UN - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische Hochschule Freiburg

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UN - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische Hochschule Freiburg
Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg   2015/1

UN
 DIVERSITY

     An der Pädagogischen Hochschule
     wird Vielfalt gelebt und
     konstruktiv genutzt.

     Forschung – Lehre – Campus
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Eltern-Kind-Zimmer

I
     m Pavillon II (neben dem KuCa) steht allen studierenden und beschäftigten Eltern der Pädagogischen Hoch-
     schule Freiburg ab sofort ein Eltern-Kind-Zimmer zur Verfügung. An Tagen, an denen die reguläre Kinderbe-
     treuung ausfällt und Eltern ihr Kind mit an die Hochschule bringen müssen, können sie dieses hier wickeln und
     versorgen oder Mütter ihr Kind stillen. Schwangeren steht der Raum zum Ausruhen zur Verfügung; Studierende
können untereinander eine Kinder-Notfallbetreuung organisieren. Gefördert wird der Raum durch die Vereinigung
der Freunde der Pädagogischen Hochschule Freiburg e.V.

Infos und Belegplan zum Raum unter: www.ph-freiburg.de – „Familienfreundliche Hochschule“
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Editorial

D
           iversity bedeutet Vielfalt und beschreibt Gemeinsamkeiten
           und Unterschiede zwischen Menschen. An einer Hoch-
           schule treten täglich viele Menschen in Kontakt mitein-
           ander, erleben diese Vielfalt und nutzen sie (hoffentlich)
konstruktiv. Die Autorinnen und Autoren beleuchten verschiedene
Facetten des Themas:

     DIVERSITY
  Doris Schreck und Anja Bechstein gehen in ihrem Artikel auf
Diversity an Hochschulen aus genderpolitischer Perspektive ein und
                                                                          In einem Dialog setzen sich Jutta Heppekausen und Marion
                                                                        Degenhardt mit (Anti-)Diskriminierung an der Hochschule ausei-
umreißen das Spannungsfeld im Umgang damit. Die Autorinnen              nander und geben Einblicke in Gedanken und Fragen zum Thema
betonen, dass es nicht um eine Hierarchisierung einzelner Diversi-      Rassismus und Ausgrenzung, aber auch, wie und ob es möglich ist,
tätsmerkmale gehen kann, denn jede Person bringe ein individuelles      vorwurfs- und moralinfrei darüber zu sprechen. Sie suchen nach
Spektrum an Vielfalt ein.                                               Handlungsspielräumen und Möglichkeiten für rassismuskritische
                                                                        Praxen an der Hochschule.
   Christoph Knoblauch plädiert in seinem Aufsatz dafür, religiöse
Diversität und Inklusion zusammen zu denken und beschreibt the-           In diesem Heft finden Sie – ganz im Sinne der „Diversity“ – eine
oretische Betrachtungen und praktische Ausblicke für eine inklusive     große Vielfalt von Schreibweisen: Schüler_innen, TheologInnen,
interreligiöse Bildung. Auch Sabine Pemsel-Maier schreibt über In-      Wissenschaftler/innen, Teilnehmer/-innen, Studierende … Wir ha-
klusion, die sie religionspädagogisch und theologisch perspektiviert.   ben uns bewusst für diese Vielfalt entschieden, bevor wir im nächs-
In einem Forschungsprojekt wurden dazu kritische Fragen gestellt,       ten Heft wieder zur Vereinheitlichung schreiten.
die im gegenwärtigen Inklusionsdiskurs vielfach nicht offen thema-
tisiert werden, um nicht politisch unkorrekt zu erscheinen.               Der zweite Teil des Heftes informiert über wichtige Ereignisse
                                                                        an der Hochschule wie z.B. die Unterzeichnung des Hochschulfi-
  Bernd Steinhoff berichtet über das „Brücke-Projekt“, dessen Ziel-     nanzierungsvertrags – dazu ein Interview mit Wissenschaftsmi-
setzung es ist, die internationale Vielfalt wahrnehmbar zum Thema       nisterin Theresia Bauer. Die Hochschule kann sich einerseits zum
zu machen und interkulturelle Zusammenarbeit zu unterstützen.           zweiten Mal über das TOTAL E-QUALITY-Prädikat freuen und hatte
Zugleich sahen die Teilnehmer/-innen des Projekts eine innovative       andererseits viele Gäste im Hause: eine Studienkompass-Gruppe
Gelegenheit, intergenerationell zu lernen und zu arbeiten.              und Besucher/-innen am Studieninfotag und am Tag der offenen
                                                                        Tür im Schreibzentrum.
  Heterogenität in den Ausgangskompetenzen der Studienanfänger/-
innen des Masterstudiengangs Erziehungswissenschaft beschäftigt        In Lehre und Forschung ist u.a. über neue Wege in der außercur-
Thomas Fuhr und Ruth Michalek in ihrem Beitrag. Sie beschreiben     ricularen Kompetenzförderung im schulischen Setting zu berichten
Maßnahmen und Möglichkeiten, um Heterogenität nicht als Problem     oder auch über das Zukunftsforum Bildungsforschung. Das Thema
erscheinen zu lassen, sondern als Bereicherung des Studiengangs     „Gesundheitspädagogik in Forschung und Lehre“ wurde auf einer
und Berufsfeldes.                                                   Fachtagung beleuchtet, die Projekte „MATHElino“ und „Tandem-
                                                                    Teaching“ vorgestellt sowie über Sprachberatung für externe In-
   Das Café Europe thematisierte in seiner Vorlesungsreihe die stitutionen informiert.
„Gendergerechtigkeit in Europa“. Im Laufe der Veranstaltungen wurde
sehr deutlich, so Yvonne Baum und Olivier Mentz in ihrem Artikel,      Campus und darüber hinaus, das heißt beispielsweise: die Frei-
dass Geschlecht nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern die burger Uraufführung des Oratoriums „Hiskia“ oder Kids Go Texti-
wechselseitige Wirkung weiterer Differenzkategorien im gleichstel- le, die textile Kinderwerkstatt. Zu hören und zu sehen waren das
lungspolitischen Kontext eine bedeutende Rolle spielt.              Live-Hörspiel „Der Laden am Ende der Straße“ und „Tom Sawyer“,
                                                                    eine weitere, erfolgreiche Theateraufführung der PH Playmates.
   Wie Vielfalt konstruktiv beim Erlernen fremder Sprachen genutzt Studierende gaben einen Kunstkurs in der JVA Freiburg, und Leh-
werden kann, das beschreiben Clémentine Abel und Sarah Dietrich. rende gingen auf weite Reise, z.B. nach Almaty in Kasachstan.
Eine Tagung des Bundeskongresses des Gesamtverbands Moderner
Fremdsprachen zeigte deutlich, dass nicht die Einzelsprachen und       Die Redaktion
ihre Didaktik, sondern allgemeine Fremdsprachendidaktik und Mehr-
sprachigkeitsdidaktik im Mittelpunkt stehen sollten und sprachüber-
greifende Formate von Bedeutung sind.
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Titelthema: Diversity

Diversity __________________________________________________________
4     Geschlecht ist immer mit gemeint!?                                                         Doris Schreck · Anja Bechstein
      Diversity an Hochschulen aus genderpolitischer Perspektive

7     Religiöse Diversität in Bildungseinrichtungen als Chance für inklusive                     Christoph Knoblauch
      Bildungsprozesse
      Theoretische Betrachtungen und praktische Ausblicke für eine interreligiöse Bildung

9     Inklusion – religionspädagogisch und theologisch perspektiviert                            Sabine Pemsel-Maier
      Ein intra- und interdisziplinäres Forschungsprojekt

11    BRücKE – Ein intergenerationelles Projekt                                                  Bernd Steinhoff
      Für eine weltoffene Hochschule

14    Umgang mit Heterogenität                                                                   Thomas Fuhr · Ruth Michalek
      Der Masterstudiengang Erziehungswissenschaft

16    Café Europe meets Gender                                                                   Yvonne Baum · Olivier Mentz
      Diversitätsaspekte im Europalehramt

18    Neue Vielfalt beim Erlernen fremder Sprachen                                               Clémentine Abel · Sarah Dietrich
      Eine Retrospektive auf den Bundeskongress des Gesamtverbands Moderne Fremdsprachen (GMF)

20    VOGUEING                                                                                   Anne-Marie Grundmeier · Sabine Karoß
      Strike a Pose

22    (Anti-)Diskriminierung an der Hochschule                                                   Marion Degenhardt · Jutta Heppekausen
      Dialogische Einblicke in die Planung eines Workshops

Forschung · Lehre · Campus
Hochschule ________________________________________________________
28   Vorfahrt für die Bildung                                                                    Helga Epp
     Interview Wissenschaftsministerin Theresia Bauer

30   Dies academicus                                                                             Helga Epp
     Eröffnung des Akademischen Jahres 2014/2015

33   Musik kreativ+                                                                              Georg Brunner
     Förderung von Kreativität und Entrepreneurship durch Musik, Performance und kulturelle
     Zusammenarbeit

34   Verleihung des TOTAL E-QUALITY-Prädikats                                                    Helga Epp
     Auszeichnung für eine in der Praxis gelebte Chancengleichheit

34   Hoher Spaßfaktor und trotzdem viel gelernt!                                                 Martina von Gehlen
     Schülerinnen und Schüler der Studienkompass-Gruppe an der Hochschule

36   Informative und motivierende Stunden an der Hochschule                                      Laura Schmidt
     Studieninfotag im November 2014

37   Come in and write out                                                                       Laura Schmidt
     Tag der offenen Tür im Schreibzentrum
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Lehre und Forschung_________________________________________________
38    Lions Quest – Erwachsen handeln                                                            Uwe H. Bittlingmayer
      Neue Wege in der außercurricularen Kompetenzförderung im schulischen Setting

39    Zukunftsforum Bildungsforschung                                                            Heike Ehrhardt · Juliane Zeiser
      Bildung durch Sprache – Sprache durch Bildung

40    Gesundheitspädagogik in Forschung und Praxis                                               Eva-Maria Bitzer
      Eine Fachtagung

42    Kindergarten- und Grundschulkinder erleben gemeinsam Mathematik                            Gerald Wittmann
      Das Projekt „MATHElino“

43    Tandem-Teaching                                                                            Senganata Münst
      Interdisziplinäre Lehrveranstaltungen als Strategie für mehr Kohärenz im Lehramtsstudium

44    Sprachberatung für externe Institutionen                                                   Laura Schmidt
      Unterrichtsgestaltung, Lehrmaterialien, Weiterbildung

45    Aufführung eines Live-Hörspiels                                                            Helga Epp
      Werkstattgespräch mit Monika Löffler und Sieglinde Eberhart

Campus und darüber hinaus ___________________________________________
46    Das Oratorium „Hiskia“                                                                     Stefan Weible
      Eine Freiburger Uraufführung

47    Kids Go Textile!                                                                           Anne-Marie Grundmeier ·
      Textile Kinderwerkstatt                                                                    Eve-Marie Zeyher-Plötz

49    Ich höre einen Saal voll Menschen                                                          Laura Schmidt
      Das Seminar „Hörspiel“ inszenierte eine Live-Aufführung

50    PH Playmates bringen Tom Sawyer auf die Bühne                                              Helga Epp
      Ein Gespräch mit Regisseurin Susanne Franz

52    Kunst im Knast                                                                             Laura Schmidt
      Studierende geben Kunstkurs in der JVA Freiburg

53    Steppe oder Berge oder beides?                                                             Ulrike Weiss
      Ein Besuch in Almaty an der Abai-Universität

Personalia · Porträts · Würdigungen ______________________________________
55    Ihr musikpädagogisches Herz schlägt für die Kleinen                                        Georg Brunner
      Verabschiedung von Mechtild Fuchs

57    Zum Abschied von Gudrun Ringel                                                             Gregor Falk
      Eine Laudatio zur Pensionierung

58    Zum Tod von Kurt Abels                                                                     Ingelore Oomen-Welke · Rudolf Denk
      27.11.1928 – 4.9.2014

Thema des nächsten Heftes: Forschung · Lehre · Campus
UN - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische Hochschule Freiburg
ph·fr 2015/1 Diversity

                                                                 Doris Schreck · Anja Bechstein

    Geschlecht
                             ist immer mit gemeint!?
    Diversity an Hochschulen aus genderpolitischer Perspektive

4
UN - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische Hochschule Freiburg
ph·fr 2015/1

                                                                                Menschliche Vielfalt wird als
                                                                             ein positiver Aspekt angesehen, der
                                                                            ein hohes Entwicklungspotenzial für
                                                                            gesellschaftliche und wirtschaftliche
                                                                                      Ebenen beinhaltet.
                                                                                      Frauen- und Gleichstellungsbüro,
                                                                                       Leuphana Universität Lüneburg

I
     m Wintersemester 2012/13 wurde           gleichstellungspo-
     das Gleichstellungsbüro in Stabsstel-    litischen Akteur_in-
     le Gleichstellung, akademische Perso-    nen an Hochschulen2
     nalentwicklung und Familienförderung     sind Maßnahmen, die sich
umbenannt. Dies kennzeichnet auch die         ausschließlich auf Frauen oder
enorme Erweiterung der Themen, der Ziel-      Männer beziehen, durchaus kritisch
gruppen, des Auftrags und nicht zuletzt die   zu hinterfragen. Insbesondere seit Einfüh-
Entwicklung des gleichstellungspolitischen    rung des Allgemeinen Gleichbehandlungs-       Geschlecht gilt angesichts der nach wie vor
Selbstverständnisses der Hochschule seit      gesetzes (AGG 2006) wird unter Gleich-        bestehenden geschlechtsspezifischen Dis-
der Einrichtung des damaligen Frauenbüros     stellungsakteur_innen verstärkt über die      kriminierungsmechanismen in der Wissen-
Mitte der 1990er Jahre.                       Chancen und Risiken, die eine Öffnung         schaft und an Hochschulen als durchaus
                                              der Perspektive für weitere Kriterien so-     gerechtfertigt. Nicht zuletzt folgt dies dem
   So vielfältig wie ihre Aufgaben sind die   zialer und kultureller Diskriminierung mit    gleichstellungspolitischen Ziel und dem
Zielgruppen der Stabsstelle Gleichstellung:   sich bringt, debattiert. Dabei werden vor     gesetzlichen Auftrag, auf Chancengleich-
Studierende und Dozierende aller Studi-       allem zwei Aspekte kritisiert: erstens die    heit von Frauen und Männern in Wissen-
engänge der Hochschule sowie Lehrkräf-        im Diversity-Ansatz häufig fehlende Be-       schaft und Hochschule hinzuwirken.3
te und Fortbildner_innen sind im Bereich      rücksichtigung von herrschaftspolitischen
der Implementierung von Gender in die         Begriffen wie Macht oder Klasse und zwei-        Und dennoch – und darüber besteht
Lehre und der Professionalisierung durch      tens die zugrundeliegende heteronormati-      weitgehend Konsens unter den Gleichstel-
Genderkompetenz angesprochen; Jungen-         ve Festlegung von Geschlecht, die bereits     lungsakteur_innen – kann gleichstellungs-
und Mädchen-Zukunftstage richten sich         in der Diskussion um die Implementierung      politische Praxis nicht eindimensional und
an Schüler und Schülerinnen; studieren-       des Gender-Mainstreaming-Konzepts be-         damit ausgrenzend im Hinblick auf weitere
de und beschäftigte Eltern sind Zielgrup-     klagt wurde. Zudem werden u.a. das neoli-     soziale und strukturelle Diskriminierungs-
pe der familienfreundlichen Hochschule;       berale, unternehmerische Verständnis von      formen vollzogen werden. Und sie wird es
das Professorinnenprogramm gibt Anrei-        Diversity im Zusammenhang mit der zu-         auch nicht: Bereits im Rahmen der gleich-
ze, Spitzenpositionen an der Hochschule       nehmenden Ökonomisierung von Hoch-            stellungspolitischen Frauenförderung wur-
mit Frauen zu besetzen, ein Mentoring-        schulen kritisch beleuchtet, wie auch die     de sehr früh die Notwendigkeit einer er-
programm fördert den weiblichen Wissen-       allgemeinen Bedenken diskutiert, dass die     weiterten Zielgruppendefinition erkannt,
schaftsnachwuchs. Einzelne Aktivitäten        ohnehin an Bedeutung verlierende Katego-      die Kategorien wie soziale Herkunft, Ethnie,
sind also nach wie vor an der Geschlech-      rie Geschlecht im Schmelztiegel zahlreicher   Religion, sexuelle Orientierung, Gesundheit,
terkategorie ausgerichtet, vor allem dort,    Dimensionen sozialer Diskriminierung ver-     Bildung, Alter, Familiensituation u.a.m. mit
wo der politische Auftrag der Geschlech-      schwindet. Gleichzeitig wird abgewogen,       einbezieht. Dies steht in der Tradition der
terparität auf einzelnen Ebenen noch nicht    inwiefern Diversity als Türöffner genutzt     Kritischen (Feministischen) Theorie sowie
erreicht ist.                                 werden sollte, um die schwindende Akzep-      der internationalen Frauen-, der Black-
                                              tanz von Chancengleichheitsmaßnahmen          Women- wie auch der Human-Rights-Be-
Spannungsfelder im Umgang mit                 zu erhöhen.                                   wegung.
Gender und Diversity
                                                Knappe personelle und finanzielle Res-      Mehrdimensionale
   Vor dem Hintergrund des aktuellen wis-     sourcen ohne langfristige Absicherung gel-    Gleichstellungspolitik an der
senschaftstheoretischen Diskurses1 um di-     ten andererseits als aktuelles Argument       Hochschule
versitätsbezogene Konzepte aus Gender-        gegen eine mehrdimensionale Erweiterung
bzw. Intersektionalitätsperspektive und der   des Aufgabenfeldes im Gleichstellungs-          Für die tägliche Praxis in der Stabsstelle
seit Jahren andauernden Debatte um den        bereich. Eine Fokussierung von Chancen-       Gleichstellung ist es wichtig, Individuen als
„richtigen“ Umgang mit Diversity unter        gleichheitsmaßnahmen auf die Kategorie        solche zu betrachten, ihnen also nicht vor-
                                                                                                                                            5
UN - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische Hochschule Freiburg
ph·fr 2015/1 Diversity

      Hinweise zum Sprachgebrauch der Autor_innen
      Ein Blick auf Pluralisierungsformen im deutschen Sprachgebrauch zeigt, inwiefern
      ein gendersensibler Sprachgebrauch einen wesentlichen Beitrag zur Gleichberech-
      tigung leisten kann. Die Verwendung des generischen Maskulinums, welches durch
      die Pluralform männlicher Personen (Studenten) gebildet wird, wich in den letzten
      Jahrzehnten zugunsten der Gleichstellung von Männern und Frauen einer Plura-
      lisierung, die Männer und Frauen gleichermaßen sichtbar macht (Student/innen,
      StudentInnen). Diese Form der Pluralisierung repräsentiert die binäre Codierung von
      Geschlechterbildern in unserer Gesellschaft. Personen, die sich nicht in ein Muster
      aus zwei Geschlechtern einfügen lassen wollen oder können, sind hier oftmals weder
      mitgemeint noch mitgedacht. Um sichtbar zu machen, dass über die binäre Codie-
      rung hinaus eine Vielfalt von Geschlechterbildern angesprochen wird, verwendet die
      Stabsstelle Gleichstellung Partizipialkonstruktionen (Studierende) oder in Anlehnung
      an die Queer-Theory den Gender-Gap Student_innen).
      Weitere Informationen zum gendersensiblen Sprachgebrauch, Praxisbeispiele und
      Anregungen finden Sie auf der Seite der Stabsstelle Gleichstellung unter dem Menü-
      punkt Links – Geschlechtergerechte Sprache.

    rangig als Mitglied einer der Zielgruppen       Diskriminierung und deren Verschränkun-      tig soll für Chancenungleichheit sensibi-
    mit spezifischen Merkmalen zu begegnen.         gen.7 Aus der gleichstellungspolitischen     lisiert und somit eine Kultur der Offenheit
    Jede einzelne Person bringt beispielsweise      Praxis an Hochschulen wiederum liegen        geschaffen werden, um dem Ziel einer dis-
    in die Beratungsgespräche der Stabsstelle       aktuelle Berichte über Implementierungs-     kriminierungsfreien Hochschule näherzu-
    ein individuelles Spektrum an Vielfalt ein,     projekte von Diversity-Konzepten wie etwa    kommen.
    das es zu berücksichtigen gilt. Es kann nicht   an den Universitäten Frankfurt oder Bre-
    um eine Hierarchisierung einzelner Diver-       men vor.8 Wissenschaftstheoretisch un-
    sitätsmerkmale gehen, sondern vielmehr          terfüttert und selbstkritisch reflektiert,
    darum, im Sinne eines Intersektionalitäts-      können diese Modelle als wertvolle Erfah-
    ansatzes4 sozialer und struktureller Dis-       rungsgrundlage dienen.
    kriminierung in ihrer Komplexität zu be-
    gegnen, indem Interdependenzen beachtet            Zusammenfassend möchten wir fol-          Anmerkungen
                                                                                                 1) In Krell (2013) findet sich ein guter Überblick
    werden. Gender kann dabei eine Kategorie        gende Aspekte benennen, die wir als
                                                                                                 zum ideologiekritischen Diskurs wie auch zu positi-
    sein, um Komplexität zu strukturieren5.         grundlegend für die Verwirklichung ei-       ven Handlungsansätzen zu Diversity. In: Bender u.a.;
                                                    ner kritisch reflektierten hochschulpoli-    zur Ambivalenz im Umgang mit Diversity-Ansätzen
       Chancengleichheitsmaßnahmen sollen           tischen Gleichstellungsarbeit betrachten:    vgl. auch Riegel (2013).In: Faas u.a.
                                                                                                 2) Zu Spannungsfeldern gleichstellungspolitischer
    Merkmale spezifischer Gruppen oder Per-         - ein auf Antidiskriminierung und Chan-
                                                                                                 Arbeit in Wissenschaft und Hochschulen siehe Blo-
    sonen nicht (re)produzieren, sondern Diver-     cengerechtigkeit ausgerichtetes Selbst-      me et. al. (2013).
    sitäten von Einzelnen zugunsten gleicher        verständnis von Diversity mit dem Ziel,      3) Vgl. Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg
    Arbeits-, Lern- und Beteiligungsmöglich-        soziale und strukturelle Ausgrenzungen       2014 (§4), Hochschulrahmengesetz 2005 (§3).
                                                                                                 4) Vgl. Budde, J. oder Tuider, E. (2012). In: Kleinau/
    keiten, also zugunsten der Gleichstellung       von vielfältigen Lebensweisen und deren
                                                                                                 Rendtorff.
    aller Hochschulmitglieder berücksichtigen.      Mechanismen zu thematisieren und ent-        5) Vgl. Czollek/Perko: http://portal-intersektionalita-
    Dies ist keine einfache Aufgabe und wir         sprechende Maßnahmen zu entwickeln,          et.de/theoriebildung/schluesseltexte/perkoczollek/,
    stimmen hier Gertraude Krell zu, die sich       - Reflexion von Gendermaßnahmen und          10.11.2014.
                                                                                                 6) Krell (2008), S. 49. In: Andresen u.a.
    in ihrer umfassenden Analyse von Vor- und       Begründung der Fokussierung auf spe-
                                                                                                 7) Vgl. dazu auch Scherr (2011), S. 84. In: Leiprecht.
    Nachteilen verschiedener Verknüpfungs-          zifische Zielgruppen sowie Vermeidung        8) Bender/Wolde (2013) und Satilmis/Niehoff/Kauf-
    konstellationen „für eine Verbindung von        von Ausschlüssen und Stigmatisierungen,      mann (2013). In: Bender u.a.
    Gender und Diversity [ausspricht], jedoch       - Schaffung von Reflexionsräumen zur
                                                                                                 Literatur
    gegen die Vorstellung, dass es dafür einen      selbstkritischen Auseinandersetzung mit
                                                                                                 Bender, S.-F. u.a. (Hg.) (2013): Diversity ent-decken.
    `one best way` oder `Königsweg` gibt“.6         Diskriminierungsdimensionen und de-          Reichweiten und Grenzen von Diversity Policies
                                                    ren Interdependenzen bei der Konzepti-       an Hochschulen. Weinheim/Basel. - Blome, E. u.a.
       Für die Entwicklung eines hochschulspe-      on und Durchführung von Maßnahmen,           (2013): Handbuch zur Geschlechterpolitik an Hoch-
    zifischen Gender- und Diversitykonzeptes        - interne und externe Vernetzung und         schulen. Wiesbaden. - Kleinau, E./Rendtorff, B. (Hg.)
                                                                                                 (2012): Differenz, Diversität und Heterogenität in
    besteht – dies zeigt die bei weitem nicht       Bündnispolitik für eine mehrdimensionale     erziehungswissenschaftlichen Diskursen. Leverku-
    vollständige Analyse des oben erwähnten         Gleichstellungsarbeit an der Hochschule.     sen. - Andresen, S. u.a. (Hg.) (2008): Gender und
    aktuellen wissenschaftlichen Diskurses –                                                     Diversity: Alptraum oder Traumpaar? Wiesbaden. -
    noch Klärungsbedarf zu Begriffsdefinitio-         Mit ihren verschiedenen Angeboten und      Faas, Stephan u.a. (Hg.) (2013): Kompetenz, Perfor-
                                                                                                 manz und soziale Teilhabe. Sozialpädagogische Per-
    nen sowie zum theoretischen, empirischen        Maßnahmen zielt die Stabsstelle auf die      spektiven auf ein bildungstheoretisches Konstrukt.
    wie auch berufspraktischen Umgang mit           Förderung der Chancengleichheit aller        Wiesbaden. - Leiprecht, R. (Hg.) (2011): Diversitäts-
6   den Dimensionen struktureller und sozialer      Angehörigen der Hochschule. Gleichzei-       bewusste Soziale Arbeit. Schwalbach/Ts.
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ph·fr 2015/1

                                                                                                                  Christoph Knoblauch

Religiöse Diversität
                        in Bildungseinrichtungen
                        als Chance für inklusive
                        Bildungsprozesse
            Theoretische Betrachtungen und praktische Ausblicke
            für eine interreligiöse Bildung

                                                                                                  Die Vielfalt religiöser und

D
           ie kulturellen und religiösen So-   und nachhaltig fördern zu können,             weltanschaulicher Überzeugungen
           zialisationsherausforderungen       müssen die weltanschaulich-plu-                 soll als wichtige und wertvolle
           und -chancen einer pluralen         ralen Grundlagen der Pädagogik                   Bedingung des gemeinsamen
           Gesellschaft können Kindern         erneut reflektiert werden: Pä-                 Zusammenlebens erkennbar und
und Jugendlichen Raum bieten, sich selbst      dagogik sollte als „pluralisier-
wahrzunehmen, die Einzigartigkeit des an-      te säkulare Pädagogik mit nicht
                                                                                                       erlebbar werden.
deren zu entdecken und gemeinsam Vorur-        ausschmelzbaren weltanschau-
                                                                                                        Christoph Knoblauch
teile abzubauen. Lernen entwickelt sich im     lich-religiösen Denkvoraussetzun-
Miteinander und kann besonders intensiv        gen“ (Nipkow 1998, S. 108) verstanden
sein, wenn Gemeinsamkeiten und Unter-          werden. Ein bedeutendes Ziel ist dabei
schiede erkannt und reflektiert werden.        eine inklusive Erziehungs- und Bildungsat-
                                               mosphäre, die von Akzeptanz und Respekt
   Die Entwicklung interreligiöser Kompe-      geprägt ist und wechselseitiges Verständ-
tenz zeigt sich dabei als ein dynamischer      nis entwickelt. Die Herausforderung ei-       und Sport Baden-Württemberg 2011, S. 7).
Prozess, der sich zwischen Bekanntem und       ner reflektierten, vorurteilsbewussten und    In diesem Horizont ist inklusive Pädagogik
Unbekanntem bewegt und in so genann-           sensiblen Begleitung interreligiöser Kon­     als Bildung zu verstehen, die Diversität be-
ten kulturellen und religiösen Überschnei-     struktionsprozesse benötigt aufmerksame       wusst annimmt und gezielt fördert. Da-
dungssituationen auftritt: Unbekanntes         und konstruktive Wahrnehmung, funkti-         bei ist die religiöse bzw. weltanschauliche
und Unverständliches motiviert zur Refle-      onale und angepasste inklusive Konzepte       Überzeugung als Dimension von Diversität
xion des Eigenen, andere religiöse Über-       und ganz besonders kompetente und kon­        zu besprechen, die im Kontext einer inklu-
zeugungen helfen, andere Religionen ken-       struktive pädagogische Fachkräfte.            siven Pädagogik konstruktiv angenommen
nenzulernen und über die eigene religiöse                                                    werden sollte. Das Nachdenken über In-
Überzeugung nachzudenken. Vor diesem              Vor diesem Hintergrund benötigt eine       klusion ist vor diesem Hintergrund auch
Hintergrund ist es wichtig, Pädagogen          von Diversität geprägte Lern- und Lebens-     immer ein Nachdenken über religiöses und
und Bildungseinrichtungen zielgerichtet in     welt die Diskussion inklusiver und interre-   interreligiöses Lernen: Interreligiöses Ler-
praktischen und konzeptionellen Fragen zu      ligiöser Lernprozesse aus pädagogischer,      nen ist Teil inklusiver Pädagogik.
religiöser und weltanschaulicher Diversi-      theologischer, fachdidaktischer und prak-
tät zu unterstützen: Interreligiöse Bildung    tischer Perspektive.                             Dies berücksichtigend lassen sich erste
stellt eine elementare Herausforderung                                                       Ziele einer inklusiven interreligiösen Päda­
dar, ist in allen Kulturen und Religionen      Religiöse Diversität und Inklusion            gogik benennen:
grundlegender Diskussionsgegenstand und        zusammen denken                               - Kinder sollen in allen Bildungszusam-
beschäftigt die aktuelle pädagogische Dis-                                                   menhängen erfahren dürfen, dass sie mit
kussion intensiv.                                Inklusion wird dabei als „die wertschät-    ihren religiösen Vorstellungen und weltan-
                                               zende Anerkennung von Unterschiedlich-        schaulichen Überzeugungen angenommen
  Um den Dialog zwischen Kindern und           keit und die konsequente Orientierung an      und ernstgenommen werden. Dabei sollen
Jugendlichen verschiedener religiöser und      den Bedürfnissen eines jeden Kindes“ be-      sie sich als Individuen und auch als Mit-
weltanschaulicher Überzeugungen gezielt        sprochen (Ministerium für Kultus, Jugend      glieder einer Gruppe fühlen können.             7
UN - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische Hochschule Freiburg
ph·fr 2015/1 Diversity

    - Kinder sollen durch Begegnung erfahren,       - die Akzeptanz des Andersseins - errei-       Vielfalt als Reichtum versteht und im Sinne
    dass es andere Überzeugungen gibt und           chen möchten, müssen wir den Kindern           einer inklusiven vorurteilsbewussten Bil-
    lernen, dass diese ebenso wertzuschätzen        rechtzeitig mehr Erfahrungen anbieten.         dung aktiv erlebbar macht. Die dialogisch-
    sind wie ihre eigenen.                          Erfahrungen von verschiedenen Kultu-           kommunikative und reflexive Begegnung
    - Kinder sollen die Möglichkeit bekommen,       ren und Religionen. Es ist für uns häufig      unterschiedlicher Überzeugungen von Kin-
    Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu er-         überraschend, wie aufnahmefähig die Kin-       dern, Eltern und Pädagogen ist gleichzeitig
    leben. Vorurteile gilt es, in diesem Prozess    der sind.“ Dabei ist es besonders wichtig,     als Grundlage und Ziel inklusiver interreli-
    aktiv zu identifizieren und abzubauen.          „dass das Kind zuerst offen über Religion      giöser Bildung zu betrachten.
    - Kinder und Jugendliche sollen für Diskri-     lernt und Religion kennenlernen kann, um
    minierung aufgrund religiöser oder welt-        dann auch Wert auf seine Religion legen
    anschaulicher Überzeugung sensibilisiert        zu können und zu lernen, den anderen zu
    werden – dabei gilt es, Diskriminierung         respektieren“.1
    aktiv und gemeinschaftlich zu begegnen.
                                                       Vor diesem Hintergrund untersucht das
      Die Vielfalt religiöser und weltanschauli-    Forschungsprojekt „Religiöse und interreli-
    cher Überzeugungen soll als wichtige und        giöse Kompetenzentwicklung in der frühen
    wertvolle Bedingung des gemeinsamen             Bildung“ an der Pädagogischen Hochschule
    Zusammenlebens erkennbar und erlebbar           Freiburg inklusive Bildungspotenziale in re-
    werden.                                         ligiös- und weltanschaulich-heterogenen
                                                    Bildungszusammenhängen. Folgende Qua-
    Überzeugungen sensibel wahrnehmen               litätsmerkmale einer inklusiven interreligi-
                                                    ösen Pädagogik lassen sich aus der bishe-
       Für die Praxis bedeutet dies konkret, dass   rigen Forschung ableiten:
    die verschiedenen religiösen und weltan-        - Kinder, Jugendliche und pädagogische
    schaulichen Überzeugungen von Kindern           Fachkräfte verschiedener religiöser und
    und Jugendlichen in Bildungseinrichtun-         weltanschaulicher Überzeugungen kön-
    gen sensibel wahrzunehmen und aktiv             nen gemeinsam religiöse Feste wahr-
    zu thematisieren sind. Der gemeinsamen          nehmen und bis zu einem gewissen Grad
    Reflexion von Überzeugungen und Erfah-          auch miteinander an religiösen Traditionen
    rungen und der damit verbundenen Idee           teilhaben. Bezugspersonen verschiedener
    des Erfahrungslernens kommt hier beson-         Religionen und Überzeugungen werden
    dere Bedeutung zu: Wenn Kinder andere           in die Bildungseinrichtung eingebunden,
    Religionen und Überzeugungen in ihrer           das Umfeld der Einrichtung wird durch Ko-
    Lebenswelt kennenlernen und erfahren            operationen aktiv genutzt und die Eltern
    dürfen, bietet sich ihnen die Möglichkeit,      werden in ihrer Religion und Überzeugung
    Vielfalt als positive und konstruktive Rea-     konsequent in die pädagogische Arbeit ein-
    lität wahrzunehmen. Die Leitung einer Bil-      bezogen.
    dungseinrichtung in Jerusalem, die ganz         - Kinder und Jugendliche benötigen bei der
    besonders stark von religiöser Diversität       Konstruktion ihrer religiösen und weltan-
    geprägt ist, fasst es bei einem Gespräch        schaulichen Überzeugungen ein Bildungs-
    wie folgt zusammen: „Wenn wir unser Ziel        umfeld, das religiöse und weltanschauliche

                                                                                                   Anmerkung
                                                                                                   1) Das Interview wurde im Rahmen einer For-
                                                                                                   schungsreise (2012) in Jerusalem aufgenommen.
                                                                                                   Die Aufnahmen und Transkripte können beim Autor
                                                                                                   eingesehen werden.

                                                                                                   Literatur
                                                                                                   Nipkow, Karl Ernst (1998): Bildung in einer pluralen
                                                                                                   Welt. Religionsunterricht im Pluralismus. 2 Bde.
                                                                                                   Gütersloh. - Ministerium für Kultus, Jugend und
                                                                                                   Sport Baden-Württemberg (Hg.) (2011): Orientie-
                                                                                                   rungsplan für Bildung und Erziehung in baden-
                                                                                                   württembergischen Kindergärten und weiteren
8                                                                                                  Kindertageseinrichtungen. Stuttgart.
ph·fr 2015/1

Inklusion                                                                                                             Sabine Pemsel-Maier

– religionspädagogisch und theologisch
           perspektiviert
Ein intra- und interdisziplinäres Forschungsprojekt

„A
              ls Christ/in und erst recht als
              Theolog/in muss man Inklu-
              sion sowieso gut finden – al-
              les andere geht ja gar nicht.“
Diese These, von Hochschulkolleg/innen,
Religionslehrkräften und Studierenden teils
mit großer Überzeugung und Begeisterung,
teils aber auch mit unüberhörbarem Stoß-
seufzer angesichts erfahrener Schwierig-
keiten bei der Umsetzung vorgebracht, war
Anlass für die Initiierung eines Forschungs-
projekts. Es hatte zum Ziel, Inklusion unter
theologischer, religionspädagogischer und
auch religionsdidaktischer Perspektive zu
beleuchten und damit eine Forschungslü-
cke zu bearbeiten, die vor allem innerhalb
der katholischen Religionspädagogik                 Bei aller Vielfalt der
spürbar war.                                     Voraussetzungen geht es
                                                darum, dem Individuum die
  Zwar ist Inklusion weder ein Akt           bestmögliche Bildung mitzugeben
christlicher Nächstenliebe noch            und Modelle des Zusammenlebens zu
primär religiös begründet. Aber in-        entwickeln, wie sie für eine vielfältige,        nnDie Jahrestagung der Sektion „Didaktik“
sofern sie eine Wertentscheidung           demokratische Gesellschaft nötig sind.           der Arbeitsgemeinschaft Katholische
darstellt, kann sie nicht nur von all-                                                      Religionspädagogik und Katechetik (AKRK) in
gemein humanen, sondern auch von                Prof. em. Dr. Annedore Prengel,             Würzburg im Januar 2014
christlichen Überlegungen motiviert                   Universität Potsdam
und auf eine theologische Fundierung
hin offen sein. Dabei macht sie nicht nur                                       Arbeitswel-      Optionen eröffnet und gelungene Reali-
Ernst mit der Idee der Diversität als Aus-                                   ten eintritt, lag   sierungsformen von Inklusion vorgestellt
gangs- und Zielpunkt von Gesellschaft,           der Fokus des Projekts im Zuge des 2006         werden.
sondern auch mit der Wertschätzung von           von der UN verabschiedeten Übereinkom-
Individualität und Heterogenität, die dem        mens über die Rechte von Menschen mit              Dabei waren kritische Fragen nicht
Evangelium zu eigen ist.                         Behinderung auf deren gleichberechtigter        nur zugelassen, sondern ausdrücklich er-
                                                 Teilhabe im Kontext Schule. Nicht das „Für      wünscht, weil diese im gegenwärtigen In-
Im Fokus: Schüler/innen mit                      und Wider“ der Inklusion von Schüler/innen      klusionsdiskurs vielfach nicht offen thema-
Behinderung                                      mit Behinderung sollte Thema sein, da sie       tisiert werden, um nicht politisch unkorrekt
                                                 mit der Ratifizierung der UN-Behinderten-       zu erscheinen. Gerade weil christlicher
  Im Wissen um die weite Semantik des            rechtskonvention ein nicht verhandelbares       Glaube als Weltanschauung bzw. Theologie
Terminus „Inklusion“, der auf die gleichbe-      politisches Grundrecht darstellt. Vielmehr      und Religionspädagogik als Wissenschafts-
rechtigte Teilnahme aller am sozialen Le-        sollten die theologischen Wurzeln des In-       disziplinen zur Durchsetzung von Inklusion
ben abzielt, sich grundsätzlich gegen den        klusionsgedankens aufgedeckt, theologi-         prädestiniert erscheinen, sind sie auch zu
Ausschluss von Menschen aus bestehen-            sche Begründungen identifiziert, aus der        kritischer Differenzierung legitimiert, wenn
den Systemen wendet und für den Einbe-           Perspektive des Glaubens über Gleichheit        nicht gar verpflichtet – ganz im Sinne des
zug unterschiedlichster Individuen in ge-        und Andersheit, Gleichwertigkeit und Dif-       altgriechischen krínein, das „scheiden“ und
meinsam geteilte Lebens-, Bildungs- und          ferenz reflektiert, religionspädagogische       „unterscheiden“ impliziert.                    9
ph·fr 2015/1 Diversity

                                                                                                         nnDie Ergebnisse des Forschungspro-
                                                          Sabine Pemsel-Maier / Mirjam Schambeck (Hg.)
                                                                                                         jekts sind im Einzelnen zusammenge-
                                                                                                         stellt im Band „Inklusion!? Religions-

                                                         Inklusion!?
                                                                                                         pädagogische Einwürfe“. Freiburg 2014.
                                                                                                         An seinem Ende stehen zehn Thesen der
                                                                                                         beiden Herausgeberinnen, die zu weite-
                                                                                                         rer Diskussion anstiften wollen.

                                                                Religionspädagogische Einwürfe

     Unterschiedliche Vertreter/innen und                                                                te Heil nicht nur jenseitig oder unsicht-
     kontroverse Positionen vernetzt                                                                     bar ist; weil der christliche Glaube auf eine
                                                                                                         Gemeinschaft hinzielt, die auf niemanden
        Entsprechend suchte das Forschungs-                                                              verzichten kann. Es lieferte auch zahlreiche
     vorhaben die Vernetzung unterschiedlicher                                                           Denkanstöße zum Umgang mit Diversität
     Fachvertreter/innen. Als theologisch intra-                                                         als Ausgangs- und Zielpunkt einer inklu-
     disziplinär angelegtes Projekt war es durch                                                         siven Schule, die aus theologischer Per­
     den Dialog mit Bildungswissenschaftlern                                                             spektive der Orientierung und der Kontu-
     zugleich interdisziplinär angelegt. Die                                                             rierung bedarf.
     Leitung hatten Sabine Pemsel-Maier, PH         erstellenden Praktiker/innen, radikale und
     Freiburg (zuvor PH Karlsruhe) und Mirjam       vorsichtig-abwägende Inklusionsvertreter/              So erschien Diversität nicht einfach per
     Schambeck, Religionspädagogin an der           innen, strikte Gegner/innen und klare Be-            se als „gut“, sondern es wurde auch ihr
     Universität Freiburg. Aus diesen beiden In-    fürworter/innen von Förderschulen. Der               mögliches destruktives Potenzial aufge-
     stitutionen wirkten zudem Christian Höger      Vernetzung diente neben anderem im Ja-               deckt, wenn etwa die unterschiedlichen
     (PH Freiburg) und Johannes Heger (Univer-      nuar 2014 die Jahrestagung der Sektion               Lernausgangslagen in einer Lerngruppe
     sität Freiburg) mit eigenen Beiträgen mit.     „Didaktik“ der Arbeitsgemeinschaft Katho-            so groß sind, dass Differenzen Kommuni-
     Als religionspädagogisch für Inklusion aus-    lische Religionspädagogik und Katechetik             kation und Aktivierung hemmen und da-
     gewiesene Fachvertreter/innen waren Tho-       (AKRK) in Würzburg, der Mirjam Scham-                mit Bildungsprozesse nicht mehr in Gang
     mas Müller (Universität Würzburg), Anita       beck und Sabine Pemsel-Maier vorstehen.              setzen. Je nach Umständen kann dann die
     Müller-Friese (Institut für Religionspäda-                                                          gemeinsame Beschulung weniger inklusiv
     gogik der evangelischen Landeskirche Ba-       Denkanstöße                                          und weniger förderlich sein als eine För-
     den) und Bert Roebben (TU Dortmund), als                                                            derschule oder -klasse.
     sonder- und inklusionspädagogisch arbei-          Das Forschungsprojekt führte nicht nur
     tende und forschende Lehrkräfte Barbara        vor Augen, dass und wie christlicher Glau-
     Strumann und Elisabeth Hotze, als Vertreter    be, Theologie und Religionspädagogik als
     der allgemeinen (Inklusions-)Pädagogik Jo-     Rezipienten und Impulsgeber wie auch als
     achim Kahlert (Universität München) und        kritische Wächter von Inklusion fungieren
     Georg Feuser (Universität Zürich) beteiligt.   können, weil sie jeden Menschen mit sei-
                                                    nen Fähigkeiten, aber auch Begrenzungen
        Auf diese Weise kamen unterschiedliche      und Behinderungen nicht als Zufall oder
     Perspektiven und durchaus kontroverse Po-      „Unfall“, sondern als von Gott gewolltes
     sitionen in einen Dialog: Theolog/innen und    Geschöpf verstehen; weil sie jeder und je-
     Bildungswissenschaftler/innen, konzeptio-      dem unbedingte Würde zusprechen; weil
     nell an Grundfragen arbeitende Religions-      das von Christen erwartete Reich Gottes
     pädagog/innen mit Unterrichtsmaterialien       niemanden ausschließt; weil das zugesag-

                                             nnTheologie und Religionspädagogik verstehen
                                         jeden Menschen mit seinen Fähigkeiten, aber auch
                                     Begrenzungen und Behinderungen, nicht als Zufall oder
                                          „Unfall“, sondern als von Gott gewolltes Geschöpf.
10
ph·fr 2015/1

                              üc
                            BR KE
                                                                                                                      Bernd Steinhoff

            – Ein intergenerationelles Projekt
Für eine weltoffene Hochschule

              „Nicht die Anwesenheit der ausländischen Studierenden führt
              zur Internationalisierung, sondern erst der lebhafte Austausch
              zwischen den Studierenden.“ (DAAD-Studie 2007)

D
           ie Hochschulen in Deutschland      ständigung über unterschiedlich geprägte      tung, dass die ausländischen Studierenden
           internationalisieren sich zuneh-   Studien- und Lebensvorstellungen führen       häufiger unter sich bleiben und mit den
           mend. Fremdsprachige Lehrver-      und wird als „entscheidendes Mittel zur In-   Einheimischen auf dem Campus oft nur
           anstaltungen und Fachlektüre       tegration der ausländischen Studierenden“     wenig Austausch pflegen. Als Zielsetzung
bilden keine großen Ausnahmen mehr,           angesehen (DAAD-Studie 2007, S. 27).          wurde im Projekt formuliert, die interna-
internationale Studienprogramme wie                                                         tionale Vielfalt wahrnehmbar zum Thema
Erasmus werden lebhaft genutzt, und die         Damit erscheint eine lebhafte Kommu-        zu machen und interkulturelle Zusam-
Mehrzahl der deutschen Studierenden stu-      nikation zwischen den Studierenden als        menarbeit und Begegnung an der Päda-
diert gemeinsam mit ausländischen Kom-        Schlüssel für den Erfolg der Internatio-      gogischen Hochschule konkret zu unter-
militonen. Zudem treffen die Studieren-       nalisierung. Der postulierte Austausch ist    stützen. Zugleich wurde eine innovative
den zunehmend auf Dozenten/innen, die         jedoch keineswegs selbstverständlich und      Gelegenheit zu einem intergenerationellen
internationale Lehr- und Arbeitserfahrung     ergibt sich auch nicht von selbst. Hier er-   Lernen und Arbeiten gesehen. Dazu wurde
mitbringen.                                   öffnet sich eine Handlungsperspektive, an     ein übergreifendes Seminarangebot im-
                                              die das Brücke-Projekt des Seniorenstudi-     plementiert, mit Studierenden Schritt für
  Die Hochschulen verfügen dadurch über       ums anknüpft.                                 Schritt praktisch umgesetzt und weiter-
ein großes Potenzial, ihren Studierenden                                                    entwickelt. Leitfragen waren: Wie kann
vor Ort internationale Erfahrungen zu er-     Projektansatz                                 im Seminar internationale Diversität zur
öffnen und erscheinen als interkulturelle                                                   Sprache kommen, wie können symme­
Lernorte von Interesse. Wenn ein intensiver     Unser Projekt wurde im Sommerse-            trische Teilhabechancen für alle realisiert
Austausch im Studium und darüber hinaus       mester 2008 begonnen. Den Seniorstu-          werden, wie kann überdies an der Hoch-
stattfindet, können sich Studierende ein      dierenden erschien es als spannende und       schule informelle Begegnung unterstützt
unmittelbares Bild vom Leben und Arbeiten     sinnvolle Aufgabe, junge ausländische         werden? Die Pädagogische Werkstatt bot
in anderen Ländern machen. Der Kontakt        Studierende zu unterstützen. Durchge-         und bietet für die Arbeit den geeigneten
unter den Studierenden kann zu einer Ver-     führte Interviews bestärkten die Vermu-       „ErmöglichungsRaum“.                           11
ph·fr 2015/1 Diversity

     Grundzüge und Aktionen                            te, gemeinsame Sache. Grundidee ist:            tur innerhalb der Hochschule beizutragen.
                                                       Studierende engagieren sich miteinander         Da die Neuankömmlinge bereits zum je-
        An dem zweistündigen Projektseminar            füreinander. Die Messlatte für das Enga-        weiligen Monatsanfang anreisen, werden
     nehmen drei verschiedene Gruppen teil:            gement ist der Grad an aktiver Beteiligung      spezielle kleine Exkursionen in Stadt und
     ausländische Studierende, Studierende des         aller Studierenden im Seminar. Dazu muss        Umland organisiert, um lange Wochenen-
     Europalehramtes (EULA) und Seniorstudie-          nicht nur ein gewisses Maß an Selbstbe-         den oder Feiertage vor dem Semesterbe-
     rende. Es gliedert sich in vier Phasen. Den       stimmung bei der Themenwahl und bei den         ginn zu überbrücken. Im Seminar leisten
     Start bildet eine offene und relativ ausgie-      Arbeitsweisen realisiert werden. Wichtig        die Älteren insbesondere infrastrukturelle
     bige Phase des sich Kennenlernens. Diese          erscheint ein Setting, das die Übernahme        Unterstützung bei der Durchführung der
     umfasst auch Bezüge zur Heimat-Univer-            von Mitverantwortung für konkrete Semi-         Projekte. Im Übrigen besteht ihre Aufga-
     sität und endet mit dem Generieren von            naraufgaben unterstützt und zwar in jeder       be darin, sich auf die Vorstellungen und
     Ideen und Vorschlägen, was im Semester            der genannten Phasen.                           Vorschläge der „Mentees“ einzulassen und
     getan und wie gearbeitet werden könnte.                                                           „Mentorschaft“ zu reflektieren: eine pro-
     Daran anknüpfend bilden die Studierenden             Statt hier auf mikrodidaktische Einzelhei-   zessorientierte, eher fragende als antwor-
     gemischte Arbeitsgruppen und planen klei-         ten einzugehen, sei die Rollen- bzw. Aufga-     tende Haltung einzuüben und zur Selbst-
     ne, auf Integration zielende Projekte, die        benverteilung skizziert, in der die verschie-   hilfe anzuregen.
     in aktiv beworbene, hochschulöffentliche          denen Gruppen zusammenarbeiten. Die
     Veranstaltungen münden und die Besucher           EULA-Studierenden haben zumeist schon             Die Verteilung der Verantwortungsrollen
     nach Möglichkeit mit einbeziehen.                 Erfahrungen mit dem Auslandsstudium. Sie        wird nicht starr gehandhabt, sondern sie
                                                       können Beiträge in drei Aufgabenfeldern         erfolgt je nach Interesse und Fähigkeiten.
        Konkret wurden ein so genanntes „Kul-          leisten. Entweder sie recherchieren zu Be-      So etwa übernehmen auch ausländische
     turgespräch am Nachmittag“ und ein                griffen oder Fragen und arbeiten dazu im        Studierende oder Seniorstudierende Semi-
     „Runder Tisch international“ ins Leben ge-        Sinne einer interkulturellen Didaktik (nach     nareinheiten oder Moderationsaufgaben,
     rufen und mehrfach veranstaltet, ebenso           Alfred Holzbrecher) mit dem Seminar, oder       wenn sie sich dies zutrauen. Die Federfüh-
     Weihnachtsfeiern mit storytelling, Impro-         sie übernehmen die Federführung in den          rung in den Arbeitsgruppen ist allerdings
     Theater oder Workshops, etwa zu paper fol-        Arbeitsgruppen, initiieren und begleiten        den jungen Studierenden vorbehalten, um
     ding (Origami), Trommeln oder kreativem           den Prozess. Schließlich können Aktivitä-       herkömmliche Rollen- und Kommunikati-
     Backen. Im Sommersemester 2011 erarbei-           ten bei der hochschulöffentlichen Veran-        onsmuster zwischen den Generationen von
     tete eine Gruppe ein Papier „Didaktische          staltung übernommen werden, sei es bei          vornherein zu vermeiden.
     Hinweise für interkulturelles Studieren“,         Präsentationen der Arbeitsgruppen oder
     stellte es an der Hochschule vor und ver-         bei der Vorbereitung und Moderation der         Resultate
     teilte es unter Studierenden. Im Sommer           Gesamtveranstaltung.
     2014 wurde ein internationales Kochbuch                                                              Die geschilderte Projektarbeit ist vor-
     mit einfachen Gerichten zusammengestellt             Die ausländischen Kommilitonen kom-          nehmlich prozessorientiert und bemisst
     und anschließend Kostproben am „Brücke-           men aus verschiedenen Ländern und Erd-          sich nicht primär an einem erreichten End-
     Stand“ auf dem Sommerfest angeboten.              teilen. Sie sind vor allem als Experten in      produkt. Im Vordergrund stehen die Wege
                                                       eigener Sache gefragt: Zum einen erleben        und vor allem auch die Umwege, die in der
       Im letzten Wintersemester bereiteten            sie die Herausforderungen des Auslands-         Verständigung und Zusammenarbeit mit-
     zwei Projekte „Redewendungen im inter-            studiums am eigenen Leibe und können            einander gegangen werden. Hier eröffnet
     kulturellen Vergleich“ und eine „Aktion           über ihre aktuellen Eindrücke, Bedürfnisse      sich ein weites Feld für gemeinsame (Lern-)
     Sprachenmusik“ vor. Parallel zur Projekt-         und Wünsche Auskunft geben. Zum an-             Erfahrungen. Zu beobachten sind Offen-
     arbeit wurden ein oder zwei begriffliche          deren kennen sie die akademischen Ge-           heit und Neugierde in Bezug auf kultu-
     Konzepte von Studierenden recherchiert            wohnheiten und Wertmaßstäbe an ihren            relle Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
     und in kleinen Einheiten thematisiert. Bei-       Heimat-Universitäten und können aus die-        Die Studierenden berichten gern aus ihren
     spielsweise sind Definitionen von „Kultur“        sen Kontexten heraus zu einer multikultu-       Kontexten und haben erkennbar Freude
     verglichen worden oder es wurde gearbei-          rell geprägten Verständigung und Arbeit         daran, wenn ihre Vorschläge Berücksich-
     tet zu Themen wie „Inklusion“ vs. „Integ-         beitragen.                                      tigung finden.
     ration“, „Interkulturelle Kompetenz“, „Ste-
     reotype“, ,,Storytelling“ oder „Projektarbeit“.      Die Seniorstudierenden schließlich sind         Ein zentraler Aspekt ist die sprachliche
     Den Abschluss bildete ein Evaluationsge-          die einzige Gruppe, die kontinuierlich über     Unterstützung. Als Regelsprache wird im
     spräch, in dem v.a. der Seminarverlauf und        mehrere Semester mitarbeitet und weit-          Seminar stets Deutsch bevorzugt, schon
     die persönliche Bilanz thematisiert sowie         gehend konstant bleibt. Die meisten Teil-       um hier dazulernen zu können. Sprachliche
     Vorschläge für kommende Vorhaben (in der          nehmer/innen haben selber einen Mig-            Barrieren sind dabei nicht zu unterschät-
     Brücke oder nach Rückkehr an den Heimat-          rationshintergrund oder waren beruflich         zen. Von allen Projektteilnehmenden wird
     Universitäten) besprochen wurden.                 im Ausland tätig. Als Ältere sehen sie sich     es geschätzt, wenn klare Regeln für Fälle
                                                       gegenüber den Jungen oftmals in einer           von Nichtverstehen vereinbart und dann
     Spielräume für Mitverantwortung                   Mentorenrolle. Da und dort sind sie dem         auch angewendet werden. Indirekt hilf-
                                                       Akademischen Auslandsamt behilflich, die        reich erscheint die Praxis, da und dort um
       Im Mittelpunkt der Seminararbeit steht          „Incomings“ willkommen zu heißen und so         muttersprachliche Beiträge zu bitten, wo-
12   das praktische Tun für eine selbst gewähl-        zu einer internationalen Willkommenskul-        mit die vorhandene Sprachenvielfalt und
ph·fr 2015/1

Sprachkompetenz anklingt. Die sprachliche
Sondersituation führt nicht selten zu krea-                                          Der soziologische Begriff
tiven Überbrückungen und Sprachspielen,
die besondere Aufmerksamkeit verdienen.                                         „Diversity“ beschreibt ein Konzept
Da die Verständigung mitunter assoziati-                                       zur Förderung von Vielfalt und zur
ve Kapriolen schlägt, wird im Seminar viel
gelacht. Im Übrigen kommen viele Studie-                                       Herstellung von Chancengleichheit.
rende nach eigenem Bekunden gern in die                                    Diversity kann sich dabei auf die Förderung
Brücke und entwickeln ein Zusammen-                                            von u.a. kultureller, altersbezogener
gehörigkeitsgefühl; persönliche, zum Teil
dauerhafte Beziehungen entstehen.                                             oder geschlechtsspezifischer Vielfalt
                                                                                             beziehen.
  Zum Engagement der Studierenden ge-
hört der Wunsch nach handfesten Ergeb-                                                    Beuth Hochschule für Technik Berlin
nissen, selbst wenn die Projekte nicht den
Anspruch haben (können), Bleibendes zu
hinterlassen.

   Eine erfreuliche Sondersituation ergab
sich im Wintersemester und Sommerse-
mester 2011/2012, als unerwartet eine gro-
ße Gruppe EULA-Studierender im Projekt
auftauchte. Mit ihnen gelang es, den sog.
„IT“ (Internationaler Treff) einzurichten und
damit einen strukturellen Beitrag zur Kom-
munikationssituation an der Hochschule
zu leisten. Das erstellte Konzept wurde mit
der Hochschulleitung und Raumplanung
abgesprochen und von Studierenden in In-
                                                                                                                                                        Int
stitutssitzungen kommuniziert. Im Folge-

                                                                                                                                                              er
semester ging es um Ausgestaltung und

                                                                                                                                                                 nat
Inbetriebnahme mit Tutoren aus dem Kreis
der EULA- und (ehrenamtlich) der Senior-

                                                                                                                                                                 i o n a ler
studierenden. Die Leitung wurde semester-
weise auf Seniorenstudium, International
Office und EULA-Leitung verteilt.
                                                                                                                     Pädagogische Hochschule Freiburg

   Inzwischen ist der IT voll in die Verant-
wortung des International Office überge-                                                                                                                    ef
                                                                                                                                                               r             T
gangen. Er ist zu einem gut frequentierten                                                                                                              f
internationalen Arbeits-, Begegnungs- und
Veranstaltungsort der Studierenden ge-
worden.
                                                                       nnEiner Gruppe EULA-Studierender gelang es, den „Internationalen
                                                                       Treff“ einzurichten und damit einen strukturellen Beitrag zur Kom-
                                                                       munikationssituation an der Hochschule zu leisten.

 Literatur
 Heublein, Ulrich/Özkilic, Murat/Sommer, Dieter (2007): Aspekte der Internationalität deutscher Hochschulen. Internationale
 Erfahrungen deutscher Studierender an ihren heimischen Hochschulen. Hg. v. Deutscher Akademischer Austauschdienst.
 Bonn (Dokumentationen u. Materialien, Bd. 63) URL: http://www.dzhw.eu/pdf/21/daad_band63.pdf.                                                                                   13
ph·fr 2015/1 Diversity

     Umgang mit                                                                                               Thomas Fuhr · Ruth Michalek

     Heterogenität
     Der Masterstudiengang Erziehungswissenschaft

     D
                  er forschungsorientierte Master-   in entsprechenden Fachbereichen der Er-         Alle pädagogischen Studiengänge wollen
                  studiengang „Erziehungswis-        wachsenenbildung/Weiterbildung bzw.          nicht nur die Aneignung fachspezifischer
                  senschaft“ hat zwei Studienrich-   der Jugendbildung zu arbeiten. In der        Inhalte fördern, sondern auch die Refle-
                  tungen: Erwachsenenbildung/        Studienrichtung studieren Absolvent_in-      xion über den Stand der Forschung und
     Weiterbildung und Sozialpä­dagogik. Beide       nen der Germanistik, Betriebswirtschaft,     über komplexe Herausforderungen der
     Studienrichtungen wenden sich an Ab-            Sportwissenschaft, Geschichte und vieler     Berufspraxis. Die Erziehungswissenschaft
     solvent_innen verschiedener Studiengän-         anderer Disziplinen.                         versteht sich zudem als reflexive Wissen-
     ge: Bachelorstudiengänge in Erziehungs-                                                      schaft, welche ihre eigene soziale Standort-
     wissenschaft, die auf außerschulische              Der Heterogenität in den Ausgangskom-     gebundenheit kritisch reflektiert (Frieberts-
     Berufsfelder vorbereiten, sozialwissen-         petenzen der Studienanfänger_innen be-       häuser u.a. 2006). Auch die Studierenden
     schaftliche und sozialpädagogische Stu-         gegnen wir mit mehreren Maßnahmen. In        verfügen schon über Deutungen zu Lernen
     diengänge, Lehramtsstudiengänge sowie           der Summe führen sie dazu, dass die He-      und Lehren, zur Bedeutung von Bildung für
     andere pädagogische Studiengänge wie            terogenität insgesamt nicht als Problem      das Individuum und für die Gesellschaft
     Gesundheitspädagogik, Medienpädagogik           erscheint, sondern den Studiengang und       sowie zu vielen anderen pädagogischen
     oder Pädagogik der frühen Kindheit. Schon       das Berufsfeld bereichert. Erstens legen     Fragen mehr. Studierende (wie auch Leh-
     diese Zielgruppe bringt unterschiedliche        wir dem Zulassungsbescheid ein Informa-      rende) müssen deshalb reflektieren, inwie-
     Kompetenzen mit. Dies betrifft zum Bei-         tionspapier bei, das Lernmaterialien defi-   fern sie in gesellschaftliche Diskurse über
     spiel, aber nicht nur, die Forschungsmetho-     niert, die den nachholenden Kompetenz­       Erziehung eingebunden sind, die ihr eige-
     den. Lehramtsstudierende haben sie kaum         erwerb unterstützen. Wir schreiben den       nes Denken prägen. Es ist erforderlich, dass
     studiert, andere hatten Schwerpunkte in         Studierenden, dass wir erwarten, dass sie    sie nicht nur wissenschaftliches Wissen er-
     quantitativen Verfahren und haben quali-        manche basalen Kompetenzen im Rahmen         werben, sondern dieses Wissen mit ihrem
     tative, hermeneutisch-rekonstruktive oder       des Selbststudiums nachholen. Zweitens       vorhandenen Denkschemata konfrontieren,
     phänomenologische Methodologien kaum            gibt es im ersten Semester ein „Wahlstu-     um dieses zu reorganisieren und zur Wei-
     kennen gelernt.                                 dium“. Die Modulbeschreibung definiert       terentwicklung der Gesellschaft beitragen
                                                     die Erwartungen an Studierende, deren        zu können.
        In der Studienrichtung Erwachsenenbil-       Ausgangskompetenzen noch nicht ganz
     dung/Weiterbildung verschärft sich die-         den Erwartungen entsprechen. In einer        Transformatives Lernen
     se Lage noch. In der Erwachsenenbildung         Zielvereinbarung mit den Studierenden
     und der Weiterbildung sind Absolvent_           legen wir fest, welche der verschiedenen        Um die Reorganisation von Wissen zu
     innen aus unterschiedlichen Fächern ge-         Wahlpflichtveranstaltungen besucht wer-      unterstützen, beziehen wir uns auf die The-
     fragt. Die meisten Einrichtungen erwarten       den. Für die Gruppe derjenigen, die for-     orie des transformativen Lernens (Mezirow
     sozialwissenschaftliche und pädagogische        schungsmethodologische Kompetenzen           1991, 2009; Taylor, Cranton 2012). Sie gilt
     Kompetenzen. Aber es kommen oft an-             nachholen müssen, bieten wir ein speziel-    im Bereich des Lernens Erwachsener vor
     dere hinzu. Die kirchliche Erwachsenen-         les Seminar an. Drittens haben wir ein be-   allem im amerikanischen und internatio-
     bildung fragt nach Absolvent_innen mit          sonderes didaktisches Konzept entwickelt.    nalen Diskurs als die bedeutendste Theorie
     theologischen Kenntnissen, die Wirtschaft       Wir setzen in der Regel studierendenfo-      zur Erklärung von Lernprozessen, die nicht
     nach solchen mit betriebswirtschaftlichen       kussierte und kompetenzorientierte Lern-     nur eine Erweiterung, sondern auch eine
     Hintergründen, andere begrüßen poli-            verfahren ein, welche die Studierenden im    Reorganisation von Wissen beinhalten. In
     tikwissenschaftliche Kompetenzen. Aus           Prozess des Lernens beratend begleiten.      vielen Untersuchungen wurde dieses Mo-
     diesem Grund ist die Studienrichtung Er-        Nach dem jetzigen Stand sind sie besser      dell spezifiziert, erweitert und korrigiert.
     wachsenenbildung/Weiterbildung für Ab-          als vermittlungs- und lehrendenfokussier-
     solvent_innen nicht-pädagogischer und           te Verfahren dazu geeignet, individuelle       Es hat sich gezeigt, dass transformati-
     nicht-sozialwissenschaftlicher Studien-         Kompetenzentwicklungen zu unterstützen       ves Lernen dann erfolgreich ist, wenn die
14   gänge offen, die daran interessiert sind,       (Metz-Göckel u.a. 2012).                     Lernenden konkrete Erfahrungen machen
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