesregierung
    c)des Bundesrates
    beteiligt?

                                                 19
1. Der Nationalrat beschließt mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Wiedereinfüh-
   rung der Monarchie. Ist das bereits das Ende der „Republik“?

2. Ferdinand Habsburg-Lothringen, geboren 1997, Urenkel des letzten
   österreichischen Kaisers Karl I, kandidiert als Bundespräsident. Geht
   das?

3. Prince Harry of Wales, geboren 1984, der in Österreich auf viele „Fans“ hofft, will Bundespräsident
   werden. Welche unüberwindliche „Haken“ stünden einer solchen Kandidatur entgegen?

4. Dem Bundespräsident gefällt sein Amt so gut, dass er es auf Lebenszeit innehaben, an seine
   Nachkommen weitervererben und hinkünftig den Titel „Schützer Österreichs“ führen möchte. Er
   und sein Clan sind so beliebt, dass ein von seinen Anhängern initiiertes Volksbegehren über 2 Mio
   (!!) Unterstützungserklärungen erhält. Wie würden die politischen Parteien darauf reagieren?

5. Ein Bundespräsident möchte ein 3. Mal kandidieren. Wäre das irgendwie möglich?

6. Hat der österreichische Bundespräsident ausschließlich repräsentative Aufgaben?

7. Ein Wahlwerber hat bei der letzten Bundespräsidentenwahl des Jahres 2016 zu den Befugnissen
   des österreichischen Staatsoberhauptes gemeint: „Sie werden sich noch wundern, was alles mög-
   lich ist". Welche Befugnisse wird er da im Auge gehabt haben?

8. Kennen Sie aus der Geschichte auch Monarchen, die nicht durch Erbfolge, son-
   dern durch Wahl gekrönt wurden?

9. Spielt die Kaiserzeit heutzutage in Österreich noch irgendeine eine Rolle?

10. Können Sie ein Gesetz aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg benennen,
    das dem Adel in Österreich überhaupt nicht gefiel?

                                                 20
1. Ein steirischer Landespolitiker schlug vor einigen Jahren vor,
   zwecks Vermeidung eines übertriebenen Verwaltungsauf-
   wandes die Zahl der Bundesländer drastisch von 9 auf rund 3
   zu reduzieren. Wäre damit das bundesstaatliche Prinzip ge-
   fährdet?

2. Immer wieder wird gefordert, den Bundesrat entweder ganz
   abzuschaffen oder aber im Interesse einer wirksameren Ver-
   tretung der Länder aufzuwerten. Warum nimmt der Bundesrat
   sein Einspruchsrecht gegen Nationalratsbeschlüsse so gut wie nie wahr?

3. Ist der EU-Beitritt Österreichs für die Zuständigkeiten der Bundesländer eher günstig oder ungüns-
   tig?

4. Ein Landtag beschließt im Sinn einer offensiven Frauenförderungspolitik eine Änderung seiner
   Landesverfassung, wonach in der Landesregierung jeweils zumindest zwei Frauen vertreten sein
   müssen.

5. Sind die Bundesländer nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 „aus dem Nichts“ gebildet
   worden?

6. Warum gehört das Land Salzburg zu den besonders föderalistisch eingestellten Bundesländern?

7. Was würde es für Österreich geografisch bedeuten, wenn Salzburg kein österreichisches Bundes-
   land wäre?

8. Kann ein Bundesland durch eine Änderung seiner Landesverfassung seinen Austritt aus dem
   Bundesstaat Österreich erklären?

9. Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, dass der österreichische Föderalismus übertrieben sei.
   Es mache etwa keinen Sinn, dass zB der Jugendschutz, das Baurecht, das Jagdrecht und das
   Raumordnungsrecht im kleinen Österreich neunmal unterschiedlich geregelt wird. Wie beurteilen
   Sie diese Kritik?

                                                 21
1. Hans Neugierig liegt mit einem gebrochenen Bein im St. Johanns-Spital. Er möchte das
   Salzburger Krankenanstaltengesetz lesen, um sich über seine Rechte als Patient bes-
   ser zu informieren. Nach einer halben Stunde gibt er resigniert auf, das Gesetz er-
   scheint ihm unlesbar, und er greift lieber zu einem spannenden Kriminalroman...

2. Ihr Bauansuchen wird durch einen letztinstanzlichen Bescheid der Gemeindevertretung ab-
   gelehnt, obwohl Sie alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bauführung erfüllen. Was tun?

3. Jedes Jahr erscheinen mehrere dicke Bände an Bundesgesetzblättern. Bei einzelnen Vorschriften
   kennen sich nur wenige Fachspezialisten aus...

4. Bezirksrichter Dr. Streng fällt folgendes Strafurteil: Jochen B. ist schuldig, Ehebruch begangen zu
   haben, er wird dafür als abschreckendes Beispiel für andere potenzielle
   Übeltäter/innen zwei Tage auf dem Residenzplatz an den Pranger gestellt. Ist das rechtskonform?

5. Der Nationalrat ändert die Strafprozessordnung dahin, dass unter ganz gewissen Umständen
   auch die Folter angewendet werden darf. Wäre das zulässig?

6. Sie werden von der Polizei mitten in der Nacht verhaftet und verdächtigt, einer kriminellen Organi-
   sation anzugehören. Sie werden eine Woche in Einzelhaft gehalten und es wird Ihnen jeglicher
   Kontakt zur Außenwelt verweigert. Schließlich sind Sie mürbe und unterschreiben ein umfangrei-
   ches Geständnis, obwohl Sie mit den Vorwürfen nichts zu tun haben. Hat die Staatsmacht korrekt
                gehandelt?

                  7. Sie wurden bei Rotlicht geblitzt. Drei Wochen später erhalten Sie den Strafbe-
                     scheid der Bundespolizeidirektion. Sie müssen eine Woche lang in der Polizeidi-
                      rektion die WC-Anlagen reinigen. Ist das rechtskonform?

                 8. Bis Mitte der 1970er Jahre stand im ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetz-
    buch) bei den familienrechtlichen Bestimmungen, dass der Mann das „Haupt der Familie“ sei. War
    das verfassungskonform?

9. Sie erhalten Ihren Steuerbescheid und sind entsetzt: Sie sollen um 50% mehr Lohnsteuer zahlen
   als letztes Jahr, da laut geändertem Einkommensteuergesetz für öffentlich Bedienstete aufgrund
   der Sicherheit des Arbeitsplatzes ein eigener Steuersatz festgesetzt wurde. Beim Finanzamt er-
   klärt man Ihnen lapidar, „Vorschrift ist Vorschrift“. Sind sie chancenlos?

10. Ein Häftling wird an der Teilnahme am Gottesdienst im Gefangenenhaus
    gehindert. Er protestiert dagegen und beruft sich auf das Grundrecht der
    Glaubensfreiheit.

11. Die Briefe eines Strafgefangenen werden zensuriert. Liegt hier ein Verstoß
    gegen das Briefgeheimnis vor?

12. Ein Firmeninhaber stellt prinzipiell nur rothaarige Sekretärinnen ein. Verletzt er damit eine Vor-
    schrift?

13. Jemand wird wegen des Baues einer Hochleistungsstrecke der ÖBB enteignet. Auf Grund geän-
    derter Planung wird die Strecke dann aber nicht gebaut. Nachdem das Grundstück nun schon
    einmal enteignet ist, plant die ÖBB dort die Errichtung eines Lehrlingsheimes. Kann der Enteigne-
    te sein Grundstück zurückfordern?

14. Eine Person wird von der Polizei durchsucht. Liegt hier ein Eingriff in die persönliche Freiheit vor?

                                                   22
15. Der 14-jährige Thomas Ungläubig erklärt vor dem Magistrat Salzburg seinen Austritt aus der röm.-
    kath. Kirche. Seine Eltern sind entsetzt, gehen zur Behörde und teilen dort mit, diesem Kirchen-
    austritt als Erziehungsberechtigte nicht zuzustimmen. Haben sie eine Chance?

16. Ein Pole möchte Mitglied des Salzburger Höhlenvereines werden, dort ist man sich aber unsicher,
    ob Nichtösterreicher das dürfen...

17. Der Wehrmann Hans Lebefroh will sich beim Verfassungsgerichtshof beschweren, dass er wäh-
    rend der Grundausbildung in der Kaserne schlafen muss....

18. Sie wollen ein Haus auf der Grenze zwischen zwei Gemeinden bauen. Beide Bürgermeister erklä-
    ren sich für unzuständig. Wie können Sie sich helfen?

19. Eine in Hallein wohnhafte türkische Staatsbürgerin will sich beim Verfassungsgerichtshof be-
    schweren, dass Nicht-EU-Bürger an den Gemeinderatswahlen nicht teilnehmen dürfen, obwohl
    diese ca 10% der Halleiner Bevölkerung darstellen.

20. Ein Vater enterbt seine Tochter, weil diese einen Farbigen geheiratet hat. Die Tochter ficht das
    Testament nach dem Tod des Vaters an. Wird sie mehr als den Pflichtteil erstreiten?

21. Jutta Ohnegeld ist auf Wohnungssuche. Trotz wiederholter Vorsprachen wird sie vom Wohnungs-
    amt des Magistrates immer wieder vertröstet. Schließlich platzt ihr der Kragen und sie richtet an
    den Verfassungsgerichtshof die Beschwerde, der Staat verweigere ihr – trotz ihrer Armut – eine
    Sozialwohnung. Dringt sie durch?

22. Franz Fleißig hat sein Medizin-Studium abgeschlossen und bewirbt sich für einen Posten im St.
    Johanns-Spital. Er kommt nicht zum Zug. In der Meinung, im Sozialstaat Österreich existiere doch
    sicher das Recht auf einen Arbeitsplatz, führt er Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Hat er
    Erfolgsaussichten?

23. Der Nationalrat erlässt ein Enteignungsgesetz, wonach alle Grundstückeigentümer einer Talschaft
    mit rund 2000 Bewohnern, die als Truppenübungsplatz für das Bundesheer vorgesehen ist, ent-
    eignet werden können. Wäre das rechtlich zulässig?

24. Eine neugierige Person plündert den Briefkasten des Nachbarn und liest gierig die an diesen ge-
    richteten Liebesbriefe. Verletzt die neugierige Person damit ein Gesetz?

                                                  23
1. Der französische König Ludwig XIV. tat angeblich den Ausspruch: „l'etat ce moi!“
                („Der Staat bin ich!“). Was sagen Sie dazu unter dem Aspekt der Gewaltentrennung

             2. Gibt es neben den drei klassischen Staatsgewalten noch weitere einflussreiche
                Mächte im Staate Österreich?

3. Die Bundesregierung beschließt eine Regierungsvorlage und kann sich sicher sein, dass der Na-
   tionalrat auf Grund der gegebenen Mehrheitsverhältnisse das vorgeschlagene Gesetz beschlie-
   ßen wird. Wer ist hier der eigentliche Gesetzgeber?

4. Der Nationalrat sorgt mit einem Misstrauensvotum dafür, dass der Bundespräsident einen Minister
   seines Amtes entheben muss. Welche Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt
   ein?

5. Hugo Frech, der Sohn des Bezirkshauptmannes Dr. Ernst Frech, hat als betrunkener Lenker eine
   alte Frau angefahren und verletzt. Hugo wird wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Sein
   Vater gibt dem Strafrichter die Weisung, über Hugo keinesfalls eine Freiheitsstrafe zu verhängen.
   Welche Staatsgewalt versucht hier auf welche andere Staatsgewalt einzuwirken?

6. Sie werden beim Falschparken erwischt, pöbeln die Politesse an und erhalten schließlich von der
   Landespolizeidirektion Salzburg einen Strafbescheid über € 220. Sie verweigern die Bezahlung
   mit der Begründung, dass auf Grund der Gewaltentrennung nur unabhängige Gerichte Strafen
   verhängen dürfen. Dringen Sie mit Ihrer Beschwerde durch?

7. Der Bundespräsident begnadigt im Rahmen einer Weihnachtsamnestie Strafgefangene. Welche
   Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein?

8. Der Gerichtspräsident erteilt einem der Richter seines Landesgerichtes die Weisung, in einem
   bestimmten Strafverfahren jedenfalls einen Freispruch zu fällen. Ist das zulässig? Sind hier meh-
   rere Staatsgewalten oder nur eine betroffen?

9. Gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden geht der Rechtszug im Regelfall an ein Verwaltungs-
   gericht. Welche Staatsgewalt kontrolliert hier welche andere Staatsgewalt?

10. Der Verfassungsgerichtshof ist ua dazu berufen, verfassungswidrige Gesetze aufzuheben. Wel-
    che Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein?

Legislative                         Judikative                           Exekutive

                                                 24
Die immerwährende Neutralität

Österreich hat im Jahre 1955 durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz seine immer-
währende Neutralität erklärt. Gleichzeitig hat sich Österreich verpflichtet, diese Neutralität
mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen. Die
Neutralität verpflichtet Österreich ua zur

       - Nichtteilnahme an den Kriegen anderer Staaten
       - zur Nichtteilnahme an Bündnissen militärischer Natur und
       - zur Unparteilichkeit gegenüber Krieg führenden Staaten.

Die Konsequenzen des österreichischen Beitritts zur EU für den Status der Neutralität sind
umstritten. Aus der Pflicht zur Unparteilichkeit entspringen nämlich auch wirtschaftliche
Pflichten, auf deren Einhaltung schon im Friedenszustand Rücksicht genommen werden
müsste. (Wenn etwa die EU einen Wirtschafts-Boykott gegen ein Nichtmitgliedsland ver-
hängt, kann sich Österreich nicht einfach heraushalten.)
Seit dem EU-Beitritt gibt es Überlegungen in Richtung Neudefinition der Neutralität. Sollte
Österreich einem Militärbündnis im Rahmen der EU beitreten, müsste dem dann eigentlich
die Aufhebung des Neutralitätsgesetzes vorausgehen.

                                             !?
            NEUTRAL

Die Neutralität ist nach überwiegender Lehrmeinung kein Grundprinzip der Bundes-
verfassung!! Formale Begründung: Sie wurde nicht durch Volksabstimmung eingeführt.
(Folglich könnte der Nationalrat das Neutralitätsgesetz jederzeit mit einer Zweidrittelmehr-
heit aufheben.)

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Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern
Die Aufteilung der staatlichen Aufgaben zwischen dem Bund und den Ländern bildet das
Kernstück des bundesstaatlichen Grundprinzips. Sie ist im Wesentlichen in den Art 10
bis 15 B-VG, aber auch in anderen Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen
geregelt.

Kompetenz-Kompetenz:
Die wichtige Befugnis, die Aufteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder vorzuneh-
men, nennt man „Kompetenz – Kompetenz“. Diese Befugnis liegt beim Bund. Kom-
petenzänderungen erfolgen durch den Nationalrat als Bundesverfassungsgesetzgeber.
Der Bundesrat hat aber ein Einspruchsrecht, wenn Kompetenzen der Länder beschnitten
werden sollen.

Was unterliegt der Aufteilung?
Der Aufteilung unterliegen die bereits beim Grundprinzip der Gewaltentrennung geschil-
derten Staatsgewalten Gesetzgebung, Rechtssprechung (Gerichtsbarkeit) und Vollziehung
(Verwaltung).
Hinweis: Die Kompetenzverteilungsregeln gelten nur für die Hoheitsverwaltung (nicht für die Privatwirt-
schaftsverwaltung)!

Gerichtsbarkeit:

Die Gerichtsbarkeit ist im Wesentlichen Bundessache.

Nur für die Landesverwaltungsgerichte sind die Bundesländer
zuständig.

Gesetzgebung und Vollziehung:

Die Aufteilung der Gesetzgebung und Vollziehung auf den Bund und die Länder wird nach
vier Haupttypen vorgenommen

                        ART 10                                    ART 11

                    Gesetzgebung                   Gesetzgebung         Vollziehung
                    Vollziehung

                       BUND                        BUND                 LÄNDER

                        ART 12                                    ART 15

         Grundsatz              Ausführungs                    Gesetzgebung
         gesetzgebung           gesetzgebung                   Vollziehung
                                      +
                                Vollziehung

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         BUND                  LÄNDER
Erster Haupttyp: Gesetzgebung und Vollziehung sind Bundessache

             Außenpolitik                                    Bundesfinanzen

                                    Bund regelt
          Gewerberecht              und vollzieht            Wasserrecht
                                         zB

    Zivilrecht, Strafrecht
                                                             Forstrecht

Zweiter Haupttyp: Die Gesetzgebung liegt beim Bund, die Vollziehung bei
                 den Ländern
Diese Zuständigkeit bezieht sich zB auf das Staatsbürgerschaftswesen und die
Straßenpolizei. Die Erlassung von Durchführungsverordnungen zu diesen Bundesgeset-
zen liegt beim Bund, soweit die betreffenden Bundesgesetze diesbezüglich nicht die Län-
der ermächtigen.

Dritter Haupttyp: Die Grundsatzgesetzgebung liegt beim Bund, die
                Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung bei
                den Ländern

Diese Zuständigkeit bezieht sich zB auf das Sozialhilfewesen, die Jugendfürsorge und
die Krankenanstalten. Grundsatzgesetze und Grundsatzbestimmungen in Bundesgeset-
zen sind ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Alleiniger Normadressat eines Bundes-
grundsatzgesetzes ist der Landesgesetzgeber, der das Ausführungsgesetz zu erlassen
hat. Das Bundesgrundsatzgesetz als solches ist nicht vollziehbar.

Wenn der Bundesgesetzgeber kein Grundsatzgesetz erlässt, so kann die Landesgesetz-
gebung solche Angelegenheiten frei regeln. Sobald aber der Bund Grundsätze aufgestellt
hat, sind die landesgesetzlichen Bestimmungen binnen einer bestimmten Frist dem
Grundsatzgesetz anzupassen.

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