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REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY Re HIS Refugee Health and Integration Survey Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Geflüchteten in Österreich
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT INHALTSVERZEICHNIS VORWORT VORWORT 3 Zwischen Jänner 2018 und Februar 2019 erhob der Refugee Gesundheitsdienstleitungen, sowie bestehende Barrieren im Health and Integration Survey (ReHIS) erstmalig in Österreich Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Ergebnisse sind von PROJEKTTEAM 4 Primärdaten zur psychosozialen Gesundheit von syrischen, großer Bedeutung, da die spezifischen Gesundheitsbedürfnis- irakischen und afghanischen Geflüchteten, die seit dem Jahr se von Flüchtlingen oft nur unzureichend verstanden und von KOOPERATIONEN 5 2011 ins Land gekommen waren. Zusätzlich wurde das Wissen Gesundheitsdienstleistern ungenügend adressiert werden. um bzw. der Zugang zu öffentlichen Versorgungseinrichtun- Dadurch bleiben nicht nur gesundheitliche Ungleichheiten FÖRDERUNGEN 5 gen (Betreuungs- und Beratungsangebote im Bereich Gesund- (health inequalities) bestehen, sondern es kommt auch zu heit und Integration) abgefragt. erheblichen Folgekosten im Bereich der sekundären und ter- REHIS AUF EINEN BLICK 5 tiären Versorgung. Nicht zuletzt stellt fehlende physische und Basierend auf einem umfassenden Verständnis von „Integra- psychische Gesundheit ein wesentliches Integrationshinder- PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT UND INTEGRATION 6 tion“ untersuchte ReHIS die Wechselwirkungen zwischen der nis dar und betrifft somit die Sicherheit und das Wohlbefin- Gesundheit von geflüchteten Menschen einerseits und ihrer den der gesamten österreichischen Wohnbevölkerung. Rechtliche Rahmenbedingungen des ökonomischen, sozialen und kulturellen Integration in Öster- Gesundheitszugangs von Geflüchteten in Österreich 7 reich andererseits. Während die körperliche und seelische In dieser Broschüre wird insbesondere auf Aspekte der psycho- Gesundheit eine der wichtigsten Ressourcen für die gesell- sozialen Gesundheit, vor allem das Vorliegen von Depressionen DATENERHEBUNG 8 schaftliche Teilhabe darstellt, werden die gesundheitlichen und Angststörungen, sowie auf Zugangsbarrieren zur öffent- Bedürfnisse marginalisierter Gruppen wie Migrant/inn/en lichen Gesundheitsversorgung eingegangen. Basierend auf BEOBACHTUNGEN AUS DER FELDPHASE 9 oder Geflüchteter oft nur unzureichend wahrgenommen und diesen Auswertungen stellen wir konkrete Politikempfeh- adressiert. Dies behindert nicht nur ihre erfolgreiche Integra- lungen vor, um die Gesundheitsversorgung und somit die FRAGENBOGEN UND STICHPROBE 10 tion in den Arbeitsmarkt des Gastlandes, sondern kann auch gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe von geflüchteten zu erheblichen volkswirtschaftlichen Folgekosten führen. Menschen in Österreich zu optimieren. ERGEBNISSE 11 Umgekehrt kann Langzeitarbeitslosigkeit, wie sie Geflüchtete z.B. während der oftmals langen Asylantragsphase erleben, Mein Dank gilt an dieser Stelle allen Fördergeber/innen und Gesundheit in der Selbsteinschätzung 12 bestehende gesundheitliche Probleme verstärken, und somit Kooperationsparter/innen, sowie allen Projektmitarbeiter/in- die spätere Eingliederung in Arbeitsmarkt und Sozialleben nen, Kolleg/inn/en und dem gesamten Interviewer/innenstab, Zugang zum Gesundheitssystem 13 erschweren. von denen jede/r Einzelne maßgeblich zum Erfolg dieser Studie beigetragen hat. Ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse und Zugangsbarrieren 15 Anhand nationaler Erhebungsdaten aus der österreichischen Gesundheitsbefragung ATHIS (Austrian Health Interview Sur- Dr. Judith Kohlenberger Subjektive Wahrnehmung der Gesundheitsversorgung in Österreich 16 vey) und des neu erhobenen ReHIS-Datensatzes beleuchtet Projektleitung diese Studie die subjektive Gesundheit von Geflüchteten, das Angststörungen und Depressionen 17 Vorliegen psychischer, insbesondere affektiver Störungen, die Inanspruchnahme von und Zufriedenheit mit öffentlichen ZUSAMMENFASSUNG 20 POLITIKEMPFEHLUNGEN 22 IMPRESSUM 23 2 3
PROJEKTTEAM REHIS AUF EINEN BLICK PROJEKTTEAM KOOPERATIONEN ReHIS wird an der WU Wien unter Beteiligung des Vienna Institute of Demography (VID) der ÖAW durchgeführt und DR. JUDITH KOHLENBERGER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- baut auf die Pilotstudie Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS) auf, die europaweit erste sozialwissenschaft- politik, Department für Sozioökonomie, der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie den Refugee liche Erhebung unter Geflüchteten des Jahres 2015. Als Zwischenbefragung kooperiert ReHIS mit der Panelstudie Health and Integration Survey (ReHIS) leitet. Sie forscht zu Fluchtmigration, Bildung, FIMAS+INTEGRATION, die vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD, Roland Hosner und Integration und Krisennarrativen. Veronika Bilger), dem Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und der Karl-Franzens-Univer- sität Graz (Renate Ortlieb) implementiert und vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank gefördert wurde. Wir bedanken uns für die gute und produktive Zusammenarbeit! DR. ISABELLA BUBER-ENNSER ist Leiterin der Forschungsgruppe „Demography of Austria“ KOOPERATIONSPARTNER/INNEN: am Vienna Institute of Demography (VID) der Österreichischen Akademie der Wissen- Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) schaften. Seit 2015 leitet sie den Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS), der das Institut für Personalpolitik, Karl-Franzens-Universität Graz Humankapital und die Wertvorstellungen von Geflüchteten in Österreich untersucht. Sie International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) forscht zu Fertilität, Familien, Bildung, intergenerationalen Beziehungen und Fluchtmigration. FÖRDERUNGEN ReHIS wurde unterstützt vom Österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung DR. BERNHARD RENGS ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Vienna Institute of Demo- (BMBWF), dem Österreichischen Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz graphy (VID) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und lehrt an der Techni- (BMASGK), dem Fonds Soziales Wien (FSW), und aus den Mitteln „Gemeinsame Gesundheitsziele aus dem schen Universität Wien. Seine Forschungsgebiete sind Fluchtmigration und Bildung sowie Rahmen-Pharmavertrag, eine Kooperation von österreichischer Pharmawirtschaft und Sozialversicherung“ die Anwendung von agentenbasierten computergestützten sozioökonomischen Methoden [Förderungsnummer: 99901007700]. auf umweltökonomische und demographische Fragestellungen. MAG. SEBASTIAN LEITNER ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wiener Institut für Inter- nationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Seine Forschungsgebiete sind Arbeitsmarktent- REHIS AUF EINEN BLICK wicklung, Ungleichheit und Verteilung. Wann? Projektlaufzeit von 1. Jänner 2018 bis 31. Jänner 2019 (Feldphase von März bis Mai 2018) Wer? Fokus auf erwachsene Asylberechtigte aus Syrien, Irak, und Afghanistan, keine UMFs PROF. DR. MICHAEL LANDESMANN ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz. Er ist ehemaliger wissenschaftlicher Direktor (1996- Wie? Zwischenbefragung im Rahmen des Panel Surveys FIMAS+INTEGRATION zur Arbeitsmarkt- 2016) des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und ist auch weiter- integration, Umsetzung als Computer-Assisted Telephone Interview (CATI) in 4 Sprachen- hin dort wissenschaftlich tätig. Seine Forschungsgebiete sind internationale wirtschaftliche versionen (Arabisch, Farsi, Deutsch, Englisch) Integration, Strukturwandel und Wachstum, Globalisierung, Arbeitsmärkte und Migration. Was? Die Themensetzung von ReHIS umfasst: · Primärdaten zur psychosozialen Gesundheit von syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten INTERVIEWER/INNEN/STAB · Daten zum Zugang und Barrieren des Zugangs zu öffentlichen Gesundheits- und Versorgungseinrichtungen Wir bedanken uns bei Omar Abdo, Fahad Aldhamra, Yaseen Alkhlaf, Saeid Eyvazi, Parastoo Fatemi, Warum? ReHIS untersucht die Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Niloufar Hakkak, und Shiraz Shahoud für die professionell geführten Interviews auf Farsi und Arabisch. Integration und der psychosozialen Gesundheit von Geflüchteten und trägt damit einem breiten Integrationsverständnis Rechnung. 4 5
RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DES GESUNDHEITS- PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT UND INTEGRATION ZUGANGS VON GEFLÜCHTETEN IN ÖSTERREICH Studien, die sich dem Zugang von Geflüchteten zum Gesund- Kategorisierung von Migrant/inn/en eine Herausforderung PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT UND INTEGRATION heitswesen eines Aufnahmelandes sowie bestehenden darstellen, zeigt die bisherige Forschung beispielsweise, dass Barrieren des Zugangs widmen, sind ebenfalls rar und Migrant/inn/en öfter Notfallaufnahmen und Krankenhäuser variieren stark in Umfang, Methodik und Zielgruppe. Da die konsultieren als Einheimische. Im Falle von irregulären spezifischen Gesundheitsbedürfnisse vulnerabler Gruppen Migrant/inn/en hängt das auch damit zusammen, dass in Im Herbst 2015 suchten etwa eine Million Menschen Schutz Aufgrund der Vielzahl an Stressoren, denen Geflüchtete vor, wie Geflüchtete und Migrant/inn/en oft nur unzureichend den meisten europäischen Ländern der Zugang zum öffent- in Europa. In Summe wurden zwischen 2015 und 2017 etwa während und nach ihrer Flucht ausgesetzt sind (siehe Box), erfasst und auf diese nur selten in adäquater Weise von Ge- lichen Gesundheitssystem während der Asylantragsphase 156.000 Asylanträge in Österreich gestellt. In derselben Zeit- liegt die Vermutung nahe, dass psychische (v.a. affektive) sundheitseinrichtungen eingegangen wird, verlagert sich die beschränkt ist, wodurch sich bestehende gesundheitliche spanne bekamen 76.983 Menschen offiziell Asyl oder sub- Erkrankungen unter Geflüchteten häufig sind. Zu den häufigs- Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten häufig von der Probleme verfestigen und an Schwere gewinnen können. sidiären Schutz gewährt, wovon mehr als 60% aus Syrien, ten Erkrankungen zählen Depressionen, Angststörungen und Primär- in die kostenintensivere Sekundär- und Tertiärversor- Doch auch nachdem sie offiziell Asyl oder subsidiären Schutz dem Irak und Afghanistan stammten. Während die wirt- Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). In anderen gung. Dabei wären erhebliche Kosteneinsparungen möglich, erhalten haben, stoßen Geflüchtete auf eine Vielzahl von schaftlichen Folgen der Fluchtbewegung der letzten Jahre, historischen und geografischen Kontexten wurde dies bereits wenn marginalisierten Gruppen rechtzeitig medizinische strukturellen, finanziellen und soziokulturellen Barrieren bei insbesondere die Auswirkungen auf den österreichischen untersucht: So zeigt sich z.B. über einzelne Flüchtlingspopu- Prävention und Erstversorgung angeboten bekämen. Ob- der Inanspruchnahme von Gesundheits- und Präventions- Arbeitsmarkt und das Sozialsystem, auf politischer und lationen hinweg, dass bis zu ca. 30 % der Erwachsenen an ei- wohl keine umfassenden epidemiologischen Daten vorliegen diensten. Für die Fluchtbewegung der letzten Jahre wurden gesellschaftlicher Ebene weiterhin kontrovers diskutiert ner Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, wobei die und internationale Vergleiche aufgrund der Diversität in der diese Barrieren mit ReHIS nun erstmals empirisch erhoben. werden, wurde den Gesundheitsrisiken, denen Geflüchtete Schwere und Intensität der Störung je nach Summe der er- vor, während und nach der Migration ausgesetzt sind, bisher lebten Stressoren starken Schwankungen unterliegt. Wissen- weitaus weniger Beachtung geschenkt. schaftlich belastbare Zahlen für Menschen der Fluchtbewe- Literatur: gung 2015 fehlen aufgrund mangelnder Daten noch. Fazel M, Wheeler J, Danesh J (2005) Prevalence of serious mental disorder in 7000 refugees resettled in western countries: a systematic review. The Lancet Dabei stellen die körperliche und seelische Gesundheit eines 365:1309– 1314. doi: 10.1016/S0140-6736(05)61027-6. Menschen grundlegende Ressourcen dar, um an Gesellschaft Erste Schätzungen für Deutschland gehen davon aus, dass Kaltenbach E, Härdtner E, Hermenau K, et al. (2017) Efficient identification of mental health problems in refugees in Germany: the Refugee Health Screener. und Arbeitsmarkt teilzunehmen und das eigene Potential voll 50% der Geflüchteten der letzten Jahren durch massive trau- European Journal of Psychotraumatology 8:1389205. doi: 10.1080/20008198.2017.1389205. entfalten zu können. Für die Integration von Geflüchteten in matische Erfahrungen seelisch belastet sind. Wiederum die Miller GA, Elbert T, Rockstroh B (2005) Judging psychiatric disorders in refugees. The Lancet 366:1604–1605. doi: 10.1016/S0140-6736(05)67655-6. Norredam M, Nielsen SS, Krasnik A (2010) Migrants‘ utilization of somatic healthcare services in Europe - a systematic review. European Journal of Public Österreich ist ihre Gesundheit ein wesentlicher, aber selten be- Hälfte dieser Menschen benötigt fachliche Betreuung, um sich Health 20:555-63. achteter Schlüsselfaktor: Gesundheitliche Einschränkungen von dieser Belastung zu erholen. Das bedeutet, dass allein Trummer U, Krasnik A (2017) Migrant health: The economic argument. European Journal of Public Health 27:590-1. haben Auswirkungen auf den Spracherwerb, die Arbeits- von den 2015/16 nach Deutschland gekommenen Geflüchte- Trummer U, Novak-Zezula S, Renner A-T, Wilczewska I (2018) Cost savings through timely treatment for irregular migrants and European Union citizens without insurance. European Journal of Public Health 28:cky048.61. marktpartizipation und die Lebenserwartung. Psychische ten etwa 250.000 Menschen von psychischen Erkrankungen Beeinträchtigungen können zu dissozialem Verhalten und betroffen sind. Neben fehlender flächendeckender Versor- (Auto)Aggression führen. Eine grundlegende Voraussetzung gung (bevorzugt in der Muttersprache) erschweren auch zur Verbesserung der Gesundheit von Geflüchteten ist ein um- kulturelle Stigmatisierung und die häufige Somatisierung fassendes, empirisch fundiertes Verständnis ihrer Gesund- psychischer Erkrankungen die Diagnose und die Behandlung. heitsbedürfnisse und der bestehenden Zugangsbarrieren zu RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DES GESUNDHEITS- öffentlichen Gesundheitsdiensten. ZUGANGS VON GEFLÜCHTETEN IN ÖSTERREICH NACH DER FLUCHT: · fehlende soziale Netzwerke Österreich ermöglicht sowohl anerkannten Flüchtlingen als Arbeitgeber geregelt. Ansonsten erhalten sie, ähnlich wie und Einsamkeit auch Asylwerber/inne/n freien Zugang zum Gesundheits- Asylwerber/innen, einen Krankenversicherungsbeleg, um · Angst um Familienangehörige system und übererfüllt damit die von der Europäischen Dienstleistungen wie Untersuchungen und Behandlungen · Rollenveränderung Kommission vorgegebenen Minimalstandards für die Auf- in Anspruch nehmen zu können. Während Asylwerber/innen STRESSOREN AUF DER FLUCHT: und Statusverlust nahme von Asylwerbenden. Nachdem eine Person einen automatisch von Rezeptgebühren befreit sind, können Asylantrag in Österreich gestellt hat, wird ihr als Teil der anerkannte Flüchtlinge um Gebührenbefreiung ansuchen, · enorme körperliche Belastung · Ungewissheit Grundversorgung eine Krankenversicherung gewährt. Diese sofern ihr monatliches Einkommen unter einer bestimmten VOR DER FLUCHT: · andauernde Angespanntheit · lange Asylantragsphase beinhaltet medizinische Versorgung in allen Bereichen und Grenze liegt. · Krieg und Untätigkeit inkludiert grundlegende zahnmedizinische Behandlungen. · (sexuelle) Gewalt Wird der Asylantrag positiv entschieden, erhalten anerkannte · Folter · Stigmatisierung · Krankheit Flüchtlinge eine e-card und werden Teil des gleichen Quellen: · Gewalt · Ablehnung durch Versicherungssystems wie österreichische Bürger/innen. Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialver- · Vertrauensverlust sicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG.) Mehrheitsgesellschaft Subsidiär Schutzberechtigte erhalten hingegen keine e-card, · Verlust von EUR-LEX (2003) Council Directive 2003/9/EC of 27 January 2003 laying Familienangehörigen außer wenn sie in Österreich einer Beschäftigung nachgehen; down minimum standards for the reception of asylum seekers. Official in diesem Fall wird die Krankenversicherung über den Journal of the European Union, L31, L31/18-L31/25. 6 7
DATENERHEBUNG BEOBACHTUNGEN AUS DER FELDPHASE DATENERHEBUNG THEMENBLÖCKE ReHIS gliedert sich als Zwischenerhebung in die Längs- Arabisch durchgeführt. Diese Pretests waren wesentlich, um PSYCHOSOZIALE SUBJEKTIVES DISKRIMINIERUNGS- schnittsuntersuchung FIMAS+INTEGRATION zur Arbeits- Verständnisprobleme zu identifizieren und die Fragebögen BELASTUNGEN WOHLBEFINDEN, ERFAHRUNGEN marktbeteiligung von syrischen, irakischen und afghanischen ggf. zu adaptieren. und resultierende bedingt durch soziale & Erfahrungen mit der Geflüchteten in Österreich ein. FIMAS+INTEGRATION wurde Einschränkungen Kontakte, Betreuungs- Aufnahmegesellschaft zwischen Dezember 2017 und April 2018, mit einem Stich- In Anbetracht der sensiblen Daten, die ReHIS erhoben hat, situationen, psychische probenumfang von mehr als 1.600 Befragten, von unserem waren forschungsethische Aspekte wie Vertrauen zwischen und physische Gesundheit · Gesundheitliche Kooperationspartner ICMPD implementiert. Befragten und Interviewer/innen, Anonymität, Freiwilligkeit Einschränkungen und Zugänglichkeit zentral. Alle Interviewer/innen erhielten · Gesundheitszustand in (z.B. Häufigkeit von Basierend auf Kontaktdaten aus FIMAS+INTEGRATION wurde angesichts der höchst sensiblen Fragebogeninhalte ein um- der Selbsteinschätzung Schmerzen) ReHIS am Ende der Feldphase von FIMAS+INTEGRATION fangreiches Training. Nach der Feldphase wurden den Inter- gestartet und über einen Zeitraum von drei Monaten, zwi- viewer/inne/n psychologische Betreuung angeboten sowie · Lebensqualität und · Hinweise auf Angststörungen ZUGANG ZU ÖFFENT- schen Anfang März und Mitte Mai 2018, durchgeführt. Da die routinemäßige Nachbesprechungen mit dem Forschungs- Zukunftsperspektiven und Depressionen LICHEN GESUNDHEITS- Mehrheit der Befragten muslimischen Glaubens war, wurde team durchgeführt. Alle Teilnehmer/innen gaben ihr Einver- · Arbeitsfähigkeit und EINRICHTUNGEN die Feldphase mit Beginn des Ramadan beendet, um unge- ständnis, an der Studie teilzunehmen. Die Ethical Guidelines Möglichkeit zu & Barrieren des Zugangs wollte Verzerrungen zu vermeiden. Vor der Feldphase wurde for Good Research Practice des Refugee Studies Centre in sinnvollen Tätigkeiten eine intensive Pretestphase mit 20 Interviews auf Farsi und Oxford wurden eingehalten. BEOBACHTUNGEN AUS DER FELDPHASE Obwohl Interviewabbrüche oder die Verweigerung einzelner Fragen selten waren, muss bei der Interpretation der Resultate die beträchtliche Stigmatisierung von psychischen Erkran- kungen in den Herkunftsländern im Mittleren Osten berück- sichtigt werden. Wir fanden divergierende Angaben zwischen der selbsteingeschätzten (mentalen) Gesundheit und den Symptomen von Angststörungen oder Depressionen, da letztere aufgrund von indirekten Fragen neutraler zu wirken schienen. Die Interviewer/inne/n merkten zudem an, dass direkte Fragen betreffend die mentale Gesundheit oder Konsultationen eines Psychotherapeuten oder Psychiaters bei einzelnen Befragten Empörung oder sogar offene Feind- Abbildung 1: Screenshots des elektronischen Fragebogens auf Deutsch (links) und Arabisch (rechts). seligkeit auslösten, da dieses Thema mit einer gewissen Scham besetzt schien. Abbildung 2: Umfangreiche Schulungen vor Beginn der Feld- ReHIS-Interviews wurden als CATI („Computer-Assisted E-Mail-Adressen. Bei gescheiterten Telefonanrufen setzten Die Interviewer/innen wurden auch darauf geschult, auf Trauer phase halfen den Interviewer/innen, mit sensiblen Situatio- Telephone Interview“, computergestütztes Telefoninterview) wir Programme wie WhatsApp und Viber ein, die gerade unter seitens der Befragten bis hin zu weinenden Gesprächspartner/ nen und emotional reagierenden Befragten umzugehen. hauptsächlich auf Arabisch und Farsi durchgeführt, um sicher- Geflüchteten sehr beliebt sind, um mit Familienmitgliedern innen zu reagieren. Diese Reaktionen waren häufig durch die zustellen, dass die Mehrheit der Befragten in ihrer Mutter- und Freund/inn/en in Kontakt zu bleiben. Dadurch konnten wir persönliche Not der Befragten im Aufnahmeland begründet, sprache angesprochen werden konnte. Die Interviewer/innen auch jene Personen erreichen, welche bei Anrufen von ihnen aber auch durch Sorgen um nahe Familienangehörige im Aus- an, wodurch das Interview positiv beendet werden konnte. kontaktierten Teilnehmende im jeweiligen arabischen Dialekt unbekannten Rufnummern nicht abhoben. Zusätzlich wurden land. Aus diesem Grund wurde am Ende der Erhebung nach Eine professionell durchgeführte Nachbesprechung nach (Syrisch oder Irakisch), was sich positiv auf das Vertrauens- die Kontaktversuche zu unterschiedlichen Tageszeiten unter- den persönlichen Resilienzstrategien der Teilnehmenden Interviews mit aggressiven oder besonders emotionalen verhältnis auswirkte. Um die Teilnehmeranzahl zu maxi- nommen, auch am Wochenende, wobei die Erfolgsquote gefragt („Was tun Sie, um sich gut zu fühlen?“). Dabei gaben Reaktionen der Befragten stellte sich als hilfreich für die mieren, wurden FIMAS+-Befragte über mehrere Kommu- nachmittags und abends am höchsten war. die Teilnehmende vielfältige Antworten, von Sport bis Malen, Interviewer/innen heraus. nikationskanäle angefragt, etwa über Telefonnummern und 8 9
FRAGENBOGEN UND STICHPROBE FRAGENBOGEN UND STICHPROBE Außerdem scheint soziale Erwünschtheit, bedingt durch unabhängig von ihrem Heimatland, selten als „verärgert“ oder Die endgültige ReHIS-Stichprobe setzt sich männlich weiblich Total Diskriminierungserfahrungen der Geflüchteten im Aufnahme- „wütend“ beschrieben (als Teil der Symptomatik einer gene- aus 515 Personen zwischen 18 und 61 Jahren land, eine Rolle bei der Erhebung gespielt zu haben. Im ralisierten Angststörung), was mit der negativen medialen zusammen (54% syrische Staatsbürger, 16% Syrien 250 28 278 Speziellen merkten Interviewer/innen an, dass Befragte sich, Darstellung von Geflüchteten zusammenhängen könnte, der irakische, 23% afghanische und 7% andere). Afghanistan 96 24 120 sie entgegenwirken wollten. In ähnlicher Weise diskutierten Die Geschlechterverteilung war ungleich- die Befragten das derzeitige politische Klima in Österreich mäßig (72 weibliche, 443 männliche Teilneh- Irak 70 13 83 und in Europa, das viele als besonders ablehnend gegenüber mer/innen) und entspricht somit nicht der Sonstige 27 4 34 Flüchtlingen empfanden. Außerdem äußerten einige Befragte Geschlechterverteilung der Asylberechtigten Sorgen über ihre wirtschaftliche Situation in Anbetracht der in Österreich. Der Gender-Bias kann dadurch Total 443 72 515 Budgetkürzungen für Geflüchtete in Österreich sowie, im Fall erklärt werden, dass die Rekrutierung von Abbildung 4: ReHIS Gesamtstichprobe nach Geschlecht und Nationalitäten. von Personen unter subsidiärem Schutz, Sorge darüber, das FIMAS+INTEGRATION-Befragten über AMS- Land nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes verlassen Datenbanken und Asylzentren ein Oversampling männlicher Teilnehmer zur Folge hatte, und dass die verfügbaren Kontakt- zu müssen. möglichkeiten (z. B. Handys) oft gemeinsam in einem Haushalt genützt werden. Obwohl die Befragten zu Beginn des Interviews über den rein wissenschaftlichen Zweck dieser Erhebung unterrichtet wurden, können Missverständnisse nicht ausgeschlossen 400 werden. Häufig wurden Interviewer/innen nach Abschluss 297 300 des Interviews nach medizinischer Hilfe, Wohnungen oder Arbeitsplätzen gefragt. In solchen Fällen verwiesen sie die REHIS STICHPROBE 200 Abbildung 3: Während eines telefonischen Interviews. Befragten an einschlägige humanitäre Hilfsorganisationen. NACH 100 BUNDESLÄNDERN 47 64 61 35 1 8 2 0 0 h rg n n h g l d k ro ic te ie ic er an bu DER REHIS-FRAGENBOGEN BASIERT AUF… ar rre Ti W rre rn lb m nl lz Kä r te te Sa e er ra rg s ös ei Vo rö Bu St er e Ob ed Ni Abbildung 5: ReHIS Stichprobe nach Bundesländern. Quelle: ReHIS. · ATHIS – Österreichische Gesundheitsbefragung · EU SILC 2014 ReHIS ist eine bundesweite Erhebung, jedoch wohnte mehr als die Hälfte der Befragten (297 Personen) in Wien. · The World Health Organization Quality of Life Survey (WHOQOL) Die regionale Verteilung von ReHIS-Befragten entspricht damit grob der generellen Verteilung von Asylberechtigten in · IAB-BAMF-SOEP-Flüchtlingsbefragung 2016 Personenfragebogen & Haushaltsfragebogen Österreich, mit einer deutlichen Konzentration auf östliche Bundesländer und die Bundeshauptstadt. · SF-36 Short Form Survey Instrument on Physical and Mental Health · GAD-7: Short screening questionnaire for Generalized Anxiety Disorder In der Auswertung der Migrationsströme innerhalb Öster- reichs (Abb. 6) zeigt sich eine erhebliche Binnenwandung von · Eigene Items Asylberechtigten zwischen den einzelnen Bundesländern. Besonders der Zuzug aus den Bundesländern nach Wien ist groß, sodass die Mehrheit der in Wien wohnhaften ReHIS- Befragten zuvor bereits zumindest kurzfristig in einem anderen Bundesland gelebt hat (60%). Insgesamt konnten wir 550 Personen anhand der bereitgestellten FIMAS+INTEGRATION- Anmerkung: Jene Befragte, die bisher nicht das Bundesland gewechselt STICHPROBE Kontaktinformationen erreichen. Von diesen 550 erfolgreichen Kontakten wurden mit insge- samt 528 Personen vollständige Interviews durchgeführt, mit einer durchschnittlichen Dauer haben, sind in der Grafik nicht abgebildet. Grafische Darstellung: The Global Flow of People (www.global-migra- von 22,4 Minuten. Darüber hinaus wurden acht Interviews begonnen, aber nicht abgeschlossen, tion.info), Nikola Sander, Guy Abel and Ramon Bauer(2014), based on was einer Abbruchrate von 1,5% entspricht. Gründe für das vorzeitige Beenden eines Inter- data by Abel, G. and N. Sander (2014). Quantifying Global International Migration Flows. Science 343 (6178), pp. 1520-1522. Information design views waren hauptsächlich zeitlicher Natur. Die Verweigerung einzelner Fragen bei erfolg- by Tina Frank (2015-17). reich beendeten Interviews war durchwegs gering. Adaptiert von: https://gjabel.wordpress.com/2014/03/28/circu- lar-migration-flow-plots-in-r/ Abbildung 6: Binnenwanderung von Asylberechtigen zwischen den österreichischen Bundesländern. Quelle: ReHIS. 10 11
GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG Ein Vergleich der selbsteingeschätzten Gesundheit von Männer ReHIS 45% 43% 12% Geflüchteten mit der österreichischen Bevölkerung zeigt signifikante Unterschiede bei den 20- bis 39-Jährigen: Ge- Männer ATHIS 51% 42% 7% flüchtete – speziell Frauen – nehmen ihre Gesundheit weniger 20 - 39 Als einführende Frage wurden Teilnehmende gebeten, ihre häufig als sehr gut wahr als die österreichische Wohnbevölke- Sehr gut Gesundheit auf einer fünfteiligen Skala (sehr gut, gut, zufrieden- rung (Männer: 45% versus 51%; Frauen: 33% versus 49%) und Frauen ReHIS 33% 50% 17% stellend, weniger gut, schlecht) selbst einzustufen. Für die geben öfter nicht gute Gesundheit an (Männer: 12% versus 7%; Gut Auswertung wurden die Ergebnisse in drei grobe Kategorien Frauen: 17% versus 9%) (Abbildung 8). In der Altersgruppe 40- 49% 41% 9% Frauen ATHIS zusammengefasst: sehr gut, gut, nicht gut. Eine von drei 59 sind die Unterschiede weniger auffällig, wobei männliche Nicht Gut weiblichen ReHIS-Befragten schätzte ihre Gesundheit als Geflüchtete dazu neigen, ihre Gesundheit öfter als nicht gut Männer ReHIS 32% 43% 25% sehr gut ein, während 18% sie als nicht gut bezeichneten. Im einzustufen als Männer in Österreich (25% versus 21%). Auf- 40 - 59 Vergleich dazu lag der Prozentsatz bei männlichen Befragten grund des geringen Stichprobenumfangs können weibliche Männer ATHIS 32% 47% 21% bei 42% (sehr gut) und 14% (nicht gut) (Abb. 7). Diese Ergeb- Geflüchtete im Alter von 40-59 Jahren und Geflüchtete nisse bestätigen die generelle Tendenz von Frauen, ihre beiden Geschlechts unter 20 Jahren nicht mit der österreichi- 0% 20% 40% 60% 80% 100% Gesundheit schlechter einzuschätzen als Männer. schen Bevölkerung verglichen werden. Abbildung 8: Gesundheit in der Selbsteinschätzung, nach Geschlecht. Quelle: ATHIS2014, ReHIS. GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG, NACH GESCHLECHT (REHIS) 42 Männer 42 % 43 % 14 % 7 ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM Männer ATHIS 51 Neun von zehn Männern und fast alle Frauen, die im Rahmen von ReHIS befragt wurden, Sehr gut Frauen 33 % 49 % 18 % suchten in den vergangenen 12 Monaten Ärzt/innen oder Therapeut/innen auf. Gut Gesamt 41 % 44 % 15 % Nicht Gut 0% 20% 40% 60% 80% 100% 100% ReHIS Männer 80% ReHIS Frauen 60% Abbildung 7: Gesundheit in der Selbsteinschätzung, nach Geschlecht. Quelle: ReHIS. 40% 20% 0% Multivariate Analysen zeigen, dass Alter und Staatsange- statistisch nicht signifikant. Weitere Analysen zeigen, dass hörigkeit die Wahrnehmung von nicht guter Gesundheit sig- der formale Bildungsstand keinen signifikanten Effekt im r nt /in , in in in in s in at /in nä nifikant beeinflussen. Wie erwartet nehmen Geflüchtete im multivariaten Kontext hat: Der Zusammenhang zwischen au t/ t/ t/ la t/ t/ io hi ut rz z rz bu eu eu nh är at yc pe rÄ hä er ap ap am ke Alter von 40-59 Jahren ihre Gesundheit als schlechter wahr als selbst eingeschätzter Gesundheit und dem formalen Bildungs- hn st Ps ra c e/ er er an Fa Za s he s ch Th th au Kr au jene in ihren Zwanzigern oder Dreißigern. Außerdem empfinden abschluss verliert an Bedeutung, wenn die Nationalität ot io is nh nh er ch ys t ak ke od ke sy Ph afghanische Staatsangehörige im Vergleich zu Syrer/inne/n der Befragten berücksichtigt wird. Dies legt nahe, dass die Pr an an ,P /in Kr Kr in ihre Gesundheit häufiger als schlecht. Dasselbe gilt für Ge- Staatsangehörigkeit der Geflüchteten signifikanter für die zt g/ Är lo ho flüchtete aus anderen Ländern wie z. B. Iran, Jemen und Jor- gesundheitliche Selbsteinschätzung ist als das formale Bil- yc Ps danien. Iraker/innen waren tendenziell öfter bei schlechterer dungsniveau. Gesundheit als Syrer/inne/n, die Unterschiede sind aber Abbildung 9: Inanspruchnahme einer ärztlichen und/oder therapeutischen Leistung in den letzten 12 Monaten, nach Geschlecht. Quelle: ReHIS. 12 13
ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM UNGEDECKTE GESUNDHEITSBEDÜRFNISSE Sowohl bei ReHIS als auch bei ATHIS gaben Frauen öfter 28% gegenüber 70%-80%). Im Allgemeinen wurden auch FLUCHTMIGRATION UND DAS an, in den letzten 12 Monaten Gesundheitsdienstleistungen Fachärzt/innen von einem geringeren Anteil der Geflüchteten Bevölkerung zur Folge. Ob dieser Effekt auch auf die in Anspruch genommen zu haben. Unter Geflüchteten sind aufgesucht (Männer: 34%, Frauen 51%) als der Österreicher/ HEALTHY MIGRANT PARADOX Fluchtbewegung 2015 zutrifft, wurde bisher noch nicht die Geschlechterunterschiede besonders auffallend, vor innen (Männer: 50%, Frauen 74%). Im Gegensatz dazu nah- geklärt, allerdings legt die Forschung nahe, dass dies allem was die Inanspruchnahme von Fachärzt/inn/en betrifft men weibliche Geflüchtete etwas öfter die Dienste von Psy- nicht der Fall ist. In der Tat zeigt sich, dass Flüchtlinge (Frauen: 50%, Männer: 33%), was unter Umständen auf cholog/inn/en in Anspruch als Österreicher/innen der glei- Das sogenannte Healthy Migrant Paradox kann Aus- ungeachtet der (wirtschaftlichen) Bedingungen des Gynäkologenbesuche zurückzuführen ist. Weibliche Geflüch- chen Altersgruppe (13% gegenüber 10%). Pysiotherapeut/ wirkungen auf die Inanspruchnahme von Gesundheits- Aufnahmelandes eine höhere Prävalenz von Depres- tete vermeldeten auch öfter psychologische, psychothera- inn/en wurden selten von Geflüchteten, aber beträchtlich leistungen durch Migrant/inn/en haben: Arbeits- sionen und Angstzuständen aufweisen als Arbeits- peutische oder psychiatrische Konsultationen als Männer öfter von Österreicher/inne/n konsultiert (4%-5% gegenüber migrant/inn/en sind im Durchschnitt gesünder als die migrant/inn/en. Jedoch lässt sich auch bei Geflüch- (13% der Frauen versus 5% der Männer). 17%-22%). Etwa ein Drittel der ReHIS-Befragten berichtete Allgemeinbevölkerung des Herkunfts- und des Auf- teten eine Selbstselektion in Bezug auf Bildung und von mindestens einem Krankenhausaufenthalt in den letzten nahmelandes, was durch die Selbstselektion unter Qualifikationen beobachten: Da die Flucht nach Europa Geflüchtete besuchen weitaus seltener zahnärztliche Praxen 12 Monaten, wobei ambulante Behandlungen häufiger waren Migrant/inn/en erklärt werden kann: Personen, die über mit erheblichen Kosten verbunden ist, ist der sozioöko- als die durchschnittliche österreichische Bevölkerung (27%- (ca. 20%) als stationäre (13%). mehr persönliche, finanzielle und gesundheitliche Res- nomische Status und das Humankapital syrischer und sourcen verfügen, können sich Migration eher leisten. irakischer Flüchtlinge in Österreich, einschließlich ihrer Dies hat eine seltenere Inanspruchnahme von Gesund- subjektiven Gesundheit, wesentlich höher als jenes der heitsdienstleistungen im Vergleich zur einheimischen Gesamtbevölkerung in den Heimatländern. ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM Vergleich ATHIS-ReHIS, Altersgruppe 20 - 59 Literatur: Domnich A, Panatoo D, Gasparini R, Amicizia D (2012) The “healthy immigrant” effect: Does it exist in Europe today? Italian Journal of Public Health 2012; 9:e7532-1-e-7. 100% Marmot MG, Adelstein AM, Bulusu L (1984) Lessons from the study of immigrant mortality. The Lancet 323:1455-7. Razum O, Wenner J (2016) Social and health epidemiology of immigrants in Germany: Past, present and future. Public Health Reviews 37:4. 80% Lindert J, von Ehrenstein OS, Priebe S, Mielck A, Brähler E. Depression and anxiety in labor migrants and refugees – a systematic review and meta-analysis (2009) Soc Sci Med 69:246-57. 60% Buber-Ennser I, Kohlenberger J, Rengs B, Al Zalak Z, Goujon A, Striessnig E, Potančoková M, Gisser R, Testa MR, Lutz W (2016) Human capital, values, and attitu des of persons seeking refuge in Austria in 2015. PLoS ONE 11:e0163481. Männer ATHIS 51 40% 20% 0% UNGEDECKTE GESUNDHEITSBEDÜRFNISSE UND ZUGANGSBARRIEREN /in r nt in in s in in nä ,… au in t/ la t/ t/ zt in io rz zt bu eu eu nh är g/ at hä Är ap hn am ap ke lo st c /r ho er an Za er Fa s s he th au Th Kr yc au c io nh Ps nh is er ys 100% t ke od ak ke Ph an Pr an /in Kr Kr 90% zt Zwei von vier männlichen und vier von Är zehn weiblichen Geflüchteten gaben 80% ReHIS 20-59 Männer ReHIS 20-59 Frauen ATHIS, 20-59 Männer ATHIS, 20-59 Frauen ungedeckte medizinische Bedürfnisse 70% (sog. „unmet health needs“) an. 60% 50% Abbildung 10: Inanspruchnahme einer ärztlichen und/oder therapeutischen Leistung in den letzten 12 40% Monaten, Vergleich ATHIS und ReHIS. Quelle: ReHIS, ATHIS2014. 30% keine ungedeckten Bedürfnisse 20% Geflüchtete nannten häufiger ambulante Behandlungen als Geflüchteten könnten auch damit zusammenhängen, dass 10% ungedeckte Österreicher/innen (19%-21% versus 10%-11%). In ähnlicher sie häufiger Ambulanzen aufsuchen und somit auch eher Bedürfnisseed 0% Weise zeigt die ATHIS-Befragung, dass Menschen aus EU- über Nacht im Krankenhaus aufgenommen werden können. Männer Frauen Gesamt Drittstaaten eher dazu neigen, Krankenhausambulanzen für Unter geflüchteten Frauen könnte die erhöhte Geburtenrate Behandlungen aufzusuchen als in Österreich Geborene (13% nach der Migration ebenfalls zum vergleichsweise hohen versus 10%). Mehr stationäre Krankenhaussaufenthalte bei Anteil von stationäre Aufenthalten (22%) beitragen. Abbildung 11: Ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse nach Geschlecht. Quelle: ReHIS. 14 15
ZUGANGSBARRIEREN ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN WIE GUT FÜHLEN SIE SICH IN ÖSTERREICH GESUNDHEITLICH VERSORGT? GESCHLECHT UND NATIONALITÄT hängen mit ungedeck- Als häufigster Grund dafür medizinische Probleme nicht ten Bedürfnissen zusammen: Frauen und Afghan/en/innen behandeln zu lassen, wurde „Ich warte ob das Problem von gaben am öftesten ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse selbst besser wird“ genannt (21%-22%) (Abb. 12). Zeit war an. Geringe Fallzahlen erlauben keine detaillierteren Analysen ebenfalls ein relevanter Faktor Gesundheitsprobleme nicht für Frauen. Für Männer hingegen zeigt sich: Angehörige behandeln zu lassen: 23% der Frauen und 20% der Männer Gesamt anderer Staaten als Syrien, Irak und Afghanistan haben ein gaben an, dass die nötige Behandlung oder Beratung zeitlich höheres Risiko für ungedeckte Bedürfnisse. Ein niedrigeres unmöglich war. Eine zu lange Warteliste wurde von 19% der Bildungsniveau korreliert hingegen mit weniger Barrieren: Frauen und 15% der Männer als Barriere gesehen. Mangeln- Befragte mit einem Bildungsniveau von ISCED 2 berichteten des Wissen über geeignete Ärzt/innen oder Therapeut/innen Frauen weniger oft von ungedeckten Bedürfnissen als Höhergebildete sowie Sprachbarrieren zählten ebenfalls zu den Top-5-Ant- (ISCED 3 oder höher). Das könnte mit unterschiedlichen worten (11%-12%). Nur 7% der Männer und keine Frauen Wahrnehmungen darüber zusammenhängen, was ein Gesund- gaben an, kein Vertrauen in österreichische Ärzt/innen zu Männer heitsbedürfnis und eine adäquate Behandlung darstellt. haben. 0% 20% 40% 60% 80% 100% ganz und gar ganz und gar schlecht versorgt gut versorgt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abbildung 13: Wahrnehmung der Gesundheitsversorgung in Österreich, nach Geschlecht. Quelle: ReHIS. 22 % 21 % 16 % 12 % 11 % Der Mittelwert war für Frauen geringfügig niedriger als für heitsversorgung in Österreich angaben als ältere Teilnehmer/ Männer (8,1 versus 8,5). Frauen wählten den Extremwert 10 innen. Darüber hinaus haben Geschlecht und Nationalität „Ich warte ob das „Die Behandlung / „Die Wartezeit ist „Ich kenne keinen „Ich verstehe die (ganz und gar gut versorgt) wesentlich seltener als Männer ebenfalls Einfluss darauf, ob sich Befragte ganz und gar Problem von selbst Untersuchung ist zu lang oder: ich bin guten Arzt / Sprache nicht oder: besser wird“ zeitlich für mich auf einer Warteliste“ Therapeuten “ ich kann nicht erklären (29% versus 43%) (Abb. 13). Analysen für die beiden höchsten gut versorgt in Österreich fühlten: Frauen und afghanische nicht möglich“ was mein Problem ist“ Bewertungen (Werte 9 und 10) zeigen, dass junge Geflüchte- Befragte waren weniger oft mit der Gesundheitsversorgung te unter 20 Jahren eine höhere Zufriedenheit mit der Gesund- zufrieden. Abbildung 12: Top 5 Zugangsbarrieren. Quelle: ReHIS. ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN Geflüchtete aus Kriegsgebieten leiden häufig an post- Störungen in Kombination mit Pharmakotherapie. Wie nehmen Geflüchtete die Gesundheitsversorgung in traumatischen psychischen Belastungen verschiedener Art. Bei Männern ist die Häufigkeit von Depression geringer: 2% Österreich wahr? Prinzipiell sehr gut: Auf einer Skala Diese können sich in Form von Angststörungen, Depres- sind schwer, 5% mittelgradig und 25% leicht belastet. Die von 1 bis 10 bewerteten vier von zehn Männern und drei sionen, aber auch anderen psychischen oder körperlichen Häufigkeit von mittelgradigen und schweren Angststörungen SUBJEKTIVE WAHRNEHMUNG von zehn Frauen mit der Bestnote 10. Viele beurteilten Gesundheitsproblemen äußern. In ReHIS wurde mittels 15 (gesamt 18%) ist bei Frauen im Vergleich zu Depressionen auch mit 9, 8 oder 7, sodass nur rund ein Zehntel der verschiedener Fragen spezifisch das Vorliegen von Depres- höher. Bei Männern kommen beide psychischen Belastungen DER GESUNDHEITSVERSORGUNG geflüchteten Männer und Frauen die Gesundheits- sions- und Angstsymptomen untersucht. Informationen zu etwa gleich oft vor. Zumindest eine der beiden Störungen IN ÖSTERREICH versorgung in Österreich weniger gut einschätzt. Der Mittelwert für die Wahrnehmung der Qualität der konkreten traumatischen Ereignissen vor und während der Flucht wurden aus ethischen Gründen nicht erhoben. in mittelgradiger oder schwerer Ausprägung haben 21% der Frauen und 10% der Männer. Geflüchtete afghanischer Herkunft österreichischen Gesundheitsversorgung betrug 8,5 waren in ReHIS häufiger von stärkeren psychischen Belas- auf einer Skala von 1 bis 10. In ReHIS zeigte sich bei 3% der Frauen eine schwere depres- tungen betroffen als jene aus dem Irak und Syrien. Zusätz- sive Symptomatik, bei weiteren 8% eine mittelgradige und bei lich gaben 29% der Befragten an, in den letzten 2 Wochen in 32% eine leichte Belastung (Abb. 14). Zumindest bei mittel- zumindest manchen Nächten Alpträume gehabt zu haben, ein gradigen und schweren Depressionen wird für gewöhnlich häufiges Symptom von unverarbeitetem Stress. 5% der Befrag- eine Psychotherapie empfohlen, insbesondere bei schwereren ten erleben Alpträume sogar in mehr als der Hälfte der Nächte. 16 17
ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN DEPRESSIVE SYMPTOMATIK UND ANGSTSTÖRUNG Geflüchtete im Jugendalter (bis 24 Jahre) zeigen sich in beiden Skalen (Angst und Depression) stärker belastet als Erwachsene (Abb. 16). Ähnlich wie in der österreichischen Wohnbevölkerung steigt aber auch bei ReHIS der Grad der psychischen Belastung bei Personen über 45 Jahren wieder an. Depression 57% 32% 8% 3 Frauen Angststörung 60% 22% 15% 3 Eine der beiden 50% 29% 17% 4 BELASTUNG DURCH DEPRESSIVE ODER ANGSTSYMPTOME NACH ALTERSGRUPPEN Depressionen 68% 25% 5% 2 Männer Angststörung 72% 22% 6% 0 Eine der beiden 60% 30% 8% 2 15-24 47% 37% 13% 3 Altersgruppe 0% 20% 40% 60% 80% 100% 25-34 67% 26% 6% 1 35-44 65% 23% 9% 3 keine Belastung leichte mittelgradige schwere Belastung 45-60 50% 40% 8% 2 0% 20% 40% 60% 80% 100% Abbildung 14: Altersgruppe 15-60 Jahre, Depressive Symptomatik (PHQ8 Skala) und Angststörung (GAD7 Skala). Quelle: ReHIS. keine Belastung leichte mittelgradige schwere Belastung Bei depressiver Symptomatik ist ein Vergleich mit der österrei- Österreich 3% der Männer und 5% der Frauen mittelgradig chischen Wohnbevölkerung möglich, da in ReHIS zu diesem oder schwer depressiv belastet (Abb. 15). Die in ReHIS Thema derselbe Fragenkatalog wie in ATHIS 2014 einge- befragten Geflüchteten weisen eine doppelt so hohe Häufig- Abbildung 16: Belastung durch depressive oder Angstsymptome nach Altersgruppen. Quelle: ReHIS. setzt wurde. In der Altersgruppe der 15-44-Jährigen waren in keit schwerer und mittelgradiger Symptomatik auf. Insgesamt zeigt sich eine relativ hohe Belastung der schen Wohnbevölkerung (siehe Abb. 15) werden psycho- DEPRESSIVE SYMPTOMATIK, Altersgruppe 15-44 Jahre, Vergleich ATHIS und ReHIS Befragten durch psychische Störungen. Jedoch ist anzu- therapeutische Leistungen nur gleich oft in Anspruch nehmen, dass ReHIS die Häufigkeit der Belastungen unter- genommen. Ein Ausbau spezifischer Leistungen für die schätzt, da besonders gefährdete Personen in Befragungen Gruppe der Flüchtlinge ist notwendig. Jugendliche zeigen generell schwieriger zu erfassen sind. Die Ergebnisse von sich besonders mental belastet – hierauf sollte bei der Frauen 55% 34% 9% 2 ReHIS weisen auch auf den ungedeckten Bedarf an thera- Ausweitung psychosozialer Angebote besonders Rück- ReHIS Männer 69% 24% 6% 2 peutischen Angeboten hin. Trotz doppelt so häufiger mittel- sicht genommen werden. gradiger und schwerer Störungen im Vergleich zur österreichi- ATHIS Frauen 78% 17% 4% 1 Männer 86% 11% 21 0% 20% 40% 60% 80% 100% keine Belastung leichte mittelgradige schwere Belastung Abbildung 15: Altersgruppe 15-44 Jahre, Depressive Symptomatik (PHQ8 Skala), Vergleich ATHIS und ReHIS. Quelle: ReHIS, ATHIS2014. 18 19
ZUSAMMENFASSUNG ZUSAMMENFASSUNG tete unter 40 berichteten über weniger gute Gesundheit als PSYCHOTHERAPEUT/INNEN ODER PSYCHIATER/INNEN Zwei der fünf am häufigsten genannten ZUGANGSBARRIEREN, ZUSAMMENFASSUNG österreichische Frauen. In der Altersgruppe 40-59 waren die Unterschiede weniger ausgeprägt, da männliche Geflüchtete wurden von den in ReHIS befragten Geflüchteten etwa gleich oft aufsucht wie von der österreichischen Wohnbevölkerung nämlich zeitliche Verfügbarkeit und lange Wartelisten, scheinen sich vor allem auf den Zugang zu Psychothera- ihren Gesundheitszustand in ähnlicher Weise einschätzten laut ATHIS. Berücksichtigt man jedoch, dass Geflüchtete eher peut/inn/en zu beziehen, da Allgemeinmediziner/innen in wie Österreicher. Das könnte bedeuten, dass Österreicher in städtischen Gebieten wohnhaft sind und zwischen 2014 der Regel keine Wartelisten verwenden. Tatsächlich beträgt Wie die Resultate zu selbsteingeschätzter Gesundheit, eine stärkere Verschlechterung der Gesundheit (bzw. der und 2018 eine Zunahme der Versorgung stattgefunden hat, die durchschnittliche Wartezeit für Psychotherapie für ungedeckten Gesundheitsbedürfnissen, Beschränkungen im Selbsteinschätzung) mit zunehmendem Alter erfahren, nimmt die österreichische Vergleichsgruppe psychothera- Geflüchtete (mit einem/r fachkundigen Dolmetscher/in vor Zugang zur Gesundheitsversorgung und der Häufigkeit von während der selbst eingeschätzte Gesundheitszustand bei peutische Leistungen höchstwahrscheinlich öfter in Anspruch. Ort) in Österreich zwischen sechs und zwölf Monaten bei Angststörungen und Depressionen zeigen, ist die Gesund- Geflüchteten bereits von Beginn an niedriger ist. Lebens- ReHIS zeigt jedoch auf, dass der Bedarf an Psychotherapie Erwachsenen. ReHIS Ergebnisse legen nahe, dass eine lange heit geflüchteter Menschen, die im Zuge der Europäischen wandel und kulturelle Aspekte könnten weitere Faktoren sein, bei der Gruppe der Geflüchteten ungleich größer ist. Die Wartezeit eines der Haupthindernisse darstellt, warum Flüchtlingskrise nach Österreich gekommen sind, schlechter die für die Interpretation dieser Ergebnisse herangezogen Häufigkeit mittelgradiger und schwerer Angststörungen und Geflüchtete eine indizierte Behandlung (psychischer) als die der Österreicher/innen. Vor allem weibliche Geflüch- werden sollten; hierzu bedarf es aber weiterer Forschung. Depressionen ist etwa doppelt so hoch. Psychische Probleme Erkrankungen nicht in Anspruch nehmen. Lange Wartezeiten stellen nicht nur ein Hindernis für soziale und ökonomische sowie eine eingeschränkte Erreichbarkeit können außerdem Integration dar, sondern sind auch ein Sicherheitsrisiko. Der dazu führen, dass Geflüchtete eher dazu neigen, das gesund- Ausbau psychotherapeutischer Dienste soll (z.B. durch mut- heitliche Problem zu ignorieren bzw. abzuwarten und zu tersprachige TherapeutInnen und ÜbersetzerInnen) auf die hoffen, dass es sich von selbst bessert. Notwendigkeiten geflüchteter Menschen Rücksicht nehmen. GESUNDHEITLICHE SELBSTEINSCHÄTZUNG Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15-24 Jahren sind hoch belastet. Darauf sollte bei der Die Ergebnisse zeigen, dass Bildung keinen Effekt auf die geboren zu sein, was Erfahrungen von sozialer Exklusion, Ausweitung psychosozialer Angebote besonders Rücksicht gesundheitliche Selbsteinschätzung hat und keinen nennens- Diskriminierung und Rechtlosigkeit zur Folge gehabt haben genommen werden. werten Resilienzfaktor für die Gesundheit der befragten kann. Im Gegensatz zu syrischen Geflüchteten erhalten Geflüchteten darstellt. Vielmehr beeinflusst Nationalität die afghanische Staatsbürger/innen seltener vollen Asylstatus, gesundheitliche Selbsteinschätzung, wobei afghanische sondern subsidiären Schutz, der auf ein Jahr befristet Geflüchtete niedrigere Werte angaben als Angehörige anderer ist, aber mehrmals nach einer Neuevaluierung verlängert Staaten. Das könnte mit mehreren Faktoren zusammen- werden kann. In Kombination mit der für Afghan/en/innen hängen: Einerseits können Stressfaktoren wie Fluchtmigra- im Vergleich zu Syrer/inne/n typischerweise viel längeren tion eine entscheidende Rolle spielen, da die Migrationser- Dauer von Asylverfahren (was zu unfreiwilliger Inaktivität und fahrungen von Afghan/inn/en tendenziell länger, fragmen- Arbeitslosigkeit führt) sowie von vornherein viel geringeren tierter und komplexer sind als beispielsweise die von Syrer/ Erfolgsaussichten dauerhaft in Österreich bleiben zu dürfen, ZUSAMMENFASSUNG inne/n, mit andauernden Aufenthalten in Transitländern un- kann also auch der unsichere temporäre Aufenthaltsstatus ter harschen Bedingungen. Von den Befragten mit afghani- einen negativen Einfluss auf die Gesundheit afghanischer scher Staatsbürgerschaft gaben 20% an, nicht in Afghanistan Geflüchteter haben. · NATIONALITÄT UND GESCHLECHT als zentrale Faktoren: Afghanen und Frauen sind gesundheitlich schlechter gestellt (Bildung hat keinen Effekt) · ZEITLICHE ERREICHBARKEIT als wesentliche Zugangsbarriere, Kosten spielen untergeordnete Rolle INSGESAMT VERZEICHNETEN REHIS-BEFRAGTE eine der Migration in Zusammenhang zu stehen. Die seltene · D ENTALMEDIZIN UND PSYCHOTHERAPIE stark unterrepräsentiert, kann zu hohen Folgekosten führen hohe Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheits- Inanspruchnahme von Physiotherapeut/inn/en und Zahnärzt/ system und wenige strukturellen Zugangsbarrieren – dabei inn/en könnte u.a. durch die geringe Verbreitung von Physio- · HOHE ZUFRIEDENHEIT mit dem österreichischen Gesundheitssystem wurden vor allem Kosten und Erreichbarkeit genannt. Zusätz- therapie bzw. dentaler Prophylaxe in den Ursprungsländern lich zu nationalen Unterschieden (Afghan/inn/en waren zu erklären sein. Insbesondere scheint die geringere Inan- weniger zufrieden als andere Gruppen) gab es Geschlechter- spruchnahme von Zahnarztbesuchen durch Geflüchtete aber unterschiede bei der Zufriedenheit. Frauen fühlten sich auch durch sozio-ökonomische Faktoren bedingt zu sein. generell weniger gut versorgt als Männer, obwohl sie öfter Obwohl nur ein geringer Anteil der Befragten hohe Kosten Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nahmen, vor allem als Grund für ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse genannt Fachärzt/innen. Dies scheint vor allem auf Gynäkolog/inn/ hat, sollte beachtet werden, dass ein Großteil der präventiven en und Geburtshelfer/innen zurückzuführen zu sein und mit Zahnbehandlungen von den meisten Krankenversicherungen der hohen Geburtenrate unter weiblichen Geflüchteten nach nicht übernommen werden. 20 21
POLITIKEMPFEHLUNGEN IMPRESSUM Der Zugang zu Allgemeinmediziner/innen und Fachärzt/innen sollte verbessert werden, um die Ambulanzen und Notdienste POLITIKEMPFEHLUNGEN der Krankenhäuser zu entlasten, was zu Kosteneinsparungen führen würde. Sprachbarrieren können behoben werden, indem ausgebildete Dolmetscher/innen zur Verfügung ge- stellt würden, idealerweise auch virtuell über web-basierte Der Zugang von Geflüchteten zum österreichischen Gesund- Anwendungen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf weib- heitssystem kann verbessert werden, indem der Informations- liche Geflüchtete und afghanische Staatsbürger/innen gelegt fluss optimiert wird. Im akuten Anlassfall werden oft Kranken- werden, sowohl was den Zugang zu Gesundheitseinrich- häuser, insbesondere für ambulante Behandlung in Anspruch tungen, als auch das allgemeine Wohlbefinden betrifft. genommen. Dies könnte auf mangelndes Wissen über vorhan- Das geht über Anforderungen des Gesundheitswesens dene Allgemeinmediziner/innen und Fachärzt/innen zurück- zuführen sein. Der Zugang zu Letzteren zeigt ein starkes hinaus und beinhaltet generelle Angebote wie Betreuung im Asylverfahren, Wohnen und Kinderbetreuung. IMPRESSUM Ungleichgewicht in Bezug auf den regelmäßigen Besuch von Zahnärzt/innen: Geflüchtete konsultieren diese wesentlich Unsere Ergebnisse zeigen, dass Barrieren im Zugang zu seltener als Österreicher/innen. Staatliche Gesundheitspolitik Gesundheitsdienstleistungen vor allem auf mangelnde Erreich- sollte den Zugang zu Zahnärzt/innen für Geflüchtete fördern, barkeit und unzureichendes Angebot zurückzuführen sind, Dr. Judith Kohlenberger vor allem da Studien zeigen, dass mangelnde Zahngesund- was lange Wartelisten oder Terminkonflikte zur Folge hat. Die Institut für Sozialpolitik heit die soziale Ungleichheit zwischen Einheimischen und eingeschränkte Verfügbarkeit von freien Plätzen für Behand- Department Sozioökonomie Migrant/innen verstärkt. lungen ist von besonderer Bedeutung bei psychischen Er- krankungen, welche sich mit der Zeit verschlimmern können. Wirtschaftsuniversität Wien Welthandelsplatz 1 1020 Wien judith.kohlenberger@wu.ac.at Tel.: +43-(0)1-31336-4847 Fax: +43-1-313 36-90-4847 ✓ ☐ Psychoedukation, um Bewusstsein für Email: rehis@wu.ac.at psychosoziale Gesundheit zu schaffen ANREGUNGEN und der Stigmatisierung psychischer Website: https://www.wu.ac.at/sozialpolitik/ AUF EINEM BLICK: Erkrankungen entgegenzuwirken Grafische Gestaltung: Viktoria Strehn Erschienen im Jänner 2019 ✓ ☐ Ausbau psychosozialer Angebote für junge Geflüchtete ✓ ☐ Informationsfluss zwischen Gesundheits ✓ ☐ Frauen und afghanische Geflüchtete dienstleister/innen und Geflüchteten in den Blick nehmen optimieren und dadurch Krankenhaus- ambulanzen entlasten ✓ ☐ Zeitliche Flexibilität bei Terminvereinbarung für Beratungen und Behandlungen ermöglichen ✓ ☐ Sprachbarrieren durch (online) Verfügbarkeit von Dolmetscher/innen abbauen ✓ ☐ Mangelnde Mobilität und bestehende Mehrfachbelastungen geflüchteter Menschen ✓ ☐ Präventivmedizin forcieren, insbesondere (Kinderbetreuung, Deutschkurse, etc.) im Bereich der Dentalmedizin adressieren ✓ ☐ Ausbau des (muttersprachlichen) Angebots ✓ ☐ Versteckte Kosten in der Präventivmedizin an Psychotherapieplätzen reduzieren 22 23
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