Theorie & Wissenschaft - Was ist eine Theorie? Was ist Wissenschaft? Ist Informatik eine Wissenschaft? - Online-Campus Hochschule Landshut

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Theorie & Wissenschaft

           Was ist eine Theorie?
           Was ist Wissenschaft?
      Ist Informatik eine Wissenschaft?

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Ich hätte so gern einen Dr.-Titel

K.-T. Freiherr zu Guttenberg (2009),
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Verfassung und Verfassungsvertrag.
                                                               Im Feb. 2011 wurde das Wiki
                                                               GuttenPlag gegründet, um
                                                               Plagiatsvorwürfen bei der
                                                               Dissertation von Guttenberg
                                                               nachzugehen.
                                                               Im Wiki VroniPlag wurden
                                                               bislang (Juni 2021) 211
                                                               Dissertationen untersucht.
                                                               Mehr als 80 Dr.-Titel wurden
                                                               in der Folgezeit aberkannt.
                                                               Hörenswert: Die Prinzen,
                                                               Alles nur geklaut feat. Dr.
Quelle: https://guttenplag.wikia.org/de/wiki/GuttenPlag_Wiki   Guttenberg.
Gemeinfrei.
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Murmelgruppe: Wissenschaft

          I also witnessed the growing politicization of
          science, including the vocalization of an anti-
          science mentality from various elected leaders...
          Neglect, distrust, and willful disrespect of
          scientific expertise are horrifyingly evident.
                                          (Celeste Rohlfing)

        Was ist Wissenschaft, d.h. wodurch zeichnet
        sich Wissenschaft aus, wie unterscheidet sie
        sich von bloßen Meinungen und Ansichten?
        Diskutieren Sie diese Frage mit Ihrem
        Nachbarn und halten Sie die Ergebnisse
        stichwortartig fest.

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Theorie

   Eine Theorie (griech. Betrachtung, Anschauung) ist
   ein System von Aussagen (Gesetzen), zwischen denen
   eine logische Abhängigkeit besteht.
   Sie dient dazu, Beobachtungen
   • zu beschreiben
   • zu erklären
   • vorherzusagen.
   Eine Theorie beschreibt einen Ausschnitt der Realität
   (= Modell), welchen sie angemessen vereinfacht.
   Sie sollte widerspruchsfrei und überprüfbar sein.

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Wissenschaft

 Wissenschaft ...            Der Gläubige glaubt zu wissen.
                             Der Wissenschaftler weiß, dass er glaubt.
 ... schafft Wissen.
                                               (Friedrich Dürrenmatt)
 Wissenschaft umfasst
 • die Erweiterung des Wissens durch Forschung,
 • dessen Weitergabe durch Lehre,
 • der gesellschaftliche, historische und institutionelle Rahmen,
 in dem dies organisiert betrieben wird,
 • sowie die Gesamtheit des so erworbenen Wissens.

 Forschung ist die methodische Suche
 nach neuen Erkenntnissen sowie deren       Science is a way of thinking
 systematische Dokumentation und            much more than it is a body
 Veröffentlichung in Form von               of knowledge.
 wissenschaftlichen Arbeiten.                               (Carl Sagan)

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Wissenschaft

                               Phantasie ist wichtiger als Wissen
 Und was ist dann Wissen?                        (Albert Einstein)

 Landläufig ist Wissen eine „objektiv wahre“ Kenntnis von
 Zusammenhängen. Aber woher kommt die Rechtfertigung?
 Die Erkenntnistheorie oder Epistemologie ist ein Gebiet der
 Philosophie, welches sich mit Fragen der Art befasst,
 • wie Wissen zustande kommt
 • welche Erkenntnisprozesse (= Methoden) denkbar sind
 • welche Art von Zweifel an welcher Art von Wissen
 grundsätzlich bestehen kann.

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Wissenschaft

Und noch eine Definition (de.wikipedia.org/wiki/Agnotology):
Agnotologie bezeichnet eine Forschungsrichtung, welche die kulturelle
Erschaffung und Aufrechterhaltung von Unwissen untersucht.
Ihr Erkenntnisgegenstand ist, wie Unwissen durch Manipulation,
irreführende, falsche oder unterdrückte Informationen, Zensur oder
andere Formen absichtlicher oder versehentlicher kulturpolitischer
Selektivität geschaffen oder gesichert werden kann.
Dabei wird nicht Unwissen im eigentlichen Sinne erzeugt, sondern
vorhandenes Wissen (meist) zum Zwecke der Marktmanipulation in
Frage gestellt, um im schlechtesten Fall Zweifel in der Bevölkerung zu
streuen oder im besten Fall das öffentliche Meinungsbild im Sinne des
Manipulators zu drehen und damit das eigentlich vorher vorhandene
Wissen zu tilgen.
                                               „Ablenkungsstudien“

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Wissenschaft
                Die großen Zweifler

         Socrates
         (469‑399 v.Ch.):
         „Ich weiß, dass
         ich nichts weiß.“

                             Immanuel Kant (1724-1804):
                             „Habe Mut, Dich Deines eigenen
                             Verstandes zu bedienen.“
         René Descartes      Wir erkennen nicht das Ding an sich,
         (1596-1650):        sondern nur dessen Erscheinung.
         „Ich denke,
         also bin ich.“      Zweifel ist der Weisheit Anfang
                                            (René Descartes)
                                                                    8
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Wissenschaft

                                Die große (Neu-) Gier

                                Ab 1492 gehen in Europa
                                Kapitalismus, Imperialismus
                                und Wissenschaft eine
                                Liebesbeziehung ein.
                                Auf den Schiffen der
                                Weltumsegler, auf der Suche
                                nach Schätzen, sind (fast)
                                immer Wissenschaftler
                                (Biologen, Geologen, usw.)
                                an Bord.

 Quelle: https://www.imdb.com

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Wissenschaft

 ► Fundamentale Einsicht:                Die Dummen sind so sicher und
                                         die Gescheiten so voller Zweifel.
   Erkenntnis ≠ Wahrheit                                (Bertrand Russel)

   Die moderne Wissenschaft geht immer davon aus, dass sie
   nicht alles weiß und dass jede Theorie hinterfragt werden kann –
   es geht auch nicht um „Fakten“, sondern um Zusammenhänge!
   Wissen ist immer vorläufig.
   Ein Wissenschaftler kann und muss beobachten, auch wenn die
   menschliche Beobachtungsgabe prinzipiell begrenzt ist.
   Wichtig ist daher der anerkannte Weg (der Erkenntnisprozess /
   die wissenschaftliche Methode), um Beobachtungen zu sammeln
   und daraus allgemeingültige Theorien abzuleiten.

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Wissenschaft

 Fakt: Im Jahr 2020 ist eine „Übersterblichkeit“ beobachtet worden,
 d.h. es sind im Durchschnitt mehr Menschen gestorben als in den
 Jahren zuvor.
 Und was sind die zugehörigen Zusammenhänge / Erkenntnisse?

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Wissenschaft

 Fakt: Im Jahr 2020 ist eine „Übersterblichkeit“ beobachtet worden,
 d.h. es sind im Durchschnitt mehr Menschen gestorben als in den
 Jahren zuvor.
 Und was sind die zugehörigen Zusammenhänge / Erkenntnisse?
 • Wegen des Corona-Virus sind mehr Menschen an und mit
   Corona gestorben.
 oder
 • Es handelt sich um zufällige bzw. insignifikante Fluktuationen.
 Oder gibt es ganz andere, noch nicht erkannte Zusammenhänge?

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Erkenntnisprozess

Bsp. Erkenntnisprozess: Induktion
Induktion ist die Generalisierung vom Speziellen
(von einzelnen Fakten = empirische Daten) zum
Allgemeingültigen (= Theorien).
Ließe man Induktion zu, so wäre Wissenschaft das
systematische, unvoreingenommene Sammeln von
Fakten, aus denen man universelle Gesetze ableitet.
Induktion ist im Gegensatz zur Deduktion logisch nicht zwingend,
entspricht aber der Art, wie Menschen gewöhnlich lernen.
Bsp.: A hat das Down-Syndrom, sein Chromosom 21 kommt dreimal vor;
B hat das Down-Syndrom, ihr Chromosom 21 kommt dreimal vor →
Alle Menschen mit Down-Syndrom haben das Chromosom 21 dreimal.

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Erkenntnisprozess

Bsp. Induktion:
Sie beobachten die Werte yi =

 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55
Welcher Wert kommt als nächstes?

                                    14
Erkenntnisprozess

Bsp. Induktion:
Sie beobachten die Werte yi =

 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55
Welcher Wert kommt als nächstes?
Ganz klar: 89. Es handelt sich um die Fibonacci-Folge.

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Erkenntnisprozess

Bsp. Induktion:
Sie beobachten die Werte yi =

 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55
Welcher Wert kommt als nächstes?
Ganz klar: 89. Es handelt sich um die Fibonacci-Folge.
Aber Sie beobachten nicht die 89, sondern die 91.

Die Werte yi berechnen sich gemäß √e yi-2 .

 Induktion kann zu falschen Schlüssen führen!

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Theorie: Das 20ste Jahrhundert

 Karl Popper: Logik der Forschung (The Logic
 of Discovery), 1934. Kritischer Rationalismus.
 Poppers These: Wissenschaftliche Theorien
 können niemals bewiesen (verifiziert) werden.
 Induktion ist unzulässig.
 Theorien lassen sich immer nur falsifizieren.
 Wissenschaft besteht dann darin, präzise Hypothesen aufzustellen,
 welche im Experiment nachprüfbare Vorhersagen machen.
 Erklärt die Theorie ein Experiment, so bleibt sie als Hypothese bestehen.
 Falsifiziert ein Experiment die Theorie, so wird letztere durch eine neue
 Hypothese ersetzt, welche das neue Experiment erklären kann.

                                             Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/
                                             Karl_Popper / LSE Library. Gemeinfrei.
                                                                                      17
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

                                                               Wissenschafts-
                                                                gläubigkeit !

                                                                 Vorsicht !
 Oder doch: Verifikation per Beweis?
 Beweise überführen wahre Aussagen (Axiome, Theoreme) mit
 logischen Schlussregeln (Deduktion o.ä.) in wahre Aussagen.
 Beweise gibt es nur in der Mathematik / Logik sowie für
 Modelle, da man nur dort wahre Aussagen fordern kann.
 Naturgesetze hingegen kann man nie beweisen (und auch
 nicht, dass die Sonne jeden Tag im Osten aufgeht...).

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Theorie: Das 20ste Jahrhundert

 Modelle
 Wissenschaftliche Modelle sind i.d.R. Abstraktionen,
 also „beschränkte Abbilder der Wirklichkeit“. Beispiele:
 • Kapazität von öffentlichem Nahverkehr
 gemäß Fahrplan und Busgröße
 • Serverauslastung gemäß
 Ankunfts‑ und Abfertigungsprozess
 • Ampel als Endlicher Automat
 • Wasserfallmodell (= Modell für Prozesse)
 • Taxonomie (= Klassifikationsschema)
 • Prototypen (= ausführbare Modelle)
 • Homo oeconomicus (= rationaler Nutzenmaximierer).
 Alle Aussagen von Modellen beruhen auf Modellannahmen.

                                                            19
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

   Ein gutes Modell
   • vereinfacht den Umgang mit der Wirklichkeit
   • ist genau genug, um sinnvolle und nützliche Aussagen
   und Schlussfolgerungen zu ermöglichen.
   Troitzsch (1990) unterscheidet folgende Modelltypen:
   • Reale Modelle (z.B. Tiere in der Medizin)
   • Ikonische Modelle (z.B. Modelleisenbahnen)
   • Verbale Modelle (= sprachlich formulierte Modelle)
   • Formale Modelle (= mathematische Gleichungen).

                                                            20
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

  Einige in dieser Form gemäß Popper unwissenschaftliche
  Hypothesen, da zu unpräzise und somit nicht falsifizierbar:
  • „Das Erdklima erwärmt sich.“
  • „Die Gesellschaft entwickelt sich zum Kommunismus.“
  • „Jugendliche, die musizieren, neigen weniger zu Mobbing.“
  • „Ego-Shooter führen zu Gewaltbereitschaft.“
  • „Kernkraftwerke sind sicher.“

                                                                21
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

 Der Psychologe Daniel Kahneman beobachtet zu Hypothesen:
 Die Frage ist, wieso sich eine [Hypothese], die mit so naheliegenden
 Gegenbeispielen angreifbar ist, so lange halten konnte.
 Ich kann es nur mit einer intellektuellen Schwäche vieler Wissen-­
 schaftler erklären, die ich häufig bei mir selbst beobachtet habe.
 Ich nenne sie „theorieinduzierte Blindheit“: Sobald man eine Theorie
 anerkannt hat und als intellektuelles Werkzeug benutzt, ist es überaus
 schwer, ihre Schwächen zu bemerken. Wenn man eine scheinbar nicht
 mit dem Modell in Einklang zu bringende Beobachtung macht, geht
 man davon aus, dass es eine sehr gute Erklärung dafür geben muss,
 die einem aus irgendeinem Grund entgeht.
 [...] Der Psychologe Daniel Gilbert hat ganz richtig bemerkt, dass es
 mühsam ist, Dinge anzuzweifeln.

                                                                          22
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

Thomas Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher
                                                      Science progresses
Revolutionen, 1962.
                                                      funeral by funeral.
Gemäß Kuhn sind Wissenschaftler soziale Wesen,             (Max Planck)
die in Denkschulen organisiert sind. Die Vordenker
legen das Denkschema (Paradigma, Weltbild) fest,
welches zur wissenschaftlichen Erklärung
verwendet wird („normale Wissenschaft“).
Hat sich eine „kritische Masse“ an Fakten und
Experimenten angehäuft, die sich mit dem aktuellen
Paradigma nicht erklären lassen, so kommt es zum
Paradigmenwechsel („Wissenschaftl. Revolution“):
Eine neue, unvergleichliche Denkschule mit neuen     Quelle: https://en.wikipedia.org/
Vordenkern und neuen Erklärungsansätzen entsteht.    wiki/Thomas_Kuhn.
                                                     Fotograf Bill Pierce, 1973.

                                                                                         23
Theorie: Das 20ste Jh.

                                  Wissenschaft entsteht im Gespräch.
                                                (Werner Heisenberg)

Aus Kuhns Ansatz folgt, dass Zusammenhänge
nicht objektiv sind, sondern relativ zum
herrschenden Paradigma. Es sei unmöglich,
zwei Paradigmen prinzipiell zu vergleichen,
die Weltsichten seien inkompatibel.
Die Übernahme eines neuen Paradigma sei auch eine Glaubensfrage, da
man zu Beginn die Tragweite nicht überblicken könne. Die Übernahme
komme oft durch Einflussnahme der Kollegen (peer pressure) zustande.
Wahrheit und Wissenschaft insgesamt seien somit relativ zu den
verwendeten historischen Paradigmen (Relativismus).

                                Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_S._Kuhn
                                J. Jastrow, gemeinfrei.
                                                                                       24
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

    Aus Kuhns Ansatz lässt sich leicht nachvollziehen,
    dass es Wissenschaftler gibt, die „im Abseits stehen“,
    die mit einem neuen Paradigma arbeiten, das von der
    Wissenschaftswelt (noch?) nicht anerkannt ist.

                                                             25
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

   Der Weg zur Verschwörungstheorie ist
   manchmal kurz und bequem...
   • „Freie Energie“ („Nullpunktenergie“)
   • „Kondensstreifen“

   Siehe auch
   • Freie Energie (Parawissenschaft, Wikipedia-Eintrag)
   • Claus Turtur, HAW Ostfalia
   • Philica, ein „freies akademisches Journal“
   Die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und
   Scharlatanerie ist nicht immer (jedem) offensichtlich.

                                                            26
Theorie: Das 20ste Jahrhundert

 Paul Feyerabend: Anything goes (1975, Wider den
 Methodenzwang; Erkenntnis für freie Menschen).
 Feyerabend stellt die wohl radikalste Wissenschafts-
 theorie des 20.Jhr. auf, den Wiss. Anarchismus:
 Es gäbe keine universell gültigen Methoden der
 Wissenschaft und auch keine Maßstäbe zur
 Bewertung derselbigen.
 Stattdessen müsse jede Wissenschaft die Freiheit haben, ihre Methoden
 beliebig anzupassen, um produktiv zu sein.
 Die Wissenschaftsgeschichte habe gezeigt, dass Irrationalität, Intuition
 und Kreativität für den Erkenntnisgewinn unverzichtbar seien.

                                   Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Paul_Feyerabend
                                   Fotografin G. Borrini, frei.

                                                                                           27
Methoden

 Methoden
 Methoden (griech. Nachgehen, Verfolgen) sind planmäßige
 Verfahren zur Erreichung eines Ziels.
 Epistemologisch: Methoden = Anerkannte Wege zur Erkenntnis.
 Beispiel Medizin: Doppelblindstudien für Arzneimittel.
 i. Zwei Patienten-Gruppen werden gebildet.
 ii. Gruppe A erhält Präparat x, Gruppe B erhält ein Plazebo.
 Weder Arzt noch Patient wissen, wer das Plazebo bekommt.
 iii. Es wird die statistische Hypothese untersucht, dass die
 Wahrscheinlichkeit einer Heilung für A größer ist als für B.

                                                                28
Methoden

Die Ergebnisse solcher Doppelblindstudien sind (nur) Statistik.
        Vorsicht: Korrelation ≠ Kausalität.
Bei rein empirischer Forschung fehlen die tieferen Einsichten.

                                                                  29
Methoden

Beschreibung einer aktuellen wiss. Methodik
(Mocikat / Dieter, 2011) – mehr als Statistik:

                                                   Beobachtung

                                                  Generalisierung

                                                 Hypothese/Theorie

                                                    Vorhersage

                                                    Experiment

                                                                     30
Methoden

Wiss. Methodik aus der Sicht von Don Norman (2010)
(core77.com/blog/columns/why_design_education_must_change_17993.asp):
„Science is not a body of facts, not the use of mathematics.
Rather, the key to science is its procedures, or what is called the
scientific method.
The method does not involve white robes and complex mathematics.
The scientific method requires public disclosure of the problem, the
method of approach, the findings, and then the interpretation.
This allows others to repeat the finding: replication is essential.
Nothing is accepted in science until others have been able to repeat
the work and come to the same conclusion.“

                                                                        31
Methoden
                                                 Nicht alles, was zählt,
Methoden und Zahlengläubigkeit                   kann gezählt werden...
                                                 … und nicht alles, was
 If you cannot measure it,                       gezählt werden kann,
 you cannot improve it.                          zählt.
            (Lord Kelvin)                               (Albert Einstein)

Wissenschaftliche Methodik                       Die messbare Seite der
beruht auf zählen, messen,                       Welt ist nicht die Welt.
wiegen (Quantifizierbarkeit).                    Es ist die messbare
                                                 Seite der Welt!
Aber welche Zahlen???                                       (Martin Seel)

Bsp.: Welche Variablen messe ich, wenn ich die Qualität von Lebensmitteln
quantifizieren will? Kalorien? Fettgehalt? Noch 37 andere Größen?
Und welche Variablen bestimmen die Umweltschädlichkeit eines Autos?

                                                                            32
Methoden

                                              Bsp.: Welche Variablen messe ich, um
                                              die Corona-Pandemie zu bewerten?
                                              •   Inzidenzwert?
                                              •   R-Wert?
                                              •   Todesfälle „an und mit Corona“?
                                              •   Auslastung der Intensivbetten?
Quelle:                                       •   Übersterblichkeit?
https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-
wissenschaft-politik-1.5248352                •   Anzahl vernichteter Existenzen?
Fotograf: Kay Nietfeld / dpa
                                              •   Anzahl Depressionen?
                                              •   Fälle häuslicher Gewalt?
                                              •   …
                                               Unterschiedliche Wissenschaftler
                                              messen unterschiedliche Größen.

                                                                                     33
Methoden: Holy Cow!

Fallbeispiel: Sabine Begall et al., Magnetic alignment in grazing and
resting cattle and deer, Proceedings of the National Academy of
Sciences of the United States of America, 2008.
                             Begall et al. untersuchten u.a. mittels Google
                             Maps 8510 Kühe auf 308 Weiden und
                             stellten fest, dass diese beim Grasen ihre
                             Körper in Nord-Süd-Richtung ausrichten.
                             Windrichtung und Sonnenstand konnten als
                             Ursache ausgeschlossen werden. Wird das
                             magnetische Feld der Erde durch elektrische
                             Felder überlagert, so tritt der Effekt nicht auf.
                             Haben Kühe einen magnetischen Sinn?
► Misst bzw. sammelt man überhaupt die richtigen, wichtigen Daten?
Oder hat nur der Wahnsinn Methode?
                                                                                 34
Methoden: Holy Cow!

Noch ein Beispiel für die Anwendbarkeit wissenschaftlicher Methoden:

                                   (IgNobel Prize 2013)

                                                                       35
Methoden

 Ansätze der Informatik zur Messbarkeit und Vergleichbarkeit:
 • Benchmarks. Einheitliche rechenintensive Programme zur Lösung
 eines komplexen Problems. Tests von Hardware und Systemsoftware.
 • Ground Truth. Einheitliche, vermessene, öffentlich zugängliche
 Daten, auf denen verschiedene Algorithmen verglichen werden können.
 • Wettkampf. Systeme treten direkt gegeneinander an.
 Beispiele:
 
   LINPACK Benchmark: Lösen linearer Gleichungssysteme
 
   Stereo-Algorithmen, http://vision.middlebury.edu/stereo
 
   Iris-Erkennung, http://www.nist.gov/itl/iad/ig/ice.cfm
 ► Sind die Benchmarks, die Testdaten, die Messgrößen repräsentativ
 bzw. problemangemessen / zeitgemäß?

                                                                       36
Wissenschaftsbetrieb

 Institutionalisierung / Organisation des Wissenschaftsbetriebs
 Die Methodik betrifft in erster Linie den einzelnen Wissenschaftler.
 Zum kollektiven, dauerhaften Erkenntnisgewinn muss die
 Wissenschaft aber auch institutionalisiert werden.
 So muss zur Beurteilung der Wissenschaftlichkeit einer Erkenntnis
 deren Quelle (Artikel in Journal oder Konferenz) bekannt sein, um
 • Autor und Institution
 • Daten und Parameter
 • Methoden und Experimente
 nachvollziehen zu können. Erst eine Veröffentlichung ermöglicht
 anderen Wissenschaftlern, besagte Erkenntnis zu wiederholen.

                                                                        37
Wissenschaftsbetrieb

                             If I have seen a little further it is by
                             standing on the shoulder of giants
                                       (Newton und viele andere)

 Anforderungen an die Organisation einer wiss. Veröffentlichung:
 • Verzahnung mit bestehenden Veröffentlichungen (dem Stand
 der Wissenschaft) unter Zitierung aller verwendeten Quellen
 • Begutachtung von Wissenschaftlern der eigenen Disziplin
 (peer review)
 • Öffentlicher Zugang (und auffindbar)
 • Archivierung (langlebig / unveränderbar).

                                                                        38
Wissenschaftsbetrieb

          Autoren                                 Gutachter

                         Wissenschaftl.
                         Veröffentlichung

       Bibliotheken                                Verlage

 I believe that the partnership that once existed between the scholarly
 community and commercial publishers is fundamentally broken.
                                                            (D. Knuth)    39
Wissenschaftsbetrieb

  Die Gutachter geben der Veröffentlichung das Qualitätssiegel.
  Sie sollten also sicher stellen, dass die Veröffentlichung
  • neuartigen Inhalt hat
  • auf dem Stand der Dinge ist
  • die relevante Literatur zitiert
  • methodisch vorgeht
  • die Datensammlung adäquat ist
  • die angemessene Fachsprache verwendet
  • ...
  Gutachten erfolgen in der Regel anonym (ist das gut?).

                                                                  40
Wissenschaftsbetrieb

  Open Access – Author Pays
  Alternatives Veröffentlichungsmodell: Der Autor zahlt dem
  Verlag eine fixe Summe (und behält seine Urheberrechte).
  Der Verlag garantiert dauerhaften, freien (d.h. kostenlosen)
  Zugang zu der Veröffentlichung für alle, auf Dauer.
   Möglicherweise Aufweichen der Gutachter-Qualität,
  Scheinwissenschaftliche Raubjournale (predatory journals).

                                              Quelle: https://www.focus.de/wissen/fake-
                                              science-5000-wissenschaftler-haben-in-
                                              scheinwissenschaftlichen-zeitschriften-
                                              publiziert_id_9280321.html
                                              19. Juli 2018

                                                                                      41
Wissenschaftsbetrieb

  Die Bibliometrie bewertet individuelle Veröffentlichungen
  und Journale mit statistischen Verfahren.
  Die bekanntesten bibliometrischen Kennzahlen sind
  • für Autoren der h-Index (J. Hirsch, 2005)
  • für Journale der Journal Impact Factor jif
  (Einflussfaktor, E. Garfield, 1963).
  Eine wichtige Messgröße ist immer die Anzahl der Zitierungen.

                                                                  42
Wissenschaftsbetrieb

 Ein Autor hat den h-Index h, wenn h         Zi
 seiner Veröffentlichungen Vi mindestens
 h-mal zitiert wurden (und die übrigen
 Veröffentlichungen weniger als h-mal).
 Zur Bestimmung von h sortiert man die
 Veröffentlichungen Vi absteigend nach
 der Anzahl ihrer Zitierungen Zi.
                                                                            Vi sortiert
 Dann ist h die Anzahl derjenigenVi, die
                                                  Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/H-Index
 oberhalb der Diagonalen liegt.

 ► Ein Autor habe 10 Veröffentlichungen mit den
 Zitierungsanzahlen 50, 8, 3, 2, 100, 9, 2, 1, 4, 0.
 Wie groß ist sein h-Index?

                                                                                              43
Wissenschaftsbetrieb

  Der h-Index eines Autors kann mit der Zeit nur wachsen.
  Ein Autor mit n Veröffentlichungen kann einen h-Index
  zwischen 0 und n haben.
  Sehr einflussreiche Veröffentlichungen (Zi >> 0) sind beim
  h-Index von mäßig einflussreichen Veröffentlichungen
  nicht zu unterscheiden.
  Ein großes Zi ist in erster Linie ein Maß für „Popularität“,
  nicht für Qualität.
  Die Anzahl der Autoren je Veröffentlichung bleibt
  unberücksichtigt.
  Als Datenquelle dient of das Web of Science.
  Bücher werden dort nicht aufgeführt.

                                                                 44
Wissenschaftsbetrieb

 Der jif beruht auf einer Liste von Journalen vom Web of Science.
      jifx = durchschnittliche Zitierungsrate im Jahr x
           = Anzahl von Zitierungen im Jahr x von Artikeln des
 Journals aus den Jahren x-1 und x-2 / Gesamtzahl der Journal-
 Artikel in den Jahren x-1 und x-2.
 Bsp.: New England Journal of Medicine:
 Zahl der Artikel in 1996 und 1997 zusammen = 4597
 Zitierhäufigkeit dieser Artikel im Jahr 1998 = 103 000
       jif1998(NEJoM) = 103 000 / 4597 = 22.406
 Zum Vergleich: jif2012(CACM) = 2.51

                                                                    45
Wissenschaftsbetrieb

 Kritikpunkte jif:
 • Der betrachtete Zeitraum (zwei Jahre) ist oft zu kurz
 • Die Varianz der Artikel je Journal ist groß (d.h. schlechte
 Artikel profitieren von guten Artikeln im selben Journal)
 • Auch schlechte Artikel werden manchmal häufig zitiert
 • Bevorzugung englischsprachiger Journale
 • Keine Vergleichbarkeit zwischen den Disziplinen
 • Journale veröffentlichen bevorzugt Review-/Survey-Artikel
 • Es bilden sich Zitier-Seilschaften / Zitierkartelle
 • ...

                                                                 46
Wissenschaftsbetrieb

 Die Anzahl der Zitierungen eines Artikels kann auch abhängen
 • von dessen Sichtbarkeit auf Google Scholar o.ä.
 • von dessen „Be-Twitterung“
 • von dem Bekanntheitsgrad des Autors („Matthäus-Effekt“:
   Wer hat, dem wird gegeben).

                                                                47
Wissenschaftliches Fehlverhalten

Wissenschaftliches Fehlverhalten:
• Daten werden
        -- erfunden
        -- selektiert
        -- manipuliert
        -- geklaut
• Dokumente werden zurück gehalten
• Dokumente werden vernichtet
• Ideendiebstahl
• Quellen werden nicht angegeben
• Quellen sind irrelevant

                                     48
Wissenschaftliches Fehlverhalten

  • Gefälligkeitsgutachten
  • Namedropping
  • Mehrfachveröffentlichungen (→ “least publishable unit”)
  • Schlampige / voreingenommene / inkompetente Gutachten
  • Ergebnisse nach Wunsch des Auftraggebers
  • Verschweigen von Auftraggeber oder Befangenheiten
  • Fehlende Ergebnisoffenheit
  • Übertriebene (medienwirksame) Interpretationen / Aktivismus
  • Ausblenden von wissenschaftlicher Vorsicht
  • usw. usw. usw.
                             21 … ist nur die halbe Wahrheit

                                                                  49
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 Motivation: Was treibt Wissenschaftler an?

                                                                         + Geld?
                                                                         + Ruhm?
                                                                         + Ehre?
                                                                         + Eitelkeit?
                                                                         + Ideologie?
                                                                         +?

 Quelle: Z. Obrenovic, The Four Points of the HCI Research Compass, interactions 2013.
                                                                                         50
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 • Fehlende Nachvollziehbarkeit -- The „replication crisis“
 C. Camera (Caltech, 2018) untersuchte die Wiederholbarkeit
 von 21 sozialwissenschaftlichen Veröffentlichungen aus den
 Zeitschriften Nature und Science zwischen 2010 und 2015.
 Nur ungefähr 60% konnten nachvollzogen werden.
 Ein Problem der Wissenschaftsgemeinde: Das Nachvollziehen
 von Ergebnissen wird (fast) nicht honoriert. Stattdessen kann
 man sich dabei viele Feinde machen.

      Quelle: https://www.caltech.edu/about/news/science-trouble-84465

                                                                         51
Wissenschaftliches Fehlverhalten

• Ehrenautorenschaft

Als Autoren einer wissenschaftlichen Originalveröffentlichung sollen alle
diejenigen, aber auch nur diejenigen, firmieren, die zur Konzeption der
Studien oder Experimente, zur Erarbeitung, Analyse und Interpretation der
Daten und zur Formulierung des Manuskripts selbst wesentlich beigetragen
und seiner Veröffentlichung zugestimmt haben.             Empfehlung DFG

                                                                            52
Wissenschaftliches Fehlverhalten

https://www.sueddeutsche.de/politik/aschbacher-plagiatsvorwuerfe-oesterreich-
1.5169918 Teil des Problems: Billig-Doktortitel aus der Slowakei.

                                                                                53
Wissenschaftliches Fehlverhalten

            Ohne Worte...
                                   54
Wissenschaftliches Fehlverhalten

Spiegel-Interview mit Robert Laughlin, Physik-Nobelpreisträger 1998,
www.spiegel.de/spiegel/print/d-55231886.html, 31.12.2007
Über Wissenschaftsbetrug:
[..] Es ist das Problem von Firmen, die unter wirtschaftlichem Druck stehen.
Da tun oder sagen Leute praktisch alles, nur um nicht gefeuert zu werden.
Denn die Wahrheit kann beruflicher Selbstmord sein. Deshalb darf man
wissenschaftlichen Aussagen, die in einer solchen Situation gemacht werden,
niemals trauen.
SPIEGEL: Jetzt reden Sie von einem kleinen Teil des Wissenschaftsbetriebs ...
Laughlin: Überhaupt nicht. Meine persönliche Erfahrung sagt mir, dass wir es
hier mit einem erschreckend weitverbreiteten Phänomen zu tun haben. Und es
gibt sehr viele Wege, die Unwahrheit zu sagen. Zum Beispiel kann es reichen,
wahre Dinge zu sagen, die aber irrelevant sind. Es gibt Massen von
Experimenten, die schlicht nicht testen, was sie zu testen vorgeben.

                                                                                55
Wissenschaftliches Fehlverhalten

... oder auch in die andere Richtung 
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/andreas-
georgiou-griechischer-chefstatistiker-verurteilt-
wegen-ehrlichkeit-1.4009453 vom 11. Juni 2018.

                                                    Foto: Petros Giannakouris/AP

                                                                                   56
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 Wissenschaftliches Fehlverhalten???
 Am 6. April 2009 zerstörte ein Erdbeben die Stadt L'Aquila.
 In der Folge wurden die sieben Mitglieder der Risikokommission
 (sechs Erdbebenforscher und B. De Bernardinis, Vizedirektor der
 Katastrophenschutzbehörde) angeklagt, weil sie trotz einiger
 Vorbeben keine erhöhte Warnstufen ausgerufen hatten.
 In erster Instanz wurden die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung
 zu sechs Jahren Haft verurteilt.
 In der zweiten Instanz wurden die Erdbebenforscher freigesprochen
 und De Bernardinis zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
 ► Soll ein Wissenschaftler immer nur warnen und die
 Risikoeinschätzung dem Laien überlassen???

                                                                      57
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 Ist Cancel Culture ein Problem der Wissenschaft?
 Im Oktober 2019 wurde Bernd Lucke, Mitbegründer der AfD, bei
 seiner Rückkehr an die Uni Hamburg durch lautstarken Protest
 daran gehindert, seine Vorlesung zu halten.
 Das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ sieht durch „linke
 Cancel Culture“ die Meinungs- und Forschungsfreiheit bedroht:
 „Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit
 von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und
 politischen Vorbehalt gestellt werden soll. Einzelne beanspruchen
 vor dem Hintergrund ihrer Weltanschauung und ihrer politischen
 Ziele, festlegen zu können, welche Fragestellungen, Themen und
 Argumente verwerflich sind.“

                                                                     58
Wissenschaftliches Fehlverhalten

                               Ganz
                               dreist
                               oder
                               ganz
                               dumm?

                                        59
Wissenschaftliches Fehlverhalten

                          vgl. SCIgen

                                        60
Wissenschaftliches Fehlverhalten

  Die Hochschule Landshut hat aufbauend auf Empfehlungen
  der DFG (Dt. Forschungsgemeinschaft) am 25.07.2012
       „Richtlinien für gute wissenschaftliche Praxis“
  erlassen. Neben allgemeinen Prinzipien (Ehrlichkeit, Pflicht
  zur Veröffentlichung, Berücksichtigung des Standes der
  Wissenschaft, Vermeidung wiss. Fehlverhaltens, usw.)
  werden dort auch institutionelle Maßnahmen festgelegt:
  • Berufung einer Vertrauensperson, welcher wissenschaftl.
  Fehlverhalten gemeldet werden kann
  • Formales Verfahren und mögliche Sanktionen
  • usw.

                                                                 61
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 Und noch eine Provinz-Posse:

                                Landshuter Zeitung vom 11. März 2011

                                                                       62
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 Weiter in der Provinz:
 „KI-Landkarte“, Feb. 2021.
 Ist dieser WIF-Master ein
 „KI-Studiengang“?

 https://www.plattform-lernende-
 systeme.de/ki-landkarte.html      https://www.th-deg.de/wi-m

                                                                63
Wissenschaftliches Fehlverhalten
                                                  Prof. Untat --
 Plagiatsjäger, Plagiatssoftware
                                                  Prof. Unrat

                                   Email vom 05. Dezember 2011
                                   Prof. Uwe Kamenz, FH Dortmund

                                                                   64
Wissenschaftliches Fehlverhalten

 SZ vom 18.04.2020

                            Wissenschaftlichkeit
                            heißt nicht weniger
                            zu streiten, sondern
                            besser.
                              Mai Thi Nguyen-Kim

                                                   65
Wissenschaftliches Fehlverhalten

Web.de vom 06.05.2020
                                                                          Im April 2020 veröffentlichen
                                                                          die Neurobiologen J.-P
                                                                          Changeux (geb. 1936) und
                                                                          Z. Amoura eine Studie mit
                                                                          Statistiken (N = 500), die
                                                                          suggerieren, dass Nikotin vor
                                                                          Corona schützen könnte.
                                                                          Die Hypothese von
                                                                          Changeux/Amoura konnte
                                                                          bislang noch nicht bestätigt
                                                                          werden.
https://web.de/magazine/news/coronavirus/schuetzt-rauchen-corona-virologe-christian-drosten-zweifelt-34675846

                                                                                                                66
Wissenschaftsbetrieb

 Abschlussarbeiten: Urheberrecht
 Die Urheberrechte von Bachelor- und Masterarbeiten liegen
 ausschließlich und für immer beim Autor.
 Der Urheber kann Nutzungsrechte übertragen,
 z.B. Veröffentlichungsrechte an die Hochschul-Bibliothek
 (oder die Erlaubnis zur Verwendung in Plagiatssoftware).
 Professoren können die Betreuung von BAs/MAs ablehnen,
 wenn der Autor eine Veröffentlichung ablehnt.

                                                             67
Wissenschaftsbetrieb

  Abschlussarbeiten: Empfehlungen
  Vergleichen Sie Ihre Arbeit mit dem Stand der Technik:
  • Dokumentieren Sie die existierenden Ansätze
   Literaturverzeichnis (wiss. Zeitschriften/Archive;
  WWW-Verweise nur, wenn erstere nicht existieren).
  • Versuchen Sie, Ihre Arbeit quantitativ zu bewerten
   Zählen, Messen, Wiegen.
  Idealerweise vergleichen Sie Ihre Arbeit mit den
  konkurrierenden Ansätzen; im einfachsten Fall mit einer
  simplen Basis-Lösung.

                                                            68
Wissenschaftsbetrieb

  • Schreiben Sie eine einseitige Zusammenfassung
  (Abstract, Executive Summary, für „Chefs“ verständlich).
  • Keine eingestreuten persönliche Wertungen („... hat
  sehr gut funktioniert...“, „... hervorragende Methode...“,
  „... enorme Größe...“, „modern“, usw.)
  • Verwendung des Wortes „bewiesen“ nur dann, wenn
  ein Beweis im wissenschaftlichen Sinn vorliegt.
  • Verwendung des Wortes „optimal“ (oder auch
  „minimal“, „maximal“) nur dann, wenn Sie ein
  Optimierungsproblem formal gelöst haben.
  • Kurze Sätze. Lieber zwei Sätze als ein langer Satz.

                                                               69
Wissenschaftsbetrieb

  Anträge, Anträge, Anträge
  • Forschungsgelder gibt es (fast) nur noch aus Drittmitteln.
  • Drittmittel gibt es nur auf Antrag.
  • Drittmittel sind an Bedingungen geknüpft ( Die Gefahr
  des Subventionsbetrugsvorwurfs hängt ständig in der Luft).
  • Ablehnungsquote von Drittmittelanträgen wird immer höher.
  • Anträge verlangen viel Zeit zum Schreiben und viel Zeit
  zum Begutachten.
   Es bleibt weniger Zeit zum Forschen (und Lehren).
  Und es wird nur noch das erforscht, was Geld bringt.

                                                                 70
Wissenschaftsbetrieb

       Gunter Dueck, Dueck's Panopticon, S.28, 2007

                                                      71
Informatik vs. Wissenschaft

 Informatik als Wissenschaft (Computer Science = Science ?)
 Was ist der Gegenstand der Informatik als Wissenschaft?
 •   die Natur (Physik, Chemie, Biologie)?
 •   der Mensch (Psychologie, Soziologie, Medizin)?
 •   künstliche Strukturen (Mathematik)?
 •   Information?                           „Computer Science is what
 •   Algorithmisches Denken?                computer scientists do.“

 Oder ist Informatik eher
 • Handwerk?
                                   „Our thinking is based on abstraction,
 • Berufsstand?                    decomposition, generalization, and
 • Ingenieurwesen?                 pattern matching. So please stop
 • Kunst?                          asking us to fix your printer.“

                                                                            72
Informatik vs. Wissenschaft

                                        Computing is the study
 Peter Denning führt u.a. folgende      of information processes,
 Argumente an, warum Informatik         artificial and natural.
 (computing) eine Wissenschaft sei:                (Peter Denning)

 • Zahlreiche Themen der Informatik seien so komplex, dass man
 sie nur experimentell verstehen könne.
 • Es gibt natürliche Informationsprozesse (z.B. DNA-Abbildung).
 • Algorithmisches Denken (computational thinking, CT) gilt als
 Problemlösungsmethode.
 CT umfasst die Gedankenprozesse zum Formulieren von Problemen
 derart, dass ihre Lösungen als Rechenschritte bzw. Algorithmen
 repräsentiert werden können.

                                                                     73
Informatik vs. Wissenschaft

                                                   The term „computer science“
                                                   raises expectations of an
                                                   ability to define models and
                                                   to make predictions about the
                                                   behavior of computers.
                                                   I think we have a fairly good
                                                   capability to measure and
                                                   predict the performance of
Quelle: Communciation of the ACM, Oct. 2012, p.5   our computing devices.

We are much less able to make models and predictions about the behavior of
the artifact we label „software“. […] We generally do not have a reliable
ability to anticipate the states the systems can get into, their vulnerabilities,
their performance, their ability to adapt to changing conditions.

                                                                                    74
Informatik vs. Wissenschaft

Definition seitens der GI:               Gegenstand der Informatik ist
Die Wissenschaft Informatik befasst      die Technik und Automatisierung
sich mit der Darstellung, Speicherung,   von Denken, Entscheiden und
Übertragung und Verarbeitung             Handeln. Zu lang. Definitionen
                                         hauchen dem Definierten fast
von Information.
                                         immer die Seele aus.
Informatik sei                                            (Gunter Dueck)
• Ingenieurwissenschaft
• Grundlagenwissenschaft (Modelle, Datenstrukturen,
Automaten, Formalismen, Berechenbarkeit, ...)
• Systemwissenschaft (Systemarchitektur, Interaktionen, ...)
• Experimentalwissenschaft (Simulationen, ...)
• Querschnittswissenschaft (hilft allen anderen Wissenschaften).

                                                                           75
Informatik vs. Wissenschaft

           Informatik-Theorien = Leuchttürme?
           In welchen Gebieten der Informatik
           wird die praktische Tätigkeit von
           Theorien geleitet und gestärkt?

                                                76
Informatik vs. Wissenschaft

   Wenn Leute mich fragen, ob meine Projekte eher theoretisch
   oder eher praktisch sind, dann sage ich immer: Es handelt sich
   um eine theoretische Arbeit mit praktischen Anwendungen.
                                                   (Shree Nayar)

   Einige Probleme des Informatikers mit Wissenschaft:
   • Algorithmenverliebtheit statt methodischem Datensammeln
   und Archivierung -- lieber basteln / hacken / löschen.
   • Es werden nur diejenigen Quellen verwendet, die auf
   der Festplatte oder im Internet schnell zugreifbar sind.
   Was Google nicht kennt, zählt nicht.
   • Ich mache, was mir gefällt -- wenn es den anderen nicht
   gefällt, dann ist das deren Problem.
   • Wissenschaft? Was ist das?

                                                                    77
Informatik vs. Wissenschaft

Collberg/Proebsting (2016) haben
die Nachvollziehbarkeit
(Wiederhol-/Reproduzierbarkeit)
von Computer System Research
(Konferenzen 2012) untersucht.
Wiederholbarkeit: Mit identischen
Programmen und Daten werden die
veröffentlichten Ergebnisse erzielt.
Reproduzierbarkeit: In anderer                  [??? A.S.]
Umgebung führen andere Daten
zu vergleichbaren Ergebnissen.
Nachvollziehbarkeit gelang in 217
von ursprünglich 601 Fällen.

Quelle: Collberg/Proebsting, Repeatability in
Computer Systems Research, CACM, Mar. 2016.
                                                             78
Informatik vs. Wissenschaft

  Informatik als Handwerk
  Charakteristika von Handwerk:
  • Der Lehrling lernt vom Meister (durch Zuschauen und
  Nachmachen), wie der Beruf funktioniert.
  • Es gibt keine wegweisenden Theorien, sondern erprobte
  Vorgehensweisen.
  • Perfektionierung durch Wiederholung.
  Gibt es wegweisende Theorien im Software Engineering?
  Hilft die Informatik beim Erstellen komplexer Software?
  Das Wasserfallmodell war ein theoretischer Rahmen –
  die agilen Methoden gehen eher wieder Richtung Handwerk.

                                                             79
Informatik vs. Wissenschaft

 SEMAT (Software Engineering Methods and Theory) ist eine
 Initiative von I. Jacobson, B. Meyer und R. Soley (2009).
 Sie werfen dem SE „unreife“ Praktiken vor, insbesondere
 • das Vorherrschen von Modeerscheinungen (fads)
 • das Fehlen einer soliden theoretischen Grundlage
 • die riesige Anzahl von Methoden, deren Unterschiede nicht
 verstanden und künstlich aufgebläht werden
 • das Fehlen von glaubhaften experimentellen Verifikationen
 • die Aufteilung in akademische Forschung und industrielle Praxis.

                                                                      80
Informatik vs. Wissenschaft

 Informatik als Berufsstand
 Ein akademischer Berufsstand (profession, z.B. Arzt, Architekt)
 zeichnet sich durch zusätzliche institutionelle und ethische
 Anforderungen aus (Approbation, Ärzte-/Architektenkammer, ...).
 „Techniques are certainly important, but professionalism is
 reflected in the ability to intelligently recognize their limitations
 and to innovate to adapt them to the particularities of each given
 real-life context.“
                (Siegel / Dray, A Professional Empiricist Manifesto, 2011)

 ► Sollten Informatiker oder Software-Ingenieure zertifiziert
 werden, ehe sie ihre Tätigkeit ausüben dürfen (wie z.B. in Texas)?
 ► Sollten Informatiker einen „Eid“ (pledge, rite-of-passage)
 ableisten? Vgl. The Pledge of the Computing Professional.

                                                                             81
Informatik vs. Wissenschaft

Die Ethischen Leitlinien der Gesellschaft für Informatik (1994, 2018)

...
Vgl. ACM Code of Ethics and Professional Conduct.
                                                                        82
Informatik vs. Wissenschaft

                              Informatik als
                              Ingenieurswesen
                              P. Denning stellt
                              heraus, dass
                              Ingenieurwesen
                              mehr und anders
                              ist als angewandte
                              Wissenschaft.
                              Und: Zuse / Eckart
                              / Mauchly waren
                              Ingenieure.

                              Quelle: Peter Denning,
                              The Forgotten Engineer,
                              CACM Dec. 2017.
                                                        83
Informatik vs. Wissenschaft

 Big Beacon Manifesto, 2013.
 The whole new engineer...
 • finds joy in engineering and in life
 • is open, trusted, and trusting
 • is authentically connected with others
 • is mindful, observant, and an effective listener
 • has the courage to initiate, fail, and initiate again
 • is technically competent and agile
 • is broadly educated and curious
 • is a team player, a collaborator, and a community builder
 • is a designer, a creator, and a sustainer
 • is emotionally and socially aware and competent
 • is a reflective thinker and a self-directed and persistent learner.

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Wirtschaftswissenschaften

Entscheidungen in der Wirtschaft müssen i.d.R. schnell und unter
Unsicherheit getroffen werden (unzureichend Forschungsstand).
 Evidenzbasiertes Management, d.h.
• kritisches, neugieriges, systematisches, faktenorientiertes
  Hinterfragen von Sachverhalten
• Recherchieren und Bewerten von relevanten wissenschaftlich
  abgesicherten Informationen
• mehr Empirie, weniger Theorie
• Bewertung von Praxisfällen vor dem Hintergrund wiss. Evidenz.

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Wissen + Bildung

                                      Wir ertrinken in Informationen,
                                      aber uns dürstet nach Wissen.
 Bildung                                               (John Naisbitt)

 Und welches Wissen brauche ich?
 Wir wissen immer mehr über immer weniger.
 Unser Verhältnis zum Wissen verändert sich.
 Wenn alles Wissen überall zugänglich ist, muss es nicht mehr
 unbedingt in der Schule erworben und in unseren Köpfen
 gespeichert werden.
 Wir müssen lernen, mit der Informationsflut umzugehen und
 das Wertvolle in Wissen umzusetzen und aufzubereiten.
                                    (GI, Was ist Informatik?)

                                                                         86
Wissen + Bildung

                                                    • Fast niemand liest Online-
                                                    Artikel zu Ende.
                                                    • Oberflächliches Online-Lesen
                                                    überträgt sich auf Druckmedien.
                                                    • Aufmerksamkeitsspanne,
                                                    Verstehendes Lesen und
Quelle: Hermann Maurer, Communication of the ACM,   kreatives Schreiben werden
Jan. 2015, p.48
                                                    durch das Internet reduziert.
                                                    • Copy-Paste-Mentalität
                                                    zerstört das Denkvermögen.

Ganz schlecht: Googeln zersetzt die Bereitschaft zum Nachdenken.

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Wissen + Bildung

Wiener Manifest für den Digitalen Humanismus (Mai 2019)

Quelle: https://www.informatik.tuwien.ac.at/dighum/manifesto

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Wissen + Bildung

                         Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man
                         alles vergessen hat, was man gelernt hat.
                         (Marquis of Halifax? Georg Kerschensteiner?)

 Jürgen Mittelstraß unterteilt Wissen in
 • Verfügungswissen: Fachwissen, wegen Spezialisierung der
 Gesellschaft erforderlich.
 • Orientierungswissen: Wissen um Zwecke und Ziele (warum?).
 Ein reflektiertes Verhältnis zu den Dingen (Nachdenklichkeit,
 Urteilskraft, Selbstkontrolle) der Welt ist unabdingbar – und das
 ist vielleicht das wichtigste der Bildung.

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Wissen + Bildung

                                     Ausbilden können uns andere,
                                     bilden kann sich jeder nur selbst.
                                                          (Peter Bieri)

 Erkenntnis und Bildung lassen sich nicht allein durch Lehre
 herbeiführen – es braucht einen individuellen Prozess.
 Zur Bildung gehört insbesondere, sich bei der Frage auszukennen,
 worin Wissen und Verstehen bestehen:
 • Was für Belege habe ich für meine Überzeugungen?
 • Wie verlässlich sind die Prinzipien, mit denen man von den
 Belegen zu den Behauptungen kommt, die über sie hinausgehen?
 ► Wissenschaft liefert keine Wahrheiten (Zweifel sind erwünscht!),
 sondern methodische Ansätze.

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Wissen + Bildung
                                          Man soll Denken lernen,
                                          nicht Gedachtes.
Bildung, Brockhaus ca. 1960:
Bildung: Der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt,
zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den
geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht,
wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern der
durch sein Wissen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das
Wertvolle erfasst, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt,
Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack
und Urteil erworben hat.
Bildung, etwa 60 Jahre später:
Bildung ist heute oft Erziehung zur Berufsfähigkeit (employability).
Das Erlernen von Prozessen (das Wie) verdrängt das Hinterfragen
(das Warum). Gedachtes wird kopiert, zu Lasten des Neu-Denkens.

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Wissen + Bildung

    Nicht das Wissen kräftigt, sondern das Verstehen;
    nicht die Aufsammlung im Gedächtnis,
    sondern das Verarbeiten im Verstande;
    nicht das Betrachten, sondern das Suchen;
    nicht das Glauben, sondern das Prüfen;
    nicht das Lernen, sondern das Üben;
    nicht das Fertige, sondern das Zubereiten;
    nicht das Vorkauen, sondern das Zergliedern;
    nicht das Nehmen, sondern das Machen.
                     Adolph Diesterweg (1790-1866)

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Wissen + Bildung

 Zeitgeist 2019: Wissenschaft durch Zielvorgabe.
 Ein Wissenschaftler legt sein Forschungsziel dar, begründet es mit
 einer nützlichen Anwendung, und erhält dafür Forschungsmittel, die
 er zielstrebig und zielfördernd einsetzt.
 „Wenn jemand sucht,“ sagte Siddhartha, „dann geschieht es leicht,
 daß sein Auge nur noch das Ding sieht, das er sucht, daß er nichts zu
 finden, nichts in sich einzulassen vermag, weil er nur immer an das
 Gesuchte denkt, weil er ein Ziel hat, weil er vom Ziel besessen ist.
 Suchen heißt: ein Ziel haben. Finden aber heißt: frei sein, offen
 stehen, kein Ziel haben. Du, Ehrwürdiger, bist vielleicht in der Tat
 ein Sucher, denn, deinem Ziel nachstrebend, siehst du manches nicht,
 was nah vor deinen Augen steht.“
                                    Hermann Hesse, Siddhartha, 1922

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Epilog: Goethe war gut

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