Finanzierung, Organisation und Themenfelder von Stadt- und Citymanagement in Europa - Roland Murauer DSSW-Materialien
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DSSW-Materialien Finanzierung, Organisation und Themenfelder von Stadt- und Citymanagement in Europa Roland Murauer DSSW-Materialien Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft im Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.
DSSW-Materialien Finanzierung, Organisation und Themenfelder von Stadt- und Citymanagement in Europa DSSW-Materialien, Berlin 2004 Herausgeber Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft (DSSW) im (Alle Rechte vorbehalten) Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. Nollendorfplatz 3-4, 10777 Berlin Fon: (030) 24 34 60 – 0, Fax: (030) 24 34 60 – 15 E-Mail: info@dssw.de, Internet: www.dssw.de Bearbeitung/Redaktion CIMA Österreich GmbH Roland Murauer Johannesgasse 8, A-4910 Ried/Innkreis, Österreich Fon: +43 7752 71117, Fax: +43 7752 71117 17 E-Mail: cima@cima.co.at, Internet: www.cima.co.at Das DSSW ist eine Initiative der Bundesregierung und der Deutschen Wirtschaft zur Revitalisierung der ostdeutschen Innenstädte. Sie wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit finanziert.
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Inhaltsverzeichnis Einleitung 2 Trends und Entwicklungen im europäischen Stadt- und Citymanagement 3 Stadt- und Citymanagement in einzelnen 5 europäischen Staaten 5 Österreich 5 Schweiz 7 Großbritannien 8 Belgien 10 Frankreich 11 Niederlande 11 Schweden 12 Spanien 12 Resümee – Ansätze für Stadtmarketing im deutschsprachigen Raum 14 1
Einleitung Das kommunalwirtschaftliche Planungs- und Gestaltungsinstrumentarium Stadtmarketing bzw. die daraus resultierende Umsetzung der Konzepte in Form von professionellen Stadt- und Citymanagements hat in den letzten 10 Jahren (beinahe) gesamteuropäische Dimensionen erreicht. Bedingt durch annähernd ähnliche Problemstellungen (z.B.: fehlende gesamt- städtische Positionierungen, keine akkordierten und einheitlichen Strategien, Verödung der Stadtzentren, Abwanderung, Verlust an Aufenthalts- und Wohn- qualität, Sicherheitsprobleme, etc.) haben sich seit Anfang der 90er Jahre in mehr als 1.300 europäischen Klein-, Mittel- und Großstädten verschiedene Formen und Ausprägungen von örtlichen Stadt- und Citymanagementorganisationen herausgebildet. Einhergehend mit dem Entstehen örtlicher Interessengruppierungen haben sich auch entsprechende nationale „Stadtmarketingdachverbände“ in Europa her- ausgebildet. Die wichtigsten Organisationen sind: Belgien – AMCV (Association de Management du Centre Ville) Dänemark – „Citycenter“ Deutschland – BCSD (Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing e.V.) Finnland – Finland Association of Town Center Management Frankreich – FMCV (Federation Management du Centre Ville) Großbritannien – ATCM (Association of town center management) Niederlande – NVBO (Nederlandse Vereniging Binnenstedelijke Onderne- mer) Norwegen - Norsk Sentrumsforum Österreich – Stadtmarketing Austria Portugal – URBE (Nucleos Urbanos de Pesquisa e Intervencao) Schweden - Svenska Stadskärnor Schweiz – Orts- und Stadtmarketingverband (in Gründung) Spanien – AGECU (Asociacion Espanola de Gerentes de Centros Urbanos) Diese nationalen Dachverbände arbeiten auf gesamteuropäischer Ebene im Rahmen der „European Federation of Town Center Management – EFTC“ zu- sammen. 2
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Trends und Entwicklungen im europäischen Stadt- und Citymanagement Die wichtigsten Trends und Entwicklungen im „europäischen Stadt- und City- management“ sind: Starkes zeitliches und inhaltliches Entwicklungsgefälle zwischen West-/ Nord-/ Mitteleuropa einerseits sowie Süd- und Osteuropa: Erste „Town- Center-Management“-Aktivitäten wurden in Großbritannien, insbesondere in den alten Industriezonen Mittelenglands in den späten 70er Jahren gestar- tet. Abgesehen von vereinzelter Pilotversuchen in den Niederlanden (z.B.: Maastricht) sowie Deutschland (z.B.: Kronach, Mindelheim, Schwandorf) in den 80er Jahren, setzte erst im letzten Jahrzehnt in Skandinavien, den Be- nelux-Staaten sowie im deutschsprachigen Raum ein regelrechter „Stadt- marketing-Boom“ ein. Neben, mitunter „in viel Papier“ gegossenen konzep- tionellen Grundlagen bildeten sich in diesen Ländern innerhalb weniger Jah- re professionelle Stadt- und Citymanagementorganisationen heraus. Dank massiver finanzieller Unterstützung aus diversen EU-Strukturfördertöpfen ist seit kurzer Zeit auch in Frankreich, Spanien, Portugal sowie weiteren süd- (ost)europäischen Staaten ein deutlicher Anstieg der Stadtmarketing- Aktivitäten zu verzeichnen. Für die Mehrzahl der osteuropäischen Kommu- nen wird Stadt- und Citymarketing auch noch in den nächsten 3-5 Jahren kaum ein vorrangig zu behandelndes Thema darstellen, da die ohnehin knappen finanziellen Ressourcen gegenwärtig in touristische Marketing- und Wirtschaftsförderaktivitäten fließen. Zwei unterschiedliche Stadtmarketing-Managementphilosophien: Bei der Einführung bzw. Implementierung von professionellen Citymanagements sind in Europa zwei unterschiedliche Strategieansätze feststellbar: Prozessorientierte Ansatz Aktionsorientierte Ansatz Start mit meist ganzheitlich Gründung einer professionel- angelegten Stadtmarketing- len Stadtmarketingeinheit mit Prozessen mit externer Beglei- Aufstellung eines ersten Akti- tung und intensiver Einbindung onsjahresplans der lokalen Akteure (Politik, Mittelausstattung für die ers- Verwaltung, Wirtschaft, Bevöl- ten 2-3 Jahre – anschließend kerung, etc.) Erfolgskontrolle Gründung einer professionel- Analysen, Leitbild, Strategien, len Stadtmarketingeinheit erst etc. während bzw. parallel zur nach Ablauf der stadtinternen laufenden Geschäftstätigkeit Diskussionsprozesse und Si- vorwiegend in Großbritannien, cherstellung einer zumindest Niederlande, Skandinavien mittelfristigen Finanzierung vorwiegend in Deutschland, Österreich und der Schweiz 3
Divergente politische und gesetzliche Rahmenbedingungen: Obwohl sich nahezu alle europäischen Staaten zum Erhalt ihrer (inner)städtischen Struk- turen bekennen, unterscheidet sich die Unterstützung für professionelles Ci- tymanagement von politischer Seite sehr stark. Neben gesamtstaatlichen Aktionsprogrammen (z.B.: Großbritannien, Belgien, Spanien, Schweden), welche in ideeller, organisatorischer als auch in finanzieller Weise deutlich dazu beigetragen haben, dem Stadtmarketingansatz zum Durchbruch zu verhelfen, sind eindeutige gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere im Raumplanungssektor, von fundamentaler Bedeutung für den nachhalti- gen Erfolg professioneller Citymanagements. Exemplarisch sei hier Großbri- tannien genannt: Vor Inkrafttreten der „planning policy guidance 6“ im Jahr 1991, eines umfassenden Stadt- und Raumplanungsgesetzes mit zahlrei- chen interessanten Regelmechanismen für britische Kommunen, waren im „Vereinigten Königreich“ nur rund 50 professionelle „Town-Center Mana- gements“ aktiv. Zwei Jahre später zählte man bereits mehr als 200 Cityma- nagements. Unterschiedliche Aufgaben und Finanzierungsmodelle: In vielen europäi- schen Staaten beschränkt sich der Aktionsradius des Stadtmarketings nicht mehr allein auf Event- und Einzelhandelsmarketing. Neben strategischen Immobilien- und operativen Leerflächenmanagement übernehmen, insbe- sondere niederländische und britische Citymanagements zunehmend „öf- fentliche Aufgaben“ (Security-Aufgaben, Stadtreinigung, etc.). Die Ausstat- tung des Citymanagementbudgets mit städtischen Finanzmitteln ist von Staat zu Staat unterschiedlich. Liegt der städtische Finanzierungsanteil bei- spielsweise in Österreich bei 65%, erhalten Citymanagements in den Nie- derlanden, Belgien und Schweden beispielsweise nur etwa 30% ihres Ge- samtetats aus der Stadtkasse. Diese geringen öffentlichen Subventionen zwingen Citymanager, mit kreativen bzw. neuen Ideen (z.B.: Consulting- dienstleistungen, Incomingservices, Management von vormals städtischen Einrichtungen, etc.) ihre Budgets aufzustocken. „Zähe“ transnationale Zusammenarbeit: Von Internationalisierung und Glo- balisierung, die sich in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen bemerkbar macht, ist im europäischen Citymanagement noch wenig zu spüren. Die transeuropäische Zusammenarbeit sowie Projektaktivitäten sind kaum vor- handen. Eine Ausnahme ist die 1997 gegründete European Federation of Town Center Management (EFTC), der bisweilen 10 nationale Dachver- bände angehören. Die Aktivitäten der EFTC beschränken sich allerdings auf einen vierteljährlichen Erfahrungsaustausch der Vorstandsmitglieder, auf die fachliche Unterstützung diverser EU-Programme (z.B.: „Mobility Week“) so- wie die Vermittlung von nationalen Fachexperten für Fachkongresse und Weiterbildungsveranstaltungen. 4
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Stadt- und Citymanagement in einzelnen europäischen Staaten Der nachfolgende Abschnitt gibt einerseits einen fundierten Überblick über die Stadt- und Citymanagementstrukturen in einzelnen europäischen Staaten, an- dererseits werden pro dargestelltem Land exemplarisch einige konkrete Fall- beispiele aufgezeigt. Österreich Die Alpenrepublik beschritt eine sowohl zeitlich als auch inhaltlich ähnliche „Stadtmarketing-Ent-wicklung“ wie Deutschland. Nach einem Boom „konzeptioneller“ Stadtmarketing-Leitbilder Anfang bis Mitte der 90er Jahre, vorwiegend in Klein-/Mittelstädten, wurden ab Mitte des letzten Jahr-zehnts mehr und mehr professionelle Citymanagements gegründet (erste Citymanagement GmbH - Mai 1995 in Wels). Gegenwärtig sind in rund 2/3 aller österreichischen Städte hauptberufliche Citymanagementakteure aktiv. Rechtsformen von Verein 50 % Stadtmarketingorganisationen Privatwirtschaft. Rechtsform (GmbH, KEG, etc.) 25 % als Stabsstelle innerhalb der Stadtverw. 10 % integriert in örtlichen Tourismusverband 10 % integriert in Kaufmannschaftsorganisation 5% Jährliche Grundbudgets Städte bis 10.000 Einwohner rund 100.000 (Durchschnittswerte) Städte zw. 10.000 – 20.000 Einwohner rund 145.000 = decken zumindest die jährlichen Fixkosten Städte zw. 20.000 – 50.000 Einwohner rund 350.000 ab und weisen sogenannte „Projektbasis- Städte über 50.000 Einwohner rund 530.000 budgets“ auf Anteil der Fixkosten Städte bis 10.000 Einwohner 41 % (= Personalaufwände, Bürokosten, etc.) Städte zw. 10.000 – 20.000 Einwohner 36 % Städte zw. 20.000 – 50.000 Einwohner 40 % Städte über 50.000 Einwohner 35 % Beitragshöhen der Träger bzw. Stadtgemeinde zwischen 50 - 70 % Gesellschafter in Städten Wirtschaftsverbände vor Ort zwischen 20 - 30 % (Durchschnittswerte) Sonstige Institutionen zwischen 05 - 10% Personalausstattung Städte bis 10.000 Einwohner 1,5 Personen (Durchschnittswerte) Städte zw. 10.000 – 20.000 Einwohner 2 Personen Städte zw. 20.000 – 50.000 Einwohner 3 Personen Städte über 50.000 Einwohner 4,5 Personen Quelle: Evaluierungsbericht „Stadt- und Citymanagement in Österreich“, CIMA Österreich GmbH, 2001-2002 Die nachhaltig positive Entwicklung des Themas „Stadtmarketing“ sowie die rasche und beinahe flächendeckende Gründung von zahlreichen 5
professionellen Stadtmarketingeinheiten in Österreich ist auf zwei wesentliche Faktoren zurückzuführen: aktive Unterstützung der Wirtschaftskammern Bereits Anfang der 90er Jahre erkannten viele Wirtschaftskammern die Notwendigkeit, Orts- und Stadtkerne in ihrer ökonomischen Substanz zu erhalten bzw. zu stärken. Neben der Installierung von landesweiten Stadt- marketing-ERFA-Gruppen (z.B.: in Kärnten), der Errichtung von (internetge- stützten) Informationsplattformen (z.B.: „Ortskern aktiv“ der steirischen Wirt- schaftskammer), der Gründung eigener Stadtmarketingförder- und – managementeinrichtungen (z.B.: „Einkaufsstraßenmanagement“ in Wien; NAFES in Niederösterreich) förderten viele Wirtschaftskammern auch Stadtmarketingberatungsleistungen bis zu 1/3 der Kosten. Tourismusabgabe als wichtiges „Stadtmarketing-Finanzierungsinstrument“ Die länderspezifischen Tourismusgesetzgebungen in Österreich sehen vor, dass alle Unternehmen einer (annähernd touristisch geprägten) Gemein- de/Stadt (nach entsprechenden Beitragsgruppen und –schlüssel) zur Finan- zierung touristischer Aktivitäten beizutragen haben. Diese, mittels einer Un- ternehmer-Urabstimmung (bei erstmaliger Gründung eines örtlichen Tou- rismusverbandes), beschlossene Abgabe verbleibt, zum überwiegenden Teil in der jeweiligen Standortgemeinde und wurde, speziell in den mittleren und größeren Städten in den letzten Jahren immer häufiger als „solidari- sche“ Basisfinanzierungsquelle für Stadt- und Citymanagementaktivitäten herangezogen. Ausgewählte Fallbeispiele österreichischer Stadt- und Citymanagementorganisationen: Wels Erste professionelle Stadtmarketingein- 60.000 Einwohner, heit in Österreich (1995) Oberösterreich Seit dem Jahr 2000 – Integration der bis- lang unabhängigen städtischen Event-, www.wels.at Tourismus- und Standortmarketing GmbHs in die Stadtmarketing GmbH rund 1,1 Mio jährlich Basisbudget Starker Focus auf „Handelsmarketing“ (zahlreiche innovative Kundenbindungs- und –service-Programme) sowie qualita- tives „Eventmarketing“ Einsatz der modernsten Permanent- Video-frequenzmeßanlage in Österreich Gegenwärtiges Leitprojekt – Umsetzung eines „Kernzonenmatrix-Planes“ (= the- matische Neuausrichtung einzelner In- nenstadtteile) 6
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Salzburg Im Jahr 1999 wurde „Altstadt Salzburg 145.000 Einwohner, Salzburg Marketing GmbH“ durch zwei Innenstadt- kaufleuteverbände sowie Stadt Salzburg www.altstadt-salzburg.at initiiert Im Jahr 2002 durch Gründung eines Alt- stadtmarketing - Tourismusverbandes – massive Eigenmittelaufstockung – zur Zeit 1,4 Mio. Basisbudget Innovative Projekte wie z.B.: (ASIS – „Altstadt-Standort-Info-System“; Intranet für 1.400 Mitglieder; Mitglieder- Strompool; Sonder-Aktionen für Studen- ten – „Low Budget Days“, spezielle Kul- turprogramme in den Altstadtviertel, etc.) in Vorbereitung – Gründung einer Altstadt Entwicklungs- AG (zum Ankauf von „stra- tegisch“ wichtigen Altstadtimmobilien) Schweiz Schweizer Städte und Gemeinden haben erst vor wenigen Jahren begonnen, „klassische“ ganz-heitliche Stadtmarketingprozesse anzugehen. Laut einer Umfrage der Consultingagentur Interurban AG befassten sich im Jahr 2002 zwar bereits rund 60 % der Schweizer Städte mit dem Thema „Stadtmarketing“ und investierten insgesamt 12 Mio Schweizer Franken (8,2 Mio ) in die Bewerbung ihrer Standorte, trotzdem sind nur in wenigen (größeren) Städten bislang professionelle Stadt- und Citymanagementorganisationen geschaffen worden (z.B.: Basel, Luzern, Winterthur, etc.). Ausschlaggebend für dieses „zögerliche“ Verhalten sind insbesondere folgende Gründe: stark „oligopol-geprägte“ Einzelhandelsstrukturen (insbesondere in der Ost- schweiz) kein dringender Handlungsbedarf aus Sicht der Schweizer Kommunalver- waltungen kaum aktive Unterstützung durch kantonale Wirtschaftsabteilun- gen/Handelskammern Fokussierung der letzten Jahre auf Gründung von Regionalentwicklungs- verbänden für Standortmarketing 7
Ausgewählte Fallbeispiele Schweizer Stadt- und Citymanagementorganisationen: Basel Im Jahr 2000 als neues Ressort in der 190.000 Einwohner, Ost- kantonalen Verwaltung gegründet schweiz Projekt auf 5 Jahre angelegt mit jährli- chem Projektbudget von 330.000 www.basel.ch 3 Hauptfelder: Kommunikation & PR (K&PR) Event Services Wohnortmarketing Winterthur „Kleine“ Schwesterstadt von Zürich 100.000 Einwohner, Zentral- mit erstem professionellen (Innen- schweiz )Stadtmarketing in der Schweiz seit Anfang der 90er Jahre www.stadtmarketing.ch Jährliches Budget für Innenstadtinitiati- ve von 258.000,- Zusätzlich eigene Stadtmarketingorga- nisation für Standortmarketing und Flä- chenmanagement Großbritannien Großbritannien gilt als das „Mutterland“ des europäischen Stadtmarketings. Bereits Mitte der 70er Jahre wurden in Mittelengland erste „Town Center Marketing/Management“-Projekte gestartet. Die Einführung einer neuen, im Hinblick auf die Genehmigung von weiteren peripheren Einkaufszentren sehr restriktiv gehaltenen, Raumplanungsgesetzgebung Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre – der sogenannten „planning policy guidance 6“ – ermöglichte die nachhaltige und effektive Entwicklung bzw. Revitalisierung der Stadtkerne. Die wesentlichen Punkte dieser Planungskriterien waren bzw. sind: bei neuen Projekten – Durchführung eines „sequential tests“ (Flächenent- wicklung von „innen nach außen“) section 106-Bestimmung (kommunale „Kann“-Bestimmung zur Einhebung einer verpflichtenden TCM-Fee) Die ca. 400 gegenwärtig in Großbritannien vorhandenen Stadt- und Citymanagementorganisationen werden seit 1991 vom hochprofessionellen nationalen Stadtmarketingdachverband „ATCM“ (Association of Town Center Management) betreut. Neben der Organisation von regelmäßigen Weiter- bildungsveranstaltungen, der regelmäßigen Publikation von Praxisratgebern für „town center management“ liegt die Hauptaufgabe des englischen Verbandes 8
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft im „Lobbying“ bei Ministerien sowie politischen Entscheidungsträgern (z.B.: „all party parliamentary group“-Meetings = regelmäßig stattfindende Treffen zwischen Stadtmarketingmanagern mit rund 100 Unter- sowie Oberhaus- abgeordneten). Eine eigene staatliche „countryside agency“ (jährliches Budget rund 144 Mio ) versucht, mit speziellen Programmen und Projekten die sogenannten „market towns“ (= Städte unter 25.000 Einwohner) wirtschaftsstrukturell zu fördern. Zusätzlich zu den diversen Stadtmarketingaktivitäten starten ab dem Jahr 2004 die ersten 20 Pilotversuche zur Einführung von „business improvement districts“. Ausgewählte Fallbeispiele von Stadt- und Citymanagementorganisationen in Großbritannien: Reading 250.000 Einwohner Westlich von London ge- legen im so genannten www.reading.gov.uk/aboutreading/towncentre Thames Valley/M4- Korridor (= 8. stärkste Wirtschaftsregion in Euro- pa) Town Center Manage- ment konzentrierte sich in den letzten Jahren vor- wiegend auf die urbane Neugestaltung des Stadt- kerns sowie Ansiedelung entsprechend neuer und attraktiver Unternehmen Nottingham Citycard „Shop & Save“ - erste funk- 143.000 Einwohner tionierende und umfassende City- card in Großbritannien für unter- www.nottinghamcity.gov.uk schiedliche Nutzergruppen mit viel- fältigen Funktionen (z.B. Fahrkarte im ÖPNV, Entleihkarte in öffentlichen Bibliotheken) Retail Crime Operation - Zusammen- schluss von Polizei, Stadt und Ein- zelhändlern zur Bekämpfung des Ladendiebstahls mit Hilfe einer gezielten, datenbank- unterstützten Überwachung 9
Coventry Erstes TCM in Großbritannien, welches 300.000 Einwohner kommunale „Kernaufgaben“ übernommen hat (Straßenreinigung, Sicherheitsdienst, www.cwn.org.uk Innenstadt- und Eventmanagement sowie die Bewirtschaftung der 6000 öffentlichen Parkplätze) Budget 3, 3 Mio. Gesamtbudget (davon 80 % vom City Council mit degressiver Zuschussentwicklung in den nächsten fünf Jahren um jeweils 10 %) Erfolge 1998 – 2001: Haushaltsbudgeteinsparung für Stadt v. 600.000 10 – 15 % Frequenz- und Auslastungs- steigerungen in der Innenstadt bzw. der Parkflächen 12 % Rückgang der Straßenkriminalität Belgien Belgien blickt ebenfalls auf eine langjährige „Stadtmarketing“-Entwicklung zurück. Derzeit sind rund 32 professionelle Stadt- bzw. Citymanagement- organisationen, insbesondere in Flandern, aktiv. Im Jahr 2000 startete die belgische Regierung ein „Mercurios“-Projekt zur Revitalisierung von innerstädtischen Standorten für 60 kleinere und mittlere Kommunen mit einem Gesamtvolumen von ca. 50 Mio . Gemeinsam mit dem belgischen Stadtmarketingdachverband AMCV (Association du Management de Centre- Ville) initiierten die Universitäten Mons, Charleroi und Brüssel eigene Aus- und postgraduale Weiterbildungslehrgänge für Stadt- und Citymanagement. Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in Belgien: Charleroi Eines der best entwickelten Stadtmarke- 120.000 Einwohner, Wallonien tingprojekte in Belgien Umfangreiches p-p-p-Modell des „Char- leroi centreville“ mit finanzieller Beteiligung www.charleroi.be von mehreren Banken und Großmaklern Eigenes online-gestütztes Leerflächen- und Standortinformationssystem 10
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Frankreich Die Entwicklung des Stadtmarketinggedankens bzw. –ansatzes verlief in Frankreich regional sehr unterschiedlich. Während im Süden des Landes noch kaum einschlägige Projekte und Organisationen vorzufinden sind, konzentrieren sich die professionellen City- und Stadtmanagement-einheiten vornehmlich auf den stark industrialisierten Norden. Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in Frankreich: Lille Derzeit interessantes Stadtmarketing- 166.000 Einwohner projekt in Frankreich Fokussierung auf Handels- und E- www.lillecentreville.com ventmarketing Eigenes „City-Botschafter“-Team in der Innenstadt von Lille Niederlande Seit Anfang der 90er Jahre wird in den Niederlanden mit dem Planungs- und Gestaltungsinstrument „Stadtmarketing“ gearbeitet. Neben „klassischen“ Stadtmarketingaufgaben im Event- und Kunden--bindungsbereich liegt ein Schwerpunkt der Arbeit der rund 50 professionellen Citymanagement-einheiten im Feld „Stadtentwicklung“. Als maßgebliche Akteure und Mitfinanciers im Stadtmarketing treten in den Niederlanden die örtlichen „Hausbesitzer- verbände“ auf, welche von den Stadt- und Citymanagementorganisationen ent-sprechende Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in den Niederlanden: Tilburg Gründung der „Stichting 190.000 Einwohner Stadskern Tilburg“ im Jahre 1996 Setzt sich aus Vertretern des www.tilburg.com/themas/binnenstadplein Einzelhandels, der Gastrono- mie, der Immobilieneigentü- mer, der Vertreter aus dem Kulturbereich sowie der Innen- stadtbewohner zusammen Vielfältiges Aufgaben- und Ziel- spektrum reicht beispielsweise von der Koordination/Initiierung von Innenstadt-Projekten bis 11
zur Entwicklung des „Pieter Vreedeplein“ (=öffentlicher Raum) in der Innenstadt Schweden Wie in anderen west- und mitteleuropäischen Ländern wurde in Schweden Anfang der 90-iger Jahre mit dem Stadtmarketing begonnen. Mehr als 50 professionelle Citymanagements arbeiten heute für die ganzheitliche „Vermarktung“ des urbanen Lebensraumes. Der überwiegende Schwerpunkt der Tätigkeiten liegt im Bereich „Innenstadtentwicklung und Standortmarketing“ unter besonderer Berücksichtung des „Leerflächenmanagements“. Einer der wesentlichsten und bedeutendsten Errungenschaften des Stadtmarketing in Schweden stellt das „Housing- Gesetz“ dar. Es handelt sich dabei um eine verbindliche Richtlinie zur verpflichtenden Nutzung von ebenerdigen Flächen als Geschäfte in innerstädtischen Zentrallagen. Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in Schweden: Göteborg Die Organisation setzt sich aus 10 Gesell- 475.000 Einwohner schafter bzw. Partner aus dem privaten Bereich sowie kommunalen bzw. wirt- schaftliche Interessensgruppen zusam- men. Die Schwerpunkte der strategischen Zielsetzung liegen in der Planung bzw. Ini- tiierung von städtebaulichen Großprojek- ten. Zusätzlich werden Maßnahmen zum Imagetransfer weg vom „Industrie- bzw. Hafenimages“ hin zum „Technologie- bzw. Bildungsstandort“ konzipiert. Spanien In Spanien wurden, mit fachlicher Unterstützung von universitären Experten (z.B.: Barcelona) Ende der 90er Jahre erste Stadtmarketingmodellversuche (z.B.: Valencia, Malaga, etc.) gestartet. Gegenwärtig sind ca. 30 professionelle Citymanagements in Spanien vorhanden. Ein speziell für das Stadtmarketing abgestimmtes „Nationales Aktionsprogramm“ wird gerade durch das Wirtschafts-ministerium vorbereitet. Zusätzlich erhalten derartige Projekte bzw. Institutionen starken Zuspruch bzw. Förderung von den regionalen 12
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Wirtschaftskammern. Die Spanier zeichnen sich insbesondere durch ihr effektives Vorgehen bei der EU-Mittelausschöpfung für spezifische lokale Standent-wicklungsprojekte und –programme aus den verschiedensten Fördertöpfen aus (z.B.: “EQUAL“-Mittel für internationale Stadtmarketing- Konferenzen). 13
Resümee – Ansätze für Stadtmarketing im deutschsprachigen Raum Die (Aufenthalts-)Qualität und Einkaufsatmosphäre der deutschen und ös- terreichischen Kommunen lässt sich im internationalen Vergleich aus durchaus gut bewerten Der Mangel an politischer Unterstützung, insbesondere auf Bundesebene äußert sich in geringem Verständnis sowie enormen Informationsdefiziten; die oftmals geschwungenen „politischen Sonntagsreden“ führen nicht zum tatsächlich notwendigen Handeln Zur Sicherung der Innenstädte bedarf es klarer nachvollziehbarer Regulato- rien sowie umfassender nachhaltiger Fördermodelle Einzelne isolierte Ansätze zur Stadtgestaltung liefern langfristig nur subopti- male Ergebnisse, viel mehr von Erfolg begleitet ist eine ganzheitliche Be- trachtungsweise Die gespannte Finanzsituation der Kommunen macht die Suche nach neu- en Formen der (Mit-) Finanzierung notwendig. Ebenso erzielt die Abkehr vom „Kirchturmdenken“ hin zur stärkeren regionalen Kooperation mit den umliegenden Orten bzw. Städten eine Steigerung der Effizienz (beispiels- weise durch Synergieeffekte) Der Weg zu den EU-Fördertöpfen wird noch zu wenig Beachtung ge- schenkt, eine intensivere Fördermittelausschöpfung erleichtert ebenso die (Co-)Finanzierung spezifischer innovativer Projekte. 14
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft Der Autor Roland Murauer, Mag. geb. 20.11.1966 in Ried im Innkreis (Ö) verheiratet, 1 Kind Studium der Betriebswirtschaft an der Johannes-Kepler-Universität Linz Studienschwerpunkte: Marketing Betriebswirtschaft der öffentlichen Unternehmen Internationales Marketing Bisherige Tätigkeiten: Regionalberater im Auftrag der oö. Landesregierung (1989-1992) Geschäftsführer der Kur & Thermenregion Innviertel (1992 – 1999) Geschäftsführender Gesellschafter der CIMA GmbH Österreich (seit 1993) Geschäftsführer des österreichischen Stadtmarketingdachverbandes (seit Juni 2000) Schwerpunktbereiche bei der CIMA: Geschäftsführung CIMA Österreich Standort- und Regionalentwicklung Mitgliedschaften, Ehrenämter, Nebentätigkeiten: Mitglied im Vorstand der „European Federation of Town Center Manage- ment“ Lektor für Regionalentwicklung und –marketing am Institut für Geographie und angewandte Geoinformatik der Universität Salzburg Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung in Aspach (OÖ) Dieses Konzept stellt die Textversion des Referats von Mag. Roland Murauer anlässlich des DSSW-Seminars am 02. Dezember 2004 in Berlin dar. Veröffentlichungen und Vervielfältigungen des Konzeptes bzw. von einzelnen Teilen bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Verfassers. 15
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