Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht
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Vermessung & Geoinformation 1/2021, S. 3 – 18, 14 Abb. 3 Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht Teaching at an Ethiopian University: A Field Report Reinfried Mansberger, Gerhard Navratil, Wien; Eva-Maria Unger, Apeldoorn; Thomas Bauer, Wien Kurzfassung Im Rahmen des von der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geförderten APPEAR- Programms haben zwei österreichische und zwei äthiopische Universitäten gemeinsam das Projekt EduLAND2 bearbeitet. Dieses hatte das Ziel, in Äthiopien personelle Kapazitäten im Bereich der Vermessung und speziell der Landadministration auszubauen. Dazu wurde an der Debre Markos Universität (DMU) ein Bachelor-Studiengang „Land Administration und Vermessung“ samt der notwendigen personellen und instrumentellen Infrastruktur eingerichtet. Einige Kurse wurden auch von österreichischen Lehrenden an der DMU abgehalten. In diesem Beitrag werden Ziele und Erfolge des Projekts EduLAND2 dokumentiert und die von den Lehrenden gemachten Erfahrungen aufgezeigt. Die gewonnenen Eindrücke der österreichischen Beteiligten sollen als Motivation für Fachkolleg*innen dienen, sich auch an solchen Projekten zu beteiligen. Schlüsselwörter: Entwicklungszusammenarbeit, Curriculum-Erstellung, Äthiopien, Appear-Programm Abstract Within the framework of the APPEAR program funded by the Austrian Development Agency, two Austrian and two Ethiopian universities cooperated in the EduLAND2 project. The aim of this project was to build capacities in Ethiopia in the field of surveying and especially in land administration. A bachelor study program “Land Adminis- tration and Surveying” was established at the Debre Markos University (DMU), including the necessary personnel and instrumental infrastructure. Austrian lecturers also taught some courses at the DMU. This article documents the goals and successes of the EduLAND2 project and describes the experiences made by the teachers. The impressions gained by Austrian teachers should serve as motivation for colleagues to participate in such projects. Keywords: Development Aid, Curriculum Development, Africa, Appear-Program 1. Einleitung Partnerschaft, also die gleichberechtigte Zusam- Gleich vorweg: Das Unterrichten an Universitäten menarbeit. in anderen Ländern – und hier besonders im Wir haben im Rahmen des Projekts „Imple- globalen Süden – ist für Lehrende eine Heraus- mentation of Academic Land Administration forderung aus didaktischer, organisatorischer und Education in Ethiopia for Supporting Sustainable technischer Sicht. Und es relativiert jene Schwä- Development“ (EduLand2) an der Debre-Markos- chen, welche an österreichischen Universitäten Universität (DMU) in Äthiopien unterrichtet. Das oft kritisiert werden (Navratil & Mansberger, 2019). Projekt startete im Jahr 2016 und wurde 2020 Diese Erkenntnis haben wir während unserer erfolgreich abgeschlossen. Neben einer Curricu- vierjährigen Tätigkeit in einem internationalen Ca- lum-Entwicklung und kurzen Forschungsaktivitä- pacity Building Projekt gewonnen, welches von ten wurden im Projektplan auch Lehraktivitäten der Österreichischen Entwicklungszusammenar- in ausgewählten Fächern vorgesehen. Diese beit über das APPEAR-Programm finanziert wurde wurden von den Autor*innen innerhalb der letzten (APPEAR, 2021). APPEAR-Projekte dienen dazu, drei Projektjahre durchgeführt. Die dabei gewon- Lehr- und Forschungskooperationen zwischen nenen Erfahrungen wollen wir gerne mit unseren österreichischen Universitäten und Universitäten Fachkolleg*innen teilen. in ausgewählten Entwicklungsländern zu initiieren und zu vertiefen. Darauf weist auch das Akronym 2. Das Projekt EduLand2 APPEAR hin, welches für „Austrian Partnership Projektpartner von EduLand2 waren das Institut Program in Higher Education and Research for für Geomatik der Universität für Bodenkultur Wien Development“ steht. Wesentlich ist dabei die (Projektkoordinator), die Debre-Markos-Universi-
4 Vermessung & Geoinformation 1/2021 tät, der Forschungsbereich Geoinformation der „Landadministration und Vermessung“ noch vier Technischen Universität Wien und das Institut für weitere Schwerpunkte: Landadministration der Bahir-Dar-Universität. Im Weiterbildung von Angestellten der äthiopi- März 2016 haben die Projektpartner das Institut schen Landesverwaltung und Expert*innen aus für Landadministration an der Debre-Markos- naheliegenden Fachbereichen, basierend auf Universität (DMU) mit der finanziellen Unterstüt- den Grundsätzen der Fit-For-Purpose Land Ad- zung von APPEAR gegründet. Gemeinsam wurde ministration (FFPLA) Methode (FIG/World Bank, ein in Äthiopien bestehendes Bachelor-Programm 2014; UN-Habitat/GLTN/Kataster, 2016). Auch „Land Administration and Surveying“ für die DMU diese Aktivität unterstützt die Deckung des Be- adaptiert und bereits im Oktober 2016 startete darfs an qualifizierten Fachkräften und setzt das das vierjährige Studium an der DMU mit 50 Stu- Konzept des lebenslangen Lernens um. dierenden. Das Programm wurde in adaptierter Form auch für externe Studierende angeboten Erhöhung der Qualifikation von Akademiker* innen an der Debre-Markos-Universität (DMU) und bisher haben rund 200 Studierende die ange- zur Sicherstellung der akademischen Lehre. botenen Kurse (im Gesamtumfang von 249 ECTS) Nur damit kann langfristig die Kontinuität und besucht. Qualität der Studien sichergestellt werden. Die geodätische Ausbildung ist in Äthiopien Zu Beginn des Projektes hatten an der DMU sehr gefragt und es herrscht ein hoher Bedarf einige der vorgesehenen Lehrenden einen Ba- an Absolvent*innen, da im Land derzeit ein flä- chelorabschluss. Nach äthiopischer Rechtslage chendeckendes System zur Registrierung von benötigen sie aber einen Masterabschluss, um Landrechten (Grundbuch) und zur Kartierung in einem Bachelorstudiengang unterrichten zu von Grundstücken (Kataster) aufgebaut wird. dürfen. Dies erfordert viele Fachexpert*innen aus den Heranführung der DMU-Lehrenden an die verschiedenen Bereichen der Geodäsie. Schät- akademische Forschung. Mittelfristig sollen zungen von USAID ergaben 2014 (USAID, Kolleg*innen der DMU in der Lage sein, selb- 2014) einen zusätzlichen Bedarf von ca. 50.000 ständig Forschungsprojekte zu beantragen und Landadministrations-Spezialisten*innen auf allen diese eigenständig durchzuführen. Ebenen (gelernte Vermessungstechniker*innen bis Akademiker*innen mit Doktorat). Dieser enorme Erhöhung des Frauenanteils bei Studierenden, Lehrenden und in der äthiopischen Landes- Bedarf begründet sich sowohl im Umfang der Auf- verwaltung. Durch gezielte Werbemaßnahmen gabe (Aufbau eines flächendeckenden Landad- und eine spezielle Förderung von Frauen bei ministrationssystems) als auch in der Größe des der Aufnahme in das Bachelorprogram soll der Landes, welches etwa die 10-fache Fläche von Anteil an weiblichen Studierenden erhöht wer- Österreich einnimmt. den. Mittelfristig soll sich diese Maßnahme auch Vor Start des EduLand2-Projektes gab es in positiv auf die Gleichstellung von Frauen und Äthiopien eine akademische Geodäsie-Ausbil- Männern in der Landesverwaltung auswirken. dung nur an drei äthiopischen Universitäten. Eine Alle zu Projektbeginn definierten Ziele konnten davon war unsere Projektpartneruniversität, die in der für EduLAND2 vorgesehenen Projektzeit Bahir-Dar-Universität (BDU). An dieser wird schon erreicht werden. Die wichtigsten davon sind im seit mehreren Jahren ein Bachelor- und Master- Folgenden angeführt: studiengang angeboten. Seit kurzer Zeit gibt es in Gründung des Instituts für Landadministration Bahir Dar auch die Möglichkeit ein Doktorat-Studi- (ILA) an der DMU inklusive der Rekrutierung von um im Fachbereich der Geodäsie zu belegen. Die Fachpersonal und die akademische Förderung Einrichtung der Kurse an der BDU wurde finan- des Personals durch APPEAR-Stipendien an ziell von der Schwedischen Entwicklungsagentur der Universität für Bodenkultur (ein Master- und (SIDA) sowie von der Deutschen Gesellschaft für zwei PhD-Stipendien) sowie sieben von der Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt. DMU finanzierte Masterstipendien an äthiopi- Fachlich wurden der Aufbau der Studien vorrangig schen Universitäten. Die beiden Dissertationen von der Königlich-Technischen Hochschule (KTH) wurden fachlich an die Inhalte von EduLAND2 in Stockholm begleitet. angepasst. EduLAND2 hatte neben dem Aufbau und Ausstattung des Instituts für Landadministration der Implementierung des Bachelor-Programms der DMU mit einem Computerlabor (25 Arbeits-
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 5 Abb. 1.: Graduierungsfeier 2021 an der Debre-Markos-Universität plätze), Vermessungsinstrumenten sowie mit sammenlegungen“ und zwei weitere auf der photogrammetrischer Ausrüstung (Hard- und Weltbank-Konferenz „Land and Poverty 2019“ Software). Auch Fachliteratur wurde für die Bib- präsentierte und im Konferenzband veröffent- liothek an der DMU angeschafft. lichte Beiträge (Mansberger et al., 2019; Ageg- nehu & Mansberger, 2019) belegen die erfolgrei- Erstellen eines Studienplans für das Bachelor- che Durchführung der Forschungskooperation. studium „Landadministration und Vermessung“, Dazu kommen noch zwei weitere Veröffentli- dessen Bewerbung sowie die Rekrutierung von chungen (Agegnehu & Mansberger, 2020; Nega Studierenden und die Abwicklung der Lehre. et al., 2021) neben den vier Artikeln im Rahmen Bisher haben insgesamt 230 Studierende das der beiden Dissertationen (Gedefaw et al., 2019; reguläre Studium belegt und 260 Studierende Mengesha et al., 2019; Gedefaw et al., 2020a; besuchten Kurse im Rahmen des Weiterbil- Gedefaw et al., 2020b;). Alle sechs Veröffentli- dungsangebots. 30 Studierende des regulären chungen sind peer-reviewed, fünf davon SCI- Kurses haben – trotz COVID-19 – das Studium Publikationen. Zwei weitere Publikationen sind Ende Jänner 2021 abgeschlossen (Abbildung 1). derzeit in Begutachtung. Konzeption und Durchführung von Kurztrainings für Mitarbeiter*innen von Verwaltungsbehörden 3. Die Debre-Markos-Universität samt Zusammenstellen von Schulungsunterla- Die Stadt Debre Markos mit ihren mehr als 300.000 gen (LLL – Life Long Learning). Einwohner*innen liegt ca. 300 km nordwestlich Realisierung von zwei Machbarkeitsstudien, der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Sie ist um die äthiopischen Kolleg*innen in den Wis- Teil der Region Amhara, welche eine der neun senschaftsbetrieb einzuführen. Die beiden Verwaltungseinheiten in Äthiopien ist. Debre Forschungsberichte zu den Themen „Semi- Markos weist eine Seehöhe von 2.500 m auf und automatische Extrahierung von Grundstücks- ist umgeben von den Choke-Mountains, dem grenzen“ und „Potentiale von Grundstückszu- Quellgebiet des Blauen Nils (siehe Abbildung 2).
6 Vermessung & Geoinformation 1/2021 Abb. 2.: Karte von Äthiopien Abb. 3.: Überblick Campus der Debre Makos Universität (UAV-Aufnahme von R. Mansberger) Der Campus der Universität liegt im Osten der studierende sind. Die restlichen Studierenden Stadt (siehe Abbildung 3). Die Debre Makos Uni- besuchen Weiterbildungs- und Distance-Learning versität (DMU) wurde im Jahr 1999 gegründet und Programme. Alle Studierenden werden von etwa seit damals gibt es eine rasante und kontinuierli- 1.600 akademischen Mitarbeiter*innen betreut che Entwicklung im Hinblick auf Studienangebot, (Stand März 2021). Die Universität wird von einem Mitarbeiter*innen, Studierende und auch der Ge- Präsidenten geführt, der gemeinsam mit vier Vize- bäude. Derzeit werden von der BDU 51 Bachelor-, Präsident*innen die vielfältigen Managementauf- 47 Master- und 2 PhD Programme angeboten. gaben leitet. Neben Lehre und Forschung betrifft Die Anzahl der Studierenden liegt bei fast 27.500 dies auch die Leitung der am Campus angesie- (Stand März 2021), von welchen 15.000 Vollzeit- delten Betriebe.
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 7 Das Universitätsgelände ist von einer Mauer 15.000 Vollzeitstudierende wohnen am Campus begrenzt. Ein Sicherheitsdienst kontrolliert den in den zahlreichen Wohngebäuden. Die Studieren- Zugang und sorgt für die Sicherheit der Lehren- den sind nach Geschlechtern getrennt unterge- den und Studierenden. An Infrastruktur stehen bracht. Besuche von Mädchen in den Burschen- Gebäude für unterschiedlichste Zwecke zur Unterkünften und umgekehrt sind strengstens Verfügung. Neben den für Forschung und Admi- nistration in den Instituten nötigen Gebäude sind verboten und werden mit einem Verweis aus dem das verschiedene Labore, Seminarräume und Campus geahndet, was de facto ein Ende des Versammlungsorte. Studiums bedeutet. Abb. 4.: Injeraküche (Foto R. Mansberger) Abb. 5.: Küche (Foto R. Mansberger)
8 Vermessung & Geoinformation 1/2021 Abb. 6.: Bäckerei (Foto G. Navratil) Abb. 7.: Mensa (Foto R. Mansberger)
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 9 Die Studierenden werden täglich (auch am Wo- Der Campus hat sehr viele und äußerst schöne chenende) von zwei universitätseigenen Küchen Grünflächen, welche von den universitätseigenen und einer universitätseigenen Bäckerei verpflegt. Gärtner*innen gepflegt werden. Die Bepflanzung In einer der beiden Küchen wird an 24 Öfen mit erfolgt mit den in den Glashäusern selbst gezüch- jeweils vier Platten das äthiopische Fladenbrot, teten Sträuchern und Blumen. Injera, hergestellt (Abbildung 4). Das dafür benö- Die Regierung investiert große Summen in tigte Teff, eine spezielle glutenfreie und fast nur die Errichtung von Gebäuden und Infrastruktur. in Äthiopien angebaute Getreidesorte, wird auch So wurden in den letzten Jahren beispielsweise vor Ort gemahlen. In der anderen Küche werden zwei neuen Unterrichtsgebäude, ein zentrales die anderen Speisen, wie z. B. Shiro (ein Gemüse- Gebäude für die Universitätsverwaltung, eine gericht) gekocht (Abbildung 5). Die Verpflegung Mitarbeiter*innen-Lounge und auch mehrere von 15.000 Studierenden wäre schon mit einer Glashäuser errichtet. modernen Küchenausstattung eine Herausforde- rung. In Äthiopien ist diese Herausforderung um Leider hinken die Investitionen für die Anschaf- vieles größer, da – aufgrund der häufigen Strom- fung und Instandhaltung technischer Ausstattung ausfälle – das Kochen ausschließlich auf großen (Computerräume, Labors, u. ä. m.), Lehrbücher, mit Holzfeuer betriebenen Öfen durchgeführt wird. wissenschaftlicher Literatur und anderer Lehrbe- Nur in der Bäckerei gab es moderne elektrische helfe etwas nach. Backöfen (Abbildung 6). Die Milchprodukte für die Studierenden kommen von der universitätseige- 4. Erfahrungen während der akademischen nen Molkerei. Drei große Speisesäle (Abbildung 7) Tätigkeit in Debre Markos ermöglichen die reibungslose Einnahme der Mahl- 4.1 Lehraktivitäten zeiten. An den äthiopischen Universitäten gibt es eine Für körperlichen Ausgleich ist ebenfalls ge- Richtlinie, dass der Ausbildungsgrad des Lehr- sorgt: Sportstätten können von den Studierenden personals um eine Stufe höher als das jeweilige für diverse Ballspiele genutzt werden und eine Ausbildungsprogramm sein muss. So müssen alle Laufbahn ist ebenfalls vorhanden. Als Treffpunk- Lehrenden von Bachelorprogrammen mindestens te und für den Erwerb der Dinge des täglichen einen Master haben, jene im Masterprogramm Gebrauchs sind am Institutsgelände Kaffeehäuser mindestens ein Doktorat. Diese Vorgabe ist für und kleine Shops zu finden. Gleich außerhalb des Universitäten speziell bei der Einrichtung von neu- Universitätsgeländes haben sich viele Handwerker en Studienprogrammen eine Herausforderung, und Händler angesiedelt, und auf dem Gelände da qualifiziertes Personal schon mit dem ersten neben der Universität wird der große Wochen- Durchgang eines neuen Kurses erfordert wird. markt abgehalten. Für das Bachelorprogramm „Landadministration und Vermessung“ konnten alle Grundlagenfächer Neben Vermessung und Landadministration (Sprachen, Mathematik, Physik, Chemie, Compu- wird an der Universität auf vielen Gebieten ge- terwissenschaften, Recht, Ökonomie, Statistik, forscht. Ein Forschungsschwerpunkt liegt in der Umweltwissenschaften, Planungswissenschaften) Nahrungsmittelproduktion. Es stehen Stallungen mit entsprechend qualifizierten Lehrenden der für Tiere zur Verfügung, damit z. B. die Eignung DMU abgedeckt werden. Für die Kernfächer unterschiedlicher Rinderrassen für die äthiopische – wie Höhere Geodäsie, Vermessungskunde, Situation geprüft werden kann. Untersucht werden Fernerkundung, Photogrammetrie, GIS, und aber auch einheimische Nutzpflanzen und deren Landadministrationssysteme – gab es jedoch nur Verwendung für die Nahrungsproduktion. Auch drei qualifizierte Lehrende mit abgeschlossenem Methoden der Schädlingsbekämpfung werden Masterstudium. Diesem Engpass begegnete man wissenschaftlich untersucht und die gewonnenen durch insgesamt zwei Maßnahmen: Ergebnisse im Rahmen der Lehre an Studierende Weiterbildung des eigenen Personals: Wie oben weitergegeben. Umweltschutz und Abfallbeseiti- bereits dokumentiert, erhielten im Rahmen von gung ist ein neuer Bereich an der DMU, nicht EduLAND2 insgesamt acht an der DMU ange- nur in der akademischen Forschung und Lehre, stellte Kolleg*innen mit einem Bachelorgrad die sondern auch in der praktischen Umsetzung. So Möglichkeit eines Masterstudiums sowie zwei wurde vor einigen Jahren eine universitätseigene weitere die Möglichkeit eines PhD-Studiums. Kläranlage am Campus errichtet. Mit Ende von EduLAND2 haben alle Lehrenden
10 Vermessung & Geoinformation 1/2021 ihr Masterstudium abgeschlossen und auch ein Teil auch als Feldarbeiten. Dabei wurden wir von PhD-Studium wurde im Februar 2021 beendet. den in Ausbildung stehenden Kolleg*innen der DMU im Hinblick auf organisatorische, technische Aushilfe durch Fach-Expert*innen von anderen und sprachliche Belange unterstützt. Dies war Universitäten: Während der Ausbildungszeit eine Win-Win-Situation, da die uns beigestellten des DMU-Personals wurden zahlreiche Lehr- äthiopischen Kolleg*innen in Zukunft die jeweilige veranstaltungen von Lehrenden der EduLAND2- Lehrveranstaltung selbst betreuen werden. Umso Partneruniversitäten abgehalten. Geodäsie- und mehr, da wir versuchten, die Lehre abwechslungs- Vermessungs-Lehrveranstaltungen wurden zum reich zu gestalten und auch moderne Lehr- und Teil von Kolleg*innen der Bahir-Dar-Universität Lernelemente (wie Flipped Classroom, World- übernommen, jene aus den Bereichen Gender Cafe, projektbezogene Methoden) einzusetzen. und Landrechte, Geographische Informations- systeme, Kartographie, Fernerkundung, Ländli- Sowohl von Studierenden als auch von äthio- che Neuordnung und Photogrammetrie wurden pischen Fachkolleg*innen erhielten wir sehr gutes von österreichischen Projekt-Mitarbeiter*innen Feedback zu unserer Lehre. Die Qualität unserer übernommen. Lehre hat auch die höchsten Stellen der Universi- tät neugierig gemacht und so wurde eine unserer Die von externen Expert*innen durchgeführten Lehrveranstaltungseinheit vom Präsidenten der Lehrveranstaltungen wurden geblockt über drei, DMU besucht. sechs oder zehn Tage abgehalten (siehe Abbil- dungen 8, 9 und 10). Zum Teil wurde auch an 4.2 Unterrichtsbedingungen den Wochenenden unterrichtet. Jeden Tag gab es acht Stunden teils intensiven Unterricht. Die Die technischen Voraussetzungen für den Unter- Leistungsüberprüfung erfolgte während des Un- richt sind in Äthiopien anders als in Mitteleuropa. terrichts durch die Beurteilung der aktiven Mitar- Das umfasst sowohl die Ausstattung der Lehrsäle, beit und durch Prüfungen jeweils im Anschluss an als auch die organisatorischen und logistischen den letzten Tag der Lehrveranstaltung. Rahmenbedingungen. Viele Gebäude sind – für mitteleuropäische Verhältnisse – in keinem guten Neben den regulären Kursen haben die öster- Zustand. Innerhalb weniger Jahre musste mit reichischen Projekt-Mitarbeiter*innen auch Wei- den zur Verfügung stehenden Geldmitteln eine terbildungskurse für äthiopische Landadministra- große Anzahl an Gebäuden errichtet werden mit tions-Expert*innen abgehalten. Diese Kurse waren dem Resultat, dass einerseits bei der Qualität auf drei Tage beschränkt und sollten die Kennt- der Baumaterialien gespart werden musste und nisse und Kompetenzen von Mitarbeiter*innen andererseits die Wartung der älteren Bauwerke der lokalen sowie regionalen Landadministrati- vernachlässigt wurde. Schlecht schließende onsbehörden im Bereich der Kartographie/CAD, Türen, fehlende und mit Spanplatten ersetzte Fernerkundung, Ländlichen Neuordnung und der Fensterscheiben, alte und wackelige Stühle sowie Landrechte vertiefen (Abbildung 11). unseren technischen Standards nicht entspre- Für alle von den österreichischen Expert*innen chende elektrische und technische Einrichtungen abgehaltenen Lehrveranstaltungen und Weiter- geben Zeugnis über die finanziellen Engpässe. bildungskurse wurden Lehr- und Lernmaterialien Tische stehen in den meisten Hörsälen nur den in englischer Sprache zusammengestellt und Vortragenden zur Verfügung. Studierende sitzen zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Foliensät- auf Stühlen mit integrierten Schreibboards. In den ze, Übungsaufgaben, Ablaufdiagramme, Case von uns benützten Computerräumen sowie in Studies (im Fall von technischen Fallstudien mit vielen anderen Universitätsräumen gibt es WLAN, Ablaufdiagrammen und dafür benötigten Geoda- wobei die Verbindung nicht immer sehr stabil ist. ten) sowie Prüfungsfragen. Auf die Erstellung von Eine praktische Herausforderung in der Lehre kompletten Skripten wurde bis auf eine Ausnahme sind die unregelmäßig auftretenden Stromausfäl- (Ländliche Neuordnung) verzichtet, da dies zeit- le. Während unserer Aufenthalte hatten wir fast lich als auch finanziell im Rahmen des Projekts täglich ein bis zwei kürzere oder längere Strom- nicht möglich gewesen wäre. Wo sinnvoll, wurde ausfälle – manchmal auch öfters. Die Verwendung Fachliteratur aus eigenen oder fremden Publikati- unserer Notebooks hat zwar gewährleistet, dass onen bereitgestellt. wir als Vortragende weiterhin den Rechner benut- Die Abwicklung der Lehrveranstaltungen erfolg- zen konnten, allerdings nicht den Projektor und te in Form von Vorlesungen, Übungen und zum so konnten die Studierenden unsere Präsenta-
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 11 tionsfolien nicht mehr sehen. Aber auch dieser puter-Programme keine automatische Sicherung Herausforderung konnten wir durch die Verteilung durchführten, haben wir die Studierenden nach von Handouts begegnen. Schwieriger war es bei jedem Bearbeitungsschritt immer wieder an eine der Durchführung praktischer Übungen in den manuelle Sicherung erinnert. „Save Project“ wur- Computerlabors (Abbildung 12). Hier kam es im- de ein geflügeltes Wort im Unterricht. Bei einem mer wieder zu den sprichwörtlichen Black-Outs. Stromausfall funktioniert auch die Internetverbin- Die Universität hat zwar ein Notstromaggregat, dung sowie das WLAN nicht mehr. Daher wurden welches aber separat gestartet werden muss. Online-Demonstrationen (z. B. Verwendung von Dies konnte jedoch bis zu einer halben Stunde online-Videos) während der Lehreinheiten tun- dauern. Da einige der von uns verwendeten Com- lichst vermieden. Abb. 8.: Lehrveranstaltung Fernerkundung im Computerlabor (Foto T. Bauer) Abb. 9.: Lehrveranstaltung Kartographie im Hörsaal (Foto G. Navratil)
12 Vermessung & Geoinformation 1/2021 Abb. 10.: Lehrveranstaltung Gender & Landrights (Foto E. M. Unger) Abb. 11.: Weiterbildungskurs Fernerkundung (Foto R. Mansberger) Abb. 12.: Computerlabor (Foto R. Mansberger)
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 13 Tafel und Kreide standen uns in den Hörsälen Für den von uns benutzten Computerraum des bzw. White-Board und Marker im Computer-Labor Instituts für Landadministration stand auch eine zur Verfügung. Die Oberfläche der Tafel ist jedoch eigene Technikerin bereit, welche uns – gemein- sehr glatt und die Kreide hart. Diese Kombina- sam mit den Fachkolleg*innen, welche zukünftig tion bewirkt, dass auf der Tafel Geschriebenes die Lehrveranstaltung abhalten werden, tatkräftig nur schwer lesbar ist. Dies wurde verstärkt, da unterstützte. Wir hatten auch das Glück, dass aufgrund des Fehlens von Wasser in den Hörsälen einer der Vizepräsidenten der DMU sowohl unse- die Tafel nur mit einem trockenen Tuch gereinigt rem Projektteam als auch dem Institut für Landad- werden konnte. ministration der DMU angehörte. Dadurch waren die Kommunikationswege zur Universitätsleitung In den Computerlabors waren die Rechner des sehr kurz. Öfteren mit Computerviren verseucht. Zwar ha- ben die IT-Verantwortlichen der DMU vor Beginn Während der Durchführung der Lehrveranstal- unseres Lehrveranstaltungs-Blocks die Computer tung wurden wir auch physisch von äthiopischen immer neu aufgesetzt, aber durch das Anstecken Kolleg*innen betreut. Sie waren sehr darauf von USB-Sticks der Studierenden wurden Viren bedacht, dass wir immer wieder Pausen hatten unkontrolliert auf die Rechner übertragen. Virener- und sie haben uns laufend mit Trinkwasser ver- kennungsprogramme sind – wenn vorhanden – oft sorgt. Sobald die Wasserflaschen halbleer waren, veraltet und können aktuelle Viren nicht erkennen. wurden diese durch neue ersetzt. Für das Mit- Unser Workaround war, da wir mehrere Projektda- tagessen wurden wir jeden Tag in ein benach- ten auf die Rechner bringen mussten und Clouds bartes Restaurant gebracht, welches neben der aufgrund der mangelnden Internet-Geschwindig- äthiopischen Küche auch internationale Speisen keit für einen Download nicht einsetzbar waren, angeboten hat. Dabei hätten wir gerne einmal in dass wir eine größere Anzahl an USB-Sticks mit der Mensa gegessen. Mehr als ein Besuch in der uns hatten und jene Memory Sticks, welche wir Bäckerei mit Verkostung der Brötchen war aber einmal in einen Laborrechner steckten, nicht mehr nicht möglich. für den eigenen Rechner nutzten. Dies ist der Er- Bei zwei Lehrveranstaltungen waren auch Feld- fahrung geschuldet, dass auch eine Neuforma- arbeiten bzw. Begehungen im Gelände vorgese- tierung des USB-Sticks nicht alle Viren beseitigt. hen (Abbildung 13). Die Anfahrt dorthin erfolgte Abb. 13.: Feldarbeiten (Foto T. Bauer)
14 Vermessung & Geoinformation 1/2021 mit universitätseigenen Bussen. Für die Studie- ausstellte. Generell war zu beobachten, dass das renden war das eine willkommene Abwechslung, Nachfragen bei Unklarheiten für die Studierenden da Exkursionen sehr selten in deren Studium eine große Überwindung war. stattfinden. Besondere Freude machte den Studierenden 4.3 Studienplan das praktische Arbeiten am Computer und die von uns initiierten Round-Table Diskussionen in Eine Überraschung war die Geschwindigkeit mit Kleingruppen. Bei praktischen Arbeiten stellten welcher der Studienplan in Kraft gesetzt werden sich die Studierenden sehr geschickt an, wenn- konnte. Bereits nach dem Projektbeginn im März gleich die Übungen am Computer oft durch die 2016 wurde nach einer regionalen Bedarfserhe- mangelhaften IT-Grundkenntnisse beeinträchtigt bung und basierend auf dem Studienplan der waren. Dies war auch bedingt durch die einge- Bahir-Dar-Universität in Zusammenarbeit mit an- schränkte Möglichkeit der Studierenden mit dem deren Interessensgruppen der endgültige Studi- Computer zu arbeiten. Von den 90 von uns un- enplan erstellt. Dieser wurde Anfang August 2016 terrichteten Studierenden hatten nur zwei einen von den äthiopischen Autoritäten genehmigt. Im eigenen Computer. Hier zeigte sich aber immer September 2016 wurden 50 Studierende nach ei- die große Kooperationsbereitschaft zwischen nem Aufnahmetest zum Studium zugelassen. Für den Studierenden, wodurch diese Defizite inner- uns alle überraschend mit einer Frauenquote von halb der Gruppen teilweise ausgeglichen werden ca. 70 %. Begründen lässt sich der hohe Frauen- konnten. anteil einerseits durch die für Frauen zielgerichtete Bewerbung des Kurses und andererseits durch Die Kenntnisse, Kompetenzen und Fähigkeiten die speziellen Förderungsprogramme. Beide der äthiopischen Studierenden in Grundlagenfä- Maßnahmen waren von Seiten des EduLAND2- chern (wie Mathematik, Geometrie und Physik) lie- Projekts vorgegeben. gen im Schnitt unter jenen der an österreichischen Universitäten inskribierten Hörer*innen. Dies lässt Der Studienplan selbst ist ein 225 Seiten umfas- sich durch andere Lehrschwerpunkte in der se- sendes Konvolut, welches sehr detailliert die Hin- kundären Ausbildungsebene begründen. Jedoch tergründe des Programms, das Absolvent*innen- wurde dieses Manko durch eine hohe Konzent- Profil, das fachliche Anforderungsprofil sowie eine ration in den Lehreinheiten, durch extremen Fleiß detaillierte Beschreibung der elf Module und 47 und durch gemeinsame Lernaktivitäten zwischen Lehrveranstaltungen umfasst. Auch eine Liste der den Studierenden in der Freizeit gemindert. Lehrenden sowie die für jede einzelne Lehrver- anstaltung vorgesehene Leistungsbeurteilung ist Die Verständigung zwischen den äthiopischen fixer Bestandteil dieses Studienplans. Studierenden und den Lehrenden aus Europa war – speziell zu Beginn – nicht immer einfach. Wir hiel- 4.4 Studierende ten alle unsere Unterrichtseinheiten in englischer Die von uns unterrichteten Studierenden kamen Sprache ab. Viele unserer äthiopischen Studieren- aus unterschiedlichen Teilen von Äthiopien, der den kamen aus ländlichen Regionen, wo vorran- überwiegende Teil aber aus der Amhara-Region. gig in der regionalen Sprache (im Bereich Debre Generell sind die Studierenden für die Möglichkeit Markos ist dies „Amharisch“) kommuniziert wird. einer akademischen Ausbildung sehr dankbar, In den Primär- und Sekundär-Schulen wird zwar welche durch die äthiopische Regierung finanziert Englisch gelehrt, jedoch kommt eine große Anzahl wird. Im Speziellen spürten auch wir eine sehr der Studierenden nur mit Grundkenntnissen in der hohe Dankbarkeit, da wir die DMU im Hinblick englischen Sprache an die Universität. Zusätzlich auf ihre Ausbildung unterstützten und die Studie- führte auch der Unterschied in der Dialektik und renden auch unsere Art des Unterrichtens sehr der verschiedenen Aussprache zwischen „äthi- schätzten. opischem und mitteleuropäischem Englisch“ zu gewissen Verständnisschwierigkeiten – in beide Im Unterricht waren die Studierenden sehr mo- Richtungen. Nach einer Eingewöhnungsphase tiviert und begeisterungsfähig. Konzentriert hörten (Reduzierung des Sprechtempos, einfacher Satz- sie den Ausführungen der Vortragenden zu und bau, Wiederholen der Informationen) hat die Kom- machten zahlreiche Notizen. Sie nickten immer munikation dann letztlich gut funktioniert. wieder, was – wie es sich manchmal bei Zwi- schenfragen herausstellte – nicht immer als Geste Zu Beginn waren die Studierenden sehr des Verständnisses zum vorgetragenen Stoff her- schüchtern und distanziert. Aber nach ersten
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 15 Abb. 14.: Drohnenflug (Foto R. Mansberger) persönlichen Gesprächen in Pausen sowie durch Von den äthiopischen Studierenden wird eine die intensive Kommunikation während der prak- hohe Flexibilität gefordert. Um die Zeit zu optimie- tischen Übungen und Exkursionen hat sich die ren, wurden unsere im Block abgehaltenen Lehr- Scheu gelegt. Dies liegt auch daran, dass das veranstaltungen zum Teil auch an Wochenenden Lehrpersonal generell und speziell ausländische durchgeführt. Die Studierenden haben dieses An- Lehrende bei den Studierenden als etwas Beson- gebot dankbar angenommen. Dies ist wohl auch deres gesehen werden. darauf zurückzuführen, dass die Studierenden die meisten Wochenenden während des Semesters Die Studierenden haben ein Faible für Neues: in Unterkünften am Campus verbringen. Kurze Reinfried Mansberger hatte eine kleine Drohne im Ausflüge in die Stadt und vereinzelte Reisen zu Gepäck, mit welcher er am Universitätscampus ihren Heimatorten bilden die Ausnahme. das Prinzip photogrammetrischer Bildflüge de- monstrierte. Obwohl die Drohne nach österreichi- 4.5 Sonstiges schen Regeln in die Kategorie Spielzeug fällt und Unsere Zusammenarbeit mit äthiopischen Pro- damit auch nicht sehr attraktiv ist, waren nicht nur jekt-Kolleg*innen war geprägt durch eine gleich- die Photogrammetrie-Studierenden bei den Bild- berechtigte Partnerschaft. Gemeinsam wurden flügen anwesend. Durch den „Lärm“ der Drohne alle Aktivitäten geplant, durchgeführt und auch neugierig gemacht, war Reinfried Mansberger bewertet. Dies war Teil unserer Erfolgsgeschichte innerhalb weniger Minuten von einer riesigen im Projekt. Menge an Studierenden aller Studienrichtungen umringt (Abbildung 14). Die internationale Zusammenarbeit ist für viele in den letzten Jahrzehnten gegründeten Univer- Aber nicht nur die Drohne hat unterschiedliche sitäten sehr schwierig. Die hohe Steigerungsrate Studierende angelockt. Auch andere praktische bei Studierenden und der rasche Ausbau von In- Demonstrationen wurden von Hörer*innen fremder frastruktur am Universitätscampus erfordert hohe Fachbereiche am Campus begeistert beobachtet. Lehrkapazitäten, welche im Bereich der wissen- Und bei Übungen im Feld haben sich große Teile schaftlichen Arbeit und auch für den Aufbau eines der lokalen Bevölkerung als Zaungäste eingefun- internationalen Netzwerkes fehlen. Im Bereich von den. Vermessung und Landinformation ist diese Situati-
16 Vermessung & Geoinformation 1/2021 on nicht so dramatisch. Vor zwei Jahrzehnten gab DMU und wurde der Präsident des äthiopischen es kaum eine universitäre Ausbildung in diesem staatlichen Fernsehens. Derzeit ist Dr. Tafere ME- Fachbereich und äthiopische Studierende muss- LAKU Präsident der DMU. ten für ein facheinschlägiges Studium ins Ausland Alle Präsidenten der DMU und auch die wäh- gehen; viele davon mit Stipendien an europäische rend der Projektzeit agierenden Präsidenten der Universitäten, wie für den Bereich Landmanage- Bahir-Dar-Universität haben wir persönlich ge- ment (welcher auch die Landadministration bein- troffen. Ihr Anliegen war sowohl auf persönlicher haltet) zum Beispiel an das International Training als auch auf institutioneller Ebene die internati- Centre in Enschede (ITC – heute eine Fakultät der onale Vernetzung. Im Sinne einer gleichwertigen Universität Twente), an die Königlich-Technische Partnerschaft haben wir auch Treffen zwischen Hochschule Stockholm (KTH), an die Technische äthiopischen Kolleg*innen und österreichischen Universität München (TUM), aber auch an die Uni- Führungskräften aus dem akademischen und versität für Bodenkultur (BOKU). Absolvent*innen dem öffentlichen Bereich initiiert. dieser ausländischen Ausbildungsstätten bilden derzeit einen bedeutenden Teil des nationalen 5. Zusammenfassung und Empfehlungen äthiopischen Landadministrations-Netzwerks und Es war für uns alle eine unbezahlbare Erfahrung, sind als Führungskräfte im akademischen Bereich in Äthiopien gelehrt zu haben. Die Unterrichtswo- aber auch in der öffentlichen Verwaltung tätig. chen waren intensiv, da am Tag insgesamt fast 8 Ein Problem der Debre-Markos-Universität ist Stunden unterrichtet werden musste und bei den die Erreichbarkeit. Debre Markos hat keinen ei- längeren Blöcken von 10 Tagen es nur einen freien genen Flughafen und so mussten wir von Addis Tag in der Woche gab. Aber wir Lehrenden haben Abeba eine Tagesreise (sechs bis acht Stunden) sehr viel Positives und viele neue Erkenntnisse Autofahrt nach Debre Markos in Kauf nehmen. Für aus Äthiopien mitgenommen. uns war das kein Problem, da wir nur einmal pro Im Folgenden fassen wir die während unserer Jahr diese beschwerliche Reise machen muss- Lehrtätigkeit an der Debre-Markos-Universität in ten. Mitglieder der Universitätsleitung müssen zu den letzten drei Jahren gewonnenen Erfahrungen Besprechungen oder Verhandlung oft mehrmals zusammen und versuchen daraus auch Empfeh- im Monat nach Addis Abeba reisen. Die universi- lungen für heimische Kolleg*innen zu formulieren tätseigenen Autos sind zwar geländegängig und – falls diese Lehrtätigkeiten in Äthiopien oder ge- jede Führungskraft hat einen eigenen Chauffeur, nerell in Ländern des globalen Südens planen. allerdings erschwert der Zustand der Straßen das Arbeiten im Auto und die Verwendung von Aufgrund des nur bedingten Zugangs zu digita- Notebooks oder auch Tablets ist nahezu unmög- len Unterlagen und der zahlreichen Stromausfälle lich. Somit wird die Fahrtzeit hauptsächlich für ist auch die Vorbereitung analoger Lehrunterlagen Telefonate und Diskussionen innerhalb des Autos notwendig. Ideal ist ein Skriptum über den Lehr- genutzt. stoff, welches die Studierenden vor und nach der Lehrende mit einem höheren Ausbildungsgrad Lehreinheit in Ruhe durcharbeiten können. Damit sind auch an anderen Universitäten oder Instituti- können auch gewisse sprachliche Schwierigkei- onen sehr begehrt. In vielen Fällen wechselt das ten hintangehalten werden, zumal die Unterlagen Personal auch an Standorte mit einer besseren von äthiopischen Kolleg*innen in die nationale Anbindung (Addis Abeba, Bahir Dar, Gondar). Zum amharische Sprache übersetzt werden können. Glück ist das in unserem Fachbereich noch nicht Neben den theoretischen Unterlagen sollten der Fall, da die Finanzierung der Weiterbildung für auch die praktischen Übungen in Form von schrift- Kolleg*innen eine Verpflichtung zu einer mehrjäh- lichen Anleitungen oder Lehrvideos dokumentiert rigen Lehrtätigkeit an der DMU beinhaltete. werden. Da Geodaten in Äthiopien nur schwer Wir haben jedoch die Abwanderung von hoch- zu erhalten sind, ist die Mitnahme von Daten für qualifizierten Personen aus Debre Markos selbst die Durchführung von praktischen Projekten zu wahrgenommen. Während der vierjährigen Pro- empfehlen. Der Download großer Datenmengen jektlaufzeit haben wir in Summe drei Präsidenten aus Äthiopien ist aufgrund der Stromausfälle nur der DMU kennen gelernt. Der erste, Dr. Tilaye schwierig umzusetzen. GETE, ging nach Addis Abeba ins Bildungsminis- Bei der Durchführung der Lehre ist eine terium und ist seit wenigen Jahren Bildungsmi- hohe Flexibilität gefragt. Die Vorbereitung eines nister. Der zweite, Dr. Niguse GELAW, verließ die Zeitplans für die Lehrveranstaltung ist zwar ge-
R. Mansberger et al.: Unterrichten an einer äthiopischen Universität: Ein Erfahrungsbericht 17 wünscht und hilfreich, jedoch ist dieser aufgrund Präsidenten und weiteren hochrangigen Univer- von technischen Unzulänglichkeiten – besonders sitätsmanagern zu einem gemeinsamen Treffen bei Übungen im Computerlabor – oft mehrmals eingeladen wurden. am Tag zu adaptieren. Zeitreserven sind auf jeden Als Fazit können wir zusammenfassen, dass wir Fall einzuplanen. die Lehraktivitäten im Rahmen unseres Projektes Studierende haben – in Ermangelung eigener an der Debre-Markos-Universität sehr genossen Computer – nicht die Möglichkeit praktische haben. Wir hatten in den Wochen auch persönlich Projekte außerhalb der Computerräume zu wie- sehr viel gelernt und positive Erfahrungen mitge- derholen und zu vertiefen. Daher gilt hier die Re- nommen. Vielleicht nicht so sehr in den fachlichen gel: Weniger ist mehr. Es empfiehlt sich, weniger Belangen, aber auf jeden Fall aus didaktischer Funktionen einer Software zu zeigen und diese und pädagogischer Sicht. Zudem konnten wir durch Wiederholung in den jeweiligen Lehreinhei- in die äthiopische Kultur und den äthiopischen ten zu vertiefen. Way of Life eintauchen und damit auch unsere Kolleg*innen besser verstehen. Natürlich hat sich Sprachliche Probleme verlangsamen den Un- in den gemeinsamen Aktivitäten auch die Partner- terricht. Langsames und deutliches Sprechen schaft zwischen den Projektmitarbeitern erhöht. sowie mehrmalige Wiederholungen von wesentli- chen Lehrinhalten erhöhte das Verständnis für das Aber es blieb auch genügend Zeit, dass wir uns Fach bei den Studierenden. Lerneinheiten in Form mit äthiopischen Kolleg*innen untereinander über von Round-Table-Gesprächen, bei welchen die Fachliches, Persönliches und auch Kulturelles Studierenden in Kleingruppen fachliche Fragen in ausgetauscht haben. Die Gastfreundschaft war der Muttersprache diskutieren und anschließend sehr groß. Dies hat unser persönliches Verhält- in englischer Sprache schriftlich oder mündlich nis vertieft und auch das fachliche Netzwerk in zu beantworten haben, erwiesen sich als sehr Äthiopien erweitert. Als Beispiel sei genannt, dass hilfreich. hochrangige äthiopische Fachkolleg*innen aus dem Bereich Vermessung und Geoinformation im Ein Feedback ist von Studierendenseite direkt Sommer 2019 einen Studienaufenthalt in Öster- nur schwer zu bekommen. Während der Lehr- reich initiiert haben, um österreichische Fachins- veranstaltungen wurde das – für uns erfreuliche titutionen (wie das Bundesamt für Eich- und Ver- – Lob ausschließlich über Kolleg*innen der DMU messungswesen, die Vermessungsabteilung der an uns kommuniziert. Erst nach der Prüfung und Stadt Wien, die Universität für Bodenkultur, die TU zum offiziellen Abschluss der Lehrveranstaltung Wien, die Agrarabteilung der burgenländischen erhielten wir auch von den Studierenden selbst Landesregierung sowie das Bürgermeisteramt in Rückmeldungen zu unseren Lehr- und Lernme- Oberwart) zu besuchen. thoden sowie zu den bereitgestellten Unterlagen – und auch diese fielen sehr positiv aus. Aber unser Lehraufenthalt hat uns auch Demut gelehrt. In Äthiopien haben wir weder von den Die gesamte Zeit in Äthiopien wurden wir von Studierenden noch von Lehrenden irgendwelche den DMU-Mitarbeiter*innen hervorragend unter- Beschwerden über die vielen Unzulänglichkeiten stützt und betreut. Organisatorische Aufgaben in der akademischen Ausbildung gehört. Und so wurden ausschließlich von ihnen übernommen. können wir mit Überzeugung sagen, dass wir nie Sie haben auch die vorbereitenden Arbeiten (wie wieder wegen schlechter Raum- und/oder Instru- Drucken von Skripten und Präsentationsfolien, mentenausstattung an unseren österreichischen Installation von benötigter Software) zu unserer Universitäten jammern/raunzen werden – zumin- vollsten Zufriedenheit durchgeführt. Die Anwe- dest nicht in den nächsten Jahren. senheit von zumindest einer Person während der Vorlesungen und Übungen war sehr hilfreich, da Referenzen diese in Ausnahmefällen auch als „Dolmetscher“ Agegnehu, SK; Mansberger, R. (2020): Community Involve- agieren konnten. ment and Compensation Money Utilization in Ethiopia: Sowohl Studierende als auch Kolleg*innen Case Studies from Bahir Dar and Debre Markos Peri-Ur- der äthiopischen Partneruniversitäten und der ban Areas. SUSTAINABILITY-BASEL. 2020; 12(11), 4794. einschlägigen Fachinstitutionen schätzten un- Agegnehu, S; Mansberger, R. (2019): Assessment of com- munity involvement and compensation money utilization sere Aktivitäten und die internationale Expertise in Ethiopia: Case studies from Bahir Dar and Debre Mar- sehr. Dies zeigte sich auch darin, dass wir bei kos Peri-urban areas. [Annual World Bank Conference on jedem unserer Lehrbesuche in Debre Markos vom Land and Poverty - Catalyzing Innovation, Washington
18 Vermessung & Geoinformation 1/2021 DC, USA, MAR 25-29, 2019]. In: The World Bank - Wa- Nega, W; Hunie, Y; Tenaw, M; Dires, T; Kassaw, S; Mans- shington DC, Catalysing Innovation - Annual World Bank berger, R.(2021): Demand-Driven suitable sites for pub- Conference on Land and Poverty. lic toilets: a case study for GIS-Based site selection in APPEAR (2021): Austrian Partnership Programme in Higher Debre Markos Town, Ethiopia. GeoJournal, 1, 1-14; ISSN Education and Research for Development, https://appear. 0343-2521. at/en/ (last access: February 2021). UN-Habitat/GLTN/Kadaster (2016): Fit-for-purpose land ad- Gedefaw, AA; Atzberger, C; Seher, W; Mansberger, R. (2019): ministration: guiding principles for country implementati- Farmers Willingness to Participate In Voluntary Land Con- on: e-book. Nairobi, United Nations Human Settlements solidation in Gozamin District, Ethiopia. LAND-BASEL. Programme (UN-Habitat), 2016. https://unhabitat.org/ 2019; 8(10), 148. books/fit-for-purpose-land-administration-guiding-prin- ciples-for-country-implementation/ Gedefaw, AA; Atzberger, C; Bauer, T; Agegnehu, SK; Mans- berger, R. (2020a): Analysis of Land Cover Change De- USAID (2014): Ethiopian Land Administration Profes- tection in Gozamin District, Ethiopia: From Remote Sen- sional Land Administration, Professional Educational sing and DPSIR Perspectives. SUSTAINABILITY-BASEL. Demand Assessment, and Basic Curricula and Institu- 2020; 12(11), 4534. tional Capacity Review. https://www.canr.msu.edu/csus/ uploads/458/49239/Executive_Summary_8-28-15.pdf Gedefaw, AA; Atzberger, C; Seher, W; Agegnehu, SK; Mans- (letzter Zugriff: 1. März 2021). berger, R. (2020b): Effects of Land Certification for Rural Farm Households in Ethiopia: Evidence from Gozamin District, Ethiopia. LAND-BASEL. 2020; 9(11), 421. Anschrift der Autor*innen FIG/Worldbank (2014): Publication 60. Fit-for-purpose land Ass.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Reinfried Mansberger, Universität administration: Copenhagen, International Federation of für Bodenkultur Wien, Institut für Geomatik, Peter Jordan- Surveyors (FIG), 2014, ISBN 978-87-92853-11-0. https:// Straße 82, 1190 Wien. fig.net/resources/publications/figpub/pub60/Figpub60. E-Mail: mansberger@boku.ac.at pdfum (letzter Zugriff: 1. März 2021) Mengesha, AK; Mansberger, R; Damyanovic, D; Stoegleh- Privatdoz. Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Navratil, Technische Uni- ner, G. (2019): Impact of Land Certification on Sustainable versität Wien, Department für Geodäsie und Geoinformati- Land Use Practices: Case of Gozamin District, Ethiopia. on, FB Geoinformation, E120.2, Gusshausstr. 27-29, 1040 SUSTAINABILITY-BASEL. 2019; 11(20), 5551. Wien. Mansberger, R; Agegnehu, S; Navratil, G; Sibeshi, G. (2019): E-Mail: gerhard.navratil@geo.tuwien.ac.at Equal partnership in the capacity building project Edu- land2: conceptual design, implementation, successes, Dipl.-Ing.in Dr.in Eva-Maria Unger, Cadastre, Land Regist- challenges & lessons learnt. [Land and Poverty Confe- ry and Mapping Agency of the Netherlands, Hofstraat 110, rence 2019: Catalyzing Innovation, Washington DC, USA, 7311 KZ Apeldoorn, The Netherlands. MAR 25-29, 2019]. In: The World Bank - Washington DC, E-Mail: Eva-Maria.Unger@kadaster.nl Catalysing Innovation - Annual World Bank Conference on Land and Poverty. Univ.Ass. Mag. Dr. Thomas Bauer, Universität für Boden- Navratil, G; Mansberger, R (2019): Unterrichten in Afrika. kultur Wien, Institut für Geomatik, Peter Jordan-Straße 82, FREI.HAUS, 50. https://freihaus.tuwien.ac.at/unterrich 1190 Wien. ten-in-afrika/ (letzter Zugriff: 2. März 2021). E-Mail: t.bauer@boku.ac.at
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