Tatort Weide - Bioland Blog

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BIOLAND, den 06.06.2022

Tatort Weide
Lange Zeit war er verschwunden doch nun ist er zurück in Deutschland: Der Wolf. Naturschützer freuen
     sich, Landwirte fürchten um ihre Schafe, Ziegen und Kälber. Istdie Weidehaltung in Gefahr?

    Als er drei tote Ziegen auf seiner Koppel findet, denkt Achim Koop zuerst an einen
    Hundevorfall. Die 200 Schafe auf der Weide sind blutverschmiert und verängstigt, aber noch
    am Leben. "Die Ziegen haben wohl die Helden gespielt", meint der Schäfer. Seine Weide am
    Niederrhein ist zum Tatort geworden. Ein staatlicher Gutachter untersucht die Bissstellen
    und sichert Speichelspuren für einen DNA-Test. Denn Entschädigung gibt es nur, wenn es
    wirklich ein Wolf war und nicht etwa ein Hund. Auch das kommt vor.

                                                   Bei Koop ist die Sache klar. "In der Nähe wurden
                                                   auch Pfotenabdrücke vom Wolf gefunden." Offenbar
                                                   der erste in der Gegend. Das Land Nordrhein-
                                                   Westfalen ersetzt ihm die toten Ziegen. "Den
                                                   Arbeitsaufwand ersetzt einem aber niemand", so
                                                   Koop. Die Schafe seien traumatisiert gewesen, der
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tägliche Arbeitsablauf gestört. Es dauert, bis er den
                                              Hütehund wieder zur Herde lassen kann. Und den
                                              Papierkram für die Entschädigungszahlungen
                                              erledigt hat. Die Zahlungen sind eine Good-will-
                                              Aktion der meisten Bundesländer. Nur in Hessen
                                              hätte der Schäfer kein Geld bekommen.
                                              Entschädigungen sind dort nicht vorgesehen.

Noch sind Wolfsrisse in Deutschland eher selten. Doch das kann sich ändern. Die Wölfe sind
wieder auf dem Vormarsch. 150 Jahre lang gab es praktisch keine wild lebenden Wölfe mehr
in Deutschland. Dann gelang es einem polnischen Wolfspärchen vor 16 Jahren in Sachsen
Fuß zu fassen und Nachwuchs zu zeugen. Seitdem erobern die deutsch-polnischen Wölfe
ein Bundesland nach dem anderen zurück. Das klappt, weil Wölfe in der EU unter Schutz
stehen. Der Wolf ist politisch gewollt. Laut Wolfsmonitoring sollen inzwischen wieder 46
Rudel in Deutschland leben, die meisten in Sachsen und Brandenburg.

Eine Erfolgsgeschichte, sagen Naturschützer. Es gibt Imagekampagnen, um die
Bevölkerung für das Wildtier, das uns fremd geworden ist, zu begeistern. "Mit dem Märchen
vom bösen Wolf muss endlich Schluss sein!" so Markus Bathen, Wolfsexperte beim
Naturschutzbund Nabu. In der Lausitz kann man sogar Urlaub mit dem Wolf buchen und mit
einem Biologen auf Spurensuche gehen. Es gibt Wolfsbotschafter und Patenschaften für den
Wolf.

                                              Bei vielen Tierhaltern aber wächst die Angst.
                                              Nutztiere stehen zwar nicht oben auf dem
                                              Speiseplan des Wolfs. Er jagt vor allem
                                              Wildschweine und Rehe im Wald. Doch immer
                                              wieder kommt es auch zu Angriffen wie bei Schäfer
                                              Achim Koop. Mehrere hundert Schafe, Ziegen,
                                              Damwild und auch einige Kälber wurden im
                                              vergangenen Jahr gerissen, vor allem in
                                              Ostdeutschland. Doch auch in westlichen
                                              Bundesländern gab es immer wieder Wolfsalarm -
                                              so etwa in Niedersachsen, wo bereits acht Rudel
                                              leben sollen und der Wolf im vergangenen Jahr 60
                                              Mal zuschlug.
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Für Schäfer sind das Horrornachrichten. Wer Tiere draußen hat, wacht eh immer mit einem
     mulmigen Gefühl auf. Geschätzt 1,6 Millionen Schafe gibt es noch in Deutschland. Auch
     ohne Wolf werden es immer weniger, denn die Schäferei ist hart und bringt wenig ein. Doch
     die Schafe leisten einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege. Als lebende sanfte
     Rasenmäher sorgen sie dafür, dass wertvolles Grünland nicht verbuscht und verwaldet. Sie
     pflegen Streuobstwiesen, Heidelandschaften oder Auen - wo viele bedrohte Arten zuhause
     sind. Deren Lebensräume dürfe man nicht für eine Lieblingsart - den Wolf - aufs Spiel
     setzen, findet Günther Czerkus vom Bundesverband der Berufsschäfer. Er befürchtet, dass
     die Gefahr durch den Wolf künftig noch mehr Schäfer zum Aufgeben bewegt.

Debatte um Obergrenze
                                                    Auch aus der Politik bekommt der Wolf Gegenwind.
                                                    Agrarminister Christian Schmidt (CSU) brachte
                                                    kürzlich eine beschränkte Abschussfreigabe ins
                                                    Spiel. Umweltverbände wie Nabu und WWF
                                                    protestieren. Der Schutzstatus des Wolfs dürfe auf
                                                    keinen Fall aufgeweicht werden. Problemwölfe, die
                                                    keine Scheu vor dem Menschen zeigen und sich
                                                    Wohngebieten näheren, können bereits mit einer
                                                    Ausnahmegenehmigung getötet werden. Doch nun
                                                    geht es um die Frage, ob es eine generelle
                                                    Obergrenze für den Wolf in Deutschland braucht.
                                                    Denn natürliche Feinde hat er keine. Allerdings
                                                    wurden nach Angaben des Bundesamtes für
Soll der Wolf zum Abschuss frei gegeben werden?     Naturschutz (BfN) rund 130 Wölfe überfahren oder
(Foto: imago)                                       illegal erschossen. Laut BfN (pdf) hätten 440
                                                    Wolfsrudel oder 3000 Wölfe in Deutschland Platz.
                                                    Diese Zahl wird auch als mögliche Obergrenze
                                                    gehandelt. Rein rechnerisch könnte der Bestand in
                                                    etwa acht Jahren gesichert sein.

     Eine Obergrenze für Wölfe fordert auch der Bundesverband der deutschen Schafzüchter. Er
     fürchtet um die Zukunft der Schäfer. Nicht nur wegen der Risse. Ein paar Verluste gibt es in
     einer Herde immer. Kritisch kann es aber werden, wenn der Wolf öfter kommt. "Es kann nicht
     sein, dass Tierhalter im Einzugsbereich gut trainierter Rudel schon nach wenigen Übergriffen
     keine Entschädigung mehr bekommen", meint Schäfer Czerkus. Auch der Nabu fordert mehr
     Hilfen für betroffene Tierhalter.
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Vor allem aber sind es die laufenden Kosten für Schutzmaßnahmen, die zur finanziellen
     Belastung werden können. Zwar bekommen Schäfer das Geld für einen Elektrozaun oder
     einen scharfen Herdenschutzhund zu 70 bis 90 Prozent zurück. Doch auf den Kosten für
     Zaunpflege, zusätzliche Mitarbeiter, Hundefutter und Tierarztkosten bleiben die Tierhalter
     sitzen. Wer seine Tiere allerdings ungeschützt in gefährlichen Gebieten grasen lässt, wird
     bei einem Wolfsangriff auch nicht entschädigt. Die meisten Länder bezahlen Zäune auch nur
     für größere Herden. Und auch erst, wenn ein Wolf gesichtet wurde. Sogenannte
     Hobbytierhalter mit Mini-Herden kriegen in der Regel kein Geld. Bei ihnen hat der Wolf oft
     leichtes Spiel. "Die Schadenshöhe korreliert weniger mit der Zahl der Wölfe, die in einem
     Gebiet leben, sondern mit dem Ausmaß des Schutzes der Nutztiere. Dort, wo Nutztiere nicht
     oder nur unzureichend geschützt sind, kann bereits ein einzelner Wolf große Schäden
     verursachen", so ein Sprecher des brandenburgischen Umweltministeriums.

Hüten ist nicht bewachen
                                                   Herdenschutzhunde sind nicht zu verwechseln mit
                                                   Hütehunden. Ein Hütehund schaut, dass die Herde
                                                   zusammenbleibt, während der Herdenschutzhund
                                                   sie gegen Feinde verteidigt. Zum Hüten eignen sich
                                                   zum Beispiel der Border-Collie, als Wachhund der
                                                   Pyrenäenberghund oder der italienische
                                                   Maremmano-Schäferhund. Die wehrhaften
                                                   Herdenschutzhunde wachsen mit den Schafen
                                                   (oder Ziegen) auf und bleiben rund um die Uhr bei
                                                   den Tieren. Der Verein Arbeitsgemeinschaft
                                                   Herdenschutzhunde informiert über die Arbeit mit
                                                   diesen Rassen, vermittelt ausgebildete Hunde und
                                                   bietet Schulungen für Hundehalter an. Das Land
Pyrenäenberghund eignen sich bestens als           Brandenburg etwa fördert nur Hunde aus
Wachhunde (Foto: imago)                            Zuchtbetrieben der AG und verlangt von Haltern
                                                   einen Sachkundenachweis.

     Doch einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Das räumt auch der Nabu ein. Bioland-
     Schäfer Koop glaubt nicht so recht an die Wirkung von Elektrozäunen. Er will sich lieber
     Herdenschutzhunde zulegen. Doch für seine vier Herden bräuchte er acht bis zehn Hunde.
     Da kommen im Jahr schnell 10.000 Euro für Futter und Tierarzt zusammen. Und auch der
     Umgang mit den scharfen Hunden will gelernt sein. Der Wolf ist nicht das einzige Wildtier,
     das gerade zurückkehrt. Auch ein großer Verwandter unserer Hauskatze breitet sich wieder
     aus: der Luchs. Die schöne Raubkatze macht auch mitunter Jagd auf Schafe und Co. Und
     auch die Bären sind in Europa wieder auf dem Vormarsch. Keine leichten Zeiten für die
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Weidehaltung. Dabei ist die doch gesellschaftlich so erwünscht und wichtig für den
                                   Naturschutz.

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