Finanzierung, Organisation und Themenfelder von Stadt- und Citymanagement in Europa - Roland Murauer DSSW-Materialien

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                   Finanzierung, Organisation
                   und Themenfelder von Stadt-
                   und Citymanagement in
                   Europa

                   Roland Murauer
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                   Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft
                   im Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau
                   und Raumordnung e. V.
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                                     Finanzierung, Organisation und Themenfelder von Stadt- und Citymanagement
                                     in Europa
                                     DSSW-Materialien, Berlin 2004

Herausgeber                          Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft (DSSW) im
(Alle Rechte vorbehalten)            Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.
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Bearbeitung/Redaktion                CIMA Österreich GmbH
                                     Roland Murauer
                                     Johannesgasse 8, A-4910 Ried/Innkreis, Österreich
                                     Fon: +43 7752 71117, Fax: +43 7752 71117 17
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Das DSSW ist eine Initiative der Bundesregierung und der Deutschen Wirtschaft zur Revitalisierung der ostdeutschen
Innenstädte. Sie wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit finanziert.
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Inhaltsverzeichnis

Einleitung                                                    2

Trends und Entwicklungen im europäischen Stadt- und
Citymanagement                                                3

Stadt- und Citymanagement in einzelnen                        5
europäischen Staaten                                          5

  Österreich                                                  5
  Schweiz                                                     7
  Großbritannien                                              8
  Belgien                                                    10
  Frankreich                                                 11
  Niederlande                                                11
  Schweden                                                   12
  Spanien                                                    12

Resümee – Ansätze für Stadtmarketing im deutschsprachigen
Raum                                                      14

                                                                                               1
Einleitung
    Das kommunalwirtschaftliche Planungs- und Gestaltungsinstrumentarium
    Stadtmarketing bzw. die daraus resultierende Umsetzung der Konzepte in
    Form von professionellen Stadt- und Citymanagements hat in den letzten 10
    Jahren (beinahe) gesamteuropäische Dimensionen erreicht.

    Bedingt durch annähernd ähnliche Problemstellungen (z.B.: fehlende gesamt-
    städtische Positionierungen, keine akkordierten und einheitlichen Strategien,
    Verödung der Stadtzentren, Abwanderung, Verlust an Aufenthalts- und Wohn-
    qualität, Sicherheitsprobleme, etc.) haben sich seit Anfang der 90er Jahre in
    mehr als 1.300 europäischen Klein-, Mittel- und Großstädten verschiedene
    Formen        und      Ausprägungen      von     örtlichen    Stadt-     und
    Citymanagementorganisationen herausgebildet.

    Einhergehend mit dem Entstehen örtlicher Interessengruppierungen haben sich
    auch entsprechende nationale „Stadtmarketingdachverbände“ in Europa her-
    ausgebildet. Die wichtigsten Organisationen sind:

       Belgien – AMCV (Association de Management du Centre Ville)
       Dänemark – „Citycenter“
       Deutschland – BCSD (Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing e.V.)
       Finnland – Finland Association of Town Center Management
       Frankreich – FMCV (Federation Management du Centre Ville)
       Großbritannien – ATCM (Association of town center management)
       Niederlande – NVBO (Nederlandse Vereniging Binnenstedelijke Onderne-
       mer)
       Norwegen - Norsk Sentrumsforum
       Österreich – Stadtmarketing Austria
       Portugal – URBE (Nucleos Urbanos de Pesquisa e Intervencao)
       Schweden - Svenska Stadskärnor
       Schweiz – Orts- und Stadtmarketingverband (in Gründung)
       Spanien – AGECU (Asociacion Espanola de Gerentes de Centros Urbanos)

    Diese nationalen Dachverbände arbeiten auf gesamteuropäischer Ebene im
    Rahmen der „European Federation of Town Center Management – EFTC“ zu-
    sammen.

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Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Trends und Entwicklungen im europäischen
Stadt- und Citymanagement
Die wichtigsten Trends und Entwicklungen im „europäischen Stadt- und City-
management“ sind:

   Starkes zeitliches und inhaltliches Entwicklungsgefälle zwischen West-/
   Nord-/ Mitteleuropa einerseits sowie Süd- und Osteuropa: Erste „Town-
   Center-Management“-Aktivitäten wurden in Großbritannien, insbesondere in
   den alten Industriezonen Mittelenglands in den späten 70er Jahren gestar-
   tet. Abgesehen von vereinzelter Pilotversuchen in den Niederlanden (z.B.:
   Maastricht) sowie Deutschland (z.B.: Kronach, Mindelheim, Schwandorf) in
   den 80er Jahren, setzte erst im letzten Jahrzehnt in Skandinavien, den Be-
   nelux-Staaten sowie im deutschsprachigen Raum ein regelrechter „Stadt-
   marketing-Boom“ ein. Neben, mitunter „in viel Papier“ gegossenen konzep-
   tionellen Grundlagen bildeten sich in diesen Ländern innerhalb weniger Jah-
   re professionelle Stadt- und Citymanagementorganisationen heraus. Dank
   massiver finanzieller Unterstützung aus diversen EU-Strukturfördertöpfen ist
   seit kurzer Zeit auch in Frankreich, Spanien, Portugal sowie weiteren süd-
   (ost)europäischen Staaten ein deutlicher Anstieg der Stadtmarketing-
   Aktivitäten zu verzeichnen. Für die Mehrzahl der osteuropäischen Kommu-
   nen wird Stadt- und Citymarketing auch noch in den nächsten 3-5 Jahren
   kaum ein vorrangig zu behandelndes Thema darstellen, da die ohnehin
   knappen finanziellen Ressourcen gegenwärtig in touristische Marketing-
   und Wirtschaftsförderaktivitäten fließen.

   Zwei unterschiedliche Stadtmarketing-Managementphilosophien: Bei der
   Einführung bzw. Implementierung von professionellen Citymanagements
   sind in Europa zwei unterschiedliche Strategieansätze feststellbar:

        Prozessorientierte Ansatz           Aktionsorientierte Ansatz

       Start mit meist ganzheitlich        Gründung einer professionel-
       angelegten       Stadtmarketing-    len Stadtmarketingeinheit mit
       Prozessen mit externer Beglei-      Aufstellung eines ersten Akti-
       tung und intensiver Einbindung      onsjahresplans
       der lokalen Akteure (Politik,       Mittelausstattung für die ers-
       Verwaltung, Wirtschaft, Bevöl-      ten 2-3 Jahre – anschließend
       kerung, etc.)                       Erfolgskontrolle
       Gründung einer professionel-        Analysen, Leitbild, Strategien,
       len Stadtmarketingeinheit erst      etc. während bzw. parallel zur
       nach Ablauf der stadtinternen       laufenden Geschäftstätigkeit
       Diskussionsprozesse und Si-         vorwiegend in Großbritannien,
       cherstellung einer zumindest        Niederlande, Skandinavien
       mittelfristigen Finanzierung
       vorwiegend in Deutschland,
       Österreich und der Schweiz

                                                                                                              3
Divergente politische und gesetzliche Rahmenbedingungen: Obwohl sich
    nahezu alle europäischen Staaten zum Erhalt ihrer (inner)städtischen Struk-
    turen bekennen, unterscheidet sich die Unterstützung für professionelles Ci-
    tymanagement von politischer Seite sehr stark. Neben gesamtstaatlichen
    Aktionsprogrammen (z.B.: Großbritannien, Belgien, Spanien, Schweden),
    welche in ideeller, organisatorischer als auch in finanzieller Weise deutlich
    dazu beigetragen haben, dem Stadtmarketingansatz zum Durchbruch zu
    verhelfen, sind eindeutige gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere
    im Raumplanungssektor, von fundamentaler Bedeutung für den nachhalti-
    gen Erfolg professioneller Citymanagements. Exemplarisch sei hier Großbri-
    tannien genannt: Vor Inkrafttreten der „planning policy guidance 6“ im Jahr
    1991, eines umfassenden Stadt- und Raumplanungsgesetzes mit zahlrei-
    chen interessanten Regelmechanismen für britische Kommunen, waren im
    „Vereinigten Königreich“ nur rund 50 professionelle „Town-Center Mana-
    gements“ aktiv. Zwei Jahre später zählte man bereits mehr als 200 Cityma-
    nagements.

    Unterschiedliche Aufgaben und Finanzierungsmodelle: In vielen europäi-
    schen Staaten beschränkt sich der Aktionsradius des Stadtmarketings nicht
    mehr allein auf Event- und Einzelhandelsmarketing. Neben strategischen
    Immobilien- und operativen Leerflächenmanagement übernehmen, insbe-
    sondere niederländische und britische Citymanagements zunehmend „öf-
    fentliche Aufgaben“ (Security-Aufgaben, Stadtreinigung, etc.). Die Ausstat-
    tung des Citymanagementbudgets mit städtischen Finanzmitteln ist von
    Staat zu Staat unterschiedlich. Liegt der städtische Finanzierungsanteil bei-
    spielsweise in Österreich bei 65%, erhalten Citymanagements in den Nie-
    derlanden, Belgien und Schweden beispielsweise nur etwa 30% ihres Ge-
    samtetats aus der Stadtkasse. Diese geringen öffentlichen Subventionen
    zwingen Citymanager, mit kreativen bzw. neuen Ideen (z.B.: Consulting-
    dienstleistungen, Incomingservices, Management von vormals städtischen
    Einrichtungen, etc.) ihre Budgets aufzustocken.

    „Zähe“ transnationale Zusammenarbeit: Von Internationalisierung und Glo-
    balisierung, die sich in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen bemerkbar
    macht, ist im europäischen Citymanagement noch wenig zu spüren. Die
    transeuropäische Zusammenarbeit sowie Projektaktivitäten sind kaum vor-
    handen. Eine Ausnahme ist die 1997 gegründete European Federation of
    Town Center Management (EFTC), der bisweilen 10 nationale Dachver-
    bände angehören. Die Aktivitäten der EFTC beschränken sich allerdings auf
    einen vierteljährlichen Erfahrungsaustausch der Vorstandsmitglieder, auf die
    fachliche Unterstützung diverser EU-Programme (z.B.: „Mobility Week“) so-
    wie die Vermittlung von nationalen Fachexperten für Fachkongresse und
    Weiterbildungsveranstaltungen.

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Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Stadt- und Citymanagement in einzelnen
europäischen Staaten
Der nachfolgende Abschnitt gibt einerseits einen fundierten Überblick über die
Stadt- und Citymanagementstrukturen in einzelnen europäischen Staaten, an-
dererseits werden pro dargestelltem Land exemplarisch einige konkrete Fall-
beispiele aufgezeigt.

Österreich

Die Alpenrepublik beschritt eine sowohl zeitlich als auch inhaltlich ähnliche
„Stadtmarketing-Ent-wicklung“ wie Deutschland. Nach einem Boom
„konzeptioneller“ Stadtmarketing-Leitbilder Anfang bis Mitte der 90er Jahre,
vorwiegend in Klein-/Mittelstädten, wurden ab Mitte des letzten Jahr-zehnts
mehr und mehr professionelle Citymanagements gegründet (erste
Citymanagement GmbH - Mai 1995 in Wels). Gegenwärtig sind in rund 2/3
aller österreichischen Städte hauptberufliche Citymanagementakteure aktiv.

Rechtsformen von                                      Verein                                                      50 %
Stadtmarketingorganisationen                          Privatwirtschaft. Rechtsform (GmbH, KEG, etc.)              25 %
                                                      als Stabsstelle innerhalb der Stadtverw.                    10 %
                                                      integriert in örtlichen Tourismusverband                    10 %
                                                      integriert in Kaufmannschaftsorganisation                    5%
Jährliche Grundbudgets                                 Städte bis 10.000 Einwohner                       rund   100.000
(Durchschnittswerte)                                   Städte zw. 10.000 – 20.000 Einwohner              rund   145.000
= decken zumindest die jährlichen Fixkosten            Städte zw. 20.000 – 50.000 Einwohner              rund   350.000
ab und weisen sogenannte „Projektbasis-                Städte über 50.000 Einwohner                      rund   530.000
budgets“ auf

Anteil der Fixkosten                                   Städte bis 10.000 Einwohner                                41 %
(= Personalaufwände, Bürokosten, etc.)                 Städte zw. 10.000 – 20.000 Einwohner                       36 %
                                                       Städte zw. 20.000 – 50.000 Einwohner                       40 %
                                                       Städte über 50.000 Einwohner                               35 %

Beitragshöhen der Träger bzw.                          Stadtgemeinde                    zwischen 50 - 70 %
Gesellschafter in Städten                              Wirtschaftsverbände vor Ort      zwischen 20 - 30 %
(Durchschnittswerte)                                   Sonstige Institutionen           zwischen 05 - 10%
Personalausstattung                                    Städte bis 10.000 Einwohner           1,5 Personen
(Durchschnittswerte)                                   Städte zw. 10.000 – 20.000 Einwohner 2 Personen
                                                       Städte zw. 20.000 – 50.000 Einwohner 3 Personen
                                                       Städte über 50.000 Einwohner          4,5 Personen
Quelle: Evaluierungsbericht „Stadt- und Citymanagement in Österreich“, CIMA Österreich GmbH, 2001-2002

Die nachhaltig positive Entwicklung des Themas „Stadtmarketing“ sowie die
rasche und beinahe flächendeckende Gründung von zahlreichen

                                                                                                                          5
professionellen Stadtmarketingeinheiten in Österreich ist auf zwei wesentliche
    Faktoren zurückzuführen:

       aktive Unterstützung der Wirtschaftskammern
       Bereits Anfang der 90er Jahre erkannten viele Wirtschaftskammern die
       Notwendigkeit, Orts- und Stadtkerne in ihrer ökonomischen Substanz zu
       erhalten bzw. zu stärken. Neben der Installierung von landesweiten Stadt-
       marketing-ERFA-Gruppen (z.B.: in Kärnten), der Errichtung von (internetge-
       stützten) Informationsplattformen (z.B.: „Ortskern aktiv“ der steirischen Wirt-
       schaftskammer), der Gründung eigener Stadtmarketingförder- und –
       managementeinrichtungen (z.B.: „Einkaufsstraßenmanagement“ in Wien;
       NAFES in Niederösterreich) förderten viele Wirtschaftskammern auch
       Stadtmarketingberatungsleistungen bis zu 1/3 der Kosten.

       Tourismusabgabe als wichtiges „Stadtmarketing-Finanzierungsinstrument“
       Die länderspezifischen Tourismusgesetzgebungen in Österreich sehen vor,
       dass alle Unternehmen einer (annähernd touristisch geprägten) Gemein-
       de/Stadt (nach entsprechenden Beitragsgruppen und –schlüssel) zur Finan-
       zierung touristischer Aktivitäten beizutragen haben. Diese, mittels einer Un-
       ternehmer-Urabstimmung (bei erstmaliger Gründung eines örtlichen Tou-
       rismusverbandes), beschlossene Abgabe verbleibt, zum überwiegenden
       Teil in der jeweiligen Standortgemeinde und wurde, speziell in den mittleren
       und größeren Städten in den letzten Jahren immer häufiger als „solidari-
       sche“ Basisfinanzierungsquelle für Stadt- und Citymanagementaktivitäten
       herangezogen.

    Ausgewählte      Fallbeispiele          österreichischer        Stadt-       und
    Citymanagementorganisationen:

    Wels                                  Erste professionelle Stadtmarketingein-
    60.000 Einwohner,                     heit in Österreich (1995)
    Oberösterreich                        Seit dem Jahr 2000 – Integration der bis-
                                          lang unabhängigen städtischen Event-,
              www.wels.at                 Tourismus-       und    Standortmarketing
                                          GmbHs in die Stadtmarketing GmbH
                                          rund 1,1 Mio jährlich Basisbudget
                                          Starker Focus auf „Handelsmarketing“
                                          (zahlreiche innovative Kundenbindungs-
                                          und –service-Programme) sowie qualita-
                                          tives „Eventmarketing“
                                          Einsatz der modernsten Permanent-
                                          Video-frequenzmeßanlage in Österreich
                                          Gegenwärtiges Leitprojekt – Umsetzung
                                          eines „Kernzonenmatrix-Planes“ (= the-
                                          matische Neuausrichtung einzelner In-
                                          nenstadtteile)

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Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Salzburg                            Im Jahr 1999 wurde „Altstadt Salzburg
145.000 Einwohner, Salzburg         Marketing GmbH“ durch zwei Innenstadt-
                                    kaufleuteverbände sowie Stadt Salzburg
   www.altstadt-salzburg.at         initiiert
                                    Im Jahr 2002 durch Gründung eines Alt-
                                    stadtmarketing - Tourismusverbandes –
                                    massive Eigenmittelaufstockung – zur Zeit
                                    1,4 Mio. Basisbudget
                                    Innovative Projekte wie z.B.: (ASIS –
                                    „Altstadt-Standort-Info-System“; Intranet
                                    für       1.400  Mitglieder;  Mitglieder-
                                    Strompool; Sonder-Aktionen für Studen-
                                    ten – „Low Budget Days“, spezielle Kul-
                                    turprogramme in den Altstadtviertel, etc.)
                                    in Vorbereitung – Gründung einer Altstadt
                                    Entwicklungs- AG (zum Ankauf von „stra-
                                    tegisch“ wichtigen Altstadtimmobilien)

Schweiz

Schweizer Städte und Gemeinden haben erst vor wenigen Jahren begonnen,
„klassische“ ganz-heitliche Stadtmarketingprozesse anzugehen. Laut einer
Umfrage der Consultingagentur Interurban AG befassten sich im Jahr 2002
zwar bereits rund 60 % der Schweizer Städte mit dem Thema
„Stadtmarketing“ und investierten insgesamt 12 Mio Schweizer Franken (8,2
Mio ) in die Bewerbung ihrer Standorte, trotzdem sind nur in wenigen
(größeren)      Städten      bislang     professionelle   Stadt-     und
Citymanagementorganisationen geschaffen worden (z.B.: Basel, Luzern,
Winterthur, etc.). Ausschlaggebend für dieses „zögerliche“ Verhalten sind
insbesondere folgende Gründe:

   stark „oligopol-geprägte“ Einzelhandelsstrukturen (insbesondere in der Ost-
   schweiz)
   kein dringender Handlungsbedarf aus Sicht der Schweizer Kommunalver-
   waltungen
   kaum aktive Unterstützung durch kantonale Wirtschaftsabteilun-
   gen/Handelskammern
   Fokussierung der letzten Jahre auf Gründung von Regionalentwicklungs-
   verbänden für Standortmarketing

                                                                                                             7
Ausgewählte       Fallbeispiele          Schweizer          Stadt-         und
    Citymanagementorganisationen:

    Basel                                Im Jahr 2000 als neues Ressort in der
    190.000     Einwohner,     Ost-      kantonalen Verwaltung gegründet
    schweiz                              Projekt auf 5 Jahre angelegt mit jährli-
                                         chem Projektbudget von 330.000
              www.basel.ch               3 Hauptfelder:

                                         Kommunikation & PR (K&PR)
                                         Event Services
                                         Wohnortmarketing

    Winterthur                              „Kleine“ Schwesterstadt von Zürich
    100.000 Einwohner,        Zentral-     mit erstem professionellen (Innen-
    schweiz                                )Stadtmarketing in der Schweiz seit
                                           Anfang der 90er Jahre
         www.stadtmarketing.ch             Jährliches Budget für Innenstadtinitiati-
                                           ve von 258.000,-
                                           Zusätzlich eigene Stadtmarketingorga-
                                           nisation für Standortmarketing und Flä-
                                           chenmanagement

    Großbritannien

    Großbritannien gilt als das „Mutterland“ des europäischen Stadtmarketings.
    Bereits Mitte der 70er Jahre wurden in Mittelengland erste „Town Center
    Marketing/Management“-Projekte gestartet. Die Einführung einer neuen, im
    Hinblick auf die Genehmigung von weiteren peripheren Einkaufszentren sehr
    restriktiv gehaltenen, Raumplanungsgesetzgebung Ende der 80er bzw. Anfang
    der 90er Jahre – der sogenannten „planning policy guidance 6“ – ermöglichte
    die nachhaltige und effektive Entwicklung bzw. Revitalisierung der Stadtkerne.
    Die wesentlichen Punkte dieser Planungskriterien waren bzw. sind:

       bei neuen Projekten – Durchführung eines „sequential tests“ (Flächenent-
       wicklung von „innen nach außen“)
       section 106-Bestimmung (kommunale „Kann“-Bestimmung zur Einhebung
       einer verpflichtenden TCM-Fee)

    Die ca. 400 gegenwärtig in Großbritannien vorhandenen Stadt- und
    Citymanagementorganisationen werden seit 1991 vom hochprofessionellen
    nationalen Stadtmarketingdachverband „ATCM“ (Association of Town Center
    Management) betreut. Neben der Organisation von regelmäßigen Weiter-
    bildungsveranstaltungen, der regelmäßigen Publikation von Praxisratgebern für
    „town center management“ liegt die Hauptaufgabe des englischen Verbandes

8
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

im „Lobbying“ bei Ministerien sowie politischen Entscheidungsträgern (z.B.: „all
party parliamentary group“-Meetings = regelmäßig stattfindende Treffen
zwischen Stadtmarketingmanagern mit rund 100 Unter- sowie Oberhaus-
abgeordneten).

Eine eigene staatliche „countryside agency“ (jährliches Budget rund 144 Mio )
versucht, mit speziellen Programmen und Projekten die sogenannten „market
towns“ (= Städte unter 25.000 Einwohner) wirtschaftsstrukturell zu fördern.
Zusätzlich zu den diversen Stadtmarketingaktivitäten starten ab dem Jahr 2004
die ersten 20 Pilotversuche zur Einführung von „business improvement
districts“.

Ausgewählte Fallbeispiele von Stadt- und Citymanagementorganisationen in
Großbritannien:

Reading
250.000 Einwohner                                    Westlich von London ge-
                                                     legen im so genannten
www.reading.gov.uk/aboutreading/towncentre           Thames           Valley/M4-
                                                     Korridor (= 8. stärkste
                                                     Wirtschaftsregion in Euro-
                                                     pa)
                                                     Town Center Manage-
                                                     ment konzentrierte sich in
                                                     den letzten Jahren vor-
                                                     wiegend auf die urbane
                                                     Neugestaltung des Stadt-
                                                     kerns sowie Ansiedelung
                                                     entsprechend neuer und
                                                     attraktiver Unternehmen

Nottingham                                Citycard „Shop & Save“ - erste funk-
143.000 Einwohner                         tionierende und umfassende City-
                                          card in Großbritannien für unter-
    www.nottinghamcity.gov.uk             schiedliche Nutzergruppen mit viel-
                                          fältigen Funktionen (z.B. Fahrkarte im
                                          ÖPNV, Entleihkarte in öffentlichen
                                          Bibliotheken)
                                          Retail Crime Operation - Zusammen-
                                          schluss von Polizei, Stadt und Ein-
                                          zelhändlern                        zur
                                          Bekämpfung des Ladendiebstahls
                                          mit Hilfe einer gezielten, datenbank-
                                          unterstützten Überwachung

                                                                                                               9
Coventry                            Erstes TCM in Großbritannien, welches
     300.000 Einwohner                   kommunale „Kernaufgaben“ übernommen
                                         hat (Straßenreinigung, Sicherheitsdienst,
            www.cwn.org.uk               Innenstadt- und Eventmanagement sowie
                                         die Bewirtschaftung der 6000 öffentlichen
                                         Parkplätze)
                                         Budget 3, 3 Mio. Gesamtbudget (davon
                                         80 % vom City Council mit degressiver
                                         Zuschussentwicklung in den nächsten fünf
                                         Jahren um jeweils 10 %)
                                         Erfolge 1998 – 2001:

                                         Haushaltsbudgeteinsparung für Stadt v.
                                         600.000
                                         10 – 15 % Frequenz- und Auslastungs-
                                         steigerungen in der Innenstadt bzw. der
                                         Parkflächen
                                         12 % Rückgang der Straßenkriminalität

     Belgien

     Belgien blickt ebenfalls auf eine langjährige „Stadtmarketing“-Entwicklung
     zurück. Derzeit sind rund 32 professionelle Stadt- bzw. Citymanagement-
     organisationen, insbesondere in Flandern, aktiv. Im Jahr 2000 startete die
     belgische Regierung ein „Mercurios“-Projekt zur Revitalisierung von
     innerstädtischen Standorten für 60 kleinere und mittlere Kommunen mit einem
     Gesamtvolumen von ca. 50 Mio . Gemeinsam mit dem belgischen
     Stadtmarketingdachverband AMCV (Association du Management de Centre-
     Ville) initiierten die Universitäten Mons, Charleroi und Brüssel eigene Aus- und
     postgraduale Weiterbildungslehrgänge für Stadt- und Citymanagement.

     Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in
     Belgien:

     Charleroi                            Eines der best entwickelten Stadtmarke-
     120.000 Einwohner, Wallonien         tingprojekte in Belgien
                                          Umfangreiches p-p-p-Modell des „Char-
                                          leroi centreville“ mit finanzieller Beteiligung
            www.charleroi.be              von mehreren Banken und Großmaklern
                                          Eigenes online-gestütztes Leerflächen-
                                          und Standortinformationssystem

10
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Frankreich

Die Entwicklung des Stadtmarketinggedankens bzw. –ansatzes verlief in
Frankreich regional sehr unterschiedlich. Während im Süden des Landes noch
kaum einschlägige Projekte und Organisationen vorzufinden sind,
konzentrieren sich die professionellen City- und Stadtmanagement-einheiten
vornehmlich auf den stark industrialisierten Norden.

Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in
Frankreich:

Lille                                 Derzeit interessantes Stadtmarketing-
166.000 Einwohner                     projekt in Frankreich
                                      Fokussierung auf Handels- und E-
     www.lillecentreville.com         ventmarketing
                                      Eigenes „City-Botschafter“-Team in
                                      der Innenstadt von Lille

Niederlande

Seit Anfang der 90er Jahre wird in den Niederlanden mit dem Planungs- und
Gestaltungsinstrument „Stadtmarketing“ gearbeitet. Neben „klassischen“
Stadtmarketingaufgaben im Event- und Kunden--bindungsbereich liegt ein
Schwerpunkt der Arbeit der rund 50 professionellen Citymanagement-einheiten
im Feld „Stadtentwicklung“. Als maßgebliche Akteure und Mitfinanciers im
Stadtmarketing treten in den Niederlanden die örtlichen „Hausbesitzer-
verbände“ auf, welche von den Stadt- und Citymanagementorganisationen
ent-sprechende Dienstleistungen in Anspruch nehmen können.

Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in
den Niederlanden:

Tilburg                                      Gründung       der    „Stichting
190.000 Einwohner                            Stadskern Tilburg“ im Jahre
                                             1996
                                             Setzt sich aus Vertretern des
www.tilburg.com/themas/binnenstadplein       Einzelhandels, der Gastrono-
                                             mie, der Immobilieneigentü-
                                             mer, der Vertreter aus dem
                                             Kulturbereich sowie der Innen-
                                             stadtbewohner zusammen
                                             Vielfältiges Aufgaben- und Ziel-
                                             spektrum reicht beispielsweise
                                             von der Koordination/Initiierung
                                             von Innenstadt-Projekten bis

                                                                                                           11
zur Entwicklung des „Pieter
                                                     Vreedeplein“      (=öffentlicher
                                                     Raum) in der Innenstadt

     Schweden

     Wie in anderen west- und mitteleuropäischen Ländern wurde in Schweden
     Anfang der 90-iger Jahre mit dem Stadtmarketing begonnen. Mehr als 50
     professionelle Citymanagements arbeiten heute für die ganzheitliche
     „Vermarktung“ des urbanen Lebensraumes. Der überwiegende Schwerpunkt
     der     Tätigkeiten   liegt    im Bereich    „Innenstadtentwicklung und
     Standortmarketing“        unter   besonderer       Berücksichtung   des
     „Leerflächenmanagements“. Einer der wesentlichsten und bedeutendsten
     Errungenschaften des Stadtmarketing in Schweden stellt das „Housing-
     Gesetz“ dar. Es handelt sich dabei um eine verbindliche Richtlinie zur
     verpflichtenden Nutzung von ebenerdigen Flächen als Geschäfte in
     innerstädtischen Zentrallagen.

     Ausgewähltes Fallbeispiel einer Stadt- und Citymanagementorganisation in
     Schweden:

     Göteborg                             Die Organisation setzt sich aus 10 Gesell-
     475.000 Einwohner                    schafter bzw. Partner aus dem privaten
                                          Bereich sowie kommunalen bzw. wirt-
                                          schaftliche Interessensgruppen zusam-
                                          men. Die Schwerpunkte der strategischen
                                          Zielsetzung liegen in der Planung bzw. Ini-
                                          tiierung von städtebaulichen Großprojek-
                                          ten. Zusätzlich werden Maßnahmen zum
                                          Imagetransfer weg vom „Industrie- bzw.
                                          Hafenimages“ hin zum „Technologie-
                                          bzw. Bildungsstandort“ konzipiert.

     Spanien

     In Spanien wurden, mit fachlicher Unterstützung von universitären Experten
     (z.B.: Barcelona) Ende der 90er Jahre erste Stadtmarketingmodellversuche
     (z.B.: Valencia, Malaga, etc.) gestartet. Gegenwärtig sind ca. 30 professionelle
     Citymanagements in Spanien vorhanden. Ein speziell für das Stadtmarketing
     abgestimmtes „Nationales Aktionsprogramm“ wird gerade durch das
     Wirtschafts-ministerium vorbereitet. Zusätzlich erhalten derartige Projekte bzw.
     Institutionen starken Zuspruch bzw. Förderung von den regionalen

12
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Wirtschaftskammern. Die Spanier zeichnen sich insbesondere durch ihr
effektives Vorgehen bei der EU-Mittelausschöpfung für spezifische lokale
Standent-wicklungsprojekte und –programme aus den verschiedensten
Fördertöpfen aus (z.B.: “EQUAL“-Mittel für internationale Stadtmarketing-
Konferenzen).

                                                                                                        13
Resümee – Ansätze für Stadtmarketing im
     deutschsprachigen Raum

      Die (Aufenthalts-)Qualität und Einkaufsatmosphäre der deutschen und ös-
      terreichischen Kommunen lässt sich im internationalen Vergleich aus
      durchaus gut bewerten

      Der Mangel an politischer Unterstützung, insbesondere auf Bundesebene
      äußert sich in geringem Verständnis sowie enormen Informationsdefiziten;
      die oftmals geschwungenen „politischen Sonntagsreden“ führen nicht zum
      tatsächlich notwendigen Handeln

      Zur Sicherung der Innenstädte bedarf es klarer nachvollziehbarer Regulato-
      rien sowie umfassender nachhaltiger Fördermodelle

      Einzelne isolierte Ansätze zur Stadtgestaltung liefern langfristig nur subopti-
      male Ergebnisse, viel mehr von Erfolg begleitet ist eine ganzheitliche Be-
      trachtungsweise

      Die gespannte Finanzsituation der Kommunen macht die Suche nach neu-
      en Formen der (Mit-) Finanzierung notwendig. Ebenso erzielt die Abkehr
      vom „Kirchturmdenken“ hin zur stärkeren regionalen Kooperation mit den
      umliegenden Orten bzw. Städten eine Steigerung der Effizienz (beispiels-
      weise durch Synergieeffekte)

      Der Weg zu den EU-Fördertöpfen wird noch zu wenig Beachtung ge-
      schenkt, eine intensivere Fördermittelausschöpfung erleichtert ebenso die
      (Co-)Finanzierung spezifischer innovativer Projekte.

14
Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft

Der Autor

Roland Murauer, Mag.

geb. 20.11.1966 in Ried im Innkreis (Ö)
verheiratet, 1 Kind

Studium der Betriebswirtschaft an der Johannes-Kepler-Universität Linz

Studienschwerpunkte:

   Marketing
   Betriebswirtschaft der öffentlichen Unternehmen
   Internationales Marketing

Bisherige Tätigkeiten:

   Regionalberater im Auftrag der oö. Landesregierung (1989-1992)
   Geschäftsführer der Kur & Thermenregion Innviertel (1992 – 1999)
   Geschäftsführender Gesellschafter der CIMA GmbH Österreich (seit 1993)
   Geschäftsführer des österreichischen Stadtmarketingdachverbandes (seit
   Juni 2000)

Schwerpunktbereiche bei der CIMA:

   Geschäftsführung CIMA Österreich
   Standort- und Regionalentwicklung

Mitgliedschaften, Ehrenämter, Nebentätigkeiten:

   Mitglied im Vorstand der „European Federation of Town Center Manage-
   ment“
   Lektor für Regionalentwicklung und –marketing am Institut für Geographie
   und angewandte Geoinformatik der Universität Salzburg
   Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung in Aspach (OÖ)

Dieses Konzept stellt die Textversion des Referats von Mag.
Roland Murauer anlässlich des DSSW-Seminars am 02.
Dezember 2004 in Berlin dar. Veröffentlichungen und
Vervielfältigungen des Konzeptes bzw. von einzelnen Teilen
bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Verfassers.

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