Strukturwandel1 in die Zukunft tragen - Policy Brief nr. 13, 1. Oktober 2019 - GENDERACTION
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Policy Brief Nr. 13, 1. Oktober 2019 Strukturwandel1 in die Zukunft tragen In diesem GENDERACTION Policy Brief werden politische Empfehlungen zum Ansatz des Strukturwandels hin zur Geschlechtergleichstellung in for- schungsfördernden und -durchführenden Organisationen präsentiert. Von GENDERACTION in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern von EU-finanzierten Strukturveränderungsprojekten entwickelt, hat dieser Policy Brief das Ziel, die wichtigsten Eckpunkte des Strukturwandelansat- zes zusammenzufassen und Empfehlungen für die Stärkung dieses Poli- tik-Ansatzes in der nächsten Rahmenprogrammsperiode vorzulegen. Kernaussagen: Maßnahmen, wie sie von den Verein- ten Nationen2 definiert wurden, sowie • Der Europäischen Kommission sowie durch neue Formen von disruptiven den Mitgliedsstaaten wird stark angera- Maßnahmen, geschehen. ten, den Ansatz des Strukturwandels als • Auch muss die ungleiche Umsetzung in politischen Rahmen aufrecht zu erhalten den EU-Mitgliedsstaaten, zusammen mit und weiter zu verstärken, um im Bereich anhaltenden Mängeln/Defiziten bei der der Forschung nachhaltige Gleichstel- Implementierung, einschließlich des Man- lungsmaßnahmen zu fördern. Dies sollte gels an robusten, kontextspezifischen durch die Aufstockung und/oder Ein- Daten und Indikatoren zur Messung des führung zweckgebundener Budgetli- Fortschritts im Europäischen Forschungs- nien, die Einführung zeitlich befristeter raum (EFR), angesprochen werden. 1 | In diesem Policy Brief wird der Begriff „Strukturwandel“ anstelle des Begriffs „kultureller und insti- tutioneller Wandel“ oder „institutioneller Wandel“ verwendet. Der Begriff „Strukturwandel“ beschreibt die Komplexität des Veränderungsprozesses in Organisationen treffender. Strukturwandel muss auf vier miteinander verbundenen Ebenen (symbolisch (kultureller), institutionell, zwischenmenschlich und indivi- duell) stattfinden, um nachhaltige Wirkung zu erzielen. Institutionelle und kulturelle Aspekte sind somit nur zwei der vier konstitutiven Teile des Strukturwandels. Der Begriff Strukturwandel wird vom EIGE (siehe https://eige.europa.eu/gender-mainstreaming/toolkits/gear/ why-change-must-be-structural), von der Ex- pert/inn/engruppe der Europäischen Kommission (Europäische Kommission 2012), die erste Empfehlun- gen abgegeben hat, sowie von den Mitgliedstaaten (z.B. Konferenz der litauischen Präsidentschaft, die mit EU-Mitteln im November 2013 unter dem Titel „Structural Change Promoting Gender Equality in Research Organisations“ organisiert wurde) verwendet. 2 | Der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau definiert vorübergehende Sondermaß- nahmen als „positive Maßnahmen, Vorzugsbehandlungen oder Quotensysteme zur Förderung der Integra- tion von Frauen in Bildung, Wirtschaft, Politik und Beschäftigung“. 1
• Strukturwandel muss einen intersektio- fische Barrieren wie geschlechterspezifische nalen Ansatz zu Gleichstellung verfol- Diskriminierung, sexistische und feindselige gen, um Ethnizität, Geschlechteriden- Umgebungen sowie sexuelle Belästigung, tität und sexuelle Orientierung, soziale fehlende institutionelle Maßnahmen zur und ökonomische Ungleichheiten, und Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben Behinderung anzusprechen. Ohne sich usw., zu beseitigen. Da Strukturwandel die um diese Aspekte der Unterschiede zu Geschlechtervielfalt und Integration der Ge- kümmern, laufen Strukturwandelprojek- schlechterdimension in F&I-Inhalte fördert, te Gefahr, dass die Bedürfnisse von z.B. wirkt er sich auch positiv auf die Leistung, nicht-weißen und LGBTQI+ Personen Robustheit, Interdisziplinarität, Verantwor- unberücksichtigt bleiben. tung und Kreativität der F&I- Resultate aus. • Strukturwandel muss aber auch im Un- Da darüber hinaus ein Zusammenhang zwi- ternehmenssektor3 realisiert werden. schen dem Geschlechtergleichgewicht in Der Unternehmenssektor ist ein wichti- Management- und Vorstandspositionen mit ger Arbeitgeber im Bereich Forschung zunehmenden finanziellen Vorteilen, dem und Innovation (F&I), weist jedoch eine Wettbewerbsvorteil der Organisation, Ar- anhaltende und gravierende geschlech- beitszufriedenheit und Mitarbeiter/innenpro- terspezifische Diskrepanz unter den duktivität, organisatorischer Attraktivität und F&I-Beschäftigten auf. Wesentliche Sum- sozialer Verantwortung besteht, unterstützt men öffentlicher Mittel gehen an den Strukturwandel auch Umweltinitiativen und Unternehmenssektor. Daher sollte dieser Ökoinnovationen (EFFORTI 2017). Bereich in die Bemühungen um einen Strukturwandel miteinbezogen werden, Politischer Rahmen um faire und nichtdiskriminierende Ar- beitsbedingungen zu schaffen und den 2010 hob der Rat der Europäischen Union Forschungs- und Innovationsbedarf aller (10246/10) das Konzept des Strukturwandels gesellschaftlicher Gruppen zu decken. hervor, das darauf abzielt, geschlechterspe- zifische Barrieren bei der wissenschaftlichen Einleitung Anerkennung und beim beruflichen Aufstieg, zu beseitigen. In ihrer Mitteilung von 2012 Die Europäische Union ist ein privilegierter verpflichtete sich die Europäische Kommis- Raum für die Entwicklung von Regeln und sion (KOM(2012) 392 endg.), Gleichstellung Standards für die Geschlechtergleichstellung und die Integration einer geschlechterspe- in Forschung und Innovation (F&I). Struktur- zifischen Dimension in Horizont 2020 zu wandel ist in der EU heute ein etablierter An- fördern, und forderte die Mitgliedstaaten satz zur Förderung der Geschlechtergleich- ausdrücklich dazu auf, „Partnerschaften mit stellung in den forschungsfördernden und Fördereinrichtungen, Forschungseinrichtun- -durchführenden Organisationen. Es handelt gen und Universitäten einzugehen, um den sich dabei um einen Ansatz, von dem Alle kulturellen und institutionellen Wandel im Be- profitieren, und welcher im Idealfall zunächst reich der Gleichstellung zu fördern - Chartas, dazu beiträgt, anhaltende geschlechterspezi- Leistungsvereinbarungen, Auszeichnungen“. Im Jahr 2015 betonte das Europäische Par- lament (2014/2251(INI)) die Notwendigkeit, 3 | Der Begriff „Unternehmenssektor“ wird in Maßnahmen für Strukturveränderung zu fi- Übereinstimmung mit der Organisation für wirt- nanzieren, sowie Anreize zu schaffen und die schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ver- Finanzierung an Gleichstellungsstandards wendet (OECD 2002). zu knüpfen. In den Schlussfolgerungen des 2
Rates vom 1. Dezember 2015 zur Förderung drei Hauptziele des EFR im Bereich der der Geschlechtergleichstellung im Europä- Geschlechtergleichstellung gleichzeitig ischen Forschungsraum (14846/15) wurden angeht: (1) Beseitigung von Barrieren für diese früheren Botschaften anerkannt und die Karrieren von Wissenschafterinnen, weiter bekräftigt. Trotz des robusten po- (2) Auseinandersetzung mit dem Ge- litischen Rahmens besteht in der EU ein schlechterungleichgewicht in Entschei- Ungleichgewicht bei der Implementierung dungsprozessen und (3) Einbeziehung des Konzepts. Sowohl die EU-15-Länder, der Geschlechter- und Genderdimension als auch innovationsstärkere Länder haben in Forschungs- und Innovationsinhalte. im Gegensatz zu den EU-13-Ländern und Die Reduzierung der Gleichstellungspo- innovationsärmeren Ländern, Strukturwandel litik auf nur eines der Ziele (z.B. die Erhö- tendenziell häufiger zu einem Schlüsselele- hung des Frauenanteils im MINT-Bereich) ment ihres nationalen politischen Rahmens birgt die Gefahr, dass die Kultur der Ge- für die Geschlechtergleichstellung im Be- schlechterungleichheit im akademischen reich F&I erhoben (SWG GRI 2018). Jedoch Bereich fortbesteht, weil strukturelle Bar- gibt es selbst in Ländern, in denen Struk- rieren nicht beseitigt und möglicherwei- turwandel Teil des politischen Rahmens ist, se sogar verstärkt werden. Mängel bei der Umsetzung sowie beim Mo- • Geschlecht ist ein soziales Konstrukt. nitoring und der Evaluierung konkreter Maß- Das bedeutet, dass die Geschlechter- nahmen. Darüber hinaus konzentrierte sich verhältnisse, auch unter anderen gesell- der Ansatz des Strukturwandels bisher auf schaftlichen Bereichen, im beruflichen die Geschlechtergleichstellung, ohne sich Umfeld, ständig (neu) konstruiert wer- explizit um andere Aspekte der Ungleich- den. Dies passiert auf Grundlage von heit zu kümmern; Strukturwandel wurde vor Geschlechterstereotypen, die oft unbe- allem auch im öffentlichen Forschungs- und wusst sind. Das Vorherrschen von ge- Hochschulsektor und bei den öffentlichen schlechterspezifischen Vorurteilen und forschungsfördernden Organisationen ge- Stereotypen im Bereich der Forschung fördert, nicht aber im Unternehmenssektor. und Hochschulbildung ist, da die akade- mische Kultur von dem Wert der Leistung Strukturwandel: Definition und bestimmt wird, umso problematischer. In Eckpunkte voreingenommenen Systemen kann es jedoch keine Meritokratie geben. • Strukturwandel ist weit mehr als nur die • Geschlecht muss immer intersektional Verabschiedung eines Gleichstellungs- adressiert werden, durch einen analyti- plans in einer Institution. Vielmehr geht schen Rahmen, der ineinandergreifende es um Veränderungen auf vier zusam- und sich überschneidende Machtsyste- menhängenden Ebenen: der symboli- me zwischen Geschlecht und anderen schen (kulturellen), der institutionellen, sozialen Kategorien und Identitäten un- der zwischenmenschlichen und der indi- tersucht, wie z.B. Ethnizität, Migration, viduellen Ebene. Um zu erkennen, wel- Geschlechteridentität, sexuelle Orien- che Maßnahmen tatsächlich greifen und tierung, sozioökonomischer Status und welche Auswirkungen sie haben ist eine Behinderung. laufendes Monitoring sowie eine Evalu- • Strukturwandel ist eine komplexe syste- ierung der Maßnahmen notwendig. mische Herausforderung, deren Erfolg • Damit der Strukturwandel erfolgen kann, gesichert ist, wenn Top-down- und Bot- braucht es ein komplexes und umfassen- tom-up-Ansätze aufeinandertreffen und des Paket an Maßnahmen, welches die sich ergänzen. 3
• Neuartige, disruptive Maßnahmen wie Empfehlungen Reverse Mentoring oder Führungsini- Konsequentes Gender Mainstrea- tiativen für Professorinnen sollten, ge- ming von F&I Politiken meinsam mit Sanktionen für die Nichte- Um einen nachhaltigen Wandel zur Ge- inhaltung von Gleichstellungsstandards, schlechtergleichstellung zu erreichen, eingeführt werden. Diese Maßnahmen ist ein Gender-Mainstreaming-Ansatz in sollten evaluiert werden, und das daraus der Politikgestaltung erforderlich, ein- resultierende Wissen dann in strukturelle schließlich der Beibehaltung der Ge- Veränderungsinitiativen einfließen. schlechtergleichstellung als politisches • In Horizont Europa sollte die Kommissi- Ziel für die EFR. Alle F&I-Politiken, so- on einen Abschnitt über Gender (ähnlich wohl auf europäischer als auch auf nati- zu jenem über Ethik in Horizont 2020) in onaler Ebene, müssen ihre potenziellen alle Finanzierungsanträge aufnehmen, geschlechter-spezifischen Auswirkun- die sowohl die Zusammensetzung von gen berücksichtigen. Darüber hinaus Teams, Entscheidungsprozesse als auch muss die Geschlechterperspektive in die Genderdimension in F&I-Inhalten, allen Schritten der Politikumsetzung be- abdecken. rücksichtigt werden, auch bei der Bud- • Bei der Evaluierung von Horizont Euro- getierung4, dem Monitoring und der pa Projekten sollte das Geschlechterver- Evaluierung, und nicht nur bei Themen, hältnis als erster Ranking-Faktor (vor der in denen die Geschlechterperspektive Beteiligung von KMU) für Ex-aequo-An- ausdrücklich erwähnt wird. träge verwendet werden. Um bloßes „Name-Dropping“ zu vermeiden, sollte die Umsetzung der geschlechterspezi- Disruptive Maßnahmen fischen Teamzusammensetzung bei der Halbzeitbewertung überprüft werden. Jahrzehntelange Bemühungen betreffend Geschlechtergleichstellung im europäischen Budgetäre Anreize F&I-Bereich haben zu einigen Fortschritten und wertvollen Veränderungen in den for- Die Verknüpfung von Strukturwandel und schungsfördernden und -durch-führenden Finanzierung ist einer der stärksten, wenn Organisationen geführt, aber der Wandel ist nicht sogar der stärkste Anreiz. Die Bereit- zu langsam. Um in den kommenden Jahren stellung finanzieller Mittel stimuliert Struktur- wesentliche Veränderungen zu erreichen, wandel unter den forschungsfördernden und müssen durch abgestimmte Zielsetzungen, -durchführenden Organisationen; finanzielle ambitionierte zeitlich befristete und disrupti- Anreize können auch die Zusammenarbeit ve Maßnahmen, sowohl von der Europäi- und die Nachahmung zwischen forschungs- schen Kommission und von den Mitglied- fördernden und -durchführenden Organi- staaten, angewandt werden. sationen anregen, wie bereits Erfahrungen • Zeitlich befristete Maßnahmen wie Quo- ten zur Erhöhung der Beteiligung von Frauen in Führungs- und Entscheidungs- positionen sowie in Bereichen, in denen 4 | Wichtig ist zu erwähnen, dass die Generaldi- sie unterrepräsentiert sind, haben sich als rektion Forschung und Innovation kein Gender wirksam erwiesen und müssen vielfältige Budgeting durchgeführt und die Empfehlungen Formen der Diskriminierung berücksich- des Europäischen Parlaments von 2017 (IPOL_ tigen. STU(2019)621801) nicht umgesetzt hat. 4
mit Athena SWAN zeigen. Die Bedeutung bezogene Aktivitäten beinhalten und die der nationalen (und sogar regionalen) Ebene geschlechterspezifische Dimension der darf nicht unterschätzt werden. Die emp- Innovation, einschließlich KMU und Sca- fohlenen Maßnahmen sollten daher sowohl le-ups, berücksichtigen. von der Europäischen Kommission in Ho- • Den Mitgliedstaaten wird ausdrücklich rizont Europa, als auch von nationalen Fi- empfohlen, die Strukturfonds 2021-2027 nanzierungsprogrammen auf der Ebene der zu nutzen, um Strukturwandelprojekte Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Zudem auf nationaler Ebene durchzuführen. Dies sollten zwischen ihnen Synergien geschaffen sollte durch die Definition politischer Zie- werden, insbesondere durch den Einsatz der le, die Zuweisung von zweckgebunde- Struktur- und Kohäsionsfonds. nen Mitteln für Strukturwandelprojekte, die von nationalen forschungsfördern- Konkret: den und -durchführenden Organisati- • Die Europäische Kommission sollte eine onen umgesetzt werden, und die Ent- spezifische Finanzierungslinie zur Stär- wicklung geeigneter Indikatoren für das kung des EFR-Teils von Horizont Europa entsprechende Monitoring erfolgen. fortsetzen, wobei die Budgetzuweisung Beispielsweise enthielt das Tschechische im Vergleich zu Horizont 2020 deutlich Operationelle Programm für Forschung, erhöht werden sollte. Entwicklung und Bildung 2014-2020 die • Die Europäische Kommission sollte an- Prioritätslinie 2 Entwicklung der Hoch- streben, die Kluft zwischen Ländern, schulen und der Humanressourcen für die bei der Geschlechtergleichstellung Forschung und Entwicklung, die unter mehr oder weniger weit fortgeschritten anderem „Unterstützung für eine ausge- sind, zu überbrücken (laut EFR-Fort- wogene berufliche Förderung von For- schrittsbericht 2018 haben nur 16,5% scherinnen und Forschern im Einklang der forschungsdurchführenden Orga- mit dem Ansatz des kulturellen und ins- nisationen in den EU-13-Ländern einen titutionellen Wandels zur Erreichung der Gleichstellungsplan eingeführt, vergli- Gleichstellung“ vorsah. chen mit 67,1% in den EU-15-Ländern). • Ein Zertifizierungssystem wie Athena Dies sollte durch die Zweckbindung SWAN sollte EU-weit eingeführt wer- spezieller Mittel für geschlechterspezifi- den, um forschungsfördernde und sche Strukturwandelprojekte innerhalb -durchführende Organisationen anzure- des „Sharing Excellence“-Teils von Ho- gen strukturelle intersektionale Hand- rizont Europa erfolgen (z.B. über Twin- lungen zur Geschlechtergleichstellung ning/Teaming-Programme). Außerdem umzusetzen, zu überwachen und zu eva- sollte die Europäische Kommission die luieren. Dies sollte auch differenzierte Ausweitung der Finanzierung davon Stufen (Bronze, Silber, Gold) einschlie- abhängig machen, ob die finanzierten ßen, um einen modularen Ansatz unter Projekte auch Strukturmaßnahmen zur Einbeziehung von Institutionen, welche Geschlechtergleichstellung umfassen, derzeit keine Handlungen durchführen, die nach der Durchführung des Projekts zu ermöglichen. weitergeführt werden. • In Förderprogrammen werden die for- • In der dritten Säule von Horizont Europa schungsfördernden Organisationen sollte die Kommission von den Antrag- aufgefordert für Antragstellende, wel- stellenden die Sicherstellung verlangen, che sich mit Geschlechtergleichstellung dass das Projektmanagement und/oder auf der Ebene der Strukturveränderung die Geschäftsstrategien gleichstellungs- befassen, eine Budgetaufstockung ein- 5
zuführen. Alternativ sollte ein Teil des • Die Europäische Kommission sollte aus Overheads für strukturelle Gleichstel- den Unzulänglichkeiten des derzeitigen lungsmaßnahmen eingegrenzt werden. EFR-Monitorings für EFR-Priorität 4 (sie- • Die forschungsfördernden Organisatio- he GENDERACTION 2018 und insbe- nen sind ferner aufgefordert, spezifische sondere GENDERACTION 2019) lernen Finanzierungsprogramme für Frauen in und das Monitoring überarbeiten, um Innovations- und Technologiebereichen Fortschritte bei der Geschlechtergleich- einzuführen. Ein Beispiel guter Praxis stellung besser zu erfassen. Der aktuel- ist das von der Österreichischen For- le Headline-Indikator ist nicht geeignet, schungsförderungsgesellschaft (FFG) vermittelt ein falsches Signal und blo- eingeführte Programm Laura Bassi 4.0, ckiert Gleichstellungsaktivitäten in inak- welches Frauen F&I-Fördermittel für Di- tiven Ländern. gitalisierungs-projekte zur Verfügung • Für die Zukunft des EFR sollte die Kom- stellt. mission eine Gruppe von Expertinnen • Zuschüsse, die auf die Förderung von und Experten zusammenstellen, die Spitzenleistungen ausgerichtet sind, Empfehlungen zur Bewertung der Um- sollten einen Bonus für antragstellende/ setzung des Strukturwandels ausarbei- aufnehmende Institutionen bieten, die tet. Dies sollte vor der nächsten Ausgabe Initiativen zum Strukturwandel eingelei- von She Figures 2021 geschehen und in tet oder speziell für ihr Engagement und diese aufgenommen werden. ihre Fortschritte für Geschlechtergleich- • Die Mitgliedstaaten sollten die Ergeb- stellung vergeben haben. nisse dieser Gruppe von Expertinnen und Experten aufgreifen, um ihr Moni- Monitoring und Evaluierung toring auf nationaler Ebene in Bezug auf Strukturveränderung und die Ziele der Vergleichbare Daten bilden die Grundlage EFR-Priorität 4 zu überarbeiten. für eine objektive Bewertung der aktuellen • Die Europäische Kommission und die Situation und für die Identifizierung poten- Mitgliedstaaten sollten die Entwicklung zieller Lücken und Unterschiede zwischen geschlechterdifferenzierter und intersek- den Ländern. Derzeit gibt es nur wenige tioneller Daten weiterhin fördern. Dies Indikatoren, die den Strukturwandel auf eu- könnte den Austausch bewährter Ver- ropäischer, nationaler oder institutioneller fahren und Übungen zum gegenseitigen Ebene erfassen. Gemeinsame Standards Lernen beinhalten. und international vergleichbare Statistiken • Die forschungsfördernden Organisati- müssen eingeführt und weiter verbessert onen, einschließlich der Europäischen werden. Daten dienen dazu, Entwicklun- Kommission, sollten für das Monitoring gen/laufende Veränderungen aufzuzeigen und die Evaluierung der Auswirkungen („keine Messung, keine Verbesserung“). von geförderten Strukturwandelprojek- Daher werden sowohl qualitative als auch ten größere zeitliche Ressourcen einpla- quantitative Daten benötigt, einschließlich nen, um deren langfristige Auswirkungen Felddaten und kontextspezifische Daten. Die bewerten zu können. She Figures sind etwa für nationale Behörden oft ein Ausgangspunkt und Argumentations- Einbeziehung des faktor, um Gleichstellung voranzubringen. Unternehmenssektors Allerdings sind Informationen über die Um- setzung des Strukturwandels derzeit kaum Angesichts der enormen Bedeutung des verfügbar. Unternehmenssektors für Forschung und 6
Innovation hätte die Förderung des struk- dener Arten von Interessensgruppen und turellen Wandels innerhalb des Unterneh- spezifische Formen der Interessensgrup- menssektors einen erheblichen Multiplikati- pen-mobilisierung und -kommunikation er- onseffekt. Insbesondere Start-ups und KMUs fordert. Die erfolgreiche Umsetzung hängt haben keinen Ansatz für Strukturwandel in von der Verfügbarkeit von Kapazitäten und Bezug auf Geschlecht/Gender, und die Risi- Fähigkeiten (Wissen, Fertigkeiten und Ein- kokapitalbranche ist in diesem Bereich nicht stellungen) ab. Daher sollten weiterhin Anrei- ausgeglichen, da nur ein minimales Volumen ze für den Austausch, gegenseitiges Lernen an Risikokapital in von Frauen geführte Start- und Kapazitätsaufbau geschaffen werden. ups investiert wird. Das einzige auf EU-Ebene • Die Europäische Kommission und die vorhandene Instrument in diesem Bereich Mitgliedstaaten sollten den Austausch - der EU-Preis für Innovatorinnen - ist keine über bewährte Verfahren und gegensei- strukturelle Maßnahme. Durch die Einbezie- tiges Lernen zwischen den relevanten hung aller Sektoren wird das Verständnis von Interessensgruppen weiter fördern, ins- Innovation erweitert und auf soziale Innova- besondere vom Unternehmenssektor, tionen ausgeweitet. da eine solche Initiative in diesem Sektor • Die Europäische Kommission und die bisher fehlt. Mitgliedstaaten werden dazu ermutigt, • Strukturwandelprojekte sollten weiterhin Strukturwandelprojekte speziell für Start- Förderungen für gegenseitiges Lernen ups und innovative KMUs zu finanzieren. und Ausbildungsaktivitäten bereitstellen, Diese Finanzierung sollte „niederschwel- um Kapazitäten auf der institutionellen lig“ sein, um die Aufnahme bei den Ebene der forschungsdurchführenden KMUs zu sichern. Organisationen aufzubauen und Beispie- • Strukturwandel im Unternehmenssektor le für Arbeitspraktiken sektorübergrei- sollte durch die Einführung eines Bonus fend und zwischen Europäischen Institu- in speziell auf den Unternehmenssektor tionen auszutauschen. ausgerichtete Finanzierungs-programme gefördert werden. Danksagung • Für Horizont Europa ist Artikel 33 in der aktuellen Musterfinanzhilfe-vereinbarung GENDERACTION bedankt sich bei den für Horizont-2020-Projekte eine wichtige Vertreterinnen und Vertretern der folgen- rechtliche Grundlage und muss in ver- den, im Rahmen von Horizont 2020 und gleichbarer Form beibehalten werden. FP7 finanzierten Projekte zur Strukturverän- KMU, Start-ups etc. dürfen von diesem derung (Gender Equality Plan), die durch Artikel nicht ausgenommen werden. ihre Teilnahme an einem im März 2019 in • Der EU-Preis für Innovatorinnen sollte Berlin organisierten Workshop zu den Dis- auch auf soziale Innovationen ausge- kussionen beigetragen haben: GEECCO, dehnt werden. TARGET, Baltic Gender, SAGE, EQUAL-IST, • Die Kommission sollte eine Studie über LIBRA, GENERA, EGERA, TRIGGER, GE- den Nutzen des Strukturwandels für NOVATE, GENDERTIME, INTEGER, GENIS Start-ups und innovative KMU in Auftrag LAB, CHANGE, R-I PEERS, SPEAR, SUPERA, geben. GEARING ROLES, Gender-SMART sowie aus den verwandten Projekten EFFORTI Kapazitätsaufbau und GENDER-NET. Im Juli 2019 wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann Der Prozess des Strukturwandels ist ein um- eingeladen den Entwurf des Policy Briefs fassender, der die Einbeziehung verschie- zu kommentieren. 7
Bezugsdokumente European Economic and Social Committee (EESC) Own-initiative Opinion on Women in science (2015/C Butler, Judith (1990) Gender Trouble. Feminism and 012/02). 15-10-2014. the Subversion of Identity. New York et al: Routledge. European Parliament Resolution on women’s careers Communication from the Commission: A Reinforced in science and universities, and glass ceilings encoun- European Research Area Partnership for Excellence tered (9-9-15). and Growth (July 2012). GEAR tool. Council Conclusions on advancing gender equality in the ERA (01-12-2015). GENDERACTION (2018) Deliverable 3.1 Report on national roadmaps and mechanisms in ERA Priority 4. Council Conclusions on Various issues related to the development of the ERA (28-05-2010). GENDERACTION (2019) Deliverable 3.2 Monitoring of ERA Priority 4 implementation. European Commission (2017) Interim Evaluation: Gender equality as a crosscutting issue in Horizon Hancock, Ange Marie (2007) Intersectionality as 2020, Brussels. a Normative and Empirical Paradigm. Gender and Politics, 3(2): 248-254. European Commission (2012) Communication from the Commission to the European Parliament, the Linková, M. (rapporteur), Toader, A., Drew, E., Grech, Council, the European Economic and Social Commit- J., Cassingena Harper, J. Ratzon, N., G rünenfelder, J. tee and the Committee of the Regions A Reinforced (2018) Report on the implementation of Council Con- European Research Area Partnership for Excellence clusions of 1 December 2015 on Advancing Gender and Growth. COM(2012) 392 final. Equality in the European Research Area. Brussels: Eu- ropean Research and Innovation Committee – Standing EFFORTI The Manifold Benefits of Gender Equality Working Group on Gender in Research and Evaluation. and (Responsible) Research & Innovation. STAGES (2015) Guidelines for Structural Transforma- EFFORTI (2017) A Conceptual Evaluation Framework tion to Achieve Gender Equality in Science. for Promoting Gender Equality in Research and In- novation Toolbox I - A synthesis report. Standing Working Group on Gender in Research and Innovation (2018) Report on the implementation of ERAC Opinion on the ERA Roadmap 2015-2020 Council Conclusions of 1 December 2015 on Advanc- (April 2015). ing Gender Equality in the European Research Area. Kontakt: www.genderaction.eu info@genderaction.eu @GENDERACTION_EU Dieses Projekt wird aus Mitteln des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizont 2020“ der Europäischen Union im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 741466 finanziert. Haftungsausschluss: Die in diesem Dokument geäußerten Ansichten und Meinungen beziehen sich ausschließlich auf das Projekt und entsprechen nicht zwangsläufig denen der Europäischen Kommission. 8
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