Und raus bist du! - GEW Hamburg
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PÄDAGOGIK …und raus bist du! Die heutige Spielart von Schwarzer Pädagogik mit schickem englischen Begriff getarnt: Social Scoring Lukas schaut finster. Gerade Kindern registriert, vergleichend onsregulation, Impulskontrolle hat der Erstklässler vom Lehrer eingeordnet und in Form einer und Handlungssteuerung bereits mitgeteilt bekommen, dass er Statistik öffentlich dokumen- gut gelingt, darin bestärkt, noch seinen fünften traurigen Smiley tiert. Dabei wird aber nicht nur besser zu werden, wird durch die erhalten hat. Dieses rote Steck- eine Rangfolge erstellt, sondern drohende Bestrafung der Druck symbol wird nun sichtbar für alle es werden meistens auch positi- auf diejenigen erhöht, die damit Schüler_innen an einer Wand ve oder negative Sanktionen für (aus verschiedenen Gründen) neben der Tafel unter seinem Störenfriede oder (um den sozi- noch Probleme haben - bei zehn Namen angebracht. Erhalten hat alen Druck zu erhöhen) für die traurigen Smileys darf dann das Lukas den Tadel, weil er wäh- gesamte Gruppe verhängt. Die betreffende Kind z.B. nicht mit rend des Unterrichts mit seinem Kinder werden also auf der einen auf Klassenreise! Der Druck, der Nachbarn geredet hat, was er Seite vereinzelt und auf der an- durch diesen Ausschluss aus der nicht tun soll. Der 5. rote Punkt deren Seite untereinander künst- Gemeinschaft aufgebaut wird, hat eine besondere Bedeutung: lich in eine Situation des Wett- wirkt somit auch noch auf die Tobias darf nun nicht mehr beim bewerbs gesetzt, wodurch das anderen sozialen Systeme, in de- lange geplanten Ausflug der Prinzip der gegenseitigen Hilfe nen sich das Kind befindet und Klasse in der nächsten Woche oder der Solidarität ausgehebelt wird z.B. von den Sorgeberech- mitkommen. „Mensch, Lukas, wird, nicht aber das Konkurrenz- tigten aufgrund von Ärger oder schade, aber das hast du dir ganz Enttäuschung eventuell noch alleine zuzuschreiben“ sagt der verstärkt. Das Problem, das da- Lehrer. Lukas tritt daraufhin Das eigene Verhalten durch angezeigt ist, betrifft zwar wütend mit dem Fuß gegen den wird für die Kinder zur nur einzelne, was es aber für die Tisch. „Pass auf“, ermahnt ihn Währung und am Ende wie Struktur des Sozialen bedeu- der Pädagoge: „Sonst bekommst ten kann, lässt sich durch einen du gleich noch den nächsten ro- Treuepunkte im Supermarkt Wechsel auf die politische Ebe- ten Smiley“ Der Junge murmelt eingelöst ne illustrieren: In China werden mürrisch: „Ist doch eh schon bereits auf Grundlage von durch egal….“. Überwachung erhobenen Daten So oder so ähnlich geht es in denken und die damit verbunde- bestimmten Menschen Vergüns- vielen Klassenräumen und auch ne Gefahr von Ausgrenzung. tigungen, wie z.B. das Reisen ins Kitas zu, wenn sogenannte „So- Die Gruppe fungiert im Ausland, verwehrt als Strafe für cial-Scoring“ Bewertungssyste- schlechtesten Fall dann nur noch als negativ bewertetes Verhalten. me zur Anwendung kommen, wo als faszinierte, aber distanzierte Das Ganze firmiert unter dem jedem Kind ein Status zugewie- und damit tendenziell mitleidlo- Label „Motivations- bzw. An- sen wird, der das Level seiner se Agentin eines Systems, dessen reizsysteme“, die in Form einer Fähigkeiten markiert, das per- Bewertungslogik sie unterwor- bunten Produktpalette von Ta- sönliche Verhalten den Anfor- fen ist. Das eigene Verhalten wird feln, Symbolen oder Ampeln das derungen der sozialen Umwelt für die Kinder zur Währung und individuelle Benehmen durch anzupassen. Dahinter steht die so werden – bezogen auf die Ka- Belohnung und Bestrafung von pädagogische Absicht, mit Grup- tegorien „gutes“ oder „schlech- außen regulieren sollen. Die pen relativ schnell und einfach tes“ Benehmen – eifrig stan- Gründe oder Umstände, die dazu eine störungsfreie Arbeitsatmo- dardisierte „Token“-Symbole führen, dass einige Kinder das sphäre herzustellen. Der Weg, (Stempel/Sonne/Regen/Smileys/ Einhalten von Regeln besser der dafür eingeschlagen wird, Murmeln) gesammelt und am schaffen als andere, interessie- birgt jedoch einige Risiken und Ende wie Treuepunkte im Super- ren dabei nicht, denn der Fokus Nebenwirkungen, die es zu ken- markt eingelöst, allerdings mit ist darauf gerichtet, Menschen nen gilt. Denn um die erwünsch- höchst unterschiedlichen Folgen: durch den gezielten Einsatz von te Disziplin zu erreichen, wird Während es diejenigen, denen Sanktionen als sogenannte „ver- das individuelle Verhalten von der erwünschte Grad an Emoti- stärkende“ Effekte so zu beein- 20 hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 1-2/2022
flussen, dass sie das erwünschte Kopplung an die Sinndimension und erfolgreich zu inszenieren, Verhalten irgendwann auch ohne zur subjektiven Entscheidung, um die Belohnung zu bekom- den Verstärker zeigen, weil er er- die es zu treffen oder zu verwei- men, obwohl eine produktive folgreich antrainiert worden ist: gern gilt. Ungehorsam wird so Lern- und Arbeitsumgebung ei- „Wer oft genug einen Smiley be- zur Option auf Grundlage eines gentlich eine sein sollte, in der kommen hat, um fleißig zu arbei- Urteils über Sinn oder Unsinn Fehler offen zugegeben werden ten, wird irgendwann auch ohne hinsichtlich der Forderung, ge- können, in der sich Schüler und Smiley fleißig arbeiten.“ (Dietz horchen zu sollen. Das ist der Mitarbeiter bereitwillig helfen 2017, S. 2) Diese Idee ist nicht Unterschied zwischen Mündig- und um Hilfe bitten.“ (Dietz neu, sie wurde aus der Tierdres- keit und Anpassung und er kann 2021, 4) sur in das Repertoire der Verhal- auf alle möglichen Inhalte bezo- Es ist somit stark begrün- tenspsychologie übernommen gen werden, die in der Pädago- dungsbedürftig, warum das „So- und ist dort unter dem Namen gik als legitime Ziele formuliert cial Scoring“ in pädagogischen „Operantes Konditionieren“ ein © Wikimedia lerntheoretisches Standardwis- sen. Dabei wird eine Aktion mit einer bestimmten Art der Reak- tion verbunden und diese Kopp- lung dann bei ständiger Wie- derholung vom Organismus als selbstverständliche Kausalität übernommen. Das eigene Ver- halten wird also nicht aufgrund eines selbstständigen Urteils über dessen Zweck, Mittel und Folgen reguliert, sondern an- hand eines extern organisierten Systems von negativen oder po- sitiven Effekten ausgerichtet. So wird z.B. das Prinzip der Ampel in pädagogischen Gruppen dafür Gefährliche Analogien benutzt, um dem Kind mit Hilfe der Farben Rot, Gelb und Grün werden können. Institutionen so beliebt ist, denn anzuzeigen, auf welcher Skala Dabei wirkt der Vorgang des es kann ja nicht darum gehen, sich dieser Aneignungsprozess Lernens durch Aktion und Re- Kinder zu erziehen, indem man nach Meinung des Erwachsenen aktion doppelt: Bei denjenigen, künstlich Angst erzeugt oder sie aktuell befindet. Doch lassen die von der Norm abweichen, systematisch korrumpiert. Wenn sich soziale Regeln ähnlich sim- funktioniert er durch das Vermei- zusätzlich dann noch so getan pel wie Verkehrsregeln beibrin- dung-Wollen von Strafen und bei wird, als seien die Kinder sel- gen und verstehen? Zweifel sind denjenigen, die andauernd dafür ber schuld, wenn sie aufgrund angebracht: gelobt werden, weil sie etwas unbotmäßigen Benehmens z.B. „Es macht einen Unterschied, können, was andere noch nicht vom sozialen Leben (Morgen- ob das Kind gehorcht weil es schaffen, führt er zur Gewöh- kreis/Angebote/Ausflüge/Klas- nicht “auf Rot“ kommen möch- nung an das Schema der Be- senreisen) ausgeschlossen wer- te, oder ob es gehorcht, weil es lohnung. Doch diese nutzt sich den, dann findet dadurch eine versteht, dass soziales Verhalten schnell ab und entwertet die Sa- unzulässige Umlenkung der gewinnbringender ist als ego- che, um die es geht. Eine Moti- pädagogischen Verantwortung istisches und verständnisvolle vation wird nur dann entwickelt, statt: Die Schuld für getroffe- Begegnungen befriedigender wenn ein entsprechender Gegen- ne Entscheidungen wird nicht sind als Aggression.“ (Campana wert in Aussicht steht, nach dem dort übernommen, wo sie ihren 2017, 34) Motto: „Wofür ich nichts erhalte, Ursprung hat, d.h. beim zustän- Während im ersten Fall das das ist dann wohl auch weniger digen Erwachsenen, sondern an Lernziel des Gehorsams quasi wert“. Zum anderen hat das ei- das Kind delegiert, wo das „fal- „blind“ ist, weil dieser als ge- nen negativen Einfluss auf den sche“ oder „richtige“ Verhalten nerelles Prinzip zur Vermeidung eigenen Umgang mit Fehlern: als bewusstes Antizipieren für von negativen Effekten eingeübt „Belohnungen verführen die oder gegen die Inkaufnahme der worden ist, so wird der Gehor- Belohnten dazu, Probleme zu Sanktion reduziert wird: sam im zweiten Fall durch die verstecken, sich als kompetent „Die Strafe wird zur ‚logi- hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 1-2/2022 21
schen Konsequenz‘ deklariert, mität aufgegeben wird? tivationspsychologen Deci und die unmittelbar und natürlich aus Das soll ein Beispiel aus der Ryan (vgl. Deci/Ryan 1993) dem Fehlverhalten folgt. Zudem Praxis illustrieren: Ein Kind in haben das als Effekt einer soge- wird das Verhalten als bewusst der Kita hatte oft das Problem, nannten „extrinsischen Motivati- gewähltes interpretiert. Demzu- in Konflikten mit anderen Kin- on“ bezeichnet und sie qualitativ folge tragen die Schüler_innen dern handgreiflich zu werden. von der „intrinsischen Motiva- auch die Verantwortung dafür.“ Ermahnungen halfen wenig, tion“ unterschieden, die sich an (Rauh/Welter, u.a. 2020, S. das pädagogische Personal war den menschlichen Grundbedürf- 14/15.) ratlos. Schließlich einigten sich nissen von Kompetenz, sozialer Der Begriff der „Konsequenz“ die Erzieher_innen darauf, dem Teilhabe und Autonomie ori- erfährt dabei eine eigentümliche Kind jedes Mal, wenn es ein entiert. Lerne ich bei letzterem Verschiebung, weil das, was da- anderes schlug, eine sogenannte selbstbestimmt etwas aus einem mit normalerweise gemeint ist, „Auszeit“ zu verabreichen, wo eigenen, begründeten Interes- nur bedingt stattfindet: Es han- es für eine bestimmte Zeit alleine se heraus, so ist das Lernen bei delt sich ja beim Verhängen von sein musste und von den anderen ersterem fremdbestimmt von Sanktionen nicht um eine un- separiert wurde. Langsam „bes- äußeren Impulsen, d.h. auch in mittelbare Auswirkung, die ein serte“ sich das aggressive Ver- Abhängigkeit von Kriterien, die Verhalten auf andere Menschen halten, bis es schließlich kaum eventuell nicht meine eigenen hat, z.B wenn ein Kind weint, sind. Die Fähigkeit zum selbst- weil es zuvor von einem anderen ständigen Urteilen wird dadurch Kind geschlagen wurde, sondern Das scheinbar nüchterne erschwert. die Konsequenz entsteht als Wir- „Wenn-Dann“ entpuppt Es geschieht dabei zweierlei: kung auf den Urheber erst durch sich als autoritäres Zum einen werden pädagogische die Intervention einer übergeord- „Wehe-Sonst“ Entscheidungen nicht als das neten Instanz. Diese Art der Fol- deutlich, was sie in diesem Fall ge ist damit aber nicht „logisch“ sind, nämlich eine Manipulation aus einer Handlung abgeleitet, noch auftrat. Die Pädagog_innen zur möglichst einfachen Hervor- sondern sie ist bezogen auf den waren sehr zufrieden mit ihrer bringung von „erwünschtem So- künstlicher Akt der Setzung eben Strategie. Eines Tages saß das zialverhalten“, weil der Vorgang, der externen Macht, die im Hin- Kind mit einem anderen Kind die lachenden oder weinenden blick darauf lobend oder strafend friedlich ins Spiel mit Eimer und Smileys zu vergeben, wie ein eingreift. Das scheinbar nüchter- Schaufel vertieft, als es plötzlich neutrales Feststellungsverfahren ne „Wenn-Dann“ entpuppt sich die Schaufel nahm und sie dem/ angesehen und kommuniziert als autoritäres „Wehe-Sonst“, der Spielpartner_in über den wird: Der oder die Pädagog_in denn die Möglichkeiten der Be- Kopf zog. Geistesgegenwärtig vollzieht quasi „objektiv“ eine einflussung oder der Verände- fragte die anwesende Praktikan- Art Datenerhebung mit gleich- rung durch die Kinder sind dabei tin: „Warum hast du das getan?“ zeitiger Evaluation, die sich aus begrenzt. Die Antwort lautete: „Och, ich einem bestimmten Umstand Für die Ich-Entwicklung bin müde, ich brauche eine Aus- (Wohl- oder Fehlverhalten) besteht hierbei die Gefahr, zeit.“ auf Seiten des Kindes ergibt. dass die rigide Logik der Das Kind hatte also nur ge- Er wird damit nicht als Person Fremdbeurteilung, die dem lernt, was mit ihm passiert, wenn sichtbar, sondern erscheint als binären Code der Unterschei- ein bestimmtes Verhalten auftritt, kontrollierende Messinstanz, dung von „belohnt=gut“ und nicht aber, worin der eigentliche die unter der Last eines schein- „bestraft=schlecht“ folgt, als Zusammenhang dabei besteht. baren Sachzwangs („Lukas zeigt unbedingte Gültigkeit einer herr- Es hatte verstanden, dass es bei schlechtes Verhalten“) eine Kon- schenden Norm ins Selbstkon- der Entscheidung für oder gegen sequenz ausspricht, deren Au- zept übernommen wird. Wie soll eine Handlung darauf ankommt torität sie sich bis zum bitteren sich daraus eine differenzierte abzuschätzen, wie das jemand Ende unterwirft. Der Sadismus, und kritische Beurteilungskom- findet, der mächtiger ist und be- der sich hinter dieser Neuaufla- petenz auf Seiten des Subjekts stimmte Sanktionen verhängen ge von „Wer-nicht-hören-will- ergeben? Was geschieht mit der kann. muss-fühlen“ versteckt, kann Beziehung zu sich selber, zu den Gelernt wird beim „Social sich dann auch noch als Mitleid anderen und mit der pädagogi- Scoring“ also unter Umständen maskieren: „Mensch Lukas, wie schen Beziehung, wenn das Inte- nur das Prinzip von Macht, Be- doof, leider hast du jetzt den 10. resse für die Genese von Proble- lohnung und Bestrafung sowie traurigen Smiley bekommen. men zugunsten der Orientierung Strategien, sich damit abzufin- Es tut mir ja auch leid, dass du auf die Herstellung von Konfor- den und anzupassen. Die Mo- dadurch jetzt nicht mit auf Klas- 22 hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 1-2/2022
senreise darfst, aber so ist das Wie soll ein vertrauensvolles schieht oder wie sie das ändern nun einmal.“ Das eigene Urteil und wertschätzendes Arbeits- können. Wenn das auch sonst muss sich somit nicht einmal bündnis entstehen, wenn die niemanden interessiert, greift das kritisch hinterfragen lassen, weil Aufmerksamkeit des Erwachse- Prinzip der negativen Sanktion es zuvor durch die Systemlogik nen sich nicht in verstehender, dann immer weniger, weil diese unkenntlich gemacht worden ist, sondern in bewertender Absicht Kinder resignieren und sich eine obwohl es ja ohne eine persön- auf die kindliche Fähigkeit zum „Ist ja eh schon alles egal“-Hal- liche Entscheidung überhaupt tung zulegen. Als Folge sinkt die nicht funktioniert. Motivation und das Selbstwert- Der Sadismus, der sich Dass unter Umständen die gefühl ist dauerhaft angeschla- emotionale Verfassung der/s Be- hinter dieser Neuauflage gen, weil das Nicht-Erfüllen der obachter_in seine/ihre Vorerfah- von „Wer-nicht-hören-will- Erwartungen die Abwehr von rungen inklusive Vorlieben und muss-fühlen“ versteckt, Frustration, Scham und Selbst- Vorurteile sowie Sympathie und kann sich dann auch noch zweifeln erforderlich macht. Der Antipathie die Wahrnehmung Philosoph Michel Foucault hat als Mitleid maskieren von Personen und Situationen das als Nebeneffekt einer „Dis- stark beeinflussen kann, wird da- ziplinarmacht“ analysiert: bei ignoriert. Eine mögliche Fol- Wohlverhalten fokussiert? Zu- „Die Individuen werden un- ge könnte sein, sich als Fachkraft dem lösen Messverfahren und tereinander und im Hinblick auf nicht als Urheber von eventuell Rückmeldungen noch nicht das diese Gesamtregel differenziert, fehlerhaften Interpretationen Problem, was damit erhoben wobei diese sich als Mindest- anzusehen, sondern diese für ob- wird: Vom Wiegen wird die Sau maß, als Durchschnitt oder als jektive Fakten zu halten. Für die nicht fett, d.h., bestimmte Kinder optimaler Annäherungswert dar- Gestaltung von pädagogischen sammeln einfach ständig trauri- stellen kann. Die Fähigkeiten, Beziehungen ist das kontrapro- ge Smileys oder Regenwolken, das Niveau, die ‚Natur‘ der Indi- duktiv, weil dadurch ein „Menta- ohne eine Idee davon zu haben, viduen werden quantifiziert und lisieren“, also ein Verstehen der warum das immer wieder ge- in Werten hierarchisiert. Hand inneren Welt des/der anderen, seiner/ihrer Gefühle, Absich- Literatur: ten und Gründe, nicht erfolgen kann. Wenn Pädagogik aber be- Hehn-Oldiges, M./Ostermann, B. (2020): Ampeln und andere deutet, sich auf den/die andere/n Ermahnungssysteme – problematische Strategien zur Erziehung. im Rahmen einer professionel- Abrufbar unter http://paedagogische-beziehungen.eu/amplen- len Beziehung einzulassen, dann und-andere-ermahnungssysteme-problematische-strategien-zur- reicht es nicht aus, sich als rich- erziehung/ terliche Instanz zu inszenieren, Deci, E./Ryan, R (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der weil ich dadurch zum Teil des Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift Problems werde, zu dessen Be- für Pädagogik, Heft 2/1993; S. 224-238. Beltz. arbeitung Pädagogik eigentlich Campana, S. (2017): ROT für die Ampel im Klassenzimmer. In: einen Beitrag liefern möchte, „4 bis 8“, Ausgabe 2/2017, S. 34-35. Schulverlag plus AG. da davon ausgegangen werden Dietz, H. (2017): Belohnen ist das neue Bestrafen. Aus: „!0 kann, dass „Bestrafungen ande- nach 8“, S. 1-6, Abrufbar unter https://zeit.de/Kultur/2017-03/ re unerwünschte Emotionen wie erziehung-belohnung-pschologie/. Zeit Online. Bucerius Verlag z.B. Ärger oder Frustration aus- Rauh, B./Welter, N. u.a. (2020) : Emotion, Emotionsregulati- lösen, was wiederum aggressi- on und psychoanalytische Pädagogik. In: Emotion – Disziplinie- ves Verhalten begünstigen kann. rung – Professionalisierung. Schriftenreihe der DGfE, Band 10, S. (…) Die strafende Person wirkt 9-28. Verlag Barbara Budrich. auch als Modell für die bestraf- Foucault, M (1976) Überwachen und Strafen. Suhrkamp. te Person. Demzufolge können Frankfurt a.M ungünstige Verhaltensweisen Winkler, M (2006) Kritik der Pädagogik. Kohlhammer, Stutt- gelernt werden, die wiederum gart Bestrafung und Aggression nach Werner, N./Trunk, J. (2017) Operante Verfahren. Techniken der sich ziehen. Schließlich ist nicht Verhaltenstherapie. Beltz Verlag. zu vergessen, dass sich Bestra- Wir veröffentlichen ausnahmsweise die verwendete Literatur, fung auch negativ auf die Bezie- weil wir keine Zeit mehr fanden, den Text umzuformulieren. Wir hung zwischen Strafendem und bitten zukünftige Autor_innen, dies zu berücksichtigen, weil wir Bestraftem auswirkt.“ (Werner/ uns nicht als wissenschaftliches Medium verstehen. Die Redaktion Trunk 2017, 28) hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 1-2/2022 23
in Hand mit dieser ‚wertenden‘ negativ bewertet werden. In der den Kontext der inneren und Messung geht der Zwang zur jeweiligen Gruppe werden sie äußeren Situation miteinbezie- Einhaltung einer Konformität.“ als auf problematisches Verhal- hen, in dem sich die Menschen (Foucault 1976, 236) ten reduziert dargestellt. Die so befinden. Das erklärt, warum das „Soci- Hervorgehobenen erleben sich Es gibt für komplexe Her- al Scoring“ auf die Beteiligung als abgelehnt, wertlos und unzu- ausforderungen keine einfachen und Mitwirkung der Öffentlich- länglich.“ (Hen-Oldiges/Oster- Lösungen, auch nicht für das keit angewiesen ist, denn der mann 2020, S. 5) Erlernen von sozialen Kompe- Vergleich und die dadurch ent- Neben dieser wenig ressour- tenzen in institutionell gepräg- stehende Scham und Frustration cenorientierten und datenschutz- ten Schicksalsgemeinschaften auf Seiten derjenigen, die den rechtlich bedenklichen Art und wie Klassen oder Kita-Gruppen. Anforderungen nicht genügen, Weise der „Brandmarkung“ Wer glaubt, das mit Hilfe von aber auch die Erleichterung, der erlangen Pädagog_innen durch Verfahren wie „Social Scoring“ Triumph und die Schadenfreude die Skalierung von kindlichem erreichen zu können, muss sich auf Seiten der Kinder, welche Verhalten keinerlei Aufschluss mindestens fragen lassen, ob die die Standards erreichen, werden darüber, ob nicht vielleicht die damit verbundenen Gefahren bewusst mit einkalkuliert. Das Leistung des Einzelnen darin den Einsatz rechtfertigen, denn wertende und urteilende Herab- bestanden hat, es vor der Ermah- der pädagogische Zweck heiligt schauen auf andere wird dadurch nung so gut wie möglich ver- die Mittel nicht, im Gegenteil, eingeübt und funktioniert im sucht zu haben? Dieses zu wis- er limitiert sie. Wenn der Aufbau Grunde genauso wie der Pranger sen, wäre aber durchaus wichtig, einer stabilen und solidarischen auf einem Marktplatz am Ende wenn es um Würdigung des Ein- sozialen Architektur eine der des 13. Jahrhunderts: zelnen und um mögliche Formen wichtigsten Zukunftsaufgaben „Die öffentliche Darstellung der pädagogischen Unterstüt- unserer Gegenwart ist, dann ist der Unzulänglichkeit (…) ist zung von individueller Entwick- es nicht ausreichend, das mit als Beschämung anzusehen. Die lung gehen soll: „Anerkennung Bauplänen aus dem Mittelalter Betroffenen werden bloßgestellt, benötigt Leistungen, die man versuchen zu wollen. ihr Augenmerk ist auf die Ampel vielleicht nicht versteht.“ (Wink- STEFAN DIERBACH oder die Sammelskala gerichtet, ler 2006, S. 289) Um diese er- Fachschule für Sozialpädagogik Altona durch die sie offensichtlich als kennen zu können, müsste ich (FSP2/BS 21) Schulmuseum sammelt Dokumente zum Unterricht in der Coronazeit Das Hamburger Schulmuse- später auch für Sie interessant, Hamburger Schulmuseum um interessiert sich für Unter- diese in unserem Museum an- LIF 14 richtseinheiten und Unterrichts- zusehen. Zudem möchten wir Dr. Silke Urbanski ergebnisse aus der Coronazeit. die Arbeit während der Corona- Ausstellungsgestaltung Bitte senden Sie uns speziell Zeit dokumentieren. Seilerstraße 42 für die Pandemiezeit entwor- Auf den Schüler_innenarbei- 20359 Hamburg fene Unterrichtseinheiten und ten muss folgendes verzeichnet Telefon: 0 40 / 31794819 Schüler_innenarbeiten zu, die sein: Vorname, Klasse, Schule Telefax: 0 40 / 3179 5107 sich auf die Pandemie, den und Titel. Senden Sie uns bitte Fern- und Hybridunterricht und die Arbeiten per Behördenpost LZ 161/5115 das Erleben der Schüler_innen oder, bei digitalen Produkten, beziehen. per Email oder WeTransfer zu. Wir möchten die Arbeit und Alle Arbeiten, die Sie einsen- das Leben in dieser Zeit in vie- den, müssen dem Museum ge- len unterschiedlichen Schulen schenkt werden. Das Formular darstellen können, da wir hof- dazu finden sie hier: fen, in Zukunft eine Ausstel- Haben Sie noch Fragen? lung damit zu gestalten. Daher Dann schreiben Sie bitte an: ist unser Interesse an kreativen silke.urbanski@li-hamburg.de Arbeiten groß. Vielleicht ist es 24 hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 1-2/2022
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