REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...

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REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
REFUGEE HEALTH AND
INTEGRATION SURVEY

Re         HIS
           Refugee Health and
           Integration Survey

Psychosoziale Gesundheit und
Gesundheitszugang von Geflüchteten in Österreich
REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
INHALTSVERZEICHNIS                                                                                                                                      VORWORT

    INHALTSVERZEICHNIS                                                          VORWORT

       VORWORT                                                              3   Zwischen Jänner 2018 und Februar 2019 erhob der Refugee           Gesundheitsdienstleitungen, sowie bestehende Barrieren im
                                                                                Health and Integration Survey (ReHIS) erstmalig in Österreich     Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Ergebnisse sind von
       PROJEKTTEAM                                                          4   Primärdaten zur psychosozialen Gesundheit von syrischen,          großer Bedeutung, da die spezifischen Gesundheitsbedürfnis-
                                                                                irakischen und afghanischen Geflüchteten, die seit dem Jahr       se von Flüchtlingen oft nur unzureichend verstanden und von
       KOOPERATIONEN                                                        5   2011 ins Land gekommen waren. Zusätzlich wurde das Wissen         Gesundheitsdienstleistern ungenügend adressiert werden.
                                                                                um bzw. der Zugang zu öffentlichen Versorgungseinrichtun-         Dadurch bleiben nicht nur gesundheitliche Ungleichheiten
       FÖRDERUNGEN                                                          5   gen (Betreuungs- und Beratungsangebote im Bereich Gesund-         (health inequalities) bestehen, sondern es kommt auch zu
                                                                                heit und Integration) abgefragt.                                  erheblichen Folgekosten im Bereich der sekundären und ter-
       REHIS AUF EINEN BLICK                                                5                                                                     tiären Versorgung. Nicht zuletzt stellt fehlende physische und
                                                                                Basierend auf einem umfassenden Verständnis von „Integra-         psychische Gesundheit ein wesentliches Integrationshinder-
       PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT UND INTEGRATION                             6   tion“ untersuchte ReHIS die Wechselwirkungen zwischen der         nis dar und betrifft somit die Sicherheit und das Wohlbefin-
                                                                                Gesundheit von geflüchteten Menschen einerseits und ihrer         den der gesamten österreichischen Wohnbevölkerung.
          Rechtliche Rahmenbedingungen des                                      ökonomischen, sozialen und kulturellen Integration in Öster-
          Gesundheitszugangs von Geflüchteten in Österreich                 7   reich andererseits. Während die körperliche und seelische         In dieser Broschüre wird insbesondere auf Aspekte der psycho-
                                                                                Gesundheit eine der wichtigsten Ressourcen für die gesell-        sozialen Gesundheit, vor allem das Vorliegen von Depressionen
       DATENERHEBUNG                                                        8   schaftliche Teilhabe darstellt, werden die gesundheitlichen       und Angststörungen, sowie auf Zugangsbarrieren zur öffent-
                                                                                Bedürfnisse marginalisierter Gruppen wie Migrant/inn/en           lichen Gesundheitsversorgung eingegangen. Basierend auf
       BEOBACHTUNGEN AUS DER FELDPHASE                                      9   oder Geflüchteter oft nur unzureichend wahrgenommen und           diesen Auswertungen stellen wir konkrete Politikempfeh-
                                                                                adressiert. Dies behindert nicht nur ihre erfolgreiche Integra-   lungen vor, um die Gesundheitsversorgung und somit die
       FRAGENBOGEN UND STICHPROBE                                          10   tion in den Arbeitsmarkt des Gastlandes, sondern kann auch        gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe von geflüchteten
                                                                                zu erheblichen volkswirtschaftlichen Folgekosten führen.          Menschen in Österreich zu optimieren.
       ERGEBNISSE                                                          11   Umgekehrt kann Langzeitarbeitslosigkeit, wie sie Geflüchtete
                                                                                z.B. während der oftmals langen Asylantragsphase erleben,         Mein Dank gilt an dieser Stelle allen Fördergeber/innen und
          Gesundheit in der Selbsteinschätzung                             12   bestehende gesundheitliche Probleme verstärken, und somit         Kooperationsparter/innen, sowie allen Projektmitarbeiter/in-
                                                                                die spätere Eingliederung in Arbeitsmarkt und Sozialleben         nen, Kolleg/inn/en und dem gesamten Interviewer/innenstab,
          Zugang zum Gesundheitssystem                                     13   erschweren.                                                       von denen jede/r Einzelne maßgeblich zum Erfolg dieser Studie
                                                                                                                                                  beigetragen hat.
          Ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse und Zugangsbarrieren           15   Anhand nationaler Erhebungsdaten aus der österreichischen
                                                                                Gesundheitsbefragung ATHIS (Austrian Health Interview Sur-        Dr. Judith Kohlenberger
          Subjektive Wahrnehmung der Gesundheitsversorgung in Österreich   16   vey) und des neu erhobenen ReHIS-Datensatzes beleuchtet           Projektleitung
                                                                                diese Studie die subjektive Gesundheit von Geflüchteten, das
          Angststörungen und Depressionen                                  17   Vorliegen psychischer, insbesondere affektiver Störungen,
                                                                                die Inanspruchnahme von und Zufriedenheit mit öffentlichen
       ZUSAMMENFASSUNG                                                     20

       POLITIKEMPFEHLUNGEN                                                 22

       IMPRESSUM                                                           23

2                                                                                                                                                                                                                  3
REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
PROJEKTTEAM                                                                                                                                                                           REHIS AUF EINEN BLICK

    PROJEKTTEAM                                                                                                                    KOOPERATIONEN

                                                                                                                                    ReHIS wird an der WU Wien unter Beteiligung des Vienna Institute of Demography (VID) der ÖAW durchgeführt und
                                  DR. JUDITH KOHLENBERGER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial-
                                                                                                                                    baut auf die Pilotstudie Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS) auf, die europaweit erste sozialwissenschaft-
                                  politik, Department für Sozioökonomie, der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie den Refugee
                                                                                                                                    liche Erhebung unter Geflüchteten des Jahres 2015. Als Zwischenbefragung kooperiert ReHIS mit der Panelstudie
                                  Health and Integration Survey (ReHIS) leitet. Sie forscht zu Fluchtmigration, Bildung,
                                                                                                                                    FIMAS+INTEGRATION, die vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD, Roland Hosner und
                                  Integration und Krisennarrativen.
                                                                                                                                    Veronika Bilger), dem Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und der Karl-Franzens-Univer-
                                                                                                                                    sität Graz (Renate Ortlieb) implementiert und vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank gefördert
                                                                                                                                    wurde. Wir bedanken uns für die gute und produktive Zusammenarbeit!

                                  DR. ISABELLA BUBER-ENNSER ist Leiterin der Forschungsgruppe „Demography of Austria“               KOOPERATIONSPARTNER/INNEN:
                                  am Vienna Institute of Demography (VID) der Österreichischen Akademie der Wissen-                 Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw)
                                  schaften. Seit 2015 leitet sie den Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS), der das           Institut für Personalpolitik, Karl-Franzens-Universität Graz
                                  Humankapital und die Wertvorstellungen von Geflüchteten in Österreich untersucht. Sie             International Centre for Migration Policy Development (ICMPD)
                                  forscht zu Fertilität, Familien, Bildung, intergenerationalen Beziehungen und Fluchtmigration.
                                                                                                                                                                                                                         FÖRDERUNGEN

                                                                                                                                    ReHIS wurde unterstützt vom Österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                  DR. BERNHARD RENGS ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Vienna Institute of Demo-                (BMBWF), dem Österreichischen Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz
                                  graphy (VID) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und lehrt an der Techni-            (BMASGK), dem Fonds Soziales Wien (FSW), und aus den Mitteln „Gemeinsame Gesundheitsziele aus dem
                                  schen Universität Wien. Seine Forschungsgebiete sind Fluchtmigration und Bildung sowie            Rahmen-Pharmavertrag, eine Kooperation von österreichischer Pharmawirtschaft und Sozialversicherung“
                                  die Anwendung von agentenbasierten computergestützten sozioökonomischen Methoden                  [Förderungsnummer: 99901007700].
                                  auf umweltökonomische und demographische Fragestellungen.

    MAG. SEBASTIAN LEITNER ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wiener Institut für Inter-
    nationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Seine Forschungsgebiete sind Arbeitsmarktent-                                                           REHIS AUF EINEN BLICK
    wicklung, Ungleichheit und Verteilung.

                                                                                                                                       Wann?        Projektlaufzeit von 1. Jänner 2018 bis 31. Jänner 2019 (Feldphase von März bis Mai 2018)

                                                                                                                                         Wer?       Fokus auf erwachsene Asylberechtigte aus Syrien, Irak, und Afghanistan, keine UMFs
    PROF. DR. MICHAEL LANDESMANN ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der
    Johannes Kepler Universität in Linz. Er ist ehemaliger wissenschaftlicher Direktor (1996-                                            Wie?       Zwischenbefragung im Rahmen des Panel Surveys FIMAS+INTEGRATION zur Arbeitsmarkt-
    2016) des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und ist auch weiter-                                                 integration, Umsetzung als Computer-Assisted Telephone Interview (CATI) in 4 Sprachen-
    hin dort wissenschaftlich tätig. Seine Forschungsgebiete sind internationale wirtschaftliche                                                    versionen (Arabisch, Farsi, Deutsch, Englisch)
    Integration, Strukturwandel und Wachstum, Globalisierung, Arbeitsmärkte und Migration.

                                                                                                                                        Was?        Die Themensetzung von ReHIS umfasst:

                                                                                                                                                    · Primärdaten zur psychosozialen Gesundheit von
                                                                                                                                                      syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten
    INTERVIEWER/INNEN/STAB                                                                                                                          · Daten zum Zugang und Barrieren des Zugangs zu
                                                                                                                                                      öffentlichen Gesundheits- und Versorgungseinrichtungen

    Wir bedanken uns bei Omar Abdo, Fahad Aldhamra, Yaseen Alkhlaf, Saeid Eyvazi, Parastoo Fatemi,                                    Warum?        ReHIS untersucht die Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller
    Niloufar Hakkak, und Shiraz Shahoud für die professionell geführten Interviews auf Farsi und Arabisch.                                          Integration und der psychosozialen Gesundheit von Geflüchteten und trägt damit einem
                                                                                                                                                    breiten Integrationsverständnis Rechnung.
4                                                                                                                                                                                                                                                         5
REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DES GESUNDHEITS-
                            PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT UND INTEGRATION
                                                                                                                                                                                                         ZUGANGS VON GEFLÜCHTETEN IN ÖSTERREICH

                                                                                                                                       Studien, die sich dem Zugang von Geflüchteten zum Gesund-                        Kategorisierung von Migrant/inn/en eine Herausforderung
    PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT UND INTEGRATION                                                                                           heitswesen eines Aufnahmelandes sowie bestehenden                                darstellen, zeigt die bisherige Forschung beispielsweise, dass
                                                                                                                                       Barrieren des Zugangs widmen, sind ebenfalls rar und                             Migrant/inn/en öfter Notfallaufnahmen und Krankenhäuser
                                                                                                                                       variieren stark in Umfang, Methodik und Zielgruppe. Da die                       konsultieren als Einheimische. Im Falle von irregulären
                                                                                                                                       spezifischen Gesundheitsbedürfnisse vulnerabler Gruppen                          Migrant/inn/en hängt das auch damit zusammen, dass in
    Im Herbst 2015 suchten etwa eine Million Menschen Schutz           Aufgrund der Vielzahl an Stressoren, denen Geflüchtete vor,     wie Geflüchtete und Migrant/inn/en oft nur unzureichend                          den meisten europäischen Ländern der Zugang zum öffent-
    in Europa. In Summe wurden zwischen 2015 und 2017 etwa             während und nach ihrer Flucht ausgesetzt sind (siehe Box),      erfasst und auf diese nur selten in adäquater Weise von Ge-                      lichen Gesundheitssystem während der Asylantragsphase
    156.000 Asylanträge in Österreich gestellt. In derselben Zeit-     liegt die Vermutung nahe, dass psychische (v.a. affektive)      sundheitseinrichtungen eingegangen wird, verlagert sich die                      beschränkt ist, wodurch sich bestehende gesundheitliche
    spanne bekamen 76.983 Menschen offiziell Asyl oder sub-              Erkrankungen unter Geflüchteten häufig sind. Zu den häufigs-    Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten häufig von der                           Probleme verfestigen und an Schwere gewinnen können.
    sidiären Schutz gewährt, wovon mehr als 60% aus Syrien,            ten Erkrankungen zählen Depressionen, Angststörungen und        Primär- in die kostenintensivere Sekundär- und Tertiärversor-                    Doch auch nachdem sie offiziell Asyl oder subsidiären Schutz
    dem Irak und Afghanistan stammten. Während die wirt-               Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). In anderen         gung. Dabei wären erhebliche Kosteneinsparungen möglich,                         erhalten haben, stoßen Geflüchtete auf eine Vielzahl von
    schaftlichen Folgen der Fluchtbewegung der letzten Jahre,          historischen und geografischen Kontexten wurde dies bereits     wenn marginalisierten Gruppen rechtzeitig medizinische                           strukturellen, finanziellen und soziokulturellen Barrieren bei
    insbesondere die Auswirkungen auf den österreichischen             untersucht: So zeigt sich z.B. über einzelne Flüchtlingspopu-   Prävention und Erstversorgung angeboten bekämen. Ob-                             der Inanspruchnahme von Gesundheits- und Präventions-
    Arbeitsmarkt und das Sozialsystem, auf politischer und             lationen hinweg, dass bis zu ca. 30 % der Erwachsenen an ei-    wohl keine umfassenden epidemiologischen Daten vorliegen                         diensten. Für die Fluchtbewegung der letzten Jahre wurden
    gesellschaftlicher Ebene weiterhin kontrovers diskutiert           ner Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, wobei die       und internationale Vergleiche aufgrund der Diversität in der                     diese Barrieren mit ReHIS nun erstmals empirisch erhoben.
    werden, wurde den Gesundheitsrisiken, denen Geflüchtete            Schwere und Intensität der Störung je nach Summe der er-
    vor, während und nach der Migration ausgesetzt sind, bisher        lebten Stressoren starken Schwankungen unterliegt. Wissen-
    weitaus weniger Beachtung geschenkt.                               schaftlich belastbare Zahlen für Menschen der Fluchtbewe-
                                                                                                                                       Literatur:
                                                                       gung 2015 fehlen aufgrund mangelnder Daten noch.
                                                                                                                                       Fazel M, Wheeler J, Danesh J (2005) Prevalence of serious mental disorder in 7000 refugees resettled in western countries: a systematic review. The Lancet
    Dabei stellen die körperliche und seelische Gesundheit eines
                                                                                                                                           365:1309– 1314. doi: 10.1016/S0140-6736(05)61027-6.
    Menschen grundlegende Ressourcen dar, um an Gesellschaft           Erste Schätzungen für Deutschland gehen davon aus, dass         Kaltenbach E, Härdtner E, Hermenau K, et al. (2017) Efficient identification of mental health problems in refugees in Germany: the Refugee Health Screener.
    und Arbeitsmarkt teilzunehmen und das eigene Potential voll        50% der Geflüchteten der letzten Jahren durch massive trau-         European Journal of Psychotraumatology 8:1389205. doi: 10.1080/20008198.2017.1389205.
    entfalten zu können. Für die Integration von Geflüchteten in       matische Erfahrungen seelisch belastet sind. Wiederum die       Miller GA, Elbert T, Rockstroh B (2005) Judging psychiatric disorders in refugees. The Lancet 366:1604–1605. doi: 10.1016/S0140-6736(05)67655-6.
                                                                                                                                       Norredam M, Nielsen SS, Krasnik A (2010) Migrants‘ utilization of somatic healthcare services in Europe - a systematic review. European Journal of Public
    Österreich ist ihre Gesundheit ein wesentlicher, aber selten be-   Hälfte dieser Menschen benötigt fachliche Betreuung, um sich        Health 20:555-63.
    achteter Schlüsselfaktor: Gesundheitliche Einschränkungen          von dieser Belastung zu erholen. Das bedeutet, dass allein      Trummer U, Krasnik A (2017) Migrant health: The economic argument. European Journal of Public Health 27:590-1.
    haben Auswirkungen auf den Spracherwerb, die Arbeits-              von den 2015/16 nach Deutschland gekommenen Geflüchte-          Trummer U, Novak-Zezula S, Renner A-T, Wilczewska I (2018) Cost savings through timely treatment for irregular migrants and European Union citizens
                                                                                                                                           without insurance. European Journal of Public Health 28:cky048.61.
    marktpartizipation und die Lebenserwartung. Psychische             ten etwa 250.000 Menschen von psychischen Erkrankungen
    Beeinträchtigungen können zu dissozialem Verhalten und             betroffen sind. Neben fehlender flächendeckender Versor-
    (Auto)Aggression führen. Eine grundlegende Voraussetzung           gung (bevorzugt in der Muttersprache) erschweren auch
    zur Verbesserung der Gesundheit von Geflüchteten ist ein um-       kulturelle Stigmatisierung und die häufige Somatisierung
    fassendes, empirisch fundiertes Verständnis ihrer Gesund-          psychischer Erkrankungen die Diagnose und die Behandlung.
    heitsbedürfnisse und der bestehenden Zugangsbarrieren zu                                                                           RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DES GESUNDHEITS-
    öffentlichen Gesundheitsdiensten.
                                                                                                                                       ZUGANGS VON GEFLÜCHTETEN IN ÖSTERREICH
                                                                                              NACH DER FLUCHT:

                                                                                              · fehlende soziale Netzwerke
                                                                                                                                       Österreich ermöglicht sowohl anerkannten Flüchtlingen als                        Arbeitgeber geregelt. Ansonsten erhalten sie, ähnlich wie
                                                                                                und Einsamkeit
                                                                                                                                       auch Asylwerber/inne/n freien Zugang zum Gesundheits-                            Asylwerber/innen, einen Krankenversicherungsbeleg, um
                                                                                              · Angst um Familienangehörige            system und übererfüllt damit die von der Europäischen                            Dienstleistungen wie Untersuchungen und Behandlungen
                                                                                              · Rollenveränderung                      Kommission vorgegebenen Minimalstandards für die Auf-                            in Anspruch nehmen zu können. Während Asylwerber/innen
    STRESSOREN                                AUF DER FLUCHT:                                   und Statusverlust                      nahme von Asylwerbenden. Nachdem eine Person einen                               automatisch von Rezeptgebühren befreit sind, können
                                                                                                                                       Asylantrag in Österreich gestellt hat, wird ihr als Teil der                     anerkannte Flüchtlinge um Gebührenbefreiung ansuchen,
                                              · enorme körperliche Belastung                  · Ungewissheit
                                                                                                                                       Grundversorgung eine Krankenversicherung gewährt. Diese                          sofern ihr monatliches Einkommen unter einer bestimmten
       VOR DER FLUCHT:                        · andauernde Angespanntheit                     · lange Asylantragsphase                 beinhaltet medizinische Versorgung in allen Bereichen und                        Grenze liegt.
       · Krieg                                                                                  und Untätigkeit                        inkludiert grundlegende zahnmedizinische Behandlungen.
                                              · (sexuelle) Gewalt
                                                                                                                                       Wird der Asylantrag positiv entschieden, erhalten anerkannte
       · Folter                                                                               · Stigmatisierung
                                              · Krankheit                                                                              Flüchtlinge eine e-card und werden Teil des gleichen                                 Quellen:

       · Gewalt                                                                               · Ablehnung durch                        Versicherungssystems wie österreichische Bürger/innen.
                                                                                                                                                                                                                            Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialver-
                                              · Vertrauensverlust                                                                                                                                                           sicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG.)
                                                                                                Mehrheitsgesellschaft                  Subsidiär Schutzberechtigte erhalten hingegen keine e-card,
       · Verlust von                                                                                                                                                                                                        EUR-LEX (2003) Council Directive 2003/9/EC of 27 January 2003 laying
         Familienangehörigen                                                                                                           außer wenn sie in Österreich einer Beschäftigung nachgehen;                          down minimum standards for the reception of asylum seekers. Official
                                                                                                                                       in diesem Fall wird die Krankenversicherung über den                                 Journal of the European Union, L31, L31/18-L31/25.

6                                                                                                                                                                                                                                                                                                   7
REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
DATENERHEBUNG                                                                                                                                                            BEOBACHTUNGEN AUS DER FELDPHASE

    DATENERHEBUNG                                                                                                                  THEMENBLÖCKE

    ReHIS gliedert sich als Zwischenerhebung in die Längs-          Arabisch durchgeführt. Diese Pretests waren wesentlich, um                                                         PSYCHOSOZIALE
                                                                                                                                        SUBJEKTIVES                                                                            DISKRIMINIERUNGS-
    schnittsuntersuchung FIMAS+INTEGRATION zur Arbeits-             Verständnisprobleme zu identifizieren und die Fragebögen                                                           BELASTUNGEN
                                                                                                                                        WOHLBEFINDEN,                                                                          ERFAHRUNGEN
    marktbeteiligung von syrischen, irakischen und afghanischen     ggf. zu adaptieren.                                                                                                und resultierende
                                                                                                                                        bedingt durch soziale                                                                  & Erfahrungen mit der
    Geflüchteten in Österreich ein. FIMAS+INTEGRATION wurde                                                                                                                            Einschränkungen
                                                                                                                                        Kontakte, Betreuungs-                                                                  Aufnahmegesellschaft
    zwischen Dezember 2017 und April 2018, mit einem Stich-         In Anbetracht der sensiblen Daten, die ReHIS erhoben hat,
                                                                                                                                        situationen, psychische
    probenumfang von mehr als 1.600 Befragten, von unserem          waren forschungsethische Aspekte wie Vertrauen zwischen
                                                                                                                                        und physische Gesundheit                       · Gesundheitliche
    Kooperationspartner ICMPD implementiert.                        Befragten und Interviewer/innen, Anonymität, Freiwilligkeit
                                                                                                                                                                                         Einschränkungen
                                                                    und Zugänglichkeit zentral. Alle Interviewer/innen erhielten
                                                                                                                                        · Gesundheitszustand in                          (z.B. Häufigkeit von
    Basierend auf Kontaktdaten aus FIMAS+INTEGRATION wurde          angesichts der höchst sensiblen Fragebogeninhalte ein um-
                                                                                                                                          der Selbsteinschätzung                         Schmerzen)
    ReHIS am Ende der Feldphase von FIMAS+INTEGRATION               fangreiches Training. Nach der Feldphase wurden den Inter-
    gestartet und über einen Zeitraum von drei Monaten, zwi-        viewer/inne/n psychologische Betreuung angeboten sowie              · Lebensqualität und                           · Hinweise auf
                                                                                                                                                                                         Angststörungen                        ZUGANG ZU ÖFFENT-
    schen Anfang März und Mitte Mai 2018, durchgeführt. Da die      routinemäßige Nachbesprechungen mit dem Forschungs-                   Zukunftsperspektiven
                                                                                                                                                                                         und Depressionen                      LICHEN GESUNDHEITS-
    Mehrheit der Befragten muslimischen Glaubens war, wurde         team durchgeführt. Alle Teilnehmer/innen gaben ihr Einver-          · Arbeitsfähigkeit und                                                                 EINRICHTUNGEN
    die Feldphase mit Beginn des Ramadan beendet, um unge-          ständnis, an der Studie teilzunehmen. Die Ethical Guidelines          Möglichkeit zu                                                                       & Barrieren des Zugangs
    wollte Verzerrungen zu vermeiden. Vor der Feldphase wurde       for Good Research Practice des Refugee Studies Centre in              sinnvollen Tätigkeiten
    eine intensive Pretestphase mit 20 Interviews auf Farsi und     Oxford wurden eingehalten.

                                                                                                                                                                                  BEOBACHTUNGEN AUS DER FELDPHASE

                                                                                                                                   Obwohl Interviewabbrüche oder die Verweigerung einzelner
                                                                                                                                   Fragen selten waren, muss bei der Interpretation der Resultate
                                                                                                                                   die beträchtliche Stigmatisierung von psychischen Erkran-
                                                                                                                                   kungen in den Herkunftsländern im Mittleren Osten berück-
                                                                                                                                   sichtigt werden. Wir fanden divergierende Angaben zwischen
                                                                                                                                   der selbsteingeschätzten (mentalen) Gesundheit und den
                                                                                                                                   Symptomen von Angststörungen oder Depressionen, da
                                                                                                                                   letztere aufgrund von indirekten Fragen neutraler zu wirken
                                                                                                                                   schienen. Die Interviewer/inne/n merkten zudem an, dass
                                                                                                                                   direkte Fragen betreffend die mentale Gesundheit oder
                                                                                                                                   Konsultationen eines Psychotherapeuten oder Psychiaters
                                                                                                                                   bei einzelnen Befragten Empörung oder sogar offene Feind-
    Abbildung 1: Screenshots des elektronischen Fragebogens auf Deutsch (links) und Arabisch (rechts).                             seligkeit auslösten, da dieses Thema mit einer gewissen
                                                                                                                                   Scham besetzt schien.

                                                                                                                                                                                                    Abbildung 2: Umfangreiche Schulungen vor Beginn der Feld-
    ReHIS-Interviews wurden als CATI („Computer-Assisted            E-Mail-Adressen. Bei gescheiterten Telefonanrufen setzten      Die Interviewer/innen wurden auch darauf geschult, auf Trauer
                                                                                                                                                                                                    phase halfen den Interviewer/innen, mit sensiblen Situatio-
    Telephone Interview“, computergestütztes Telefoninterview)      wir Programme wie WhatsApp und Viber ein, die gerade unter     seitens der Befragten bis hin zu weinenden Gesprächspartner/
                                                                                                                                                                                                    nen und emotional reagierenden Befragten umzugehen.
    hauptsächlich auf Arabisch und Farsi durchgeführt, um sicher-   Geflüchteten sehr beliebt sind, um mit Familienmitgliedern     innen zu reagieren. Diese Reaktionen waren häufig durch die
    zustellen, dass die Mehrheit der Befragten in ihrer Mutter-     und Freund/inn/en in Kontakt zu bleiben. Dadurch konnten wir   persönliche Not der Befragten im Aufnahmeland begründet,
    sprache angesprochen werden konnte. Die Interviewer/innen       auch jene Personen erreichen, welche bei Anrufen von ihnen     aber auch durch Sorgen um nahe Familienangehörige im Aus-        an, wodurch das Interview positiv beendet werden konnte.
    kontaktierten Teilnehmende im jeweiligen arabischen Dialekt     unbekannten Rufnummern nicht abhoben. Zusätzlich wurden        land. Aus diesem Grund wurde am Ende der Erhebung nach           Eine professionell durchgeführte Nachbesprechung nach
    (Syrisch oder Irakisch), was sich positiv auf das Vertrauens-   die Kontaktversuche zu unterschiedlichen Tageszeiten unter-    den persönlichen Resilienzstrategien der Teilnehmenden           Interviews mit aggressiven oder besonders emotionalen
    verhältnis auswirkte. Um die Teilnehmeranzahl zu maxi-          nommen, auch am Wochenende, wobei die Erfolgsquote             gefragt („Was tun Sie, um sich gut zu fühlen?“). Dabei gaben     Reaktionen der Befragten stellte sich als hilfreich für die
    mieren, wurden FIMAS+-Befragte über mehrere Kommu-              nachmittags und abends am höchsten war.                        die Teilnehmende vielfältige Antworten, von Sport bis Malen,     Interviewer/innen heraus.
    nikationskanäle angefragt, etwa über Telefonnummern und

8                                                                                                                                                                                                                                                                 9
REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
FRAGENBOGEN UND STICHPROBE                                                                                                                                                                  FRAGENBOGEN UND STICHPROBE

     Außerdem scheint soziale Erwünschtheit, bedingt durch          unabhängig von ihrem Heimatland, selten als „verärgert“ oder     Die endgültige ReHIS-Stichprobe setzt sich
                                                                                                                                                                                                           männlich         weiblich          Total
     Diskriminierungserfahrungen der Geflüchteten im Aufnahme-      „wütend“ beschrieben (als Teil der Symptomatik einer gene-       aus 515 Personen zwischen 18 und 61 Jahren
     land, eine Rolle bei der Erhebung gespielt zu haben. Im        ralisierten Angststörung), was mit der negativen medialen        zusammen (54% syrische Staatsbürger, 16%              Syrien             250              28              278
     Speziellen merkten Interviewer/innen an, dass Befragte sich,   Darstellung von Geflüchteten zusammenhängen könnte, der          irakische, 23% afghanische und 7% andere).
                                                                                                                                                                                       Afghanistan            96               24              120
                                                                    sie entgegenwirken wollten. In ähnlicher Weise diskutierten      Die Geschlechterverteilung war ungleich-
                                                                    die Befragten das derzeitige politische Klima in Österreich      mäßig (72 weibliche, 443 männliche Teilneh-             Irak              70              13               83
                                                                    und in Europa, das viele als besonders ablehnend gegenüber       mer/innen) und entspricht somit nicht der
                                                                                                                                                                                          Sonstige             27               4               34
                                                                    Flüchtlingen empfanden. Außerdem äußerten einige Befragte        Geschlechterverteilung der Asylberechtigten
                                                                    Sorgen über ihre wirtschaftliche Situation in Anbetracht der     in Österreich. Der Gender-Bias kann dadurch            Total             443              72              515
                                                                    Budgetkürzungen für Geflüchtete in Österreich sowie, im Fall     erklärt werden, dass die Rekrutierung von
                                                                                                                                                                                     Abbildung 4: ReHIS Gesamtstichprobe nach Geschlecht und Nationalitäten.
                                                                    von Personen unter subsidiärem Schutz, Sorge darüber, das        FIMAS+INTEGRATION-Befragten über AMS-
                                                                    Land nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes verlassen          Datenbanken und Asylzentren ein Oversampling männlicher Teilnehmer zur Folge hatte, und dass die verfügbaren Kontakt-
                                                                    zu müssen.                                                       möglichkeiten (z. B. Handys) oft gemeinsam in einem Haushalt genützt werden.

                                                                    Obwohl die Befragten zu Beginn des Interviews über den
                                                                    rein wissenschaftlichen Zweck dieser Erhebung unterrichtet
                                                                    wurden, können Missverständnisse nicht ausgeschlossen                                         400

                                                                    werden. Häufig wurden Interviewer/innen nach Abschluss                                                                                                                                                    297
                                                                                                                                                                  300
                                                                    des Interviews nach medizinischer Hilfe, Wohnungen oder
                                                                    Arbeitsplätzen gefragt. In solchen Fällen verwiesen sie die    REHIS STICHPROBE               200
     Abbildung 3: Während eines telefonischen Interviews.           Befragten an einschlägige humanitäre Hilfsorganisationen.      NACH
                                                                                                                                                                  100
                                                                                                                                   BUNDESLÄNDERN                                                        47         64            61
                                                                                                                                                                                                                                          35
                                                                                                                                                                             1             8                                                             2         0
                                                                                                                                                                    0

                                                                                                                                                                                                      h

                                                                                                                                                                                                                  rg

                                                                                                                                                                                                                                                                  n

                                                                                                                                                                                                                                                                            n
                                                                                                                                                                                       h

                                                                                                                                                                                                                                                      g
                                                                                                                                                                                                                                          l
                                                                                                                                                                           d

                                                                                                                                                                                                                              k

                                                                                                                                                                                                                                       ro
                                                                                                                                                                                                      ic

                                                                                                                                                                                                                                                               te

                                                                                                                                                                                                                                                                           ie
                                                                                                                                                                                      ic

                                                                                                                                                                                                                                                    er
                                                                                                                                                                        an

                                                                                                                                                                                                              bu
     DER REHIS-FRAGENBOGEN BASIERT AUF…

                                                                                                                                                                                                                             ar
                                                                                                                                                                                                  rre

                                                                                                                                                                                                                                      Ti

                                                                                                                                                                                                                                                                         W
                                                                                                                                                                                  rre

                                                                                                                                                                                                                                                              rn
                                                                                                                                                                                                                                                   lb
                                                                                                                                                                                                                             m
                                                                                                                                                                        nl

                                                                                                                                                                                                             lz

                                                                                                                                                                                                                                                             Kä
                                                                                                                                                                                                                                                     r
                                                                                                                                                                                                 te
                                                                                                                                                                                  te

                                                                                                                                                                                                             Sa
                                                                                                                                                                       e

                                                                                                                                                                                                                         er

                                                                                                                                                                                                                                                  ra
                                                                                                                                                                    rg

                                                                                                                                                                                                  s
                                                                                                                                                                                 ös

                                                                                                                                                                                                                        ei

                                                                                                                                                                                                                                               Vo
                                                                                                                                                                                               rö
                                                                                                                                                                   Bu

                                                                                                                                                                                                                        St
                                                                                                                                                                               er

                                                                                                                                                                                           e
                                                                                                                                                                                        Ob
                                                                                                                                                                             ed
                                                                                                                                                                           Ni
                                                                                                                                             Abbildung 5: ReHIS Stichprobe nach Bundesländern. Quelle: ReHIS.
                    · ATHIS – Österreichische Gesundheitsbefragung

                    · EU SILC 2014
                                                                                                                                     ReHIS ist eine bundesweite Erhebung, jedoch wohnte mehr als die Hälfte der Befragten (297 Personen) in Wien.
                    · The World Health Organization Quality of Life Survey (WHOQOL)
                                                                                                                                     Die regionale Verteilung von ReHIS-Befragten entspricht damit grob der generellen Verteilung von Asylberechtigten in
                    · IAB-BAMF-SOEP-Flüchtlingsbefragung 2016 Personenfragebogen & Haushaltsfragebogen                               Österreich, mit einer deutlichen Konzentration auf östliche Bundesländer und die Bundeshauptstadt.
                    · SF-36 Short Form Survey Instrument on Physical and Mental Health

                    · GAD-7: Short screening questionnaire for Generalized Anxiety Disorder                                                                                                                   In der Auswertung der Migrationsströme innerhalb Öster-
                                                                                                                                                                                                              reichs (Abb. 6) zeigt sich eine erhebliche Binnenwandung von
                    · Eigene Items
                                                                                                                                                                                                              Asylberechtigten zwischen den einzelnen Bundesländern.
                                                                                                                                                                                                              Besonders der Zuzug aus den Bundesländern nach Wien ist
                                                                                                                                                                                                              groß, sodass die Mehrheit der in Wien wohnhaften ReHIS-
                                                                                                                                                                                                              Befragten zuvor bereits zumindest kurzfristig in einem anderen
                                                                                                                                                                                                              Bundesland gelebt hat (60%).
                                     Insgesamt konnten wir 550 Personen anhand der bereitgestellten FIMAS+INTEGRATION-
                                                                                                                                                                                                              Anmerkung: Jene Befragte, die bisher nicht das Bundesland gewechselt

     STICHPROBE                      Kontaktinformationen erreichen. Von diesen 550 erfolgreichen Kontakten wurden mit insge-
                                     samt 528 Personen vollständige Interviews durchgeführt, mit einer durchschnittlichen Dauer
                                                                                                                                                                                                              haben, sind in der Grafik nicht abgebildet.

                                                                                                                                                                                                              Grafische Darstellung: The Global Flow of People (www.global-migra-
                                     von 22,4 Minuten. Darüber hinaus wurden acht Interviews begonnen, aber nicht abgeschlossen,                                                                              tion.info), Nikola Sander, Guy Abel and Ramon Bauer(2014), based on
                                     was einer Abbruchrate von 1,5% entspricht. Gründe für das vorzeitige Beenden eines Inter-                                                                                data by Abel, G. and N. Sander (2014). Quantifying Global International
                                                                                                                                                                                                              Migration Flows. Science 343 (6178), pp. 1520-1522. Information design
                                     views waren hauptsächlich zeitlicher Natur. Die Verweigerung einzelner Fragen bei erfolg-
                                                                                                                                                                                                              by Tina Frank (2015-17).
                                     reich beendeten Interviews war durchwegs gering.
                                                                                                                                                                                                              Adaptiert von: https://gjabel.wordpress.com/2014/03/28/circu-
                                                                                                                                                                                                              lar-migration-flow-plots-in-r/

                                                                                                                                                                                                              Abbildung 6: Binnenwanderung von Asylberechtigen zwischen
                                                                                                                                                                                                              den österreichischen Bundesländern. Quelle: ReHIS.
10                                                                                                                                                                                                                                                                                      11
REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG                                                                                                                                                                    ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM

                                                                                                                                          GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG
     GESUNDHEIT IN DER
     SELBSTEINSCHÄTZUNG                                                   Ein Vergleich der selbsteingeschätzten Gesundheit von
                                                                                                                                                                                 Männer ReHIS                               45%                               43%                      12%
                                                                          Geflüchteten mit der österreichischen Bevölkerung zeigt
                                                                          signifikante Unterschiede bei den 20- bis 39-Jährigen: Ge-
                                                                                                                                                                                 Männer ATHIS                                    51%                                42%                  7%
                                                                          flüchtete – speziell Frauen – nehmen ihre Gesundheit weniger

                                                                                                                                                                     20 - 39
     Als einführende Frage wurden Teilnehmende gebeten, ihre              häufig als sehr gut wahr als die österreichische Wohnbevölke-        Sehr gut
     Gesundheit auf einer fünfteiligen Skala (sehr gut, gut, zufrieden-   rung (Männer: 45% versus 51%; Frauen: 33% versus 49%) und                                                 Frauen ReHIS                      33%                            50%                          17%

     stellend, weniger gut, schlecht) selbst einzustufen. Für die         geben öfter nicht gute Gesundheit an (Männer: 12% versus 7%;             Gut
     Auswertung wurden die Ergebnisse in drei grobe Kategorien            Frauen: 17% versus 9%) (Abbildung 8). In der Altersgruppe 40-                                                                                         49%                             41%                     9%
                                                                                                                                                                                    Frauen ATHIS
     zusammengefasst: sehr gut, gut, nicht gut. Eine von drei             59 sind die Unterschiede weniger auffällig, wobei männliche         Nicht Gut
     weiblichen ReHIS-Befragten schätzte ihre Gesundheit als              Geflüchtete dazu neigen, ihre Gesundheit öfter als nicht gut
                                                                                                                                                                                 Männer ReHIS                        32%                          43%                           25%
     sehr gut ein, während 18% sie als nicht gut bezeichneten. Im         einzustufen als Männer in Österreich (25% versus 21%). Auf-

                                                                                                                                                                     40 - 59
     Vergleich dazu lag der Prozentsatz bei männlichen Befragten          grund des geringen Stichprobenumfangs können weibliche
                                                                                                                                                                                 Männer ATHIS                        32%                           47%                           21%
     bei 42% (sehr gut) und 14% (nicht gut) (Abb. 7). Diese Ergeb-        Geflüchtete im Alter von 40-59 Jahren und Geflüchtete
     nisse bestätigen die generelle Tendenz von Frauen, ihre              beiden Geschlechts unter 20 Jahren nicht mit der österreichi-
                                                                                                                                                                                                      0%                   20%             40%          60%               80%                100%
     Gesundheit schlechter einzuschätzen als Männer.                      schen Bevölkerung verglichen werden.

                                                                                                                                          Abbildung 8: Gesundheit in der Selbsteinschätzung, nach Geschlecht. Quelle: ATHIS2014, ReHIS.

     GESUNDHEIT IN DER SELBSTEINSCHÄTZUNG, NACH GESCHLECHT (REHIS)

                                                                                                         42

                                     Männer                    42 %                              43 %                14 %
                                                                                                                            7             ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM
                                           Männer ATHIS                   51
                                                                                                                                          Neun von zehn Männern und fast alle Frauen, die im Rahmen von ReHIS befragt wurden,
               Sehr gut               Frauen               33 %                           49 %                      18 %                  suchten in den vergangenen 12 Monaten Ärzt/innen oder Therapeut/innen auf.

                    Gut
                                     Gesamt                    41 %                              44 %                15 %
              Nicht Gut

                                               0%              20%             40%          60%               80%           100%                                   100%
                                                                                                                                           ReHIS Männer
                                                                                                                                                                   80%
                                                                                                                                            ReHIS Frauen
                                                                                                                                                                   60%
        Abbildung 7: Gesundheit in der Selbsteinschätzung, nach Geschlecht. Quelle: ReHIS.
                                                                                                                                                                   40%

                                                                                                                                                                   20%

                                                                                                                                                                    0%
     Multivariate Analysen zeigen, dass Alter und Staatsange-             statistisch nicht signifikant. Weitere Analysen zeigen, dass
     hörigkeit die Wahrnehmung von nicht guter Gesundheit sig-            der formale Bildungsstand keinen signifikanten Effekt im

                                                                                                                                                                                                                                                       r

                                                                                                                                                                                                                                                     nt
                                                                                                                                                                                                                                              /in ,
                                                                                                                                                                                                in

                                                                                                                                                                                                              in

                                                                                                                                                                                                                                                     in
                                                                                                                                                                               in

                                                                                                                                                                                                                                                      s
                                                                                                                                                                                                                                                     in
                                                                                                                                                                                                                                        at /in

                                                                                                                                                                                                                                                   nä
     nifikant beeinflussen. Wie erwartet nehmen Geflüchtete im            multivariaten Kontext hat: Der Zusammenhang zwischen

                                                                                                                                                                                                                                                 au
                                                                                                                                                                                             t/

                                                                                                                                                                                                           t/

                                                                                                                                                                                                                                                  t/

                                                                                                                                                                                                                                                  la
                                                                                                                                                                           t/

                                                                                                                                                                                                                                                  t/

                                                                                                                                                                                                                                                io
                                                                                                                                                                                                                                     hi ut
                                                                                                                                                                                           rz

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                                                                                                                                                                                                         är

                                                                                                                                                                                                                                            at
                                                                                                                                                                                                                                  yc pe
                                                                                                                                                                                        rÄ

                                                                                                                                                                                                                                           hä

                                                                                                                                                                                                                                           er
                                                                                                                                                                       ap

                                                                                                                                                                                                                                          ap

                                                                                                                                                                                                                                         am
                                                                                                                                                                                                                                          ke
     Alter von 40-59 Jahren ihre Gesundheit als schlechter wahr als       selbst eingeschätzter Gesundheit und dem formalen Bildungs-

                                                                                                                                                                                                       hn

                                                                                                                                                                                                                                         st
                                                                                                                                                                                                                              Ps ra
                                                                                                                                                                                                                       c
                                                                                                                                                                                        e/
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                                                                                                                                                                                                                                      er

                                                                                                                                                                                                                                      an
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                                                                                                                                                                                                     Za

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                                                                                                                                                                                      ch
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                                                                                                                                                                                                                                   au
                                                                                                                                                                                                                                   Kr

                                                                                                                                                                                                                                  au
     jene in ihren Zwanzigern oder Dreißigern. Außerdem empfinden         abschluss verliert an Bedeutung, wenn die Nationalität

                                                                                                                                                                                                                                  ot

                                                                                                                                                                                                                                 io
                                                                                                                                                                                    is

                                                                                                                                                                                                                               nh

                                                                                                                                                                                                                               nh
                                                                                                                                                                er

                                                                                                                                                                                                                              ch

                                                                                                                                                                                                                              ys
                                                                                                                                                                                    t
                                                                                                                                                                                 ak

                                                                                                                                                                                                                            ke
                                                                                                                                                              od

                                                                                                                                                                                                                            ke
                                                                                                                                                                                                                           sy

                                                                                                                                                                                                                           Ph
     afghanische Staatsangehörige im Vergleich zu Syrer/inne/n            der Befragten berücksichtigt wird. Dies legt nahe, dass die

                                                                                                                                                                               Pr

                                                                                                                                                                                                                          an

                                                                                                                                                                                                                         an
                                                                                                                                                                                                                           ,P
                                                                                                                                                             /in

                                                                                                                                                                                                                       Kr

                                                                                                                                                                                                                       Kr
                                                                                                                                                                                                                         in
     ihre Gesundheit häufiger als schlecht. Dasselbe gilt für Ge-         Staatsangehörigkeit der Geflüchteten signifikanter für die                         zt

                                                                                                                                                                                                                      g/
                                                                                                                                                           Är

                                                                                                                                                                                                                   lo
                                                                                                                                                                                                              ho
     flüchtete aus anderen Ländern wie z. B. Iran, Jemen und Jor-         gesundheitliche Selbsteinschätzung ist als das formale Bil-

                                                                                                                                                                                                            yc
                                                                                                                                                                                                           Ps
     danien. Iraker/innen waren tendenziell öfter bei schlechterer        dungsniveau.
     Gesundheit als Syrer/inne/n, die Unterschiede sind aber

                                                                                                                                          Abbildung 9: Inanspruchnahme einer ärztlichen und/oder therapeutischen Leistung in den letzten 12 Monaten,
                                                                                                                                          nach Geschlecht. Quelle: ReHIS.
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REFUGEE HEALTH AND INTEGRATION SURVEY - Re Refugee Health and Psychosoziale Gesundheit und Gesundheitszugang von Gefl üchteten in Österreich ...
ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM                                                                                                                                                              UNGEDECKTE GESUNDHEITSBEDÜRFNISSE

     Sowohl bei ReHIS als auch bei ATHIS gaben Frauen öfter                    28% gegenüber 70%-80%). Im Allgemeinen wurden auch            FLUCHTMIGRATION UND DAS
     an, in den letzten 12 Monaten Gesundheitsdienstleistungen                 Fachärzt/innen von einem geringeren Anteil der Geflüchteten                                                                                     Bevölkerung zur Folge. Ob dieser Effekt auch auf die
     in Anspruch genommen zu haben. Unter Geflüchteten sind                    aufgesucht (Männer: 34%, Frauen 51%) als der Österreicher/    HEALTHY MIGRANT PARADOX                                                           Fluchtbewegung 2015 zutrifft, wurde bisher noch nicht
     die Geschlechterunterschiede besonders auffallend, vor                    innen (Männer: 50%, Frauen 74%). Im Gegensatz dazu nah-                                                                                         geklärt, allerdings legt die Forschung nahe, dass dies
     allem was die Inanspruchnahme von Fachärzt/inn/en betrifft                men weibliche Geflüchtete etwas öfter die Dienste von Psy-                                                                                      nicht der Fall ist. In der Tat zeigt sich, dass Flüchtlinge
     (Frauen: 50%, Männer: 33%), was unter Umständen auf                       cholog/inn/en in Anspruch als Österreicher/innen der glei-          Das sogenannte Healthy Migrant Paradox kann Aus-                            ungeachtet der (wirtschaftlichen) Bedingungen des
     Gynäkologenbesuche zurückzuführen ist. Weibliche Geflüch-                 chen Altersgruppe (13% gegenüber 10%). Pysiotherapeut/              wirkungen auf die Inanspruchnahme von Gesundheits-                          Aufnahmelandes eine höhere Prävalenz von Depres-
     tete vermeldeten auch öfter psychologische, psychothera-                  inn/en wurden selten von Geflüchteten, aber beträchtlich            leistungen durch Migrant/inn/en haben: Arbeits-                             sionen und Angstzuständen aufweisen als Arbeits-
     peutische oder psychiatrische Konsultationen als Männer                   öfter von Österreicher/inne/n konsultiert (4%-5% gegenüber          migrant/inn/en sind im Durchschnitt gesünder als die                        migrant/inn/en. Jedoch lässt sich auch bei Geflüch-
     (13% der Frauen versus 5% der Männer).                                    17%-22%). Etwa ein Drittel der ReHIS-Befragten berichtete           Allgemeinbevölkerung des Herkunfts- und des Auf-                            teten eine Selbstselektion in Bezug auf Bildung und
                                                                               von mindestens einem Krankenhausaufenthalt in den letzten           nahmelandes, was durch die Selbstselektion unter                            Qualifikationen beobachten: Da die Flucht nach Europa
     Geflüchtete besuchen weitaus seltener zahnärztliche Praxen                12 Monaten, wobei ambulante Behandlungen häufiger waren             Migrant/inn/en erklärt werden kann: Personen, die über                      mit erheblichen Kosten verbunden ist, ist der sozioöko-
     als die durchschnittliche österreichische Bevölkerung (27%-               (ca. 20%) als stationäre (13%).                                     mehr persönliche, finanzielle und gesundheitliche Res-                      nomische Status und das Humankapital syrischer und
                                                                                                                                                   sourcen verfügen, können sich Migration eher leisten.                       irakischer Flüchtlinge in Österreich, einschließlich ihrer
                                                                                                                                                   Dies hat eine seltenere Inanspruchnahme von Gesund-                         subjektiven Gesundheit, wesentlich höher als jenes der
                                                                                                                                                   heitsdienstleistungen im Vergleich zur einheimischen                        Gesamtbevölkerung in den Heimatländern.
     ZUGANG ZUM GESUNDHEITSSYSTEM
     Vergleich ATHIS-ReHIS, Altersgruppe 20 - 59
                                                                                                                                             Literatur:
                                                                                                                                             Domnich A, Panatoo D, Gasparini R, Amicizia D (2012) The “healthy immigrant” effect: Does it exist in Europe today? Italian Journal of Public Health 2012;
                                                                                                                                                 9:e7532-1-e-7.
                     100%                                                                                                                    Marmot MG, Adelstein AM, Bulusu L (1984) Lessons from the study of immigrant mortality. The Lancet 323:1455-7.
                                                                                                                                             Razum O, Wenner J (2016) Social and health epidemiology of immigrants in Germany: Past, present and future. Public Health Reviews 37:4.
                     80%                                                                                                                     Lindert J, von Ehrenstein OS, Priebe S, Mielck A, Brähler E. Depression and anxiety in labor migrants and refugees – a systematic review and meta-analysis
                                                                                                                                                 (2009) Soc Sci Med 69:246-57.
                     60%                                                                                                                     Buber-Ennser I, Kohlenberger J, Rengs B, Al Zalak Z, Goujon A, Striessnig E, Potančoková M, Gisser R, Testa MR, Lutz W (2016) Human capital, values, and attitu
                                                                                                                                                 des of persons seeking refuge in Austria in 2015. PLoS ONE 11:e0163481.
                                                Männer ATHIS                    51
                     40%

                     20%

                      0%

                                                                                                                                             UNGEDECKTE GESUNDHEITSBEDÜRFNISSE UND ZUGANGSBARRIEREN
                                                            /in

                                                                                                        r

                                                                                                      nt
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                                                                                                      in
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                                                                                                   au
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                                                                      rz
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                                                                                    au
                                     c

                                                                                   io

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                                                                                 Ps

                                                                                 nh
                                  is
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                                                                                ys

                                                                                                                                                                                                      100%
                                   t

                                                                               ke
                 od

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                                                                              ke
                                                                             Ph

                                                                            an
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                                                                           an
               /in

                                                                         Kr

                                                                         Kr

                                                                                                                                                                                                       90%
             zt

                                                                                                                                                 Zwei von vier männlichen und vier von
            Är

                                                                                                                                                 zehn weiblichen Geflüchteten gaben                    80%

             ReHIS 20-59 Männer                     ReHIS 20-59 Frauen        ATHIS, 20-59 Männer       ATHIS, 20-59 Frauen                      ungedeckte medizinische Bedürfnisse                   70%
                                                                                                                                                 (sog. „unmet health needs“) an.                       60%

                                                                                                                                                                                                       50%
        Abbildung 10: Inanspruchnahme einer ärztlichen und/oder therapeutischen Leistung in den letzten 12                                                                                             40%
        Monaten, Vergleich ATHIS und ReHIS. Quelle: ReHIS, ATHIS2014.
                                                                                                                                                                                                       30%
                                                                                                                                                                     keine ungedeckten
                                                                                                                                                                            Bedürfnisse                20%

     Geflüchtete nannten häufiger ambulante Behandlungen als                   Geflüchteten könnten auch damit zusammenhängen, dass                                                                    10%
                                                                                                                                                                            ungedeckte
     Österreicher/innen (19%-21% versus 10%-11%). In ähnlicher                 sie häufiger Ambulanzen aufsuchen und somit auch eher                                      Bedürfnisseed                 0%
     Weise zeigt die ATHIS-Befragung, dass Menschen aus EU-                    über Nacht im Krankenhaus aufgenommen werden können.
                                                                                                                                                                                                                          Männer                            Frauen                           Gesamt
     Drittstaaten eher dazu neigen, Krankenhausambulanzen für                  Unter geflüchteten Frauen könnte die erhöhte Geburtenrate
     Behandlungen aufzusuchen als in Österreich Geborene (13%                  nach der Migration ebenfalls zum vergleichsweise hohen
     versus 10%). Mehr stationäre Krankenhaussaufenthalte bei                  Anteil von stationäre Aufenthalten (22%) beitragen.           Abbildung 11: Ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse nach Geschlecht. Quelle: ReHIS.

14                                                                                                                                                                                                                                                                                                             15
ZUGANGSBARRIEREN                                                                                                                                                            ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN

                                                                                                                                       WIE GUT FÜHLEN SIE SICH IN ÖSTERREICH GESUNDHEITLICH VERSORGT?
     GESCHLECHT UND NATIONALITÄT hängen mit ungedeck-                   Als häufigster Grund dafür medizinische Probleme nicht
     ten Bedürfnissen zusammen: Frauen und Afghan/en/innen              behandeln zu lassen, wurde „Ich warte ob das Problem von
     gaben am öftesten ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse                selbst besser wird“ genannt (21%-22%) (Abb. 12). Zeit war
     an. Geringe Fallzahlen erlauben keine detaillierteren Analysen     ebenfalls ein relevanter Faktor Gesundheitsprobleme nicht
     für Frauen. Für Männer hingegen zeigt sich: Angehörige             behandeln zu lassen: 23% der Frauen und 20% der Männer                           Gesamt

     anderer Staaten als Syrien, Irak und Afghanistan haben ein         gaben an, dass die nötige Behandlung oder Beratung zeitlich
     höheres Risiko für ungedeckte Bedürfnisse. Ein niedrigeres         unmöglich war. Eine zu lange Warteliste wurde von 19% der
     Bildungsniveau korreliert hingegen mit weniger Barrieren:          Frauen und 15% der Männer als Barriere gesehen. Mangeln-
     Befragte mit einem Bildungsniveau von ISCED 2 berichteten          des Wissen über geeignete Ärzt/innen oder Therapeut/innen                         Frauen

     weniger oft von ungedeckten Bedürfnissen als Höhergebildete        sowie Sprachbarrieren zählten ebenfalls zu den Top-5-Ant-
     (ISCED 3 oder höher). Das könnte mit unterschiedlichen             worten (11%-12%). Nur 7% der Männer und keine Frauen
     Wahrnehmungen darüber zusammenhängen, was ein Gesund-              gaben an, kein Vertrauen in österreichische Ärzt/innen zu
                                                                                                                                                         Männer
     heitsbedürfnis und eine adäquate Behandlung darstellt.             haben.

                                                                                                                                                                   0%        20%            40%                60%           80%             100%

                                                                                                                                               ganz und gar                                                                                              ganz und gar
                                                                                                                                           schlecht versorgt                                                                                             gut versorgt
                                                                                                                                                               1        2     3         4         5        6         7         8         9          10

                                                                                                                                         Abbildung 13: Wahrnehmung der Gesundheitsversorgung in Österreich, nach Geschlecht. Quelle: ReHIS.

               22 %                      21 %                         16 %                   12 %                    11 %                Der Mittelwert war für Frauen geringfügig niedriger als für     heitsversorgung in Österreich angaben als ältere Teilnehmer/
                                                                                                                                         Männer (8,1 versus 8,5). Frauen wählten den Extremwert 10       innen. Darüber hinaus haben Geschlecht und Nationalität
          „Ich warte ob das        „Die Behandlung /         „Die Wartezeit ist        „Ich kenne keinen        „Ich verstehe die
                                                                                                                                         (ganz und gar gut versorgt) wesentlich seltener als Männer      ebenfalls Einfluss darauf, ob sich Befragte ganz und gar
         Problem von selbst         Untersuchung ist        zu lang oder: ich bin         guten Arzt /         Sprache nicht oder:
             besser wird“           zeitlich für mich       auf einer Warteliste“        Therapeuten “       ich kann nicht erklären     (29% versus 43%) (Abb. 13). Analysen für die beiden höchsten    gut versorgt in Österreich fühlten: Frauen und afghanische
                                     nicht möglich“                                                          was mein Problem ist“       Bewertungen (Werte 9 und 10) zeigen, dass junge Geflüchte-      Befragte waren weniger oft mit der Gesundheitsversorgung
                                                                                                                                         te unter 20 Jahren eine höhere Zufriedenheit mit der Gesund-    zufrieden.

     Abbildung 12: Top 5 Zugangsbarrieren. Quelle: ReHIS.

                                                                                                                                                                                        ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN

                                                                                                                                         Geflüchtete aus Kriegsgebieten leiden häufig an post-           Störungen in Kombination mit Pharmakotherapie.
                                                                             Wie nehmen Geflüchtete die Gesundheitsversorgung in         traumatischen psychischen Belastungen verschiedener Art.        Bei Männern ist die Häufigkeit von Depression geringer: 2%
                                                                             Österreich wahr? Prinzipiell sehr gut: Auf einer Skala      Diese können sich in Form von Angststörungen, Depres-           sind schwer, 5% mittelgradig und 25% leicht belastet. Die
                                                                             von 1 bis 10 bewerteten vier von zehn Männern und drei      sionen, aber auch anderen psychischen oder körperlichen         Häufigkeit von mittelgradigen und schweren Angststörungen
     SUBJEKTIVE WAHRNEHMUNG                                                  von zehn Frauen mit der Bestnote 10. Viele beurteilten      Gesundheitsproblemen äußern. In ReHIS wurde mittels 15          (gesamt 18%) ist bei Frauen im Vergleich zu Depressionen
                                                                             auch mit 9, 8 oder 7, sodass nur rund ein Zehntel der       verschiedener Fragen spezifisch das Vorliegen von Depres-       höher. Bei Männern kommen beide psychischen Belastungen
     DER GESUNDHEITSVERSORGUNG                                               geflüchteten Männer und Frauen die Gesundheits-             sions- und Angstsymptomen untersucht. Informationen zu          etwa gleich oft vor. Zumindest eine der beiden Störungen

     IN ÖSTERREICH                                                           versorgung in Österreich weniger gut einschätzt.
                                                                             Der Mittelwert für die Wahrnehmung der Qualität der
                                                                                                                                         konkreten traumatischen Ereignissen vor und während der
                                                                                                                                         Flucht wurden aus ethischen Gründen nicht erhoben.
                                                                                                                                                                                                         in mittelgradiger oder schwerer Ausprägung haben 21% der
                                                                                                                                                                                                         Frauen und 10% der Männer. Geflüchtete afghanischer Herkunft
                                                                             österreichischen Gesundheitsversorgung betrug 8,5                                                                           waren in ReHIS häufiger von stärkeren psychischen Belas-
                                                                             auf einer Skala von 1 bis 10.                               In ReHIS zeigte sich bei 3% der Frauen eine schwere depres-     tungen betroffen als jene aus dem Irak und Syrien. Zusätz-
                                                                                                                                         sive Symptomatik, bei weiteren 8% eine mittelgradige und bei    lich gaben 29% der Befragten an, in den letzten 2 Wochen in
                                                                                                                                         32% eine leichte Belastung (Abb. 14). Zumindest bei mittel-     zumindest manchen Nächten Alpträume gehabt zu haben, ein
                                                                                                                                         gradigen und schweren Depressionen wird für gewöhnlich          häufiges Symptom von unverarbeitetem Stress. 5% der Befrag-
                                                                                                                                         eine Psychotherapie empfohlen, insbesondere bei schwereren      ten erleben Alpträume sogar in mehr als der Hälfte der Nächte.

16                                                                                                                                                                                                                                                                        17
ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN                                                                                                                                                                  ANGSTSTÖRUNGEN UND DEPRESSIONEN

     DEPRESSIVE SYMPTOMATIK UND ANGSTSTÖRUNG
                                                                                                                                                       Geflüchtete im Jugendalter (bis 24 Jahre) zeigen sich in beiden Skalen (Angst und Depression) stärker belastet als Erwachsene
                                                                                                                                                       (Abb. 16). Ähnlich wie in der österreichischen Wohnbevölkerung steigt aber auch bei ReHIS der Grad der psychischen Belastung
                                                                                                                                                       bei Personen über 45 Jahren wieder an.
                            Depression                             57%                                          32%                      8%     3
               Frauen

                          Angststörung                                 60%                                     22%                 15%          3

                        Eine der beiden                          50%                                     29%                      17%           4
                                                                                                                                                       BELASTUNG DURCH DEPRESSIVE ODER ANGSTSYMPTOME NACH ALTERSGRUPPEN

                         Depressionen                                    68%                                               25%                5% 2
               Männer

                          Angststörung                                       72%                                            22%               6% 0

                        Eine der beiden                                60%                                           30%                 8%      2
                                                                                                                                                                                   15-24               47%                                     37%                     13%     3

                                                                                                                                                                    Altersgruppe
                                           0%             20%                  40%                 60%                     80%                  100%                               25-34                          67%                                         26%            6% 1

                                                                                                                                                                                   35-44                          65%                                       23%          9%    3

                         keine Belastung               leichte                     mittelgradige                     schwere Belastung
                                                                                                                                                                                   45-60                50%                                          40%                  8%   2

                                                                                                                                                                                           0%         20%               40%              60%                  80%              100%
     Abbildung 14: Altersgruppe 15-60 Jahre, Depressive Symptomatik (PHQ8 Skala) und Angststörung (GAD7 Skala).
     Quelle: ReHIS.

                                                                                                                                                                                    keine Belastung         leichte           mittelgradige                schwere Belastung

     Bei depressiver Symptomatik ist ein Vergleich mit der österrei-           Österreich 3% der Männer und 5% der Frauen mittelgradig
     chischen Wohnbevölkerung möglich, da in ReHIS zu diesem                   oder schwer depressiv belastet (Abb. 15). Die in ReHIS
     Thema derselbe Fragenkatalog wie in ATHIS 2014 einge-                     befragten Geflüchteten weisen eine doppelt so hohe Häufig-              Abbildung 16: Belastung durch depressive oder Angstsymptome nach Altersgruppen. Quelle: ReHIS.
     setzt wurde. In der Altersgruppe der 15-44-Jährigen waren in              keit schwerer und mittelgradiger Symptomatik auf.

                                                                                                                                                       Insgesamt zeigt sich eine relativ hohe Belastung der                    schen Wohnbevölkerung (siehe Abb. 15) werden psycho-
                                            DEPRESSIVE SYMPTOMATIK, Altersgruppe 15-44 Jahre, Vergleich ATHIS und ReHIS                                Befragten durch psychische Störungen. Jedoch ist anzu-                  therapeutische Leistungen nur gleich oft in Anspruch
                                                                                                                                                       nehmen, dass ReHIS die Häufigkeit der Belastungen unter-                genommen. Ein Ausbau spezifischer Leistungen für die
                                                                                                                                                       schätzt, da besonders gefährdete Personen in Befragungen                Gruppe der Flüchtlinge ist notwendig. Jugendliche zeigen
                                                                                                                                                       generell schwieriger zu erfassen sind. Die Ergebnisse von               sich besonders mental belastet – hierauf sollte bei der
                         Frauen                         55%                                              34%                      9%     2
                                                                                                                                                       ReHIS weisen auch auf den ungedeckten Bedarf an thera-                  Ausweitung psychosozialer Angebote besonders Rück-
               ReHIS

                         Männer                                  69%                                            24%                6% 2                peutischen Angeboten hin. Trotz doppelt so häufiger mittel-             sicht genommen werden.
                                                                                                                                                       gradiger und schwerer Störungen im Vergleich zur österreichi-
               ATHIS

                         Frauen                                        78%                                              17%            4% 1

                        Männer                                           86%                                                 11%        21

                                  0%             20%                   40%                 60%                  80%                     100%

                         keine Belastung            leichte                   mittelgradige                schwere Belastung

     Abbildung 15: Altersgruppe 15-44 Jahre, Depressive Symptomatik (PHQ8 Skala), Vergleich ATHIS und ReHIS.
     Quelle: ReHIS, ATHIS2014.
18                                                                                                                                                                                                                                                                                        19
ZUSAMMENFASSUNG                                                                                                                                                                           ZUSAMMENFASSUNG

                                                                     tete unter 40 berichteten über weniger gute Gesundheit als       PSYCHOTHERAPEUT/INNEN ODER PSYCHIATER/INNEN                     Zwei der fünf am häufigsten genannten ZUGANGSBARRIEREN,

           ZUSAMMENFASSUNG                                           österreichische Frauen. In der Altersgruppe 40-59 waren die
                                                                     Unterschiede weniger ausgeprägt, da männliche Geflüchtete
                                                                                                                                      wurden von den in ReHIS befragten Geflüchteten etwa gleich
                                                                                                                                      oft aufsucht wie von der österreichischen Wohnbevölkerung
                                                                                                                                                                                                      nämlich zeitliche Verfügbarkeit und lange Wartelisten,
                                                                                                                                                                                                      scheinen sich vor allem auf den Zugang zu Psychothera-
                                                                     ihren Gesundheitszustand in ähnlicher Weise einschätzten         laut ATHIS. Berücksichtigt man jedoch, dass Geflüchtete eher    peut/inn/en zu beziehen, da Allgemeinmediziner/innen in
                                                                     wie Österreicher. Das könnte bedeuten, dass Österreicher         in städtischen Gebieten wohnhaft sind und zwischen 2014         der Regel keine Wartelisten verwenden. Tatsächlich beträgt
     Wie die Resultate zu selbsteingeschätzter Gesundheit,           eine stärkere Verschlechterung der Gesundheit (bzw. der          und 2018 eine Zunahme der Versorgung stattgefunden hat,         die durchschnittliche Wartezeit für Psychotherapie für
     ungedeckten Gesundheitsbedürfnissen, Beschränkungen im          Selbsteinschätzung) mit zunehmendem Alter erfahren,              nimmt die österreichische Vergleichsgruppe psychothera-         Geflüchtete (mit einem/r fachkundigen Dolmetscher/in vor
     Zugang zur Gesundheitsversorgung und der Häufigkeit von         während der selbst eingeschätzte Gesundheitszustand bei          peutische Leistungen höchstwahrscheinlich öfter in Anspruch.    Ort) in Österreich zwischen sechs und zwölf Monaten bei
     Angststörungen und Depressionen zeigen, ist die Gesund-         Geflüchteten bereits von Beginn an niedriger ist. Lebens-        ReHIS zeigt jedoch auf, dass der Bedarf an Psychotherapie       Erwachsenen. ReHIS Ergebnisse legen nahe, dass eine lange
     heit geflüchteter Menschen, die im Zuge der Europäischen        wandel und kulturelle Aspekte könnten weitere Faktoren sein,     bei der Gruppe der Geflüchteten ungleich größer ist. Die        Wartezeit eines der Haupthindernisse darstellt, warum
     Flüchtlingskrise nach Österreich gekommen sind, schlechter      die für die Interpretation dieser Ergebnisse herangezogen        Häufigkeit mittelgradiger und schwerer Angststörungen und       Geflüchtete eine indizierte Behandlung (psychischer)
     als die der Österreicher/innen. Vor allem weibliche Geflüch-    werden sollten; hierzu bedarf es aber weiterer Forschung.        Depressionen ist etwa doppelt so hoch. Psychische Probleme      Erkrankungen nicht in Anspruch nehmen. Lange Wartezeiten
                                                                                                                                      stellen nicht nur ein Hindernis für soziale und ökonomische     sowie eine eingeschränkte Erreichbarkeit können außerdem
                                                                                                                                      Integration dar, sondern sind auch ein Sicherheitsrisiko. Der   dazu führen, dass Geflüchtete eher dazu neigen, das gesund-
                                                                                                                                      Ausbau psychotherapeutischer Dienste soll (z.B. durch mut-      heitliche Problem zu ignorieren bzw. abzuwarten und zu
                                                                                                                                      tersprachige TherapeutInnen und ÜbersetzerInnen) auf die        hoffen, dass es sich von selbst bessert.
                                                                                                                                      Notwendigkeiten geflüchteter Menschen Rücksicht nehmen.
     GESUNDHEITLICHE SELBSTEINSCHÄTZUNG                                                                                               Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene im Alter
                                                                                                                                      von 15-24 Jahren sind hoch belastet. Darauf sollte bei der
     Die Ergebnisse zeigen, dass Bildung keinen Effekt auf die       geboren zu sein, was Erfahrungen von sozialer Exklusion,         Ausweitung psychosozialer Angebote besonders Rücksicht
     gesundheitliche Selbsteinschätzung hat und keinen nennens-      Diskriminierung und Rechtlosigkeit zur Folge gehabt haben        genommen werden.
     werten Resilienzfaktor für die Gesundheit der befragten         kann. Im Gegensatz zu syrischen Geflüchteten erhalten
     Geflüchteten darstellt. Vielmehr beeinflusst Nationalität die   afghanische Staatsbürger/innen seltener vollen Asylstatus,
     gesundheitliche Selbsteinschätzung, wobei afghanische           sondern subsidiären Schutz, der auf ein Jahr befristet
     Geflüchtete niedrigere Werte angaben als Angehörige anderer     ist, aber mehrmals nach einer Neuevaluierung verlängert
     Staaten. Das könnte mit mehreren Faktoren zusammen-             werden kann. In Kombination mit der für Afghan/en/innen
     hängen: Einerseits können Stressfaktoren wie Fluchtmigra-       im Vergleich zu Syrer/inne/n typischerweise viel längeren
     tion eine entscheidende Rolle spielen, da die Migrationser-     Dauer von Asylverfahren (was zu unfreiwilliger Inaktivität und
     fahrungen von Afghan/inn/en tendenziell länger, fragmen-        Arbeitslosigkeit führt) sowie von vornherein viel geringeren
     tierter und komplexer sind als beispielsweise die von Syrer/    Erfolgsaussichten dauerhaft in Österreich bleiben zu dürfen,           ZUSAMMENFASSUNG
     inne/n, mit andauernden Aufenthalten in Transitländern un-      kann also auch der unsichere temporäre Aufenthaltsstatus
     ter harschen Bedingungen. Von den Befragten mit afghani-        einen negativen Einfluss auf die Gesundheit afghanischer
     scher Staatsbürgerschaft gaben 20% an, nicht in Afghanistan     Geflüchteter haben.

                                                                                                                                              ·   NATIONALITÄT UND GESCHLECHT als zentrale Faktoren: Afghanen und Frauen sind gesundheitlich
                                                                                                                                                  schlechter gestellt (Bildung hat keinen Effekt)

                                                                                                                                              ·   ZEITLICHE ERREICHBARKEIT als wesentliche Zugangsbarriere, Kosten spielen untergeordnete Rolle

     INSGESAMT VERZEICHNETEN REHIS-BEFRAGTE eine                     der Migration in Zusammenhang zu stehen. Die seltene                     ·      D ENTALMEDIZIN UND PSYCHOTHERAPIE stark unterrepräsentiert, kann zu hohen Folgekosten führen
     hohe Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheits-        Inanspruchnahme von Physiotherapeut/inn/en und Zahnärzt/
     system und wenige strukturellen Zugangsbarrieren – dabei        inn/en könnte u.a. durch die geringe Verbreitung von Physio-             ·   HOHE ZUFRIEDENHEIT mit dem österreichischen Gesundheitssystem
     wurden vor allem Kosten und Erreichbarkeit genannt. Zusätz-     therapie bzw. dentaler Prophylaxe in den Ursprungsländern
     lich zu nationalen Unterschieden (Afghan/inn/en waren           zu erklären sein. Insbesondere scheint die geringere Inan-
     weniger zufrieden als andere Gruppen) gab es Geschlechter-      spruchnahme von Zahnarztbesuchen durch Geflüchtete aber
     unterschiede bei der Zufriedenheit. Frauen fühlten sich         auch durch sozio-ökonomische Faktoren bedingt zu sein.
     generell weniger gut versorgt als Männer, obwohl sie öfter      Obwohl nur ein geringer Anteil der Befragten hohe Kosten
     Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nahmen, vor allem       als Grund für ungedeckte Gesundheitsbedürfnisse genannt
     Fachärzt/innen. Dies scheint vor allem auf Gynäkolog/inn/       hat, sollte beachtet werden, dass ein Großteil der präventiven
     en und Geburtshelfer/innen zurückzuführen zu sein und mit       Zahnbehandlungen von den meisten Krankenversicherungen
     der hohen Geburtenrate unter weiblichen Geflüchteten nach       nicht übernommen werden.

20                                                                                                                                                                                                                                                                  21
POLITIKEMPFEHLUNGEN                                                                                                                                         IMPRESSUM

                                                                      Der Zugang zu Allgemeinmediziner/innen und Fachärzt/innen
                                                                      sollte verbessert werden, um die Ambulanzen und Notdienste
     POLITIKEMPFEHLUNGEN                                              der Krankenhäuser zu entlasten, was zu Kosteneinsparungen
                                                                      führen würde. Sprachbarrieren können behoben werden,
                                                                      indem ausgebildete Dolmetscher/innen zur Verfügung ge-
                                                                      stellt würden, idealerweise auch virtuell über web-basierte
     Der Zugang von Geflüchteten zum österreichischen Gesund-         Anwendungen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf weib-
     heitssystem kann verbessert werden, indem der Informations-      liche Geflüchtete und afghanische Staatsbürger/innen gelegt
     fluss optimiert wird. Im akuten Anlassfall werden oft Kranken-   werden, sowohl was den Zugang zu Gesundheitseinrich-
     häuser, insbesondere für ambulante Behandlung in Anspruch        tungen, als auch das allgemeine Wohlbefinden betrifft.
     genommen. Dies könnte auf mangelndes Wissen über vorhan-         Das geht über Anforderungen des Gesundheitswesens
     dene Allgemeinmediziner/innen und Fachärzt/innen zurück-
     zuführen sein. Der Zugang zu Letzteren zeigt ein starkes
                                                                      hinaus und beinhaltet generelle Angebote wie Betreuung im
                                                                      Asylverfahren, Wohnen und Kinderbetreuung.
                                                                                                                                      IMPRESSUM
     Ungleichgewicht in Bezug auf den regelmäßigen Besuch von
     Zahnärzt/innen: Geflüchtete konsultieren diese wesentlich        Unsere Ergebnisse zeigen, dass Barrieren im Zugang zu
     seltener als Österreicher/innen. Staatliche Gesundheitspolitik   Gesundheitsdienstleistungen vor allem auf mangelnde Erreich-
     sollte den Zugang zu Zahnärzt/innen für Geflüchtete fördern,     barkeit und unzureichendes Angebot zurückzuführen sind,            Dr. Judith Kohlenberger
     vor allem da Studien zeigen, dass mangelnde Zahngesund-          was lange Wartelisten oder Terminkonflikte zur Folge hat. Die      Institut für Sozialpolitik
     heit die soziale Ungleichheit zwischen Einheimischen und         eingeschränkte Verfügbarkeit von freien Plätzen für Behand-        Department Sozioökonomie
     Migrant/innen verstärkt.                                         lungen ist von besonderer Bedeutung bei psychischen Er-
                                                                      krankungen, welche sich mit der Zeit verschlimmern können.         Wirtschaftsuniversität Wien
                                                                                                                                         Welthandelsplatz 1
                                                                                                                                         1020 Wien

                                                                                                                                         judith.kohlenberger@wu.ac.at
                                                                                                                                         Tel.: +43-(0)1-31336-4847
                                                                                                                                         Fax: +43-1-313 36-90-4847

                                                                        ✓
                                                                        ☐    Psychoedukation, um Bewusstsein für                         Email: rehis@wu.ac.at
                                                                             psychosoziale Gesundheit zu schaffen
                 ANREGUNGEN                                                  und der Stigmatisierung psychischer
                                                                                                                                         Website: https://www.wu.ac.at/sozialpolitik/

                 AUF EINEM BLICK:                                            Erkrankungen entgegenzuwirken
                                                                                                                                         Grafische Gestaltung: Viktoria Strehn
                                                                                                                                         Erschienen im Jänner 2019
                                                                        ✓
                                                                        ☐    Ausbau psychosozialer Angebote für
                                                                             junge Geflüchtete

               ✓
               ☐   Informationsfluss zwischen Gesundheits                ✓
                                                                        ☐    Frauen und afghanische Geflüchtete
                   dienstleister/innen und Geflüchteten                      in den Blick nehmen
                   optimieren und dadurch Krankenhaus-
                   ambulanzen entlasten                                 ✓
                                                                        ☐    Zeitliche Flexibilität bei Terminvereinbarung
                                                                             für Beratungen und Behandlungen ermöglichen
               ✓
               ☐   Sprachbarrieren durch (online) Verfügbarkeit
                   von Dolmetscher/innen abbauen                        ✓
                                                                        ☐    Mangelnde Mobilität und bestehende
                                                                             Mehrfachbelastungen geflüchteter Menschen
               ✓
               ☐   Präventivmedizin forcieren, insbesondere                  (Kinderbetreuung, Deutschkurse, etc.)
                   im Bereich der Dentalmedizin                              adressieren

               ✓
               ☐   Ausbau des (muttersprachlichen) Angebots             ✓
                                                                        ☐    Versteckte Kosten in der Präventivmedizin
                   an Psychotherapieplätzen                                  reduzieren

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