Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019

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Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
C 3428

                Zeitschrift der GEW Hamburg
                November 11/2019

... nur nicht
einschüchtern lassen
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
te Arbeitsbedingungen! Dort
                                                                               wird mit hochschulpolitischen
                                                                               Sprecher_innen von SPD, GRÜ-
                                                                               NEN, CDU, LINKEN und der FDP
                                                                               diskutiert. Am 27.11.19 folgt
hlz-Notiz 

                                                                               eine Veranstaltung der Fach-
                                                                               gruppe Erwachsenenbildung,
                                                                               bei der es vor allem um die
                                                                               Arbeitsbedingungen in der Er-
                                                                               wachsenenbildung gehen wird
                                                                               und darum, was Hamburg tun
                                                                               muss, damit diese besser wer-
                                                                               den. Auch noch in diesem Jahr
                                                                               wird dann am 11.12.19, 18
                                                                               Uhr die Veranstaltung mit den
                                                                               schulpolitschen Sprecher_in-
                                                                               nen der bereits genannten Par-
    Die     Bürgerschaftswahlen              in die Finanzierung der Kita-     teien stattfinden: Schulpolitik
 rücken näher, am 23. Februar                Träger einzubauen. Zusätzliche    in Hamburg – wo bleiben die
 2020 ist es so weit. Dann wer-              Anleitungsstunden, um Quer-       Beschäftigten? Bei dieser Ver-
 den in Hamburg die politischen              einsteiger_innen, die berufs-     anstaltung wird Oliver Hollen-
 Vertreter_innen gewählt, die                begleitend zu Erzieher_innen      stein (Journalist bei der ZEIT)
 für die nächsten fünf Jahre die             ausgebildet werden, zu beglei-    die Moderation übernehmen.
 politische Verantwortung in                 ten und um die Qualität der Ki-      Ihr seid zu allen Veranstal-
 Hamburg übernehmen wollen.                  ta-Arbeit zu halten. Im Bereich   tungen herzlich eingeladen!
 Als GEW haben wir unsere kon-               Schule fordern wir, das Entgelt   Lasst uns unsere Forderungen
 kreten Forderungen, die alle                für Grund- und Stadtteilschul-    aber auch an allen anderen
 Bildungsbereiche       betreffen,           lehrkräfte    rechtsverbindlich   Stellen laut und deutlich vor-
 in unseren Leitlinien zur Bür-              und sofort auf A13Z bzw. E13      tragen. Als Vorsitzende wer-
 gerschaftswahl zusammenge-                  anzuheben. Für die Hochschu-      den wir natürlich auch jede
 fasst. Sie werden demnächst                 len muss es eine Steigerung ih-   Gelegenheit nutzen, um dies
 in gedruckter Form und über                 rer Etats (Landes-Grundmittel)    zu tun. Die politischen Parteien
 die Homepage abrufbar sein.                 um mindestens drei, besser        dürfen nicht glauben, dass sie
 In den Leitlinien machen wir                sechs Prozent pro Jahr geben.     bei den Beschäftigten mit Ver-
 noch einmal deutlich, dass das              Weitere Forderungen finden        suchen wie dem Vertrag zum
 Bildungswesen in Hamburg                    sich in unseren Leitlinien. Da-   sogenannten „Schulfrieden“
 durch eine deutliche Unterfi-
 nanzierung gekennzeichnet ist.
 Die Steigerungen im Hambur-                 Anja Bensinger-Stolze, Fredrik Dehnerdt,
 ger Doppelhaushalt 2019/20
 spiegeln vielfach die wachsen-
                                             Sven Quiring
 den Bedarfe wieder und sind
 zugleich Ausdruck stetig stei-
 gender Mehreinnahmen, mehr
                                             Bürgerschaftswahlen
 aber auch nicht. Aus Sicht der
 GEW ist eine verstärkte Finan-
                                             nutzen!
 zierung und Ausstattung des
 Bildungswesens        zwingende             mit unsere Forderungen aber       oder auch dem Totschweigen
 Voraussetzung für eine demo-                auch Gehör bei den richtigen      bestimmter Missstände sich
 kratische, inklusive, soziale und           Adressen finden, laden wir zu     aus der Verantwortung stehlen
 wirtschaftlich prosperierende               entsprechenden      Veranstal-    können! Lasst uns die Bürger-
 Gesellschaft.                               tungen mit den politisch Ver-     schaftswahlen nutzen, unsere
    Die wesentlichen Forderun-               antwortlichen ein. Es beginnt     Forderungen genau zu plat-
 gen sind folgende: Mehr Perso-              mit der Veranstaltung der         zieren, damit sie in den Wahl-
 nal für die Kindertagesstätten,             Fachgruppe Hochschule und         programmen und auch bei
 um sowohl die Ausfallzeiten                 Forschung am 12.11.19, 18         den kommenden politischen
 als auch den Anteil der mittel-             Uhr im Curiohaus: Exzellente      Entscheidungen eine wichtige
 baren pädagogischen Arbeit                  Wissenschaft braucht exzellen-    Rolle spielen!

 hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                                    3
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
GEW
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                                                                                       Von der Absicht zur Tat ——————————————— 8
                                                                                       Es reicht nicht —————————————————————— 10
                                                                                       Kita

                                                                                       Im WAZ–Dschungel ————————————————— 18
                                                                                       Arbeitszeit

                                                                           Foto: hlz
                                                                                       Falscher Fokus —————————————————————— 21
                                                                                       Einheitsgewerkschaft

                                                                                       Zusatzversorgung ———————————————————— 22
                                                                                       Service
                          Reiseziel unbekannt                      Seite 12
                            Egal welche Kapriolen die Politik in Sachen

                                                                                       Begegung in Israel ——————————————————— 58
                          Schulstruktur schlägt: es bleibt die Erkenntnis, dass        Seminar
                          die Reise in die Zukunft in einem gemeinsamen
                          Zug stattfindet.

                                                                                       Gut gefeiert ———————————————————————— 60
                                                                                       Ruheständler_innen
                          Schöne neue Welt                         Seite 15
                            Die Übertragung neoliberaler Konzepte der Wirt-
                          schaftspolitik auf die Pädagogik trieb mit der Ori-
                          entierung auf Kompetenzen die Individualisierung
                          voran. Sie erscheint unverzichtbar in einer Welt, in
                          der der Wettbewerb als Allheilmittel für eine ge-
                                                                                       Bildungspolitik
                          deihliche Entwicklung ausgegeben wird.

                          Allein der Glaube fehlt                  Seite 18
                                                                                       Schulstruktur
                                                                                       GEST zu Campusschulen —————————————   12
                                                                                       SEPL in der Campusschule ———————————— 13
                            Mehr als 10 Jahre beglückt die Lehrer_innen                Schulstruktur 2
                          dieser Stadt eine Arbeitszeitregelung, die mit dem
                          Anspruch daher kam, alles gerechter machen zu
                          wollen. Die Wirklichkeit spottet dem jedoch Hohn.

                          Lucke                                    Seite 44
                            Er ist wieder da und das weckt bei manchen
                          Studierenden Unmut. Was sich inhaltlich jenseits
                                                                                       Veranstaltungen
                          spektakulärer Auftritte Protestierender verbirgt, be-
                          schreiben die betroffenen Fachschaftsräte.                   Schulsozialarbeit und Inklusion
                                                                                       Tagung ————————————————————————————     23
                                                                                       Geschichte und Gegenwart ———————————— 33
                                                                                       Judentum
Foto: wikimedia commons

                                                                                       Fortbildungen ——————————————————————— 43
                                                                                       Asylrecht

                                                                                       …par excellence ———————————————————— 48
                                                                                       Uni

                                                                                       Digitale Demenz ———————————————————— 61
                                                                                       Medien

                                                                                       Podiumsdiskussion (Rückseite) ————————— 68
                                                                                       Personalpolitik

                           4                                                                        hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
Schwerpunkt
Rechtsradikalismus —————
                       ————————————         24

Magazin

                                                                                                                                                Foto: GEW
Pädagogik
Bildung in der neoliberalen
Falle (Teil 1) ———————————————————————   15
                                                 Antifa                                  Seite 24
Alexander Wolf ————————————————————— 34
Brandstifter
                                                    Die völkisch-nationalistisch orientierten Kräfte
                                                 der AfD-Bürgerschaftsfraktion lassen nichts unver-

Courage gegen rechts ————————————————— 36
Tagung                                           sucht, um demokratisches Engagement (nicht nur)
                                                 in Schulen als verfassungsfeindlich zu diskreditie-
                                                 ren. Ein Blick in die Historie legt den eigentlichen

Wider das Duckmäusertum ———————————— 40
Schulkultur                                      Konflikt offen.

                                                 Originärer Auftrag                      Seite 21
Das sagen die Fachschaftsräte —————————— 44
Bernd Lucke                                        Wie weit darf oder sollte sich gewerkschaftliches
                                                 Engagement auf die politischen Auseinanderset-
                                                 zungen der Zeit ausrichten? Dieser Frage geht un-
1 Jahr FFF ————————————————————————— 46
Klima                                            ser Autor Roland Kasprzak nach.

                                                 Armes Land                              Seite 50
                      ———————————————— 50
OECD
Bildungsbericht 2019 —                             In der jährlichen OECD Berichterstattung über
                                                 die Bildungssysteme im internationalen Vergleich
                                                 landet Deutschland auch in diesem Jahr wieder nur
Aufstieg und Fall der Neuen Heimat ————— 54
Sozialer Wohnungsbau
                                                 auf einem mittleren Rang. Die Ausgaben für Bil-
                                                 dung pro Schüler_in/Student_in sind sogar gesun-
                                                 ken, wodurch die soziale Durchlässigkeit weiter
                                                 eingeschränkt wird.

Rubriken                                         Wohnen                                  Seite 54
                                                    In Zeiten existenzbedrohender Mietenentwick-
hlz-Notiz
——————————————————————————————————  3            lung erinnert man sich auch hierzulande genossen-
                                                 schaftlicher Konzepte im Wohnungsbau. Das ist
                                                 leider verbunden mit einem schwarzen Kapitel die
Leser_innenbriefe / Nachrichten
——————————————————————————————————  6            Gewerkschaften betreffend.

—————————————————————————————————— 49
gb@-Seminare
                                                                                                        Quelle: Aus Schulheft 1961/ NH-Bauten
                                                                                                                          an der Hostenstraße

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Impressum

—————————————————————————————————— 63
GEW-Termine

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Rätsel

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Aus der Schlüsseltechnologie...

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                         5
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
Leser_innenbriefe an: hlz@gew-hamburg.de
Leser_innenbriefe/Nachrichten c
                                                                               (wir belassen ggf. alte Schreibung)
                                                                               Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor

                                                      Generationen                       die „Generation „68“ und die             Ranking
                                                                                         „Generation Schmidt“ nach                Zum Start des neuen Semes-
                                                      übergreifend                       inzwischen üblich gewordener          ters hat die Jobsuchmaschine
                                                      hlz 9-10/2019, S. 52ff zu Nolde    Lesart bei Nolde trafen.              ‚Adzuna‘ den durchschnittlichen
                                                                                                      HUBERTUS ROMAHN          Numerus Clausus der 40 größten
                                                         Schwärmer sortieren Lenz‘
                                                      „Deutschstunde“ so ein: „Als                                             deutschen Universitäten ermit-
                                                      der Roman 1968 erschien, traf er   Reflex                                telt und miteinander verglichen.
                                                      das Lebensgefühl der gegen die                                           Demnach hat die Uni Bochum
                                                      Kriegsgeneration rebellierenden    hlz 9-10/2019, S. 50f zu Waldorf      mit einem durchschnittlichen
                                                      jungen Generation. Sie wollte         Wer aus der taz abschreibt,        NC von 1,62 die schwersten
                                                      abrechnen mit den Lebenslügen      hat auch die Folgen schlecht          Zulassungsvoraussetzungen. In
                                                      der Eltern und Großeltern, mit     recherchierter Kommentare zu          Augsburg ist es dagegen deut-
                                                      dem Verdrängen, Vertuschen,        tragen.                               lich leichter, einen Studienplatz
                                                      Verschweigen der Schuld.“ So          Es ist bekannt, dass die taz       zu ergattern: Hier liegt der NC
                                                      stellt zum Beispiel das Goethe-    unter einem vermeintlich auf-         im Schnitt bei 3,42. Ein Ran-
                                                      Institut seit 2016 – von anderen   klärerischen Mäntelchen alles         king, das bislang im öffentlichen
                                                      gerne abgeschrieben – seinen       Mögliche über Waldorfschulen          Bewusstsein für einzelne Stu-
                                                      Kund_innen im In- und Ausland      verbreitet. Es gibt Wahrheiten,       dienfächer galt, scheint nun die
                                                      die Sache dar.                     Halbwahrheiten, Einzelfall-Dis-       gesamte Hochschullandschaft in
                                                         Ausgerechnet! Nolde, der        kussionen, Zusammenhangloses          Deutschland zu betreffen.
                                                      Judenhasser, Hitleranbeter,        usw. Daher darf man sich nicht
                                                      Himmlerfreund, der Herbeiseh-      wundern, wenn ein abgeschrie-
                                                      ner des Endsiegs und deutscher     bener Artikel in einem Leh-           Anti-Antifa
                                                      Weltherrschaft, dann Fälscher      rerheft etwas - gelinde gesagt           André Trepoll, CDU-Oppo-
                                                      seiner autobiografischen Schrif-   – unrecherchiert wirkt.               sitionschef in der Bürgerschaft,
      hlz · Rothenbaumchaussee 15 · 20148 Hamburg
               hlz@gew-hamburg.de · Tel. 4 50 46 58

                                                      ten, als eine Leitfigur gegen                           A. GEORGES       fordert nach dem Anschlag in
                                                      Lebenslügen, Verdrängen, Ver-                                            Halle mit einem Parlaments-
                                                                                           Es handelte sich um einen           antrag eine neue Strategie im
                                                      tuschen, Verschweigen. Mehr
                                                                                         Nachdruck eines Artikels aus der      Kampf gegen Antisemitismus
                                                      Verhöhnung der Rebellierenden
                                                                                         taz. Die Redaktion                    auch in Hamburg. Nach dem
                                                      geht ja gar nicht.
                                                         Andere Schwärmer: Die                                                 Vorbild der meisten Bundes-
                                                      Schmidts. Loki und Helmut hat-                                           länder und des Bundes schlägt
                                                      ten die „Deutschstunde“ 1968
                                                      nach Erscheinen verschlungen
                                                      und drückten Freund Lenz ihre       Aktion Courage e.V. lehnt Roland Berger Preis ab
                                                      innere Zustimmung zu seiner            Die Roland Berger Stiftung        mäß dargestellt hat. Dieser war
                                                      Würdigung Noldes aus, den           würdigte mit einem Preisgeld         demnach keineswegs Opfer,
                                                      Lenz in einen Widerständigen        von 30.000 Euro das Enga-            sondern ein Profiteur des NS-
                                                      gegen die nationalsozialistische    gement des bundesweiten              Regimes.
                                                      Herrschaft umkostümiert hatte.      Courage-Netzwerkes      gegen          Sanem Kleff, die Vorsitzen-
                                                      Man darf annehmen, dass die         Rassismus, Antisemitismus,           de des Vereins, erklärte: „Der
                                                      Schmidts in ihren Kreisen auch      Rechtsextremismus und für die        Trägerverein von Schule ohne
                                                      gleich den gewünschten Ton          Menschenwürde.                       Rassismus – Schule mit Coura-
                                                      setzten. Wie viel sie damals aus       Der Trägerverein des Netz-        ge, nimmt den Roland Berger
                                                      ihrer Erinnerung wussten und        werks, Aktion Courage e. V.,         Preis für Menschenwürde nicht
                                                      dann doch nicht mehr wissen         erfuhr durch Presseberichte          an.“
                                                      wollten von Noldes tatsächlicher    (vgl. auch hier), dass Roland
                                                      inniger Verbundenheit mit der       Berger die Verstrickungen sei-
                                                      Hitlerherrschaft, sei noch dahin    nes Vaters in das Unrechtssy-
                                                      gestellt.                           stem des Nationalsozialismus
                                                         Und so kam es, dass sich         öffentlich nicht wahrheitsge-

                                                      6                                                                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
Beides übrigens auch, weil Bund, Länder und                       Spekulation mit Grundstücken ein Riegel vorge-
Kommunen im Privatisierungswahn der letzten                       schoben werden, etwa durch eine höhere
Jahrzehnte nicht nur Wohnungen, sondern                           Grundsteuer auf baureifes Land.

                                                                                                                                                 V.i.S.d.P.: VER.DI BUNDESVORSTAND – RESSORT 1 –
                                                                                                                                            FRANK BSIRSKE – PAULA-THIEDE-UFER 10 – 10179 BERLIN
Trepoll eine_n Beauftragte_n                schaftsfraktionschefin Anna von                ger Schulen mit WLAN und ei-
für das jüdische Leben und die              Treuenfels-Frowein. Die Bewer-                 ner digitalen Tafel ausgerüstet
                                      V.i.S.d.P.: VER.DI BUNDESVORSTAND – RESSORT 1 – FRANK BSIRSKE – PAULA-THIEDE-UFER 10 – 10179 BERLIN

Bekämpfung des Antisemitis-                 ber_innen müssten jedoch in der                werden und zusätzlich für die
mus vor. Deutschland dürfe den              Regel zunächst ihre in Papier-                 Schülerinnen und Schüler rund
Kampf gegen den Faschismus                  form ausgegebenen Zeugnisse                    45.000 Laptops und Tablets zur
nicht länger selbst ernannten               digitalisieren. „Das ist nicht nur             Verfügung gestellt werden.
Antifaschist_innen überlassen,              unnötiger Aufwand und kostet
es bedürfe eines viel zitierten             Geld, sondern ist zudem auch
„Aufstands der Anständigen“,                unsicherer, denn kopierte und                  Tropfen
warnte der CDU-Fraktionschef.               eingescannte Zeugnisse können                     Mit einem auf zehn Jahre
„Bildung – insbesondere his-                leicht gefälscht werden“, sagt die             angelegten Förder- und For-
torische und politische – stellt            FDP-Politikerin.                               schungsprogramm wollen Bund
wahrscheinlich die beste Grund-                                                            und Länder Hunderten soge-
lage gegen Antisemitismus dar“,                                                            nannter Brennpunktschulen in
so Trepoll. Deswegen soll der               Dusche                                         Deutschland unter die Arme
Senat „den Besuch einer Erin-                  Hamburgs staatliche Schulen                 greifen. So sollen die Bildungs-
nerungsstätte an die Nazidiktatur           können nach den Herbstferien                   chancen der Schüler_innen dort
während der Schulzeit für jeden             digitale Tafeln für ihre Unter-                verbessert werden. Dafür sollen
Hamburger Schüler zur Pflicht               richtsräume sowie Laptops und                  125 Millionen Euro bereitge-
machen“, wie es im CDU-An-                  Tablets für Schülerinnen und                   stellt werden. Die Hamburger
trag heißt. Dazu zählt zum Bei-             Schüler im Wert von 40 Millio-                 Schulen erhalten zusammen
spiel die KZ-Gedenkstätte Neu-              nen Euro bestellen.                            mindestens 1,6 Millionen Euro
engamme.                                       „Wir wollen erreichen, dass                 aus Landesmitteln und weitere
                                            Laptops und digitale Tafeln                    1,6 Millionen Euro in Form von
                                            künftig in jedem Unterrichtsfach               wissenschaftlicher     Expertise.
Spitze                                      genauso selbstverständlich ein-                „Mit unserem bereits laufen-
   Die FDP-Opposition fordert               gesetzt werden wie Schulbücher,                den Förderprogramm (D33) für
in einem Bürgerschaftsantrag                Füllfederhalter und Arbeitshefte;              Schulen in sozial benachteilig-
die Einführung digitaler Zeug-              nicht zwingend in jeder Stunde,                ten Quartieren gehen wir schon
nisse für Schulabgänger_innen.              aber immer dann, wenn es päd-                  jetzt weit über diese vereinbarte
„Bewerbungsprozesse        finden           agogisch sinnvoll ist,“ so Schul-              Landesförderung hinaus und
heute vor allem digital statt – ob          senator Ties Rabe. Ziel sei es,                fördern die 33 Schulen mit dem
für Studienplätze, Stipendien,              so der Senator weiter, dass alle               fünffachen Betrag von rund 1,5
Ausbildungs- oder Arbeits-                  rund 13.000 Klassen-, Fach- und                Millionen Euro pro Schule“, so
stellen“, sagt die FDP-Bürger-              Unterrichtsräume der Hambur-                   Schulsenator Ties Rabe.

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                                                               7
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
JA13

Es hat sich gelohnt!
Aus der Absicht der am ‚Schulfrieden‘ beteiligten Bürgerschaft-Fraktionen,
Lehrkräfte einheitlich zu bezahlen, muss nun Wirklichkeit werden

   Die bessere Bezahlung für          als sie in Schleswig-Holstein          lei Informationen vor.
Grund- und Mittelstufenlehr-          (bis 2025) beschlossen wurde,             Noch einmal zurück zu den
kräfte ist ein Erfolg, der ohne un-   aber in Bremen wird der Prozess        „Schulfrieden-Gesprächen“.
seren Druck nicht zustande ge-        der besseren Besoldung in zwei         Besonders ärgerlich ist es, dass
kommen wäre, aber der Kampf           Schritten bis 2021 durchgeführt.       sich die CDU die Verbesserung
ist noch nicht zu Ende. Lange,           Wichtig ist: Bisher handelt es      der Bezahlung der Grund- und
lange haben wir darauf gewartet!      sich nur um eine Absichtserklä-        Mittelstufenlehrkräfte auf die
Schon länger konnte man hinter        rung der Fraktionen. Für eine          Fahnen schreiben will. Dazu ha-
den Kulissen vernehmen, dass          reale Änderung muss Hamburg            ben wir für die Presse formuliert:
sie bald kommen soll! Jetzt soll      ein neues Besoldungsgesetz             „Die ‚Schulfrieden-Gespräche‘
es tatsächlich so weit sein: A13Z     entwerfen und verabschieden,           von SPD, Grünen, CDU und
für die Grund- und Mittelstufen-      wobei viele Feinheiten bedacht         FDP sind abgeschlossen. Dabei
lehrkräfte! Das ist ein Erfolg! Es    werden müssen. Hier beginnt            wird vor allem der CDU der
ist ein Erfolg der GEW, die seit      also erst die eigentliche Arbeit.      Verzicht auf die Forderung nach
2015 auf den verschiedenen po-        Dann muss das Ganze auch noch          Rückkehr zu G9 an Gymnasien
litischen Ebenen Druck gemacht        für die Tarifbeschäftigten umge-       im Wahlkampf abgekauft. Be-
hat. Es ist ein Erfolg insbeson-      setzt werden. Ein gutes Gesetz         sonders die CDU schmückt sich
dere der Kolleg_innen, die sich       braucht also notwendigerweise          in den Gesprächen geschichts-
an unseren Aktionen beteiligt         einen angemessenen zeitlichen          vergessen mit fremden Federn,
haben und ein Erfolg derjenigen,      Vorlauf.                               wenn sie fordert, Grund- und
die Widerspruch gegen ihre un-           Folgendermaßen wird die             Mittelstufenlehrkräfte     sollten
gerechte Besoldung nach A12           GEW nun vorgehen:                      zukünftig auch mit A13 wie die
eingelegt haben und mit unse-            Wir versuchen, auf den Ge-          anderen Lehrkräfte gleich und
rem Rechtsschutz das rechtliche       setzgebungsprozess und damit           gerecht besoldet werden.“ (Anja
Verfahren betreiben.                  auf die Bürgerschaftsparteien          Bensinger-Stolze, Vorsitzende
   An allem Schönen sind häufig       größtmöglichen Einfluss zu neh-        der Gewerkschaft Erziehung und
ein paar Haken und Ösen. Das ist      men, damit die gerechte Bezah-         Wissenschaft GEW Hamburg).
hier leider auch der Fall. Im Mo-     lung möglichst schnell und nicht       Und weiter: „Die CDU hatte
ment ist dies nur eine Absichts-      in kleinen Trippelschritten um-        die schlechtere Bezahlung nach
erklärung der Bürgerschaftsfrak-      gesetzt wird.                          A12 und damit auch geringere
tionen von SPD, GRÜNE, CDU               Wir prüfen, wie die Tarifbe-        Wertschätzung für die Grund-
und FDP, die hinter verschlosse-      schäftigten gleichberechtigt mit       und Mittelstufenlehrkräfte als
nen Türen über den sogenannten        einbezogen werden können.              Regierungspartei       eingeführt!
„Schulfrieden“ verhandelt ha-            Rund um den Gesetzgebungs-          Der Kampf um die gleiche Be-
ben. Weitere fünf Jahre wollen        prozess werden wir die Betroffe-       zahlung wird seit Jahren von
sie keine Veränderungen an der        nen zu einem Termin einladen,          der GEW geführt. Wir begrüßen
Schulstruktur vornehmen. Dafür        um gemeinsam zu erörtern, wie          natürlich die jetzt getroffene
soll es einige andere Veränderun-     wir mit den Rechtsverfahren            Vereinbarung über die gleiche
gen geben und mittelfristig sollen    weiter machen.                         Besoldung aller Lehrkräfte nach
die Grund- und Mittelstufenlehr-         Für Fragen kann man sich            A13 Z. Sie müsste aus unse-
kräfte auch nach A13 besoldet         immer gern an die GEW Ge-              rer Sicht allerdings früher und
bzw. nach E13 bezahlt werden.         schäftsstelle wenden. Allerdings       schneller umgesetzt werden,
Dies soll allerdings in drei Stu-     bitten wir um Verständnis, dass        sonst werden ältere Lehrkräfte
fen geschehen, beginnend ab           wir zum aktuellen Zeitpunkt            weiter benachteiligt.“
dem Schuljahr 2021/2022. Eine         noch keine Auskünfte über die                    ANJA BENSINGER-STOLZE
Gleichstellung wäre dann erst         konkrete Ausgestaltung der An-                   Vorsitzende GEW Hamburg
zum 1.8.2023 erreicht. Dies wäre      hebung der Besoldung machen
zwar eine schnellere Umsetzung        können. Dazu liegen uns keiner-

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Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019   9

©Jason
Nur nicht einschüchtern lassen - C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg November 11/2019
KITA 1

Personalschlüssel
verbessern sich zu langsam
Trotz Kita-Ausbau gibt es immer noch vielerorts zu wenig Personal
für eine kindgerechte Betreuung
   Obwohl es immer mehr päda-       Forderungen der GEW                    her ganz wesentlich: Der Perso-
gogische Fachkräfte in Deutsch-        Die GEW fordert Bund, Län-          nalschlüssel setzt die bezahlte
land gibt, fehlt in der Kinder-     der und Kommunen zu deutlich           Arbeitszeit einer pädagogischen
betreuung weiter Personal. Mit      mehr Anstrengungen auf, um             Fachkraft über den Zeitraum ei-
dem Kita-Ausbau stieg von 2008      zusätzliche Kita-Fachkräfte zu         nes Jahres und unter der Annah-
bis 2018 zwar die Zahl des pä-      gewinnen. „Der Fachkraft-Kind-         me einer Vollzeitbeschäftigung
dagogischen Personals um 54         Schlüssel ist fast überall noch        ins Verhältnis zu den zu betreu-
Prozent beziehungsweise von         weit davon entfernt, was die Wis-      enden Kindern und den jeweili-
379.146 auf 582.125 Erzieherin-     senschaft für pädagogisch not-         gen Betreuungszeiten.
nen und Erzieher, wie aus dem       wendig erachtet“, betonte Björn           Dieser Wert ist also sehr the-
Ländermonitor      Frühkindliche    Köhler, GEW-Vorstandsmitglied          oretisch – eine Art „Bruttoar-
Bildungssysteme der Bertels-        für Jugendhilfe, am Donnerstag         beitszeit“. So gesehen ist die
mann Stiftung hervorgeht. Die       in Frankfurt a.M. „Nur mit guten       Fachkraft-Kind-Relation       die
Personalschlüssel      verbessern   Arbeitsbedingungen werden wir          Nettozeit, die der Erzieherin
sich mit Blick auf eine kindge-     mehr Menschen für dieses ge-           oder dem Erzieher tatsächlich
rechte Betreuung sowie gute Ar-     sellschaftspolitisch so wichtige       für das einzelne Kind bleibt: Sie
beitsbedingungen der Fachkräfte     Arbeitsfeld gewinnen.“ Dazu ge-        berücksichtigt Zeiten für Urlaub,
jedoch zu langsam.                  höre auch eine gute Bezahlung.         Krankheit und Fortbildung so-
   Am 1. März 2013 war eine            Die Länder seien gefordert,         wie die mittelbare pädagogische
vollzeitbeschäftigte pädagogi-      genügend Lehrkräfte für die            Arbeit wie Vor- und Nachberei-
sche Fachkraft in Krippengrup-      schulische Ausbildung zur Ver-         tung von Elterngesprächen. Die
pen laut Studie rein rechnerisch    fügung zu stellen und die Ka-          reale Fachkraft-Kind-Relation
für 4,6 ganztagsbetreute Kinder     pazitäten der entsprechenden           lässt sich oft nur schwer er-
zuständig. Am 1. März 2018          Studiengänge auszubauen. Auch          mitteln, zu viele Faktoren sind
waren es 4,2 Kinder. In Kinder-     kommunale Arbeitgeber müss-            zu berücksichtigen – wie sind
gartengruppen verantworteten        ten zügig Vorschläge zur Ver-          die Öffnungszeiten, wann die
Erzieherinnen und Erzieher 2013     besserung der Attraktivität des        Hauptbetreuungszeiten, wie vie-
die Förderung von 9,6 und 2018      Berufes machen: „Wir brauchen          le Kinder und wie viele Erziehe-
von 8,9 Kindern. Wissenschaft-      dringend eine nationale Strate-        rinnen und Erzieher sind wann
lich empfohlen wird ein Perso-      gie, die nicht am Föderalismus         anwesend, wie sollen Fehl- und
nalschlüssel von 1:3 in Krippen     scheitern darf“, forderte Köhler.      Urlaubszeiten pauschal kalku-
und 1:7 beziehungsweise 1:8 für     Bund, Länder und Kommunen              liert werden.
Kitas.                              müssten sich darauf verständi-            Das diesjährige Ländermoni-
   Zugleich gibt es nach wie vor    gen, wie die Kitafinanzierung          toring der Bertelsmann Stiftung
deutschlandweit massive Unter-      deutlich zu verbessern sei.            untersucht, wie das Gute-Kita-
schiede. [...]                                                             Gesetz in den einzelnen Ländern
   So ist in Mecklenburg-Vor-       Personalschlüssel versus               wirkt und wie die Arbeitsbelas-
pommerns Kindergartengruppen        Fachkraft-Kind-Relation                tung des pädagogischen Fach-
eine Fachkraft für 13,2 und in         Für die Bildungsgewerkschaft        personals vor Ort aussieht. Zen-
Baden-Württemberg für 7,0 Kin-      muss bei der Analyse der Situ-         trale politische Forderung der
der zuständig. Im Krippenbe-        ation in der Kinderbetreuung           Studie ist, die Ausbildungsstan-
reich zeigt sich zwischen Sach-     zudem zwischen dem im Län-             dards zwischen den Ländern zu
sen und Baden-Württemberg mit       dermonitor zugrunde gelegten           vereinheitlichen und die Ausbil-
1 zu 6,2 und 1 zu 3,0 eine ebenso   Personalschlüssel und der Fach-        dungskapazitäten für pädagogi-
große Kluft.                        kraft-Kind-Relation unterschie-        sches Personal stark zu erhöhen.
                                    den werden. Dieser Unterschied                      GEW HAUPTVORSTAND
                                    ist für Erzieherinnen und Erzie-

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Wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu

        Es tut sich viel im Betrieb!
           Die Jubiläumsfeiern sind erfolgreich beendet.
           Viele Kolleg*innen wechseln aus den unterschiedlichsten Gründen die Kitas bzw. die
            Arbeitsplätze.
           Wo Kolleg*innen neu anfangen, müssen sich die Teams neu zusammenfinden und Aufgaben
            häufig anders verteilt werden.
           Nach wie vor sind viele Stellen zeitweise oder längerfristig unbesetzt und die Ausfallquote
            steigt, weil im Herbst die Arbeitsunfähigkeitszahlen immer steigen.
           Klare Regeln, welche Aufgaben bei Personalengpässen wegfallen, stehen immer noch aus.
           Pädagogische Flächen werden heiß diskutiert, vor allem, welche Auswirkungen diese auf die
            Arbeitsbedingungen haben könnten.
           Die Betriebsvereinbarung „Zulagen“ ist in „trockenen Tüchern“. Sie regelt die Vergütung von
            Beschäftigten ohne pädagogische Ausbildung.
                 o Sie regelt auch, dass Sozialpädagogische Assistenten*innen (SPAs) und
                    Kinderpfleger*innen mit zeitlicher und finanzieller Unterstützung durch die Elbkinder
                    berufsbegleitend die Ausbildung zum/r Erzieher*in machen können. Die Bedingungen
                    dafür sind dort festgelegt.
           Neue Formen der Gespräche zur betrieblichen Eingliederung nach längeren Arbeitsun-
            fähigkeiten (BEM Gespräche). Diese sind in einer neuen Betriebsvereinbarung erarbeitet
            worden. Dabei geht es auch um die Frage, ob ihr Betriebsrat oder SBV teilnehmen lasst.
           Wenn jemand von euch Sonderurlaub machen möchte oder benötigt, weil ihr euch auf
            Prüfungen vorbereiten müsst, weil ihr besondere Vorhaben habt oder aus anderen Gründen,
            müsst ihr zurzeit immer mühsam einen Einzelantrag stellen, weil die Geschäftsführung die
            alte Betriebsvereinbarung dazu gekündigt hatte und jetzt erst zu neuen Verhandlungen bereit
            ist.
           Umstellung der PCs auf Windows 10 und eine neue Office Version.
        Wie geht’s euch im Betrieb und mit den Veränderungen? Es bleibt noch viel zu tun. Wenn ihr der
        Meinung seid, dass sich etwas ändern müsste, könnt ihr euch in die betrieblichen Prozesse
        einbringen und dann auch im Betriebsrat agieren.
        Wenn ihr etwas verändern wollt, könnt ihr euch bei uns von Der Offenen Liste melden und gern
        auch zu unseren Listentreffen, jeden 3. Donnerstag im Monat ab 17.30 in der GEW, kommen.
        Unser Ziel: Verbesserungen für euch und unseren Betrieb!
        DOL Ansprechpartnerinnen
        Angelika Künstler – Betriebsrätin   040 / 42109 – 187   a.kuenstler-betriebsrat@elbkinder-kitas.de
        Konstanze Fischer – Betriebsrätin   040 / 42109 – 184   k.fischer-betriebsrat@elbkinder-kitas.de
        Sabine Lafrentz – Betriebsrätin     040 / 42109 – 266   s.lafrentz-betriebsrat@elbkinder-kitas.de
        Ilona Scheither –   Betriebsrätin   040 / 42109 – 180   i.scheither-betriebsrat@elbkinder-kitas.de

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                                    11
SCHULSTRUKTUR

     Chancen und Risiken

                                                                                                                    © hlz
Stellungnahme der GEST zu den geplanten Campusschulen
   Die GEST sieht die geplanten     Bau der C-STS einzubinden.             (z. B. in klassenübergreifendem
Campus-Stadtteilschulen       (C-      Mit Freude haben wir regis-         gemeinsamem Unterricht) soll-
STS) als Chance für die Ham-        triert, dass die BSB die Sorgen        ten gemäß den Erfordernissen
burger Schullandschaft, aber        der umliegenden weiterführen-          der einzelnen Standorte indi-
auch die Risiken.                   den Schulen ernst nimmt. In der        viduell entwickelt werden. Die
   Für eine erfolgreiche Inte-      Endfassung des SEPL wurde die          Campusschulen als ausgewiese-
gration der C-STS in die Stadt-     Anzahl der C-STS-Neugründun-           ne („lupenreine“) Stadtteilschu-
teilschullandschaft sind neben      gen auf 6 reduziert                    len können sich hier an vorhan-
den eindeutigen organisatori-          Diese berechtigte Sorge der         denen Konzepten bestehender
schen Kennziffern wie z. B. eine    umliegenden         weiterführen-      Stadtteilschulen       orientieren.
Schulleitung, ein Elternrat, eine   den Schulen sollte weiter in           Die GEST begrüßt ausdrücklich
Schulkonferenz, die Anwendung       gemeinsamen Gesprächen be-             neue reformorientierte Ansätze
der bestehenden Bildungspläne       rücksichtigt werden, indem die         auch von dieser Seite.
nachfolgende Voraussetzungen        betroffenen Schulen in die Kon-           Damit eine C-STS funktio-
wichtig:                                                                              niert, sollte sie min-
   Die C-STS müssen                                                                   destens 6- und maxi-
in ihrer Gesamtheit                                                                   mal 8zügig sein und
nach den Richtlinien                                                                  davon sollten ma-
der Bürgerschaftsbe-                                                                  ximal 2 Gym-Züge
schlüsse der Druck-                                                                   sein. Die Klassen-
sache 21/4866 Gu-                                                                     frequenzen in 7-10
ter Ganztag und der                                                                   dürfen die der jewei-
Drucksache 21/11428                                                                   ligen Schulform nicht
Gute Inklusion gebaut werden.       zeptbildung einbezogen werden.         überschreiten. Die viel geschol-
Diese Vorgehensweise inkludiert     Die C-STS dürfen nur dort ent-         tene Differenzierung in 7-10 in
auch den Gymnasialzweig an          stehen, wo es für die umliegen-        Gymnasium und STS sehen wir
den C-STS. Des Weiteren müs-        den Schulen eine gewünschte            unkritisch. In vielen großen STS
sen die Anforderungen des Mus-      Entlastung bringt.                     wird bereits heute in den Kernfä-
terflächenprogramms       (MFP)        Die pädagogischen Konzepte          chern extern differenziert (Stich-
eingehalten werden.                 müssen integrativ ausgerichtet         wort Challenge-Kurse).
   Die Qualitätsstandards für die   sein, so dass die Schüler_innen           Wichtig ist ebenfalls, im Ein-
Schulverpflegung sollten einge-     ihre Schule als eine gemeinsame        zelfall abzuwägen, inwieweit
halten und die beteiligten Ak-      Schule verstehen. Dieses gelingt       die C-STS in die Region passt
teur_innen einbezogen werden.       an den bestehenden Kooperati-          oder ob durch heute noch nicht
Die räumliche und personelle        onsschulen durch Theater oder          planbare externe Faktoren ein
Ausstattung bei der Einrichtung     Sportveranstaltungen in den            Gymnasium bzw. eine klassische
von Kantinen und Mensen muss        Jahrgängen 7 bis 10 gut.               Stadtteilschule die besseren Al-
gewährleistet sein.                    Differenzierung findet an vie-      ternativen wären.
   Die Regionalen Bildungskon-      len großen „klassischen“ Stadt-           GEST (Gemeinschaft der Elternräte
ferenzen (RBKs) sind in den         teilschulen statt. Integrative                         an Stadtteilschulen)
Entscheidungsprozess für den        Konzepte auf der anderen Seite

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Entwicklung durch Annäherung
Die Campusschule als eine Möglichkeit, den Bedürfnissen des
jeweiligen Stadtteils gerecht zu werden
   Wer an einer Schulstruktur               Übergangs- und Abschlussge-        hätte die politische Prämisse
festhält, die es nicht ermöglicht,          rechtigkeit, zur Förderung aller   sein müssen, zumal in den letz-
dem unteren Leistungsdrittel                Schüler_innen und zu struktu-      ten Jahren eine Fülle wichtiger
eine wirkliche Perspektive zu               rellen Defiziten des 2-Säulen-     wissenschaftlicher Erkenntnisse
bieten, die die starke Abhängig-            Modells zu beantworten sind.       dazu gekommen sind, die einen
keit von Status und Lernerfolg                 Dabei haben wir in Hamburg      Bilanzierungsprozess hätten un-
nicht aufbrechen kann, in der die           mit der Enquêtekommission          terstützen können. Ob das nun zu
Lernleistungen stagnieren, die              2006 – die Einsetzung war eine     einer Veränderung, Anpassung,
die Leistungsspitze nicht ausrei-           Sternstunde der Hamburger          zu mehr Steuerung oder gar zu
chend fördert, der darf sich über           Bildungspolitik – einen Erfah-     einer Öffnung von Strukturen
eine kritische Haltung gegenüber            rungsschatz gewonnen, mit dem      geführt hätte, sei einmal dahin-
Plänen zur Schulentwicklung                 die Weiterentwicklung des Ham-     gestellt. Aber was nicht ist, kann
nicht wundern.                              burgischen Bildungswesens bi-      ja noch werden. Die nächsten
   Da hilft auch kein Schul-                lanziert werden kann. War diese    Wahlen stehen an – eine Abstim-
strukturfrieden. Diese Debatten                                                mung auch über die Bildungspo-
wird es solange geben, wie die                                                 litik.
System- und Strukturmängel                                                        Jetzt führen wir wieder eine
evident sichtbar sind.                                                         der typischen Hamburger Schul-
   Die Politiker_innen stehen                                                  strukturdebatten, in denen sich
unter Druck und sind scheinbar                                                 zwei Seiten nahezu unversöhn-
nicht in der Lage, überzeugend                                                 lich gegenüberstehen. So ist es
zu handeln. Ein Schulstruktur-                                                 eben kein Wunder, dass bereits
frieden, in dem schnell aufge-                                                 die Ankündigung der Einrich-
stellte Schulentwicklungspläne                                                 tung von Campusstadtteilschulen
(SEPL) unter (zeitlich) unzu-                                                  dazu führt, darin auch Chancen
reichender Beteiligung der Ak-                                                 und Optionen für eine Verbes-
teur_innen erstellt werden, kann                                               serung des 2-Säulen-Modells zu
nicht überzeugen. Das ist umso                                                 sehen, auch wenn andere die Ge-
ärgerlicher, als es ja vorhande-                                               fahr wittern, darin eine unnötige
ne Kommunikationsstrukturen                                                    Konkurrenz zu bekommen. Ist
gibt wie die „Regionalen Bil-                                                  es nicht naheliegend, ausgehend
dungskonferenzen“, die einfach                                                 von einer als pragmatisch ausge-
ignoriert wurden. So wird diese                                                gebenen Lösung für den notwen-
„Schulentwicklung nach Plan“                                                   dig gewordenen Schulneubau,
nicht etwa durch die Ergebnisse                                                Überlegungen anzustellen, wie
einer Bilanzierung der letzten                                                 die Campusstadtteilschule Pro-
20 Jahre erstellt, sondern sie ist          Weiß der, wo er hin will?          bleme kooperativ lösen könnte?
durch steigende Schüler_innen-                                                 Die nun wieder in der SPD be-
zahlen ausgelöst. Also zu einem             Kommission zu dem Zeitpunkt        heimatete Dora Heyenn (MdBü)
Zeitpunkt, zu dem man gerne                 wichtige Voraussetzung für den     hat diese Überlegungen auf der
mal hätte bilanzieren können.               notwendigen strukturellen und      Pro-Seite der letzten Ausgabe
   So wird der vorliegende SEPL             organisatorischen Umbau des        der HLZ beschrieben. Die Hoff-
die Struktur langfristig festlegen,         Bildungswesens, könnte eine        nung stirbt zuletzt.
ohne darüber Auskunft zu geben,             solche oder ähnliche Einrichtung      Egal wie ein Schulsystem
wie die vielen Fragen zum Qua-              heute für die Bilanz und Über-     strukturiert ist: wenn es die He-
litätsanspruch und zur Qualitäts-           prüfung der Wirksamkeit von        rausforderung, hier insbesondere
sicherung, zur Stagnation der               damals getroffener Maßnahmen       die Balance von individuellen
Lernergebnisse, zum Umgang                  hilfreich sein.                    und gemeinsamen Lernanregun-
mit der schulischen Selbstver-                 Eine solche Bilanz hätte auch   gen für die Entfaltung von kog-
antwortung, zum Umgang mit                  das 2-Säulen-Modell auf den        nitiven wie sozial-emotionalen
sozialer Benachteiligung, zur               Prüfstand stellen können. Dies     Kompetenzen hinzubekommen,

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                                      13
nicht zufriedenstellend bewäl-       licher Ausgangslage bieten sich        wicklung in Schulen in sozial
tigt, werden wir nicht nur Struk-    noch viele Wege der Zusammen-          deprivierter Lage. Auch: von
turdebatten haben. So haben          arbeit und des schulischen Zu-         Ackeren u.a., Strategien der
wir trotz des ominösen Schul-        sammenlebens. Hier in Wege zu          Qualitätsentwicklung von Schu-
strukturfriedens zumindest eine      mehr Vertrauen und Verständnis         len in schwieriger Lage).
Debatte über die Ergänzung des       füreinander zu investieren, lohnt         Spannende Ergebnisse liegen
zweigliedrigen Schulsystems;         sich mehr, als über die vermeint-      vor, die zeigen, was über eine
eine pragmatische Lösung mit         lich notwendigen Grenzen zu            Strukturdebatte hinaus möglich
Optionen.                            streiten.                              ist, wenn analytisch und selbst-
   Um es vorweg zu nehmen: ich          Darüber hinaus versuchen vie-       bewusst die eigene Schulent-
halte es in der Strukturfrage mit    le Schulen über Kooperationen,         wicklung in die Hand genom-
der lapidaren und unaufgeregten      Profilbildungen, Strukturrevisi-       men wird. Schulforscher wissen
Feststellung von Andreas Schlei-     on und Schwerpunktsetzungen            von Ergebnissen aus Schulen zu
cher, basierend auf den PISA-        im Förderbereich, gemeinsa-            berichten, die das Schul-Herz in
Ergebnissen der OECD, „...,          me Oberstufen (warum gibt es           die Hand genommen haben und
dass keines der Länder, die eine     eigentlich keine gemeinsame            im Rahmen ihrer Schulautono-
starke Aufteilung und Gruppie-                                              mie oder durch mutige Projekte
rung der Schüler entsprechend                                               zu bemerkenswerten Ergebnis-
ihren Fähigkeiten vornehmen –             Ich halte es in der               sen gekommen sind. Hier verwi-
sei es durch die Verteilung auf            Strukturfrage mit                schen Schulformgrenzen.
unterschiedliche Schultypen, –                                                 Auch Eltern haben die Chan-
                                         Andreas Schleicher,
zweige oder durch Klassenwie-                                               cen und Möglichkeiten der
derholungen –, zu den leistungs-      „dass keines der Länder               beiden Säulen für ihre Kinder
stärksten Bildungssystemen ....        die eine Aufteilung der              entdeckt, z.B. den freiwilligen
zählt.“ (aus: Schule für das 21.       Schüler vornehmen, zu                Schulformwechsel, um die Mög-
Jahrhundert, Paris 2019) Mit           den leistungsstärksten               lichkeiten der jeweils anderen
anderen Worten: wir benötigen                                               Säule zu nutzen. Plötzlich spie-
                                      Bildungssystemen zählt.“
einen einheitlichen Rahmen, in                                              len Strukturen eine andere Rol-
dem dann nicht die Schulform                                                le, als ihnen mal zugedacht war.
relevant ist, sondern das, was die                                          Nicht von allen gern gesehen,
Einzelschule in Kooperation mit      „Unterstufe“?) und die Indivi-         aber an der Tagesordnung.
dem regionalen Umfeld zu leis-       dualisierung Wege zu gehen, die           Die Realitäten vor Ort haben
ten in der Lage ist.                 das Trennende der Schulstruktur        mit den verwaltungstechnischen
   Das eine tun, das andere nicht    aufweicht. Hier ist sicherlich         Vorgaben vielfach nicht viel ge-
lassen. D.h., einerseits die Gren-   noch Luft nach oben und un-            mein.
zen von Schulstrukturen be-          ten. Man bekommt schon den                Eine Entwicklung hin zu ge-
nennen, auf Irrwege hinweisen        Eindruck, wenn man vor Ort             genseitiger Ergänzung der Säu-
und Debatten darüber führen,         mit Akteur_innen spricht, dass         len und eine damit verbundene
andererseits aber auch Wege          es an vielen Standorten nicht          Tendenz zur Annäherung finden
und Chancen sehen und aktiv          mehr darum geht, die Schulform         sich auch bei den Überschnei-
gestalten. Und die Campusstadt-      zu demonstrieren, sondern die          dungen der Leistungsergebnisse.
teilschule bietet Chancen, wie       Schüler_innen in den Mittel-           Was formal hier ein Gymnasium
sie Dora Heyenn ja auch an-          punkt zu stellen, um sich an de-       ist, liegt andernorts leistungsmä-
führt. Ob die CCS nun eine neue      ren Bedarfen zu orientieren und        ßig auf dem Niveau einer Stadt-
Schulform ist oder nicht und ob      nicht umgekehrt. Und das über          teilschule und umgekehrt. Dies
wir dafür eine Schulgesetzände-      Schulformgrenzen hinweg da,            gilt gleichermaßen für das ge-
rung benötigen, halte ich dann       wo es möglich ist und die Men-         genseitige Verständnis pädagogi-
für unerheblich, wenn sich die       schen es wollen. Eine Politik der      scher Fragestellungen. Man ist in
Chancen realisieren lassen und       Annäherung. Vielleicht mehr als        vielen Fragen nicht mehr so weit
Fortschritte erkennbar sind. Um      nur eine Metapher.                     voneinander entfernt, wie es die
wen (und was?) geht es eigent-          In diesem Zusammenhang              Schulformen vorgaukeln. Das
lich? Mit der Campusschule           sind Studien hilfreich, die sich       Verständnis füreinander wächst.
eröffnen sich Möglichkeiten,         mit Schulentwicklung von Schu-         Heterogenität hier wirft ähnliche
die an anderen Standorten von        len in sozial benachteiligten La-      Fragen auf wie dort. Warum sich
ehemals kooperativen Gesamt-         gen beschäftigen (beispielhaft         also nicht zusammensetzen und
schulen umgesetzt und genutzt        seien genannt: Klein, Esther           gemeinsam ausloten?!
wurden und werden. Hier und          Dominique: Bedingungen und                Vor diesem Hintergrund und
an anderen Standorten mit ähn-       Formen erfolgreicher Schulent-         mit den Möglichkeiten der SVS

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sind Entwicklungen möglich,                 Konstruktion der Campusschule          sende Schulformstruktur ist ein
wie sie Ulrich Vieluf beschreibt            bietet im Zusammenhang mit der         Warten auf Godot.
bzw. fordert: Sich nämlich von              Selbstverantwortung vor allem             Nach meiner Auffassung ist
den Strukturen einer Schulform              perspektivisch     Möglichkeiten       es die Aufgabe von Politik und
zu lösen und „konsequent auf                und Spielräume. Die beteiligten        Staat, Rahmen so anzulegen und
individualisierte Lernförderung“            Menschen vor Ort werden sie zu         zu gestalten, Standards, Ziele
zu setzen. Konkreter Erfolg                 nutzen wissen und entsprechend         und Regeln so zu setzen, dass sie
wirkt mehr als die sinnvollste              gestalten. Das wirklich wahre          eine innerschulische Entwick-
Debatte über Struktur und Ar-               Leben findet im Stadtteil, im          lung in regionaler Kooperati-
beitsbelastung.                             Quartier oder tatsächlich in der       on auf Augenhöhe konsequent
   Wenn Schulen in ihrer Eigen-             Kneipe statt.                          ermöglicht. Eine Entwicklung
verantwortung Formen individu-                 Eine Stadt, die sich den Fra-       nach dem Motto: Lasst Schu-
ellen und gemeinsamen Lernens               gen der Zukunft stellen will und       le endlich mal machen. Und
so entwickeln, dass sie den Be-             sich in eine Richtung verändert,       Schule wird beweisen, dass sie
darfen ihrer Schüler_innenschaft            die im Kern eine wissensba-            Verantwortung kann, für die
gerecht werden und sie erfolg-              sierte Ökonomie als Motor der          Schüler_innen und ihre Perspek-
reich und sinnvoll durch die Bil-           Entwicklung sieht, braucht eine        tiven. „Politik“ bleib’ bei deinem
dungsinstitutionen steuern, dann            Schule, die in der Lage ist, allen     Leisten.
wird das Thema Struktur und                 Schüler_innen beste Leistungen            Voraussetzung wäre allerdings
Schulform in den Hintergrund                zu ermöglichen. Die Einzel-            ein gut organisierter Bilanzie-
rücken.                                     schulentwicklung ist nach mei-         rungsprozess mit allen Betei-
   Was liegt also bei dieser po-            nen Erfahrungen und den Ergeb-         ligten und wissenschaftlich be-
litischen Ausgangslage näher,               nissen der wissenschaftlichen          gründete Empfehlungen, die die
als die Chancen der wachsenden              Forschung, wie ich sie verstehe,       politischen Entscheidungen auch
Stadt und den damit verbundenen             von höherer Bedeutung als die          in ihrer Widersprüchlichkeit
Bau neuer Schulen zu nutzen?                Fixierung auf die Schulstruktur        transparent machen und Hand-
Zumal es sich auch um Schulen               oder Schulform. Die „Schule            lungsoptionen für die Akteur_in-
in Quartieren handelt, die – so             4.0“ als Schule der Zukunft wird       nen vor Ort anbieten. Die Zeit ist
wie es in der Sprache der Stadt-            das Ergebnis einer jeweiligen          reif dafür.
entwicklung heißt – inklusiv ge-            Einzelschulentwicklung vor Ort                                   KAY STÖCK
                                                                                     Schulleiter einer STS im Ruhestand
plant werden. Die pragmatische              sein. Das Warten auf die pas-

PÄDAGOGIK

kompetent. flexibel. angepasst.
Bildung in der neoliberalen Individualisierungsfalle (Teil 1)
   Kompetenz       statt   Inhalt,          werden?                                spielt. Dafür genügt keine Mo-
Lernbegleiter_innen statt Leh-                 Wir leben im neoliberalen           mentaufnahme. Vielmehr sind
rer_innen, ein tiefgreifender Pa-           Kapitalismus! Diese Aussage            wir mit einem langfristigen Ver-
radigmenwechsel und eine kon-               ist für den einen eine Selbstver-      änderungsprozess konfrontiert,
struktivistische Didaktik: Das              ständlichkeit, anderen mag es          der spätestens in den 1990er Jah-
sind Begriffe, die seit geraumer            noch immer schwerfallen, diesen        ren begonnen wurde und noch
Zeit die Schule prägen. Zudem               Begriff inhaltlich tatsächlich zu      nicht aufgehört hat, Schule und
haben wir es mit einer fortschrei-          füllen. Dritte halten sie für unter-   Bildung zu prägen.
tenden Arbeitsverdichtung auch              komplex oder einfach übertrie-            Im Jahr 2006 wird in einem
im Schulalltag zu tun. Welche               ben. Wenn wir aber Autonomie,          Beschluss des Europaparlaments
Möglichkeiten gibt es, all diese            Emanzipation und Solidarität als       klar auf den Punkt gebracht,
Erfahrungen in einen größeren               gültige Kategorien für schulische      worum es aus EU-Perspektive
Zusammenhang zu stellen, um                 Bildung nicht aufgeben wollen,         gehen muss. Dieser Beschluss
sie auch verstehen zu können?               dann müssen wir über diesen            beschreibt das, was man den
Und vor allem: Wie können wir               neoliberalen Kapitalismus spre-        europäischen „Idealbürger“, die
damit umgehen, ohne resignativ              chen, seine Funktionsweisen und        „Idealbürgerin“ nennen könn-
oder gar handlungsunfähig zu                die Rolle, die die Schule darin        te. Er formuliert Kompetenzen,

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                                            15
die als notwendig für das Leben Gegenposition zu lange vorherr-         – für sie zu einem tendenziel-
zu Beginn des 21. Jahrhunderts schenden keynesianischen Vor-            len Machtverlust geführt hatten.
nicht von der Hand zu wei- stellungen. Ihre „Dogmen“ las-               Zudem galt es, aus den ökono-
sen sind. Und er benennt, was sen sich mit den Schlagworten             mischen Krisen im Verlauf der
diese_n Bürger_in auf jeden Liberalisierung, Privatisierung             1970er Jahre nicht geschwächt
Fall kennzeichnen muss: die und Deregulierung benennen.                 hervorzugehen. Dazu war die
unternehmerische Kompetenz Der Glaube an die Allmacht des               „Zerschlagung der Verhand-
als Schlüsselkompetenz. Aller- Marktes als Regulationsprinzip           lungsmacht der Lohnabhängigen
dings fällt dieser Typus nicht für alle gesellschaftlichen Be-          durch Schwächung ihrer Organi-
vom Himmel. Ein zentraler Ort, reiche – auch Bildung, Gesund-           sationen und extreme Vereinze-
an dem er entsteht, ist die Schule heit und Soziales – ist hierfür      lung der arbeitenden Menschen“
bzw. die Bildung. Damit können kennzeichnend. Diese Dogmen              (Harvey) ein Baustein.
Lehrer_innen nicht einverstan- finden sich an vielen Stellen der           3. Hinzu kommt ein dritter As-
den sein und allein daraus re- gesellschaftlichen Wirklichkeit          pekt, der durch den Philosophen
sultiert die Notwendigkeit einer spätestens seit den 1990er Jah-        Michel Foucault deutlich ge-
Kritik neoliberaler Bildung.       ren wieder.                          macht wurde: Neoliberalismus,
   Mittlerweile ist viel dazu ge-    2. Ein zweiter bedeutender         so seine These, ist nicht allein
schrieben worden. Wir wissen Aspekt lässt sich mit dem briti-           ein ökonomisches Programm,
längst, dass hinter diesen                                                     sondern damit verbunden
Bemühungen eine Hu-                                                            ist eine spezifische Herr-
mankapitaltheorie steht,                                                       schaftsform, in der Men-
die den Menschen zum                                                           schen auf eine bestimmte
Homo oeconomicus er-                                                           Weise regiert werden und,
klärt. Der Selbstunterneh-                                                     so könnte man sagen, die
mer ist vor allem durch                                                        spezifische Subjekte, also
Ulrich Bröckling zu einer                                                      eine bestimmte Form des
bekannten Figur gewor-                                                         Subjektseins, hervorbringt.
den. Inwiefern sich diese                                                      Diese      Regierungsform
Veränderungen in Bil-                                                          setzt auf die Verinnerli-
dungsprozesse eingraben                                                        chung von Machtmecha-
konnten und wie solch                                                          nismen und Herrschaft,
eine Ausrichtung von Bil-                                                      möglichst unter Verzicht
dung überwunden werden                                                         auf äußere Gewalt und
könnte, bleibt eine offe-                                                      Zwang.
ne und schwierige Fra-                                                            Spätestens an dieser
ge. Lehrer_innenn sollte                                                       Stelle liegt eine Verbin-
jedoch klar sein, warum                                                        dung auch zu schulischen
gerade neoliberale The-                                                        Fragen auf der Hand. Zum
orien so kompatibel mit                                                        Dreh- und Angelpunkt
Bildungsansätzen       sind.                                                   wird die Tatsache, dass die
Deshalb muss in aller                                                          neoliberale ökonomische
Kürze gesagt werden, was                                                       Theorie dem Verhalten
in diesem Zusammenhang                                                         eine neue Bedeutung gibt.
mit dem Begriff Neolibe- Edition-ITP-Kompass Bd. 25                            Und genau hier können pä-
ralismus gemeint ist. Drei Münster 2018, ISBN: 9783981698282                   dagogische Überlegungen,
Aspekte können hilfreich 180 Seiten, 14,80 €                                   die seit den 2000er Jahren
sein:                              schen Geographen David Har-          zu einer Kompetenzorientierung
   1. Zunächst ist mit dem Neo- vey benennen. Für ihn stellt            in der Bildung geführt haben,
liberalismus eine ökonomische Neoliberalismus den Versuch               andocken. Die für den deut-
Grundvorstellung       verbunden, einer Wiederherstellung von           schen Sprachraum maßgebenden
die sich im Laufe der zweiten „Klassenmacht“ bzw. „Macht                Formulierung des Psychologen
Hälfte des 20. Jahrhunderts der ökonomischen Eliten“ dar,               – nicht Pädagogen! – Weinert
durchgesetzt hat und in vielen nachdem in der Nachkriegszeit            ist dabei besonders relevant.
gesellschaftlichen Bereichen, so sowohl Bemühungen um ge-               Zur Erinnerung: In ihr werden
an den Universitäten, dominant sellschaftlichen Ausgleich, z.           Kompetenzen beschrieben als
geworden ist. Bedeutende Ver- B. durch Gewerkschaften, als              „die bei Individuen verfügbaren
treter sind Milton Friedman und auch ein Erstarken linker Bewe-         oder durch sie erlernbaren ko-
August von Hayek. Sie ist eine gungen – vor allem nach 1968             gnitiven Fähigkeiten und Fer-

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tigkeiten, um bestimmte Prob-               im Menschen verkörpert ist,         Ansätze in den gesamten Bil-
leme zu lösen, sowie die damit              und Kapital, weil es ein Quelle     dungs- und Erziehungskomplex
verbundenen        motivationalen,          zukünftiger Befriedigung oder       integrieren können. Dabei verlie-
volitionalen (d. h. absichts- und           zukünftiger Erträge oder eine       ren die kritischen Ansätze ihren
willensbezogenen) und sozialen              Quelle von beidem ist.“ Damit       „Stachel“, weil es ihnen durch
Bereitschaften und Fähigkeiten,             wird alles das, was der Mensch      die gegebenen Rahmenbedin-
um die Problemlösungen in va-               bekommt, als Ertrag bzw. Ein-       gungen nicht mehr gelingt, aus
riablen Situationen erfolgreich             kommen auf sein Kapital be-         der neoliberalen Individualisie-
und verantwortungsvoll nutzen               trachtet, und alle Veränderungen    rungsfalle auszubrechen und die
zu können“. Kompetenzen als                 sind Investitionen zur Vergröße-    Rahmenbedingungen selbst zum
Fähigkeiten und Fertigkeiten                rung des vorhandenen Kapitals       Gegenstand der Kritik zu ma-
werden in konkreten Situationen             – eben des Humankapitals.           chen. Dass dieses Subjekt kein
in Verhalten umgesetzt. Damit                  Bildung und Erziehung sind       glückliches mehr ist, muss nicht
werden sie zum Schlüssel für                auf der individuellen und auf       eigens gesagt werden.
Humankapital.                               der gesellschaftlichen Ebene aus       Von einer Individualisierungs-
   Im Zentrum des neolibera-                einer solchen Perspektive nichts    falle können wir sprechen, weil
len Weltverständnisses steht ein            anderes als Investitionen in        alle Probleme, alles Scheitern an
Menschenbild, das von Gary                  das vorhandene und zu vergrö-       den einzelnen Menschen zurück-
Becker, einem der maßgebenden               ßernde Humankapital. Eine der       verwiesen wird. „Jeder ist seines
Ökonomen des Neoliberalismus,               Autonomie, Emanzipation und         eigenen Glückes Schmied“ ist
folgendermaßen         beschrieben          Solidarität verpflichtete Schule    zu einer Losung geworden, die
wird: „In der Tat bin ich zu der            – dies gilt insbesondere auch für   die Gesellschaft, ja, das große
Auffassung gekommen, daß der                berufsbildende Schulen – kann       Ganze als Bezugspunkt unseres
ökonomische Ansatz so umfas-                diese Position nicht teilen, weil   Handelns verschwinden lassen
send ist, daß er auf alles mensch-          die Humankapitaltheorie den         will. Margaret Thatcher, eine der
liche Verhalten anwendbar ist               Menschen auf seine ökonomi-         Wegbereiter_innen der neolibe-
...“. Das Verhalten von Lehrer_             sche Funktion reduziert, ihn zur    ralen Weltsicht, hatte gesagt: „Es
innen und Schüler_innen wird                findigen Marktteilnehmer_in de-     gibt keine Gesellschaft. Es gibt
von ihm explizit eingeschlossen.            gradiert und so den Bildungsbe-     nur Individuen.“ Dass dabei et-
   Grundlegend für diese Auf-               griff selbst entkernt.              was Entscheidendes für Schule
fassung vom Menschen ist eine                  Aus dieser Perspektive kommt     und Bildung verloren geht, liegt
Veränderung der Vorstellung von             man nicht darum herum, bei-         auf der Hand: unsere gemeinsa-
dem, was Ökonomie ist: Es geht              spielsweise die neue Generation     me Welt, die die Basis und der
in ihr nicht mehr in erster Linie           der kompetenzorientierten Bil-      Bezugspunkt unseres Handelns
um Dinge, Produktionsverfah-                dungspläne immer auch kritisch      sein und bleiben muss. Wo dies
ren, Arbeit etc., sondern im Kern           zu lesen. „kompetent. flexibel.     nicht der Fall ist, das wird ganz
ist Ökonomie eine „Wissenschaft             angepasst.“ ist also in Kurzform    aktuell vor allem am Klimawan-
des menschlichen Verhaltens“!               die Beschreibung des neolibe-       del deutlich, laufen wir Gefahr,
Diese Art der Charakterisierung             ralen Subjekts. Verblüffender       handlungsunfähig zu werden. In
des Ökonomischen reicht bis in              Weise wird dieses Subjekt – mit     dieser Welt wird die Akkumu-
die Anfänge neoliberaler Theo-              genau diesen Begriffen – ganz       lation von Kapital – eben auch
riebildung in den 1930er Jahren             offen propagiert. Das zeigt der     Humankapital – und dessen Ver-
zurück. Das aus pädagogischer               EU-Parlamentsbeschluss       von    wertung zum höchsten aller Zie-
Sicht Problematische daran ist,             2006. Der Ort, an dem es ent-       le und Erziehung und Bildung
dass damit einer Verbindung zu              stehen soll, ist die „neoliberale   leisten einen entscheidenden
allen anderen Wissenschaften                Schule“. Sie ist keine Schule       Beitrag dazu. Der Auftrag von
menschlichen Verhaltens ein                 im eigentlichen Sinne, eher eine    Bildung aber ist ein anderer. Die
Raum eröffnet wird, der nun                 Grundstruktur, die überall dort     400 Jahre alte Aufforderung von
immer weiter gefüllt wird. Im               ihre Wirkung entfaltet, wo es       Comenius, dem Begründer der
Zentrum steht die aus dieser                um Bildung geht. Ihre entschei-     ersten Didaktik, könnte noch im-
Grundauffassung resultierende               dende Größe und ihr zentraler       mer wegweisend sein: Alle alles
„Humankapitaltheorie“, die von              Begriff ist das Humankapital. In    ganz zu lehren!
Theodore W. Schultz Anfang                  dessen Schatten gelingt es, Bil-             ANDREAS HELLGERMANN
der 1970er Jahre so beschrieben             dung ökonomisch zu fundieren              Münster, Impulsreferat auf der
wird: „Das besondere Kennzei-               und zugleich neue Formen der                         GEW-Veranstaltung:
                                            Machtausübung zu finden, die            Neoliberalismus in der Schule am
chen des Humankapitals besteht
                                                                                                           21.10.2019
darin, daß es ein Teil des Men-             eine Vielzahl kultureller, päd-
schen ist. Es ist human, weil es            agogischer, ja auch kritischer                       Fortsetzung folgt

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/2019                                                                          17
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