Teile vom ganzen - Brüche beziehungsreich verstehen
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Pm / Thema: Teile vom ganzen – brüche beziehungsreich versTehen HEFT 52 / 55. JaHrgang / 2013 Teile vom ganzen – Brüche beziehungsreich verstehen Andrea Schink, Michael Meyer das größte ist, mach ich noch nen Strich Im Alltag und im Mathematikunterricht (sowohl in der Grundschule [zeichnet den Strich im oberen rechten vor ihrer systematisch-formalen Einführung, als auch daran anschlie- Kreissektor].“ (s. Abb. 1) ßend in Arithmetik, Algebra, Analysis, Geometrie oder Stochastik) sind Brüche ein zentraler Inhalt. Entsprechend ihrer Bedeutung aber auch aufgrund der Schwierigkeiten, die Lernende oftmals mit ihnen haben, wurden Brüche in der didaktischen Diskussion schon hinsichtlich unterschiedlicher Perspektiven untersucht. Hierzu zählen z. B. Grund- und Fehlvorstellungen oder Diagnose- und Förderansätze. Einen Schritt zurückgehend, betrachten wir hier „Brüche an sich“, d. h. ihre Komponenten „Teil“, „Anteil“ und „Ganzes“ und den Umgang mit diesen im Kontext des Herstellens, Interpretierens und Ausnutzens von (strukturellen) Beziehungen. Das Verstehen von und das Umgehen mit diesen Zusammenhängen ist komplex; sie können im Unterricht jedoch auch konstruktiv thematisiert und genutzt werden – für dieses Spannungsfeld soll im Artikel sensibilisiert werden. Ein Beispiel aus der Praxis hat den Kreis in vier etwa gleich große Be- Zur Bestimmung eines Viertels von einem reiche geteilt] und dann mal ich ein Punkt Kreis sagt der Sechstklässler Max: „Also, an [deutet auf den linken unteren Kreissek- ich mach erstmal ma so ein Kreuz [Max tor], und dann mach ich noch wo ungefähr 1 von einem Kreis Abb. 1: Max bestimmt __ 4 2
HEFT 52 / 55. JaHrgang / 2013 Thema: Teile vom ganzen – brüche beziehungsreich versTehen / Pm Das Bild von Max lässt sich vordergrün- ihre Zusammenhänge. Entsprechend schrei- de Schwierigkeiten struktureller Art dar- dig als eine tragfähige Repräsentation des ben wir vom „Bruch“ als einem konkreten stellen, z. B.: Wie muss der Bruch in der Anteils _41 deuten. Irritation vermag die Cha- Repräsentanten und nicht von der „Bruch- Situation konkret gedeutet werden? Was rakterisierung eines der vier Kreissektoren zahl“, die als Klasse gleichwertiger Brü- ist das Ganze? Nur wer das Ganze geeig- („wo ungefähr das größte ist“) und der zu- chen einen allgemeineren Charakter hat. net interpretieren kann, ist auch in der Lage, sätzliche „Strich“ in eben diesem Sektor Anteile und Teile von diesem Ganzen zu zu erwecken. Auf den Strich angesprochen Teil, Anteil und Ganzes in ver- bestimmen; bzw. umgekehrt: Die Qualität erklärt Max, dass dieser notwendig sei, da- schiedenen Qualitäten verstehen des Ganzen ergibt sich auch durch den Teil. mit der markierte Teil „_41 ist“. Würde er feh- Das Verstehen von Brüchen stellt (auch Teil, Anteil und Ganzes können unter- len, so wäre der markierte Teil laut Max _13. deshalb) eine kognitive Herausforderung schiedliche Erscheinungsformen aufwei- Max’ Verständnis von Brüchen lässt sich an Lernende dar, weil jederzeit mehrere sen, die zum einen an ihre (außermathema- wie folgt rekonstruieren: Der Zähler des Komponenten gleichzeitig in den Blick ge- tische) Repräsentation (Wassermenge, Gut- Bruches gibt die Anzahl der gefärbten Sek- nommen werden müssen: Ein Bruch wird haben, Preis, …), zum anderen an (damit toren vom Ganzen (hier der Kreis) an, der nicht nur als eine Zahl gedeutet, sondern oftmals verbundene) unterschiedliche „phy- Nenner die ungefärbten. Max scheint bezieht sich als Anteil auf ein Referenzob- sische“ Qualitäten gebunden sind (s. Ta- Brüche somit nicht als Anteile von einem jekt, das Ganze (z. B. eine Pizza, eine Tüte belle 1 und Schink 2013, S. 42−48): Für Ganzen zu deuten, sondern als Verhältnis Bonbons, etc. oder schlicht die „1“ als nicht Lernende können im Verständnis und Nut- verschiedener Sektoren (die nicht gleich kontextualisierte Einheit). Zur Bestimmung zen dieser unterschiedlichen Repräsentati- großen „Teilen“ entsprechen müssen) des des Anteils bedarf es der Ermittlung eines onen Hürden liegen, zumal sie bestimmte Ganzen zueinander. Die Interpretation von Teils. Anders ausgedrückt: Ein einzelner Lösungswege nahelegen aber auch verber- Max erfolgt also vorrangig relativ zur An- Bruch besteht aus der Trias von dem An- gen können. Einen Überblick über ausge- zahl und nicht genügend zur Größe der Sek- teil (der die Beziehung zwischen dem Teil wählte Qualitäten geben die folgende Be- toren. und dem Ganzen ausdrückt), dem Ganzen schreibung und Tabelle 1. Dabei ist zu be- Die Szene sensibilisiert für individuel- (auf das sich der Anteil bezieht und von achten, dass der Teil und das Ganze stets le Interpretationen von Lernenden und da- dem der Teil betrachtet wird) und dem Teil vor dem Hintergrund des Anteils zu inter- mit womöglich einhergehenden Verständ- (der von einem bestimmten Ganzen ge- pretieren sind. nisschwierigkeiten. Wenn Brüche nicht ge- nommen wird und eine durch den Anteil Ein Ganzes kann als strukturiert bezeich- eignet inhaltlich gedeutet werden können, ausgedrückte Beziehung zu ihm unterhält; net werden, wenn bereits eine „Einteilung“ so vergrößert sich die Gefahr, dass Proble- s. Kasten 1). Beim Umgang mit Brüchen desselben erkennbar ist. Ob eine Struktu- me auch für Rechenoperationen mit Brü- hängen diese drei Komponenten untrenn- rierung, d. h. eine bereits vorhandene Ein- chen existieren bzw. entstehen. Im Fallbei- bar miteinander zusammen und lassen sich teilung des gegebenen Ganzen oder des spiel von Max besteht beispielsweise das nur zirkulär (er-)klären. Zugleich sind sie Teils für die Nutzung des konkreten An- Risiko, dass der Schüler kein eingehendes die Grundlage zum Verständnis und ver- teils hilfreich ist oder nicht, hängt nicht nur Verständnis des Erweiterns als Verfeinern ständigen Nutzen der Grundvorstellungen vom Anteil und der Struktur ab, sondern einer Einteilung oder des Kürzens als eben- zu Brüchen (s. Kasten 2). Die Vielfalt der auch vom betrachtenden Individuum, zu- solches Vergröbern erlangen kann. Bedenkt möglichen Ausprägungen dessen, was ein mal die vorgegebene Struktur aktiv als nutz- man das Erweitern bzw. Kürzen wiederum Bruch bedeuten kann, kann so für Lernen- bar gedeutet werden muss (für die Mehr- als Grundlage für weitere mathematische Operationen, wie beispielsweise die Addi- tion von Brüchen, so vermehren sich mög- liche Probleme schnell. Angesichts der hier exemplarisch dar- gestellten Schwierigkeit, die sich im Hin- blick auf das Verständnis von Brüchen und damit auch für das Umgehen mit ihnen er- geben können, stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, dass Lernende wie Max ein } umfassendes Verständnis von Brüchen er- 3 von 12 __ werben können. 4 Beim Aufbau mathematischen Verständ- nisses spielen Grundvorstellungen eine zen- 3 __ trale Rolle: Sie lassen sich als Standardin- 4 terpretationen mathematischer Inhalte ver- stehen, die sich somit zum einen auf die Mathematik selbst, zum anderen aber auch auf deren lebensweltliche Realisierungen beziehen (z. B. Bender 1991; vom Hofe 1996). Bevor wir ausgewählte Grundvor- Ganzes Teil Anteil stellungen diskutieren, betrachten wir zu- nächst eine mathematische Grundlage zu Brüchen: Teil, Anteil und Ganzes sowie Kasten 1: Konkretes Zusammenspiel der Trias Teil, Anteil, Ganzes 3
Pm / Thema: Teile vom ganzen – brüche beziehungsreich versTehen HEFT 52 / 55. JaHrgang / 2013 Das Ganze ist ... werden soll (u.a. Prediger 2006, Winter Bezug zum 1999). Für den Unterricht wird dabei die 3 Anteil __ kontinuierlich 4 Notwendigkeit des Aufbaus vielfältiger nicht-kontinuierlich Regelmäßig Nicht regelmäßig Grundvorstellungen von Brüchen häufig hervorgehoben (u. a. Hefendehl-Hebeker Strukturiert 1: 1996, Winter 1999). Zum Thema „Bruch- Keine weitere zahl“ wurden Grundvorstellungen u. a. von Strukturierung Malle (2004, S. 5f.) herausgestellt, der am notwendig Beispiel des Bruches _34 insgesamt acht Grundvorstellungen unterscheidet, die sich in anderen Nuancierungen auch bei ande- ren Autoren finden (z. B. bei Padberg 2009): Strukturiert 2: • „Teil (eines Ganzen)“, z. B. _34 (von 1) Struktur vorhan- • „Resultat einer Division“, z. B. 3 : 4 den, aber weiter- • „Relativer Anteil“, z. B. _34 von ... gehende bzw. • „Verhältnis“, z. B. 3 zu 1 neue Strukturie- • „Vergleichsoperator“, z. B. _43 mal so viel rungen notwendig wie ... • „Quasikardinalzahl“, z. B. 3 Viertel nicht • „Absoluter Anteil“, z. B. drei von vier strukturiert • „Quasiordinalzahl“, z. B. jeder Vierte. Die Vielfalt an Grundvorstellungen deutet die inhaltliche Komplexität von Brüchen an. Im Folgenden werden ausgewählte Grundvorstellungen zu Brüchen unter der 3 Perspektive auf Teil, Anteil und Ganzes Tabelle 1: Verschiedene Qualitäten vom Ganzen in Bezug zum Anteil __ analysiert. Hierdurch soll die bereits in der 4 Trias angelegte Komplexität verdeutlicht und für deren verständnisorientierte Erar- deutigkeit von bildlichen Darstellungen s. Auch für den Teil lassen sich entspre- beitung und flexible Nutzung im Unterricht a. Voigt 1993, Götze/Meyer 2012). chend Qualitäten unterscheiden; diese müs- geworben werden. Als kontinuierlich lassen sich solche sen dabei nicht notwendig mit dem des Die Grundvorstellung Teil eines Gan- Ganze und Teile bezeichnen, die zusam- Ganzen übereinstimmen. zen kann als Einstieg in die Bruchrechnung menhängen und selbst in weitere kleinere Unabhängig davon, welche Qualität das gewählt werden. Das Ganze ist dann zu- zusammenhängende Einheiten unterteilt Ganze hat, ist zur Bestimmung des Teils nächst in der Regel ein zusammenhängen- werden können (z. B. der nicht geschnitte- stets das Bilden und Umbilden von Einhei- des (kontinuierliches) Objekt, von dem ein ne Kuchen, der Liter Wasser im Messbe- ten zentral (z. B. Lamon 1996): Das Gan- Anteil bestimmt werden soll (s. Kasten 2). cher, ...). Sind hingegen mehrere einzelne ze wird in Einheiten zerlegt, die wiederum Prototypische Ganze sind z. B. die Pizza, Objekte vorhanden, die man als Gruppe zu zu neuen Einheiten zusammengefasst wer- die in eine bestimmte Anzahl von Stücken einem Ganzen zusammenfasst, um etwa den können. _34 von 12 Bonbons kann man geschnitten wird oder deren Stücke in bild- Anzahlen zu bestimmen, z. B. eine Menge beispielsweise bestimmen, indem man je- lichen Darstellungen (meist im Rechteck an Bonbons, kann man dieses Ganze als weils drei Bonbons zu einem Viertel zu- oder Kreis) analysiert werden sollen. nicht-kontinuierlich oder diskret bezeich- sammenfasst, dieses Viertel als neue Ein- Die Zusammenhänge zwischen dem Teil, nen (s. Padberg 2009, S. 47). Die Regel- heit nutzt, das Ganze in vier dieser Einhei- dem Anteil und dem Ganzen werden an- mäßigkeit eines Ganzen bezieht sich auf ten strukturiert und drei davon nimmt. Je spruchsvoller, wenn das Ganze aus mehre- die (geometrische) Regelmäßigkeit der äu- nachdem, ob das Ganze bereits passend ren Objekten und somit der mathema- ßeren Form. strukturiert ist oder nicht, kommt dieser tisch-fachsprachlichen Bezeichnung wi- Neben diesen idealtypischen „Reinfor- Tätigkeit ein unterschiedlicher Schwierig- dersprechend aus „mehreren Ganzen“ men“ des Ganzen gibt es auch „Mischfor- keitsgrad zu. besteht. Die entsprechende Grundvorstel- men“, wie z. B. Ganze, die aus zwei oder lung wird auch als „Teil mehrerer Ganzer“ mehr kontinuierlichen Einheiten bestehen Ausgewählte Grundvorstellungen oder als „Resultat einer Division“ bezeich- (etwa zwei Pizzen, die auf dem Tisch lie- und ihr Bezug zur Trias „Teil, net (Malle 2004, S. 5; Padberg 2009). Ein gen) oder umgekehrt der Kuchen, der be- Anteil, Ganzes“ typischer Kontext zur Interpretation dieser reits in einzelne Stücke (an-)geschnitten Ein zentraler Konsens in der Mathematik- Grundvorstellung ist das Verteilen mehre- wurde (die entsprechende Grundvorstel- didaktik besteht darin, dass Schülerinnen rer Pizzen auf eine bestimmte Anzahl von lung zum ersten Beispiel (zwei Pizzen) und Schüler zunächst inhaltliche Vorstel- Leuten (s. Streefland 1986). Eine Schwie- wird als „Teil mehrerer Ganzer“ bezeich- lungen von mathematischen Objekten und rigkeit bei dieser Interpretation liegt in der net; z. B. bei Padberg 2009, S. 36; für die Operationen entwickeln sollen, auf die an- Identifizierung des Ganzen und der richti- Darstellung ausgewählter Mischformen sie- schließend der Kalkül aufgebaut und mit gen Bezugnahme des Anteils bzw. des Teils he auch Schink 2013, S. 45 f.). denen er später immer wieder abgeglichen auf dieses Ganze: Wenn sich vier Leute 4
HEFT 52 / 55. JaHrgang / 2013 Thema: Teile vom ganzen – brüche beziehungsreich versTehen / Pm Teil eines Ganzen Relativer Anteil – Anteil von Mengen Teil: 9 Teil 3 Anteil: __ 3 Anteil: __ 4 4 Ganzes Ganzes: 12 Teil, Anteil und Ganzes: - Wie der Teil aussieht, hängt vom Ganzen und vom Anteil ab. - Der Anteil gibt die Beziehung zwischen dem Teil und dem Ganzen an. - Das Ganze gehört zu einem bestimmten Teil und einem bestimmten Anteil. 3 Kasten 2: Teil, Anteil, Ganzes: zwei zentrale (Grund-)Vorstellungen zu __ 4 drei Pizzen teilen, dann bekommt jeder _34 tet werden. In Hinblick auf zukünftige Be- ist nun nicht 4, sondern 12. Eine Lernum- von einer Pizza oder _41 von den drei Pizzen. rechnungen ist es jedoch sinnvoll den An- gebung zur Erarbeitung des Anteils von Hier zeigen sich wiederum das Zusammen- teil zur Strukturierung des Ganzen heran- Mengen wird im Beitrag von Prediger et spiel und die untrennbare Verknüpfung der zuziehen, um neue Einheiten zu erzeugen: _43 al. in diesem Heft vorgestellt. drei Komponenten zum Verständnis eines von 12 Bonbons bedeutet, dass die 12 Bon- Bruches. bons in 4 Teilmengen (entsprechend mit je Zusammenhänge in verschiedenen Bei der Grundvorstellung relativer 3 Bonbons) zerlegt werden, von denen 3 Schreibweisen und Darstellungen Anteil (auch von Größen bzw. Anteil von Teilmengen (9 Bonbons) genommen wer- Der Blick auf strukturelle Zusammenhän- Mengen) kommt eine weitere strukturelle den. Die Lösung erfordert somit eine Um- ge vom Teil, vom Anteil und vom Ganzen Schwierigkeit hinzu: Im Kontext _34 von 12 interpretation der Situation, die wiederum ist nicht auf die Einführung der Bruchrech- Bonbons kann _34 nicht als 3 von 4, sondern ein entsprechendes Bruchverständnis er- nung beschränkt: Von der Grundschule bis nur als „dreimal 3 von 4 Bonbons“ gedeu- fordert, denn das Ganze für den Anteil _34 in die Sekundarstufen durchziehen Brüche den Mathematikunterricht (z. B. Grassmann 1991, Jahnke 1995). Unabhängig von der Schulstufe treten sie dabei in verschiede- Darstellungsform grafisch nen Schreibweisen auf: in der Bruch- verbal-situativ symbolisch schreibweise, als Dezimalzahlen (auch De- (Auswahl) Schreibweise zimalbrüche; vgl. Padberg 2009, S. 23) oder als Prozentangaben (s. Tabelle 2). Prozente und Dezimalzahlen sind keine „Paul bekommt drei 3 __ grundsätzlich neuen Lerninhalte, da sie sich Bruch Viertel von einem 4 mit den Brüchen verknüpfen lassen: Bei- Kuchen.“ spielsweise sind auch in der Prozentrech- nung strukturelle Zusammenhänge zentral und werden systematisch unter der Bezeich- „In der Flasche sind Dezimalzahl 0,75 nung Grundaufgaben gefasst (siehe z. B. noch 0,75 l Wasser.“ Vollrath/Weigand 2007). Teil, Anteil und Ganzes bekommen dann lediglich neue Na- „Fünfundsiebzig men: Prozentwert, Prozentsatz und Grund- Prozent der Schüle- wert. Prozent rinnen und Schüler 75 % Die Prozentrechnung zeigt bereits die spielen ein Instru- Notwendigkeit eines eingehenden Verste- ment.“ hens der Bruchrechnung für andere Gebie- Tabelle 2: Verschiedene Darstellungsformen von Brüchen, Dezimalzahlen, Prozenten te der Mathematik. Auch in weiteren kann 5
PM / Thema: teile vom ganzen – brüche beziehungsreich verstehen HEFT 52 / 55. Jahrgang / 2013 3. Wenn 100 um ein Viertel vergrößert werden soll, addiert man zu 100 die Zahl 25. anzutreffende Forderung besteht darin, dass Lernende diese verschiedenen Repräsen- 100 um ein Viertel vergrößert sind 125 tationen kennen und das flexible Wechseln zwischen ihnen lernen sollten, um ein um- 160 um ein Viertel vergrößert sind 200 fassendes inhaltliches Verständnis zu er- langen (z. B. Duval 2006). Ein Beispiel für 80 um ein Viertel vergrößert sind die Verbindung verschiedener Darstellungs- formen und das damit verbundene Poten- 4000 um ein Viertel vergrößert sind tial für ein Verständnis von Brüchen deu- tet das folgende Beispiel aus Klasse 4 an 1000 um ein Viertel vergrößert sind (Aufgabenstellung s. Abb. 2; Transkript wurde sprachlich geglättet): 24 um ein Viertel vergrößert sind Simon: „Ja, also da steht ja die 100. Da die 125 (zeigt auf das ausgefüllte Ergeb- 4. niskästchen in der ersten Zeile von Aufga- 125 um ein Fünftel verkleinert sind 100 be 3). Steht da (zeigt auf den ersten Wert bei Aufgabe 4) dann, also dann kann man, 200 um ein Fünftel verkleinert sind 160 da die 125 hinschreiben und da 100 (zeigt auf die Lösung ‚100‘ in der ersten Zeile 100 um ein Fünftel verkleinert sind von Aufgabe 4). Und das ist dasselbe bei diesen Aufgaben hier unten. Wenn da die 5000 um ein Fünftel verkleinert sind 80 steht und da die 100 (deutet auf die Wer- te bei Aufgabe 3). Und bei der vierten Auf- 1250 um ein Fünftel verkleinert sind gabe ist das halt umgekehrt, dass da dann die 80 steht und da die 100 (zeigt auf die 30 um ein Fünftel verkleinert sind Werte bei Aufgabe 4). Da konnte man auch abgucken.“ Abb. 2: Aufgabenstellung für Klasse 4 Der sich anschließenden inhaltlichen Frage nach dem Warum des Abschreibens vom Lehrer kam Simon zunächst nicht man die Trias von Teil, Anteil und Ganzem chen in Abhängigkeit vom Ansatz zur Be- nach. Seinen Mitschülern diente der im mit situativ unterschiedlichen Bedeutun- stimmung von Wahrscheinlichkeiten sogar Raum stehende Begründungsbedarf hinge- gen finden. Dies wird beispielsweise in dem unterschiedliche Bedeutungen zu. Dies wird gen als Argumentationsanlass. Beispielhaft Beitrag von Marxer/Wittmann im vorlie- in dem Beitrag von Meyer/Schnell im vor- für die späteren Äußerungen (für eine aus- genden Heft sowie in Marxer/Wittmann liegenden Heft thematisiert. führliche Analyse der Szene s. Meyer 2007, (2012) thematisiert. Die Autoren richten Die unterschiedlichen Schreibweisen S. 173 ff.) soll diejenige von David ange- dabei den Fokus auf Zahlbeziehungen, für Brüche können wiederum auf verschie- führt werden: wenn Dezimalzahlen und Brüche unter dem dene Weisen repräsentiert sein: verbal-si- David: „Aber weil bei Fünftel verklei- sogenannten „Zahlenblick“ betrachtet wer- tuativ, grafisch oder symbolisch (s. Tabel- nern ist es um ein Viertel. Und bei der Auf- den. Im Bereich Stochastik kommen Brü- le 2 und Padberg 2009, S. 32). Eine häufig gabe 3 ist es hier bei Aufgabe 4 genau um 1 und __ Abb. 3: __ 1 in einen strukturierten Kreis einzeichnen: Yasmins und Ebrus Bearbeitung 4 6 6
HEFT 52 / 55. Jahrgang / 2013 Thema: teile vom ganzen – brüche beziehungsreich verstehen / PM ein Viertel größer. Das ist ja fünf mal das jedoch nicht deren Größe. So sprechen Ler- rative Variationen (s. Wittmann 1985) ge- Teil. Also ist ja hier das Fünfte.“ nende zum Teil von Vierteln, sobald ein nutzt werden, um strukturelle Zusammen- Im Gegensatz zu Simon expliziert Da- Ganzes in vier Einheiten geteilt wurde – hänge zwischen dem Teil, dem Anteil und vid den operativen Zusammenhang, der unabhängig davon, ob diese gleich groß dem Ganzen zu explorieren und zu thema- zwischen Teil, Anteil und Ganzem besteht. sind, oder nicht. Der hier noch nicht aus- tisieren, indem die erzeugten Konsequen- In dieser Szene bleibt allerdings ungewiss, geprägte strukturelle Blick auf die Bezie- zen auf die jeweils anderen Komponenten ob letztendlich die bildliche Darstellung hungen zwischen den Teilen untereinander der Trias untersucht werden, z. B.: den Schülern einen zusätzlichen Hinweis konnte bereits bei Max in der Eingangss- • Wie ändert sich der Teil, wenn man an- gegeben, oder ob David dies bereits auf der zene beobachtet werden: Für Viertel ist die statt _13 von 12 Bonbons _ 14 von 12 Bon- Basis der Aufgabenstellung erkannt hat. Zahl 4 zwar entscheidend, aber zudem sind bons bekommt? Bekommt man mehr sowohl die Beziehung vom einzelnen Teil oder weniger? Schwierigkeiten beim Umgehen zum Ganzen als auch zwischen den Teilen • Was passiert, wenn man _23 von 12 Bon- mit Teil, Anteil und Ganzem zu betrachten. bons bekommt? Oder _ 31von 15 Bonbons? Nicht immer gelingt das Herstellen und Schülerinnen und Schüler, die unabhän- • Wie ändert sich der Teil, wenn das Gan- Nutzen von Zusammenhängen zwischen gig von (unterschiedlichen) Größen der ze größer (kleiner) wird? Wie wenn der dem Teil, dem Anteil und dem Ganzen so Teile argumentieren, stellen nicht die not- Anteil größer (kleiner) wird? erfolgreich wie in der oben angeführten wendigen Beziehungen zwischen dem Teil, • Verdoppelt sich auch der Teil, wenn man Szene. Schwierigkeiten beim Aufbau von dem Anteil und dem Ganzen her. Sie be- Anteil und Ganzes gleichzeitig verdop- Grundvorstellungen zum Thema Brüche − trachten stattdessen entweder Ausschnitte pelt? sowohl zu den Brüchen an sich, als auch oder beachten nicht alle Eigenschaften der • Was muss man tun, um den Teil (den zu den Operationen mit ihnen – sind viel- drei Komponenten. Der Blick auf die (Zu- Anteil, das Ganze) zu vergrößern (zu fach dokumentiert (u. a.: Hasemann 1981, sammenhänge innerhalb der) Trias kann verkleinern)? Padberg 2009, Prediger 2008, Wartha 2007, dabei dazu beitragen, die konkreten Hür- ... Wartha/Wittmann 2009). Einige dieser As- den von Lernenden genauer zu lokalisie- pekte wurden bereits erwähnt, andere wer- ren und Lernende mit geeigneten Hilfestel- Durch diese systematisch angeregten Va- den im Folgenden ausführlicher beschrie- lungen und Aufgaben zu unterstützen. Auf riationen können Lernende gezielt Zusam- ben. solche möglichen Ansätze soll im Folgen- menhänge explorieren und erarbeiten. Die- Bereits die verschiedenen Qualitäten des den kurz eingegangen werden. ser Aspekt wird im Artikel von Schink im Ganzen (kontinuierlich, nicht-kontinuier- vorliegenden Heft thematisiert. lich oder auch Mischformen) können für Mit Teil, Anteil und Ganzem Brüche inhaltlich zu deuten beinhaltet Lernende Hürden mit sich bringen, so wie produktiv umgehen auch, die Operationen mit Brüchen opera- sie Yasmin und Ebru in Abb. 3 beschrei- Zum Verständnis von Brüchen gehört das tiv zu untersuchen und Gesetzmäßigkeiten ben: Beide haben die Aufgabe bearbeitet, _ 41 Verstehen der Zusammenhänge zwischen zu entdecken: Warum vergrößert die Mul- und _16 von einem strukturierten Kreis zu dem Teil, dem Anteil und dem Ganzen. tiplikation eigentlich nicht immer? Wann markieren (s. Schink 2013, S. 166; Aufga- Lernende müssen dabei Brüche vielfältig vergrößert sie? Wann verkleinert sie? be nach Hasemann 1981). Eine Schwierig- deuten können – dazu gehört auch, Brüche Das Erkennen von Zusammenhängen keit scheint für die beiden Mädchen in der in Bezug auf verschiedene Ganze und ihre wie den bisher aufgezeigten kann dabei be- Bezugnahme des Anteils auf den gesam- unterschiedlichen Qualitäten zu beziehen: reits im frühen Lernstadium erfolgen und ten Kreis, der aus mathematisch-normati- Max aus dem einleitenden Beispiel sollte auch von den Schülerinnen und Schülern ver Sicht das kontinuierliche, strukturierte z. B. seine Vorstellung von Brüchen erwei- ausgehen. Im Artikel von Glade im vorlie- Ganze darstellt, zu liegen. Lernende, die tern und den Teil in Bezug zum Ganzen genden Heft wird aufgezeigt, wie dies durch den Anteil auf die Anzahl der gleichgroßen und nicht nur zum Rest bzw. dessen Auf- Prozesse fortschreitender Schematisierung Stücke bezogen deuten, können also unter teilung deuten. Diese Zusammenhänge zum Vorstellungsaufbau für die Multipli- Umständen in der Einteilung in 12 Stücke könnte Max z. B. handlungsorientiert über kation beitragen kann. nur Zwölftel deuten. Für sie ergibt sich das Auslegen und Vergleichen von Flächen dann die Schwierigkeit, die gesuchten Vier- erarbeiten, wie es z. B. Schwank (2009) Brüche vielfältig und tel innerhalb der vorgegebenen Struktur vorschlägt. Schwächere Lernende bekom- beziehungsreich verstehen des Ganzen zu erkennen. Hilfreich kann es men so z. B. die Gelegenheit, von der rein Die in diesem Artikel thematische Perspek- sein, die Bedeutung des Ganzen und sei- bildlichen Ebene zu einer enaktiven Reprä- tive zeigt, dass Brüche vielfältig sind und ner Beziehung zu Teil und Anteil transpa- sentation überzugehen. Das Handeln am das Umgehen mit verschiedenen Aspekten rent zu machen: Yasmin und Ebru müssen konkreten Material, das strukturiert und erfordern. Sie haben „viele Gesichter“ (He- verstehen, dass _ 14 sich nicht nur als „1 von umgeordnet werden kann, bietet die Mög- fendehl-Hebeker 1996, S. 20). 4 gleich großen Teilen“ deuten lässt, son- lichkeit, strukturelle Zusammenhänge zu Unter der speziellen Perspektive des In- dern dass sich der Anteil auch auf eine grö- erkennen. terpretierens von Teil, Anteil und Ganzem ßere Menge bzw. Anzahl – hier die 12 (nicht Das Verstehen von Brüchen geht mit sowie des Herstellens und Nutzens von Zu- 4) einzelnen Kreissegmente – beziehen dem Umgehen mit Brüchen einher: Einfa- sammenhängen zwischen diesen Elemen- lässt. che Untersuchungen von Zusammenhän- ten zeigt sich die Komplexität, die hierin Ebenso dokumentiert (z. B. bei Peck/ gen sind bereits in der Grundschule mög- für Lernende liegen kann. Das Bewusst- Jencks 1981, S. 342 f.) ist die Vorstellung, lich, wie das Beispiel aus dem Klassenge- sein für diese Komplexität kann dazu bei- dass beim Bruch _ 14 lediglich die Anzahl der spräch (s. Abb. 2) zeigt. Aber auch in der tragen, dass Lernende Brüche inhaltlich Stücke, etwa einer Torte, entscheidend ist, Sekundarstufe I können systematisch ope- (besser) verstehen, sie gezielt explorieren 7
PM / Thema: teile vom ganzen – brüche beziehungsreich verstehen HEFT 52 / 55. Jahrgang / 2013 und nutzen sowie diese Kenntnisse auch Lamon, Susan J. (1996): The Development Streefland, Leen (1986): „Pizzas – Anre- z. B. auf die Prozentrechnung übertragen. of Unitizing: Its role in children´s gungen, ja schon für die Grundschule.“ Dies kann (und sollte nach Möglichkeit) partitioning strategies. In: Journal for In: mathematik lehren, 16, S. 8−11 in verschiedenen Darstellungen geschehen. Research in Mathematics Education, Voigt, Jörg (1993): Unterschiedliche 27(2), S. 170−193 Deutungen bildlicher Darstellungen Anmerkung Malle, Günther (2004): Grundvorstellun- zwischen Lehrerin und Schülern. In: Das einführende Gespräch mit Max ist im gen zu Bruchzahlen. In: Mathematik Lorenz, Jens Holger (Hrsg.): Mathematik Rahmen des durch die Deutsche Telekom lehren, 123, S. 4 – 8 und Anschauung. 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