TRENDWENDE 3 mal 30 plus x - Das Steuerkonzept der Jusos für Bildung, Umwelt und soziale Sicherung
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TRENDWENDE 3 mal 30 plus x Das Steuerkonzept der Jusos für Bildung, Umwelt und soziale Sicherung
Impressum Herausgeber Bundesverband der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD beim SPD- Parteivorstand V.i.S.d.P Jan Böning Redaktionsanschrift SPD-Parteivorstand, Juso-Bundesbüro, Willy-Brandt-Haus, 10911 Berlin Tel: 030-25991-366, Fax: 030-25991-415, www.jusos.de 2 Trendwende
Inhalt I.. . Einleitung����������������������������������������������������������������������������������������������������� 4 II.. Unsere Grundsätze��������������������������������������������������������������������������������������� 6 1. Steuerpolitik ist Gesellschaftspolitik 6 2. Die alte Ideologie der Entstaatlichung ist diskreditiert 6 3. Generationengerechtigkeit erfordert mehr als engstirnige Kürzungsdebatten: Für ein neues makroökonomisches Wachstumsmodell 7 4. Konkrete Ansätze einer Steuerpolitik für die Mehrheit der Menschen 8 5. Vom Nutzen eines starken öffentlichen Diensts 9 III..Da muss was passieren������������������������������������������������������������������������������� 11 1. Dreißig Milliarden für Bildung 11 2. Dreißig Milliarden für Investitionen in Klimaschutz und eine bessere Lebensqualität 12 3. Dreißig Milliarden für soziale Sicherung 13 4. Sieben Milliarden für Entwicklungszusammenarbeit 14 IV..Steuern gerecht weiterentwickeln������������������������������������������������������������� 16 1. Hohe Einkommen stärker besteuern 16 2. Unternehmen in die Verantwortung nehmen 17 3. Finanztransaktionen besteuern 18 4. Vermögensbesteuerung 18 5. Mehr Gerechtigkeit durch mehr Steuerfahndung 19 6. Klientelpolitik zurücknehmen, unsinnige Subventionierung streichen 19 V.. Fazit ����������������������������������������������������������������������������������������������������������� 20 3
I. Einleitung „Mit Steuererhöhungen lassen sich keine Wahlen gewinnen“ – so lautete bislang das Credo der meisten deutschen PolitikerInnen. Und betrachtet man das Ergeb nis der letzten Bundestagswahl, so scheint die FDP gerade mit ihrer Forderung nach massiven Steuersenkungen in der Tat bei den WählerInnen erfolgreich gewesen zu sein. D och seitdem hat sich die Debat- eine Diskussion über gewünschte und not- te verändert. Die meisten Bürge- wendige staatliche Aufgaben geben. Steuer- rInnen lehnen Steuersenkungen ab politik ist Gesellschaftspolitik. und wissen, dass angesichts der Lage der öf- fentlichen Haushalte eine solche Forderung Welchen Staat wollen wir, und welche reine Utopie ist. Ebenso werden die auf allen Leistungen soll er erbringen? staatlichen Ebenen eingeleiteten Einsparun- gen für viele Menschen im Alltag spürbar: Diese Frage muss zu Beginn jeder steuer- Schwimmbäder in den Kommunen werden politischen Diskussion im Zentrum ste- geschlossen, die Kinderbetreuung ist unzu- hen. Denn Steuern verschwinden nicht im reichend und überteuert, individuelle Förde- ‚schwarzen Loch‘, sondern dienen der Fi- rungsmöglichkeiten in öffentlichen Schulen nanzierung öffentlicher Aufgaben. Die sind mangelhaft, und die Sozialleistungen Steuerbelastungen, die für bessere öffentli- von Bund und Ländern werden gekürzt. che Leistungen nötig sind, müssen gerecht Lassen sich also mit der Forderung nach aufgeteilt werden.. Steuererhöhungen inzwischen Wahlen ge- Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, ein- winnen? Wir denken: Ja. Dazu muss es aber fach den „Reichen“ etwas wegzunehmen, 4 Inhalt Trendwende
sondern es geht um die gerechte Vertei- lung von Belastungen. Diejenigen, die mehr haben, müssen auch anteilig mehr zur Fi- nanzierung öffentlicher Aufgaben beitra- gen. Das ist das Prinzip von Solidarität und Gerechtigkeit. Mit diesem Papier wollen wir einen Im- puls zur steuerpolitischen Diskussion in Deutschland und auch in der SPD setzen. Wir zeigen grundsätzlich auf, warum ein starker Staat auch wirtschaftspolitisch das Gebot der Stunde ist. Wir stellen fest, dass in den Bereichen Bildung, Investitionen in ökologische Er- neuerung und Infrastruktur und für sozi- alpolitische Maßnahmen Mittel von je- weils rund 30 Milliarden Euro nötig sind. Zusätzlich muss Deutschland seinen in- ternationalen Verpflichtungen in der Ent- wicklungshilfe nachkommen. Auch dafür benötigt man Geld. Deshalb machen wir auch Vorschlä- ge, welche steuerpolitischen Veränderungen vorgenommen werden müssen, um die be- schriebenen Aufgaben zu erfüllen. Unsere Vorschläge möchten wir in den nächsten Monaten möglichst breit disku- tieren: Im Juso-Verband, in der SPD und mit allen, die sich mit uns für einen anderen Weg in eine bessere Gesellschaft stark ma- chen wollen. 5
II. Unsere Grundsätze 1. Steuerpolitik ist Gesellschaftspolitik Die Steuerpolitik entscheidet darüber, • ob es in Zukunft wirklich gleiche Bil- Über die Aufgaben der Steuerpolitik gibt dungschancen für alle gibt; es einen breiten gesellschaftlichen Konsens. • ob es in Zukunft hochwertige öffentli- Die Steuerpolitik muss erstens die Finan- che Dienstleistungen gibt; zierung der gewünschten Staatstätigkeit er- • ob sich die Schere zwischen Arm und möglichen und zweitens dafür sorgen, dass Reich weiter öffnet; die Steuerlast möglichst gerecht verteilt wird • ob die zentralen Zukunftsinvestitionen – breite Schultern sollen mehr tragen als sch- für Wachstum und Beschäftigung getä- male. Die gesellschaftspolitische Bedeutung tigt werden können; der Steuerpolitik wird aber noch immer sys- • ob der notwendige ökologische Umbau tematisch unterschätzt. Das mag daran lie- der Industriegesellschaft gelingt. gen, dass Steuerpolitik häufig als „trockenes“ Betätigungsfeld für ExpertInnen wahrge- 2. Die alte Ideologie der nommen wird. Steuerpolitik ist aber vor al- Entstaatlichung ist diskreditiert lem Gesellschaftspolitik. Mit der Steuerpolitik entscheidet sich, In den letzten 20 Jahren sind die zentralen ob zentrale gesellschaftspolitische Ziele in sozialdemokratischen Ziele der Steuerpolitik Zukunft erreicht werden können oder nicht. ins Hintertreffen geraten. Stattdessen wurde Sie stellt die Mittel zur Finanzierung ge- immer wieder versucht, die Steuerpolitik für meinschaftlicher Aufgaben bereit oder eben eine fragwürdige Wachstums- und Beschäf- nicht. Mit ihr entscheidet sich, ob die Wohl- tigungspolitik zu instrumentalisieren. Immer habenden und Reichen ihrer Leistungsfähig- wieder wurde argumentiert, drastische Steuer- keit gemäß zur Finanzierung des Gemein- senkungen könnten Wachstumsimpulse aus- wesens herangezogen werden oder nicht. lösen und Beschäftigung schaffen. Dahinter 6 Unsere Grundsätze Trendwende
stand nicht zuletzt die neoliberale Ideologie Parallel dazu entwickelte sich die Einkom- der Zurückdrängung des Staates. Diese Ideo- mens- und Vermögensverteilung katastro- logie ist durch die globale Finanz- und Wirt- phal: Nach einer OECD-Studie hat es von schaftskrise endgültig diskreditiert. Schon 2000 bis 2005 in keinem anderen OECD- vorher war die Vorstellung, durch eine Sen- Land einen so starken Anstieg von Armut kung der Steuern könnten Wachstums- und und Ungleichheit gegeben wie in Deutsch- Beschäftigungswunder hervorgerufen wer- land2. Im Jahr 2008 waren rund 11,5 Mil- den, systematisch an der Realität gescheitert. lionen Menschen unter der Armutsrisiko- Die Steuersenkungen – die auch noch schwelle: Dies entspricht rund 14 Prozent überwiegend zu Gunsten der Unterneh- der Gesamtbevölkerung!3 Kurz: Die zentra- men und Wohlhabenden gingen – verpuff- len gesellschaftspolitischen Ziele der Sozial- ten wachstums- und beschäftigungspolitisch demokratie sind in weite Ferne gerückt. regelmäßig, rissen aber riesige Löcher in die öffentlichen Haushalte. Alleine durch die 3. Generationengerechtigkeit Steuersenkungen zwischen 1998 bis 2009 erfordert mehr als engstirnige fielen die Steuereinnahmen der Gebietskör- Kürzungsdebatten: Für ein neues perschaften im Jahr 2010 um über 50 Mrd. makroökonomisches Wachs Euro geringer aus, als es ohne diese Maß- tumsmodell nahmen der Fall gewesen wäre1. Diese Fehler haben sich bitter gerächt. In Die Interessen nachfolgender Generationen einem auch international Aufsehen erregen- lassen sich nicht eindimensional auf eine ge- den Prozess der Entstaatlichung hat diese ringe Verschuldung öffentlicher Haushalte Politik in Deutschland die öffentliche Ver- reduzieren. Die Interessen der zukünftigen waltung und Beschäftigung sowie die Kom- Generationen liegen nicht allein darin, eine munen massiv geschwächt, den Sozialstaat geringere Schulden- oder gar Steuerlast zu zurückgedrängt, die Spaltung zwischen Arm tragen. Bei einer falschen Steuer- und Kon- und Reich beschleunigt und die öffentlichen junkturpolitik und fehlenden öffentlichen Investitionen in Besorgnis erregendem Aus- Investitionen hinterlassen wir folgenden maß vernachlässigt. Generationen eine heruntergekommene In- Deutschland ist das einzige Land in der frastruktur, ein schlechtes Bildungssystem, Europäischen Union, in dem die Staats- eine Umwelt in Trümmern und eine unge- ausgaben in den zehn Jahren vor der Kri- rechte Gesellschaft. In einer solchen Gesell- se bis 2008 preisbereinigt gesunken (!) sind. schaft zu leben kann nicht im Interesse zu- Bei wichtigen Zukunftsinvestitionen ist künftiger Generationen liegen. Deutschland im Vergleich zu anderen In- So war die Verabschiedung der Schul- dustrieländern deutlichzurückgefallen. Der denbremse ein schwerer Fehler. Wenn ihret Investitionsstau in der Infrastruktur kann wegen in den nächsten Jahren eine über- auf etwa 30 Mrd. Euro jährlich veranschlagt stürzte Haushaltskonsolidierung durch Aus werden; im Bildungsbereich fehlen noch mal etwa 30 Mrd. Euro pro Jahr. 2 Vgl. OECD: Growing unequal? Income distributi- on and poverty in OECD countries, Paris, 2008. 1 Vgl. Achim Truger und Dieter Teichmann (2010): 3 Vgl. Markus Grabka und Joachim Frick (2010): IMK-Steuerschätzung 2010-2014. Kein Spielraum Weiterhin hohes Armutsrisiko in Deutschland: für Steuersenkungen, IMK Report Nr. 49, Mai, Kinder und junge Erwachsene sind besonders be- Düsseldorf: IMK in der Hans-Böckler-Stiftung. troffen, DIW-Wochenbericht 7/2010, S. 2–11. 7
gabenkürzungen erzwungen würde, wäre das binnenwirtschaftliche Wachstumsimpulse auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kon- und sorgt so automatisch für einen Teil der traproduktiv. Deutschland leidet seit nun- Haushaltskonsolidierung. mehr einem Jahrzehnt an einer Nach Darüber hinaus werden zukünftige Ge- frageschwäche des privaten Konsums und nerationen reicher und besser gebildet, weil der Binnenwirtschaft insgesamt. In der Ver- sich durch die öffentlichen Investitionen die gangenheit wurde dies durch eine Über- öffentliche Infrastruktur stark verbessert. schuldung anderer Länder (insbesonde- Gute öffentliche Dienstleistungen und In- re der USA, Großbritanniens und der Län- frastruktur bieten den nachfolgenden Ge- der mit hohen Leistungsbilanzdefiziten im nerationen mehr (Zukunfts-)Chancen als Euroraum) ausgeglichen, da sich dem deut- schuldenfreie Haushalte zu Lasten notwen- schen Privatsektor Exportchancen und An- diger Zukunftsinvestitionen. Dies ist aus lagemöglichkeiten im Ausland eröffneten. unserer Sicht entscheidend. Soll die Haus- Die krisenhafte Entwicklung in die- haltskonsolidierung dennoch beschleunigt sen Ländern zeigt nun endgültig, dass das fortgesetzt werden, dann müssten die Steu- deutsche Wachstumsmodell nicht nachhal- ererhöhungen zu Lasten der Wohlhabenden tig war. Auch wenn die Binnenkonjunktur und Reichen entsprechend stärker ausfallen. jüngst leicht angezogen hat, ist dies noch kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich hier 4. Konkrete Ansätze einer um eine nachhaltige Entwicklung handelt. Steuerpolitik für die Mehrheit der Vielmehr trägt inzwischen schon wieder Menschen ein starker Exportsektor maßgeblich zum Wachstum bei. Wir Jusos wollen daher umsteuern. Im vor- Es ist nicht im Interesse künftiger Gene- liegenden Konzept zeigen wir, mit welchen rationen, wenn die privaten Ersparnisse eine Maßnahmen dringend notwendige Verbes- nicht nachhaltige Überschuldung des Aus- serungen öffentlicher Leistungen erreicht lands finanzieren. Besser ist es, wenn ver- und wie diese Maßnahmen finanziert wer- mehrte öffentliche Zukunftsinvestitionen den können. Uns geht es nicht um die „Ab- in den Bereichen Bildung, ökologische Er- zocke“ breiter Bevölkerungsschichten. Die neuerung und Soziales getätigt werden. Und vorgeschlagenen Maßnahmen belasten we- eine stärkere binnenwirtschaftliche Ent- der die unteren Einkommensschichten noch wicklung hilft auch den Ländern mit ho- die viel beschworene „Mitte“ der Gesell- hen Leistungsbilanzdefiziten insbesondere schaft. Denn beide haben in den letzten Jah- im Euroraum, aus ihrer hohen Auslandsver- ren real an Einkommen verloren und dürfen schuldung herauszuwachsen. nicht noch zusätzlich belastet werden. Auch angesichts der veränderten au- In der Vergangenheit ist immer wieder ßenwirtschaftlichen Gegebenheiten wäre die Illusion geschürt worden, besonders die eine rigide Sparpolitik in den nächsten Jah- Mittelschicht hätte von Steuersenkungen ren unverantwortlich. Sie würde die zu- profitiert, und Steuererhöhungen würden künftigen Wachstumsaussichten schmä- sie besonders treffen. Dies ist nicht der Fall. lern und damit auch das zur Verteilung Von den Steuersenkungen der letzten Jah- für künftige Generationen zur Verfü- re haben vor allem die Wohlhabenden und gung stehende Sozialprodukt. Dagegen Reichen profitiert. Deswegen müssen Ängs- setzt das hier vorgestellte Konzept starke te und Fehlinformationen zur Steuerpolitik 8 Unsere Grundsätze Trendwende
abgebaut werden. Wir müssen klar stellen, des gesamten Privatvermögens besitzen5, dass Steuern für die Verbesserung des An- müssen stärker belastet werden. Die gesell- gebots öffentlicher Dienstleistungen erho- schaftlichen Alternativen und Verteilungs- ben werden. Zu Recht sind viele Menschen wirkungen konkreter Maßnahmen müssen über die immer schlechteren öffentlichen klar benannt werden, damit sich die Wäh- Dienstleistungen verärgert, die sie mit ihren lerinnen und Wähler für ein klares Angebot Steuern finanzieren. Der Grund für die Ver- entscheiden können. schlechterung dieser Leistungen sind aber vor allem die massiven Steuerausfälle im 5. Vom Nutzen eines starken Zuge der Steuersenkungen. öffentlichen Diensts Höhere Steuern müssen dementspre- chend zu einer Verbesserung der öffentli- Die im Folgenden vorgeschlagenen Mehr- chen Dienstleistungen führen. Der Teufels- ausgaben in den Bereichen Bildung, Infra- kreis aus Steuersenkungen für Unternehmen struktur und soziale Sicherung machen eine und reiche Privathaushalte, die Verschlech- Stärkung des öffentlichen Dienstes und ei- terung des Angebots öffentlicher Dienste nen Ausbau der öffentlichen Beschäftigung und der daraus folgende Ärger vieler Men- notwendig. Hierzu sollte sich die Politik schen über eine als zu hoch empfundene selbstbewusst bekennen. Steuer- und Abgabenbelastung muss durch- Ein Ausbau des öffentlichen Dienstes brochen werden. würde auch bei der Bekämpfung der wei- Gerade die Menschen mit geringen Ein- terhin hohen Arbeitslosigkeit helfen und in kommen und die Mittelschicht profitieren Ansätzen dabei helfen, den Trend des Be- von einer gut funktionierenden Infrastruk- schäftigungswachstums im Niedriglohnsek- tur und guten öffentlichen Dienstleistungen. tor umzukehren. In den letzten Jahren hat Sie profitieren von besseren Schulen, für alle der Abbau der öffentlichen Ausgaben in al- offenen Universitäten, von einer sauberen len Bereichen auch zu einem stetigen Ab- Umwelt oder von öffentlicher Sicherheit. bau der öffentlichen Beschäftigung geführt. Die reichen Haushalte tragen gemessen an Arbeiteten im Jahr 1997 noch mehr als fünf ihrem Einkommen und Vermögen bislang Millionen Menschen beim Staat, waren es deutlich unterproportional zur Finanzierung 2009 nur noch 4,5 Millionen Menschen. Das des Staates bei. Die reichsten zehn Prozent sind circa elf Prozent der Beschäftigten. Da- der Privathaushalte beziehen etwa 34 Pro- bei ist der öffentliche Dienst in Deutschland zent der gesamten Bruttoeinkommen, tra- nicht groß. Hier arbeiten im EU-Vergleich gen aber nur etwa 28 Prozent zu den Ein- nur sehr wenige Menschen beim Staat: In nahmen des Staates bei.4 Diese reichen Frankreich oder den skandinavischen Län- Haushalte, die zugleich über 60 Prozent dern arbeiten etwa ein Viertel der Beschäf- tigten beim Staat, in den Niederlanden und selbst in den USA noch 15 Prozent. 4 Vgl. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirt- schaftsforschung (RWI) und Finanzwissenschaft- Öffentliche Beschäftigung steht nicht liches Forschungsinstitut (FiFo) an der Universität nur auf der Ausgabenseite des Haushalts, zu Köln: Wer trägt den Staat? Die aktuelle Vertei- der öffentliche Dienst stellt wesentliche lung von Steuer– und Beitragslasten auf die Bevöl- kerung in Deutschland. Forschungsprojekt für das 5 Vgl. Joachim Frick und Markus Grabka: Gestiege- Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo- ne Vermögensungleichheit in Deutschland, DIW- gie, 2010. Wochenbericht, 3/2009, S. 54–76. 9
öffentliche Güter für die Lebensqualität in Deutschland her: Bildung in Schulen und Hochschulen, die soziale Sicherung, die öf- fentliche Sicherheit und Gesundheit. Wie- der mehr Personal im öffentlichen Dienst einzustellen, hieße damit, sowohl Arbeitslo- sigkeit abzubauen als auch die Lebensquali- tät in Deutschland zu erhöhen. Gerade die Alterung der Gesellschaft macht es nötig, dass mehr Menschen in der Pflege und im Gesundheitssektor arbeiten. Wenn wir nicht wollen, dass diese Menschen schlecht bezahlt werden und die Versorgung der Älteren damit weiter an Qualität einbüßt, sind wir auf mehr öffentliche Beschäftigung angewiesen. Ein Ausbau der Beschäftigung im öffentlichen Dienst um mindestens 1,5 Millionen Menschen erschiene – auch vor dem Hintergrund des internationalen Ver- gleichs – angemessen – bei 3 Millionen Ar- beitslosen würde der Staat damit die Hälfte der Arbeitslosigkeit abbauen. 10 Unsere Grundsätze Trendwende
III. Da muss was passieren 1. Dreißig Milliarden für Bildung Die Reform eines defizitären Bildungssys- tems muss alle Bildungsbereiche gleichbe- Trotz aller politischer Erklärungen und Be- rechtigt in den Blick nehmen. mühungen der letzten Jahre gibt die öf- Im Bereich der frühkindlichen Bildung fentliche Hand noch immer zu wenig für muss das Betreuungsangebot vor allem in Bildung aus. Das gilt im internationalen den alten Bundesländern massiv ausgebaut Vergleich, aber auch gemessen an Bedarfs- werden, insbesondere bei unter dreijährigen rechnungen. So ist der Anteil der öffent- Kindern und der Ganztagesbetreuung bis lichen Bildungsausgaben am Bruttoin- zur Einschulung. Auch durch das Ziel der landsprodukt in Deutschland von 1995 bis Sozialdemokratie, Gebühren für die Kinder- 2007 um 0,1 Prozentpunkte gefallen, von betreuung abzuschaffen, entstehen Mehr- 4,6 Prozent auf 4,5 Prozent. Im Mittel der kosten. Schließlich werden auch Qualitäts- OECD geben die Staaten sehr viel mehr verbesserungen der frühkindlichen Bildung, für Bildung aus, nämlich 5,2 Prozent des beispielsweise durch mehr wissenschaftlich BIP. Misst man die Bildungsausgaben als ausgebildetes Personal, zu laufenden Mehr- Anteil an den Gesamtausgaben des Staa- kosten führen. Dafür ergibt sich ein laufen- tes, bildet Deutschland das Schlusslicht der öffentlicher Finanzierungsbedarf von ca. in der OECD. 1 Es gibt also einen unbe- 9 Mrd. Euro2, der vor allem bei den Kom- strittenen und von den größten Teilen der munen anfällt. Hinzu kommt der Bedarf Bevölkerung gewünschten Mehrbedarf an weiterer Mittel für die Renovierung und den Bildungsausgaben, um das Bildungssystem Ausbau von Kindergärten und Krippen. dauerhaft zu verbessern. Im allgemeinbildenden Schulsystem Bildung zahlt sich besonders im frühen besteht in allen Bundesländern die größte Lebensalter aus, in der Krippe und im Kin- Herausforderung darin, das Ganztagsschul- dergarten. Vermehrte Ausgaben in diesem angebot flächendeckend auszuweiten und Bereich sollten aber nicht mit Umschichtun- allen SchülerInnen eine bessere individuelle gen der vorhandenen Mittel im Bildungs- Förderung zu ermöglichen. Hinzu kommen system finanziert werden. In allen Bereichen der Bildung muss mehr investiert werden. 2 Alle Angaben zum Finanzierungsbedarf in die- sem Kapitel beziehen sich auf Roman Jaich: Ge- 1 Vgl. OECD: Education at a Glance 2010: sellschaftliche Kosten eines zukunftsfähigen OECD Indicators, Paris, 2010 (http://dx.doi. Bildungssystems. Gutachten im Auftrag der Hans- org/10.1787/888932310339). Böckler-Stiftung, April 2008. 11
zunehmend mehr gesellschaftliche Anfor- Hierzu bedarf es – wenn auch nicht allein – derungen an die Schulen. Dazu brauchen vermehrter finanzieller Mittel. Auch die Mit- die Schulen mehr Lehrkräfte, Schulpsycho- telschicht und Akademikerfamilien, für wel- logInnen, Sonder- und SozialpädagogInnen. che die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Für alle diese Schritte ergeben sich jährliche Familie ein wichtiges Anliegen ist, profitie- Mehrausgaben der öffentlichen Hand von ren von verbesserter frühkindlicher Bildung, annähernd 5 Mrd. Euro. besserer Kinderbetreuung und verbessertem Eine besonders starke Unterfinanzie- Ganztagsschulangebot. Allein reiche Haus- rung besteht in den Hochschulen. Wir wol- halte können es sich erlauben, all dies privat len die Studierendenquote deutlich erhöhen. zu finanzieren und ihre Kinder von einem Dafür sind mehr Studienplätze, verbesserte unterfinanzierten öffentlichen Bildungsan- Lehr- und Lernbedingungen und eine Aus- gebot fernzuhalten. Diese Entwicklung muss weitung der Studienfinanzierung dringend eine sozialdemokratische und an den Interes- erforderlich. Das BAföG muss erhöht wer- sen der Mehrheit orientierte Politik stoppen. den, damit mehr Menschen die Möglichkeit Wenn klar aufgezeigt wird, wie der skizzierte bekommen zu studieren. Mit einem höheren Richtungswechsel in der Bildungspolitik fi- BAföG ließen sich auch lange Studienzei- nanziert werden soll, kann es nicht schwierig ten und die hohe Zahl an Studienabbrüchen sein, hierfür die notwendige gesellschaftliche reduzieren. Erforderlich sind dafür jährli- Unterstützung zu gewinnen. che Mehrausgaben von 6 Mrd. Euro. Hin- zu kommen über 2 Mrd. Euro für bauliche 2. Dreißig Milliarden für Investitionen Maßnahmen. in Klimaschutz und eine bessere Auch bei der Weiterbildung sind deut- Lebensqualität lich stärkere Anstrengungen notwendig. Im internationalen Vergleich ist die Weiterbil- Seit Jahren ist die Quote der öffentlichen dungsbeteiligung der Menschen zu gering, Investitionen in Infrastruktur rückläufig, in- die Zugangschancen zur Weiterbildung sind nerhalb der EU liegt Deutschland gemes- sehr ungleich verteilt. Für eine substantielle sen am Bruttoinlandsprodukt mittlerweile Verbesserung der Weiterbildung ergibt sich auf dem vorletzten Platz3. Mit schlimmen ein zusätzlicher jährlicher öffentlicher Auf- Folgen: Heruntergekommene öffentli- wand in Höhe von ca. 8 Mrd. Euro. che Gebäude, Schlaglöcher in den Straßen Im Ergebnis sind – zusätzlich zu den und die Schließung von Schwimmbädern derzeitigen privaten und öffentlichen Bil- und Sportplätzen sind nur einige Beispiele dungsausgaben – alleine für laufende Kos- für eine Politik, die am falschen Ende spart ten jährlich mindestens ca. 30 Milliarden und gerade der nachwachsenden Generation Euro mehr notwendig. Hierdurch würden eine marode Infrastruktur hinterlässt. Mit entscheidende Investitionen in den gesell- diesem Investitionsstau sind schlimmsten- schaftlichen Zusammenhalt geleistet. Wer falls Gesundheitsgefahren verbunden, ganz etwa das zu geringe Bildungsniveau, man- allgemein sinkt aber auch die Lebensquali- gelnde Deutschkenntnisse und Integrations- tät erheblich. Auch hier müssen den Wähle- schwierigkeiten bei Kindern und Jugend- rInnen konkrete Angebote gemacht werden, lichen mit Migrationshintergrund beklagt, kann nicht gegen eine große öffentliche Bil- 3 Vgl. Peter Bofinger: Das Jahrzehnt der Entstaatli- dungsoffensive sein. chung. In: WSI-Mitteilungen 07/2008. 12 Da muss was passieren Trendwende
wie diese Fehlentwicklungen gestoppt wer- • Der Aufbau einer Infrastruktur für den können und wie die notwendigen steu- Elektromobilität erlichen Mehreinnahmen gewonnen werden • Vorbeugende Investitionen zur Anpas- sollen. sung an den Klimawandel (Deichbau, Allein in den Kommunen beläuft sich Überflutungsflächen, Aufforstung, La- der jährliche Mehrbedarf an Investitionen winenschutz, etc.) auf rund 7 Mrd. Euro4, besonders fehlt das Geld derzeit im Straßenbau, bei der Sanie- Auf sich allein gestellt werden private Un- rung von öffentlichen Gebäuden und der ternehmen die notwendigen Innovationen Abwasserentsorgung. Ebenfalls besteht bei nicht vornehmen. Das zeigt die Erfahrung Bund und Ländern ein Mehrbedarf für den der letzten Jahrzehnte eindeutig. Nur wenn Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Alleine der Staat das Geld in Hand nimmt, mit gu- die notwendigen Investitionen im Schienen- tem Beispiel vorangeht und durch gesetzli- netz werden auf 11 Mrd. Euro beziffert5. che Regelungen und finanzielle Anreize auch Geht man insgesamt von einer Anpas- den Privatsektor in die Pflicht nimmt, kön- sung der gesamten öffentlichen Ausgaben nen die Klimaschutzziele noch erreicht wer- für Investitionen an den Durchschnitt der den. Weltweit müsste jährlich ein dreistelli- EU-15-Länder aus, wären jährliche Mehr- ger Milliardenbetrag in die Hand genommen ausgaben von mehr als 30 Milliarden Euro werden, um die erforderlichen Investitionen pro Jahr6 nötig. in den Klimaschutz vorzunehmen7. Zusätzlich ist es erforderlich, ein mas- Wir schlagen deshalb vor, die öffentli- sives Investitionsprogramm zur Bewälti- chen Investitionen in Infrastruktur und Kli- gung des Klimawandels aufzulegen, sollen maschutz zumindest auf den europäischen die Klimaschutzziele noch erreicht werden Durchschnitt anzuheben. Das würde jährli- können Erforderliche Investitionen hierbei che Mehrausgaben von 30 Mrd. Euro8 be- wären unter anderem: deuten. Das ist nicht utopisch, sondern eine • Der Ausbau des Schienennetzes im Minimalforderung zur Förderung der sozia- Nah- und Fernverkehr len und ökologischen Nachhaltigkeit – beson- • Der Ausbau der erneuerbaren Energien ders im Interesse der jungen Generation. Aus • Die energetische Gebäudesanierung von diesem zusätzlichen Geld soll ein Aktionsplan Neu- und Bestandsbauten für Bund, Länder und Kommunen zur Finan- • Die Modernisierung und der Ausbau zierung von Klimaschutzprojekten entstehen. der Energienetze • Die Erforschung von 3. Dreißig Milliarden für soziale Stromspeichertechnologien Sicherung 4 Vgl.Michael Reidenbach u.a.: Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen. Ausmaß, Aufgabe der sozialen Sicherung ist es, eine Ursachen, Folgen, Strategien. Gutachten im Auf- menschenwürdige Existenz zu gewährleis- trag des Deutschen Institut für Urbanistik. 2008. ten. Dies gewährleisten die sozialen Trans- 5 Vgl. Gutachten für das Bundesumweltamt: Micha- ferleistungen nicht ausreichend. el Holzhey: Schienennetz 2025/2030. Ausbaukon- zeption für einen leistungsfähigen Schienengüter- 7 vgl. Reinhard Bütikofer/Sven Giegold: Der Grüne verkehr in Deutschland, abrufbar unter http://www. New Deal. Klimaschutz, neue Arbeit und sozialer umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4005.pdf. Ausgleich. 6 Eigene Berechnung. 8 Eigene Berechnung. 13
Das Bundesverfassungsgericht hat festge- Hierzu sollen die Arbeitnehmerbeiträge stellt, dass dies zumindest bei den Regel- progressiv ansteigen, bei gleichzeitig vollen sätzen von Kindern im Rahmen der Hartz Sozialversicherungsansprüchen. Durch die IV-Leistungen fragwürdig ist und dass auch gleichzeitige volle Erhebung der Arbeitge- die Regelsätze für Erwachsene neu berech- berInnen-Beiträge sowie die Einführung des net werden müssen. Der nun von der Bun- Mindestlohns besteht in einem solchen Fall desregierung neu „berechnete“ Satz von auch keinerlei Anreiz für die ArbeitgeberIn- 364,-€ monatlich für Alleinstehende ist un- nen, sozialversicherungspflichtige Jobs wie zureichend. Und auch den Regelsätzen für derzeit in mehrere geringfügige Beschäfti- Kinder haben sich kaum Verbesserungen er- gungsverhältnisse aufzuspalten. Die Kosten geben, diskriminierende Bildungsgutscheine für eine solche Maßnahme sind mit unge- schaffen hier keinerlei Abhilfe. fähr 3 bis 5 Mrd. Euro11 anzusetzen. Wir setzen uns für existenzsichernde Leistungen im Rahmen von Hartz IV ein. 4. Sieben Milliarden für Dafür muss der Regelsatz für Erwachse- Entwicklungszusammenarbeit ne deutlich angehoben werden. Wir setzen uns für mindestens 420,- € monatlich für Im Jahr 2000 haben sich die Industrie- Alleinstehende ein. Dadurch ist mit Mehr- staaten im Rahmen der Milleniumsent- kosten in Höhe von circa 10 Mrd. Euro9 zu wicklungsziele darauf verpflichtet, zur Be- rechnen. kämpfung der weltweiten Armut bis 2012 Um Kinderarmut zu vermeiden, muss 0,51 % und bis 2015 0,7 Prozent ihres Brut- zudem langfristig eine Kindergrundsiche- toinlandsproduktes zur Verfügung zu stel- rung eingeführt werden. Kurzfristig müs- len. Nachdem Deutschland seine Ausgaben sen die wirklichen Bedarfe von Kindern im in den vergangenen Jahren in der Tat nach Rahmen von Hartz IV berücksichtigt wer- und nach gesteigert hat, ist seit der Finanz- den. Ausgaben für Bildung beispielsweise krise eine Trendwende zu beobachten, die wurden bisher nicht in der Kinderregelleis- mit den aktuellen Haushaltsplanungen noch tung abgedeckt. Hier wird von einem Finan- verschärft werden. Bis Ende des Jahres wer- zierungsbedarf von jährlich 10 bis 18 Mrd. den die deutschen staatlichen Ausgaben für Euro10 ausgegangen. Entwicklungszusammenarbeit bei maximal Zudem ist die Lage von Niedrig- und 0,4 % des BIP liegen12. Damit aber kann das NiedrigstverdienerInnen prekär. Viele sind Ziel der Bekämpfung der globalen Armut gezwungen, zusätzlich soziale Leistungen nicht erreicht werden. zu beantragen, weil ihr Lohn nicht zum Le- Gleichzeitig sind bereits jetzt verstärk- ben reicht. Neben der Einführung eines ge- te Auswirkungen des Klimawandels fest- setzlichen Mindestlohns sind aber weitere zustellen – gerade für die Länder des Entlastungen dieser Einkommensgruppen Südens. Sie sind aus geographischen Grün- notwendig. Da niedrige und niedrigste Ein- den die Hauptleidtragenden der globalen kommen kaum Steuern zahlen, kann eine Entlastungswirkung vor allem über die So- 11 Eigene Berechnungen auf Grundlage des Progres- zialversicherungsbeiträge erreicht werden. sivmodells der Grünen (http://www.gruene-bun- destag.de/cms/arbeit/dok/327/327977.das_progres- sivmodell.pdf ). 9 Vgl. IAB Kurzbericht 11/2008. 12 http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-06/europa- 10 Vgl. ebd. entwicklungshilfe 14 Da muss was passieren Trendwende
Klimaveränderungen. Sie kämpfen also nicht nur mit Armut und mangelhaften Bil- dungs- und Gesundheitssystemen, sondern sehr massiv auch mit Ernteausfällen, Was- serknappheit und Naturkatastrophen. His- torische und aktuelle Hauptverursacher die- ser Entwicklung sind jedoch die westlichen Industrieländer. Immer deutlicher zeigt sich, dass soziale und ökologische Nachhaltigkeit im weltwei- ten Maßstab ohne eine gleichmäßigere Ver- teilung von Einkommen und Lebenschan- cen nicht erreicht werden kann. Es macht daher keinen Sinn, zu Gunsten einer klein- geistigen, nationalen Sparpolitik die inter- nationale Entwicklungszusammenarbeit zu vernachlässigen. Wir Jusos machen uns stark für Soli- darität und Gerechtigkeit. Und zwar nicht nur hierzulande, sondern weltweit. Des- halb muss Deutschland seinen internatio- nalen Verpflichtungen nachkommen und bis 2015 sowie darüber hinaus seine Zusa- gen einhalten. Gemessen am Jahr 2009 sind hierzu mindestens 7 Mrd. Euro zusätzlich13 notwendig. 13 Eigene Berechnung auf Basis von OECD: Deve- lopment Co-operation Report 2010. 15
IV. Steuern gerecht weiterentwickeln Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen und profitieren, halten wir es deshalb für ge- Mehrausgaben in den Bereichen Bildung, rechtfertigt, höhere Einkommen stärker in Umwelt und soziale Sicherung könnten die die Verantwortung zu nehmen. Ganz kon- Einkommens- und Beschäftigungsperspek- kret schlagen wir daher folgendes Modell tiven – aber mehr noch die Lebenschancen vor: Wir erhöhen den Grundfreibetrag von und die Lebensqualität – für die Mehrheit 8.000 auf 9.000 Euro. Damit werden alle der Bevölkerung erheblich verbessert werden. unteren und mittleren Einkommensgrup- In den vergangenen Jahren haben sich allein pen entlastet. Gleichzeitig erhöhen wir den die Perspektiven für die Wohlhabenden und Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent. Reichen verbessert und gerade nicht für die Dieser soll ab einem zu versteuernden Jah- Mehrheit der Bevölkerung. Das im Folgen- reseinkommen von rund 75.000 Euro für den vorgestellte Steuerkonzept zieht die Pro- Alleinstehende gelten. Zusätzlich wollen fiteure der Umverteilung der letzten Jahre zur wir an der Reichensteuer als dreiprozen- Finanzierung der Verbesserung der Lage der tigem Aufschlag ab einem Jahreseinkom- Mehrheit der Bevölkerung heran. men von 125.000 Euro festhalten. Mit die- sem Vorschlag werden untere und mittlere 1. Hohe Einkommen stärker Einkommen entlastet und ausschließlich die besteuern Gutverdienenden stärker belastet. Der Staat erzielt damit aber Mehreinnahmen von rund In den vergangenen Jahren sind die Steuer- 7 Mrd. Euro1. sätze bei der Einkommensteuer massiv ge- Mit der Einführung der Abgeltungs- senkt worden. Dabei erfolgte in mehreren steuer wurden mit der pauschalen Besteu- Stufen eine Reduktion des Eingangssteu- erung von 25 Prozent Kapitaleinkünfte ersatzes von 22,9 auf 14 Prozent, des Spit- deutlich besser gestellt als etwa Einkünf- zensteuersatzes von 51 auf 42 Prozent sowie te aus normaler Arbeit, was insbesondere vor eine Erhöhung des Freibetrags. Insgesamt dem Hintergrund der ohnehin schon niedri- ist damit in den vergangenen Jahren die gen Kapitalbesteuerung in Deutschland un- Einkommensteuerquote massiv gesunken. gerechtfertigt ist. Zwar mag es sein, dass mit Davon haben maßgeblich die höheren Ein- der vorherigen gleichen Besteuerung ein ho- kommensgruppen profitiert. hes Maß an Steuerhinterziehung einher- Gerade vor dem Hintergrund des neu- ging. Das sollte man aber mit einer besseren esten wirtschaftlichen Aufschwungs, von dem gerade maßgeblich die Wohlhabenden 1 Eigene Berechnung. 16 Steuern gerecht weiterentwickeln Trendwende
Steuerfahndung ändern und nicht mit ei- eine Reform mittelfristig etwa 10 Mrd. Eu- ner Senkung der Steuersätze. Wir sprechen ro3 Zusatzeinnahmen möglich sind. uns deshalb für eine gleiche Besteuerung al- ler Einkommensarten aus. Eine Bevorzugung 2. Unternehmen in die von Gewinnen aus Spekulationen und Ver- Verantwortung nehmen zinsung gegenüber werteschaffender Arbeit darf es nicht geben. Kapitaleinkünfte müs- Unternehmen tragen in Deutschland je nach sen wieder über die persönliche Einkom- Rechtsform entweder mit der Einkommen- mensteuer versteuert werden. Damit würde oder mit der Körperschaftssteuer zur Fi- der Staat im Jahr rund 5 Mrd. Euro2 mehr nanzierung allgemeiner Aufgaben bei. Ne- einnehmen. ben den bereits erwähnten Senkungen der Das Steuerrecht in seiner jetzigen Form Einkommensteuer ist in den vergangenen zementiert die ungleiche Verteilung von Er- Jahren auch die Körperschaftssteuer mehr- werbs- und Familienarbeit zwischen Frauen fach erheblich gesenkt worden und damit und Männern und verfestigt Abhängigkei- die Belastung der Unternehmen. Gleichzei- ten, weil es einseitig das Modell der Allei- tig wurden aber mit der Reform 2008 auch nernährer-Ehe bevorzugt. Durch die ge- die Möglichkeiten, die steuerlichen Gewin- meinsame Veranlagung der Ehepartner und ne kleinzurechnen, verringert. die Anwendung des Splittings stellt das Die schwarz-gelbe Bundesregierung deutsche Steuerrecht den gleichwertigen hat genau diese Verbreiterung der Bemes- Doppelverdienst beider Partner schlech- sungsgrundlage allerdings wieder erheblich ter als das Familieneinkommen mit Zuver- vermindert. Angesichts der Tatsache, dass dienst. Je höher die Einkommensdifferenz Deutschland lange Jahre Exportweltmeister und das Bruttoeinkommen, desto größer ist war und auch heute noch einen hohen Ex- der Vorteil. Das Ehegattensplitting ist da- portüberschuss aufweist und dass der Anteil her weder gerecht noch fortschrittlich. Das der Gewinne am gesamten Volkseinkom- Ehegattensplitting fördert nicht Familien, men in den letzten zehn Jahren geradezu ex- sondern einseitig die Ehe als Versorgungs- plodiert ist, kann von einer überproportio- modell. Bereits 1998 hat das Bundesverfas- nalen Belastung der Unternehmen derzeit sungsgericht darauf hingewiesen, dass das kaum gesprochen werden. Eher ergibt sich Ehegattensplitting nicht als Familienförde- der Hinweis, dass durch eine höhere Besteu- rung zu rechtfertigen ist. Deshalb muss das erung entstehende Wettbewerbsnachteile Ehegattensplitting durch eine Individualbe- insgesamt eher unproblematisch sind, sofern steuerung abgelöst werden, die jedoch die Kinder steuermindernd berücksichtigt. Dies 3 Bach, S./Buslei H.: Fiskalische Wirkungen einer muss verteilungspolitisch neutral geschehen, Reform der Ehegattenbesteuerung, DIW-Wochen- d.h. dass insbesondere Familien mit niedri- bericht, Nr. 22/2003. Dort wird auf Basis des Ein- gen Einkommen, die bisher vom Splitting- kommensteuertarifs von 2003 mit einem Mehrauf- kommen von gut 9 Mrd. Euro gerechnet. Aufgrund vorteil profitieren, nicht schlechter gestellt der zwischenzeitlich gestiegenen Einkommen und werden dürfen. Bislang kostet das Ehegat- der deutlichen Zunahme der Progression wäre in tensplitting den Staat pro Jahr mehr als 20 unserem Konzept mit einem spürbaren Mehrauf- Mrd. Euro. Wir gehen davon aus, dass durch kommen zu rechnen. Da jedoch auch der zu be- rücksichtigende Grundfreibetrag erheblich angeho- ben werden soll, gehen wir insgesamt von 10 Mrd. 2 Eigene Berechnung. Euro aus. 17
die Höhe des Steuersatzes hierfür überhaupt 4. Vermögensbesteuerung eine Rolle spielt. Viel entscheidender für die Wettbewerbsfähigkeit ist ohnehin eine star- In kaum einem anderen Land ist die Be- ke öffentliche Infrastruktur, die ausreichend steuerung von Vermögen so niedrig wie in finanziert werden muss. Wir machen uns Deutschland. Der Anteil der vermögens- deshalb für eine Reform der Unternehmens- bezogenen Steuern am BIP liegt mit unter steuern stark, die die Unternehmen wieder 1 % nur etwa halb so hoch wie im OECD- in die Verantwortung nimmt. Das kann über Durchschnitt. Gleichzeitig hat sich in den eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage vergangenen Jahres die Vermögensschere im- ebenso geschehen wie über eine Erhöhung mer weiter geöffnet. Inzwischen besitzen die der nominalen Steuersätze. Damit wären zehn Prozent Reichsten über 60 Prozent des problemlos 10 bis 20 Mrd. Euro4 Mehrein- Vermögens. Wir halten es deshalb grundsätz- nahmen möglich. lich für gerechtfertigt, auch Vermögen wieder stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufga- 3. Finanztransaktionen besteuern ben heranzuziehen. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass niemand, der ein Die Finanz- und Wirtschaftskrise und zu- normales Eigentumshaus besitzt oder privat letzt die Euro-Krise haben erneut vor Au- für das Alter vorsorgt, mit einer Vermögen- gen geführt, dass eine stärkere Regulie- steuer zusätzlich belastet wird. Wir schlagen rung der Finanzmärkte dringend notwendig deshalb einen Freibetrag von 500.000 Euro ist. Wir wollen deshalb die Einführung ei- vor. Alles darüber hinaus gehende Vermögen ner Finanztransaktionssteuer. Diese verteu- wird dann mit einem Prozent besteuert. Wer ert eine Spekulation umso mehr, je kürzer dann zum Beispiel eine Million hat, muss pro ihr Zeithorizont ist. Kurzfristige destabi- Jahr 5.000 Euro Steuern zahlen. Damit wür- lisierende Spekulationen würden dadurch de der Staat im Jahr rund 20 Mrd. Euro6 zu- enorm verteuert, während langfristige In- sätzlich einnehmen können. vestitionen kaum betroffen wären. Dadurch Erbschaften und Schenkungen sind aus wäre eine Stabilisierung der Finanzmärkte Perspektive des Erben individuelle und durch vorprogrammiert, da plötzlich langfristiges Geburt bedingte Glücksfälle, die kaum mit Agieren lohnender würde als kurzfristiges dem Gedanken der Leistungsgerechtigkeit in Spekulieren. Weiterhin würden sich hieraus Einklang gebracht werden können. Im Ge- klare fiskalische Vorteile ergeben. Aufgrund genteil, unbesteuerte Erbschaften zementie- der gigantischen Summen, die täglich ge- ren die Ungleichheit des Vermögens und da- handelt werden, wären enorme Steuererträ- mit der gesellschaftlichen Chancen zwischen ge zu erwarten. Wir fordern daher die Ein- den Menschen. In den vergangenen Jahren führung einer Finanztransaktionssteuer mit sind die Erbschaftsteuern aber weiter gesenkt einem Satz von 0,05 Prozent, der mittelfris- worden. Im internationalen Vergleich ist das tig ansteigen soll. Damit wären zusätzliche Erbschaftsteueraufkommen in Deutschland Einnahmen in Höhe von 17 bis zu 36 Mrd. ausgesprochen niedrig. Bei geschätzt 100 Euro5 möglich. Milliarden Euro, die jährlich in Deutsch- land vererbt werden, liegt der Ertrag aus der 4 Vgl. Verdi: Konzept Steuergerechtigkeit. Erbschaftsteuer bei derzeit etwa 4 Milliarden 5 Gustav Horn/Till van Treeck: Stellungnahme zur Finanztransaktionssteuer. IMK Policy Brief Mai 2010. 6 Vgl. Verdi: Konzept Steuergerechtigkeit. 18 Steuern gerecht weiterentwickeln Trendwende
Euro. Wir sprechen uns deshalb für eine Re- wird, wären zusätzliche Einnahmen in Höhe form der Erbschaftsteuer aus. Mit einer Re- von rund 6 Mrd. Euro zu erwarten. duzierung der Freibeträge auf 300.000 Euro Nach Berechnungen des Bundesum- bei gleichzeitiger Freistellung des Wohnei- weltamtes werden in Deutschland jedes Jahr gentums und einer Erhöhung der Steuersät- viele Milliarden Euro an umweltschädlichen ze für große Erbschaften können rund 6 Mrd. Subventionen gezahlt9. Diese umfassen Euro7 zusätzlich eingenommen werden. etwa die Begünstigung von energieinten- siven Unternehmen bei der Ökosteuer, die 5. Mehr Gerechtigkeit durch mehr steuerliche Förderung des Flugverkehrs oder Steuerfahndung die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen. Natürlich können Subventi- Gerechte Steuersätze sind die eine Sache, die onen sinnvoll sein, und jede einzelne muss tatsächlich gezahlten Steuern eine andere. genau auf ihre Tauglichkeit überprüft wer- Während ArbeitnehmerInnen ihre Steuern den. Im Sinne einer nachhaltigen Strate- ‚automatisch‘ über ihre Gehaltsabrechnung gie halten wir aber eine Reduzierung dieser zahlen, können alle anderen ihre Einkünf- Subventionierungen um mindestens 5 Mrd. te selbst angeben. Das öffnet Tür und Tor für Euro für sinnvoll und realistisch. eine systematische Steuerhinterziehung. Man Jedes Jahr zahlt der Staat rund 11 Mrd. kann davon ausgehen, dass die jüngst pub- Euro für die Subventionierung von Nied- lik gewordenen Fälle nur die Spitze des Eis- riglöhnen, indem so genannte ‚Aufstocke- bergs sind. Generell ist davon auszugehen, rInnen‘ Transferleistungen erhalten, um ihr dass Einkünfte aus Gewinnen und Vermö- Überleben zu sichern. Durch die Einfüh- gen weitaus zu wenig zur Besteuerung heran- rung eines allgemeinen gesetzlichen Min- gezogen werden. Grundsätzlich sind die Be- destlohns von 8,50 Euro in der Stunde hörden personell zu schwach ausgestattet, um könnte diese Subventionierung um meh- Steuerhinterziehung konsequent zu bekämp- rere Mrd. Euro gesenkt werden. Für den fen. Dabei ‚lohnen‘ sich zusätzliche Steuer- Staat würden das rund 1 Mrd. Euro weni- prüferInnen. Wir fordern Steuergerechtigkeit ger Ausgaben bedeuten, zusätzlich würden nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der die Sozialversicherungen 4 Mrd. Euro Zu- Realität. Mit einer besseren Personalausstat- satzeinnahmen erzielen und damit ihre Fi- tung wären pro Jahr Mehreinnahmen von bis nanzierung stabilisieren10. zu 12 Mrd. Euro8 möglich. 9 Vgl. Andreas Burger, Frauke Eckermann, Alexander 6. Klientelpolitik zurücknehmen, Schrode und Sylvia Schwermer (2010): Umwelt- schädliche Subventionen in Deutschland. Aktua- unsinnige Subventionierung streichen lisierung für das Jahr 2008. Hintergrundpapier des Umweltbundesamtes, Berlin (http://www.umwelt- Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz bundesamt.de/uba-info-medien/mysql_medien.php hat die Bundesregierung Steuerentlastun- ?anfrage=Kennummer&Suchwort=3780). gen für Hoteliers, reiche Erben und große 10 Vgl. SPD: Deutschland besser Regieren. Neuer Fortschritt – unser Projekt für ein faires Deutsch- Unternehmen auf den Weg gebracht. Wenn land. Beschluss des SPD Bundesparteitags 2010. diese Klientelpolitik rückgängig gemacht 7 Vgl. a. a. O. 8 Vgl. a. a. O. 19
V. Fazit Wir haben dargestellt, in welchen Bereichen Oder sollen die frühkindliche Erzie- wir staatliche Mehrausgaben fordern. Da- hung, das Ganztagsschulangebot und bei handelt es sich nicht um eine Wunsch- Ausstattung der öffentlichen Schulen liste, sondern um notwendige Ausgaben, um verbessert werden? den sozialen und ökologischen Wandel der Gesellschaft zu gestalten und um der inter- • Sollen spekulative Finanztransaktionen nationalen Verantwortung gerecht zu wer- künftig mit einem geringen Steuersatz den. Wir haben darüber hinaus dargestellt, belegt werden und so Investitionen in mit welchen Instrumenten diese Aufgaben erneuerbare Energien, die Modernisie- finanziert werden können. Wir sind nicht rung von Energienetzen und andere In- dogmatisch. Wer uns andere gerechte Fi- vestitionen in den Klimaschutz finan- nanzierungsalternativen aufzeigt, ist herz- ziert werden? lich eingeladen, sich an dieser wichtigen Diskussion zu beteiligen. Wer sich aber ei- • Sollen Spitzenverdiener mit Einkom- ner Diskussion über höhere Steuern prinzi- men von über 75.000 oder 100.000 piell verweigert, der oder die muss sagen, an Euro im Jahr und Vermögen von über welchen Stellen keine zusätzlichen Ausga- 500.000 Euro etwas mehr belastet wer- ben notwendig sind: den und sich zumindest proportional zu ihrem Einkommen an der Finanzie- • Soll Deutschland weiterhin an der im rung der öffentlichen Aufgaben beteili- internationalen Vergleich stark unter- gen? Oder soll auf eine Entlastung der durchschnittlichen Vermögensbesteu- unteren und mittleren Einkommen über erung festhalten, und sollen über das geringere Sozialversicherungsbeiträge Ehegattensplitting weiter antiquierte in diesem Einkommensbereich verzich- Familienstrukturen gefördert werden? tet werden? 20 Fazit Trendwende
Ausgaben Summe Einnahmen Summe Ausbau der Erhöhung des 9 Mrd. 7 Mrd. Kinderbetreuung Spitzensteuersatzes Mehr Lehrerinnen und Gleiche Besteuerung 5 Mrd. 5 Mrd. Lehrer aller Einkommensarten Ausbau der Umwandlung 8 Mrd. 10 Mrd. Hochschulen Ehegattensplitting Reform Gerechte Weiterbildung 8 Mrd. Mind.10 Mrd. Unternehmenssteuern Investitionen in Einführung einer Klimaschutz und 30 Mrd. Finanztransaktions Mind. 17 Mrd. Infrastruktur steuer Einführung der Erhöhung ALG II Sätze 10 Mrd. 20 Mrd. Vermögensteuer Einführung einer Reform der 18 Mrd. 6 Mrd. Kindergrundsicherung Erbschaftsteuer Entlastung unterer Einkommensgruppen Bekämpfung der 4 Mrd. 12 Mrd. bei den Sozial Steuerhinterziehung versicherungsabgaben Einhaltung der Rücknahme Verpflichtung zur 7 Mrd. schwarz-gelber 6 Mrd. Entwicklungshilfe Steuergeschenke Abbau umweltfeindlicher 5 Mrd. Subventionen Einführung eines 1 Mrd. Mindestlohns Summe 99 Mrd. Summe 99 Mrd. 21
Viele der Punkte müssen weiterhin disku- tiert werden. Wir erheben weder den An- spruch, alle notwendigen zusätzlichen Ausgaben erfasst, noch alle Einnahmemög- lichkeiten aufgedeckt zu haben. Unsere Zu- sammenstellung kann sich gerne noch er- weitern. Wir wollen die steuerpolitische Diskussion aber nicht mehr einseitig führen, und zwar nur unter der Frage, ob Steuern gesenkt oder erhöht werden. Steuerpolitik ist kein Selbstzweck, sondern dient der Fi- nanzierung wichtiger öffentlicher Aufgaben – Einnahmen und Ausgaben müssen immer zusammen gedacht werden. Deswegen ha- ben wir die Erhöhung von Steuern gemein- sam mit den zu finanzierenden Aufgaben diskutiert. Wenn etwa die Vermögensteuer wieder eingeführt wird und man weiß, dass diese vollständig den Ländern zufließt, dann wären mit dem zusätzlichen Aufkommen die notwendigen Mehrausgaben für Schulen und Hochschulen finanzierbar. Damit ist die Frage nicht mehr allein, ob wir eine Vermögensteuer wollen. Sondern wir diskutieren, wie wir die dringend be- nötigten Mehrausgaben finanzieren und ob die Vermögensteuer dafür das richtige Inst- rument ist. Gleiches gilt für das Ehegatten- splitting. Mit der von uns vorgeschlagenen Reform ließe sich der Ausbau der Kinder- betreuung in vollem Umfang finanzieren. Es geht uns nicht darum, den Menschen etwas wegzunehmen, sondern für eine leistungs- fähige Infrastruktur zu sorgen, von der die Mehrheit der Bevölkerung profitiert. Denn nur die Reichen können sich einen armen Staat leisten. Wir möchten alle Interessierten herzlich einladen, sich an unserer Diskussion über die gerechte Gesellschaft von morgen zu beteiligen. 22 Fazit Trendwende
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