Der Aufwärtstrend hält an - Vogel des Jahres - BirdLife Schweiz
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Vogel des Jahres Der Aufwärts- trend hält an Massnahmen für den Steinkauz zeigen Erfolg. Der Steinkauz hatte dieses Jahr einige ausserordentliche Herausforderungen zu meistern. Dennoch hat er eine gute Saison hinter sich. In den fünf Schweizer Projektgebieten konnten BirdLife Schweiz und seine Partner zahlreiche Aufwertungen für die kleine Eule realisieren. Das Resultat: Der Bestand ist erneut angewachsen und hat den Höchststand seit über 30 Jahren erreicht. Stefan Greif & Martin Schuck J etzt im Herbst beginnt für die jungen Steinkäuze eine neue Le- bensphase: Sie verlassen das Revier Jahrtausendwende war sie nämlich auf direktem Weg, in der Schweiz auszusterben. Vor allem müssen die der Eltern und begeben sich auf Wan- letzten Lebensräume geschützt und derschaft, um ein eigenes Territori- mit einer breiten Palette an Massnah- um zu erobern. Dabei können sie men aufgewertet werden. Darüber zwar bis zu 100 km weit ziehen, las- hinaus gilt es, die Aktivitäten auf Turteltaube oder Zwergohreule sind sen sich letztlich aber meist im Um- weitere, noch unbesiedelte Lebens- nur ein paar Beispiele. kreis von 20 km um ihren Geburtsort räume auszuweiten. Nur so wird es Dass die Bedingungen für den nieder. Wenn sie ein Gebiet gefunden gelingen, den Bestand des Steinkau- Steinkauz in der Schweiz alles andere haben, das genügend Nahrung bietet zes nicht nur zu erhalten, sondern als optimal sind, zeigt eine aktuelle und den Winter überstehen, gehören auch weiter auszubauen. Studie der Vogelwarte Sempach. Im sie zu jenen 25 %, die im Schnitt das Vergleich zu Süddeutschland, wo erste Jahr überleben. Der Steinkauz Aufwändige Projekte sich der Steinkauz lokal stark positiv hat kein leichtes Leben. Die Steinkauzförderung lebt von entwickelt hat, weisen ähnliche Le- Umso wichtiger ist es, den Vogel den lokalen Projekten wie auch von bensräume in der Schweiz weniger des Jahres 2021 zu unterstützen, wo der Energie und dem Einsatz unzähli- extensiv bewirtschaftete Wiesen, we- immer es geht. Nur so kann die klei- ger Ehrenamtlicher des BirdLife- niger alte Hochstamm-Obstbäume, ne Eule ihre positive Bestandsent- Netzwerkes und der beteiligten Land- aber auch eine geringere Struktur- wicklung fortsetzen; noch um die wirte. Es sind umfangreiche Projekte, vielfalt auf. Die Erkenntnisse bestäti- die mit einem erheblichen organisa- gen, dass in den BirdLife-Projekten torischen, zeitlichen und finanziel- seit 1999 die richtigen Massnahmen len Aufwand verbunden sind. Der ergriffen werden. Die Pflanzung von grosse finanzielle Rahmen wäre Hochstämmern, die Schaffung von nicht möglich ohne die Unterstüt- Asthaufen, Scheiterbeigen, offenen zung von zahlreichen Stiftungen, Bodenstellen und ähnlichen Struktu- Bund, Kantonen und Gemeinden. ren sowie die Förderung von extensi- Aber auch private Spenden spie- ven Wiesen und Weiden stehen seit len eine wichtige Rolle. So hat das Projektbeginn im Zentrum der Be- diesjährige Schweizer Bird Race ein mühungen. Spendenergebnis von über 150 000 Unter anderem dank dieser Mass- Franken ergeben, das ausschliesslich nahmen hat sich der Steinkauzbe- den BirdLife-Steinkauzprojekten zu- stand von 50 bis 60 Revieren anfangs gute kommt. Von den laufenden des Jahrtausends auf 153 Reviere Projekten profitieren nicht nur die 2021 erholt. Damit ist ein Höchst- Steinkäuze. Die Aufwertung der Le- stand der Anzahl Reviere seit über 30 bensräume hilft auch anderen Kul- Jahren erreicht. Dieses erfreuliche turlandvögeln, die in unserer Land- Ergebnis kann aber nicht darüber Das Nebeneinander von hoher und niedriger Vegetation schaft unter Druck stehen: Wiede- hinwegtäuschen, dass für den lang- ist für eine erfolgreiche Nahrungssuche sehr wertvoll. hopf, Neuntöter, Dorngrasmücke, fristigen Erhalt dieser Vogelart ein 16 ornis 5/21
Ralph Martin (2) swisstopo/BirdLife Schweiz Oben: Dank der Artenförderung durch 1 km BirdLife Schweiz und seinen Partnern befindet sich der Steinkauz im Aufwind. Rechts: Der Kartenausschnitt zeigt die seit 2015 im Kernperimeter des Projekts «National Prioritäre Kulturlandvögel im Grossen Moos» umgesetzten Massnah- men: Asthaufen (pink), Scheiterbeigen (gelb), Hecken und Gebüschstrukturen (dunkelgrün), Buntbrachen (rot) und gestaffelt gemähte Grünflächen (türkis). deutlich höherer Bestand notwendig ches Jahr hinter sich. Gebietsweise Bruten mit je sechs Jungtieren festge- ist. Um einen weiteren Schritt nach erstaunlich viel Schnee und viele Nie- stellt werden. Üblich sind drei bis vorn zu machen, müssen die lokal derschläge machten es ihm nicht vier Junge. aufwändig realisierten Massnahmen leicht, genügend Nahrung für sich Im Folgenden sind die wichtigs- von einer zukunftsorientierten, öko- und seinen Nachwuchs zu finden. ten Ergebnisse aus den fünf Projekt- logischen Agrarpolitik besser abge- Dies zeigt sich unter anderem da- gebieten zusammengefasst. stützt werden. Für den künftigen Zu- durch, dass die Projektmitarbeiten- stand der Biodiversität in der Schweiz den nur selten Beutedepots fanden, Ajoie: leichter Anstieg ist dies absolut zentral. die der Steinkauz gerne als Vorrat an- In der Ajoie im Kanton Jura stieg Das Jahr 2021 hat gezeigt, dass die legt. Auch wurden einige adulte Käu- die Zahl der Steinkauzreviere von 46 Schutzmassnahmen zusätzlich wich- ze tot aufgefunden, und nicht wenige im letzten Jahr auf 47 im 2021. Hier tig sind, weil sie auch die natürlichen Bruten sind fehlgeschlagen. Bei den setzt sich der Verein Collectif Che- Schwankungen in der Population et- Kontrollen gab es aber auch High- vêche mit Unterstützung seines was dämpfen können. Der Vogel des lights: Sowohl in der Ajoie als auch Gründungsmitglieds BirdLife Schweiz Jahres hat wetterbedingt kein einfa- im Tessin konnten insgesamt drei und weiteren Organisationen seit vie- 5/21 ornis 17
len Jahren für den Erhalt des kleinen deshalb dieses Jahr nicht einfach. 43 ha zusätzliche extensive Wiesen Kauzes ein. Motivierte Projektmitar- Trotz des regnerischen Wetters in der und Weiden bei engagierten Land- beitende helfen jährlich von Mai bis kritischen Phase der Jungenaufzucht wirten unter Vertrag genommen. Da- Juli mit, den Bruterfolg zu bestim- wurde ihre Zahl aber auf etwa 70 bis mit werden heute rund 100 ha Grün- men. Dabei werden 120 Nistkästen 80 geschätzt. mit einer kleinen, endoskopischen Auch dieses Jahr fertigte ein loka- Kamera untersucht, um den Brutver- ler Schreiner 30 neue Nistkästen an, Neue Strukturen lauf zu kontrollieren. Wenn die Jung- welche die Vogelschützer an geeigne- erhöhen die Qualität käuze grösser sind, werden sie be- ten Standorten aufhängten. Damit ringt – dieses Jahr waren es 53 sind derzeit fast 200 Nistkästen im der Lebensräume. Individuen. gesamten Gebiet verstreut. Im Herbst Die Kontrolle ermöglicht es auch, werden wieder mehrere Hochstamm- land steinkauzfreundlich bewirt- das Brutgeschehen genauer zu erfas- Obstbäume und hohe Bäume ge- schaftet. Neben der gestaffelten sen. 2021 zog sich dieses über eine pflanzt, welche die 2000 in den letz- Mahd verpflichten sich die Landwirte längere Zeit hin: Während die ersten ten 15 Jahren gepflanzten Exemplare auch, biodiversitätsfördernde Struk- Jungkäuze schon das Nest verlassen ergänzen. Ausserdem wurden in Zu- turen auf den Weiden anzulegen und hatten, folgten ihnen andere erst vier sammenarbeit mit der Fondation Ru- zu erhalten. Wochen später. Die vollständige Er- rale Interjurassienne (FRIJ) und dem fassung der Anzahl Jungvögel war Umweltamt des Kantons Jura (ENV) Genf: Territorien gehalten Im Kanton Genf wurden die etab- lierten Massnahmen im Jahr 2021 Rechts: Die Auslichtung weitergeführt. Momentan sind aus- Lucas Lombardo im Berner Seeland wird serdem mehrere Pflanzungsprojekte neuen Lebensraum für mit Bäumen und Hecken für 2021 den Steinkauz schaffen. und 2022 in Planung. Der Bestand Neben Buschgruppen werden ab Herbst 2021 von 77 Territorien aus dem Vorjahr zahlreiche Strukturen konnte gehalten werden. Dies stellt wie Scheiterbeigen und den höchsten Wert seit 1996 dar und Asthaufen entstehen. belegt die gute Qualität der Lebens- räume und den erfolgreichen Einsatz Unten: Scheiterbeigen bieten Sitzwarten für des BirdLife-Kantonalverbands «Grou- den Steinkauz und pe Ornithologique du Bassin Gene- begünstigen das Auftre- vois» (GOBG), der Bauern und des ten von Grossinsekten Kantons. und Mäusen, seiner Auch hier ergaben die Kontrollen bevorzugten Nahrung. Spannendes: Zum dritten Mal in Fol- ge gab es ein Paar aus zwei Steinkauz- Martin Schuck weibchen. Diese legen auch Eier, die aber natürlich unbefruchtet bleiben und sich nicht entwickeln. Interes- sant ist auch, dass die Paare nicht je- des Jahr aus denselben Individuen bestanden, sondern insgesamt fünf verschiedene Weibchen involviert waren. Eine ähnliche Beobachtung wurde auch schon im grenznahen Frankreich gemacht. Seeland: neuer Rekord Erst 2005 wurde die erste Stein- kauzbrut im Seeland festgestellt. Die- ses Jahr konnte mit sechs Territorien ein neuer Rekord vermeldet werden; er kommt einer Verdoppelung der letztjährigen Zählung gleich. Beson- ders erfreulich ist, dass sich Neuan- siedlungen in den Gebieten finden, 18 ornis 5/21
Ralph Martin die BirdLife kürzlich mit zusätzli- chen Strukturen aufgewertet hat. Die Massnahmen umfassen eine gestaf- felte Mahd und die Anlage von Klein- strukturen wie Scheiterbeigen, Stein- haufen und Buschgruppen. Wegen der Corona-Pandemie war leider kein Freiwilligeneinsatz möglich; die mehr als 300 Nistkästen im Gebiet wurden im Rahmen einer wissen- schaftlichen Studie der Vogelwarte Sempach kontrolliert. Der grösste Einsatz im Gebiet be- traf die Umgestaltung des Brästegra- Die Zeit kurz nach dem Ausfliegen ist besonders gefährlich für die kleinen Käuze: Jetzt werden sie von bens, die diesen Herbst zusammen Beutegreifern gejagt. Feuchte Witterung wie im Frühling 2021 lässt sie zudem leicht unterkühlen und mit dem Amt für Wasser und Abfall macht es den Eltern schwer, sie mit genügend Nahrung zu versorgen. (AWA) des Kantons Bern fortgeführt wird. Dabei wurden auf 1,5 km die Pappeln beidseitig des Grabens ent- wiesen aufgewertet, und die gestaf- fernt bzw. einzelne Bäume freige- felte Mahd wichtiger Flächen wurde Möchten Sie für den Steinkauz spenden? stellt. Diese «Wand aus Bäumen» stell- weitergeführt. te zuvor ein Hindernis für den Unterstützen Sie die Arbeit von BirdLife Schweiz und Steinkauz dar. Dieser bevorzugt offe- Tessin: Schneechaos überlebt seinen Partnern zur Förderung des Steinkauzes! nes Gelände und hält Abstand zu Trotz des vielen Schnees im Win- dichteren Baumbeständen, wo Beute- ter 2020/2021 konnte sich der auf 23 BirdLife Schweiz, Postfach, CH-8036 Zürich, greifer wie Waldkauz oder Habicht Brutpaare angewachsene Bestand er- PC 80-69351-6, Vermerk: «Spende Steinkauz» lauern können. Auch die Heckenpfle- freulicherweise halten. Der Anstieg IBAN: CH71 0900 0000 8006 9351 6 ge stellt ein wichtiges Standbein des seit Beginn der Nullerjahre, als hier Projekts dar: Zahlreiche über sieben erst wenige Paare lebten, ist zweifel- Meter hohe Hecken wurden in wert- los das Ergebnis der Massnahmen von gab es zwei Kästen, in denen sich die volle Niederhecken umgewandelt. BirdLife und Ficedula. Sie wurden erfolgreiche Brut mit jeweils vier Kü- auch dieses Jahr wieder in Zusam- ken verfolgen liess. Nordwestschweiz: noch keine Brut menarbeit mit Landwirten, Winzern Die Webcams stossen nicht nur In der Nordwestschweiz lässt das und vielen anderen Partnern durch- auf Begeisterung in der Bevölkerung, erste Brutpaar weiter auf sich warten. geführt. Die Verantwortlichen pflanz- sondern ermöglichen auch die Unter- Doch im grenznahen Frankreich war ten 2020/2021 100 Hochstämmer und suchung des Beuteschemas und ande- die Saison trotz des schlechten Wet- ebenso viele Sträucher – insgesamt rer Aspekte der Ökologie. Die erste ters erfolgreich: Es wurden 195 Revie- sind es seit Projektbeginn über 600 beobachtete Beute dieses Jahr war re gefunden, die mindestens 340 Hochstämmer. Hinzu kommen über denn auch gleich eine Überraschung: Jungtiere hervorbrachten. Auch im 4500 einheimische Sträucher in Form Ein Steinkauz hatte einen ziehenden angrenzenden Süddeutschland wur- von Buschgruppen und Hecken sowie Wendehals gefangen. den 32 Brutpaare registriert, von de- 75 Holz- und Steinhaufen. Zusätzlich Das Jahr des Steinkauzes neigt nen aber 16 die Brut vermutlich wit- werden jedes Jahr ca. 25 ha Grün sich langsam dem Ende zu, doch die terungsbedingt abbrechen mussten. flächen gestaffelt gemäht, um die Arbeit geht weiter. BirdLife Schweiz Der Fokus der Massnahmen lag Nahrungsverfügbarkeit für den setzt sich auch künftig mit zahlrei- vor allem im grenzübergreifenden Steinkauz zu verbessern. chen Partnern dafür ein, dass die er- Leimental, um dem Steinkauz noch freuliche Geschichte der kleinen Eule mehr Trittsteine auf dem Weg in die Die Bevölkerung informieren in der Schweiz weitergeht und ihr Schweiz zu bieten. Hier erwarten ihn In allen Gebieten spielt die Öffent- Bestand weiter wachsen kann. Dazu dann Lebensräume, die auch dieses lichkeitsarbeit eine wichtige Rolle. sind wir auch auf Ihre Hilfe angewie- Jahr weiter aufgewertet wurden. So Auch dieses Jahr wurden Führungen, sen (siehe Kasten). Herzlichen Dank! pflanzte BirdLife viele Niederhecken, Exkursionen und Vorträge angebo- denen ab Herbst neue Hochstämmer ten. Im Tessin hat Ficedula darüber Dr. Stefan Greif arbeitet als Projektleiter folgen werden. Dazu wurden neue hinaus in den letzten Jahren damit Artenförderung bei BirdLife Schweiz. biodiversitätsfördernde Flächen wie begonnen, einige Steinkauzpaare mit Martin Schuck leitet die Abteilung Arten- förderung bei BirdLife Schweiz. qualitativ hochwertige Säume und Hilfe spezieller Webcams in den Nist- Buntbrachen angesät und Blumen- kästen zu überwachen. Auch 2021 5/21 ornis 19
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