Traum auf vier Rädern - Elektroauto - TFF Forum

Die Seite wird erstellt Peter Bühler
 
WEITER LESEN
Elektroauto

Traum auf vier Rädern
Eine Koalition aus Politikern, Autobauern und Stromkonzernen bauscht das
Potenzial des Elektroautos maßlos auf. Tatsächlich wird es wohl ein
Nischenprodukt bleiben
Von Dietmar H. Lamparter und Fritz Vorholz
8. Juli 2008, 14:50 UhrAktualisiert am 7. Dezember 2013, 11:33 UhrQuelle: DIE ZEIT, 2008-07-
03T12:00Z Nr. 2844 Kommentare

Viele Normalverdiener fühlen sich heute zu einem luxuriösen Lebensstil regelrecht
verdammt. Sie müssen Auto fahren, können es sich aber nicht mehr leisten. Das
Elend buchstabiert sich so: Einmal volltanken. Was dann an der Kasse folgt, das tut
vielen Arbeitnehmern und Rentnern richtig weh. Denn Sprit ist so teuer wie nie
zuvor.
Da erscheint es vielen tröstlich, dass diese Qual bald ein Ende finden könnte. Dass
man den teuren Sprit nicht mehr braucht, um mit dem Auto voranzukommen. Das
versprechen unisono Industrielenker und Politiker. Grüne, Schwarze und Rote.
Freunde der Sonnenenergie und Fans von Atomstrom. Die Mobilität der Zukunft,
dieser Konsens eint eine große und täglich wachsende Koalition, kommt aus der
Steckdose – und zwar deutlich billiger als aus der Zapfpistole. Und sie ist bereits zu
besichtigen.
Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs der G-8-Nationen, die
sich kommende Woche zu ihrem Gipfeltreffen im japanischen Hokkaido versammeln,
können sich als Testpiloten eines Elektrofahrzeugs betätigen. Toyota will ihnen ein
Stromauto überlassen. Es fährt vor allem mit Saft aus der Steckdose und nur noch ein
bisschen mit dem Saft, der die Mächtigen nervt wie keine andere Substanz: Öl. Der
Rohstoff ist knapp und teuer, das ist eine Gefahr für die Weltkonjunktur und ärgert
die Wähler.
Obendrein heizt Öl die Erde auf. Es ist nach Kohle die zweitgrößte Quelle von
klimaschädlichem CO₂, und das meiste Öl verbrennt in Automotoren.
Steckdosenautos dagegen sind CO₂-frei, jedenfalls dann, wenn sie klimaverträglich
erzeugten Strom tanken: Windstrom, Sonnenstrom, Atomstrom. Deshalb elektrisiert
der Gedanke an die elektrische Mobilität die Mächtigen – schließlich versprechen sie
seit Jahren, den Treibhauseffekt zu bekämpfen, und zwar mittels "innovativer
Technologien", wie es nächste Woche in ihrem Kommuniqué heißen wird.
Viele beschwören das Stromauto, darunter solche, die gestern der Autogemeinde
noch Wasserstoff und Biosprit als saubere Alternativen zum Benzin verschreiben
wollten. Kaum hat sich der Sprit vom Acker als desaströse Therapie gegen die
Ölabhängigkeit erwiesen, schwärmen sie ebenso unbekümmert vom Strom und
nähren die Hoffnung, damit ließe sich die gewohnte individuelle Mobilität auf vier
Rädern kostengünstig und umweltschonend sichern, quasi auf ewig.
Tatsächlich bildet sich da eine unheilige Allianz. In ihr finden sich Politiker jeglicher
Couleur zusammen, die einen neuen Hoffnungswert für die Wähler brauchen.
Autobauer, die den politischen Druck ablenken wollen, indem sie endlich Produkte
anbieten, denen das ultimative Ökosiegel gebührt. Und die unbeliebten
Stromproduzenten, die nicht nur auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen sind,
sondern auch ein neues Image anstreben – Klimaretter statt Monopolisten.
Die Hoffnung dürfte sich indes schon bald als unbegründet erweisen. Die Batterien,
ohne die sich kein elektrisches Auto bewegt, sind selbst in der neuesten
Entwicklungsstufe nicht nur sehr teuer und kaum praxiserprobt, sondern auch
aufgrund ihres hohen Gewichts nur für kleinere Autos und kurze Strecken geeignet;
und es sieht nicht danach aus, als könnten die Innovatoren bald schon einen weiteren
technischen Durchbruch schaffen. Es wird deshalb wohl noch sehr lange dauern, bis
der Traum vom universell einsetzbaren Elektroauto Wirklichkeit wird – "wenn
überhaupt", wie ein Fachmann eines süddeutschen Autokonzerns sagt. Inoffiziell,
versteht sich.

Offiziell kämpft die Autoindustrie verbissen gegen scharfe CO₂-Grenzwerte und
erweckt gleichzeitig den Eindruck, die Erlösung vom Öl sei schon fast Realität.
Tatsächlich sind an diversen Orten Elektromobile zu besichtigen. Zum Beispiel in
London. 100 elektrisch angetriebene Smart schnurren dort durch die City. Der Strom,
den sie brauchen, kostet kaum mehr als einen Euro für eine Batterieladung. Bei
gesitteter Fahrweise reicht sie für gut 100 Kilometer. Obendrein erspart die EKlasse
der anderen Art ihrem Besitzer die saftige Citymaut, die in London für CO₂-
Schleudern inzwischen fällig wird.

Auch in Paris, in Berlin und anderswo werden bald e Urinzelne Elektrofahrzeuge zu
sichten sein und nicht nur Stromerzeuger, sondern auch Umweltschützer erfreuen.
Tatsächlich macht sich der World Wide Fund for Nature ebenso für die elektrische
Mobilität stark wie die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, die
Bundesregierung, die sich in ihrem Klimaschutzprogramm der Förderung der
Elektromobilität verschrieben hat, ebenso wie Volkswagen und Daimler, E.on und
RWE. Und "unsere besten Verbündeten sind die Grünen", sagt ein Spitzenfunktionär
des Verbandes der hiesigen Stromwirtschaft.
Jeder will dabei sein, auch in den USA. Dort tut sich das Forschungsinstitut der
Stromwirtschaft mit einer großen Umweltorganisation zusammen. Deren Studie sagt,
Steckdosenautos hätten das Zeug dazu, "substanziell" zum Klimaschutz beizutragen.
Eine Bürgerinitiative namens Plug in America rührt gleichfalls die Trommel für die
vermeintlichen Zukunftsfahrzeuge.
Das Fieber der elektrischen Mobilität hat längst auch China erfasst. Von der Partei-
und Staatsführung ist die Sache bereits zu einem "Megaprojekt" erklärt worden. Und
hierzulande gaben vergangene Woche VW, E.on, Batteriehersteller und eine Handvoll
weiterer Partner den Startschuss für den ersten großen Flottenversuch mit Autos, die
zum Tanken vor allem eine gewöhnliche Steckdose brauchen.
Bundesumweltminister Sigmar Gabrielsagte anlässlich der Präsentation des blauen
E-Golf im VW-Salon an der Berliner Prachtmeile Unter den Linden: "Wir werfen
einen Blick in die Zukunft – und die beginnt nicht übermorgen, sondern heute." VW-
Chef Martin Winterkorn tönte: "Die Zukunft wird den Elektromotoren gehören –
betankt aus der Steckdose."
Toyota hat 1,5 Millionen Autos mit Elektrohilfsmotoren verkauft
Gabriel und Winterkorn strickten da gemeinsam an einer Legende. Die ersten der 20
sowohl mit Elektro- als auch mit Verbrennungsmotor ausgestatteten Steckdosen-
Golf, die an dem Flottenversuch teilnehmen sollen, wird VW nicht vor Anfang 2010
liefern. Von Serienproduktion ist vorerst gar keine Rede.
Auch andere Hersteller sparen nicht mit hochfliegenden Ankündigungen. Daimler-
Chef Dieter Zetsche kündigte gerade an, dass die Stuttgarter 2010 den Elektro-Smart
und ein Mercedes-Modell, wohl die A-Klasse, mit der neuesten Batterietechnik auf
den Markt bringen wollen. Und Carlos Ghosn, der Chef von Nissan und Renault, will
die Konkurrenz mit massivem Elektroautoeinsatz in Japan und in den USA
ausstechen. Zudem hat sich Ghosn mit dem ehemaligen SAP-Manager Shai Agassi
verbündet und will ihm für zwei ambitionierte Großprojekte, bei denen bis 2011 ganz
Israel und Dänemark mit Ladestationen überzogen werden sollen, die E-Autos
liefern.
Der US-Autoriese General Motors setzt alles daran, bis dahin seinen Chevrolet Volt
auf den Markt zu bringen. Das Rettungsauto für den Konzern, dessen Spritschlucker
sich nicht mehr verkaufen, kann an der Steckdose betankt werden, hat aber
sicherheitshalber einen kleinen Benzinmotor an Bord (siehe Interview Seite 20).
Selbst Branchenprimus Toyota, der bereits 1,5 Millionen Hybridautos – ausgestattet
sowohl mit Benzin- wie mit Elektromotor – verkauft hat, will nachladen. Denn
klassische Hybridfahrzeuge beziehen ihre Ursprungsenergie bislang ausschließlich
aus dem Benzin- oder Dieseltank. Nur die beim Bremsen zurückgewonnene Energie
kann verbrauchsmindernd elektrisch abgefahren werden. Deshalb will auch Toyota
von 2010 an mehrere Modelle zusätzlich für die Aufladung an der Steckdose
ausrüsten. "Beim Elektroauto müssen alle großen Hersteller mit", beschreibt
Wolfgang Bernhart, vom Beratungsunternehmen Roland Berger den neuen
Branchentrend.

Auch die potenzielle Kundschaft glaubt bereits an die elektrische Mobilität, wie eine
vom Autozulieferer Continental in Auftrag gegebene Umfrage in acht Ländern von
Deutschland über China bis hin zu den USA ergab. "Mehr als 45 Prozent zeigen sich
offen für ein Elektroauto im Stadtverkehr", berichtet Conti-Technologievorstand
Karl-Thomas Neumann. Der Zulieferer investiert derzeit heftig in die Fertigung neuer
Akkus und will Mercedes nächstes Jahr "die erste Lithium-Ionen-Batterie in einem
Automobil" liefern.
Wer wollte den Autofahrern ihr Interesse an E-Autos verdenken? Ein herkömmliches
Fahrzeug – Durchschnittsverbrauch: sechs Liter – verursacht Spritkosten in Höhe
von rund neun Euro pro 100 Kilometer. Ein vergleichbares Elektromobil braucht 20
Kilowattstunden Strom, die nach Marktpreis mit kaum mehr als vier Euro zu Buche
schlagen. Elektromotoren arbeiten eben effizienter als Verbrennungsmotoren;
allerdings entstehen in den üblichen Wärmekraftwerken immense Energieverluste.
Zudem langt der Fiskus bei Benzin und Diesel deutlich kräftiger zu als bei Strom. Als
Massenphänomen könnte sich der deutsche Finanzminister das E-Auto derzeit gar
nicht leisten.
Und doch spricht es für die Elektrofahrzeuge, dass sie sich fast emissionsfrei bewegen
– jedenfalls dann, wenn die Akkus mit regenerativem Strom aufgeladen werden.
Doch selbst wenn sie mit Strom aus neuen Steinkohlekraftwerken versorgt würden,
entsprächen die Emissionen nur ungefähr denen eines herkömmlichen Benzin- oder
Dieselfahrzeugs, heißt es in einer für das Umweltministerium angefertigten
Expertise. Kommt allerdings Atomstrom in den Elektrotank, hat der Umweltminister
ein Problem. CO₂-frei führe das Elektroauto zwar auch dann noch, nur eben politisch
nicht korrekt – jedenfalls nicht, solange die SPD am Atomausstieg festhält. Die Sache
mit dem Elektroauto sei deshalb "ein Spiel mit dem Feuer", sagt einer von Gabriels
Mitarbeitern.
Doch das ist das geringste Problem, wie man erfährt, wenn man sich in der
Fahrzeugindustrie genauer umhört. "Der Knackpunkt ist die Batterie", sagt Franz
Fehrenbach, der Chef des Autozulieferers Bosch, der soeben ein Joint Venture mit
dem südkoreanischen Batteriehersteller Samsung verabredet hat, um Lithium-Ionen-
Akkus zu bauen. Zwar können derartige Batterien, die bisher nur in Mobiltelefonen,
Laptops oder Bohrschraubern eingesetzt werden, bei gleicher Größe ungleich mehr
Energie speichern als die üblicherweise im Fahrzeugbau verwendete alte Technik.
Aber gemessen an den Anforderungen des Autofahrens können auch die modernen
Energiespeicher keine Wunder vollbringen. Selbst die beste Batterie kann mit Benzin,
Diesel oder Gas als Energiespeicher nicht annähernd mithalten. Der deutsche
Ingenieur Frank Weber, der für General Motors den strombetriebenen Chevrolet Volt
entwickelt, räumt ein: Die nutzbare Energie der 180 Kilogramm schweren Lithium-
Ionen-Batterie entspreche "vier Liter Benzin". Vier Liter!
Aber könnte nicht vielleicht der nächste Technologiesprung das Problem lösen? Der
sei unwahrscheinlich, meinen Experten. Der rein batterieelektrische Betrieb habe
Grenzen, sagt Herbert Kohler, Daimlers oberster Antriebsforscher. Natürlich werde
es noch Optimierungen geben können, aber bei etwa 200 Kilometer Reichweite sei
auf absehbare Zeit Schluss. Ein ähnlicher Sprung wie von der alten auf die neue
Batterietechnik sei nach der Logik der Elektrochemie schlicht nicht mehr zu
erwarten, doziert der Professor.
Dass sich die Autobranche offiziell trotzdem für das E-Auto begeistert, hat profane
Gründe. Sie reagiert auf politischen Druck und wittert neue Konkurrenz. So
verpflichtet Kalifornien die großen Autobauer dazu, in den Jahren 2012 bis 2014
mindestens 7500 Elektro- oder Brennstoffzellenautos sowie 66000 Hybridfahrzeuge
anzubieten. Kalifornien ist für Daimler und Co. einer der wichtigsten
Automobilmärkte der Welt.

Am Kardinalproblem kommt niemand vorbei: Elektroautos fahren nicht weit
Aufgeschreckt wurden die Autochefs auch dadurch, dass Branchenfremde wie der
chinesische Batteriehersteller BYD mit eigenen Autos in ihren Markt eindringen
wollen und dass Newcomer wie die kalifornische Firma Tesla Motors sie plötzlich alt
aussehen ließen. Die Tesla-Leute pflanzten einem leichten britischen Sportwagen
einen E-Motor und einen dicken Packen Lithium-Ionen-Batterien ein – und
begeisterten die Schickeria Kaliforniens mit dem ökologisch korrekten Roadster.
Doch am Kardinalproblem der Reichweite kommen sie alle nicht vorbei. Selbst nicht
der Chef des Autobauer-Verbandes in Deutschland, Matthias Wissmann, der zwar die
großen Anstrengungen seiner Industrie für das vermeintliche Zukunftsauto lobt, aber
zugibt, dass die bisherige E-Technik "die Ansprüche der Kunden an Reichweite und
Praktikabilität nicht erfüllen kann".
Auch wenn sein Smart die neuesten Batterien erhalte, komme er mit einer Ladung
höchstens 160 Kilometer weit, und der Akku wiege auch dann noch 160 Kilo, sagt der
Daimler-Batterieexperte Christian Mohrdieck. Mehr Reichweite bedeutet noch mehr
Pfunde. Und wolle man einer Mercedes-S-Klasse zu einer adäquaten Reichweite
verhelfen, würde allein die Batterie 700 bis 800 Kilo wiegen, erklärt Mohrdieck. Sein
Schluss: Stromer mit Batterie haben nur in Kleinwagen wie dem Smart oder der
nächstgrößeren Klasse eine Chance. Deshalb setzen viele Hersteller bei größeren
Autos auf zwei Motoren, einen elektrischen und einen herkömmlichen.
Zu allem Übel dauert es bis zu acht Stunden, das Energieäquivalent von vier Liter
Benzin in Form von Strom aus einer Steckdose zu saugen. Und was ist mit zügigem
Batterietausch in speziellen Wechselstationen, wie sie Shai Agassis Project Better
Place in Israel und Dänemark errichten will? Alain Uyttenhoven, Statthalter von
Toyota in Deutschland, fühlt sich dabei an den "Pferdewechsel in der
Postkutschenzeit" erinnert. 200 Kilo Gewicht, Hochspannung, der unabdingbare
Anschluss an das Kühlsystem des Fahrzeugs, das alles mache eine technisch
aufwendige Infrastruktur mit geschultem Personal nötig. Schnellladestationen
scheinen auch keine probate Lösung für das Reichweitenproblem: Je schneller
geladen wird, desto kürzer die Haltbarkeit der Batterie, sagen die Experten. "Man
darf nicht glauben, dass das batteriebetriebene Elektroauto alle Probleme lösen wird,
wir werden damit in absehbarer Zeit nicht von München nach Hamburg fahren, auch
nicht mit austauschbarer Batterie", sagt der Conti-Vorstand Karl-Thomas Neumann.
Überdies können auch die modernen Batterien überhitzen und sich entzünden, was
bereits zu Rückrufaktionen von Laptopakkus geführt hat. Autos müssen sie ein
Autoleben lang, also zehn Jahre, sicher mit Strom versorgen. Geht das? Continental
weist alle Bedenken ebenso zurück wie General Motors. Die Gewissheit überrascht
ein wenig. Denn wie man Lebensdauerversuche mit neuen Batterien macht, wisse
niemand so recht, sagt Gerold Neumann vom Fraunhofer-Institut für
Siliziumtechnologie (ISIT) in Itzehoe.
Bleibt der Aufpreis des vermeintlichen Zukunftsautos. Analysten der Deutschen Bank
haben ihn bereits ausgerechnet: zusätzlich 11000 Dollar für das reine Elektroauto.
Das durch billigeres Tanken wieder hereinzuholen wird extrem schwer. Der
Aufschlag wird sich auch nicht so schnell verringern, weil die Absatzzahlen laut den
Bankanalysten gering bleiben: Im Jahr 2020 werden demnach in Europa ganze fünf
Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge Stromer sein; in den USA sieben Prozent.
Wolfgang Bernhart von Roland Berger, ist da zwar optimistischer. Seine Prognose,
bis zu 25 Prozent Steckdosenautos bei Neuwagen im Jahr 2020, gilt aber nur, wenn
die Batteriepreise sich wie erwartet bis dahin halbieren; anderenfalls ginge die
Entwicklung "noch stärker hin zu kleinen Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb".
Als eleganter Ausweg aus der Preismisere schwebt Shai Agassi ein System wie heute
beim Mobiltelefon vor: Der Kunde bekommt das Auto gestellt und bezahlt für die
gefahrenen Kilometer. Doch wer finanziert die Infrastruktur und die Autos vor? Wer
spielt sozusagen die Rolle der Telekom? Die Stromversorger, Start-ups wie Agassis
Project Better Place? Nicht von ungefähr sei Agassi bei Daimler, Toyota und GM
abgeblitzt, weiß ein Automanager. Dass die deutschen Hersteller von teuren und
prestigeträchtigen Autos auf die Idee nicht anspringen, ist klar. Für sie ist es
unvorstellbar, ihre Autos zu verschenken, da würde ihr Geschäftsmodell implodieren.
Erst hoffte man auf Wasserstoffautos, dann auf Biosprit – vergebens
Je näher man sich die E-Auto-Bewegung anschaut, desto mehr zerfällt sie. Bosch-
Chef Fehrenbach glaubt zwar, dass der Durchbruch für das elektrische Fahren da ist,
warnt aber vor zu viel Euphorie: "Es gibt noch einige, nicht triviale technische
Hürden zu überwinden." Deshalb sei es bei Bosch klar, dass man parallel weiter
Diesel- und Benzinantriebe optimieren müsse, um den Verbrauch und die Emission
zu reduzieren. In den alten Antrieben liege noch großes Potenzial. "In den nächsten
20 Jahren werden effiziente Verbrennungsmotoren weiterhin die dominante Rolle im
Automobil spielen", sagt Fehrenbach. Nicht nur ein Autozulieferer, auch die
Gesellschaft muss sich also überlegen, ob sie ihr Geld und ihre Energie aufwendet,
um spritsparende Benziner zu entwickeln – oder um auf den Hoffnungswert E-Auto
zu setzen.
Hype hin oder her. "Batteriebetriebene Elektroautos werden in erster Linie eine
Anwendung für den urbanen Verkehr darstellen", prophezeit Daimler
Forschungschef Herbert Kohler. Deshalb stecken die Stuttgarter weiterhin sehr viel
Geld in effizientere Diesel- und Benzinmotoren. Was technisch in absehbarer Zeit
möglich ist, konnte Kohler jüngst im sonnigen Sevilla demonstrieren. Dort drehte der
F 700 seine Runden. Das Forschungsauto in S-Klasse-Größe verbraucht nur 5,3 Liter
Benzin pro 100 Kilometer – die Hälfte der aktuellen Serienmodelle.
Es ginge bei vielen Autos noch einfacher. Wenige Stunden bevor VW-Chef
Winterkorn vergangene Woche in Berlin seinen Steckdosen-Golf zeigte, stand vor
dem Bundespresseamt ein anderer Golf, silbern mit schwarzer Motorhaube und 170
PS darunter. Serienmäßig verbraucht der Renner 7,2 Liter. Die Version, die im
Auftrag des Umweltbundesamtes leicht modifiziert wurde, kommt mit fast einem
Viertel weniger aus. Mehrkosten bei Serienproduktion: voraussichtlich nur ein paar
Hundert Euro.
Es ist noch gar nicht lange her, da sollte Wasserstoff die Autogemeinde von Erdöl und
Umweltsorgen befreien. Opel tourte mit einem Hydrogen-Zafira durchs Land,
Mercedes mit einer umgebauten A-Klasse. Im Jahr 2000 taten sich Politik und
Wirtschaft zusammen und entwarfen die "Verkehrswirtschaftliche Energie Strategie",
kurz VES. Bis 2007/08 könne ein "flächendeckendes Netz" von 2000 Tankstellen mit
alternativen Treibstoffen zur Verfügung stehen, hoffte man. 2003 verkündeten die
Chefs von General Motors und der Tochterfirma Opel, man wolle "als erster
Hersteller das Ziel von einer Million verkaufter wasserstoffbetriebener Fahrzeuge
erreichen".
Ergebnis: Weltweit sind nur einige Hundert Hydrogenfahrzeuge von Mercedes,
BMW, Honda oder GM im Einsatz, Testfahrzeuge bei Kurierdiensten, Behörden oder
Stadtwerken. Schwerwiegende technische Probleme sind ungelöst. Tatsächlich gibt es
im Sommer 2008 in ganz Deutschland gerade einmal fünf Wasserstofftankstellen.
Gleichwohl setzt Daimler langfristig für längere Reichweiten und größere Autos auf
diese Technik, nicht auf Batteriestrom.
Der Biosprit-Hype war noch kürzer. Im Januar 2005 kündigte George W. Bush bei
seiner Rede an die Nation an, den Benzinverbrauch bis zum Jahr 2010 um 20
Prozent verringern zu wollen, hauptsächlich durch Beimischung von Biokraftstoff.
Tatsächlich ersetzen Bioethanol und Biodiesel in Nordamerika und Europa
mittlerweile rund eine Million Fass Erdöl pro Tag. Doch als Folge sind die
Getreidepreise explodiert, Hungeraufstände der Armen machen Schlagzeilen, und
eine weltweite Allianz gegen den Sprit vom Acker ist aktiv. Die Euphorie hat sich
vollständig verflüchtigt.
Sie können auch lesen