UNTERNEHMEN ATEMSCHUTZ - Draeger
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UNTERNEHMEN ATEMSCHUTZ MADE IN USA Nach nur fünf Monaten Bauzeit produziert das Werk in Montgomeryville, Pennsylvania, N95-Atemschutzmasken (Typ: X-plore 1750) im Drei-Schicht-Betrieb 36 DRÄGERHEFT 409 | 1 / 2021
MASKEN FÜR MILLIONEN Weltweites Symbol der Coronapandemie ist der Mund-Nasen-Schutz. Mit hochwertigen FFP-Masken leistet Dräger einen zuverlässigen Beitrag zum globalen Bedarf. TEXTE CONSTANZE SANDERS I m Sekundentakt wirft die Produktionsstätte Atemschutz- masken aus: Seit Ende vergangenen Jahres produziert ein fünfter Dräger-Standort in Gateshead/Nordengland partikelfiltrierende sicher durch den Alltag zu kommen. Über Nacht war der Bedarf an Atemschutzmasken rund zehnmal höher als die globalen Pro- duktionsmöglichkeiten. China, das zuvor fast die Hälfte des Welt- Halbmasken (Filtering Face Pieces; FFP) – derzeit fast ausschließ- bedarfs deckte, verhängte ein Exportverbot, dem kurz darauf meh- lich für die Beschäftigten im National Health Service (NHS). Mit rere weitere Länder folgten – darunter auch Deutschland und mehr als einer Million Mitarbeitern ist der britische Gesundheits- die USA. „Innerhalb von zwei Wochen haben wir unsere Kapa- dienst der größte Arbeitgeber Europas. „Ich freue mich, dass Drä- zitäten um 50 Prozent erhöht“, sagt Peter Carlsson, Leiter der ger eine neue Fertigung für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) Dräger-Maskenproduktion in Schweden und Südafrika. Mittler- eröffnet hat“, sagte Jo Churchill, Parlamentarische Staatssekre- weile läuft auch hier die Produktion rund um die Uhr. Gleich- tärin im Gesundheitsministerium, anlässlich der offiziellen Ein- zeitig arbeite man mit Hochdruck daran, den Ausstoß weltweit weihung im Januar 2021. „Ein weiterer Meilenstein auf unserem zu erhöhen. Drei neue Fertigungen, in den USA, Großbritanni- Weg zu widerstandsfähigen Lieferketten.“ en und Frankreich, wurden in wenigen Monaten aufgebaut. Seit Herbst 2020 liefern sie zusätzliche N95- und FFP-Masken gegen GLOBALES NETZWERK das Coronavirus. Während man in Nordengland die Halle aus- FFP-Masken können auch vor Sars-CoV-2-Infektionen schützen, stattete, lernte die neue britische Masken-Crew von den schwe- das Virus wird beim Sprechen, Niesen oder Husten durch Aero- dischen Kollegen. Drei Wochen nach Einzug wurde in Großbri- sole übertragen. Menschliche Nähe liefert den Nährboden: „Ein tannien produziert. „Das war ein sehr enger Zeitplan für ein Mensch kann mehrere Menschen anstecken, die dann wiederum komplett neues Werk – mit neuer Technologie, neuem Materi- ebenfalls mehrere Menschen anstecken können“, sagt Professor al und vielen neuen Kollegen“, sagt Malcolm Irving, Leiter des Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum für Infekti- Global Supply Chain Management bei Dräger. Qualität hat Priori- onsforschung in Braunschweig. Die Fallzahlen steigen exponenti- tät, Kundenbedarfe sind ausschlaggebend. „Wir nutzen ein klas- ell. Infizierte ohne Symptome geben das Virus unbemerkt weiter, sisches Lean-Pull-Fertigungssystem und produzieren, sobald uns Mutationen verbreiten sich. Im Frühjahr 2020 brachen die glo- der Kunde braucht. Dadurch können wir Wartezeiten, Engpässe balen Lieferketten für Schutzausrüstung zusammen. „Wir wur- und Ressourcenvergeudung nahezu ausschließen.“ Ändert sich FOTOS: THE COLOR CREW: ZACH SMITH den ohne Rüstung in einen Krieg geschickt“, sagte ein britischer der Bedarf, wird die Produktion angepasst. Der britische Gesund- Chirurg. Für Ärzte und Pflegekräfte ist medizinischer Schutz heitsdienst NHS hat rund 50 Millionen FFP3-Masken bestellt. eine Grundvoraussetzung ihrer Tätigkeit, aber nicht nur für sie. Maskenproduktion erfordert Spitzentechnologie. Das Vlies- Als die WHO Anfang Juni 2020 empfahl, sich und andere durch Herstellungsverfahren, einst in der DDR entwickelt und paten- das Tragen einer Maske zu schützen, explodierte die Nachfrage. tiert, macht eine spontane Kapazitätsausweitung zur Heraus- Ein zuvor einfaches Verbrauchsgut wurde zur Überlebensfra- forderung. Grundstoff für das Vlies ist aus Rohöl gewonnenes ge. Jeder braucht eine Maske, um in Büro, Bus und Supermarkt Polypropylen. Hieraus entstehen Spinnvliese aus Endlosfasern DRÄGERHEFT 409 | 1 / 2021 37
INFEKTIONSGEFAHR BEIM SINGEN: Mindestens sechs Meter Abstand nach vorn und drei Meter zur Seite sollten Singende einhalten, damit Atemnebel und Tröpfchen nicht von Mensch zu Mensch gelangen, zeigt eine Aerosolstudie beim Chor des Bayerischen Rundfunks GLOBALES PRODUKTIONS- Sicherheitstechnik. Vom Land Schleswig-Holstein, der Polizei in Hamburg und anderen hatte das Labor hierzu bis Anfang 2021 NETZWERK FÜR rund 170 Aufträge erhalten. „Leider waren rund zwei Drittel der NACHFRAGESPITZEN getesteten Masken untauglich“, so Klug. Unzureichende Filter- leistung und damit verbunden eine verminderte Schutzwirkung sowie zu hohe Atemwiderstände waren dafür die Hauptgründe. Mit Beginn der Coronapandemie hat das firmeneigene Testzen- und Meltblown aus Faserabschnitten für einen ultradichten, trum seine Kapazitäten fast verdoppelt. elektrostatisch aufgeladenen Filter. „Wir haben früh begonnen, uns mehr Rohmaterial zu sichern, noch bevor wir mehr Maschi- FABRIQUÉ EN FRANCE nenkapazitäten hatten“, sagt Michael Reinhart, Bereichsleiter Obernai (deutsch: Oberehnheim), Elsass: Im Oktober 2020 star- Atemschutz bei Dräger. „So konnten wir zügig weitere Maschi- tete ein weiterer Dräger-Produktionsstandort für FFP-Masken. nen in Betrieb nehmen.“ Die Qualität hängt vom Rohstoff und Geplant sind auch Partnerschaften mit lokalen Dienstleistern, der Verarbeitung ab. „Wir nehmen regelmäßig Proben und testen um die Zulieferkette für die hochwertigen Rohstoff-Vliese zu stär- auf Atemwiderstand und Filtereffizienz“, sagt Malcolm Irving. ken. „Unsere Aufgabe ist es, unsere Fähigkeiten in den Dienst der „Sowohl vor als auch nach der Herstellung.“ Kontinuierliche Qua- Gesellschaft zu stellen, um mit dieser beispiellosen Pandemie litätsprüfungen gehören weltweit zum Standard. Frequenz und situation fertig zu werden“, sagt Yves Le Gouguec, Geschäftsfüh- Vorgehen sind eng mit dem Forschungs- und Entwicklungslabor rer von Dräger in Frankreich. Nach Inbetriebnahme produzie- in Lübeck abgestimmt und erprobt. Hier durchläuft jede neue ren hier mehrere Dutzend neue Mitarbeiter pro Jahr weit über Komponente vor ihrem Einsatz in der weltweiten Produktion ein 50 Millionen FFP2- und FFP3-Masken für medizinische und umfangreiches Zulassungsverfahren, zudem Temperatur- und gewerbliche Zwecke. „Mit unseren technologischen Innovatio- Atemwiderstandstests sowie die Analyse von Aerosoleinlagerun- nen und lokalem Know-how stärken wir die Gesundheitssyste- gen am Filtermaterial (Durchlasstest). Auch Masken von Fremd- me in Europa und können Abhängigkeiten bei überlebenswich- herstellern werden hier auf den Prüfstand gestellt. „Wir sind Ent- tigen Gütern wie Schutzausrüstung minimieren“, sagt Rainer wickler und Hersteller und bieten in unserem Testzentrum in Klug. Obernai versorgt primär den europäischen Markt, kann Lübeck auch Maskenprüfungen an“, sagt Rainer Klug, Vorstand aber auch nach US-amerikanischem Standard (NIOSH) produ- 38 DRÄGERHEFT 409 | 1 / 2021
UNTERNEHMEN ATEMSCHUTZ zieren und weitere internationale Märkte bedienen. Was Euro- kerung hat sich die Maske nach der Spanischen Grippe (1918 bis pa nicht nachfragt, geht in das Dräger-Verteilzentrum am Flug- 1920) nicht mehr abgewöhnt. Wie ein Regenschirm ist sie heute hafen in Frankfurt a. M. – und von dort aus in die ganze Welt. Alltagsaccessoire. Wer die Wohnung verlässt, greift neben Schlüs- Brüchige Transportketten sind laut Welthandelsorganisation sel, Handy und Portemonnaie auch zur Maske. (WTO) die zweite große Schwachstelle seit Ausbruch der Pan- „Nach Corona dürfte die Nachfrage zurückgehen“, sagt demie. Warenströme stockten aufgrund von kurzfristig errich- Geschäftsbereichsleiter Reinhart, „aber wohl nicht auf das Niveau teten Grenzkontrollen und Handelsverboten. Lkw saßen fest. vor der Pandemie schrumpfen.“ In luftverschmutzten Großstäd- Quarantäne und Lockdown machten Flüge zwischenzeitlich ten, und auch in Australien oder Kalifornien mit wiederkehren- unmöglich. Wer noch produzierte, nahm höhere Luftfrachtkos- den Waldbränden, ist es lebensnotwendig, sich gegen Smog und ten in Kauf. Die weltweite Cargo-Flotte verdreifachte sich 2020 Rauch zu schützen. „Wir planen, unsere Maschinen auch nach binnen Monaten auf 4.500 Flieger, allein durch die Umrüstung Corona sehr gut auszulasten“, so Reinhart. FFP-Masken brem- stillgelegter Passagiermaschinen. Während Notfalleinrichtun- sen nicht nur Sars-CoV-2, sondern auch andere Infektionen wie gen in Alarm und Dauerstress rotierten, stoppte die Versorgung Windpocken, Influenza oder Tuberkulose. Die Aktivität der aku- abrupt. „Mit unseren fünf Fertigungsstandorten ist nun ein glo- ten Atemwegserkrankungen (ARE-Raten) „liegt seit dem harten bales Produktionsnetzwerk entstanden, mit dem wir Nachfra- Lockdown Ende 2020 auf einem vorher nie erreichten, niedri- gespitzen schnell bedienen können“, sagt Michael Reinhart am gen Niveau in den Wintermonaten“, so das Robert Koch-Institut Dräger-Stammsitz in Lübeck. (RKI) im Februar 2021. Montgomeryville, Pennsylvania: Dräger erhält Ende des ersten Ob das Virus verschwinden, regelmäßig in Wellen wieder- Quartals 2020 vom US-Gesundheitsministerium den Zuschlag für kehren oder als endemische Krankheit weiter existieren wird, die Lieferung der vom NIOSH zugelassenen N95-Atemschutzmas- ist derzeit noch offen. Manche Menschen, etwa in Gesundheits- ken – Vorlaufzeit fünf Monate, davon fünf Wochen zum Einrichten berufen, haben allerdings keine Wahl: „Selbst wenn viele gegen des Werks. Im September 2020 läuft die Produktion. „Get things Corona geimpft sind“, sagt Malcolm Irving in Gateshead, „wer- done! Das war unser Ansporn“, sagt Lothar Thielen, Geschäfts- den FFP-Masken die Norm bleiben, um sich in bestimmten Situ- führer von Dräger in Nordamerika. „Wir haben das Know-how ationen zu schützen. Und auch in Industrie und Rettungsdiens- und können helfen.“ Auch hier gelten die Grundsätze von Lean ten bleibt sicherer Atemschutz unverzichtbar.“ Production, keine Material- oder Zeitverschwendung. „Mit loka- len Rohstoffen können wir schnell große Mengen an Masken für die Menschen an vorderster Front liefern“, so Thielen. SCHLÜSSEL, HANDY, PORTEMONNAIE – MASKE! Unzählige bunte Stoffteile prägen das globale Antlitz der Corona pandemie. Seit Ausbruch schützen sich rund zwei Drittel der Welt- bevölkerung mit einem Mund-Nasen-Schutz. Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle, im Januar 2021, wurden chirurgische und FFP2-Masken auch in deutschen Geschäften und öffentlichen Ver- kehrsmitteln Pflicht. „FFP2-Masken bieten einen besseren Eigen- schutz als die einfache chirurgische Mund-Nasen-Bedeckung“, sagt Epidemiologe Krause vom Helmholtz-Zentrum. Die Covid- 19-Pandemie hat die Weltbevölkerung gezwungen, ihre Lebens- weise anzupassen. Masken sind mittlerweile auch ein Ausdruck FOTOS: BR/ANDREAS HUSSONG (4), PATRICK OHLIGSCHLÄGER der persönlichen Haltung, so wie seit Jahrzehnten in Asien. „Die Menschen dort tragen sie in der Grippesaison, im Frühling gegen Pollen und Heuschnupfen. Die Masken bieten auch Schutz vor Luftverschmutzung und reduzieren die Verbreitung von Keimen in überfüllten und schlecht belüfteten U-Bahnen“, sagt Christos Lynteris, Medizinanthropologe an der schottischen St.-Andrews- Universität. Aber es gebe auch einen ethischen Aspekt. Ostasiaten tragen Masken aus Respekt vor anderen. „Je länger die Pandemie dauert, desto wahrscheinlicher wird die Maske Bestandteil westli- cher sozialer Normen werden“, ist Prof. Mitsutoshi Horii, Soziolo- ge an der Shumei University und am Chaucer College Canterbury DRÄGER IN SCHWEDEN lieferte Erfahrung und Know-how für die neuen in Großbritannien, überzeugt. Besonders die japanische Bevöl- Fertigungsstandorte und steigerte die eigene Maskenproduktion signifikant DRÄGERHEFT 409 | 1 / 2021 39
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